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Information | Vote | Gewinner
Ähnlich wie im letzten Jahr gibt es auch dieses Jahr wieder eine bestimmte Anzahl an Punkten, die ihr den Texten geben könnt. Dabei ist zu beachten, dass ihr frei wählen könnt, wie genau ihr die Punkte verteilt und welche Texte mehr Punkte als andere bekommen. Achtet jedoch darauf, dass ihr die Punkte, die euch zur Verfügung stehen, komplett ausschöpft. Votes, welche zu wenige oder zu viele Punkte enthalten können leider nicht gezählt werden. Des Weiteren solltet ihr eure Punkte mindestens auf drei Texte verteilen, eure Wahl begründen und natürlich nicht für eure eigenen Texte voten. Schreibt ihr einen besonders guten (hilfreich und gut durchdachten. Der Inhalt ist hier ausschlaggebend und nicht die Länge!) Vote, so habt ihr die Chance durch das FF-Komitee mit einem von drei Plätzen ausgezeichnet zu werden, die euch ebenfalls Punkte auf der Saisontabelle einbringen können. Hierzu ist es hilfreich, euch das "How to vote-Topic" anzusehen. Weitere Informationen findet ihr hier: Informationen zur Wettbewerbssaison 2013
Ihr könnt 5 Punkte verteilen
Der Vote läuft bis Samstag, den 21.09.2013, um 23:59 Uhr.
Schneeflocken rieselten unnachgiebig vom hellgrauen Himmel herab.
Feingliedrige Eiskristalle bedeckten Steine und Pflanzen. Der Frost schien den sonst doch so lehmigen Pfad in reinen Diamant verwandelt zu haben - Kalt und funkelnd breitete sich der schmale Weg zwischen den hohen Tannen aus, welche jeden Reisenden auf dieser Passage mit ihrem gewaltigen Ausmaß unter sich zu begraben drohten.
Stille herrschte in dem weiten Wald, längst waren die Tiere in ihre Verstecke gekrochen oder vor dem bedrohlichen Eis geflüchtet. Nur eine junge Frau schritt unbeirrt ihres Weges, ein kleines Kästchen nahe an ihr Herz gepresst. Die lähmende Kälte war längst durch ihre dicken Stiefel und ihren wallenden Mantel gekrochen. Einen solchen Winter hatte man hier seit Jahrhunderten nicht mehr durchlebt und es war offensichtlich, dass dies kein Streich der Natur war.
Ein Ast knackte tief zwischen den Kiefern und Saira fuhr herum. Blitzartig schnellte ihre rechte Hand zu dem Dolch, den sie tief unter ihrem Gewand bereithielt. Sie wusste, dass das silberne Messer ihr kaum einen Schutz bot, dennoch war es die effektivste Waffe, die sie abseits ihres Bogens noch bei sich trug und wohl sicherlich die vielseitigste.
Einen Moment lang blickte sie in die Weite des Waldes, doch wo sie hinsah hoben sich nur die graubraunen Äste von der trügerisch weißen Reinheit des Schnees ab. Aufmerksam spitzte sie ihre Ohren, aber die einzigen Geräusche, die die Stille durchbrachen, waren das Klopfen ihres Herzens und ihr gepresster Atem.
Sie raffte entschlossen ihren Umhang und ging weiter. Man hatte ihr ausdrücklich verboten sich auf den Pfaden der Händler zu bewegen, aber sie war schwach und wusste nicht, wie lange sie es aushalten würde weiterhin über umgefallene Bäume und Felsen klettern zu müssen ohne sich zu verletzen oder entdeckt zu werden.
Saira senkte den Kopf und biss die Zähne zusammen. Ihre blauen Lippen schmerzten, aber sie versuchte es weiterhin zu ignorieren. Sie fragte sich, wie stark wohl nun der Kontrast ihrer flammenden Haare zu der bläulich-weißen Haut war und wünschte sich mehr denn je an einen wärmenden Karmin.
Ein Schatten schien an ihr vorbei zu huschen, doch als sie nach rechts sah, blickte sie in die Einöde der schneebedeckten Baumgruppen. Sie blinzelte kurz und presste das kleine hölzerne Kästchen dicht an ihr Herz, wie um den Inhalt vor der unwirklichen Welt zu schützen.
Nach einigen Minuten sah Saira auf. Der Weg vor ihr gabelte sich um einen morschen Wegweiser, dessen verwitterte Lettern man bloß noch erahnen konnte, wenn man sie nicht schon ewig kannte. Sie atmete tief durch und sah sich nach allen Seiten um. Ihr Kopf pochte und ihr Puls stieg immer weiter nach oben. Sie fühlte sich beobachtet, konnte jedoch nicht sagen, wieso.
Ein Frösteln kroch über ihren Rücken. Dieses Mal nicht vor Kälte.
"Beruhige dich. Du musst es schaffen", wisperte sie leise.
Dann bog sie auf den linken Pfad ab, der sie zu dem See führen würde, der in jedem Winter von Nebel umfangen war. Jedoch war dies schon beinahe der Ausgang des Gefängnisses aus Tannen, die bedrohlich auf sie hinabsahen. Hatte sie den See überquert würde sie bald an einen Hang gelangen, der sie in das Tale einer Schlucht führte. Von dort aus war es noch ein Tagesmarsch bis zu ihrem Ziel. Dem endgültigen Ziel. Der geheime Tempel der Zoraten.
Beinahe wäre sie froh gewesen, dass die Temperaturen ihre Glieder gefühlstaub machten, als sie wie mechanisch den gewundenen Weg hinabstolperte. Mehrmals hatte sie das Verlangen stehen zu bleiben, hielt sich aber an weiterzugehen.
Bald hatte sie ihre Etappe erreicht. Wirklich sehen konnte sie den See nicht, so dicht war der Nebel über dem gefrorenen Gewässer. Die meisten Einheimischen aus den umliegenden Gemeinden mieden ihn deshalb im Winter, während er die Leute im Sommer mit frischem Fisch versorgte und an warmen Tagen als Badestelle diente.
Die junge Frau seufzte innerlich bei diesem Gedanken. Wie gerne hätte sie ihren Mantel unter der brütenden Hitze des letzten Sommers nun abgelegt und sich in dem kühlen Wasser erfrischt. Stattdessen lag der See jedoch spiegelgleich hinter der weißen Wolke verborgen.
Mit einem Male lief ihr ein Schauer über den Rücken. Sie zweifelte nun keine Sekunde mehr daran, dass sie nicht alleine war. Jemand oder gar etwas anderes lauerte zwischen den Bäumen und hatte seinen Blick fest auf sie geheftet. Vorsichtig drehte sie sich um. Hinter ihr lag der verborgene See während sich vor ihr nun das Spalier der gewaltigen Baumstämme erstreckte. Dieses Mal glitt ihre linke Hand wie unter Zeitlupe an ihrem Gewand hinab und ließ das wertvolle Kästchen in eine der Manteltaschen gleiten. Stattdessen griff sie nach ihrem Bogen und holte einen Pfeil aus dem Köcher. Gekonnt legte sie ihn an und sah wachsam in den Wald hinein. Das schimmernde Paar gelber Augen fiel ihr in just dem Moment auf, als das Wesen bereits auf sie zupreschte. Schnee stob zu allen Seiten davon und das Geräusch, wenn Teile der gewaltigen Kreatur auf dem Eis aufkamen glich einem Pistolenschuss in der Stille.
Doch die Rothaarige reagierte schnell. Zitternd formten ihre Lippen die kraftraubenden Worte und im Nu war die blitzende Pfeilspitze von einem silbrigen Licht umgeben. Ohne auch nur eine weitere Sekunde zu zögern ließ sie los. Melodisch surrend sauste das Geschoss durch die Luft, bevor es sein Ziel erreichte. Der Schuss hatte getroffen, jedoch war er lediglich in einer Flanke des gewaltigen Wolfs gelandet, der schmerzhaft aufjaulte, sich aber schnell wieder fing und lauernd innehielt. Seine menschlichen Augen symbolisierten nichts als Hass und die junge Priesterin wusste sofort, dass es sich um eine jener verlorenen Seelen handelte, die der grausame König in den Lagern seiner Armee aussortiert hatte. Des Körpers beraubt verdammt dazu die tierische Gestalt der jeweiligen Person anzunehmen. Bis an das wahre Lebensende.
Das Knurren drang durch Mark und Bein und die Angst breitete sich weiter in Saira aus. Wie der Nebel, der sie bereits sanft umschloss waberte auch das gefährliche Gift durch ihren Körper und drohte sie zu lähmen. Aufzugeben. Ihre Mission an diesem Punkt zu beenden. Aber sie durfte nicht.
Sie wog ab, ob es ratsam war, auf dieser kurzen Distanz ihren Bogen beizubehalten, ließ ihn jedoch nach wenigen Momenten in den Schnee fallen.
Der Seelenwolf bäumte sich auf und Saira war klar, dass es nur noch Augenblicke dauern würde, bis er erneut angreifen würde. Unnachgiebig hielt sie seine Augen fixiert, versucht, den letzten menschlichen Rest darin zu erreichen, doch es war vergebens. Ihre Hand glitt blitzartig zu dem gesegneten Messer als das dunkle Wesen bereits auf sie zu stürzen drohte. Mit aller Kraft sprang sie zur Seite und rollte sich im unangenehm beißenden Schnee ab. Ein Heulen ging von dem riesigen Hund aus und Saira wusste, dass er Verstärkung anforderte. So schnell sie noch fähig war, suchte sie ihren Rücken nach dem Bogen ab, bereit ihren Gegner nun zu töten.
Doch ihre wertvolle Waffe lag meterweit von ihr entfernt im Schnee und der Nebel war nun bereits so dicht, dass er ihr die Orientierung nahm, wo genau sie ihn abgelegt hatte. Die Zeit schien wie Sand durch ihre ledernen Handschuhe zu rinnen und verzweifelt blickte sie sich um. Noch immer hatte ihr Kontrahent den gewaltigen Kopf in den Nacken gelegt und rief lautstark nach Kumpanen.
Ihr Herz schien zu zerspringen, als sie sich bäuchlings auf das glatte Eis legte und sich quälend langsam vorwärtsschob. Nun von hinten anzugreifen war ihre letzte Chance sicher zu entkommen. Geheimnisvoll schimmerte die Klinge des Dolches, dessen scharfe Spitze sich bis aus dem wahrnehmbaren Bereich des Betrachters erstreckte. Eine gefährlichere Nahwaffe gab es wohl mit Ausnahme des heiligen Schwertes im gesamten Land nicht. Doch war jenes nicht einmal halb so wendig wie das silberne Messer.
Saira wünschte, sie wäre mehr auf Nahkampf spezialisiert als auf den Umgang mit Pfeil und Bogen.
Zentimeter für Zentimeter. Die Zeit schien stillzustehen.
Dann jedoch raste ihre Welt an ihr vorbei und lediglich der begleitende Laut hallte in ihren Ohren wider; Das Heulen weiterer Wölfe.
Nun war es vergebens.
Der Seelenwolf mit den gelben Augen sprang herum. Er wusste genau wo sie war. Es dauerte einen Moment und ihre Hand wanderte an ihrem Gewand hinab bis zu der harten Ausbeulung an ihrer Kleidung. Ein letztes Mal strich sie über das alte Holz und die goldenen Scharniere, dann formten ihre Lippen zum zweiten Male innerhalb weniger Minuten eine Beschwörung. Doch diese nahm ihr ihre letzte Kraft. Sie riss den Dolch in die Höhe, dessen plötzliches feuriges Glühen sich über den ganzen See hinweg ausbreitete. Ihr Kontrahent jaulte auf und wich zurück, doch er würde nicht mehr fliehen können.
Mit einem ohrenbetäubenden Krachen kam der Dolch auf der dicken Eisdecke auf und zerbarst die trügerische Fläche in Sekundenschnelle zu kleinen Schollen, die alles, was sie auf sich ruhten nun in die Tiefe rissen. Saira warf einen letzten Blick nach oben in den grauen Himmel und den stürzenden Wolf, dann nahmen die eisigen Fluten sie in ihre Arme und trugen sie und ihren wertvollen Besitz immer weiter auf den Grund des dunklen Gewässers, entschwindend der Welt der Lebenden.
Zwei Augenpaare suchten das Dickicht ab, auf der Suche nach dem entflohenen Dämon, doch beide blieben erfolglos. Amy fühlte, wie die Stille langsam unerträglich wurde. Der Dämon befand sich ganz in der Nähe, das spürte sie deutlich, und dennoch sah sie niemanden, so sehr sie sich auch anstrengte. Irgendetwas mussten sie doch übersehen haben…
„Ihr sucht mich immer noch. Mein Gott, seid ihr hartnäckig“, kam es plötzlich von oben und Amys Kopf schnellte hoch. Auf dem Baum, unter dem sie standen, gut drei Meter über dem Boden, saß der Dämon auf einem dicken Ast, den Bogen bereits abschussbereit. Er zielte diesmal jedoch nicht auf Amy…
„Nein!“, schrie Amy in Panik und warf sich auf Kay, bevor dieser Zeit hatte, zu reagieren. Der Pfeil flog haarscharf an ihnen vorbei, Amys Kopf schmerzhaft streifend. Einen Augenblick lang blieb Amy auf Kay liegen, unfähig, irgendetwas Anderes zu tun, als dem Klopfen ihres Herzens zu lauschen, doch schon im nächsten Moment hatte Kay sie unsanft von sich geschubst und war auf die Beine gesprungen. Erst jetzt bemerkte Amy einen zweiten Pfeil, der genau an dem Ort in der Erde steckte, wo die beiden Geschwister noch nicht lange zuvor lagen.
Rasch rappelte auch Amy sich auf, sich mit dem Rücken an den dicken Baumstamm pressend und den Wald nach dem Dämon absuchend. Dieser war nun, den Bogen immer noch auf Kay gerichtet, elegant vom Baum gesprungen. Doch das Ziel des Dämonen war es nun nicht mehr, Kay aus dem Hinterhalt heraus anzugreifen.
„Der Waldrand! Er will wieder in die Sonne!“, merkte Amy viel zu spät und erntete nur einen verächtlichen Blick seitens des Dämons.
„Schlaues Mädchen“, verkündete er nur dreckig grinsend, bevor er einen Satz nach hinten machte, aus dem Schatten des Waldes tretend. Sofort verschwammen ihre Konturen, bis einen Moment später statt des Dämonen ihre Mutter in der Sonne stand – oder eher eine perfekte Illusion ihrer verstorbenen Mutter Ellie. Nur das Grinsen, das ihr Gesicht zu etwas Grausamem verzerrte, erinnerte Amy noch an den Dämon.
„Ich will nicht sterben!“, rief ‚Ellie’, bevor ein verrücktes Lachen ihren kompletten Körper schüttelte. Ihre Mutter so unter dem Dämon leiden zu sehen, brach Amy fast das Herz. Sie spürte, wie sich ein Kloß in ihrem Hals bildete. „Ihr könnt mich nicht töten!“, lachte Ellie spöttisch, den Bogen erneut spannend.
„Das werden wir sehen“, entgegnete Kay und Amy wirbelte zu ihm herum, überrascht von dem Unterton in seiner Stimme. Es klang fast, als hätte ein in Kay lebendes Monster diese Worte verkündet… Amy zuckte zusammen, als sie Kay sah. Besessen von einem Monster – genau so sah er aus. Seine feuerroten Augen waren nicht das Einzige Unmenschliche an ihm – auch seine Handflächen glühten, pulsierten vor lauter Energie, die durch Kays gesamten Körper gepumpt wurde. Sprachlos starrte Amy ihren Bruder an – es war das erste Mal, dass sie ihn so zu Gesicht bekam.
Auch ‚Ellie’ schien über Kays Verwandlung überrascht zu sein, ließ sich jedoch nicht ablenken. Nur zu spät bemerkte Amy, dass das Ziel diesmal sie selbst war. Wie in Zeitlupe beobachtete sie den geraden Pfeil, der geradewegs auf ihre Brust zuflog, unfähig, zu handeln…
Erst im letzten Moment hörte sie ein tierisches Knurren von Kay, der mit einem Satz vor ihr stand, den Pfeil mit einer Hand einfach aus der Luft pflückend. Das trockene Stück Holz fing bei dem Kontakt mit Kays glühend heißen Handflächen sofort Feuer, und genau das schien Kay zu nutzen. Er schleuderte den Pfeil mit aller Kraft zurück auf ‚Ellie’, die es nur knapp schaffte, diesem auszuweichen. Sie zischte auf, als das heiße Holz ihr Bein streifte, ein rotes Brandmal hinterlassend.
So setzte sich der Kampf fort – Kay und ‚Ellie’ lieferten sich ein gnadenloses Duell, bei dem beide Kontrahenten auf einem Niveau lagen. ‚Ellies’ zielgenau abgefeuerte Pfeile griff Kay mühelos ab und warf die brennenden Waffen wieder zurück, doch ‚Ellie’ schien mit zunehmender Zeit an Beweglichkeit zu gewinnen. Immer leichter wich sie Kays Geschossen aus, immer erschöpfter schien Kay.
Nein, erschöpft war nicht das richtige Wort. Amy merkte, wie Kays Augen und Hände immer stärker, immer heller glühten, doch verlor Kay zunehmend an Zielgenauigkeit. Er war eine Marionette seiner eigenen Wut geworden – ziellos schleuderte er die brennenden Holzstücke umher, sich nicht darum kümmernd, dass einige Blätterhaufen Feuer fingen. Amy hatte den Eindruck, als wolle Kay ‚Ellie’ nicht besiegen, sondern viel eher seine komplette Umgebung zerstören – mitsamt Amy und ‚Ellie’. Nein, das durfte Amy nicht zulassen.
Allerdings musste sie zugeben, dass sie nicht viele Möglichkeiten hatte, zu handeln. Ihr kurzer Dolch, war wohl kaum eine Waffe, die es mit ‚Ellies’ Bogen aufnehmen konnte. Falls Amy sich aber von hinten an sie anschlich…
Entschlossen nickte Amy sich zu, den Dolch aus der Tasche ziehend. So leise wie möglich pirschte sie sich an die beiden Kämpfenden heran, stets bedacht, sich unauffällig hinter den massiven Baumstämmen zu verstecken. Endlich war ‚Ellie’ nah genug an sie gekommen – sie stand mit dem Rücken zu Amy und beobachtete amüsiert, wie Kay einige am Boden liegende Äste aufsammelte, um diese zu einem großen Feuerball zu formen.
Amy sprang hinter dem Baum hervor, holte mit dem Dolch aus, um ‚Ellie’ zumindest eine ablenkende Verletzung zuzufügen-
Hätte eine Wurzel ihr nicht einen Strich durch die Rechnung gemacht. Amy fluchte leise auf, als sie stolperte und auf dem unebenen Waldboden unsanft aufkam. Scharfe Schmerzen schossen durch ihren gesamten Körper, doch bereits einen Bruchteil der Sekunde später konzentrierten sie sich in ihrer linken Hüfte – dort, wo ein weiterer von ‚Ellies’ Pfeilen gelandet war.
„Verdammt“, brachte Amy nur heraus, als sie spürte, wie dunkle Wolken ihre Sicht vernebelten. Diese verzogen sich jedoch sofort, als sich eine dünne Hand um ihren Hals schloss und sie vom Boden hob, ihr erfolgreich die Luft abschnürend.
„Du kleine Göre“, zischte ‚Ellie’ grinsend und schlug Amy rücklings an den dicken Baumstamm, ihren Hals für keine Sekunde loslassend. Amy blieb nichts anderes übrig, als keuchend zu versuchen, ‚Ellies’ Hand von ihrem Hals zu lösen, jedoch vergebens. „Was denkst du eigentlich, wer du bist? Ein professioneller Kämpfer, so wie dein Bruder? Dass ich nicht lache!“ ‚Ellie’ lachte schrill auf, doch Amy achtete nicht mehr auf sie. Die Zeit schien still zu stehen. Amy spürte nichts mehr, dachte nichts mehr, hörte nichts mehr – alle ihre Sinne waren auf Kay konzentriert. Kay und seiner Wandlung.
Die noch glühenden Überreste des improvisierten Feuerballes lagen auf dem Waldboden zu Kays Füßen. Kay selbst stand nur fünf Meter entfernt von Amy und atmete schwer. Seine Augen waren es, die Amys Aufmerksamkeit geweckt hatten. Seine eisblau leuchtenden Augen.
Keine Zelle mehr an Kays Körper strahlte Wut aus, auch seine Handflächen leuchteten in demselben blauen Farbton wie seine Augen. Einen kurzen Augenblick lang trafen sich ihre Augen – leuchtendes Blau auf mattes Braun – dann schloss Kay die Augen. Seine Haare flatterten wild in einem starken, eisigen Wind, der aus ihm selbst heraus zu kommen schien. Die Zeit selbst schien erfroren zu sein, sich erst wieder lösend, als Kay sich in Bewegung setzte.
‚Ellie’ verstand gar nicht, was sie getroffen hatte, als Kay ihr einen kräftigen Tritt in die Seite verpasste. Der Griff um Amys Hals lockerte sich und sie sank zu Boden, panisch nach Luft schnappend. Ungläubig starrte sie auf den nun wieder im Schatten liegenden Körper, dessen Hüfte in einem massiven Eisblock eingeschlossen war. Noch bevor sich der Dämon regen konnte, stand Kay schon über ihm, ihn an beiden Handgelenken packend und diese zusammenführend. Ein zweiter Eisblock formte sich um die Hände, den Gegner nun komplett bewegungsunfähig machend.
Währenddessen rannte Kay ziellos zwischen den Bäumen am Waldrand herum, scheinbar keine Kontrolle mehr über seinen Körper habend. Jeder Baumstamm, den er schlug, verschwand sofort unter einer dicken Schicht Eis.
Seine Augen fixierten Amy, und für einen kurzen Moment schien sie zu merken, dass etwas Merkwürdiges darin aufblitzte. War es Wut? War es Trauer? Amy konnte es nicht einordnen. Dass Kay aber mit eisblau glühenden Augen und Handflächen auf sie zugestürmt kam, war kein gutes Zeichen. Das Ziel des Jungen war es allerdings nicht, Amy anzugreifen.
„Amy“, brachte Kay mit großer Mühe heraus, nachdem er beide Hände in den Baumstamm, an dem Amy lehnte, gekrallt hatte. Sein gesamter Körper bebte, schien ihn wieder von dem Baum wegreißen zu wollen, doch Kay wehrte sich dagegen, trotzte mutig den Schmerzen, denen sein Körper ihn unterzog. „Schneide mir mit dem Dolch über die Tattoos. Jetzt!“, schrie er mit schmerzverzerrter Stimme, während sich immer wieder neue Schweißperlen auf seiner Stirn bildeten.
Beinahe automatisch hob Amy die Hand, um die Klinge auf Kays Hände niedersausen zu lassen, ihn für keine Sekunde den aus den Augen lassend. Einen Moment noch sah sie den Sturm der Emotionen in den vor Schmerz geweiteten Augen, dann riss sie sich von Kays Blick los und brachte das Messer nieder.
Es war, als striche sie einfach nur den leuchtenden Schriftzug durch, nichts weiter als schwarze, verblasste Schrift und eine dünne Blutspur hinterlassend. Mit jedem erlöschenden Buchstaben schien Kays Körper sich immer mehr zu entspannen, bis er sich schließlich kraftlos auf Amy fallen ließ.
Es war vorbei. Sie hatten es geschafft.
Ein kaum wahrgenommener Befehl, ein Hinweis, eine Stimme wie Donnergrollen.
Ohne es selbst zu kontrollieren richtete sich jedes einzelne sonnenfarbene Haar meines Körpers auf. Mein tiefstes Unterbewustsein obnahm die Kontrolle, mein Körper nur gesteuert, nein getrieben durch reinsten Instinkt. Jeder Muskel, meines durch jahrelange Entbehrungen abgehärteten Leibes spannte sich zur absoluten Belastungsgrenze. Die mir verliehenen Stimmbänder machten sich bereit, ein markerschütternder Schrei würde die Umgebung schon bald erzittern lassen, Trommelfälle würden beben.
In den Tiefen meines Kopfes begann es zu knistern, erst leise wie das Atmen eines schlafenden Babys, dann lauter als würde ein Donner in weiter ferne Grollen, biss schlussendlich ein gewaltiger Blitz mit unbändiger Kraft über mir einschlug.
Ein Schmerz unvorstellbarer Größe breitete sich in mir aus, er durchströmte meinen Kopf, zwang meine Stimmbänder zu beben. Ein Urschrei breitete sich von diesen langsam bis zu meinem Mund und darüber hinaus aus. Selbst der kleinste Muskel meiner kleinsten Zehe blieb nicht verschont von dieser Naturgewalt. Diese Unbändige Kraft nahm mit jeder Körperfaser die sie erreichte zu, sie sog aus meinem Leib Energie wie die Sonne eine kleine Wasserpfütze aufsog. Und ich gab dieser Gewalt mehr davon, soviel sie benötigte. Der Schmerz gewann die Oberhand Dunkelheit breitete sich vor meinen Augen aus. Er fraß mich auf, innerlich, unsichtbar, mit messerscharfen Reißzähnen.
Ich musste Kämpfen.
Mit meinem bloßen Willen wollte ich Ihn in die Schranken weißen, zurückweichen lassen, ihn wo anders Schmerz und Verderb anrichten lassen. Ein innerer Kampf entbrannte in mir, ich gegen ein unbändiges Etwas eine Feuersbrunst tief aus meinem eigenen Kopf.
Unter Qual wie nie zuvor begann ich meine Geißel zurückzudrängen, Faser für Faser, Zelle für Zelle. Der Schmerz verschwand die Kraft nahm zu. Je länger ich focht desto leichter viel es mir diese Energie zurückzudrängen ja gar zu kontrollieren. Ich sandte sie zurück zu ihrem Ursprung in meinem Kopf, in meinen Backen fand sie Ihren Platz. Dort brannte sie, dort wütete sie, dort erreichte sie ihren Zenit.
Mit einem Blitz so hell und so heiß wie die Sonne drang diese Macht aus ihrem Gefängnis gen Freiheit. Gleich einer gigantischen Explosion setzte sie alles um mich herum ihrer unbändigen Wut aus. Sie Umschloss meinen Körper, erst fürchtete ich,, ich würde verbrennen doch das Gegenteil war der Fall, sie gab mir neue Energie, Kraft die ich zum leben brauchte, gleich dem Wasser für den Durstenden.
Meine Sinne begannen wieder zu arbeiten.
Auf allen vieren landete ich wieder auf dem Boden, müde und erschöpft aber lebendig wie nie. Neben mir krachte ein gigantisches Dragoran ohnmächtig zu Boden.
Aus dem Augenwinkel sah ich meinen besten Freund jubelnd in die Luft springen.
Seine Stimme erreichte mein Ohr nun viel deutlicher. "Juhu super Pikachu wir haben gewonnen." Er sprang lachend auf mich zu, riss mich in die Höhe und streichelte mein weiches Fell.
Nach einer kleinen Zeremonie bei der mein Freund etwas überreicht bekam was er sich zuhauf an seine Jacke stickte verließen wir den Kampfplatz. Bevor ich auf seiner Schulter einschlafen konnte flüsterte er mir noch folgendes ins Ohr. " Herzlichen Glückwunsch mein Freund ich bin so stolz dass du jetzt die Donnerattacke einsetzen kannst, unser Training hat sich wirklich gelohnt." Wie jedes mal wenn er zu mir spricht rätselte ich was diese Worte in einer mir völlig fremden Sprache wohl bedeuten mochten. Schließlich schlief ich erschöpft und zufrieden auf Ashs Schulter ein.
Es war bereits später Nachmittag, als Lee sein Lager an einem kleinen See aufschlug, welcher am Fuße eines kleinen Berges im Wald lag. Morgen würde er die nächste Stadt erreichen. Nachdem Lee sein Zelt aufgebaut hatte, beschloss er, noch eine Runde schwimmen zu gehen. Er zog sich eine rote Badehose an und sprang ins kühle Wasser. Die Temperatur war angenehm und Lee fühlte sich gleich viel besser, nach der langen Wanderung. Er schwamm eine Runde, als ihm einfiel, dass er seine Pokemon herauslassen könnte.
Schnell kraulte er Richtung Ufer, als er plötzlich einen sehr starken Schmerz am Bein fühlte. Lee schrie auf und sah rotes Blut aufsteigen. Ehe er sich versah, riss ihn etwas unter die Wasseroberfläche. Lee schaffte es gerade noch, etwas Luft zu holen, bevor sein Kopf unter Wasser verschwand. Er strampelte panisch umher, und versuchte freizukommen, doch irgendetwas grub sich nun immer tiefer in sein Bein hinein. Der Schmerz wurde immer unerträglicher, und zu allem Überfluss ging Lee auch noch die Luft aus. Er versuchte den Atemreflex zu unterdrücken, und stellte nebenbei fest, dass er sich in einer Höhle im Inneren des Berges befinden musste. Lee wollte sich an den Wänden festkrallen, doch er fand keinen Halt. Schwarze Punkte tanzten vor seinen Augen, und er hätte im nächsten Moment Wasser eingeatmet, wenn er nicht plötzlich in der Luft gewesen wäre.
Gierig füllte er seine Lungen mit Sauerstoff, und realisierte erst was passiert war, als er hart auf dem Boden aufschlug. Er stöhnte laut auf, und wollte gerade den Kopf heben, als ein blaues Wesen über ihm auftauchte. Es hatte ein krokodilartiges Maul mit vielen bedrohlich wirkenden Zähnen. Das Wesen, bei dem es sich offensichtlich um ein Impergator handelte, schnappte nach seinem Kopf, aber Lee wich zur Seite aus und erhob ächzend seinen schmerzenden Körper. Das Impergator war schneller und stieß ihn kraftvoll mit seiner krallenbewerten Hand zurück auf den Boden. Lee versuchte die Pranke, welche ihm den Brustkorb zusammendrückte wegzuschieben, doch das Impergator war zu stark. Es schnappte wieder nach seinem Kopf, aber dafür musste es den Griff lockern, da der Arm zu kurz war, sodass Lee wieder ausweichen konnte, sich zur Seite rollte und ins Wasserloch sprang. Doch der Riesenalligator packte ihn mit seinen Klauen, zog ihn aus dem Wasser und schleuderte ihn ihm hohen Bogen davon. Diesmal konnte Lee den Sturz mit den Armen abfedern, sodass der Aufprall glimpflich ausfiel.
Er lag nun in einem Knochenhaufen, und wich angewidert zurück. Der Gestank der Verwesung stieg ihm in die Nase, und ihm wurde beinahe übel. Lee drehte sich um und sah, dass er sich in einer kleinen Grotte befand. Von oben schien Licht hinein. Als nächstes sah Lee auf sein Bein, welches stark blutete. Dummerweise hatte er nichts, um die Blutung zu stillen. Es schmerzte immer noch sehr stark. Plötzlich sah Lee das Impergator auf ihn zustürmen. Schnell griff er nach einem Knochen, welcher etwa die Länge seines Unterarmes hatte, und schmetterte ihn dem Pokemon gegen das Kiefergelenk. Der Riesenalligator zuckte zurück und sammelte Wasser in seinem Mund. Lees Augen weiteten sich vor Panik, und er konnte sich gerade noch zur Seite rollen, als eine Hydropumpe direkt neben ihm aufschlug und die Wassermassen ihn quer über den Boden der Grotte spülten. Lee schrie laut auf, als er sich an vielen Stellen tiefe Schrammen zuzog, während seine Haut über spitze Steine schlurfte. Er krümmte sich vor Schmerz, und bemerkte plötzlich einen Pokeball, welcher einem der Opfer des Impergators gehört haben musste. Lee fasste neuen Mut, robbte darauf zu und umfasste das kalte Metall des Balles.
Doch als er sich umdrehte baute sich der blaue Körper des über zwei Meter großen Impergators bereits vor ihm auf. Ein lautes Brüllen entwich dem Wasserpokemon. Lees Puls begann vor Angst immer schneller zu rasen, und als das offene Maul des Impergators auf ihn zuraste, rammte Lee ihm den Knochen in den Rachen und rollte sich zur Seite. Der Riesenalligator verfehlte ihn um Haaresbreite und wich im nächsten Augenblick gurgelnd und würgend zurück. Lee nutze den Augenblick, und warf den Pokeball. "Los, Pokeball", rief er hinterher und betete, dass es sich um ein brauchbares Pokemon handeln würde. Ein roter Schein entwich dem Ball, und formte sich zu einem Magmar, welches sich sofort ängstlich umsah und offenbar nach seinem Trainer suchte. "Och nööö", stöhnte Lee im ersten Moment und rammte die Faust in den Boden. "Naja, besser als nichts", dachte er danach hoffnungsvoll. Inzwischen hatte das wilde Impergator es geschafft, den Knochen auszuspucken und bemerkte den Neuankömmling. Es sammelte wieder Wasser in seinem Maul und schoss eine weitere Hydropumpe ab. "Vorsicht, Magmar", schrie Lee. Das Magmar reagierte sofort. Es duckte sich unter dem Strahl hinweg, sprang zur Seite und konterte mit Konfustrahl. Ein schwaches Flimmern schwirrte aus seinem Mund, und traf das Impergator an der Stirn. Dieses wich verwirrt zurück und schwankte dabei bedrohlich. Diesen Moment nutzte das Magmar, um auf das Wasserpokemon zuzurasen und ihm einen Donnerschlag zu verpassen. Zuckend ging das Impergator zu Boden, fing sich wieder, und rappelte sich auf. Es holte mit einer Pranke aus, und versuchte das Magmar zu erwischen. Doch dieses sprang nach hinten, wurde aber im nächsten Moment von einer Hydropumpe gegen die nächste Höhlenwand geschleudert, wo es benommen liegenblieb. Nun wandte sich das Impergator wieder Lee zu. Brüllend raste es auf ihn zu. Wut stand ihm ins Gesicht geschrieben. Entsetzt weiteten sich Lees Augen, und er versuchte schnell zum Knochenhaufen zu kriechen. Doch das Impergator sprang plötzlich nach vorne und war im nächsten Moment über ihm. Reflexartig schlug Lee sich die Hände vors Gesicht, während das Impergator mit geöffnetem Maul auf ihn zuraste. Doch im nächsten Augenblick rammte ein roter Körper das Wasserpokemon, und schmiss es zur Seite. Elektrische Funken flogen umher. Lee wich zurück, und sah das Magmar auf dem Impergator liegen. Offenbar hatte Magmar ihm mit einem Donnerschlag im letzten Moment das Leben gerettet. Nun lagen beide Pokemon ohnmächtig am Boden. Jetzt, wo die Gefahr gebannt war, realisierte Lee die Schmerzen am ganzen Körper, besonders am Bein. Er lag in einer kleinen Blutlache, und sein Bein war bereits rötlich gefärbt. Er schrie aus Leibeskräften, in der Hoffnung, dass ihn jemand hören würde.
Plötzlich hörte er eine Stimme: "Hallo, ist da jemand?"
"Hiiilfeeee", schrie Lee mit letzter Kraft, ehe ihm schwarz vor Augen wurde und er ohnmächtig liegen blieb.
Lee wurde von einem lauten Piepen geweckt. Er schlug die Augen auf und sah, einen weißen Raum vor sich. An seinem Arm hing ein Tropf, und um sein Bein war ein dicker Verband gewickelt. Erleichterung überkam ihn. Er wusste zwar nicht, wie lange er geschlafen hatte, oder wer ihn gefunden hatte, aber eines wusste er. Er war endlich in Sicherheit.
Ich blickte mich um. Es war dunkel und ich konnte nicht recht sehen. Schemenhaft erkannte ich eine Allee aus Kirschbäumen; sie standen in letzter Blüte. Bald würden sie fallen, und der Ernst des Alltags würde ganz Japan wieder einholen. Doch für mich war Hanami, das Kirschblütenfest, anders. Es war kein Grund zur Freude mehr, wie noch, als ich klein war. Ich war in die Strassen gerannt und versuchte, herabfallende Blüten aufzufangen. Ich war herumgetollt und hatte Spass gehabt. Nun, zehn Jahre später, stand ich hier. Um meine Familienehre zu retten. Und mein blankes Leben.
Der Mond stand fahl am Himmel, umgeben von dunstigen Wolken. Ich stand inmitten eines Platzes, vom Himmelskörper in schwaches, weisses Licht getaucht, Schatten spielten unter den Bäumen. Beklommen betrachtete ich sie, mich fürchtend vor den bevorstehenden Momenten. Den Helm hatte ich mittlerweile abgenommen, es war zu heiss darin. Auch im Rest meiner Rüstung schwitzte ich. Die Frühsommernacht war warm, fast zu warm. Nochmals überprüfte ich, ob meine beiden Schwerter sassen. Ich rüttelte leicht an den Griffen und sie hielten. Wie lange würde es noch dauern? Meine Angst wuchs, während der Mond mich hämisch auszulachen schien.
Plötzlich hörte ich, wie hinter mir vertrocknete Blütenblätter unter metallbeschlagenen Stiefeln knirschten. Hastig setzte ich meinen Helm auf und drehte mich um. Die scharfe Kante der Gesichtsmaske hatte einen Schnitt in meine Wange gezogen und das Blut lief in einem kleinen Rinnsal zu meinen Lippen hinab. Es schmeckte metallisch. Und es schmeckte nach Tod.
„Schön, dass du gekommen bist, Yashiro Seisaki. Hanami dieses Jahr wird ganz speziell“, begann die Gestalt. Als sie mir nähergekommen war, konnte ich sie im Mondlicht besser erkennen. Sie war in eine schwarze Samurairüstung gehüllt. Ein teures Modell, wie meinem geschulten Blick nicht entgehen konnte. Sicherlich massgefertigt. Auch seine beiden Schwerter schienen von vorzüglicher Machart zu sein, die Scheiden waren aufwändig verziert mit den schönsten Ornamenten.
„Watabi Otobe“, antwortete ich und verbeugte mich leicht. Wie ich ihn hasste! Alles hatte er mir kaputtgemacht. Erst hatte seine Familie meinen Grossvater getötet, dann meinen Vater enthauptet, und nun musste ich mich meinem Schicksal stellen. Es war so ungerecht. Wieso mussten wir, die Seisakis nur Vasallen von Otobe sein? Alle zehn Jahre zwangen sie unser Familienoberhaupt an Hanami zu einem nächtlichen Duell auf Leben und Tod. So schauten sie, dass wir nicht zu mächtig würden, und uns irgendwann befreien könnten.
Watabi zog seine Katana. „Mögest du fallen im Wind.“
Sofort ging er in die Offensive. Den ersten Hieb gegen meine linke Schulter konnte ich gerade noch mit meiner Klinge ablenken, doch der zweite sass und traf meinen rechten Unterarmschutz. Zu meinem grossen Glück verbog es ihn nicht und ich kam mit einem blauen Flecken davon. Vorerst. Er zögerte kurz, und ich nutzte es aus. Ich fuhr mit meinem Schwert durch die warme Luft, doch mein Gegner wich dem Hieb geschmeidig wie eine Katze aus. Mein Gesichtsschutz schränkte meinen Blickwinkel erheblich ein, sodass ich ihn nicht mehr erblicken konnte. Ich drehte mich rasch um, gerade noch rechtzeitig riss ich meine Katana in die Höhe. Metall krachte auf Metall. Wieder kam ein Hieb auf mich zu, und ich sprang zur Seite. Watabis Klinge zerteilte die Luft nur zwei Finger von meiner Schulter entfernt. Sofort stach ich nach seinem Unterkörper, doch die Spitze glitt wirkungslos an der hochwertigen Legierung ab. Ich hieb nochmals nach ihm. Es schien ihm aber ein Leichtes, meinem Schlag auszuweichen. Er tauchte unter meiner Klinge durch und parierte meinen nächsten Stich, indem er mein Schwert zur Seite hieb. Kurz war meine Brust ohne Deckung. Mein Gegner reagierte blitzschnell. Im letzten Moment sprang ich nach hinten. Die Spitze seiner Katana kreischte auf meinem Brustpanzer, Funken stoben. Ein tiefer Kratzer zierte nun meine Rüstung. Während der kurzen Verschnaufpause merkte ich, wie sehr ich schwitzte. Meine Hände waren nass und meine Haare fühlten sich an, als käme ich direkt aus dem Bad. Die Armmuskeln brannten. Seine wenigen Hiebe, die ich pariert hatte, waren mit solch einer Wucht geführt, dass er meine Deckung bald brechen konnte, wenn er weiterhin mit dieser enormen Kraft hauen würde. Ich musste mir etwas einfallen lassen. Er war mir komplett überlegen.
Ich wich einige Schritte zurück, und mein Gegner setzte mir in sprunghaften Bewegungen nach. ‚Denk nach, Yashiro, denk nach!‘ Klinge prallte auf Klinge, als ich einen Schlag nach meiner rechten Schulter parierte. Sofort folgte ein weiterer, der meine ungeschützte Achselhöhle zum Ziel hatte. Ich wich aus. Keuchend schlug ich mit meinem Schwert nach meinem Gegner, doch es war ein unüberlegter Hieb, den mein Gegner mühelos abwehren konnte.
„Mehr kommt da wohl nicht mehr, Yashiro. Gibst du etwa auf?“ Watabi lachte.
„Nein, ich gebe nicht auf. Das ist unter meiner Ehre!“, presste ich hervor. Ich musste dies durchstehen. Lieber den ruhmvollen Tod im Kampf als Aufgabe und Seppuku, um wenigstens den letzten Zipfel meiner Ehre zu retten.
Ich ergriff die Initiative und schlug mit nunmehr gezielteren Schlägen nach ungeschützten Stellen wie Händen oder Kehle. Watabi bekundete jedoch keine Mühe, heil aus meinem Angriff herauszukommen. Er schien nicht einmal ausser Atem, während ich schwer keuchte. Nochmals hieb ich nach seiner Schulter und landete einen Treffer. Meine Klinge bohrte sich tief ins hervorstehende Holz der Schulterplatte hinein. Watabi taumelte ob der Kraft meines Hiebs. Ich wollte die Klinge zurückziehen, doch sie klemmte im Holz fest. Ich zog energischer. Es nützte nichts. Watabi schien sich vom Treffer erholt zu haben und ich liess meine Waffe los, um seinem Stich nach meinem Oberkörper auszuweichen. Ich zog mein Wakizashi. Nun steckte ich in der Klemme. Mit meinem erheblich kürzeren Schwert war ich seiner Katana komplett unterlegen. Ich fühlte, wie die Furcht in mir aufstieg, aber auch der Hass und die Wut. Meine Magengegend brodelte. Ich schmeckte wieder Blut. Mein Blut. Seinen Vorteil witternd löste Watabi seine Schulterplatte, in der immer noch meine Katana steckte, und griff erneut an. Mit schmerzenden Muskeln parierte ich den heftigen Hieb nach meiner Kehle und ich wich dem nächsten mit Müh und Not aus. Er deckte mich mit einem Hagel von Schlägen ein. Angestrengt parierte ich einen nach dem anderen. Ich durchschaute seine Absicht. Er wollte mich ermüden, damit er ein leichtes Spiel hätte, meine letzte Deckung zu durchbrechen. Es war ein guter Plan. Ich war machtlos. Kurz blickte ich auf den Boden, der von Kirschblüten übersät war. Sie waren braun und verdorrt, knirschten unter jedem unserer Schritte. Wieder kreischte seine Klinge, als sie auf meine traf. Er wirbelte herum und traf mit einem Schlag meine rechte Seite. Ich jaulte auf. Schmerz schoss durch meinen Bauch bis hinauf zur Brust. Hinter seiner Gesichtsmaske konnte ich die Mimik von Watabi nicht erkennen. Doch ich war mir sicher, dass er lachte. Er landete nochmals einen Treffer, diesmal gegen meinen Oberschenkel, die Rüstung war komplett verbogen. Unfähig, mein linkes Bein richtig zu bewegen, hob ich mein Wakizashi und hieb gegen die Klinge meines Gegners. Wirkungslos. Er griff wieder an. Ich biss auf die Zähne, ich musste meinen Schmerz wegstecken, ich musste weiterkämpfen. Den nächsten Schlag parierte ich, den übernächsten auch, doch wieder wurde mein Oberschenkel getroffen. Ich knickte zur Seite ein, und Watabi gab mir mit seiner Faust den Rest. Mit einem Aufschrei fiel ich zu Boden. Mein Oberschenkel war gebrochen, und einige Rippen. Ich hatte versagt. Ich hatte verloren.
Watabi trat vor mich heran und hob sein Schwert. „Du bist gefallen im Wind.“
Stein und Erde erzitterten unter der Last, die unaufhörlich über den Boden stapfte und die letzten Tiere verkrochen sich in den Bäumen, doch auch dort waren sie nicht sicher. Eine Schneise der Zerstörung wand sich durch den Mischwald und schien sich endlos weiter hinzuziehen, bis der Hunger der abscheulichen Kreatur gestillt und all die tapferen Helden in diesen dunklen Stunden kaltblütig ins Jenseits befördert wurden.
„Wir haben alles versucht!“
„Ja, was sollen wir nur tun?“
Im Rennen ließ es sich nicht gut denken, doch das wäre leider bitter nötig. Hinter ihnen war das bösartigste Wesen des ganzen Kosmos her und die strahlenden Ritter, die letzte Hoffnung, sollten in einem Moment wie diesem ihr Leben aufs Spiel setzen? Andererseits war ihnen nicht wohl bei dem Gedanken, vor dem Feind zu fliehen. Ein wahrer Krieger kämpft, und wenn die Situation noch so ausweglos erscheint! Doch anstelle einer Entscheidung fiel einer der drei Auserwählten, und zwar auf den Boden.
Dichtes Wurzelwerk trat an dieser Stelle des Waldes an die Oberfläche und schon viel zu lange konnten die kleinen Füße den finsteren Fangarmen der Bäume ausweichen, schon viel zu lange schlüpften ihre Beine zwischen den todbringenden Schlingen hindurch. Immer deutlicher zeichneten sich furchteinflößende Fratzen auf der faltigen Rinde ab, jeder Baum geprägt von einem hinterhältigen Grinsen.
Die anderen beiden Kämpfer hielten keuchend an.
„Ich hab dir doch gesagt, dass man einen Sechsjährigen nicht mitnehmen kann, das ist nur etwas für die Großen!“, meinte ein Junge wichtigtuerisch.
„Du weißt doch ganz genau, wie meine Mum reagiert, wenn ich Jarod nicht mitnehme!“, antwortete das Mädchen aufbrausend, was reichte um den Jungen in ein beleidigtes Schweigen zu versetzen. Dafür dass sie in einem luftigen Sommerkleid steckte, war sie überraschend schnell gelaufen und hatte keine Probleme, mit dem allgemeinen Tempo mitzuhalten. Ihr Bruder lief auf sie zu und man merkte ihm an, dass er nur schwer die Tränen, die sich in den Augenhöhlen sammelten, zurückhalten konnte. Aber er wollte nun mal auch einmal ein „Großer" sein, nicht immer nur der Kleine, der ihnen den Spaß wegnahm.
Da! Und wieder ertönte ein Knurren, dicht gefolgt von dem knirschenden Klang vom Zertrampeln alter Bäume. Der Ältere rückte seine Baseballkappe zurecht und überlegte fieberhaft, was zu tun war. Als er sich umsah, merkte er dass sie mittlerweile schon ziemlich nah am Waldrand angekommen waren und er durch das dicht bewachsene Geäst auch schon die ersten bunten Häuser ausmachen konnte, dorthin würde das Monster ihnen bestimmt nicht folgen. Dort waren sie sicher.
„Los, lauft!“, kreischte er den Geschwistern ins Gesicht, besonders Jarod, der sich erst wieder sammeln musste, reagierte verunsichert, scheinbar verstanden sie nicht recht was sich ihnen wieder auffällig näherte.
„Das Monster! Es kommt näher!“, mit wilder Gestik verdeutlichte er den Ernst der Lage.
Auf ihren Gesichtern zeichnete sich nach Sekundenbruchteilen Schreck ab, jetzt konnten sie es also auch sehen und setzten sich in Bewegung. Nur nicht in die gleiche Richtung, während Masha ihrem warnenden Kumpel folgen wollte, hetzte ihr kleiner Bruder unverzüglich in die andere Richtung, wo sich langsam Umrisse zwischen den Bäumen bildeten und einem riesigen Wesen zuzugehören schienen.
„Jarod!“, drang die schrille Mädchenstimme durch das Unterholz.
Doch dieser dachte nicht daran, sich verunsichern zu lassen. Er pflückte im Rennen einen morschen Stock vom Boden und hielt ihn fest umklammert von seinen kleinen Handflächen in die Höhe.
Stock? Nein.
Es brauchte seine Zeit, doch bald glänzte der lange Gegenstand in seinen Fingern in den abendlichen Sonnenstrahlen, die sich noch durch das Blattwerk über der Szene verliefen. Es glich nun eher einem Schwert, einem stattlichen Schwert, wie es Könige bei sich tragen, mit dem Welten befreit werden. Gold und Silber umschlungen sich in einer eleganten Mischung und mit jedem Schritt, den Jarod damit in Händen unternahm, wirkte seine Form dynamischer und kraftvoller. Die anderen beiden sahen staunend zu.
„Das ist dein Ende, Blumenkohlmonster!“, quiekte er und fuchtelte wild mit seiner neuen Waffe herum.
Im ersten Moment dachten die beiden Älteren, das Nesthäkchen würde wieder ihr Spiel nicht ernst nehmen, doch tatsächlich formten sich die schemenhafte Umrisse in seltsame Trichter, die bis zu den Baumkronen aus einem dicken Körper herausragten. Holz brach und es schritt im hellen Licht einwandfrei erkennbar weiter auf das Trio zu.
Ein blasser, cremefarbener Körper, so breit wie alle drei zusammen, der zwei weit aufgerissene, dunkle Augen und einen riesigen Mund mit kleinen, aber unglaublich zahlreichen spitzen Zähnen beinhaltete, brach aus den Baumstämmen, darüber verliefen einige Verzweigungen, wie es bei Blumenkohl nun mal üblich war und thronten über dem Rest.
Die heilige Waffe traf mit einem dumpfen Laut auf den zähen Körper, das Monster schrie erschrocken auf und stapfte wild mit den Füßen. Den Freunden wurde auf einmal viel schneller klar, dass sie den Kleinen nicht allein damit fertig werden lassen konnten. Die Tannzapfen auf dem Boden veränderten vor ihren Augen urplötzlich das Aussehen und wirkten plötzlich eher wie dornenbespickte Wurfwaffen, die darauf warteten, gegen den Feind eingesetzt zu werden. Masha zögerte keine Sekunde, griff sich einige davon und warf mehrere auf einmal in Richtung der ersten beiden Kämpfenden. Die Stachelkugeln prallten zwar an der Hülle des Wesens ab, aber dennoch schien es dieser weitere Angriff stark getroffen zu haben, das Kampfgebrüll aus seinem Schlund wich immer mehr einem traurigen Wehklagen, doch noch immer dachte der riesige Blumenkohl nicht daran, aufzugeben, im Gegenteil: seine langen Arme wüteten nur noch unkontrollierter und Jarod musste von seiner Entfernung aus höllisch aufpassen, wäre er nicht kleiner als sie gewesen, wäre einer der Arme schon gegen ihn geschmettert, wie er es mit dem Schwert auf das Monster tat.
„Kannst du mal mithelfen?“, fuhr das Mädchen ihren Kumpel empört an und verzog das Gesicht.
Doch dieser fummelte nur weiter an seiner Baseballkappe herum, ohne so recht zu wissen, was er noch unternehmen könnte, sein Auge erblickte auf dem dunklen Waldboden keine weiteren Waffen mehr.
Streng dich an, denk dir was aus!
Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von seinen Augen, die Erde, die den Boden bedeckte und hier und da zwischen dem raschelnden Laub an die Oberfläche trat, schien für einige nur gewöhnlicher Dreck, doch es war eine Zauberwaffe, da war er sich ganz sicher. Der Junge griff sich eine Faust voll und rannte zu seinen Freunden, die ihre ganze Aufmerksamkeit dem gigantischen Gartengewächs widmeten. Er bremste ab und warf das magische Pulver auf das Ungeheuer, welches erschrocken die Arme nach oben riss.
„Nimm das!“, quäkte der stolz.
Als der Humus die bleiche Haut des Feindes berührte, zerfiel diese sofort in einzelne Fäden, die sich quer über den riesigen Torso ausbreiteten. Das Wesen kreischte wild und hüpfte verloren auf und ab, doch sein Körper löste sich immer weiter auf, bald war auch der beinahe menschliche Mund einem einzigen klaffenden Loch gewichen, der Rest des Gesichts folgte und hinterließ nichts als weiße Fäden, die wie Gespenster zu Boden schwebten.
Die Kinder jubelten, ließen ihre jeweiligen Kriegsinstrumente glücklich fallen und sprangen im Kreis, für einen Moment war vollkommen vergessen, wie viel jünger Jarod eigentlich war, der ihrem Freudentanz am lautstärksten beiwohnte. Selbst die anbrechende Dunkelheit konnte ihre Laune nicht trüben, aber der düstere Himmel befahl ihnen ganz auf seine Art, nach hause zu gehen, wie es ihre Eltern verlangten, während sie freudig aus dem Wald tänzelten, veränderte sich der Wald. Die stacheligen Wurfgeschosse wurden wieder zu spröden Tannenzapfen, der Glanz des prächtigen Schwertes schwand, als sich Klinge und Griff zurück in Holz wandelten, die weißen Fäden verblassten vor ihren Augen komplett und der Wald ruhte wie jeder andere Wald im Schlaf der Dämmerung, während seine Tiere ihn ununterbrochen mit Leben füllten, wie sie es wohl die ganze Zeit getan hatten.
Als die Drei aus dem Dickicht auf eine Dorfstraße heraustraten, hatte jeder kindliche Zauber den Wald verlassen und für das Trio hieß es jetzt Abschied nehmen.
„Also, man sieht sich!“, lächelte Masha ihren Kumpel an und schlug ihm sanft auf das Schild seiner Baseballkappe.
„Ja, klar!“, stimmte dieser zwinkernd rückte seine Kopfbedeckung wieder zurecht.
„Bis dann.“, klang die Mädchenstimme, als sie sich umwand und ihren Weg nach hause ging. Jarod winkte noch grinsend, bevor er die andere Richtung nahm.
Der Letzte siegreiche Ritter drehte sich in die andere Richtung und tat es ihnen nach. Schon jetzt wusste er, dass das Blumenkohlmonster morgen wieder besiegt werden muss. Bestimmt.
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