Die Zeitkrise

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  • Kapitel XIV.: In die Zukunft


    Part 3: Die Hoffnung stirbt zuletzt


    Xell lag mit seiner Vermutung gar nicht so daneben. Im Grunde genommen machte es überhaupt keinen Unterschied, ob sie sich im Inneren der Höhle oder unter dem freien Himmel befanden: Das Innere der Höhle schien ebenso ausgestorben, wie alles andere was sie bisher gesehen hatten auch. Ob sie nun auf das undurchdringbare Himmelszelt oder auf die nackte und kahle Höhlendecke schauten, es machte keinen Unterschied. Nur eine Sache sonderte sich etwas von der Außenumgebung ab: Es war noch düsterer, was Raven’s Laune nicht gerade steigerte. Auch hatten sie aufgrund der noch stärker eingeschränkten Sehkraft nun das Problem, Reptain’s Spur zu folgen. Erst als Xell eine wärmende Fackel in der Hand hielt, welche die triste Höhle in einem orangefarbenen Glanz erhellte und ihnen eine mollige Wärme spendete, fühlte sich Raven schlagartig wie neugeboren und ließ ihn seit langem die Schmerzen in seinem Bein völlig vergessen. Von dem Flackern des Feuers angeleitet, folgten sie zielstrebig Reptain’s Fußabdrücken. Es machte den Anschein, als wusste er genau, wohin er wollte. Einige male zweigten sich weitere Pfade in der Höhle von seiner Route ab, die er offenbar völlig ignoriert hatte und konsequent seine bisherige Route fortsetzte.
    „Ich frage mich...“, murmelte Xell, während sein Blick sich von den Reptain’s Fährte löste und durch die restliche Höhle schweifte, „... vielleicht, aber nur vielleicht...“
    „Was denn?“, fragte Raven.
    „Erinnerst du dich an den Tag, als uns Zwirrfinst über sich und Reptain aufgeklärt hatte? Und das er von dem ’Ende der Zeit’ sprach? Glaubst du...?“
    „... das wir uns eben in genau dieser Zeit befinden?“, beendete Raven den Satz seines Freundes. „Um ehrlich zu sein, ja. Ich hatte schon eine ganze Weile das Gefühl...“
    „Du denkst es also auch... Aber wie kann das nur sein? Hatte Zwirrfinst nicht gesagt, das es nur soweit kommen könnte, wenn alle Zahnräder der Zeit von ihren angestammten Plätzen verschwinden würden? Und haben wir nicht genau das verhindert?“
    „Genau die selben Gedanken sind mir vorhin auch durch den Kopf geschossen“, antwortete Raven tonlos.
    „Zwirrfinst... Hat er uns etwa die ganze Zeit über angelogen? Wo er uns doch sooft gerettet hatte. Uns und unsere Welt... Wo ist da der Zusammenhang?“
    Raven schwieg bedächtig.
    Einige Minuten vergingen, in denen Raven und Xell erneut stillschweigend Reptain’s Fährte folgten.
    Raven stieß auf einmal mit Xell zusammen, der ohne Vorwarnung abrupt stehen geblieben war.
    „Xell?“, frage Raven besorgt.
    „Jetzt besteht kein Zweifel mehr...“, sagte Xell zittrig und deutete nach vorne. „Das muss das Ende der Zeit sein. Schau dir das mal an...“
    Raven’s Blick wanderte langsam an der zitternden Gestalt seines Freundes vorbei und erreichte die Stelle, worauf Xell deutete. Es war ein Naturbrunnen, gespeist von einem kleinen Wasserfall. Für ein normales Wunder der Natur wie dieses, wäre Raven in dieser Stunde sehr dankbar gewesen. Wäre es doch nur normal gewesen. Statt der munter sprudelnden und lebensschöpfenden Wasserquelle, stand der Wasserstrom, wie zur Eissäule erstarrt, still. Es war zwar in ihrer Umgebung nicht gerade warm, jedoch längst noch nicht so arktisch, dass ein solches Schauspiel auf natürlich Art und Weise möglich gewesen wäre.
    „Es kann nur so sein: Das Ende der Zeit...“, murmelte Xell mit tonloser Stimme. „Aber wie...?“
    Raven schüttelte stumm und ahnungslos den Kopf. Er konnte sich selbst schon keinen Reim daraus machen.
    „Zwirrfinst warum...? Hat er uns angelogen? Haben wir nicht alles getan, was er gesagt hatte, nur um eben dies zu verhindern?“, sagte Xell verzweifelt. Sein Blick war nicht weniger starr auf den zur Salzsäule erstarrten Wasserfall geheftet, wie eben dieser selbst. „Was ist die Wahrheit? Wem sollen wir noch glauben? Zwirrfinst? Reptain? Wem...?“



    Xell’s Blick hing nach wie vor an dem von der Zeit zum Stillstand verdammten Wasserfall.
    „Die Wahrheit...“, wiederholte er. „Raven!“
    Raven schreckte auf.
    „Was?“
    „Die Wahrheit! Wenn wir niemandem vertauen können, müssen wir eben selbst die Wahrheit herausfinden.“
    Raven sah seinen Freund verwirrt an. Es selbst herausfinden? Wie? Hatte er irgendetwas nicht ganz mitbekommen oder auf was wollte sein Freund hinaus?
    „Benutze ihn, den Dimensionalen Schrei. Vielleicht erfahren wir so, was hier vorgefallen ist.“
    Raven’s Herz kam ins Rasen. Warum war er selbst nicht auf die Idee gekommen? Sofort eilte er zielsicher zu dem erstarrten Wasserfall vor ihm. Was würde er sehen, sobald seine Vision einsetzen würde? Würden sie ihnen Antworten auf ihre Fragen geben? Es gab nur einen Weg, eben dies herauszufinden. Entschlossen berührte er den bewegungslosen Wasserstrom. Raven erschauderte. Er war furchtbar kalt. Jetzt war es gleich soweit. Jeden Moment würde er wieder den Boden unter den Füßen verlieren und in eine endlose Leere stürzen, die ihm hoffentlich alle Fragen beantworten würde. Doch...
    „Und?“, fragte Xell neugierig. „Was hast du gesehen?“
    Raven schwieg. Nichts passierte. Hatte er etwas falsch gemacht. Verunsichert berührte er eine andere Stelle des Stroms.
    „Raven?“
    Raven drehte sich langsam um. Er schüttelte den Kopf.
    „Nichts?“, fragte Xell geschockt. „Rein gar nichts?“
    „Nein, tut mir Leid...“
    Xell sackte kraftlos auf die Knie. Mit beiden Händen stützte er sich von dem schmutzigen und kalten Boden ab. Er schien mit den Nerven am Ende zu sein.
    „Raven, es tut mir Leid aber ich kann nicht mehr. Ich kann einfach nicht weiter...“
    „Xell, du...“
    „Ob wir jetzt Reptain in die offenen Arme laufen, der nur zurück in unsere Zeit will, um sich dort wieder auf die Zahnräder zu stürzen oder Zwirrfinst, der uns aus welchen Gründen auch immer loswerden will...“
    Tränen kullerten über Xell’s Gesicht. Er vergrub den Kopf unter seinen Armen. Das wärmende Feuer der Fackel längst erloschen, lagen die traurigen Überreste des verkohlten Holzscheits zu seinen Füßen.
    Raven hatte seinen Freund schon lange nicht mehr so fertig gesehen. Was sollte er tun? Xell war es, der ihm die ganze Zeit über Mut gemacht hatte und wegen dem er selbst noch nicht die Hoffnung aufgab. Nun war es eben dieser, der jegliches Vertrauen und Zuversicht verloren hatte. Was sollte er ihm sagen? Er stand ja selbst kurz vor dem totalen Nervenzusammenbruch. Doch solange es auch nur das kleinste Fünkchen Hoffnung gibt, würde er nicht kapitulieren. Sie mussten zurück. Selbst wenn dies bedeuten würde, mit Reptain gemeinsame Sache zu tun.
    Raven ging entschieden auf das kümmerliche und zitternde Bündel am Boden zu. Xell’s verweintes Gesicht lugte aus einem kleinen Spalt hinter seinen Händen hervor. Seine verquollenen Augen blickten tief in die seines Freundes.
    „Es gibt noch Hoffnung“, sagte Raven entschlossen.
    „Hoffnung...?“, schniefte Xell.
    „Suchen wir Reptain. Wenn er es einmal in unsere Zeit geschafft hat, dann kann er es vielleicht wieder tun.“
    „Aber er...“
    „Tun wir es einfach. Was jetzt zählt ist, das wir in unsere Zeit zurück kommen. Dann sehen wir weiter...“
    „Aber Reptain ist...“
    „Überlass Reptain mir“, sagte Raven und zwinkerte seinem Freund zu. „Mit dem werden wir schon fertig. Was meinst du? Wird es nicht langsam Zeit, wieder in unsere Epoche zurückzukehren? Die anderen warten sicher schon.“
    Xell schwieg noch eine kurze Zeit. Doch wenige Augenblicke später zeigte sich eine magere Spur eines verkrampften Lächelns in seinem Gesicht..
    „Oh Raven... Du...“, stammelte Xell verlegen.
    „Ja?“, fragte Raven und half seinem Freund wieder auf die Beine.
    „... Danke... Ich wüsste nicht, wo ich was ich ohne dich tun sollte...“
    Xell stand, wenn auch etwas schwach, wieder auf eigenen Beinen.
    Raven konnte nicht anders. Er lachte.
    „Das beruht auf Gegenseitigkeit. Glaub mir.“
    „Aber jetzt wo du es erwähnst: Hast du dich eigentlich je gefragt, wie Reptain in unsere Zeit kam? Ich meine, man macht doch nicht einfach so mir nichts dir nichts einen Zeitsprung und gondelt einfach so in der Zeitgeschichte rum“, sagte Xell und wischte sich mit dem Arm sein Gesicht trocken.
    „Setz es auf die Liste der Fragen, die wir ihm stellen werden“, antwortete Raven, jedoch nicht ohne sich für einige Sekunden selbst den Kopf darüber zu zerbrechen.


    Ein lauter, offenbar schmerzerfüllter Schrei aus den weiteren tiefen der Höhle, ließ Raven und Xell plötzlich aus ihren Gedanken aufschrecken.
    „War das gerade Reptain’s Stimme?“, fragte Xell erschrocken.
    „Vielleicht bekommen wir ja schon früher als erhofft Antworten. Los komm!“, rief Raven und rannte dem Ursprung der Stimme entgegen.
    Vorbei an dem erstarrten Wasserfall, vorbei an nicht weniger bewegungslosen und toten Felsbrocken, drangen sie immer weiter in die Höhle ein. Erneut hallte die leidende Stimme Reptain’s durch die verschlungenen Pfade.
    „Da lang“, rief Raven angetrieben von dem Klang Reptain’s und nahm einen schmalen Gang zu seiner rechten. Die Verletzung an seinem Bein pochte heftig unter der Last seines zum äußersten Limit angetriebenen Körpers. Der Verband fing langsam an sich von seiner Wunde am Bein zu lösen und flatterte, wie ein roter Schal, munter hinter ihm her. Ein weiterer Schrei echote durch die Höhle. Raven schlug einen anderen Pfad ein und schaffte es gerade noch, nach einer scharfen Linkskurve das Gleichgewicht zu halten, bevor er, nur wenige Augenblicke, später abrupt stehen blieb. Vor ihm bot sich ein gespenstisches Schauspiel: Der in einem hellvioletten Lichtschein eingehüllte Reptain lag zuckend auf dem Boden und krümmte sich vor Schmerzen.


    Obwohl niemand außer ihm und Reptain schien in der Nähe zu sein schienen, erhallte eine Stimme, eine Stimme, wie sie Raven noch nie zuvor gehört hatte. Als würden Dutzende, nein Hunderte Stimmen nahezu gleichzeitig das ein und selbe sprechen.
    „Es ist in unser Reich eingedrungen und dafür muss es jetzt leiden.“, sagten die unsichtbaren Stimmen gehässig. „Aber es soll sich keine Gedanken machen, denn es wird schon bald ein Teil von uns sein. Wir können es gar nicht erwarten, seine Seele bei uns zu begrüßen.“
    Raven hätte im Normalfall nicht gezögert zu helfen, selbst wenn es sich hierbei um Reptain handelte, der in Gefahr war. Doch wusste er in diesem Moment einfach nicht weiter. Wer war es, der da sprach? Und vor allem: Wo war er oder es? Weitere Gedanken konnte er sich jedoch nicht machen. Xell, welcher gerade um die scharfe Kurve geeilt war und nicht damit gerechnet hatte, dass sein Freund direkt dahinter wartete, rempelte Raven unbeabsichtigt, aber mit voller Wucht an, sodass sie sich beide plötzlich aufeinander auf dem Boden wiederfanden.
    „Autsch. Konntest du dir nicht einen anderen Ort zum Ausruhen suchen?“, maulte Xell, völlig außer Atem.
    „Geh von mir runter... Du erdrückst mich...“, japste Raven unter dem Gewicht seines Freundes und ihres Proviants.
    „Was? Ihr!“, stöhnte Reptain unter der Last seiner Schmerzen.
    Raven und Xell rappelten sich auf.
    „Reptain!“, rief Xell erschrocken. „Was zum...“
    „Sind sie gekommen, um uns ihre Seele auszuliefern?“, unterbrachen die Stimmen. „Gut, wir sind hocherfreut. Eure Gedanken werden schon bald unsere Gedanken sein.“
    „Was zum...? Wer ist da?“, rief Xell und schwenkte seinen Kopf panisch in alle Richtungen.
    „Verschwindet ihre beide!“, brüllte Reptain. „Ich komm schon klar...“
    „Verschwinden?“, ertönten erneut die unsichtbaren Stimmen. „Aussichtslos. Schon bald werdet ihr Teil von uns sein.“
    „Das werden wir ja sehen“, antwortete Raven und ging in Angriffsposition. Xell tat es seinem Freund, mit einem deutlich sichtbaren Schaudern im Gesicht, gleich.
    Es war wahrlich leichter gesagt als getan, denn noch immer fehlte von ihren Gegnern jede Spur.


    „Widerstand ist zwecklos!“
    Wie aus dem Nichts strömte eine violettfarbene Energiewelle direkt auf die Stelle, an der sich Raven und Xell befanden, zu. Mit einem rettenden Satz zur Seite, konnten sie sich noch einmal knapp davor retten, wahrscheinlich das selbe Schicksal wie Reptain zu erleiden. Die ungebremste Macht, welche von dieser Attacke ausgegangen war, war selbst auf meterweite Entfernung noch deutlich spürbar gewesen.
    „Was sollen wir tun?“, fragte Xell bebend und rappelte sich wieder auf. „Wir wissen ja nicht einmal, wer sie sind, geschweige denn wo sie sind...“
    „Warum wehren sie sich? Wissen sie nicht was es heißt, perfekt zu sein? Wieso wollen sie nicht Teil von Kryppuk sein?“
    Erneut schwirrte ein energiegeladener Strom ihnen entgegen. Xell wisch ihm erneut mit einem weiten Satz zur Seite aus. Raven jedoch, der aufgrund seiner Verletzung noch nicht auf seinen Beinen stand, brachte sich im wirklich aller letzten Moment mit einer Seitwärtsrolle in Sicherheit.
    Xell warf mit dem blinden Mut der Verzweiflung mit Feuerbällen um sich, die anscheinend alles trafen, nur nicht ihre Gegner. Seine Strafe folgte in Form einer neuen Energiewelle auf dem Fuße. Raven musste hilflos mit ansehen, wie sein Freund verzweifelt vor der Attacke reiß aus nahm.
    Xell hatte recht. Ihre Chancen standen alles andere als rosig. Wie sollten sie etwas bekämpfen, was sie nicht einmal sahen? Wenn sie es schaffen würden, ihre Feinde zu enthüllen, hätten sie vielleicht eine Chance. Doch je mehr Zeit verstrich, umso mehr Leben sickerte aus Reptain’s Körper.


    Xell hatte inzwischen einmal dich gefolgt von feindlichen Attacke den Raum durchquert und brach schwer atmend und mit laut pochendem Atem in Raven’s unmittelbarer Nähe zusammen.
    „Ich kann nicht mehr...“, schnaufte er am Ende seiner Kräfte.
    „Werdet eins mit Kryppuk“, hallte die Stimme erneut durch die Höhle. „Begrüßt die Perfektion und werdet gemeinsam mit uns ein vollkommenes Wesen.“
    Raven hatte urplötzlich einen Geistesblitz. Zu verlieren hatten sie in diesem Moment nichts mehr.
    „Ihr habt recht“, rief Raven laut in den Raum. „Wir verstehen es nicht. Wir wissen nicht was es heißt, perfekt zu sein.“
    „Dann schließt euch uns an und leistet keinen Widerstand. Euch sei die Perfektion gewiss.“
    Abermals strömte eine Energiewelle Raven entgegen, welche er wieder einmal nur knapp mit einer Seitwärtsrolle ausweichen konnte.
    „Alberne Sterbliche. Sie wollen einfach nicht verstehen...“
    „Wir müssen erst die Perfektion mit eigenem Auge sehen, bevor wir uns dir anschließen“, rief Raven.
    „Bist du von allen guten Geistern verlassen?“, zischte Xell erschrocken. Du kannst doch nicht allen Ernstes...“
    „Eure Wünsche sind nicht von Belang. Warum sollten wir uns euch offenbaren. Ihr werdet so oder so Teil von Krppuk. Der Perfektion so nahe. Macht euch bereit!“
    „Es stimmt. Wir sind nur einfältige Sterbliche und verstehen es nicht was es heißt, perfekt zu sein“, rief Xell, der offenbar Raven’s Plan mittlerweile durchschaute. „Aber es würde uns den Übergang leichter machen zu wissen, wie einzigartig wir dann sein werden.“
    „Nun gut Sterbliche. Ihr wollt also Kryppuk in ihrer einzigartigen Gestalt sehen? So sei es. Erblickt die Manifestation der Vollkommenheit, deren ihr bald schon ein Teil sein werdet.“
    „Halt dich bereit“, flüsterte Raven seinem Freund zu. „Egal was passiert: Gib alles was du hast. Eine bessere Chance bekommen wir vielleicht nicht...“


    Die stickige Luft schien vor Spannung zu knistern. Raven und Xell warfen sich nervöse Blicke zu. Wer oder was auch immer gleich auftauchen würde: Sie mussten ihm um jeden Preis wiederstehen. Reptain, noch immer hilflos von den Fesseln Kryppuk’s niedergedrückt, schielte, nicht weniger nervös, in die Richtung seiner beiden potenziellen Retter. Raven’s Augen huschten schnell von einer Ecke zur nächsten. Wo war Kryppuk? War sein Plan möglicherweise aufgeflogen? Das wäre ihr sicheres Ende...
    „Raven! Da“, flüsterte Xell und deutete zitternd auf eine völlig unscheinbare Stelle im Zentrum des Raums. Etwas auf den ersten Schein so klein und unbedeutend, als das man nicht einmal im Traum daran denken würde, dass es einem Schaden könnte, offenbarte die erste sichtbare Präsenz Kryppuk’s.
    Einer der vielen kahlen Felsen im Raum, fing plötzlich wie durch Geisterhand zu schweben an. Hell in ein violettfarbenes Licht gehüllt, schwebte der Stein gut einen halben Meter über dem Boden und verströmte dabei solch ungeheure Macht, dass Raven’s Haare zu Berge standen. Das Leuchten und Pulsieren nahm von Sekunde zu Sekunde immer gewaltigere Intensität an, bis sich schließlich etwas über den Mineral zu materialisieren begann. Die Kreatur, scheinbar aus reiner Energie und ohne wirklich feste Form, nahm immer mehr Gestalt an. Eine giftgrüne Grimasse formte sich im Zentrum des Wesens, dass allem Anschein nach nur aus einer violettfarbenen Wolke zu bestehen schien, und starrte seine beiden Opfer heimtückisch entgegen. Energiegeladene Kugeln in den verschiedensten Größen rotierten unheilvoll am äußeren Rand der Kreatur und schienen leise und in einer fremden Sprache miteinander zu flüstern.


    „Wir sind Kryppuk“, sagte das Wesen. „Seid bereit eins mit uns zu...“
    Raven’s Befürchtung, Xell könnte von dem blanken Horror, der sich vor ihm abspielte, völlig die Nerven zu verlieren, blieb unbestätigt. Noch bevor Kryppuk seinen Satz beenden konnte, hatten sie ihm schon eine Salve ihrer mächtigsten Attacken entgegengeschleudert. Die Höhle erschauderte von der Intensität der Explosion und ließ einen Schauer Stalagmiten von der Decke auf den Boden prasseln.
    „Haben wir es erwischt?“, flüsterte Xell und starrte unentwegt auf die, von der Detonation verursachte undurchdringliche Staubwolke.
    Krachend knallte plötzlich der Felsen, über dem Kryppuk vor wenigen Sekunden Form angenommen hatte auf den Boden. Xell machte erschrocken einen gewaltigen Satz zurück und presste sich bebend an die Wand hinter ihm, ohne jedoch seinen Blick von der Rauchwolke zu lösen. Keine Sekunde später strömten auf einmal die Energiekugeln, die um die Gestalt Kryppuk’s geschwebt hatten, offenbar in ihrer fremden Sprache leise fluchend, in alle Richtungen davon. Die Rauchwolke löste sich auf. Kryppuk war verschwunden. Auch Kryppuk’s Einfluss von Reptain hatte sich buchstäblich in Luft aufgelöst und ließ den schwer atmenden Reptain am Boden zurück. Der Spuk war vorbei.
    Xell sackte am Felsrand erschöpft zusammen.
    „Ich kündige!“, stöhnte er und griff sich schwer atmend an sein Herz.
    Raven wurde es plötzlich schwarz vor Augen. Mit dem Verschwinden Kryppuk’s, hatten sich die Schmerzen seiner Verletzung schlagartig zurückgemeldet, welche mittlerweile höllische Ausmaße angenommen hatten. Unaufhörlich rann mehr und mehr seines Bluts aus der Wunde und überzog seine Gliedmaßen mit einem stechenden rot. Von dem zarten Himmelbau seines Beins, fehlte mittlerweile jede Spur. Von den Strapazen der letzten Stunden völlig ausgemerzt, sackte er zusammen und schlug unsanft auf den harten Boden auf. Wie in Zeitlupe sah erkannte er die schemenhafte Umrisse seines Freundes auf ihn zurennen, bevor er schließlich völlig von der Finsternis verschlungen wurde.


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  • Kapitel XV.: Das Geheimnis um die Lähmung des Planeten




    „...Siehst du das hier? Weißt du was das ist?“
    „...Nein. Sollte ich das etwa?“
    Laute Stimmen ließen Raven jäh aus seiner Ohnmacht erwachen. Er atmete wieder die kühle, doch zumindest saubere Luft der Außenwelt ein. Langsam öffnete er die Augen. Man hatte ihn scheinbar sanft auf ein Wirrwarr von verwelkten Gräsern und Blättern gebettet. Seine Wunde am Bein war erneut mit einem festen Verband sicher versiegelt und fühlte sich angenehm kühl an. Von unerwünschten Blicken abgeschirmt, befand er sich offenbar mitten in einer kleinen Schlucht.
    „Ja das solltest du“, ertönte die erregte Stimme Xell’s. „Das ist ein Erkundungsorden. Das Kennzeichen eines jeden Erkundungsteams!“
    Raven blickte zu seinem Freund hinüber. Xell stand etwa einen halben Meter von Reptain und wedelte ihm mit dem Retterorden, den sie am ersten Tag in der Gilde von Knuddeluff erhalten hatten, erregt vor der Nase herum.
    „Schönes Erkundungsteam, wenn ihr nicht einmal wisst, was eine Schockorb ist...“, entgegnete Reptain kühl.
    „Ich habe nie behauptet, dass ich das nicht weiß!“, erwiderte Xell gereizt.
    „Weißt du, du könntest ruhig etwas mehr Dankbarkeit zeigen. Ohne mich hätte dein Freund sicherlich schon längst den Löffel abgegeben“, sagte Reptain.
    „Und wenn wir nicht gewesen wäre, würdest du jetzt ein willenloser Teil von diesem komischen Kryppuk-Ding sein! Also führ dich ja nicht so großspurig auf!“, rief Xell.
    Reptain schüttelte den Kopf.
    „Ich sehe schon... Eine Zusammenarbeit mit euch ist einfach nicht möglich. Ich verdrück mich dann mal wieder...“
    „Halt warte!“
    Reptain und Xell drehten sich erstaunt um. Raven stand wieder, wenn auch etwas unbeholfen, auf seinen Füßen und wurde sogleich von Xell mit einer brüderlichen Umarmung in Empfang genommen.
    „Geht es dir wieder gut? Ich hab mir solche Sorgen gemacht. Ich dachte schon, es sei aus...“
    Eine stumme Träne rann ihm übers Gesicht. „Wenn Reptain nicht gewesen wäre...“
    „Wie war das? War das etwa ein Dankeschön oder habe ich mich gerade verhört?“, fragte Reptain mit einer leicht anmaßenden Stimme.
    „Träum weiter!“, rief Xell erregt. „Der Tag an dem wir dir danken...“

    „Nein Xell“, sagte Raven plötzlich.
    Xell starrte ihn völlig perplex an.
    „Reptain hat mich jetzt schon zweimal gerettet und auch du schuldest ihm dein Leben, ob es dir passt oder nicht...“
    Xell sah aus, als hätte er gerade eben in die sauerste Pirsifbeere seines Lebens gebissen.
    „Na schön!“, rief er nach sekundenlangem Stillschweigen. „Danke...“
    „Geht doch“, sagte Reptain genüsslich und ließ sich an einem der zahlreichen Felsblöcken nieder.
    „Aber weißt du...“, sagte Raven und ging langsam doch entschlossen auf Reptain zu, ... es wäre für uns wesentlich leichter dir zu vertrauen, wenn du uns endlich über all das hier aufklären würdest. Du musst es mal von unserem Standpunkt sehen: Du kommst in unsere Zeit, klaust ein Zahnrad der Zeit nach dem anderen, hinterlässt eine Spur der Verwüstung und säbelst alles was sich dir in den Weg stellt, mich eingeschlossen, nieder. Sag es endlich die Wahrheit. Was wird hier gespielt?“
    Raven konnte sich selbst in den gelben Augen seines Gegenübers spiegeln sehen. Reptain schien allem Anschein nach tief nachzudenken.
    „Es liegt an euch, ob ihr mir glauben wollt oder nicht, aber ich kann es zumindest versuchen“, sagte Reptain.
    „Dann gib dir mal Mühe“, antwortete Xell skeptisch.
    „Gut, aber vorerst... Habt ihr nicht zufällig was zu essen dabei?“, fragte Reptain.
    „Wie kannst du in einem solchen Moment ans Essen denken“, rief Xell so laut, das er seinen eigenen Magen, der gerade in diesem Moment rebellierte, zu übertönen.
    „Ich könnte auch einen Happen vertragen“, sagte Raven und zwinkerte Xell zu.


    Wenige Sekunden später saßen die drei in einem kleinen Kreis um die letzten Rationen von ihnen. Reptain langte sofort beherzt zu.
    „Also...“, sagte Reptain und nahm einen großen Bissen seines Apfels. „Habt ihr schon einmal etwas vom ’Ende der Zeit’ gehört?“, fragte Reptain.
    „Ja. Zwirrfinst hatte es mal erwähnt“, antwortete Raven. „Ein Ort in Finsternis gehüllt und indem die Zeit stillsteht. Es gibt weder Sonnenauf- noch Untergang, von Jahreszeiten dann wohl ganz zu schweigen. Er beschrieb es auch als den Alptraum auf Erden.“
    „Das hat der gute Zwirrfinst ja passend formuliert“, sagte Reptain zynisch. „Tja, was ihr hier seht, ist eben dieser Ort.“
    „Aber wie kann das sein? Er sagte auch, dass es nur soweit kommen könnte, wenn die Zahnräder der Zeit von ihrem Platz für die Ewigkeit entfernt werden würden...“, warf Xell ein.
    Reptain schüttelte den Kopf.
    „Mit was er auch immer eure Gedanken vergiftet hat: Ihr solltet schleunigst jedes seiner Worte vergessen. Zerknüllt das Bild von der Heldengestalt Zwirrfinst’s in eurem Kopf und werft es so weit weg, wie ihr nur könnt. Oder habt ihr schon vergessen, dass er euch genauso wie mich loswerden will?“
    „Nein, natürlich nicht. Aus welchen Gründen auch immer...“, antwortete Xell melancholisch.
    „Warum weiß ich auch nicht. Was ich aber sicher weiß ist, dass Zwirrfinst niemals vor hatte, das Ende der Zeit aufzuhalten. Im Gegenteil. Er will das es so bleibt.“
    „Du machst Witze!“, rief Xell erregt und sprang auf die Beine. „Zwirrfinst würde nie...“
    „Hast du mir eben nicht zugehört?“, fragte Reptain hitzig. „Ich sagte doch, dass du Zwirrfinst als den edelmütigen Retter, aus deinen Gedanken streichen sollst.“
    „Erzähl uns bitte mehr“, sagte Raven, als sich Xell mürrisch wieder niederließ. „Wie kam es überhaupt zu dieser Zukunft und welche Rolle spielst du und Zwirrfinst dabei?“
    „Liegt doch auf der Hand oder? Denkt doch mal nach: Wenn Zwirrfinst nur danach aus ist, den Fortbestand dieser Zukunft zu sichern und dabei alles daran setzt mich aus dem Weg zu räumen. Na was heißt das wohl?“
    „Willst du uns gerade etwa weiß machen, dass du der Gute und Zwirrfinst der Böse ist? Jetzt machst du dich aber selbst zum Narren...“, höhnte Xell.
    „Fällt mir gerade auch etwas schwer, das zu glauben“, stimmte Raven zu. „Du sagst also, du hättest mit der Entstehung dieser Zukunft nichts am Hut. Aber warum bist du dann in unsere Zeit gereist, hast die Zahnräder der Zeit gestohlen und somit überall in der Region Zeitstillstände verursacht? Was hast du damit bezweckt?“
    „Ich glaube zwar nicht...“, begann Reptain und warf Xell einen vielsagenden Blick zu, „...das ihr meine Worte sofort für bare Münze nehmt, aber vielleicht bringen sie euch zumindest zum Nachdenken.“
    Xell verschränkte skeptisch die Arme.
    „Das Ende der Zeit und somit die Lähmung des gesamten Planeten...“, begann Reptain bevor er aber schlagartig von Xell unterbrochen wurde.
    „Der gesamte Planet? Also steht auf der ganzen Welt die Zeit still?“
    „Ja, das hab ich gesagt. Ich habe mich vor gar nicht all zu langer Zeit selbst davon überzeugt. Von den größten Städte der Menschen, bis zum kleinsten und abgelegensten Hain: Alles steht still.“

    „Aber wie...“
    „Das will ich euch gerne sagen...“, unterbrach Reptain Xell. „... Wenn du mich ausreden lässt. Das Ende der Zeit wurde durch ein katastrophales Ereignis in der Vergangenheit ausgelöst: Der Einsturz des Zeitturms.“


    „Der Zeitturm...“, fuhr Reptain nach einer kurzen Pause fort, „... diente seit jeher dem sicheren Fortlauf der Zeit. Bewacht von einem göttlichen Wesen namens Dialga, auch bekannt als der Wächter der Zeit, sicherte und regelte der Zeitturm den Fluss der Zeit. Von einem, für euch vielleicht alltäglichen Sonnenaufgang, bis hin zu den wechselnden Jahreszeiten, ist alles an den Zeitturm gebunden.“
    „Vor jedoch genau 33 nach der heutigen Zeitrechnung...“, fuhr Reptain fort, „... geschah allerdings etwas, mit dem niemand damals gerechnet hatte: Der Zeitturm kollabierte und löste infolge nicht nur eine verheerende Welle an Naturkatastrophen, sondern auch das Ende der Zeit aus. Das Ergebnis seht ihr hier und jetzt.“
    „Vor 33 Jahren?“, wiederholte Xell. „Aber das wäre dann ja genau die Zeit, aus der wir stammen.“
    „Das wisst ihr auch von Zwirrfinst? Es wird euch vielleicht nicht gefallen, aber in dieser einen Hinsicht hat er Recht. Die Zeichen für den Zerfall des Zeitturms dürftet ihr auch mittlerweile erkannt, aber wahrscheinlich nicht verstanden, haben. Die Zeit geriet langsam aber sicher außer Kontrolle“, sagte Reptain.
    „Um ehrlich zu sein, nein. Wir haben nichts bemerkt. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem du in unsere Zeit gekommen bist und anfingst die Zahnräder der Zeit zu stehlen und somit überall Zeitstillstände provoziert hast. Oder leugnest du das etwa?“, entgegnete Xell mit einem stechenden Blick in den Augen.
    Raven schoss plötzlich ein Gedanken blitzartig durch den Kopf. Etwas, das bereits solange zurück lag, das er sich beinahe nicht mehr daran erinnern konnte. Doch es war da. Die Figur des Plaudagei an einem ihrer ersten Tage in der Gilde. Es hatte ihn damals lange Zeit beschäftigt und war schon fast in Vergessenheit geraten.
    „Xell. Erinnerst du dich an den ersten Tag in der Gilde? Der Tag an dem wir unseren ersten Auftrag erhalten haben?“, fragte Raven hastig.
    „Das liegt doch schon...“, murmelte Xell verlegen.
    „Reptain. Welches Zahnrad der Zeit hast du als erstes gefunden?“, fragte Raven.
    „Das im Schemengehölz, warum?“
    „Erinnere dich Xell“, sagte Raven und durchbohrte seinen Freund mit einem stechenden Blick. „Plaudagei sagte uns an dem Tag, dass der Fluss der Zeit außer Kontrolle geraten war. Merkwürdige und unerklärliche Dinge würden geschehen. Aber das war lange bevor überhaupt das Zahnrad der Zeit im Schemengehölz verschwand.“
    „Jetzt wo du es sagst... Da ist etwas dran...“, antwortete Xell. „Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass Reptain mit dem Diebstahl der Zahnräder einige Gebiete ins Chaos gestürzt hat!“
    „Darauf komme ich jetzt zu sprechen“, erwiderte Reptain. „Es gibt eine Möglichkeit, den Zerfall des Zeitturms in der Vergangenheit zu stoppen und somit das hier...“ er deutete auf den nach wie vor verdunkelten Himmel, „... zu verhindern.“
    „Wie?“, fragten Raven und Xell im Chor.
    „Es stimmt, dass mit dem Entfernen der Zahnräder der Zeit in besagten Gebieten die Zeit still steht. Das war allerdings ein notwendiges Übel, das es einzugehen galt, wenn man das Ende der Zeit verhindern will. Alle fünf Zahnräder müssen nämlich in den noch intakten Zeitturm eingesetzt werden.“
    „Und das würde das Ende der Zeit verhindern?“, fragte Raven.
    „Ja, das würde es. Das Einstürzen des Turms würde aufgehalten werden und somit käme es natürlich auch niemals zu einem Ende der Zeit.“
    „Und was ist mit den Gebieten, die bereits in einem Zeitloch stecken? Das Schemengehölz beispielsweise?“, fragte Raven.
    „Die natürlich auch“, antwortete Reptain knapp.


    Raven warf Xell einen fragenden Blick zu. Xell wirkte sehr nachdenklich und zuckte die Schultern.
    „Allerdings wurde mein Vorhaben die Zukunft zu retten, dummerweise von einer Macht, außerhalb eurer Vorstellungskraft verhindert“, antwortete Reptain.
    „Von wem? Zwirrfinst“, fragte Raven.
    Reptain lachte spöttig.
    „Wenn es nur Zwirrfinst wäre... Nein, die Macht von der ich rede gehört Dialga.“
    „Dialga? Der Wächter des Zeitturms? Aber warum?“, fragte Raven. „Sagtest du nicht, dass Dialga den Zeitturm und somit den geregelten Fluss der Zeit bewacht?“
    „Oh ja. Aber das war einmal: Als der Zeitturm vor 33 Jahren in sich zusammenfiel und die temporale Krise sich wie eine Pest über den Planeten ausweitete, geriet Dialga völlig außer Kontrolle. Was genau passierte ist mir jedoch nicht bekannt. Ich gehe davon aus, dass Dialga mit dem Zeitturm in einer Art symbiotisches Band stand. Dialga verlor, nachdem der Zeitturm nicht mehr wahr, völlig den Verstand. Statt den normalen Fluss der Zeit wiederherzustellen, setzt es jetzt alles daran, den Zustand den ihr hier jetzt seht, beizubehalten. Fragt mich bitte nicht warum“, warf Reptain rasch ein, als er die fragenden Gesichtsausdrücke seiner Zuhörer bemerkte. „Ich weiß es selbst nicht...“
    „Obwohl Dialga mit dem Verlust des Zeitturms einen großen Teil seiner Macht verlor...“, fuhr Reptain fort, „...ist es immer noch sehr mächtig und trotz dass sein Geist von Boshaft und Schatten vergiftet ist, kann es immer noch auf eine gewisse Art und Weise klar denken. Nachdem es bemerkte, dass ich vorhatte, den Fluss der Zeit wiederherzustellen, schickte es seinen treusten und ergebensten Diener aus, um mich daran zu hindern. Niemand anderen als Zwirrfinst.“
    „Aber Zwirrfinst ist...“
    „Wie oft soll ich dir eigentlich noch sagen, dass Zwirrfinst nie der war, den er vorgab zu sein?“, sagte Reptain und durchbohrte Xell mit seinen stechenden, gelben Augen. „Er ist absolut verschlagen und führt Dialga’s Pläne ohne Skrupel und Gewissensbisse aus. Er hat seine Rolle bis zum Schluss perfekt gespielt und alle getäuscht.“
    „Er hat aber auch viel gutes getan, was man von dir nicht unbedingt sagen kann...“, entgegnete Xell. „Zum Beispiel hat er im Schemengehölz...“
    Xell stoppte abrupt. Reptain grinste ihn genüsslich an.
    „Ja, scheinbar verstehst du jetzt. Was glaubst du, warum er ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt im Schemengehölz war? Komischer Zufall, findest du nicht auch? Aber im Grunde ganz einfach: Er war einzig im Auftrag von Dialga da, um mich aufzuhalten. Es war keine Nächstenliebe, welche die Überlebenden aus dem Schemengehölz rettete. Er wollte nur wissen, ob jemand mich gesehen hatte. Dabei hatte er sich offenbar verplappert und es kam zu einer Massenflucht aus dem Wald. Und plötzlich hieß es überall ’Zwirrfinst der große Retter’. Aber vielleicht kam ihm das auch nur zur Genüge. Er konnte sich so leichter bei euch und euren Freunden einschmeicheln, damit ihr ihm bei der Suche nach mir helfen konntet. Er hat seine Rolle bis zum Schluss perfekt gespielt.“


    Raven und Xell schwiegen nachdenklich.
    „Es ist immer noch sehr schwer, das alles zu glauben...“, sagte Raven schließlich.
    „Glaubt es oder glaubt es nicht“, antwortete Reptain und stand auf. „Aber vielleicht fällt es dir so leichter, meinen Worten glauben zu schenken: Meinst du nicht auch, ich würde viel lieber das fröhliche Gezwitscher der Vögel und das sanfte Rauschen des Flusses hören, als die klagenden und verzweifelten Schreie von den letzten mehr oder weniger klar denkenden Geschöpfe auf diesem trostlosen Planeten, die mich jeden Tag in den Schlaf wiegen. Für ein besseres hier und jetzt, würde ich sogar sterben. Denk darüber nach.“
    „Was hast du vor?“, wollte Raven wissen.
    „Ich gehe zurück. Zurück in eure Zeit. Ich muss es zuende bringen und dieses mal werde ich nicht versagen.“
    „Du gehst also zurück?“, fragte Raven.
    „Ja.“
    „Und sammelst die Zahnräder der Zeit?“
    „Genau“
    „Und willst also deine, sowie unsere Zeit retten?“
    „Du hast es erfasst.“
    „Gut. Ich bin zwar noch nicht ganz überzeugt, aber fürs erste glaube ich dir. Du hast in mir einen neuen Verbündeten gefunden.“
    „In uns...“, sagte Xell und stieg unter den erstaunten Blicken Raven’s und Reptain’s auf und blickte Reptain tief in die Augen. „Schau nicht so entgeistert. Wo mein Partner hingeht, gehe auch ich hin. Aber um eins klar zu stellen: Ich behalte dich im Auge.“
    „Tu was du nicht lassen kannst...“, entgegnete Reptain achselzuckend. „In Ordnung ihr zwei. Ihr könnt mit mir mitkommen. Es gibt nur eine Regel: Steht mir nicht im Weg! Dann kommen wir höchst wahrscheinlich formidabel miteinander aus. Und jetzt los! Wir haben schon genug Zeit vertrödelt!“


    Die letzten Bissen verschlungen und die Überreste in der vertrockneten Erde vergraben, machten sich Raven und Xell mit Reptain an der Spitze auf den Weg. Raven’s Blick ruhte auf Reptain, der schnellen Schrittes ihre kleine Gemeinde anführte und gleichzeitig sorgsam nach möglichen Verfolgern Ausschau hielt. Er musste sich erst mit dem Gedanken anfreunden, mit demjenigen zusammenzuarbeiten, den er vor wenigen Tagen noch so abgrundtief gehasst hatte, das er sein Leben dafür gegeben hätte, ihm den Garaus zumachen. Obgleich er sich aus ihm unerklärlichen Gründen in Reptain’s Anwesenheit merkwürdig sicher, ja fast schon geborgen fühlte. Es war ihm fast so, als würde er Reptain und seine kühne Art und Weise, wie er sie rasant durch das Land lotste, schon ewig kennen.
    „Wie geht es mit deinem Bein?“, fragte Reptain plötzlich und blickte über die Schulter. „Ich war so frei und habe deine Wunde vorhin mit einem Balsam behandelt.“
    „Danke, sehr gut...“, stotterte Raven. „Woher hast du das her? Ich kann mir irgendwie nicht vorstellen, dass man so etwas hier findet...“
    „Hab ich mit ein paar anderen Dingen in eurer Zeit mitgehen lassen“, antwortete Reptain lässig, als wäre er nur mal kurz einkaufen gegangen.
    „Du warst in einer Stadt? Aber du wurdest doch überall streckbrieflich gesucht. Also wie...?“, fragte Xell erstaunt.
    „Wer nicht gesehen werden will, der wird auch nicht gesehen“, antwortete Reptain und zwinkerte ihm forsch zu. „Es war zwar natürlich nicht leicht, denn im Gegensatz zu diesem Ort hier, leben in eurer Zeit wirklich eine Menge Pokémon. Aber das alles war für mich wie ein Paradies. Ein Traum, aus dem ich niemals mehr aufwachen wollte... Der Wind, der an einem lauen Sommerabend seine Geschichte erzählte, die Blumen, die jeden Morgen hoffnungsvoll der Sonne ihre Blüten öffneten, der Bach, wie er das lebensspendende Nass über die Welt verteilt, das Frohlocken der Kinder auf den Straßen...“
    Reptain seufzte tief.


    Jetzt war sich Raven absolut sicher. Reptain hatte mir allem, was er gesagt hatte, die Wahrheit gesagt. So wie er für ihre Zeit schwärmte, könnte er niemals absichtlich die Welt in den Abgrund stürzen. Völlig ausgeschlossen.“
    „All diese Dinge, die für euch zu den einfachsten Alltäglichkeiten gehören, haben mir zum ersten Mal gezeigt, was es wirklich heißt, zu leben“, sagte Reptain abschließend.
    „Sag mal... Da gibt es immer noch etwas, was ich noch nicht so ganz verstanden habe...“, sagte Xell. „Als du die Zahnräder der Zeit in unserer Zeit...“, Xell räusperte sich „... geliehen hast, blieb dort die Zeit stehen und alle Anwesenden waren in dem Zeitstillstand gefangen. Aber...“
    „Lass mich raten“, unterbrach Reptain Xell. „Du willst wissen, warum es hier nicht genauso war. Richtig?“
    Xell nickte, offenbar verblüfft über Reptain’s schnelle Auffassungsgabe.
    „Hier ist es auch nicht anders“, antwortete Reptain.
    „Aber du und Zwirrfinst... Ich meine, ihr seid beide nicht in der Zeit verloren. Wie kommt das?“
    „Wer das Glück, oder sollte ich vielleicht besser Pech sagen? Ich weiß es nicht...“, antwortete Reptain. „Auf jeden Fall: Wer sich zu dem Zeitpunkt, als der Zeitturm kollabierte, an einem recht abgeschirmten Ort, wie zum Beispiel einer sehr tiefen und von dicken Steinwänden geschützten Höhle befand, der blieb von dem Fluch verschont. Deshalb gibt es trotz dem Ende der Zeit noch immer eine Spur von Leben auf diesem Planeten. Auch wenn ich manchmal mit dem Gedanken kämpfen muss, dass beispielsweise die dort oben ein besseres Schicksal erlitten haben, als ich...“ Reptain deutete auf eine Stelle in die Luft. Eine kleine Scharr Taubsi’s, schwebten erstarrt in der Luft. Raven konnte trotz der großen Entfernung das blanke Entsetzen in ihren Gesichtern sehen. Als ob sie vor irgendetwas panisch Reißaus nehmen wollten. „Für uns Überlebende geht es jeden Tag ums nackte Überleben. Wir klammern uns an jede noch so staubige oder verfaulte Wurzel, nur um einen weiteren Tag in diesem Elend aufzuwachen. Leben oder Sterben ist nur einen Wimpernschlag voneinander getrennt. Die meisten haben nach wenigen Wochen schon jeglichen Lebenswillen verloren und sind elendig zu Grunde gegangen...“
    „Das ist einfach nur abartig...“, meinte Xell und löste seinen Blick angewidert von dem traurigen Elend am Himmel. „Wie kann nur jemand so etwas wollen. Warum nur? Dialga? Zwirrfinst? Warum...?“
    Reptain schwieg.
    Raven’s Blick war an den Rücken Reptain’s geheftet. Täuschte er sich oder hatte Reptain gerade seine Schritte beschleunigt. Auch wisch er vehement dem Thema über Dialga’s Absichten aus. Wusste er es wirklich nicht oder verheimlichte er ihnen etwas? Er hasste es, soviel Zeit mit Nachdenken zu verbringen, doch das Schweigen seiner beiden Reisegefährten ließ ihm dummerweise sehr viel Zeit, die er anders kaum verbringen konnte. Auch Reptain’s Geschichte über sich und die Zukunft, in der sie sich in diesem Augenblick befanden, bot eine Menge Stoff zum Grübeln. Reptain hatte also in ihrer Zeit nur dieses Chaos angerichtet, um die ausstehende Katastrophe, und somit den Weltuntergang zu verhindern. Zwirrfinst spielte die ganze Zeit über seine Rolle als Agents Dialga’s, dem Wächter des Zeitturms, aus, der, aus unerfindlichen Gründen, den normalen Fluss der Zeit nicht dulden wollte und alles daran setzt, sie von dem Erfolg ihrer Mission aufzuhalten. Ihr Schicksal und das Schicksal der gesamten Welt, lag allein in den kleinen Zahnrädern, die den Zeitturm vor der Vernichtung retten würden. Es galt also wieder zurück in ihre Zeit zu reißen, die Zahnräder sammeln und den Zeitturm aufsuchen, um das Ende der Zeit, also diese Zukunft, zu verhindern. In Ihre Zeit zurückkehren? In die Vergangenheit? Wie war das eigentlich möglich?
    „Reptain?“
    „Was gibt’s?“, fragte Reptain und schaute ohne anzuhalten über die Schultern.
    „Wie kommen wir eigentlich wieder zurück, also in die Vergangenheit? Wohin gehen wir überhaupt?“, fragte Raven.
    Eigentlich hätte diese Frage schon viel früher, im Grunde genommen sogar gleich beim Anbeginn ihrer gemeinsamen Reise kommen müssen. Stattdessen wanderten sie jetzt schon Stunden völlig gedankenversunken über die vernarbte Landschaft, ohne überhaupt zu wissen, wohin sie Reptain eigentlich folgten.
    „Hatte mich schon gewundert, warum ihr noch nicht gefragt habt“, antwortete Reptain.
    „Musste das alles erst mal verdauen...“, murmelte Xell verlegen.
    „Wir sind auf dem Weg zum Düsterwald oder zumindest das, was von ihm übrig ist“, antwortete Reptain.
    „Und was sollen wir da?“, wollte Raven wissen.
    „Im Düsterwald lebt eine Bekannte von mir, Celebi. Celebi’s Kräfte und Fähigkeiten sie in etwa Vergleichbar mit denen Dialga’s. Sie war es, die es mir ermöglicht hatte, in die Vergangenheit zu reisen.“
    „Celebi kann also durch die Zeit reisen?“, fragte Xell interessiert. „Sie muss ja wahnsinnig mächtig sein, wenn sie solch eine Gabe hat. Könnte sie es vielleicht mit Dialga aufnehmen?“
    „Red doch keinen Stuss!“, rief Reptain gereizt. „Celebi ist keine wirkliche Kämpfernatur und sollte sich nicht unnötig in Gefahr bringen. Es wäre für sie viel zu gefährlich.“
    Reptain blickte wieder nach vorn und setzte seinen Weg unbeirrt fort.. Raven runzelte die Stirn. Seit wann scherte sich Reptain so für jemand anderen? Und war er nicht gerade für den Moment einer Sekunde rot angelaufen, als er über Celebi sprach?
    „Und außerdem...“, fuhr Reptain fort, „... ist Celebi schon jetzt in großer Gefahr...“
    „Warum“, fragten Raven und Xell im Chor.
    „Liegt doch auf der Hand“, antwortete Reptain. „Da mir Celebi bei der Reise in die Vergangenheit geholfen hat, ist steht sie sozusagen auch auf Dialga’s Liste der Störenfriede. Ich hoffe, ihr ist nichts passiert. Das wäre sonst das Ende... Legen wir einen Zahn zu.“


    Die Stunden zogen ereignislos dahin. Wäre man gerade neu in diese Zeit gestoßen, so würde man sich sicherlich fragen, wann endlich die Sonne aufgehen würde. Doch für Raven und Xell war mittlerweile natürlich völlig klar, dass dies niemals der Fall sein würde. In dieser Zeit war schon allein der Begriff ’Sonne’, ein völliges Fremdwort. Nur der Gedanke an die gewöhnlichsten und einfachsten Dinge ihrer Zeit, ließen Raven unbewusst schneller voranschreiten und mit Reptain gleichauf, Seite an Seite seinen Weg gehen.
    Die triste Kraterlandschaft schien langsam aber sicher vor einer spärlich bewachsenen Graslandschaft zu weichen. Der schon fast in Vergessenheit geratene Anblick von Vegetation, stimmte Raven jedoch nicht glücklich. Man konnte das Gras, welches seine Füße beim Vorbeigehen sanft kitzelte, einfach nicht mit dem aus seiner Welt vergleichen. Weder hatte es den selben so herrlichen Duft, noch war es so erfrischend grün. Stattdessen stand es einfach nur vergilbt und leblos wie es war, vom Boden ab und schien nur auf seinen baldigen Untergang zu warten. Doch nicht allein der kümmerliche Anblick der Flora, die verzweifelt gegen den herannahenden Tod kämpfte, war es, was Raven missmutig stimmte. Nicht Zuletzt die Rückkehr der pochenden Schmerzen seiner Verletzung, die ihm kurz nach dem Eintritt in diese Welt zugefügt worden war, ließen ihn bei jedem weiteren Schritt jäh erschaudern. Aber er würde nun, wahrscheinlich so kurz vor dem Ziel, nicht um eine Rast bitten, auch wenn er seinen Platz an Reptain’s Seite mittlerweile wieder eingebüßt hatte und sogar Schwierigkeiten bekam, mit Xell Schritt zu halten. Vielleicht war dies nur die Ruhe vor dem Sturm. Zwirrfinst könnte ihnen möglicherweise dicht auf den Fersen sein.


    „Wir sind da...“, erklang plötzlich die Stimme Reptain’s.
    Raven schreckte aus den Tiefen seiner Gedanken. Sie hatten den Rand eines dichten Waldes erreicht. Auch er machte den Eindruck, als würde Gevatter Tod persönlich seine skelettartige Hand wenige Meter über den vertrockneten und nicht weniger vergilbten Baumkronen halten.
    „Das hier ist der Düsterwald? Hier lebt Celebi?“, fragte Xell und musterte die Umgebung.
    Reptain’s Blick schweifte über den Waldrand.

    „Celebi hält sich vorwiegend in den dichtesten Wäldern auf und da es sich hier um das vielleicht letzte halbwegs grüne Fleckchen auf der Welt handelt...“ Reptain seufzte tief. „Gehen wir sie suchen.“
    In einer normalen Zukunft, fern von dieser in der Zeit gefangenen Welt, würde dieser Ort seinen Namen als ’Düsterwald’ sicher alle Ehren machen. Doch die traurige Wahrheit war, das sich dieser Ort auch nicht sonderlich von dem Rest der Welt abgrenzte. In dem dichten Unterholz, durch das sich Raven, Xell und Reptain auf der Suche nach Celebi durchschlugen, herrschte die selbe triste Endzeitstimmung, wie an jedem anderen Ort in dieser Zeit. Einzig und allein die harten Kokons der Käfer-Pokémon, die, egal in welcher Zeit man sich befand, starr und ausdruckslos von den Bäumen hingen, machten einen relativ natürlichen Eindruck.
    Raven war jedoch klar das, wenn sie es könnten, hätten diese Pokémon den Wald schon vor Jahrzehnten als voll ausgewachsene Himmelsstürmer weit hinter sich gelassen.
    „Tretet bitte nicht auf die Blumen.“
    „Häh? Was?“, fragte Xell und brach mit einem lauten Knacken durch das dichte Geäst und erreichte als erster eine weite Lichtung. „Oh endlich... Ich dachte das nimmt gar kein Ende mehr...“
    „Du sollst aufpassen wo du hintrittst, hab ich gesagt!“, keifte Reptain und warf Xell einen vernichtenden Blick zu. Reptain ging auf die Knie und musterte die zierlichen Blumen, die Xell in seiner Unvorsicht niedergewalzt hatte.„Was bist du nur für ein Trampel?“
    „Das sind doch nur ein paar vertrocknete Blumen...“, murmelte Xell. „Seit wann bist du so empfindlich...?“
    „Das sind nicht nur irgendwelche Blumen, das sind Chronolien. Celebi’s Lieblingsblumen...“
    „Och, das ist aber süß von dir, das du dich nach allem noch an meine Lieblingsblumen erinnerst.“
    Raven und Xell wirbelten erschrocken herum. Ein kleines zierliches Geschöpf, in einem, für diese Umgebung eigentlich völlig unpassenden pinkfarbenen Farbton, schwebte vor ihnen in der Luft und lächelte ihren Besuchern entgegen. Eine sanfte doch zugleich mächtige Aura ging von dem kleinen Pokémon, welches weniger als halb so groß wie Raven war, aus. Ihre smaragdgrünen Augen strahlten vor Freude.

    „Lange nicht mehr gesehen Reptain“, sagte Celebi vergnügt, schwebte flink zu Reptain hinüber und machte eine Punktlandung auf seinem Kopf. „Viel zu lange... Ich dachte schon, du hättest mich schon vergessen. Aber nein, das würdest du natürlich niemals, oooder?“ Sie liebkoste Reptain, der mittlerweile rot angelaufen war, herzlichst.
    „Du bist Celebi?“, fragte Raven ungläubig.
    „Ja, die bin ich. Warum der skeptische Gesichtsausdruck?“, antwortete Celebi.
    „Nun tut mir Leid, wenn ich es so sage, aber nach allem was Reptain erzählt hat, hab ich dich etwas, ähm... anders vorgestellt.“
    „Was hör ich denn da? Erzählst du etwas irgendwelche Horrormärchen über mich, Reptain? Das find ich aber gar nicht nett“, sagte Celebi und zupfte vergnügt an dem Blatt an Reptain’s Kopf herum.
    „Nein, das hast du falsch verstanden“, warf Raven ein. Es benötigte ihn sämtliche Beherrschung, die er finden konnte, um nicht bei dem Anblick des mittlerweile tomatenroten Reptain mit Celebi auf seinem Kopf, die immer noch kichernd an seinem Blatt herum spielte, laut loszulachen. „Reptain sagte, du wärst äußerst mächtig. Man könnte deine Kraft mit der von Dialga gleichsetzen.“
    „Och, das hast du gesagt? Das ist ja so süß von dir.“, kicherte Celebi und schmiegte sich noch enger an den zur Salzsäule erstarrten Reptain.
    „Ist das auch wahr? Ich meine kannst du wirklich durch die Zeit reisen?“, fragte Raven.
    „Das und noch viel mehr“, antwortete Celebi. „Du schaust ja immer noch so ungläubig. Glaubst du mir etwas nicht?“, schmollte Celebi.
    Mit einem Satz hob sie von Reptain’s ab, sauste mit hoher Geschwindigkeit über ihre Köpfe hinweg und benetzte Raven dabei mit einem glitzernden Regen aus scheinbar funkelnden Sternchen.
    „Vielleicht fällt es dir jetzt leichter, mir zu glauben“, kicherte Celebi und schien auf irgendetwas zu warten.
    „Ich verstehe nicht... Was meinst du?“, fragte Raven.
    „Ich mag deine neuen Freunde Reptain. Sie bringen mich zum Lachen“, gluckste Celebi. „Dein Verband Dummerchen. Du brauchst ihn nicht mehr. Die hässliche Verletzung ist nicht mehr. Los, sieh schon nach.“
    Was meinte Celebi damit? Wie hätte sie können eine so schlimme Wunde in so kurzer Zeit einfach heilen können? Das war doch völlig ausgeschlossen... Doch der Schmerz war tatsächlich weg. Raven riss aufgeregt seinen Verband von seinem Bein. Seine Augen weiteten sich. Celebi hatte tatsächlich die Wahrheit gesprochen. Nicht einmal ein Kratzer erinnerte mehr an die Stelle, die ihn solange gequält hatte. Xell musterte nicht weniger interessiert das Bein seines Freundes.
    „Aber wie...?“, stammelte Raven völlig perplex.
    „Das bleibt ein Geheimnis“, kicherte Celebi und zwinkerte ihm zu. Celebi drehte sich herum und suchte Reptain’s Blick, der bei ihrem Anblick sogleich verlegen auf den Boden schielte.
    „Reptain? Darf ich dich mal bitte kurz unter vier Augen sprechen? Ach was frage ich eigentlich? Natürlich darf ich das.“
    Celebi sauste erneut zu Reptain zurück, klammerte sich an ihn und entführte den nach wie vor im Gesicht geröteten und still schweigenden Reptain zum anderen Ende der Lichtung.


    „Und was meinst du?“, fragte Xell interessiert.
    „Keine Frage. Celebi ist total in Reptain verschossen. Wenn Reptain bloß nicht so verspannt wäre...“, gluckste Raven.
    „Das mein ich doch gar nicht“, sagte Xell, der sich aber ein Lachen ebenfalls nicht verkneifen konnte. „Was hältst du von Celebi? Glaubst du, sie kann uns wirklich in unsere Zeit zurückbringen?“
    „Wenn sie das Zeitreisen so gut beherrscht wie das Leute zusammenflicken, dann würde ich mir da keine Gedanken machen“, antwortete Raven und gab einen zirkusreifen Rückwärtssalto zum Besten. Jeglicher Schmerz war verflogen. Er fühlte sich beinahe wie neu geboren.
    „Was die wohl da drüben bereden?“, fragte Xell und schaute neugierig zu Reptain und Celebi hinüber.
    „Vielleicht schmieden sie Heiratspläne“, lachte Raven.
    Doch insgeheim wusste Raven, dass sich Reptain und Celebi wohl über ein gänzlich anderes Thema unterhielten. Selbst aus der weiten Entfernung, die zwischen ihnen lag, konnte er deutlich den Ernst der Lage erkennen, als Reptain auf Celebi einredete.
    „Reptain hat mich über die Lage aufgeklärt“, sagte Celebi, als sie ihre Unterhaltung mit Reptain beendet hatte und mit Reptain an ihrer Seite zurückgekehrt war. „Danke, das ihr ihm helfen wollt. Schon lange warte ich auf darauf, das ein neuer Tag anbricht.“
    „Können wir also zurück? Zurück in unsere Zeit?“, fragte Xell.
    „Ja natürlich. Ich werde euch bei eurer Rückkehr helfen“, antwortete Celebi.
    „Steht der Zeittunnel bereit?“, fragte Reptain.
    „Zeittunnel?“, wiederholte Xell neugierig. „Was ist das?“
    „Kleine Zeitreisen schüttle ich euch aus dem Handgelenk, aber bei einer solch großen Entfernung bin ich auf Zeitportale angewiesen, mit denen ich mich durch die Zeit bewege“, antwortete Celebi. „Das Zeitportal steht am äußeren Ende des Waldes für euch bereit. Folgt mir bitte.“


    Raven’s Schritte wurden von der Aussicht, in nur wenigen Minuten endlich wieder zurück in seiner Zeit zu sein, rapide beschleunigt. Er konnte beinahe schon die wärmenden Strahlen der zarten Frühlingssonne auf seinem Körper fühlen, während er sich mit Xell, Reptain und Celebi durch das Unterholz seinen Weg zum Waldesrand bahnte.
    „Ich hoffe ihr habt dieses mal Erfolg. Ich bin der Entwicklung dieser Dinge schon seit Jahrzehnten überdrüssig...“, meinte Celebi. Ihre Stimme hatte den heiteren Klang von ihrer Begegnung vor wenigen Minuten längst verloren. „Aber es stimmt mich auch traurig, euch wieder ziehen zu lassen. Die ganze Zeit über allein zu sein zehrt an meinen Nerven...“
    Reptain schwieg.
    „Ähm Celebi, eine Frage: Wenn du doch durch die Zeit reisen kannst, warum setzt du dich nicht einfach in eine frühere Zeitepoche ab? Dann wärst du auch sicherlich nicht mehr so allein...“, meinte Xell und hüpfte über einen umgestürzten Baumstamm.
    „Ja, diese Idee hatte ich natürlich auch schon einige Male. Aber wer soll sich dann um all die Blumen und Pflanzen kümmern, wenn nicht ich? Das hier sind vielleicht die letzten traurigen Überreste der prächtigen Wälder von vergangenen Zeiten. Die Natur braucht mich. Vielleicht kannst du das nicht verstehen, aber...“
    „Oh doch“, unterbrach sie Xell. „Ich verstehe voll und ganz. Ich verspreche dir, das wir in der Vergangenheit Erfolg haben werden!“
    „Oh das ist ja so lieb von dir“, kicherte Celebi, gewann ihre vertraute frohmutige Stimme wieder und zwinkerte Xell kurz zu. „Ah, wir sind da. Da vorne ist das Zeitportal.“


    Der dichte Wald ebnete sich und bot mit seinem Verschwinden den ihnen nur zu bekannten Blick auf das weite Ödland vor ihnen. Mit einer Ausnahme: Ein hellleuchtendes Tor, tauchte die Landschaft in seiner unmittelbaren Nähe in ein erfrischendes blau ein. Es war so, als strömte das Zeitportal eine Welle von purer Hoffnung und Wärme aus. Ein Tor in eine andere, eine bessere Welt...
    „Ja das ist es“, kicherte Celebi, die den verdutzten Ausdruck auf Xell’s Gesicht offenbar in vollen Zügen genoss. „Durch dieses Tor habe ich die meisten Überlebenden in eine bessere Zeit geschickt. Es wird euch in etwa an den Punkt in der Zeit zurückschicken, von dem ihr kommt.“
    „Danke Celebi“, sagten Raven und Xell im Chor.
    „Nun, jetzt heißt es wohl Abschied nehmen...“, seufzte Celebi. „Bitte beeile dich Reptain. Ich weiß nicht, ob ich all das hier noch lange verkrafte...“
    „Wir werden erfolgreich sein“, sagte Reptain und ergriff Celebi’s zierliche Hand. „Das verspreche ich.“
    „Hat dir niemand beigebracht, das man niemals Versprechen geben sollte, die man nicht einhalten kann, Reptain?“
    Erschrocken wirbelten alle Anwesenden herum. Das Blut gefror in Raven’s Adern, als er den Ursprung der Stimme sah.
    „Eure kleine Revolte endet hier“, sagte Zwirrfinst und lächelte seinen Gegenübern boshaft zu.
    Lautes Rascheln, scheinbar aus allen Himmelsrichtungen, kündige weiteres Unheil an. In wenigen Sekunden strömten von allen Seiten die Zobiris, die Raven noch zu gut von seinen Erlebnissen in der Gefängniszelle her kannte, heran und umzingelten ihre kleine Gruppe.
    „Ich hab mich schon gefragt, wann du endlich herauskommst“, sagte Reptain gelassen. „Ich habe den ekelerregenden Geruch von dir uns deinen kleinen Speichelleckern schon seit Stunden in der Nase.“
    Die Zobiris gaben ein wütendes Klicken zu ihrem Besten.
    „Hochnäsig bis zum Schluss“, sagte Zwirrfinst. „Und wie ich sehe, hast du neue Freunde gewonnen. Wie tief ihr doch gesunken seid...“, sagte Zwirrfinst und warf Raven und Xell einen verachtenden Blick zu.
    „Das musst gerade du sagen“, rief Xell. „Du bist einfach nur verabscheuungswürdig!“
    „Was ist los Xell? Vertraust du mir etwa nicht? Nach allem, was ich für euch getan habe? Ich bin nicht dein Feind. Er ist es!“ Zwirrfinst deutete auf Reptain.
    Xell ging einen Schritt zurück und stellte sich hinter Raven.
    „Vergiss es. Ich weiß es inzwischen besser.“
    „Was ist mit dir?“, sagte Zwirrfinst und sah Raven an. „Hast du etwa vergessen, was Reptain eurer Welt angetan hat? Hattest du nicht Rache geschworen? Wolltest du nicht...“
    „Halt die Klappe!“, rief Raven bebend vor Zorn. „Wir wissen längst, wie das Haspiror läuft. Also spar dir deine lächerliche Farce!“
    „Bedauerlich...“, sagte Zwirrfinst kopfschüttelnd.
    Die Zobiris wirkten nervös. Einige von ihnen zogen den Kreis enger, andere schienen verunsichert.
    „Du kannst uns nicht aufhalten Zwirrfinst“, sagte Reptain. „Schon bald werden wir wieder zurück in der Vergangenheit sein und all das hier verhindern.“
    „Das glaube ich nicht“, lachte Zwirrfinst und sah Reptain überheblich, fast schon siegessicher, an.“
    „So? Und wer soll uns aufhalten? Du und deine kleinen Lakaien etwa? Das ich nicht lache“, höhnte Reptain und erwiderte Zwirrfinst’s Grinsen. Um eins klar zu stellen: Ich habe nicht vor, noch einmal gesiebte Luft zu atmen. Wir werden kämpfen und gewinnen.“
    „Reptain... Wir werden dir und deinen Freunden hier und jetzt ein für alle mal den Garausmachen. Es ist vorbei“, sagte Zwirrfinst.
    „Du und welche Armee?“, spottete Reptain.
    „Wir sind nicht allein...“, flüsterte Zwirrfinst. „Dieses mal gibt es kein Entrinnen...“
    Plötzlich begann die Erde zu zittern. Wieder und wieder tönte ein lautes Poltern über die weite Landschaft, fast so, als würde jemand sekündlich mit einem gigantischen Hammer auf den Erdboden eindreschen.
    „Was ist das?“, stotterte Xell erschrocken.
    „Das hast du nicht... Das kannst du nicht...“, stammelte Reptain, der inzwischen kreidebleich geworden war.
    „Oh hab ich etwa nicht?“, sagte Zwirrfinst und verzog sein Gesicht zu einer hässlichen Grimasse. „Nun, dann schau doch einfach am besten mal hier rüber.“ Er deutete Richtung des weiten Ödlands zu seiner rechten.


    Raven, Xell, Reptain und Celebi drehten sich verunsichert zu der Stelle, auf die Zwirrfinst zeigte.
    Raven’s Gesichtszüge waren wie versteinert. Er blickte in die feurig glühenden Augen eines gigantischen Wesens, dass sich langsam und schwerfällig ihrer Position näherte. Sein Körper machte den Eindruck, als würde es gänzlich aus einem blau schimmernden Diamanten bestehen. Ein gigantischer rotfarbene Rubin an seiner Brust, leuchtete ihnen aus der weiten Entfernung todbringend entgegen. Bei jedem seiner Schritte, bebte der Boden unter ihren Füßen. Ein morscher Baum, der sich über all die Zeit offenbar gerade noch aufrecht halten konnte, fiel von einer weiteren Erschütterung krachend zu Boden, während es unaufhörlich näher kam. Eine Aura von unvorstellbarer Macht, schien Raven an den Boden zu fesseln. Das war ihr Ende...
    Celebi rückte näher an Reptain auf und klammerte sich ängstlich an seinen Körper.
    „Wenn wir scheitern...“, sagte Zwirrfinst und warf den Zobiris einen Blick zu, „... dann wird sich Meister Dialga um euch kümmern. Das Spiel ist aus.“
    Dialga erklomm einen großen Felsvorsprung in ihrer Nähe und ließ sein Mark und Bein erschütterndes Brüllen über die Landschaft ertönen. Seine feurig glühenden Augen ruhten auf die kleine Gruppe von Rebellen unter ihm.
    Zur großen Verwunderung aller Anwesenden, fing Reptain plötzlich an zu lachen.
    „Du lachst? Bist du dir eigentlich nicht im Klaren, was dich gleich erwartet? Oder hast du im Angesicht des Todes bereits völlig den Verstand verloren“, fragte Zwirrfinst.
    „Das Spiel ist noch lange nicht aus. Auch wenn du unsere Träume und Wünsche hier und jetzt im staubigen Erdreich erstickst, lebt eine weitere Hoffnung weiter“, sagte Reptain. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen.
    „So? Und wer soll dieser ominöse Hoffnungsspender sein, von dem du sprichst?“, fragte Zwirrfinst.
    „Jetzt enttäuschst du mich aber, Zwirrfinst. Du weißt doch genauso gut wie ich, das ich nicht alleine in die Vergangenheit gereist bin.“
    Raven und Xell blickten entgeistert zu Reptain. Hatten sie richtig gehört? Hatte Reptain etwa einen Freund, der just in dem Moment in der Vergangenheit sein Werk fortführte?
    Zwirrfinst’s Grimasse weitete sich.
    „Du redest doch nicht etwa von deinem Partner oder?“
    „Natürlich rede ich von ihm“, antwortete Reptain. „Wir wurden bei unserer Ankunft in der Vergangenheit dummerweise getrennt. Aber an deiner Stelle wäre ich nicht so anmaßend. Du kannst uns vielleicht hinrichten, aber ihn wirst du niemals finden. Er wird alles tun, um all das hier zu verhindern. Du hast verloren.“
    „Der Name...“, flüsterte Zwirrfinst so leise, das es Raven kaum hörte.
    „Was?“, fragte Reptain.
    „Den Namen... Sag ihn mir. Den Namen deines Partners...“, wiederholte Zwirrfinst mit einem Verlangen in seiner Stimme.
    „Glaubst wohl, du könntest ihn leichter finden, wenn du seinen Namen weißt, was?“, grinste Reptain. „Die Mühe kannst du dir genauso gut sparen. Wobei ich dachte, das du eh weißt, wie mein Partner heißt. Hab ich mich wohl getäuscht.“
    „Los, sag ihn mir“, wiederholte Zwirrfinst zum dritten Mal.
    „Wenn es dich glücklich macht“, sagte Reptain kopfschüttelnd. Mein Partner heißt Raven.“


    Es war ihm so, als wäre sein Herz gerade zum Stillstand gekommen, als sein Name plötzlich fiel. Oder hatte er sich etwa verhört? Hatte Reptain gerade tatsächlich seinen eigenen Namen genannt? Das musste ein Zufall sein...
    Zwirrfinst lachte, als sei er besessen. Als hätte Reptain gerade nur einen spaßigen Witz erzählt.
    „Nein Raven. Du hast dich eben nicht verhört“, sagte Zwirrfinst und sah auf die starre Gestalt Raven’s.
    „Was?“, rief Reptain verwirrt und drehte den Kopf entgeistert zu Raven.
    „I-Ich bin... Raven“, stammelte Raven.
    „Das ist ausgeschlossen. Mein Partner ist nämlich ein Mensch“, sagte Reptain und sah in Zwirrfinst’s kalte Augen.
    Zwirrfinst’s wahnsinniges Lachen wurde noch lauter.
    „Nein Reptain. Raven, dein Partner, steht neben dir. Wenn du es mir nicht glauben willst, dann frag doch einmal Xell“
    Xell wirkte nicht weniger versteinert wie Raven neben ihm. Langsam drehte er seinen Kopf zu Reptain.
    „Er hat recht... Raven hier, war früher ein Mensch. Ich fand ihn eines Tages mit einem Gedächtnis wie ein Vakuum. Er hatte keine Erinnerungen an sein früheres Leben. Nur sein Name, den kannte er noch...“
    Reptain, mittlerweile schneeweiß im Gesicht, schüttelte ungläubig den Kopf.
    „Nein... Das kann nicht...“
    „Glaube es“, lachte Zwirrfinst. „Ich hab es schon beim ersten Mal, als wir uns über den Weg gelaufen sind, gespürt. Es war kurz bevor ich das erste Mal die Gilde betrat. Ich wollte mich über die Vorfälle am Nebelsee erkundigen. Natürlich merkte ich, dass Knuddeluff mich anlog. Aber warum sollte er das tun? Vertraute er mir etwa nicht? Ich musste sein Vertrauen gewinnen. Vielleicht wusste er etwas über Reptain und die Zahnräder der Zeit. Also entschloss ich mich dazu, eurer Gilde bei einigen Aufgaben zur Hand zu gehen. Wie es der Zufall wollte, traf ich dabei auf euch beide...“ Zwirrfinst blickte grinsend zu der völlig apathischen Gestalt Raven’s und dem regungslosen Xell.
    „Erneut machte sich in mir ein Gefühl breit. Etwas sagte mir, dass an einem von euch etwas besonderes war. Wie es der Zufall wollte, wurden sie in einen kleinen Hinterhalt gelockt. Ich kam als der große und freundliche Zwirrfinst, und rettete sie vor ihrem sicheren Ableben. Nicht nur, das ich mit eurer Rettung das volle Vertrauen der Gilde gewann, auch fand ich heraus, dass es sich bei ihm...“, Zwirrfinst deutete auf Raven, „... tatsächlich um deinen Partner handelt, Reptain. Warum er sich in ein Pokémon verwandelt hat, ist zwar für mich nach wie vor ein Rätsel, aber die Tatsache, das er über die Gabe des Dimensionalen Schreis verfügt...“
    „Du beherrschst den Dimensionalen Schrei?“, warf Reptain ein und blickte aufgelöst du Raven.
    Raven rührte sich nicht. Völlig ausdruckslos starrte er auf die Figur Zwirrfinst’s. In seinem Kopf herrschte das reine Chaos. Alles was er in den letzten paar Minuten erlebte, schien ihn völlig zu erschlagen. Er? Aus der Zukunft? Reptain’s Partner?
    „Wie du siehst...“, fuhr Zwirrfinst fort, „... handelt es sich um das Pokémon zu deiner linken tatsächlich um deinen Partner.“
    „Raven... Du...“, stammelte Reptain und sah noch immer ungläubig auf Raven.
    Erneut tönte das wahnsinnige Lachen von Zwirrfinst durch die Ebene.


    „Es tut mir leid die Wiedersehensfeier zu unterbrechen, aber ich denke wir haben bereits genug Zeit vertrödelt. Das Spiel ist aus.“
    Es war fast so, als hätten die Zobiris, welche die ganze Zeit über stumm den Geschehnissen gelauscht hatten, nur auf diese Worte gewartet. Sie zogen den Kreis von Sekunde zu Sekunde enger. Zwirrfinst’s Lachen verstärkte sich, während die Verzweiflung seiner Gegenüber ins unermessliche zu wachsen schien.
    „Es ist aus...“, sagte Reptain tonlos. Es tut mir leid, das ich dich in all das hinein gezogen habe, Celebi.“
    „Es muss dir nicht leid tun. Wenn ich schon sterben muss, dann zumindest mit dir“, antwortete Celebi und schmiegte sich enger denn je an Reptain’s Körper.“
    „Ihr wollt doch nicht allen ernstes aufgeben!“, rief Xell panisch. „Wir müssen etwas tun!“
    Er blickte fieberhaft in alle Himmelsrichtung und suchte einen Ausweg aus ihrer hoffnungslosen Lage. Die Zobiris kamen immer näher und bleckten die Zähne. Xell kramte verzweifelt in seiner Tasche, als hoffte er, ein Wunderwerkzeug zu finden, dass ihnen alle die Flucht ermöglichen würde. Doch in der Tasche herrschte gähnende Leere. Nur etwas kleines, zerknittertes fiel ihm in seine Hände. Er zog es heraus und blickte angewidert auf das kleine Stück Papier, auf das Zwirrfinst vor gar nicht all zu langer Zeit seinen Namen geschrieben hatte.
    „Raven!“, schrie Xell. Doch Raven schien ihn in seiner Apathie nicht einmal zu hören.
    „Reptain! Wir müssen...“
    Reptain schüttelte den Kopf.
    „Es ist aus...“
    Celebi machte ein würgendes Geräusch und presste die Augen zu.
    Beim Anblick der ängstlichen Gestalt Celebi’s, schoss Xell plötzlich ein Gedanken wie eine Pistolenkugel durch den Kopf.
    „Celebi! Kannst du einen Zeitsprung machen? Kannst du uns einen Augenblick in die Zukunft befördern?“
    Reptain drehte plötzlich mit einem triumphierenden Gesichtsausdruck seinen Kopf zu Celebi.
    „Ja, das kann ich. Aber es wird in Anwesenheit von Dialga nicht...“
    „Tu es!“, riefen Xell und Reptain panisch, als die Zobiris nur noch einen Wimpernschlag von ihnen entfernt waren.
    Celebi schloss erneut ihre Augen und begann im selben Moment förmlich zu glühen. Die Landschaft, Zwirrfinst, die Zobiris, Dialga, alles um sie herum war plötzlich wie verschwunden. Der bunte Zeittunnel schleuderte Raven, Xell, Reptain und Celebi wild in alle Richtungen, bevor er wenige Augenblicke später wie ein Spiegel zerbarst. Die Zeitreisenden schlugen aus einem halben Meter Höhe unsanft auf den harten und staubigen Boden auf.
    „Was zum...?“, sagte Zwirrfinst und wirbelte herum.
    Celebi hatte sie nur einen Meter vor das Zeitportal befördert.


    „NEIN! ERGEIFT SIE!“
    Zwirrfinst und die Zobiris rannten ihnen tobend vor Wut entgegen.
    „REIN MIT EUCH! brüllte Celebi.
    „Was ist mit dir?“, rief Reptain.
    „Ich komm schon klar. LOS!“
    Reptain wollte gerade mit Xell an seiner Seite den rettenden Satz in das Zeitportal machen, als Celebi’s verzweifelte Stimme noch einmal ertönte.
    „RAVEN! BEEIL DICH!“
    Reptain und Xell blickten erschrocken herum. Raven stand nach wie vor völlig ausdruckslos wie eine Statue in der Gegend herum und war nur noch wenige Meter von dem herannahenden Zwirrfinst entfernt.
    „RAVEN!“, brüllte Xell verzweifelt und machte bereits Anstalten, zu seinem Freund zu eilen.
    Reptain zögerte keine weitere Sekunde. Er stieß Xell mit seinem Fuß barsch in das Zeitportal, krallte sich regungslosen Raven am Genick und sprang, unter dem tobenden Gebrüll Dialga’s, in das Zeitportal.


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  • Kapitel XVI.: Ein neuer Morgen



    >„Wer bin ich?“<
    >„Warum bin ich?“<
    >„Von woher komme ich?“<
    >„Was ist der Sinn meiner Existenz?“<
    >„Gefangen in ewiger, niemals endender Dunkelheit...“<
    „Raven!“
    >„Raven? Ja, ich erinnere mich. So werde ich genannt. Ich stamme aus der Zukunft. Einer Zeit, in der man für das Recht zu leben hart und unerbittlich kämpfen muss. Ein niemals endender Kampf...“<
    „Raven! Hörst du mich?“
    >„Wer ruft mich da? Bin und war ich es doch immer: Allein. Nein... Ich erinnere mich. Ich war niemals allein. Ja, ich habe Freunde. Freunde die zu mir halten. Xell, mein bester Freund. Er hat immer zu mir gehalten. Er hat mich nie aufgegeben und war mir immer eine Stütze in der größten Not...<“
    „Kannst du mich hören? Hallo?“
    >„Und Reptain... Plötzlich erinnere ich mich vage... An ein kleines verlassenes Pokémon, dass durch eine verwüstete Stadt irrte. Es kam auf mich zu und blickte mit seinen traurigen Augen tief in meine Seele. Ja, ich erinnere mich. Das Pokémon zeigte mir ein Bild. Ein zerfleddertes Foto von einer Welt, in der scheinbar das pure Glück regierte. Es schmerzte mich sein Leid mit anzusehen. Ich nahm das Pokémon auf. Wir wurden Freunde. Gemeinsam wanderten wir über die vernarbten Landschaften des Planeten. Stets auf der Suche nach einem Weg, unser beider Schicksal zu ändern... Die Erinnerungen... Sie verblassen... Ich kann mich nicht mehr erinnern...<“
    „Oh er hat sich bewegt!“


    Nur langsam erwachte Raven aus seinem Delirium. Eine salzige, erfrischende Meerwasserluft stieg ihm in die Nase und kurbelte seinen Kreislauf an. Unsicher über das, was ihn erwartete, öffnete er seine Augen. Schlagartig wurde er von etwas unglaublich grellem geblendet. Etwas so einfaches und doch zugleich so wundervolles, das er es kaum wagte, seine Augen wieder zu schließen. Nein, das war kein Traum. Es war tatsächlich die zarte Abendsonne, die sich an jenem späten Tag von ihm verabschiedete. Er war zurück. Zurück in der Vergangenheit.


    Mit Erstaunen musste Raven feststellen, dass er genau an dem Ort lag, wo ihn Xell vor scheinbar ewigen Zeiten besinnungslos vorgefunden hatte. Jener schicksalhafte Tag, an dem er genau wie heute, durch die Zeit gereist war, um das seine, Reptain’s, und das Schicksal der gesamten Welt zu ändern.
    „Bist du in Ordnung? Kannst du aufstehen?“, fragte Xell und begutachtete besorgt seinen tief in Gedanken versunkenen Freund.
    Von seiner Zeitreise noch etwas mitgenommen, stand Raven in wenigen Sekunden, wenn auch etwas zittrig, wieder auf seinen Beinen. Er konnte nicht anders; Er grinste.
    „Was ist los? Warum grinst du so vor dich hin?“, wollte Xell wissen.
    „Erinnerst du dich nicht? Es ist fast so wie damals, als du mich hier bewusstlos gefunden hast: Die sanfte Abendsonne, das Rauschen des Ozeans, du starrst mich mit dem selben besorgten Blick wie damals an, und ich, ich kann mich wieder kaum auf den Beinen halten.“
    „Stimmt. Ironie des Schicksals, würde ich sagen. Wenn jetzt noch gleich Zubat und Smogon hinter uns auftauchen...“, gluckste Xell. „Aber inzwischen wissen wir wenigstens etwas mehr. Du und Reptain... Ihr...“ Xell beendete seinen Satz vorschnell und wirkte plötzlich sehr verkrampft.
    Raven’s Blick wanderte langsam zu Reptain hinüber, der ihn mit unergründlichen Miene hinaus ansah.



    Sekunden kamen ihm wie Stunden vor, in denen sich Raven und Reptain stillschweigend ansahen. Was ging in Reptain vor? Es war in der Zukunft über die Nachricht, dass das Pokémon zu seiner Seite, niemals anderes als sein Menschenfreund aus alten Tagen war, sichtlich geschockt. Aber wie sollte er selbst sich fühlen? Hatte er gerade erst erfahren, das er gar nicht in diese Welt gehörte und der beste Freund seines damaligen Todfeindes war...
    Sein ganzer Körper kribbelte vor den in ihm aufkommenden Emotionen.
    „Reptain... Danke...“, stammelte Raven verlegen.
    „Raven...“, murmelte Reptain.
    Weitere Sekunden zogen sich in schier endlose Längen, bis Xell das melancholische Schweigen seiner beiden Kameraden unterbrach.
    „Was ist mit Celebi?“
    „Der Zeittunnel ist verschwunden. Celebi hat ihn kurz nach unserem Eintritt vernichtet. Wir sind hier vorerst sicher. Was man aber für Celebi leider nicht sagen kann...“, antwortete Reptain mit einem nicht zu überhörenden besorgten Ton in seiner Stimme.
    „Ihr geht es sicherlich gut“, mutmaßte Xell.
    Reptain schwieg und starrte zum ersten Mal seit ihrer Ankunft nicht mehr auf Raven, sondern auf den weiten Ozean und den fernen Sonnenuntergang, wie er ein buntes Farbenspiel auf die Wasseroberfläche zauberte.


    „Wollen wir nicht mal so langsam gehen?“, unterbrach Xell erneut das Stillschweigen seiner Freunde.
    „Gehen? Wohin?“, fragte Reptain ohne das er seinen Blick vom fernen Sonnenuntergang löste.
    „Zu unserer Gilde natürlich. Die werden sicherlich schon auf uns warten“, antwortete Xell und machte bereits Anstalten voraus zu gehen.
    „Einen Augenblick mal...“, rief Reptain, wendete seinen Blick von der Abenddämmerung ab und legte seine Hand entschieden auf Xell’s Schulter.
    Raven hatte bereits eine leise Vorahnung, warum Reptain gegen Xell’s Vorschlag offenbar Einwände hatte. Stumm betrachtete er, wie sich Xell verwirrt umdrehte.
    „Was ist los?“, fragte Xell.
    „Was glaubst du wohl wird passieren, wenn ihr mit mir in eurer Gilde auftauchen würdet? Schon vergessen? In eurer Welt bin ich nichts weiter als ein gesuchter Schwerverbrecher.“
    „Wo soll das Problem sein? Es geht hier schließlich um unsere Freunde. Die werden uns schon glauben“, erwiderte Xell achselzuckend.
    Reptain lachte spöttisch.
    „Oh ja... Und das glaubst du wirklich? Hast du nicht selbst mir bis zum bitteren Schluss noch misstraut, obwohl du alles mit deinen eigenen Augen gesehen und sogar am eigenen Leib erfahren hast? Glaubst du etwa allen ernstes, das deine sogenannten Freunde ohne auch nur einen einzigen Beweis deinen Worten glauben schenken werden? Verrückter Traumtänzer werden sie dich nennen und dich in die nächste Klapsmühle einliefern...“
    „Sie werden mir... ich meine uns...“
    „Nein Xell... Das werden sie sicherlich nicht“, unterbrach Raven seinen Freund kopfschüttelnd und hatte dabei deutlich Plaudagei’s argwöhnisches Gesicht vor Augen. „Reptain hat recht.“
    „Nicht nur das: Zwirrfinst wird sicherlich nicht lange auf sich warten lassen. Es ist besser, wir bleiben im Verborgenen. Wir wollen nicht unnötig seine Aufmerksamkeit erregen“, sagte Reptain.
    „Was schlägst du also vor?“, wollte Raven wissen.
    „Fürs erste... Brauchen wir einen sicheren Unterschlupf, von dem wir unser weiteres Vorgehen planen und uns ausruhen können“, antwortete Reptain. „Kennt ihr vielleicht einen geeigneten Ort?“
    Zu Raven’s großer Überraschung hatte Xell Reptain’s Dämpfer offenbar schneller weggesteckt als erwartet. Die Augen seines Freundes weiteten sich erwartungsvoll und sein Mundwinkel formte sich zu einem Lächeln.
    „Ich hätte da eine Idee. Das einzige Problem ist allerdings, dass wir durch die Stadt müssen...“
    „Ich sehe darin kein Problem, solange wir auf der hut sind. Geh du voran.“


    Raven glaubte sich wie ein verurteilter Schwerverbrecher auf der Flucht zu fühlen, als er sich mit Xell und Reptain an seiner Seite klammheimlich durch die Schatten der nahezu ausgestorbenen Stadt schlug. Herrschte sonst um diese Uhrzeit noch ein reges und geschäftiges treiben auf dem Marktplatz, wirkte er an diesem Abend unheimlich leer. Die wenigen Passanten, die Raven aus seinen Verstecken erspähte, wirkten sehr nervös, beinahe ängstlich. Selbst sein alter Gildenkamerad und Freund Krakeelo, der sich offenbar auf dem Weg zur Pandir-Bar befand, schien überaus angespannt zu sein, was eigentlich gar nicht zu ihm passte. Was war bloß im Gange? Xell entgegnete den fragenden Gesichtsausdruck seines Freundes mit einem ahnungslosen Schulterzucken.


    Mit einem kleinen Kramladen am Westteil des Marktplatzes hatten Raven, Xell und Reptain die Stadt fast hinter sich gelassen. Raven hatte nicht die leiseste Ahnung, wo Xell sie eigentlich hinführte. Er war sich jedoch ziemlich sicher, dass er diesen Teil der Stadt noch nie zuvor besucht hatte. Das Rauschen des nicht allzu fernen Ozeans tönte in seinen Ohren und die salzige Seeluft kitzelte angenehm in seiner Nase.
    „Sackgasse... Soll das etwa dein Versteck sein?“, fragte Reptain argwöhnisch.
    Xell hatte sie an direkt an eine steile Klippe geführt. Der ferne Sonnenuntergang bot ein romantisches Panorama. Sicherlich bestens geeignet für jung und alt verliebte Pärchen, aber gänzlich unpassend um sich vor neugierigen Blicken zu verstecken.
    „Xell, was...“, fragte Raven stutzig.
    „Einen Moment...“, rief Xell und sprang in heller Aufruhr zu einem dicht bewachsenen Gebüsch in der Nähe des Vorsprungs.
    „Wo war es noch gleich...?“
    Xell schien irgendetwas zu suchen. Unermüdlich pflügte er sich durch das Wirrwarr von Gestrüpp und Geäst.
    „Ah, da ist es!“, rief er begeistert, winkte seinen beiden Freunden zu, hüpfte mit einem gezielten Satz in die Büsche und verschwand vor den perplexen Augen seiner Freunde.
    „Nun kommt schon!“, tönte die Stimme Xell’s aus dem Unterholz hervor.
    Raven ging mit dem nicht weniger verwirrten Reptain an der Seite zu der Stelle, wo sich Xell vor wenigen Augenblicken scheinbar in Luft aufgelöst hatte. Raven staunte nicht schlecht, als er nach näherem Durchforsten des Dickichts einen schmalen Durchgang im Boden fand, der in den Untergrund führte. Reptain zuckte die Schultern und hüpfte, ähnlich wie es Xell getan hatte, in das Loch hinein.


    Von einer nicht allzu fernen Lichtquelle geleitet, stolperten Raven und Reptain durch den recht engen Stollen im feuchten Erdreich. Nur ein kurzer Marsch lag hinter ihnen, als sie plötzlich nicht wenig verblüfft in einem großen, zu einer Seite weit geöffneten Hohlraum in der Klippe, landeten. Der gebündelte Lichtstrahl der fernen Abenddämmerung zersplitterte an den schroffen Felsenformationen und durchflutete die ganze Grotte in einem zarten orange.


    „Respekt...“, sagte Reptain ehrfürchtig, während sein Blick über den Ort schweifte.
    „Gefällt es euch?“, fragte Xell breit grinsend. „Das hier war lange Zeit mein Zuhause. Bis zu dem Tag, als ich Raven am Strand fand und ein Mitglied der Gilde wurde. Niemand schien vor dieser Zeit bemerkt zu haben, dass ich mich hier häuslich niedergelassen hatte, und wie es so den Anschein macht...“, sein Blick schweifte ebenfalls umher, „...ist dies immer noch der Fall. Keine Spur von unerwünschten Vagabunden zu sehen.“
    „Einfach umwerfend...“, sagte Raven. „Und hier hast du all die Zeit gelebt?“
    „Ja. Ich allein mit meinem Reliktfragment. Lang ist’s her“, antwortete Xell und begutachtete seit langer Zeit mal wieder die Inschriften seines Reliktfragments. „Ich bin eines Tages rein zufällig über diesen Ort gestolpert. Ich fand ihn damals genauso vor, wie am heutigen Tage. Vielleicht wurde er vor einiger Zeit ebenfalls als Unterschlupf verwendet. Vielleicht sogar von einem Erkundungsteam“, mutmaßte Xell mit einem verträumten Ton in seiner Stimme.
    „Auf jeden Fall...“, fuhr er fort, „... sind wir hier vor unerwünschten Blicken sicher und können... Kannst du mir mal sagen, wo du hin willst?“
    Raven drehte sich erstaunt um. Reptain schien sich offenbar gerade wieder zur Oberwelt aufmachen zu wollen.
    „Ich gehe kurz... ’einkaufen’“, antwortete Reptain gelassen und betonte dabei das letzte Wort spitz.
    „Bist du irre? Was wenn du...?“, rief Raven sichtlich erschrocken.
    „Ich pass schon auf, keine Angst. Ist nicht das erste Mal, wo ich mich hier in der Gegend rumtreibe“, antwortete Reptain und verschwand in dem Tunnel, durch den sie vor wenigen Minuten gestiegen waren.
    Raven suchte flehend Xell’s Blick, doch dieser zuckte nur die Schultern und legte einen ’lass ihn doch einfach’-Blick auf.


    Die Sorge Raven’s war unbegründet. Schon nach kurzer Zeit kehrte Reptain mit seinen, ’Einkäufen’, wie er sie nannte, zurück, als ob er eben nur mal kurz frische Luft schnappen war. Die Sonne war mittlerweile hinter dem Horizont verschwunden. Das lodernde Lagerfeuer prasselte munter, während sie sich Reptain’s Besorgungen munden ließen. Raven spürte deutlich den starren Blick Reptain’s auf sich ruhen. Im Grunde genommen wünschte er sich in diesem Zeitpunkt nichts sehnlicher, als mit ihm zu reden. Aber wo sollte er beginnen? Was sollte er sagen? Schüchtern zu sein, sah ihm eigentlich gar nicht ähnlich, doch die Situation in der er sich befand war schließlich keine x-beliebige.


    „Ich kann es immer noch nicht glauben...“, sagte Reptain schließlich nach weiterem minutenlangem Schweigen. „Das du wirklich Raven bist. Mein Raven...“
    „Ich kann es ja selbst kaum glauben...“, nuschelte Raven und vermied es Reptain direkt in die Augen zu sehen.
    „Mir will es auch irgendwie nicht in den Kopf gehen, das Raven aus der Zukunft, deiner Zukunft, stammen soll...“, sagte Xell.
    „Jahrelang irrte ich alleingelassen durch die verwüsteten Landschaften und Ruinen meiner Zeit...“, seufzte Reptain mit schleppenden Stimme. „Ich war jung, ahnungslos. Den Kopf voll mit Fragen, die ich mir nicht beantworten konnte. Immer auf der Suche nach Antworten und einem bestimmten Ort: Eine Heimat.“
    Reptain langte kurz in seine Tasche und zückte ein recht zerfleddertes und arg mitgenommenes Stück Papier heraus. Seine Augen ruhten für einige Sekunden darauf, bevor er es mit einem unergründlichen Blick wieder in den Tiefen seiner Tasche verstaute.
    „Ich war schon kurz davor, meine Hoffnungen und Träume in dem staubigen Boden meiner Zeit zu begraben und mich mit meinem Schicksal abzufinden. So kurz davor... Bis zu dem Tag, als er kam: Raven.“
    Raven spürte, wie sein Gesicht zu glühen begann. Sein Blick bohrte sich in das Stück Obst, dass er jetzt schon gut eine halbe Stunde unberührt vor sich liegen hatte.
    „Raven hat dich also gefunden? Und was geschah dann?“, fragte Xell neugierig.
    „Er hat mich in den Ruinen einer der vielen zerstörten Städte meiner Zeit aufgelesen. Alle anderen Menschen oder Pokèmon auf die ich vor unserem Zusammentreffen traf, hatten bereits jegliche Hoffnung verloren und vegetierten nur noch ihrem baldigen Untergang entgegen. Doch nicht Raven. Er war für mich wie ein strahlendes Licht, dass meine dunkle Welt plötzlich erhellte.“
    Reptain schwieg einige Sekunden. Raven spürte nach wie vor den Blick seiner Freunde auf seinem glühenden Gesicht auf sich ruhen.
    „Raven und ich...“, fuhr Reptain fort, „... wanderten seit diesem Tag durch unsere gemeinsame Zukunft. Ich war fest davon überzeugt, das er mich in eine andere Welt führen würde. Eine bessere Welt. Doch schon bald wurde auch mir klar, dass auch er in dieser Welt gefangen war. So hell sein Licht auch strahlte: Die endlose Finsternis konnte er nicht völlig durchdringen...“
    Reptain seufzte schwermütig.
    „Die Zeit zog dahin. Stunden, Tage, Wochen, Monate, Jahre,... Ich weiß es nicht. Der Begriff der Zeit spielte für uns in unserer Welt keine Rolle. Raven und ich verstanden uns immer besser. Wir lernten blind einander zu vertrauen. Obwohl wir so unterschiedlich waren, verstanden wir uns sogar ohne Worte.“
    „So unterschiedlich? Du meinst weil er ein Mensch ist?“, hakte Xell nach.
    „Im Grunde genommen war es egal wer oder was wir waren. Uns verband viel mehr, als du dir im Moment vielleicht vorstellen magst: Wir waren beide auf Gedeih und Verderb in unserer Welt gefangen, hatten die gleichen Wünsche, Träume und Hoffnungen und haben beide schon viel zu viel Zeit allein verbracht. Mit der Zeit...“, Reptain schnaubte bei dem letzten Wort gut hörbar auf, „... entwickelte Raven etwas besonderes. Eine Gabe, die uns schon bald helfen würde, aus unserem gemeinsamen Alptraum zu fliehen.“
    „Du sprichst von dem Dimensionalen Schrei, richtig?“, wollte Xell wissen.
    „Ja. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt unserer Reise noch völlig unwissend war, wusste ich bereits, dass diese Fähigkeit etwas nicht allgegenwärtiges war. Etwas besonderes. Der Dimensionale Schrei half uns auf unserer späteren Reise die Aufenthaltsorte der Zahnräder der Zeit auszumachen, von deren Existenzen wir durch Celebi erfahren hatten. Wir gingen diesen Legenden nach und fanden schließlich mit Hilfe von Raven’s Dimensionalen Schreis eines der legendären Zahnräder der Zeit in der Nordwüste. Daher kannte ich bereits deinen Namen, Xell. Oh ja, wir haben dir viel zu verdanken.“
    „Häh? Ich stehe gerade völlig auf dem Schlauch. Wie meinst du das?“, fragte Xell verwirrt. Auch Raven ließ seinen Blick endlich von seinem noch nicht angerührten Abendessen ab und sah, nicht weniger fragend, zu Reptain hinüber.
    „Als Raven den Dimensionalen Schrei in der Zukunft angewendet hatte, hörte er, wie es ihm in dieser Zeit sicherlich auch schon einige male zu Teil wurde, Stimmen aus einer anderen Epoche. So erfuhren wir, wo die Zahnräder der Zeit lagen und was wir tun mussten, um sie zu erreichen. Bei diesen Stimmen, handelte es um keine anderen als eure beiden Stimmen aus der Vergangenheit“, antwortete Reptain.
    „Moment mal“, rief Xell kopfschüttelnd. „Da kann doch irgendwas nicht sein... Wenn ihr erst durch unsere Unterhaltungen erfahren habt, wie man an die Zahnräder gelangt, aber wir selbst erst durch eure Unterhaltungen genau das Selbe erfahren haben, wie konnten wir dann in der Vergangenheit eure Stimmen hören, wenn doch die Zukunft eigentlich in dieser Form noch gar nicht geschrieben ist und ihre beide eigentlich gar nicht existieren dürftet und ihr deswegen uns in der Vergangenheit gar nicht hören konntet und wir folglich auch euch nicht hören könnten, da ihr von uns erfahren habt, wie die Rätsel zu lösen sind, obwohl wir von euch ja... Ohje mir brummt der Schädel...“
    „Wer versteht schon so etwas komplexes wie die Zeit?“, antwortete Reptain.



    „Im Düsterwald...,“ fuhr Reptain fort,“ ... welcher übrigens zu eurer Zeit noch als Schemengehölz bekannt ist, trafen wir zum ersten Mal auf Celebi, die uns über die Zahnräder der Zeit erzählte und uns schließlich nach unserer erfolgreichen Suche nach den Aufenthaltsorten der Zahnräder in die Vergangenheit beförderte. Doch irgend etwas ging bei diesem Vorhaben schief. Wir kamen während unserer Zeitreise in unerwartete Turbulenzen und wurden voneinander getrennt. Ich landete wie geplant in der Nähe des Schemengehölzes doch Raven war ab diesem Zeitpunkt verschollen. Nun den Rest der Geschichte kennt ihr ja.“
    „Ich erwachte am Strand in der Nähe von Schatzstadt, wo Xell mich bewusstlos vorgefunden hatte. Aus irgendwelchen Gründen hatte ich mich in ein Pokèmon verwandelt und verlor fast mein komplettes Erinnerungsvermögen...“, sagte Raven zum ersten Mal nach gut und gern nach einer Stunde seines Schweigens.
    „Du kannst dich an unsere gemeinsame Zeit überhaupt nicht mehr erinnern?“, frage Reptain.
    Raven schüttelte den Kopf.
    „Nur ganz verschwommen... Nichts handfestes.“
    „Ich verstehe...“, sagte Reptain melancholisch und verschlang die Reste seines Abendessens.“
    „Warum habt ihr eigentlich nicht einfach die Zahnräder aus der Zukunft mitgebracht. Dann hättest du dir die Suche hier ersparen können“, fragte Xell.
    „Das hätte leider nichts gebracht. Die Zahnräder aus meiner Zeit haben ihre Macht mit dem Einsturz des Zeitturms verloren. Sie sind nur noch kraftlose Überbleibsel einer längst vergessenen Epoche“, antwortete Reptain. Ich werde mich morgen wieder auf die Suche nach den Zahnrädern der Zeit machen. Zwirrfinst hat nach meiner Festnahme angeordnet, dass die Zahnräder wieder an ihren ursprünglichen Platz sollen. Also wird es nicht sonderlich schwer, sie zu bergen. Was werdet ihr tun? Werdet ihr mich weiterhin begleiten?
    „Was für eine Frage. Natürlich werden wir mitkommen“, rief Raven, der inzwischen seine Schüchternheit völlig überwunden hatte. „Stimmt doch, oder Xell?“
    „Du kannst auf uns zählen.“


    Obwohl er sich nichts sehnlicher wünschte als Schlaf zu finden, kam Raven in dieser Nacht einfach nicht zur Ruhe. Noch immer kreisten seine Gedanken um die Geschehnisse der vergangenen Stunden und um die Worte Reptains. >„Er war für mich wie ein strahlendes Licht, dass meine dunkle Welt plötzlich erhellte.“< War er das wirklich? Ein Symbol des Mutes und der Hoffnung? Wie konnte er diesem Ruf gerechtfertigt werden, wenn er sich in dieser Welt nicht einmal an seine eigene Vergangenheit erinnerte?
    Raven wälzte sich in dem Bett, dass Xell für ihn zur Verfügung gestellt hatte, herum.
    Und Zwirrfinst... Er hatte ihre Gedanken mit Lügen vergiftet. Einzig und allein, um das Ende der Zeit zu provozieren und die Welt ins Verderben zu stürzen. Er war nichts weiter als Dialga’s Marionette. Ein Werkzeug. War er wohlmöglich schon wieder in ihrer Zeit auf der Suche nach ihnen? Hatte er vielleicht bereits die Gilde aufgesucht und der Gildencrew, seinen Freunden, weitere Ammenmärchen aufgetischt? Würden sie ihm glauben? Gar nicht auszudenken...
    Raven wälzte sich abermals herum.
    Aber wie konnte er sich überhaupt über solche Dinge Gedanken machen? Ausgerechnet jetzt. Während er mit seinen Gedanken kämpft bröckelt wohlmöglich der Zeitturm fröhlich vor sich hin. Wie lange würde es dauern, bis sich die Geschichte wiederholt? Wenn die Zukunft sich zu ändern weigert, würde diese Welt erneut in die ewige Nacht stürzen. Die Finsternis, welche ihn dutzende Male in seinen Alpträumen heimgesucht hatte. Da war er sich nun im Klaren. Sein Gedächtnis hatte ihn zwar im Stich gelassen, doch sein Unterbewusstsein hatte ihn stets vor der drohenden Gefahr gewarnt.
    Raven wälzte sich noch einige Male im Bett herum, bis er seine Versuche einzuschlafen endlich aufgab. Er öffnete seine Augen einen Spalt weit und linste durch die weite Öffnung zu seiner Seite nach draußen. Raven seufzte auf. Die Sterne waren verschwunden und der Himmel nahm bereits einen rosafarbenen Glanz an. Der nächste Tag war angebrochen.


    Raven zögerte keine Sekunde und rappelte sich so leise er konnte auf. Auf diesen Anblick hatte er seit er in der Zukunft gestrandet war entgegengefiebert. Erst als er bereits kurz davor war, den Unterschlupf zu verlassen und sicherheitshalber sich prüfend noch einmal umdrehte, bemerkte er, dass die Betten Xell’s und Reptain’s verlassen waren.
    Raven wurde kreidebleich. War etwas geschehen? Warum hatte ihn dann niemand geweckt?
    So schnell er konnte eilte er durch den schmalen Gang, der zu dem Licht der Oberwelt führte, als er plötzlich leise Stimmen hörte. Raven näherte sich vorsichtig dem Ausgang. Raven lugte vorsichtig aus seinem Versteck hervor.
    „Einfach nur herrlich, so ein Sonnenaufgang...“, ertönte eine Stimme.
    Es waren Reptain und Xell. Sie standen an der Klippe, nicht allzu weit vom Eingang zum Unterschlupf entfernt.
    „Etwas was für dich völlig alltäglich erscheinen mag, ist für mich das Gefühl des puren Lebens“, sagte Reptain und blickte auf den fernen Morgenhimmel.


    „Raven geht es nicht anders. Er war vom Anbeginn unserer Freundschaft an nicht weniger davon fasziniert. Ich habe es nie verstanden. Bis heute“, antwortete Xell und tat es Reptain gleich.
    „Erst recht an dem Tag, als ich zum ersten Mal den Sonnenaufgang mit eigenen Augen erleben durfte, bestärkte dieses Gefühl meinen Entschluss unsere Welt vor dem sicheren Ende zu bewahren“, sagte Reptain verträumt. „Es war überwältigend. Für mich ist jeder Sonnenauf- und jeder Sonnenuntergang etwas ganz besonderes. Etwas einzigartiges.“
    Xell schwieg.
    „Ich verdanke Raven sehr viel. Ich sagte es bereits, aber ohne ihn hätte ich bereits schon vor langer Zeit jegliche Hoffnung verloren“, sagte Reptain.
    „Wir waren auch füreinander da. Egal wie aussichtslos es schien: Wir hielten zusammen“, sagte Xell.
    „Das sieht man. Raven muss dir wirklich großes Vertrauen schenken, weißt du das eigentlich? Der dimensionale Schrei ist der Beweis“, sagte Reptain.
    Aus seinem Versteck heraus konnte Raven erkennen, dass Xell seinen Blick vom Horizont löste und zu Reptain hinübersah.
    „Wie meinst du das? Was hat der dimensionale Schrei damit zu tun?“
    „Der dimensionale Schrei war uns seit dem ersten Tag unserer Freundschaft eine große Hilfe. Aber für diese Gabe braucht es immer zwei. Er kann nur eingesetzt werden, wenn ein großes Band der Freundschaft zwischen zwei Personen geknüpft ist. Erst wenn diese Gefühle so intensiv ausgeprägt sind, dass man einander blindes Vertrauen schenkt, kann Raum und Zeit auf der Suche nach den Zahnrädern der Zeit durchdrungen werden.“
    Raven spürte ein ihm unangenehmes Gefühl der Verlegenheit in ihm aufkommen, während er seinen Freunden aus seinem Versteck hinaus lauschte. Er wusste seit dem ersten Tag, dass seine Gefühle gegenüber seinem Freund stark waren. Doch dass sie so stark waren, dass er mit ihnen sogar ein Loch zwischen die Dimensionen reisen konnte, war ihm nie bewusst. Und Xell empfand allem Anschein nach die selben Gefühle für ihn.
    „Das macht mich jetzt ganz verlegen...“, nuschelte Xell. „Das mir Raven schon nach so kurzer Zeit so großes Vertrauen entgegen gebracht hat, meine ich. Schon nach wenigen Tagen hatte er seine erste Vision, mit der wir einen gesuchten Verbrecher gemeinsam zur Strecke gebracht hatten, aber das war der dritte Tag als...“
    „Das kann aber nicht sein“, unterbrach Reptain Xell. „Der dimensionale Schrei wirkt nur beim Auffinden der Zahnräder der Zeit. Nicht aber für Dinge, die nicht in Verbindung mit den Zahnrädern stehen.“
    „Du musst dich irren. Raven hatte den dimensionalen Schrei einige Male bei Dingen eingesetzt, die nichts mit den Zahnrädern zu tun hatten“, entgegnete Xell.
    „Seltsam...“, murmelte Reptain. „Wie kann das sein...?“
    Xell schwieg.
    „Ich kann mir das nur erklären, dass der dimensionale Schrei in der Vergangenheit anders funktioniert, als in der Zukunft....“, mutmaßte Reptain.
    „Das würde zumindest erklären, warum er bei uns in eurer Zeitepoche versagt hatte. Es war kein Ort, welcher in Verbindung mit den Zahnrädern stand.“


    Reptain und Xell schwiegen sich einige Minuten an und schenkten ihre ganze Aufmerksamkeit dem fernen Sonnenaufgang. Raven überlegte bereits, ob er ihnen nicht Gesellschaft leisten sollte, als plötzlich erneut Reptain’s Stimme erklang.
    „Ich wollte dich bereits die ganze Zeit über etwas fragen, Xell.“
    „So? Was gibt es?“, fragte Xell erstaunt.
    „Als wir in der Zukunft waren, umzingelt von Zwirrfinst und seinen Handlangern und mit Dialga’s heißen Atem in unserem Nacken, warst du der Einzige, der noch fest an einen Ausweg geglaubt hat und die Hoffnung nicht verloren hatte. Selbst ich verlor im Angesicht dieser Übermacht meinen sonst so eisernen Willen. Wieso du nicht? Was hat dich angetrieben? Was treibt dich jetzt an?“
    Xell seufzte. Er starrte verträumt der aufgehenden Sonne entgegen. Raven konnte deutlich erkennen, wie Xell plötzlich in seiner Tasche kramte und etwas ans Tageslicht beförderte.
    „Das hier...“, sagte Xell und hielt Reptain einen faustgroßen Stein entgegen, „... ist der Grund, warum ich heute überhaupt hier stehe. Ich wollte seit dem Tag als ich es fand, das Rätsel um mein Reliktfragment lösen und wollte deswegen ein Mitglied der Gilde werden. Dummerweise war ich von Geburt an ein Feigling... Ich verbrachte Monate damit, Tag für Tag zur Knuddeluff-Gilde zu marschieren und dort Löcher in die Fassade zu starren. Alles änderte sich, als plötzlich Raven mein Leben auf den Kopf stellte. Zum Positiven natürlich...“, sagte Xell rasch, als er Reptain’s argwöhnischen Gesichtsausdruck sah.
    „Raven war mir von diesem Tag an stets eine Stütze. Er half mir über meinen Schatten zu springen. Er gab mir soviel und verlangte so wenig von mir. Obwohl er selbst so viele Probleme hatte, war er immer für mich da. Ich denke es lag an ihm, dass ich an diesem doch so aussichtslosen Augenblick nicht die Hoffnung verloren hatte.“
    „Raven kann sich glücklich schätzen, dich als seinen Freund zu haben. Euer beidseitiges Vertrauen übertrifft unser damaliges bei weitem“, sagte Reptain.
    „Das tut mir leid...“, stammelte Xell verlegen.
    „Muss es nicht. Ehrlich nicht. Eure Freundschaft ist etwas ganz besonderes. Das muss dir meinetwegen nicht leid tun. Ich bin froh, dass Raven in dir einen so guten Freund gefunden hat, der ihm während seiner schweren Zeit zur Seite gestanden hat.“
    Xell schwieg erneut.
    Reptain seufzte auf.
    „Glaubst du nicht, es wird langsam an der Zeit aus deinem Versteck zu kommen, Raven?“
    Raven erschrak als Reptain seinen Namen aufrief so heftig, dass er den Halt in seinem Versteck verlor und unsanft und unüberhörbar in das Loch zurück purzelte.
    „Was Raven?“, hörte Raven Xell erschrocken aufrufen.
    „Woher wusstest du...“, keuchte Raven, als er durch das Loch an die Oberwelt schlüpfte.
    „Wenn man so lange wie ich auf der Flucht war, entwickelt man einen sechsten Sinn für so etwas“, antwortete Reptain lässig.
    „Das finde ehrlich gesagt sehr unschön Raven. Uns einfach zu belauschen...“, murrte Xell. Sein Kopf hatte offenbar vor Scham die Farbe einer reifen Tomate angenommen.
    „Das sagt ausgerechnet der, der heimlich in anderer Leute Tagebücher ließt“, entgegnete Raven spitzfindig. „Konntet ihr beide nicht schlafen oder was macht ihr zwei in aller Herrgottsfrühe hier?“
    „Das könnten wir dich genauso fragen... Aber ich denke wir wissen die Antwort. Ebenso gut, wie du sie inzwischen wissen müsstest“, antwortete Xell.
    „Sonnenaufgang?“, fragte Raven.
    „Sonnenaufgang...“, sagte Reptain.
    „Sonnenaufgang“, schloss sich Xell seinen beiden Freunden an.
    Die drei sahen sich einige Sekunden stillschweigen an, bevor sie plötzlich, einer nach dem anderen, vor Lachen laut aufprusten. Raven konnte sich nicht erinnern, jemals so herzhaft und ausgiebig gelacht zu haben. Es war überhaupt das erste Mal, dass er Reptain lachen hörte. Er ging jede Wette ein, dass sie beide in all den Jahren ihrer gemeinsamen Reise niemals einen Anlass dazu gehabt hatten.


    „In Ordnung“, sagte Reptain und wischte sich eine Träne aus dem Gesicht. „Zurück zum Ernst des Lebens. Auch wenn es uns schwer fällt. Wir sollten baldig zum ersten Zahnrad der Zeit aufbrechen, bevor in der Stadt das Leben einkehrt. Vorschläge?“
    Xell zückte die Wunderkarte.
    „Also die Kristallhöhle liegt von hier aus am nächsten“, sagte Xell und prüfte sorgfältig die Karte. „Das Problem dürfte natürlich Tobutz sein, der wohl wieder das Zahnrad der Zeit mit seinem Leben verteidigt und von der herannahenden Katastrophe noch keine Ahnung hat.“
    „Es wäre deshalb wohl das Beste, wenn wir zuerst die Zahnräder ’besorgen’...“, Raven betonte das letzte Wort besonders achtsam, „... die nicht bewacht werden.“
    „Guter Vorschlag. Ich stimme zu“, antwortete Reptain.
    „Das wären dann das Zahnrad im Schemengehölz und das in der Kalksteinhöhle, wenn ich mich recht erinnere. Das Schemengehölz wäre laut unserer Karte am nächsten.“
    „Dann los“, sagte Reptain und eilte voraus.


    Wie ein Lauffeuer auf einem weiten und fruchtbaren Feld und zugleich wie Schatten in der Nacht, fegten Raven, Xell mit Reptain an der Spitze über die Berge und Täler ihrer Zeit. Das Ziel in noch so weiter Entfernung und doch so klar, fast greifbar vor Augen: Das Schemengehölz, wo bereits das erste Zahnrad sehnsüchtig darauf wartete, die Welt vor dem Untergang zu bewahren. Wind und Regen peitschte Raven ins Gesicht, doch es war ihm egal. Er genoss es sogar. Die Welt, seine Welt, ihre Welt: Sie lebte. Die strahlende Sonne, der ungezähmte Wind, der sanfte Tau auf den Blättern, das beruhigende plätschern der Bäche... Das pure Leben. Es musste einfach weitergehen. Das Schicksal musste geändert werden. Es durfte so nicht enden. Nicht so.
    „Nein, nicht so!“, brüllte Raven den Windböen entgegen und holte Reptain ein.
    Xell vergoss vor Anstrengung einen Schweißtropfen nach dem anderen. Sein Gesicht vor Anstrengung verzerrt, holte er den kleinen Vorsprung seiner Freunde immer weiter auf. Auch seine Gedanken kreisten um nichts anderes als um das mögliche Ende, das ihm, seinen Freunden und der ganzen Welt bevorstehen könnte. Wie eine Peitsche trieben ihn seine Gedanken voran und ließen ihn sogar plötzlich neben Raven und Reptain auf einer Wellenlänge rennen.
    „Ich werde nicht aufgeben! Niemals“, brüllte er dem Wind entgegen, während weitere Schweißtropfen an seinem Kinn hinunterperlten.
    „Gut so! Weiter!“, rief ihnen Reptain zu.


    Die Sonne an dem nach wie vor stark bewölktem Himmel stand bereits im Zenit, als Raven, Xell und Reptain in einem kleinen Wäldchen eine Rast einlegten. Schwere Regentropfen schlugen von den Blättern auf den durchweichten Boden hinab. Xell lag sichtlich erschöpft und laut vor sich hinhechelnd an einem Baum angelehnt und presste sich die Hand auf die Rippen. Man konnte nur mutmaßen, ob er mehr vor Anstrengung schweißgebadet, oder von Regen durchnässt war.
    „Ist es noch weit?“, fragte Raven.
    Xell griff instinktiv in seine Tasche und brachte die Wunderkarte ans Tageslicht und warf einen Blick auf sie. Ohne eine Miene zu verziehen schüttelte er den Kopf und ließ dabei einen kleinen Wasserschauer auf die Erde hinabregnen.
    „Nicht mehr weit...“, keuchte er.
    Reptain lehnte sich lässig an einen Baum und stierte die Landschaft auf und ab.


    Die Minuten zogen ereignislos dahin. Nur Xell’s ununterbrochenes Japsen, hätte unter Umständen ihre Anwesenheit anderen offenbaren können. Wenn jemand da gewesen wäre...
    „Es ist ruhig...“, murmelte Reptain. „Zu ruhig...“
    „Zufall?“, mutmaßte Raven. „Vielleicht haben alle vor dem Wetter Reißaus genommen...“
    „Vielleicht... Hoffe ich zumindest. Mir schwant böses...“, sagte Reptain.
    „Wie meinst du das? Was beunruhigt dich?“, fragte Raven und schaute besorgt in Reptain’s Richtung. Auch Xell, der trotz minutenlangen Verschnaufen immer noch ganz außer Atem schien, schaute nicht weniger besorgt zu Reptain.
    Reptain schwieg.
    „Was ist los?“, harkte Raven nach. „Sag schon...“
    Reptain’s Augen weiteten sich plötzlich und ging hinter einem Gebüsch in Deckung.
    „Da kommt jemand! Versteckt euch“, zischte er.
    Raven sah wie Xell hinter dem Baum, an dem er sich die ganze Zeit angelehnt hatte Deckung suchte. Er selbst robbte auf dem Boden zu Reptain hinüber und linste durch das dichte Buschwerk hindurch. Sein Herz machte über den Anblick der Störenfriede einen ungeahnten Hüpfer. Er konnte es nicht glauben, wen er sah.
    „Ich glaube es ja nicht. Das sind Bidiza und Sonnflora von unserer Gilde“, flüsterte er.
    „Was?“, tönte Xell’s verwirrte Stimme hinter ihm hervor.
    „Still!“, fauchte Reptain und presste Raven mit seiner Hand nach unten in Deckung. „Niemand darf wissen, dass wir hier sind! Vergesst unsere Mission nicht!“
    Raven’s Herz pochte heftig. Am liebsten wäre er aus dem Gebüsch gesprungen und hätte seine Freunde von hinten überrascht. Doch Reptain hatte recht... Auch wenn es ihm zu diesem Zeitpunkt sehr schwer fiel: Er durfte seinen Gefühlen nicht nachgeben. Enttäuscht nickte er Reptain zu, der daraufhin seinen Griff lockerte.
    Die Sprechchöre seiner Freunde wurden von Mal zu Mal deutlicher. Er konnte bereits Sonnflora’s liebliche aber offenbar recht gereizte und Bidiza’s besorgte Stimme deutlich trotz großer Entfernung hören.
    „Ich weiß immer noch nicht, wie wir es dem Gildenmeister schonend beibringen sollen“, ertönte Bidiza’s sehr besorgt klingende Stimme.
    „Das hast du jetzt schon bestimmt rund 10 mal gesagt. Wie oft noch? Überlass das Reden dann einfach mir“, sagte Sonnflora erregt.
    „Hast du einen Plan?“, wollte Bidiza wissen.
    Raven konnte Sonnflora resignierend den Kopf schütteln sehen. Sie waren inzwischen nur weniger Meter von ihrem Versteck entfernt, hielten jedoch in eine andere Richtung zu. Scheinbar waren sie von einer langen Erkundung mit anschließender Übernachtung wieder auf dem Heimweg. Aber warum ausgerechnet hier? Was gab es hier? Außer...?
    Raven warf Xell, der hinter dem Baum kauernd vorsichtig aus dem Versteck hinauslugte einen viel sagenden Blick zu. Xell hielt bereits die Karte in der einen Hand und nickte ihm stumm zu. Kamen Bidiza und Sonnflora etwa aus dem Schemengehölz? Was hatten sie dort zu suchen?
    „Nein, aber mir fällt schon noch etwas ein...“, seufzte Sonnflora. „Es sind schlimme Zeiten. Aber machen wir uns besser nichts vor. Vielleicht ist gerade die eiserne und ungetrübte Wahrheit das Beste. Ich denke der Gildenmeister wird das genauso sehen.“
    „Ich wünschte nur, Raven und Xell wären hier...“, sagte Bidiza tonlos. „Ich vermisse sie...“
    Erneut hatte Raven das brennende Verlangen, einfach aus dem Gebüsch hervorzuschnellen. Reptain, der scheinbar seinen schneller gewordenen Puls gefühlt hatte, schüttelte den Kopf.
    Sonnflora seufzte erneut.
    „Beeilen wir uns besser. Wir sind längst überfällig.“


    Raven’s Blick ruhte niedergedrückt auf seinen beiden Freunden, die langsam aber sicher in scheinbar unerreichbare Ferne zu verschwinden drohten.
    „Hast du gesehen, was die für Gesichter gemacht haben? Da ist sicher etwas passiert“, hörte er Reptain sagen. „Das waren also Leute aus eurer Gilde? Was haben die hier zu suchen?“
    „Wenn mich nicht alles täuscht...“, sagte Xell und ging langsam, die Augen auf seine Karte geheftet, auf Reptain zu, „... dann kommen sie genau aus der Richtung, in der das Schemengehölz liegen muss.“
    „Wir müssen weiter!“, drängte sie Reptain entschieden.


    Nach einer weiteren Stunde der Hetzjagd und den unterschiedlichsten Landschaften hinter ihnen, kündigten vereinzelte elfenbeinfarbige Birken am fernen Horizont langsam aber sicher ihre baldige Ankunft am Schemengehölz an. Xell kramte erneut die Karte aus seiner Tasche, die in seiner Hand wild umherflatterte.
    „Wir sind fast da“, keuchte er und versuchte so gut er konnte ihren genauen Standpunkt im Rennen festzustellen. „Aber was...?“
    Xell bremste plötzlich ohne Vorwarnung abrupt ab und blieb verdutzt stehen.
    Raven und Reptain taten es ihm gleich, auch wenn sie in der ersten Sekunde nicht verstanden, warum ihr Freund angehalten hat.
    „Was ist los?“, fragte Raven. „Müde?“
    „Spürt ihr es nicht? Der Wind... Er hat plötzlich einfach aufgehört zu wehen.“
    Reptain’s Blick fiel auf die Karte in Xell’s Hand, die leblos hinunterhing.
    Raven konnte deutlich spüren, dass etwas nicht in Ordnung war. Dazu brauchte er nicht einmal den auf einmal kreidebleichen Gesichtsausdruck von Reptain vor Augen.
    „Das ist schlimm... Wir dürfen keine weitere Zeit verlieren. Los weiter!“


    „Willst du uns nicht endlich sagen, was hier los ist?“, fragte Raven, während sie durch das Dichte Unterholz des Schemengehölz stolperten.
    „Seht euch doch einmal um, dann wird es euch vielleicht klar...“, sagte Reptain und zog eine mit einer verheerenden Attacke eine tiefe Schneise in das Dickicht vor ihm.
    Raven’s Blick schweifte umher. Es war zweifelsohne der gleiche Ort, den er bereits in der Zukunft besucht hatte. Die selben Arten von Bäumen standen in Reih und Glied und er konnte sogar einige vereinzelte Chronolilien ausmachen. Doch das Schemengehölz schien selbst in ihrer Zeit bereits gefangen zu sein. Nichts rührte sich. Die Blumen und Pflanzen standen stocksteif da und schienen bereits auf ihren Untergang zu warten. Selbst Tautropfen hingen wie festgefroren in der Luft und schienen verzweifelt versuchen, den Boden zu erreichen.
    Das war es also, was Bidiza und Sonnflora so beunruhigt hatte und warum sie in den letzten Stunden niemanden gesehen hatten: Alle haben vor Furcht das Weite gesucht.
    „Aber wieso...“, stammelte Xell, der es inzwischen auch verstanden hatte.
    „Es kann nur eines bedeuten...“, sagte Reptain tonlos. „Es bedeutet, dass der Zeitturm langsam aber sicher seinem Ende entgegen geht.“
    „Was?! Jetzt schon? Du musst dich irren!“, rief Raven geschockt.
    „Wir müssen der bitteren Wahrheit ins Auge sehen. Aber noch ist nichts verloren. Die Rettung ist greifbar nahe. Das Zahnrad der Zeit“, sagte Reptain und betrat als erstes eine kleine Lichtung.
    Ein sanftes grünes Licht flutete ihnen entgegen. Noch nie hatte Raven ein Zahnrad der Zeit aus der Nähe gesehen. Fasziniert näherte er sich dem Schrein, in dem das Zahnrad angebracht war. Sein Puls begann vor Erregung zu rasen. Es strömte solch ungeheure Energie aus, dass ihm seine Haare zu Berge standen.


    „Obwohl das Zahnrad wieder an Ort und Stelle ist, steht die Zeit still. Warum?“, wollte Xell wissen, dessen Blick ebenfalls auf dem Zahnrad ruhte. „Sollte die Zeit nicht wieder in normalen Bahnen fließen, wenn das Zahnrad wieder an seinem Platz ist?“
    „Das ist der eindeutige Beweis, dass es mit dem Zeitturm zuende geht...“, antwortete Reptain. „Die Zahnräder verlieren bereits ihre Kraft.“
    „Wie lange haben wir noch oder sind wir bereits zu spät?“, fragte Raven besorgt.
    „Monate, Wochen, vielleicht aber auch nur noch Tage... Ich weiß es nicht...“
    „Wird hier etwas passieren, wenn wir das Zahnrad mitnehmen?“, wollte Xell wissen.
    „Das glaube ich nicht“, sagte Reptain und näherte sich entschlossen dem Schrein, in dem das Zahnrad ruhte. Der grüne Lichtschein verschwand schlagartig, als Reptain das Zahnrad der Zeit aus der Verankerung löste.
    „Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, wenn man bedenkt, wie sehr wir damals dafür gekämpft haben, um eben dies zu verhindern...“, sagte Xell, während Reptain das Zahnrad behutsam in seiner Tasche verstaute.
    Raven nickte stumm.



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    Weiter gehts: Zum nächsten Kapitel

  • [tabmenu] [tab= Und ich gebe wieder meinen Kommentar ab xD]
    So, ich melde mich mal wieder. Ich hoffe dieser Kommentar wird nicht gelöscht, aber man weiß ja nie. Einen Tag nachdem ich mein Kapitel gepostet habe, postet du auch ein nächstes, das hat mich ziemlich überrascht, aber das tut jetzt nicht zur Sache, ich möchte nun erneut etwas Lob aussprechen und auf einen (wie ich es wahrnehme) Wiederholungsfehler aufmerksam machen. Ich hoffe diese Kritk verleitet dich dazu weiterhin so viel Spaß am Schreiben zu haben und an dieser Fs dranzubleiben. Ohne weitere Umschweife kommt jetzt die Kritk :)


    [tab= Meine Meinung]
    Ich fand dieses Kapitel wie jedes Mal super. Man könnte zwar denken, da die Handlung von dir ist ist es einfach in den Profibereich zu kommen, doch so ist es nicht. Du hast wie immer eigene Ideen eingebaut. Ich fand es besonders gut, dass Raven das Gespräch belauscht hat, so hast du weiterhin Raven im Mittelpunkt behalten und die Stelle auch nicht ausgelassen. Rechtschreibfehler habe ich so gut wie keine gefunden, außer ein überflüssiges: ", relativ am Anfang der Story, was ich allerdings nicht wirklich als Fehler zähle und deshalb als Lob ausspreche. Insgesamt kann ich nur sagen: weiter so. Ich freu mich schon tierisch auf das neue Kapitel.


    [tab= Ein kleiner Wiederholungsfehler]
    Die Sterne waren verschwunden und der Himmel nahm bereits einen rosafarbenen Glanz an. Der nächste Tag war bereits angebrochen.
    (Du kannst ruhig ein "bereits" streichen, so hört es sich besser an ^-^)


    [/tabmenu]

  • Es ist wirklich nicht leicht, sich immer an seine eigenen Regeln zu halten. Wie oft hatte ich bereits von den Gedankengängen und Gefühlen von anderen geschrieben und musste sie beim Korrekturlesen wieder entfernen. Oft ärgert es mich, denn viele Stellen hätte ich gerne ausführlicher und tiefgründiger geschrieben, z.B. die Laufszene zwischen Schatzstadt und dem Schemengehölz. Aber was will man machen? Alternativ hätte man natürlich auch aus der Sicht von beiden Personen schreiben können. Ich hatte mich aber nun so stark auf Raven festgelegt, dass mir nun überhaupt keine Wahl mehr bleibt. Folglich heißt, es an manchen Stellen Kompromisse einzugehen und sich etwas auszudenken, damit wichtige Ereignisse nicht unter den Tisch fallen. Aber am Ende der Geschichte muss ich die Regeln bezüglich der Sichtweise eh noch einmal auf den Kopf drehen. Wer die Story kennt, weiß warum. Die nächste Geschichte, die ich in diesem Stil schreibe, wird auf jeden Fall Kapitel für Kapitel in den unterschiedlichen Perspektiven der Protagonisten geschrieben. Auf diese Herausforderung freue ich mich bereits jetzt schon.


    Eigene Ideen einzubauen fällt eigentlich nicht so schwer. Ich sagte dir ja bereits, dass man sich einfach in die tief in die Charaktere hineinversetzen, oder sich einfach nur vorstellen muss, was man selbst in diesem Moment und in dieser Lage fühlen würde. Dann fallen einem solche Dinge ganz einfach ein. Nicht zu vergessen sind natürlich Szenen, die man in diesem Moment einfach am liebsten sehen würde bzw. die man bei Nacherzählungen in den originalen Fassungen einfach vermisst. Mir fallen solche Dinge manchmal ganz spontan während dem Schreiben oder sogar schon 5 Kapitel vorher ein. Selbst wenn ich ganz normal in meinen Tag hineinlebe und über mein Geschriebenes nachdenke, komme ich auf die grandiosten Ideen. In dieser Hinsicht habe ich wohl eine sehr besondere Gabe in den Schoß gelegt bekommen.



    Btw: Trivia ist fertig. Der Beginn des nächsten Kapitels ist auch bereits in meinem mittlerweile 98.000 Wörter schweren Textfile.
    Ein von mir angefertigtes Bonuskapitel kommt übrigens, wenn es das Bisabord so will, am Sonntag.

  • Bonuskapitel I.: Die von der Zeit Verdammten (Reptain's Geschichte)


    (Die nachfolgenden Ereignisse fanden lange Zeit vor dem schicksalhaften Zusammentreffen von Raven und Xell statt)



    Man sagt, die Zeit ist das Feuer in dem wir verbrennen. Sie jagte uns gnadenlos durch das Leben. Wir können versuchen uns vor ihr zu verstecken, aber entkommen können wir ihr nicht. Sie folgt uns auf Schritt und Tritt, bis sie schließlich uns, unsere Wünsche, Träume und Hoffnungen, einholt, wie eine wilde Bestie ihre Beute zur Strecke bringt, und bei lebendigen Leibe zerfetzt. Doch Tod bedeutet gleichzeitig auch Leben. Tiere und Pflanzen werden irgendwann aus der Asche wiedergeboren. Sie wachsen und gedeihen. Sie leben, hoffen und träumen. Die Jagd beginnt aufs Neue. Der Kreis schließt sich.


    So ist letztendlich der Lauf der Dinge. So war es, ist es und wird es immer bleiben. Was wäre aber, wenn sich die Dinge anders entwickeln, als sie eigentlich vorgesehen sind? Was wäre, wenn die Zeit ihre Macht und Einfluss über alle Geschöpfe der Welt verliert? Eine Welt, in der auf Tod kein Leben mehr folgt? Eine Welt, zum Stillstand verdammt?


    In einer nicht all zu fernen Zukunft, ist dieser finstere Gedanke Realität. Eine Epoche, in der man Worte wie “Geborgenheit“, “Glück“ oder “Licht“ nicht mehr kennt. Die Zeit hat ihren Ruf als wilde Bestie und somit ihre Rolle als Herrscher über die Welt verloren. Über 20 Jahre waren vergangen, seit der Zeitturm, welcher den Fluss der Zeit regelte und in gewohnten Bahnen hielt, zusammenbrach und somit die Welt zu einem Leben in ewiger Dunkelheit und Stagnation verfluchte. Über 95% der gesamten Weltbevölkerung wurden von der Katastrophe und deren Nachwirkungen dahingerafft oder vielleicht schlimmer noch, bis in alle Ewigkeiten zu einem Dasein als eine von vielen regungslosen Statuen verdammt.


    Die wenigen verbliebenen Bewohner des Planeten kämpfen Tag für Tag um das nackte Überleben. Um das Recht, der Existenz. Sie klammern sich verzweifelt an jeden noch so dünnen und verwelkten Grashalm und sind ununterbrochen auf der Suche nach einer Wasserstelle, die noch nicht im Laufe der Jahre versiegt ist. Einzig und allein um nach dem Aufwachen festzustellen, das der anhaltende Kampf ums Überleben weiter geht. So auch ein kleines Pokémon, welches Mutterseelenallein eine der vielen grauen Asphaltstraßen dieser postapokalyptischen Zeit entlang wanderte.


    Seit Geckarbor zurückdenken kann, war er allein. Schon seit dem Tag, als er erwartungsvoll seine Eierschale sprengte und das, wenn man es überhaupt so nennen darf, Licht der Welt erblickte, war die Einsamkeit sein ständiger Begleiter. Er hatte weder Eltern, Familie oder Freunde, noch wusste er, ob er vielleicht der einzige Bewohner dieser Welt war. War er zu Beginn seines Lebens über die Fremde, in der er erwachte, noch irritiert und verunsichert, wurde er von Augenblick zu Augenblick in seinem Verhalten zunehmend sicherer. Es gab nichts, was ihn fürchten oder verletzen könnte, denn er war allein.


    Doch wer war er? Wo war er? Wieso war er? Von diesen Fragen geplagt, verlies er nach langer Zeit des Wartens seine Geburtsstätte und wanderte schließlich durch eine Welt, die er nicht verstand. Wer war er? Wo war er? Wieso war er? Es musste doch einen Grund geben, warum er an diesem Ort war. Doch niemand konnte ihm Antwort geben. So düster und verlassen wie es in seinem Elternhaus war, so war es auch an der Oberwelt. Seine Schritte führten ihn über verwelktes Gras und verbrannte Erde einer weiten, kahlen Landschaft. Geckarbors Blick schweifte fasziniert über den aschegrauen und Himmel bis über das schier endlose Land vor ihm. Obwohl dieser Ort doch eigentlich soviel Platz bot, war niemand da, der ihm Antwort auf seine Fragen geben konnte. So zog er aus, den Grund seiner Existenz selbst zu finden.


    Seit diesem Zeitpunkt, waren drei lange Jahre vergangen. Statt Antworten auf seine Fragen zu finden, plagten Geckarbor nach seiner ausgiebigen Reise durch die Welt nur noch mehr Fragen, auf die es Antwort zu finden gab. Ob ihn die mit etlichen Schlaglöchern ramponierte Straße zu einem Ort geleiten würde, an dem sein Wissensdurst endlich gestillt werden würde, wusste er, wie vieles andere auch, nicht. Seine Hand umklammerte ein zerfleddertes Foto, dass er auf seinem Streifzug durch die Welt an einem völlig verwüsteten und zu Grunde geratenen Ort fand. Wie schon unzählige male zuvor, starrte er fasziniert auf das Bild, während ihn seine Schritte voran trieben. Doch wie schon seine früheren Versuche das merkwürdige Abbild vor seinen Augen zu deuten, blieb es ihm nach wie vor ein Rätsel. Es zeigte eine Gruppe von Wesen, die Geckarbor bereits in einigen Teilen der Welt gesehen hatte. Doch wirkten jene auf dem Bild völlig anders. Sie schienen eine Form von Gefühlen zu zeigen, die er einfach nicht verstand. Ihre Gesichter merkwürdig verformt und die Zähne gebleckt, starrten sie ihn mit leuchtenden Augen an. Auch befanden sie sich an einem Ort, den Geckarbor noch nie zuvor gesehen hatte. Ein Ort, der sich so krass von allem was er bisher kannte und gesehen hatte absonderte, dass er es zu Beginn mit der Angst bekam. Der Himmel war gänzlich von einer beruhigenden, hoffnungsspendenden Farbe überzogen und etwas schien vom Himmel auf die Erde herabzuleuchten. Geckarbors Blick schweifte von dem zerknitternden Bild in seiner Hand zum Himmel. Seinem Himmel. Dunkel und wolkenbedeckt. So wie er ihn seit jeher in Erinnerung hatte und auch nicht anders kannte.


    Erneut fiel sein Blick auf das Foto, wo er erneut von den Kreaturen in ihrer hellen Welt so merkwürdig angestarrt wurde. Wie sollte er das, was er auf dem Bild sah, mit Worten beschreiben, die er nicht kannte? Er wollte ihn endlich finden. Den Ort, den er in seinen Träumen sah. Ein Platz in dieser Welt, an dem er endlich nicht mehr allein sein würde. Der Ort, an dem er die selben Gefühle empfinden konnte.
    Eine Träne rann ihm stumm über die Wangen und tropfte lautlos auf den vernarbten Asphalt.
    Drei weitere, ebenso stumme Tränen waren nötig, dass sich seine Augen von dem Bild in seiner Hand lösten und auf die scheinbar endlose Straße vor ihm richteten. Würde ihn vielleicht dieser Weg endlich in das Land seiner Träume führen? Er wusste es nicht.


    Ereignislos zog die Zeit dahin, in der das kleine und in seinem Herzen so einsame Pokémon seine Suche nach dem Ort seiner Träume fortsetzte. Doch war er müde. So müde. Schon bald würden ihn die schmerzhaften und klagenden Schreie der wenigen Bewohner dieser Welt, die ihn aus welchen Gründen auch immer nicht bei sich haben wollten, erneut in den Schlaf wiegen. Aber er musste weiter. So würde vielleicht der Ort, den er in seinen Träumen sah vielleicht hinter der nächsten Kurve auf ihn warten.


    Die Schritte seiner wundgelaufenen Füße beschleunigten sich. Voller Hoffnung und Erwartung auf das, was vor ihm liegen könnte, ließ er die enge Kurve hinter sich. Doch kaum lag auch dieser Schritt seiner schier endlosen Reise hinter ihm, durchflutete ihn das alte, ihm nur zu vertraute Gefühl von Schwermut und Trauer und drohte sein Herz genauso düster wie der Himmel über ihm zu färben. Nur eine weitere, völlig verwüstete Siedlung, mit seinen zerfallenen Häusern, eingestürzten Brücken und mit dem Geruch des Todes in der Luft, lag vor ihm. Die regungslosen Statuen, die er bereits überall auf der Welt gesehen hatte, schienen ihn während seines Streifzugs durch die ausgestorbene Stadt über die Enttäuschung die ihm ins Gesicht geschrieben war, höhnisch auszulachen.


    Nein, das war er nicht. Das war nicht der Ort, den er suchte. Auch dies war nicht die Welt, die er von dem Bild in seiner Hand herkannte. Nur ein weiterer trostloser Ort, wie er ihn bereits unzählige Male zuvor gesehen hatte...
    Gerade als er diesem Ort den Rücken zukehren wollte, ließen ihn leise knirschende Schritte erstaunt den Kopf über die Schulter wenden. Jemand stand hinter ihm und schien ihn zu beobachten. Ein Wesen, wie es sie überall, auch an diesem Ort gab. Doch dieses war anders. Der Blick dieser Kreatur war weder verängstigt noch von Verzweiflung zerfressen. Stattdessen schien es förmlich eine trostspendende Aura auszuströmen, wie Geckarbor sie noch nie zuvor gespürt hatte. Und vielleicht am allerwichtigsten: Anders als all die anderen, konnte das Geschöpf, wie er selbst auch, sich bewegen. Vielleicht, aber auch nur vielleicht, konnte ihm diese Erscheinung, sofern sie der Wahrheit entsprach, an den Ort bringen, nachdem er so lange suchte. Zaghaft ging Geckarbor auf den Fremden zu, der knapp drei mal so groß wie er selbst war und trotz seines friedlich wirkenden Eindrucks recht unheimlich wirkte.


    Das Wesen kniete sich auf den staubigen Asphalt und war nun mit ihm in einer Augenhöhe. Geckarbor konnte sein eigens Spiegelbild in den sanft schimmernden Augen erkennen, als er ihm das Bild, welches er von jeher bei sich trug, vor das Gesicht hielt und unsicher, ob das Wesen verstand was er wollte, auf die Photographie deutete. Zu Geckarbors großer Verwunderung, verformte sich das Gesicht des Fremden fast so, wie die Gesichter der Personen auf dem Bild. Eine Träne, wie nur wenige Stunden bei ihm zuvor, rann der Kreatur über das Gesicht. Nur wenige Sekunden später fand sich Geckarbor in den warmen Armen seines neu gewonnenen Freundes wieder. Zum ersten Mal in seinem Leben spürte er ein Gefühl, wie er es noch nie gefühlt hatte. Ein Gefühl, dass seinen ganzen Körper schlagartig erwärmte. Das Gefühl des Glücklichseins.

  • Das Bonuskapitel ist echt toll. Wie ich es verstanden habe hast du es dir selbst "ausgedacht", doch wie gesagt finde ich das sehr gut gelungen. Auch die Idee mit dem Foto ist einfach wunderbar, ich habe wie immer fast nichts auszusetzen, außer einen kleinen Wiederholungsfehler recht am Anfang. und einen möglichen Fehler. (ich habe ja nicht so viel Ahnung von Rechtschreibung xD.


    Zitat

    Die wenigen Überlebenden kämpfen Tag für Tag um das nackte Überleben. Um das Recht, am Leben zu bleiben.


    Zitat

    Nein, das war er nicht. Das war nicht der Ort, den er suchte. Auch dies war nicht die Welt, die er von dem Bild in seiner Hand herkannte. Nur ein weiterer trostloser Ort, wie er ihn bereits unzählige male zuvor gesehen hatte...


    irre ich mich oder wird male nicht groß geschrieben?




    Du bist ja jetzt in Profibereich, also werde ich auch ein bisschen Kritik äußern, die allerdings ziemlich überfüllig ist, dennoch finde ich es wichtig, dass ich meine Meinung zu diesem tollen Werk sage.


    1. Ein weiterer kleiner "Fehler" :


    Zitat

    Zaghaft ging Geckarbor auf den Fremden zu, der knapp 3 mal so groß wie er selbst war und trotz seines friedlich wirkenden Eindrucks recht unheimlich wirkte.


    So weit ich weiß wird 3 bei Texten nicht als Zahl sondern als Wort geschrieben.


    2. Außerdem will ich noch gern wissen ob das nur der erste Teil eines Bonuskapitels ist oder ob du nur das Zusammentreffen verdeutlichen wolltest? (ich weiß, nebensächlich xD)


    3. Dieses Kapitel war recht flüssig beschrieben, also ich hatte das Gefühl, das du nicht sooo sehr auf die Beschreibungen eingegangen bist wie in den Vorherigen Kapiteln. Das ist nicht unbedingt schlecht, ich wollte dich nurnoch darauf hinweisen.


    So, das war mal alles was ich sagen wollte. Tut mir leid wenn die Kritik nicht nachzuvollziehen ist oder etwas in dieser Art, ich hoffe allerdings, dass sie auch ein bisschen weiterhilft und die Tatsache, dass ich die Story mag dich dazu verleitet weiterzuschreiben.


    LG Maria/Plinfa

  • Fehlerquellen behoben, danke.


    Dieses Bonuskapitel war eigentlich, wie von mir in "Trivia" erwähnt, nicht in diesem Rahmen geplant. Ich habe mich für einen Wettbewerb im Bisaboard angemeldet, bei dem ich eine Geschichte zu den Gefühlen des Liedes "Boulevard of broken dreams" schreiben sollte. Für mich stand außer Frage, dass ich über die zerstörte Zukunft schreibe. Allerdings stand am Anfang noch nicht fest, dass es Reptain's Vergangenheit sein wird. Eigentlich wollte ich zuerst über eine völlig fremde Person schreiben, der, wie Reptain auch, in der Zukunft gefangen war, jedoch durch Celebi in eine andere Zeit geschickt wird. Durch eine fixe Idee entstand jedoch dann diese Variante, mit der ich auch sehr zufrieden bin.


    Das diese Geschichte nicht den Umfang und die Beschreibungsvielfalt wie die anderen Kapitel hat liegt daran, dass ein Limit von 1500 Wörter gesetzt war und ich deshalb etwas eingeschränkt war. Aber ich denke, das ich es dennoch relativ gut rüber gebracht habe.


    Ein weiteres, an diese Geschichte anschließendes Bonuskapitel, wird es jedoch nicht geben. Dafür aber vielleicht irgendwann andere Bonuskapitel.


    Im Moment bin ich etwas faul und schreibe nur noch selten. Das nächste Kapitel ist mit etwa 3000 Wörtern zur Hälfte fertig. Eine kleine Pause kommt mir aber grade sehr gelegen. Wann das nächste Kapitel erscheint, kann ich im Moment noch nicht sagen. Mir fehlt zur Zeit etwas die Motivation. Außerdem stehe ich bei einer anderen Geschichte schon seit über einer Woche bei einer Schreibblockade.

  • Kapitel XVII.: Die Gildencrew




    Obwohl er eigentlich die ganze Zeit über genau wusste, worauf er sich eingelassen hatte, fühlte sich Raven bei dem Anblick des zahnradlosen Schreins nicht wohl. Kein Wunder würde man meinen, denn wie Xell vor wenigen Augenblicken richtig gesagt hatte, waren sie monatelang der festen Überzeugung gewesen, diese Tat um jeden Preis verhindern zu müssen.
    „Was zieht ihr für lange Gesichter?“, fragte Reptain. „Wir müssen weiter. Das nächste Zahnrad wartet.“
    Raven schwieg. Sein Blick fest auf den leeren Schrein gerichtet.
    „Wir tun das Richtige“, sagte Reptain, als ob er genau wusste, was Raven gerade dachte und legte ihm fürsorglich die Hand auf die Schultern.
    „Ja, ich weiß...“, murmelte Raven. Er seufzte. „Unser nächstes Ziel?“
    „Wenn wir weiterhin einen Bogen um die von Selfe, Vesprit und Tobutz bewachten Zahnräder machen, dann bleibt und keine große Auswahl mehr.“
    „Die Kalksteinhöhle also...“, sagte Reptain.
    „Ist es weit von hier?“, wollte Raven wissen.
    Raven konnte Xell’s Finger auf der Karte ungewöhnlich weit nach unten fahren sehen. Sie waren hingegen den ganzen Tag über in nordöstliche Richtung gewandert.
    „Bestimmt fünf Tagesmärsche von hier“, stöhnte Xell. „Von Schatzstadt aus vielleicht vier.
    „Dann erst mal zurück zu unserem Unterschlupf. Ihr macht nicht gerade den frischesten Eindruck. Wir sehen morgen weiter“, sagte Reptain und verließ als erster, mit dem Zahnrad der Zeit im Gewahrsam, die Lichtung.


    Die Sterne funkelten fröhlich auf die Dächer von Schatzstadt hinab, als Raven, Xell und Reptain nach einem weiteren, stundenlangen und ermüdenden Fußmarsch in ihren sicheren Unterschlupf einkehrten. Xell fiel kommentarlos, von den Strapazen der langen Reise sichtlich mitgenommen, in sein Bett. Sein Verstand verabschiedete sich schon nach wenigen Sekunden den der realen Welt und kehrte in seine heile Traumwelt ein.
    Raven’s Blick ruhte von seinem eigenen Bett aus auf der flach atmenden Gestalt seines Freundes. Xell musste wirklich fix und fertig sein, wenn er vor dem Zubettgehen nicht einmal das Wort „Abendessen“ erwähnte.
    „Raven?“
    Raven schaute mit einer dumpfen Vorahnung in der Magengegend zu Reptain hinüber, der ihn merkwürdig entschlossen ansah.
    „Du gehst, richtig?“, seufzte Raven.
    „Du wusstest es?“
    „Ich ahnte es... Seit wir das Schemengehölz verlassen hatten, warst du wie in einer anderen Welt gefangen und als wir Bidiza und Sonnflora belauscht hatten... Man muss dich nicht jahrelang kennen um zu wissen, das etwas nicht in Ordnung ist. Was ich aber nicht verstehe ist, warum?“, antwortete Raven.
    „Die Zeit ist gegen uns...“, seufzte Reptain. „Jede Sekunde, die wir untätig rumsitzen führt uns näher und näher an das herannahende Ende.“
    „Meinst du uns ist das egal? Wir wollen auch helfen! Bitte nimm uns mit“, flehte Raven.
    Reptain schüttelte den Kopf.
    „Alleine bin ich einfach schneller und vor allem unauffälliger. Zu dritt machen wir uns nur zu einer unnötigen Zielscheibe. Ich denke du verstehst das...“
    Raven schwieg.
    „Euch beiden...“, sagte Reptain und warf abwechselnde Blicke auf Raven und den friedlich schlafenden Xell, „... übertrage ich eine andere, wichtige Aufgabe: Während ich die verbleibenden Zahnräder sammle, müsst ihr euch auf die Suche nach dem Zeitturm machen, der sich irgendwo verborgen in dieser Welt befindet.“
    „Du weißt nicht, wo er sich befindet?“, fragte Raven verblüfft.
    „Es stand auf meiner Liste. Ohne die ’Zwischenfälle’...“, er verzog bei dem letzten Wort sein Gesicht, „... wäre das alles kein Problem gewesen. Aber jetzt, jetzt fehlt mir einfach die Zeit dazu. Das Ende steht kurz vor der Tür und ich renne noch immer diesen dämlichen Zahnrädern hinterher.“
    „Der Zeitturm...“, murmelte Raven. „Wir werden ihn finden. Irgendwie...“
    „Ich verlasse mich auf euch“, sagte Reptain.
    Raven und Reptain sahen sich einige Sekunden lang stillschweigend an. Zum ersten Mal seit Monaten waren sie wieder vereint und schon war wieder die Zeit des Abschieds gekommen. Raven hasste es. Aber vielleicht, ja auch nur vielleicht, wenn alles vorbei war,...
    „Also ich gehe dann...“, sagte Reptain.
    „Willst du dich nicht wenigstens von Xell verabschieden? Er wird sicher sehr enttäuscht sein, wenn du ihn ohne ein Wort zu sagen verlässt“, sagte Raven.
    „Es ist besser so. Besser er gewöhnt sich nicht allzu sehr an mich. Das macht es am Ende nur noch schwerer...“, antwortete Reptain.
    „Was meinst du damit?“, fragte Raven.
    „Ich bin kein Teil dieser Welt, vergiss das nicht...“
    Raven sah seinem Gegenüber tief in die Augen. Kam es ihm nur so vor oder wirkte Reptain plötzlich etwas nervös? Verheimlichte er ihm etwa etwas?
    „Also dann“, sagte Reptain abschließend.
    „Reptain...“, murmelte Raven.
    Erneut zogen Sekunden wie Stunden dahin. Raven wollte ihn nicht gehen lassen, aber hatte er eine andere Wahl? Das Schicksal wollte es einfach nicht so.
    „Viel Glück. Pass auf dich auf und lass etwas von dir hören, wenn du in die Nähe kommst“, sagte Raven und hielt dabei krampfhaft einen seiner Gefühlsausbrüche zurück.
    Reptain nickte ihm zu und zog von dannen. Alleine in die Dunkelheit...


    „Du hasst ihn gehen lassen? Einfach so?“
    Xell’s Reaktion am darauffolgenden Tage war genauso, wie sie sich Raven in der vergangenen Nacht bereits ausgemalt hatte.


    „Was hätte ich schon großartig machen können?“, rechtfertigte sich Raven schulterzuckend. „Er hätte sich eh weder von dir noch von mir von seinem Entschluss abhalten lassen. Und überhaupt: Glaubst du etwa, es ist mir egal, dass er uns verlassen hat?“
    „Natürlich nicht...“, murrte Xell und steckte sich verdrießlich eine Hand voll Beeren in den Mund. „Er hätte sich aber wenigstens von mir verabschieden können. Das wäre wohl das Mindeste gewesen.“
    Raven schwieg. Er hatte Xell nichts von Reptain’s unverständlicher Botschaft der letzten Nacht gesagt.


    „Wir sollten und jetzt auf unser neues Ziel konzentrieren“, sagte Raven nach lang angehaltenem Stillschweigen. „Ich gehe nicht davon aus, dass der Zeitturm auf unserer Karte zu finden ist, oder?“
    Xell schaufelte sich seine letzte Ladung Beeren in die Futterlucke und begann ihre treue und zuverlässige Wunderkarte zu sondieren.
    „Nein nichts...“, seufzte Xell. Was wäre wohl auch zu einfach gewesen...“
    „Und wie geht’s weiter? Wir können unmöglich in der kurzen Zeit die uns verbleibt die ganze Region absuchen, und das nur zu zweit“, sagte Raven mit resignierender Stimme.
    „Wenn der Zeitturm überhaupt hier in der Region zu finden ist“, murmelte Xell.
    „Der Ozean?“, fragte Raven.
    „Nicht auszuschließen...“, antwortete Xell.


    Minutelanges Schweigen kehrte in dem verborgenen Unterschlupf ein. Xell stierte weiterhin auf die Karte in der Hoffnung, doch etwas übersehen zu haben, während Raven weiterhin Löcher in sein noch nicht angetastetes Frühstück bohrte.
    „Es hat keinen Zweck...“, sagte Xell schließlich. „Wir müssen der Tatsache ins Auge sehen, dass wir so alleine nicht weiterkommen.“
    „Du denkst auch, dass wir zur Gilde zurückkehren sollten?“, fragte Raven ohne seinem Freund direkt in die Augen zu sehen.
    „Welche Alternativen haben wir noch? Hier rumsitzen und Löcher in die Luft starren oder die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen suchen? Reptain verlässt sich auf uns. Wir dürfen ihn nicht enttäuschen. Aber alleine können wir es unmöglich schaffen. Ich denke, nein ich bin mir sogar sicher, das er das ähnlich sieht, auch wenn er es uns nicht gesagt hat“, meinte Xell.
    „Meinst du, sie werden uns glauben? Reptain zweifelte doch sehr daran“, sagte Raven.
    „Sie müssen einfach. Aber was haben wir bei dem Versuch auch großartig zu verlieren?“, antwortete Xell.
    Raven schwieg.
    „Wenn es hart auf hart kommt hält unsere Gilde zusammen. Da bin ich fest überzeugt“, sagte Xell, steckte endlich die Karte zurück in die Tasche und ging hinüber zu seinem Zimmergenossen. Raven spürte plötzlich die warme Hand seines Freundes auf seiner Schulter. Das Gefühl der tiefen und unerschütterlichen Freundschaft zwischen ihm und Xell durchströmte seinen ganzen Körper und machte ihm neuen Mut. Mut, wo vorher nichts anderes da war als ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Leere.
    Raven schwenkte seinen Kopf langsam in Richtung seines erwartungsvoll auf ihn wartenden Freundes herüber. Er nickte ihm zu. „Versuchen wir’s.“


    Raven fühlte sich bei ihrem Marsch durch die Straßen Schatzstadts wie eine lebendig-atmende Zielscheibe. Auf Schritt und Tritt schienen alle Bewohner, Passanten und Händler auf ihn und Xell zu deuten und begannen heftig hinter ihrem Rücken zu tuscheln, was ihn jedoch nicht im Geringsten verwunderte. Waren schließlich er und Xell vor kurzem durch einen temporalen Spalt im Raum-Zeit-Gefüge vor den Augen halb Schatzstadts verschwunden und spazierten nun plötzlich, kurze Zeit später, seelenruhig und völlig unbeschadet über den Marktplatz. Doch waren es wohlmöglich sogar verängstigte Blicke und bösartiges Geflüster, die sie auf ihrem Weg zur Gilde verfolgten? War vielleicht Zwirrfinst bereits in der Stadt gewesen und dort seine Saat der Verdorbenheit und Missgunst gesät? Oder war es einfach nur die Angst, die den Bewohnern von Schatzstadt in den Knochen steckte. Raven wusste es nicht. So sehr er es konnte, versuchte er, das unverständliche Summen das ihn umgab, zu ignorieren. Instinktiv beschleunigten sich seine, und somit auch die Schritte seines Freundes zu seiner Seite.


    Mit Schatzstadt und dessen Bewohnern in ihrem Rücken kam das Antlitz der lachenden Gestalt Knuddeluff’s immer näher. Die nostalgischen Gefühle bei diesem noch fernen Anblick schienen Raven beinahe zu überwältigen. Er erinnerte sich als ob es gestern gewesen wäre, als er und Xell zum ersten Mal diesen Ort zusammen betreten hatten.
    Damals..., >„wie viel Zeit war eigentlich seither vergangen?“<, ...war es Xell gewesen, der sich vor dem was auf sie zukommen würde, unsagbar fürchtete. Doch heute, nachdem sie beide soviel Mut und Heldentum bewiesen hatten, war es Raven, der es plötzlich mit der Angst zu tun bekam. Was wenn sich Xell irrte und ihnen ihre Freunde nicht glauben würden? Was wenn sie ihnen sogar feindliche Gefühle entgegen bringen würden? Zwirrfinst war alles zuzutrauen. Das er vor Lug und Trug keinen Halt machte, hatte er in der Vergangenheit oft genug bewiesen.
    „Fußabdruck entdeckt! Fußabdruck entdeckt!“
    Raven blickte zu seinem Freund hinüber, der mit ihm gerade das Gitter über dem Beobachtungsposten betreten hatte. Was auch immer gleich passieren würde: Sie würden zusammenhalten.


    „Wessen Fußabdruck? Wessen Fußabdruck?“
    Ein nervenzerreibendes Schweigen kehrte ein. Raven warf nervöse Blicke zu Xell hinüber. Er wäre froher gewesen, wenn irgendetwas passiert wäre. Aber das... Was ging da nur vor sich?
    „Wessen Fußabdruck?“, schallte die langsam unwirsch klingende Stimme Krakeelo’s hervor.
    „Es sind... Es sind...“, quiekte Digda.
    „WAS DENN NUN?“, brüllte Krakeelo.
    „Es sind... Raven und Xell!“
    Erneutes Stillschweigen von beiden Seiten bereitete Raven eine Gänsehaut, bis ihn ein gewaltiger Lärm vor Schreck zusammenfahren ließ: Urplötzlich schnellte das Torgitter krachend gegen die Decke. Raven hatte sich bereits auf das Schlimmste vorbereitet, als niemand anderes als Krakeelo Xell um den Hals fiel.
    „Krakeelo! Was zum...?“, ächzte Xell unter der Last seines Freundes.
    „Endlich! Wo habt ihr nur gesteckt? Wir haben uns alle solche Sorgen gemacht“, jauchzte Krakeelo und begrub Xell unter seinem massigen Körper.
    „Erklären wir später. Krakeelo, ist oder war Zwirrfinst zufällig in der letzten Zeit da?“, fragte Raven vorsichtig.
    „Zwirrfinst? Nein, den hab ich seit dem Vorfall vor zwei Wochen auf dem Marktplatz nicht mehr gesehen. Warum fragst du?“, antwortete Krakeelo und ließ endlich von dem mittlerweile vor Atemlosigkeit knallroten Xell ab.
    Raven atmete auf.
    „Moment mal...“, keuchte Xell und griff sich an die Kehle. „Was meinst du damit? Vor zwei Wochen?“
    „Ihr wart doch selbst dabei. Wobei ich immer noch nicht richtig verstanden habe, was damals vorgefallen ist...“, antwortete Krakeelo.
    „Was heißt hier ’damals’? Das liegt doch erst...“
    Raven stand auch einen Moment lang auf dem Schlauch, bis es ihm schließlich doch wie Schuppen von den Augen rieselte.
    „Zeitreisen...“, murmelte er in Xell’s Richtung, der daraufhin stumm zu nicken begann.
    „Was soll die Heimlichtuerei?“, fragte Krakeelo und runzelte die Stirn. „Seit wann haben wir denn Geheimnisse untereinander?“
    „Das würdest du uns wohl doch nicht glauben. Erzählen wir aber alles später“, versicherte ihm Xell. „Ist der Gildenmeister zufällig da?“
    „Wo sollte er sonst sein? Seit einer Woche hat er sich jetzt schon in seinem Quartier verbarrikadiert.. Wahrscheinlich aus Sorge wegen euch...“, fügte Krakeelo aufgrund der fragenden Gesichter Raven’s und Xell hinzu. „In der Zwischenzeit versucht Plaudagei irgendwie den Laden zu schmeißen.“
    „Gehen wir zu Knuddeluff“, sagte Raven entschlossen.


    Der Empfang war mehr als herzlich; ganz anders als Raven es am Anfang vermutet hatte: Alle Gildenmitglieder, ja selbst Plaudagei, empfingen sie mit tosendem Lärm und etlichem Schulterklopfen.
    „Wo habt ihr nur gesteckt?“, rief Sonnflora.
    „Wir waren ganz krank vor Sorge“, sagte Bidiza mit Tränen in den Augen.
    „Was soll der Aufstand? Oh!“
    Die Tür zu Knuddeluff’s Quartier war aufgesprungen und der Gildenmeister höchstpersönlich trat hervor. Das freudige Geschnatter angesichts der Rückkehr ihrer wiedergekehrten Freunde erstarb. Sämtliche Blicke waren auf Knuddeluff gerichtet. Seine Miene wechselte bei dem Anblick von seinen beiden vermissten Schäfchen sichtbar von verärgert zu überglücklich. Raven glaubte sich nicht zu erinnern, ihn jemals so erleichtert und glücklich gesehen zu haben.
    „Raven... Xell... Willkommen daheim“, sagte Knuddeluff offenbar den Tränen nahe.
    Erneut brach stürmischer Beifall, dicht gefolgt von tobenden Jubelrufen, auf. Xell schien vor Glück förmlich auf Wolke sieben zu schweben und ließ sich grinsend von seinen Freunden feiern. Raven hingegen warf ihm strenge Blicke zu. Dies war nun wirklich nicht der richtige Augenblick zum Ausgelassensein. Die Zeit schritt unerbittlich voran, während sie hier untätig herum standen.
    „Freunde! Hey Freunde!“, rief Raven dem Lärmschwall seiner Freunde entgegen.
    Die Jubelrufe erstarben, auch wenn etwas zögerlich.
    „Knuddeluff, dürfen wir vielleicht...?“
    „Oh ja! Aber natürlich! Was also ist damals vorgefallen?“, unterbrach ihn Knuddeluff, bevor er seinen Satz beenden konnte.
    „Ja, sagt schon!“, riefen Krebscorps und Krakeelo im Chor.
    Alle Augen waren nun auf Raven gerichtet, dem plötzlich wieder so unbehaglich wie bei ihrem Eintreffen in der Gilde vor wenigen Minuten zumute war.
    „Also eigentlich....“, begann Raven und wog seine Worte vorsichtig ab, „... würden wir das Ganze erst mal mit dem Gildenmeister persönlich bereden...“


    Die Empörung stand den übrigen Gildenmitgliedern förmlich ins Gesicht geschrieben. Sie bemühten sich kaum, ihm ihre Unmut zu verschweigen.
    „Was soll der Unsinn?! Wir haben ein gutes Recht alles zu erfahren!“, sagte Plaudagei scharf.
    Es gab reges, zustimmendes Gemurmel.
    „Dem kann ich nur beiwohnen“, schloss sich Knuddeluff den übrigen Gildenmitgliedern an. „Alles war ihr mir sagen könnt, ist auch bei euren Freunden gut aufgehoben. Davon bin ich felsenfest überzeugt.“
    Raven blickte flehend zu Xell hinüber. Er zuckte die Schultern.
    „Sagen wir es ihnen halt... Nur wo sollen wir anfangen...?“
    „Von Anfang an, wenn ich bitten darf“, sagte Plaudagei.
    „Also gut... Von Anfang an...“, seufzte Xell und holte tief Luft.


    Xell konnte kaum zwei Sätze hintereinander beenden, ohne das er von einem seiner Freunde unterbrochen wurde. Von Raven’s Gabe, dem dimensionalen Schrei, hatte natürlich keiner der Anwesenden jemals etwas gehört, was die ganze Angelegenheit nicht gerade vereinfachte.
    „Ihr sagt also...“, unterbrach Plaudagei zum gefühlten hundertsten Mal skeptisch Xell’s Erläuterungen von den Vorfällen am Nebelsee, „... das Raven hier irgendwelche Träume hat, bei denen er Stimmen aus der Zukunft hört?“
    „Nicht nur aus der, manchmal auch aus der Vergangenheit“, antwortete Xell. „Wie damals in der Wasserfallhöhle.“
    Plaudagei schnaubte abfällig.
    „Lächerlich...“
    „Psst! Lass sie doch mal weitererzählen“, zischte Palimpalim.


    Das Nachfolgende war besonders für Raven nicht leicht zu verarbeiten: Xell war an der Stelle über ihre unfreiwillige Ankunft in der düsteren Zukunft angekommen. Raven konnte förmlich fühlen, wie der beißende Gestank ihres Gefängnisses in seiner Nase kribbelte. Ganz zu schweigen die Schmerzen, die er bei Zwirrfinst’s Todesfolter hatte erdulden müssen. Plaudagei’s argwöhnisches Schnauben wurde jedoch Satz um Satz immer angriffslustiger.
    „Zwirrfinst hat euch also gefangen und gefoltert?“, fragte er.
    „Das habe ich gesagt, ja“, antwortete Xell, von den ständigen Unterbrechungen durch Plaudagei langsam erregt.
    „Und warum? Warum sollte ausgerechnet Zwirrfinst so etwas tun?“, hakte Plaudagei nach.
    „Wenn du mich zuende reden lässt, dann wirst du vielleicht verstehen, oder auch nicht...“, antwortete Xell grimmig. „Also, wo war ich...? Ach ja: Durch die Mithilfe Reptain’s konnten wir schließlich entkommen und...“
    „Reptain?“, unterbrach ihn Plaudagei erneut.
    „Ja, Reptain.“
    „Der gesuchte Schwerverbrecher aus der Zukunft?“
    „Ja, aber...“
    „Der Reptain, der die Zahnräder der Zeit gestohlen hat?“
    „Genau der, aber...“
    „Der Reptain, der ohne mit der Wimper zu zucken unsere Welt ins Chaos gestürzt, und jeden, der ihn von seinem Vorhaben abbringen wollte, auf brutalste Art und Weise aus dem Weg geräumt hat?“
    „Ja, aber er hatte seine Gründe“, musste Xell schon fast brüllen, damit er endlich einen Satz zuende reden konnte.
    „Absurd...“, sagte Plaudagei kopfschüttelnd.
    „Ich denke...“, sagte Knuddeluff, der über die ganze Erzählung hinweg noch kein einziges Wort von sich gegeben hatte, „... dass wir die beiden zuende reden lassen.“


    Etwa eine Stunde später, und nach ungefähr fünfzig weiteren Zwischenfragen Plaudagei’s, schloss Xell mit ihrer erst an diesem Morgen getroffenen Entscheidung, zur Gilde zurückzukehren, die Geschichte ihrer Erlebnisse ab und genehmigte sich erst einmal einen Schluck Wasser.
    Raven glaubte, dass Xell nichts vergessen hatte, zu erwähnen. Ihm war jedoch sehr unbehaglich, bezüglich der Preisgabe seiner Herkunft und seiner tatsächlichen Existenz zumute. Doch seine Freunde wollten die bittere Wahrheit. Nun hatten sie sie...
    „Also, lasst mich noch einmal zusammenfassen“, sagte Plaudagei zuckersüß. „Reptain, von dem die ganze Welt glaubt, er sei ein gesuchter Schwerverbrecher aus der Zukunft, ist eigentlich die Unschuld vom Lande. Die Zahnräder, die er gestoh... gesammelt hat, dienen eigentlich dem Zwecke der Weltrettung und nicht dem Untergang. Zwirrfinst dagegen setzt alles daran, ihn und somit die Rettung unserer Welt zu verhindern.“
    „Richtig...“, sagte Raven trocken. Xell war noch nicht von seiner Erfrischungskur zurückgekehrt.
    „Weiter im Text“, flötete Plaudagei und kräuselte dabei den Schnabel. „Du Raven stammst eigentlich aus der Zukunft; besser gesagt aus der Zeit Reptain’s. Du und er wart gemeinsame Partner auf der Suche nach den Aufenthaltsorten der Zahnräder der Zeit in der Zukunft und damals noch in Gestalt eines Menschen. Habe ich das richtig verstanden?
    „Exakt...“, antwortete Raven, obwohl er alle Zahnräder der Zeit im Moment darauf verwetten könnte, dass Plaudagei kein einziges Wort für bare Münze hielt.
    „Zwirrfinst wollte dich und Xell loswerden, da er herausfand, wer du eigentlich wirklich bist. Aus diesem Grund hatte er euch beide in die Zukunft verschleppt, aus dieser ihr aber entkommen konntet. Stimmt das?“, fragte Plaudagei.
    „Ja...“, antwortete Raven.
    <“Muss ja schließlich so sein. Wie sonst könnte er jetzt vor ihm stehen...“>, dachte Raven genervt.
    Warum konnte Plaudagei nicht einfach lautstark verkünden, dass er ihnen nicht glaubte, damit sie dieses Trauerspiel endlich beenden konnten...
    „Und wenn wir nichts unternehmen...“, fuhr Plaudagei fort, „... dann wird unser Planet schon sehr bald zugrunde gehen. Gefangen in der Zeit. Um dies zu verhindern sammelt Reptain just in diesem Moment die Zahnräder der Zeit und euch hat er auf die Suche nach dem Zeitpunkt geschickt. Alles so richtig?“
    „Korrekt“, sagte Xell, der soeben zum Ort des Geschehens zurückgekehrt war. Es machte den Eindruck als hätte er bei dem Versuch sich zu ertränken, nur knapp versagt.


    Raven musste sich eingestehen, dass wenn er in der Lage seiner Freunde wäre, kein einziges Wort geglaubt hätte. Reptain hatte wahrscheinlich von Anfang an Recht: Verrückte Traumtänzer. Ein Fall für die Irrenanstalt... Daher verwunderte es ihn nicht im Geringsten, dass Plaudagei einen lauten Lachanfall zum Besten gab.
    „Du glaubst uns nicht?“, fragte Xell sichtlich niedergeschlagen.
    „Glauben?“, keuchte Plaudagei völlig außer Atem „Glauben? Da habt ihr euch aber ein schönes Schauermärchen zurecht gelegt“, japste Plaudagei und warf abwechselnde Blicke zu dem am Boden zerstörten Raven und der triefnassen Gestalt Xell’s. „Nur um mal ein paar Tage Urlaub zu machen.“
    „Urlaub?“, röhrte Xell entrüstet. „Ich glaub es ja nicht. Das waren doch keine Ausflüchte. Das war die bittere Wahrheit. Unsere Welt wird untergehen, wenn wir nicht...“
    „Jetzt ist es aber genug!“, rief Plaudagei unwirsch. „Ihr hattet euren Spaß. Ich bin euch nicht einmal nachtragend, dass ihr zwei Wochen ohne euch abzumelden den Gildenpflichten entsagt habt. Aber jetzt hat der Spaß ein Ende. Ich will nichts mehr davon hören! Eure Horrorgeschichten untergraben hier sämtliche Moral in der Gilde.“



    Raven wandte nur zu gern den Blick von der Witzfigur vor ihm ab und schaute zum ersten Mal seit Xell seine Geschichte erzählt hatte in die Runde. Tatsächlich wirkten die übrigen Gildenmitglieder im krassen Gegensatz zu Plaudagei sehr erschüttert. Vielleicht war ja noch nicht alles verloren...
    „Und was glaubst du...“, sagte Raven und sah zutiefst angewidert in Plaudagei’s schwarze Käferaugen, „... was damals auf dem Marktplatz passiert ist? Hast du für Zwirrfinst’s Verhalten vielleicht eine andere Erklärung?“
    Zum ersten Mal fehlten Plaudagei die Worte. Raven genoss diesen Augenblick förmlich. Seine Stimme wurde mit jeder weiteren Sekunde Plaudagei’s Unsicherheit, mutiger und angriffslustiger.
    „Und die Orte, an denen die Zahnräder der Zeit standen? Läuft die Zeit dort wieder in geordneten Bahnen? Hm? Pustekuchen!“
    „Also... ich...“, murmelte Plaudagei.
    „Und breitet sich nicht immer mehr eine nicht mehr zu stoppende Welle von Zeitstillständen in der Welt aus? Oder willst du das etwa leugnen? Hast du für das vielleicht eine Erklärung?“
    Plaudagei schwieg.
    „Je länger wir hier untätig rumsitzen, umso näher rückt das sichere Ende unserer Welt. Ich war nicht nur einmal dort und ich würde eher einen grausamen und qualvollen Tod sterben, als noch einmal dort hinzugehen. Du kannst ja hier bleiben und dich mit deinem Schicksal abfinden. ICH ABER NICHT!“
    Raven brüllte die letzten Worte mit Leibeskräften Plaudagei entgegen, dass sämtliche Teilnehmer, Xell mit inbegriffen, erschrocken zusammenfuhren.


    Stumm verrannen die Sekunden, in denen Raven Plaudagei böse Blicke zuwarf. Er hatte noch nie in Anwesenheit seiner Freunde so die Beherrschung verloren. Doch es war ihm angesichts der Lage schnurzpiepegal. Er hatte weder die Nerven, noch die Zeit Plaudagei bis auf die letzte seiner Federn zu überzeugen.
    „Ich... Ich glaube euch...“, quieckte plötzlich eine leise Stimme hinter Raven. Es war Bidiza. „Ich meine, warum sollten sie lügen? Haben sie nicht mehr als einmal bewiesen, dass man auf sie zählen kann?“
    „Ja, das haben sie“, ertönte Krakeelo’s Stimme. Auch wenn es vielleicht mir nicht hundert Prozent in die Birne will, was gerade in der Welt vor sich geht, glaube ich ihnen.
    Von allen Seiten erschallten plötzlich die übrigen Stimmen der Gildenmitglieder. Niemand, außer Plaudagei schien an ihren Worten zu zweifeln. Niemand, außer vielleicht...
    „Gildenmeister... So sag doch bitte etwas...“, flehte Plaudagei.
    Alle Augen wanderten zu Knuddeluff hinüber, der noch immer recht nachdenklich wirkte.
    „Steht doch außer Frage, was getan werden muss oder?“, antwortete Knuddeluff.
    „Wie meinen?“, fragte Plaudagei unsicher.
    „Den Zeitturm finden, Plaudagei. Den Zeitturm finden“, antwortete Knuddeluff.
    Plaudagei Gesichtszüge wirkten, als hätte man ihm gerade zum Gildenneuling auf Lebzeit degradiert. In Raven’s Innerem dagegen, brüllte die Gestalt eines Arkani’s vor Freude laut und triumphierend auf. Knuddeluff und die restlichen Gildenmitglieder waren auf seiner Seite. Was interessierte ihn schon Plaudagei, wenn doch der Rest seiner Freunde wie Felsen in der Brandung hinter ihm standen?
    „Dummerweise weiß ich auch nicht, wo sich der Zeitturm befinden soll. Du vielleicht Plaudagei?“, fragte Knuddeluff.
    Plaudagei fuhr vor Schreck zusammen.
    „Ich... also... Öhm... Nein, tut mir leid. Ich habe leider noch nie etwas von diesem Ort gehört“, antwortete er verlegen. Raven konnte nur mutmaßen, dass Plauadagei trotz seiner Meinungsverschiedenheit nicht in Ungnade fallen wollte und sich deshalb fügsam Knuddeluff unterstellte.
    „Also gut. Ihr habt es alle gehört! Unser Ziel soll es sein, soviel wie möglich über den Zeitturm in Erfahrung zu bringen“, verkündete Knuddeluff.
    Raven’s Puls raste förmlich. Er konnte es immer noch nicht fassen: Sie glaubten ihm. Sie glaubten ihm tatsächlich. Es gab noch Grund zu hoffen.


    Der restliche Tag ging nahezu ereignislos zuende. Raven musste etwas genervt manche Stellen ihrer Erlebnisse seinen Freunden noch einmal bis ins kleinste Detail erzählen, während Plaudagei und Knuddeluff hinter der massiven Eichentür des Gildenmeisters Pläne zur Suche nach dem Zeitturm schmiedeten. Gerade als Bidiza Raven zum dritten Mal anflehte, noch einmal die Stelle ihrer Flucht aus Zwirrfinst’s Folterkammer zu erzählen, rettete ihn glücklicherweise Palimpalim’s Essensglocke.
    „Ein andermal Bidiza, versprochen“, sagte Raven erleichtert und ließ Bidiza zurück.



    So überglücklich, wie er sich an diesem Abend in seinem weichen und gemütlichen Bett fühlte, war er schon seit geraumer Zeit nicht mehr gewesen. Im Grunde brauchte er wirklich nicht viel, um wirklich glücklich zu sein. Seine Freunde, ein warmes Bett und die Gewissheit, dass die Welt weiterexistieren durfte. Zwei dieser Dinge hatte er bereits erreicht und das an nur einem Tag. Wenn jetzt nur noch...
    „Weißt du...“, sagte Xell schließlich, als Raven schon fast im Halbschlaf versunken war. „Es sind doch die einfachsten Dinge im Leben, die einen glücklich machen, oder?“
    >„Raus aus meinen Gedanken!“<, wollte Raven seinem Freund noch zurufen, doch glitt er, bevor er überhaupt noch einen Mucks heraus bringen konnte, völlig ins Traumland hinüber.


    Da war er nun. Sein Ziel in greifbarer Nähe. Das leidenschaftliche Glimmen des Zahnrads der Zeit leuchtete in seinen Augen. Es war so einfach. Er musste nur noch greifen und es mitnehmen. Aber das Ganze verlief doch etwas zu reibungslos. Viel zu einfach...
    Er zögerte. Nein, etwas stimmte nicht. Raven warf einen Blick über die Schultern. Ein dichter und scheinbar völlig undurchdringbarer düsterer Nebelschleier lag hinter ihm. Wie war er eigentlich hierher gelangt? Er konnte sich nicht erinnern. Doch was kümmerte es ihn eigentlich? Niemand war hier. Niemand, der ihn von seinem Handeln abhalten konnte. Das Zahnrad der Zeit mit der Kraft, das Schicksal der Welt zu verändern, gehörte ihm. Ihm alleine.
    Raven näherte sich vorsichtig. Seine Pupillen weiteten sich, während das Zahnrad immer näher kam. Nicht mehr weit. Nur noch ein bisschen. Ja, da war es nun und noch immer niemand, der ihn stoppen konnte. Raven’s Herzschlag beschleunigte sich. Er wollte nach dem Zahnrad greifen, doch erst jetzt bemerkte er, dass er gar keine richtigen Hände mehr hatte. Stattdessen hatte er seine fellbewachsenen Pfoten vor Augen. Wie dumm von ihm... In seinem ungezähmten Verlangen hatte er tatsächlich zum ersten Mal seit Monaten völlig vergessen, dass er gar kein Mensch mehr war. Doch das durfte ihn nicht aufhalten. Nein, nicht jetzt, wo er so weit war. Auch wenn niemand da war, der ihm helfen konnte...
    Warum war eigentlich niemand da? Er war doch seit jeher nie alleine unterwegs gewesen. Wieso war er allein? Wieso...?


    Raven schüttelte energisch den Kopf und versuchte seine Gedanken zu vertreiben. Was spielte es eigentlich für eine Rolle? Wichtig war nur das Zahnrad der Zeit! Er musste sich beeilen. Jetzt oder nie.
    Er stellte sich auf die Hinterbeine, biss sich an dem Zahnrad der Zeit fest und versuchte es verzweifelt aus seiner Verankerung zu lösen. Minutenlang kämpfte er im wahrsten Sinne des Wortes ’verbissen’ mit dem Zahnrad, bis...
    „KLIRR!“
    Raven erbleichte. Bei dem letzten ruckartigen Versuch, das Zahnrad endlich zu fassen zu bekommen, war das Zahnrad durch die Kraft seines Kiefers in zwei Teile zerborsten. Feiner Staub regnete ihm zu Füßen, während er das zerbrochene Fragment entsetzt betrachtete.
    Nein, das durfte nicht wahr sein... Er hatte die einzige Hoffnung auf Rettung soeben zerstört.
    Jetzt, so kurz vor dem Ziel...
    Hohles Gelächter ließen ihn plötzlich erschrocken zusammenzucken. Er kannte es. Er hatte es schon einmal gehört. Doch hoffte er inständig, sich zu irren. Langsam drehte er sich um.
    Zwirrfinst sah ihn breit grinsend an. Die Arme in siegessicherer Pose gelegt. Hinter ihm in dem undurchdringlichen Nebel: Eine monströse schemenhafte Gestalt. Zwei teuflische, rubinrote Augen funkelten ihn aus den Schatten heraus an. Das Blut gefror ihm schlagartig in seinen Venen. Was sollte er tun? Er war völlig auf sich alleine gestellt, das zerbrochene Fragment des Zahnrads der Zeit hinter ihm, die hämisch grinsende Gestalt Zwirrfinst’s und die hasserfüllte Monstrosität Dialga’s vor ihm. Das war das Ende.
    Zwirrfinst holte langsam tief Luft. Jeden Moment würde er ihm eine seiner berüchtigten vernichtenden Attacken entgegen schleudern. Er musste sich wehren. Sich irgendwie verteidigen. Aber was sollte er tun? Er ganz allein. Jeder weitere Atemzug könnte bereits sein letzter sein. Es war vorbei...


    Raven schloss seine Augen. Seine verkrampften Muskeln entspannten sich, während er flach atmend und völlig gelöst sich seiner Vernichtung stellte. So würde er von dieser Welt gehen. Nicht bettelnd und nicht flehend. Sie sollten ihn unter keinen Umständen als ein kleines, weinendes, sich vor ihnen krümmendes Etwas in Erinnerung halten. Auch wenn er sich sein Körper, seine Gedanken und seine Erinnerungen schon in wenigen Sekunden in alle Winde zerstreuen würden, so würde er ihnen diese eine Genugtuung nicht geben. Nein, niemals.
    Die Sekunden verstrichen. Nichts geschah. Auf was wartete Zwirrfinst? Diesem Augenblick hatte er doch seit jeher herbeigesehnt. Er, ihm wehrlos auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Nichts trennte ihn noch von seinem feigen Mord. Warum brachte er es nicht endlich hinter sich? Oder wollte er den Augenblick der Machtlosigkeit seines Opfers noch etwas genießen, bevor er zum finalen Schlag ausholte? Worauf wartet er?
    „WORAUF WARTEST DU?!“, schrie Raven und öffnete schlagartig seine Augen.
    Von Zwirrfinst fehlte jede Spur. Stattdessen blickte er auf die blanke, graue Zimmerdecke seines Gildenquartiers. Xell im Nachbarbett gab ein leichtes grunzendes Geräusch von sich, drehte sich herum und schlief seelenruhig weiter.
    „Nur ein Traum...“, flüsterte Raven und legte sich schweißgebadet und mit rasendem Puls wieder in sein Bett zurück. Nur wenige Sekunden später war er auch schon wieder eingeschlafen.


    „RAUS AUS DEN FEDERN! ES IST MORGEN!“
    „Wie was? Uff!“
    Raven hatte Krakeelo’s unerwarteter, allmorgendlicher Weckruf förmlich aus dem Bett gefegt. Mit dem Kinn am Boden klebend konnte er nur noch beobachten, wie Krakeelo’s Schatten immer kleiner wurde.
    „Es hat doch schon seine Vorzüge, wenn man völlig auf sich allein gestellt ist...“, murrte Raven und kraxelte brummig in sein einladendes Bett zurück.
    „Raven! Los! Der Tag wartet auf uns!“, hörte Raven die entfernte Stimme seines Freundes in seinen Ohren klingeln.
    „Was kann ein Tag schon bringen, der mit aufstehen beginnt?“, brummte Raven verdrießlich und versuchte so schnell er konnte wieder einzuschlafen.
    „Schon vergessen? Der Zeitturm? Reptain verlässt sich auf uns!“
    Wie von einem Blitz getroffen, schnellte Raven auf. Stimmt. Das hätte er beinahe völlig vergessen. Jetzt war nun wirklich nicht die Zeit zum Ausruhen. Vielleicht würde sich heute das Schicksal des Planeten entscheiden.
    „Na also. Das wollte ich sehen“, hörte Raven Xell sagen, als er bereits längst an seinem Freund Richtung Versammlungsplatz vorbeigeschnellt war.


    Knuddeluff und alle anderen hatten sich bereits vor dem Quartier des Gildenmeisters versammelt, als Raven, und eine halbe Minute später auch Xell, bei ihnen eintrafen.
    „Alle anwesend?“, fragte Knuddeluff in die Runde. „Gut. Ihr wisst was zu tun ist. Wir, die Knuddeluff-Gilde, sind auf der Suche nach dem Zeitturm, um das Ende der Zeit zu verhindern.“
    Es gab zustimmendes Nicken unter den Gildenmitgliedern. Plaudagei seufzte leise, mied jedoch spürbar Raven’s Blick.
    „Dummerweise weiß, wie ihr wisst, niemand von uns den Standort des Zeitturms. Also ist es unsere Aufgabe, alle möglichen Informationen über diesen Ort zu sammeln. Wir werden uns hierfür in Teams aufteilen und uns getrennt auf die Suche machen.“
    „Bidiza und Krebscorps: Ihr nehmt euch bitte Schatzstadt vor. Fragt jeden den ihr trefft. Ob Händler, Stadtbewohner oder Passant. Lasst nicht locker.“
    „Machen wir Gildenmeister“, antworteten Bidiza und Krebscorps prompt.
    „Palimpalim, Sonnflora und Krakeelo: Euch schicke ich auf eine kleine Reise zum Shaymin-Dorf am Fuße des Himmelsgipfels. Schaut auf eure Karte. Östlich von hier, etwa eine halbe Tagesreise werdet ihr auf einen großen Berg stoßen, der sich gen Himmel ragt. Ihr werdet ihn erkennen. Fragt auf eurem Weg und im Shaymin-Dorf selbst, nach sämtlichen Informationen, die er kriegen könnt.“
    „Verlass dich auf uns“, sagten Palimpalim und Sonnflora im Chor. Krakeelo ballte einsatzbereit die Faust.
    „Raven und Xell: Ihr werdet unserem Dorfältesten einen kleinen Besuch abstatten. Qurtel, der Dorfälteste, hält sich vorliebsweise bei den heißen Quellen, keine zwei Stunden von Schatzstadt entfernt, auf. Schaut auf eure Karte. Nur ein Stück östlich von hier...“
    „Wir wissen wo die heißen Quellen sind“, sagten Raven und Xell beinahe zeitgleich. Wie lange auch immer ihre Erlebnisse in der Wasserfallhöhle zurück lagen: Diesen Tag würden sie sicherlich nicht vergessen.
    „Aber dieses mal bitte ohne feucht-fröhliches Abenteuer“, murmelte Xell leise.
    „Gut, dann weiter im Text: Plaudagei, Glibunkel und ich werden die große Stadtbücherei von Schatzstadt auf der Suche nach Infos um den Zeitturm auf den Kopf stellen.“
    Digdri und Digda: Tut mir leid, aber jemand muss schließlich hier die Stellung halten“, verkündete Knuddeluff und wirkte sichtbar mitfühlend. „Fragt aber dennoch sämtliche Besucher nach dem Zeitturm aus. Vielleicht, aber auch nur vielleicht habt ihr mehr Glück als alle anderen hier.“
    „Verstanden, Gildenmeister“, sagten Digdri und Digda und wirkten trotz dieser ernüchternden Nachricht recht strebsam.
    „In Ordnung. Ihr wisst alle, was ihr zu tun habt? Gut, dann los!“


    Raven’s Gedanken ruhten während der gesamten Reise zu den heißen Quellen über bei Knuddeluff. Anfangs, als er mit Xell in die Gilde eingetreten war, hatte er wirklich nicht gewusst, was er von ihm halten sollte. Kindisch und im Grunde genommen völlig fehl am Platz für die Aufgaben eines Anführers. Aber Knuddeluff hatte nun mehr als einmal bewiesen, dass er seinen Ruf als einer der besten Erkunder aller Zeiten nicht umsonst genoss. Solange Knuddeluff hinter ihm stand, konnte eigentlich nichts mehr schief gehen. Alle waren auf seiner Seite. Xell, Knuddeluff, die Gilde, ja selbst Plaudagei, wenn auch nur notgedrungen. Was sollte sie jetzt überhaupt noch aufhalten?
    „Raven?“
    „Hm?“
    Xell hatte ihn mit einem leichten Stupser aus seinen Gedanken geworfen. Während der ganzen Reise über hatte er nur stillschweigend auf seine Füße gestarrt und musste nun mit Erstaunen feststellen, dass sie bereits die heißen Quellen erreicht hatten.
    „Wir sind da“, sagte Xell.
    „Sehe ich“, antwortete Raven noch etwas geistesabwesend. „Hier sollen wir also Qurtel finden?“
    Die heiße Quelle, vor der sie standen, war noch genauso, wie sie dieses Fleckchen Erde in Erinnerungen hatten: Dünne Nebelschwaden stiegen von dem stellenweise blubbernden Gewässer langsam gen Himmel, während sich ein halbes Dutzend Badegäste entspannt im Becken zurücklehnten und sich im Schein der warmen Morgensonne räkelten.
    „Ihr sucht Qurtel?“, fragte einer der badenden Quellenbesucher in ihrer Nähe, ohne aber Raven oder Xell in seinem Moment der Entspannung auch nur eines Blickes zu würdigen. „Der sitzt dort drüben auf dem kleinen Felsen.“ Er deutete mit geschlossenen Augen gezielt auf einen kleinen Felsvorsprung, auf dem ein ihnen vertrautes Gesicht saß: Es war das selbe schildkrötenähnliche Pokèmon, welches sie einst, nach ihrem nassen und unfreiwilligen Abgang aus der Wasserfallhöhle, begrüßt hatte.


    „Zufälle gibt’s...“, murmelte Xell, während sie sich vorsichtig am Rande des Beckens in Richtung Qurtel entlangbalancierten.
    „Dorfältester? Dorfältester Qurtel?, fragte Xell vorsichtig den halbwachen, in der Sonne dösenden Dorfältesten. „Ähm, hallo?“
    „Hm?“, grunzte Qurtel und linste verschlafen in die Gesichter seiner Besucher.


    „Oh aber Hallo!“, rief Qurtel laut und so unverhofft, dass Xell doch tatsächlich das Gleichgewicht verlor und rücklings mit einem lauten Platscher in die Quelle fiel.
    „Ja, so ist es richtig. Auch wenn ihr jung seid, dürft ihr natürlich die heißen Quellen wie jeder andere hier in vollen Zügen genießen“, lachte Qurtel, als ob er gar nicht begriff, was eben eigentlich passiert war.
    Xell kletterte inzwischen mürrisch aus dem Pool heraus und bespränkelte Raven’s Füße unbeabsichtigt mit einem Schwall warmen Wasser aus seinem Mund.
    „Hey, pass doch auf“, rief Raven und versuchte dem Wasserstrahl seines Freundes zu entkommen. Doch es kam wie es kommen musste: Bei seinem Versuch zu entkommen riss er versehentlich Xell mitsamt sich mit einem lauten “Plumps“ rücklings ins Wasser.
    Wie zwei begossene Pudel fanden sie sich in der heißen Quelle wieder.
    „Es ist schön in meinen alten Tagen zwei so begeisterte Wasserratten zu sehen“, gluckste Qurtel von oben auf sie hinab. „Ihr wisst die heißen Quellen wirklich zu schätzen, aber dennoch solltet ihr euch etwas leiser verhalten. Ihr stört die anderen Badegäste.“
    Tatsächlich warfen ihnen alle Pokèmon in der Quelle böse Blicke zu. Selbst derjenige, welcher sie vor wenigen Minuten zu Qurtel gelotst hatte und sie dabei doch so konsequent ignoriert hatte.
    „Ist nicht unsere Absicht“, versicherte Xell dem Dortältesten, als er aus den Quellen kletterte.
    „So? Na was führt euch dann her, meine jungen Freunde?“, fragte Qurtel vergnügt.
    „Wir kommen von der Knuddeluff-Gilde in Schatzstadt. Wir hörten, du seist sehr weise und könntest uns vielleicht helfen“, antwortete Raven, während verzweifelt versuchte, einen Tropfen Wasser aus seinem Ohr hinaus zu schütteln.
    „Weise? Ich? Ich wird ja ganz verlegen, auf meine alten Tage“, sagte Qurtel. Sein Gesicht errötete tatsächlich stellenweise. „Ich meine, ich habe tatsächlich schon viel erlebt und noch mehr gesehen und mein Rezept für Kastanien-Omlett ist auf dem ganzen Kontinent berühmt und berüchtigt. Oh ja. Ich war einst selbst ein mutiger und erfahrener Erkunder müsst ihr wissen. Habe ich euch eigentlich schon mein berühmt-berüchtigtes Kastanien-Omlett erwähnt? Das muss man mal probiert haben, sage ich euch. Oh ja. Selbst in den tiefsten und dunkelsten aller Weltmeere kannte man früher mein Rezep... nein, ich meine natürlich meinen Namen, als...“


    „Hey Xell...“, flüsterte Raven verstohlen in Xell’s Ohr, der gerade mühselig versuchte, seine Frisur irgendwie wieder zu richten und schon längst Qurtel nicht mehr zuzuhören schien. „Der soll uns irgendwie helfen können? Ich glaub, der hat zuviel in der Sonne gelegen...“
    „Oder zuviel Kastanien gegessen“, murmelte Xell und gab seinen kläglichen Versuch, seine Frisur zu richten, auf. „Viel zu verlieren haben wir aber nicht oder? Versuch macht klug...“
    „... das Geheimnis, müsst ihr wissen, liegt in der Hitze des Feuers. Habt ihr nicht genügend vorgeheizt, kann es euch passieren, dass die Kastanien...“
    „Entschuldigung, Dorfältester?“, sagte Raven und versuchte dabei so höflich zu klingen, wie er nur konnte. „Wir sind leider in Eile und bräuchten dringend deine Weisheit in etwas heikleren Angelegenheiten.“
    „Wir kommen aber sicherlich noch einmal darauf zurück“, versicherte Xell Qurtel. „Nein ehrlich. Manches klingt gar nicht mal so schlecht...“, murmelte Xell leise, als er Raven’s strengen Blick sah.
    „Nun gut. Dann ein andermal. Was führt euch also zu mir?“, fragte Qurtel etwas enttäuscht.
    „Wir sind auf der Suche nach einem bestimmten Ort. Ein Ort mit Namen ’Zeitturm’. Hast du schon einmal etwas darüber gehört?“, fragte Raven. Er bereitete sich insgeheim schon auf einen weiteren Schwall aus dem abenteuerlichen und kastanienreichen Leben des Dorfältesten vor, wurde allerdings ungeahnt angenehm überrascht.
    „Der Zeitturm? Ja, über den habe ich schon etwas gehört...“, murmelte Qurtel plötzlich völlig geistesgegenwärtig.
    Raven’s Puls begann zu rasen.
    „Kannst du es uns darüber etwas erzählen?“
    „Es ist allerdings nicht viel. Nur Geschichten, die man im Laufe der Jahrhunderte von Ohr zu Ohr weitererzählt hat. Inwieweit man diesen Märchen glauben schenken darf, ist fraglich...“
    „Egal. Erzähl es uns bitte“, bettelte Raven fiebrig.
    „Also schön. Lasst mich kurz nachdenken. Also der Zeitturm... Ach ja. Der Zeitturm soll, einer Legende zufolge, die Zeit und alles was mit ihr zusammenhängt, in ihren Fugen halten. Angeblich gebietet ein übermächtiges göttliches Wesen über diesen Ort und wacht über die Sicherheit des Turms. Ferner wird erzählt...“, fuhrt Qurtel fort, „... das der Zeitturm in einem fernen Land, weit hinter dem Ozean liegen soll. Ein unberührtes Paradies am Ende der Welt. Im verborgenen Land.“
    Raven’s Euphorie und Hoffnung auf Rettung, wurde mit den letzen Worten Qurtel’s in tausend kleine Stücke zerschmettert. Ein fernes Land, weit hinter dem Ozean? Wie sollten sie jemals dahin kommen? Und überhaupt: Der Ozean war sicher riesig. Da wäre ihm die von Xell erwähnte Nadel im Heuhaufen um einiges lieber gewesen...
    „Ach noch etwas“, sagte Qurtel überraschend. Raven schreckte aus seinen bereits resignierten Gedanken auf. „Nur Auserwählte dürfen der Legende zufolge das verborgene Land betreten. Etwas wird benötigt, damit man über diese Qualifikation besitzt. Eine Art Nachweis, die einen befugt, seine Füße auf diesen heiligen Boden zu setzen.“
    „Einen Nachweis? Was soll das sein?“, fragte Xell verwirrt.
    „Nun, der Nachweis... Also... Öhm ja...“, stakste Qurtel.
    „Ja?“, hakte Xell nach.
    „... Tut mir leid. Ist mir entfallen...“, entschuldigte sich Qurtel.
    „Das darf doch nicht wahr sein...“, ächzte Raven und sank enttäuscht zu Boden.
    „Ach Kinderchen. Macht euch doch nicht soviel daraus. Es ist schließlich nur eine alte Legende. Nichts davon ist vielleicht wahr“, versuchte Qurtel sie aufzumuntern.
    „Nun gut. Danke, Dorfältester...“, sagte Xell und halt seinem am Boden zerstörten Freund wieder auf die Beine.


    „Nur nicht aufgeben. Das wird schon irgendwie...“, versuchte Xell Raven während ihres Nachhauseweges aufzumuntern.
    Raven schwieg.
    „Immerhin, immerhin haben wir einiges in Erfahrung bringen können. Ist das nichts?“, rief Xell und versuchte dabei fröhlich zu klingen.
    „Der Ozean, Xell! Der Ozean! Wie sollen wir über den Ozean kommen? Und was ist mit diesem komischen Nachweis, ohne den wir nicht einmal das verborgene Land betreten können?“, fauchte Raven.
    „Nicht verzagen, Knuddeluff fragen. Oder zumindest jemand von den anderen. Vielleicht haben die ja noch mehr heraus gefunden“, meinte Xell.
    „Hoffen wir es...“, murmelte Raven. Seine Laune hatte sich allerdings kein bisschen geändert.


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  • [tabmenu][tab=^^]Hallo Eagle,
    Da ich zufälligerweise auf deinen Beitrag im PMD-FC gestoßen bin, in dem du erwähnst, dass du "verzweifelt nach Feedback" suchst, dachte ich, ich schreibe ein Kommi. Allerdings muss ich zugeben, dass ich nicht alles gelesen habe, sondern nur das letzte Kapitel; andere habe ich nur flüchtig überflogen. Als PMD2-Spielerin kann ich der Storyline dennoch ganz gut folgen.
    Bietest du eigentlich die Möglichkeit der PN-Benachrichtigung an? Wenn ja, dann würde ich gerne eine solche haben.
    Ob mein Kommi hilfreich sein wird, ist fraglich; vor allem bei FS', bei denen "nur" etwas bereits Vorhandenes geschrieben wird, kann man schwerlich auf den Inhalt eingehen. Dennoch hoffe ich, dass zumindest die Fehlerauflistung hilfreich ist - denn wir sprechen die wunderschöne Sprache Deutsch, und nicht Denglisch. Von daher haben Apostrophe bei Genetiven wie auch Pluralen rein gar nichts zu suchen.[tab=Fehler - Kap 17](Grün steht für ausgebesserte Fehler, Rot für Zeichen, die nicht an die jeweilige Stelle gehören und Blau sind stilistische Mängel oder Kommentare meinerseits.)
    (...) waren sie monatelang der festen Überzeugung gewesen, diese Tat um jeden Preis verhindern zu müssen.
    Raven konnte Xells Finger auf der Karte ungewöhnlich weit nach unten fahren sehen.
    „Von Schatzstadt aus vielleicht vier.
    Ravens Blick ruhte von seinem eigenen Bett aus auf der flach-atmenden Gestalt seines Freundes.
    (...) wenn er vor dem Zubettgehen nicht einmal das Wort Abendessen erwähnte. (Einfache Anführungszeichen werden nur innerhalb von direkten Reden verwendet, ansonsten verwendet man die ganz normalen doppelten. Alternativ ist es natürlich auch möglich, kursiv zu schreiben.)
    (...) Ohne die ’Zwischenfälle’...“, er verzog bei dem letzten Wort sein Gesicht, (...)
    Aber vielleicht, ja auch nur vielleicht, wenn alles vorbei war,...
    Kam es ihm nur so vor oder wirkte Reptain plötzlich etwas nervös?
    Xells Reaktion am darauffolgenden Tage war genauso, (...)
    Er hatte Xell nichts von Reptains unverständlicher Botschaft der letzten Nacht gesagt.
    „Nein, nichts...“, seufzte Xell. „Das wäre wohl auch zu einfach gewesen...“
    Minutenlanges Schweigen kehrte in dem verborgenen Unterschlupf ein.
    (...) oder die sprichwörtliche Nadel im Heuhaufen suchen? (Die Anführungszeichen sind hier vollkommen unpassend.)
    „Versuchen wir’s.
    (...) was ihn jedoch nicht im Geringsten verwunderte.
    Mit Schatzstadt und dessen Bewohnern in ihrem Rücken kam das Antlitz der lachenden Gestalt Knuddeluffs immer näher.
    (...) als er und Xell zum ersten Mal diesen Ort zusammen betreten hatten.
    Damals..., >„wie viel Zeit war eigentlich seither vergangen?“<, ...war es Xell gewesen, der sich vor dem was auf sie zukommen würde, unsagbar gefürcht hatte. (Wah, was sind das für seltsame Zeichen mitten im Text? Wenn du Gedanken wiedergeben willst, dann verwende liebe kursive Formatierung oder die einfachen Anführungszeichen, aber nicht sowas.)
    Doch heute, nachdem sie beide soviel Mut und Heldentum bewiesen hatten, war es Raven, der es plötzlich mit der Angst zu tun bekam.
    (...) schallte die langsam unwirsch klingende Stimme Krakeelos hervor.
    Urplötzlich schellte das Torgitter krachend gegen die Decke.
    „Zeitreisen...“, murmelte er in Xells Richtung, der daraufhin stumm zu nicken begann.
    Seit einer Woche hat er sich jetzt schon in seinem Quartier verbarrikadiert...
    (...) und der Gildenmeister höchstpersönlich trat hervor.
    Xell schien vor Glück förmlich auf Wolke 7 zu schweben und ließ sich grinsend von seinen Freunden feiern. (Zahlen bis zwölf immer ausschreiben, aber auch den anderen schadet das nicht.)
    Dies war nun wirklich nicht der richtige Augenblick zum Ausgelassensein.
    Von Ravens Gabe, dem dimensionalen Schrei, (...)
    (...) unterbrach Plaudagei zum gefühlten hundersten Mal skeptisch Xells Erläuterungen von den Vorfällen am Nebelsee, (...)
    Das Nachfolgende war besonders für Raven nicht leicht zu verarbeiten: (...)
    (...) wie der beißende Gestank ihres Gefängnisses in seiner Nase kribbelte.
    Ganz zu schweigen von denSchmerzen, die er bei Zwirrfinsts Todesfolter hatte erdulden müssen.
    Plaudageis argwöhnisches Schnauben wurde jedoch Satz um Satz immer angriffslustiger.
    „Zwirrfinst hat euch also gefangen und gefoltert?“, fragte er.
    „Das habe ich gesagt, ja, antwortete Xell, (...)
    Durch die Mithilfe Reptains konnten wir schließlich entkommen und...
    „Ja, aber er hatte seine Gründe, musste Xell schon fast brüllen, (...)
    „... dass wir die beiden zuende reden lassen.“
    Etwa eine Stunde später, und nach ungefähr 50 weiteren Zwischenfragen Plaudageis, schloss Xell mit ihrer erst an diesem Morgen getroffenen Entscheidung, zur Gilde zurückzukehren, die Geschichte ihrer Erlebnisse ab (...)
    Raven glaubte, dass Xell nichts vergessen hatte, zu erwähnen.
    Du, Raven, stammst eigentlich aus der Zukunft; besser gesagt aus der Zeit Reptains.
    <“Muss ja schließlich so sein. Wie sonst könnte er jetzt vor ihm stehen...“>, dachte Raven genervt. <“Warum konnte Plaudagei nicht einfach lautstark verkünden, dass er ihnen nicht glaubte, damit sie dieses Trauerspiel endlich beenden konnten...“> (Beim zweiten Teil passt es nicht - du verwendest die Zeichen, als ob du Ravens Gedanken direkt übernehmen würdest, aber es handelt sich um die Sicht des allwissenden Erzählers.
    Raven musste sich eingestehen, dass, wenn er in der Lage seiner Freunde wäre, (...)
    (...) und der triefnassen Gestalt Xells.
    (...) sagte Raven und sah zutiefst angewidert in Plaudageis schwarze Käferaugen, (...)
    Hast du für Zwirrfinsts Verhalten vielleicht eine andere Erklärung?
    Seine Stimme wurde mit jeder weiteren Sekunde Plaudageis Unsicherheit, mutiger und angriffslustiger.
    ICH ABER NICHT! (Generell sind Wörter/Sätze in einem Fließtext in Caps Lock vollkommen fehl am Platz... du bist Autor, du kannst dich hoffentlich ausdrücken, ohne auf solche Dinge zurückgreifen zu müssen. Und wenn doch, dann verwende einfach nur kursiv...)
    Raven brüllte die letzten Worte mit Leibeskräften Plaudagei entgegen, dass sämtliche Teilnehmer, Xell mit inbegriffen, erschrocken zusammenfuhren.
    (...) quiekte plötzlich eine leise Stimme hinter Raven.
    „Ja, das haben sie“, ertönte Krakeelos Stimme.
    „Auch wenn es vielleicht mir nicht zu hundert Prozent in die Birne will, was gerade in der Welt vor sich geht, glaube ich ihnen.“
    In Ravens Innerem dagegen, brüllte die Gestalt eines Arkanis vor Freude laut und triumphierend auf.
    Was interessierte ihn schon Plaudagei, wenn doch der Rest seiner Freunde wie Felsen in der Brandung hinter ihm standen?
    Du vielleicht, Plaudagei?
    Ravens Puls raste förmlich.
    (...) noch einmal die Stelle ihrer Flucht aus Zwirrfinsts Folterkammer zu erzählen, rettete ihn glücklicherweise Palimpalims Essensglocke.
    >„Raus aus meinen Gedanken!“<, wollte Raven seinem Freund noch zurufen, (...)
    Seine Pupillen weiteten sich, während das Zahnrad immer näher kam.
    Ravens Herzschlag beschleunigte sich.
    Minutenlang kämpfte er im wahrsten Sinne des Wortes verbissenmit dem Zahnrad, bis...
    „KLIRR!“
    (...) die hämisch grinsende Gestalt Zwirrfinsts und die hasserfüllte Monstrosität Dialgas vor ihm.
    „WORAUF WARTEST DU?!“, schrie Raven und öffnete schlagartig seine Augen.
    „RAUS AUS DEN FEDERN! ES IST MORGEN!“
    Raven hatte Krakeelos unerwarteter, allmorgendlicher Weckruf förmlich aus dem Bett gefegt.
    Mit dem Kinn am Boden klebend konnte er nur noch beobachten, wie Krakeelos Schatten immer kleiner wurde.
    Plaudagei seufzte leise, mied jedoch spürbar Ravens Blick.
    „Machen wir, Gildenmeister“, antworteten Bidiza und Krebscorps prompt.
    Fragt auf eurem Weg und im Shaymin-Dorf selbst, (...)
    „Aber dieses mal bitte ohne feucht-fröhliches-Abenteuer“, murmelte Xell leise.
    Ravens Gedanken ruhten während der gesamten Reise zu den heißen Quellen über bei Knuddeluff.
    Anfangs, als er mit Xell in die Gilde eingetreten war, hatte er wirklich nicht gewusst, was er von ihm halten sollte.
    (...) dass er seinen Ruf als einer der besten Erkunder aller Zeiten nicht umsonst genoss.
    Es war das selbe schildkrötenähnliche Pokémon, (...)
    „Ähm, hallo?“
    Xell kletterte inzwischen mürrisch aus dem Pool heraus und bespränkelte Ravens Füße unbeabsichtigt mit einem Schwall warmen Wasser aus seinem Mund.
    Tatsächlich warfen ihnen alle Pokémon in der Quelle böse Blicke zu.
    „Ist nicht unsere Absicht“, versicherte Xell dem Dortältesten, als er aus den Quellen kletterte.
    (...) und mein Rezept für Kastanien-Omlett ist auf dem ganzen Kontinent berühmt und berücksichtigt.
    „Hey Xell...“, flüsterte Raven verstohlen in Xells Ohr, (...)
    (...) murmelte Xell leise, als er Ravens strengen Blick sah.
    Ravens Puls begann zu rasen.
    Ravens Euphorie und Hoffnung auf Rettung, wurde mit den letzen Worten Qurtels in tausend kleine Stücke zerschmettert.
    Danke, Dorfältester...
    Der Ozean, Xell![tab=Kritik - Kap 17]Weißt du, woran es vermutlich liegt, dass du so wenige Kommis bekommst? An der Länge deiner Kapitel... ich persönlich gehöre ja zu den Leuten, die gerne lange und viel lesen, doch das, was du hier fabrizierst, ist schon grenzwertig. Ich war schon kurz davor, aufzugeben. Einzig und alleine die Fehlerauflistung hat mich dazu bewogen, weiterzumachen... Du solltest dich nicht sklavisch an die Kapitel halten, wie sie im Spiel vorkommen; wenn du es unbedingt möchtest, dann teil' die Kapitel doch in mehrere Teile ein, die dadurch kürzer werden und vielleicht mehr Leser anlocken. Eine Zusammenfassung für all jene, die PMD2 nicht gespielt haben, wäre auch ein netter Zug von dir, weißt du das?
    Ist dir schon aufgefallen, dass du ständig die Namen der Charaktere verwendest und keine Umschreibungen? Ständig nur "Raven" "Xell" "Raven" "Xell" usw. Mit Umscheibungen wie "das Panflam", "das Sheinux", "der Feuerschimpanse", "der Elektrolöwe", "das Schimpansen-Pokémon", "das Flacker-Pokémon", "das blaue Wesen", "das orangefarbene Geschöpf" und ähnlichen kannst du viel mehr Abwechslung in deine Texte bringen.
    Außerdem stören mich die Bilder, vor allem, wenn sie mitten im Fließtext zu finden sind. Es stört den Lesefluss, wenn plötzlich ein Bild zu sehen ist, lenkt ab. Mag sein, dass es sich in deinen Augen gut macht, und es ist auch eine nette Idee, doch störend sind diese Screenshots allemal. Das Bild mit dem Titel am Anfang ja - aber der Rest nicht.
    Zum Inhalt sage ich nichts, schließlich handelt es sich nur um eine Nacherzählung von PMD2, auch wenn du deinen Charakteren Züge verpasst, die im Spiel nicht umsetzbar sind. Bis auf die oben genannten Dinge mag ich deine FS wirklich - aber liest du dir die Kapitel durch, bevor du sie online stellst? Ich kann es mir nämlich kaum vorstellen - gewisse Dinge, wie vergessene Anführungszeichen sind schon recht auffällig. Schreckt dich unter Umständen die Länge deiner Kapitel ab, sie durchzulesen oder lässt beim Durchlesen deine Konzentration stark nach? Eines von beiden, da bin ich mir fast sicher, stimmt - und schon daran ist zu erkennen, dass du einfach viel zu lange Kapitel schreibst.
    Nun, lang ist dieses Kommi ja nicht gerade geworden, aber man kann ja kaum etwas zum Inhalt sagen, da dieser kaum auf deinem Mist gewachsen ist.
    LG, Maj[/tabmenu]

  • Danke für die Kritik. Die Umsetzung deiner angesprochenen Punkte ist allerdings nun, da die Geschichte soweit vorangeschritten ist, kaum mehr möglich. Stattdessen setze ich deine Kritik bereits in einer anderen meiner Geschichten um; genau aus eben deinen angesprochenen Punkten.


    Rechtschreibfehler werde ich ausbügeln, soweit diese nicht beabsichtigt waren, denn manche Punkte, die du markiert hast, sind tatsächlich so geplant gewesen und auch vollkommen richtig ;)


    Eine Zusammenfassung ist tatsächlich eine schöne Idee. Dummerweise aber auch bereits viel zu spät zum Umsetzen.


    Umschreibungen? Sorry, aber davon halte ich Null Komma nichts. Auch wenn sich die Wiederholungsgefahr mehr als einmal deutlich zeigt, finde ich persönlich Umschreibungen recht bescheiden und werde sie nicht einbauen. Auch wurde in keinem Buch, das ich jemals gelesen habe, groß umschrieben, sondern die Fakten und Tatsachen immer beim Namen genannt. An dieses Konzept werde ich mich auch weiterhin halten. (Ehrlich gesagt kräuseln sich mir jedes mal die Fußnägel, wenn ich so etwas in einer anderen Fanstory lese... Keine Ahnung wer damit angefangen hat, aber ich schwimme nicht in diesem Strom.)


    Es ist nunmal keine wirkliche Fanstory, sondern eher ein Roman und die sind bekanntermaßen nicht gerade kurz. Ich halte mich im Bezug auf die Hauptstory stark an den Verlauf des Spiels, weiche jedoch an manchen Stellen auch ab und füge dabei eigene Ideen ein (was du leider nicht wissen kannst, da du bislang nur ein Kapitel gelesen hast). Würde ich das nicht machen, würde die ganze Geschichte plump und einfallslos wirken, was ich auf jeden Fall vermeiden möchte. Die Zeitkrise ist kein Text, den man sich einfach mal so in 2-3 Stunden durchlesen sollte, sondern wie ein echtes Buch, Kapitel für Kapitel.


    PS: Achja: Es lohnt sich, meiner Meinung nach, im Prinzip bei dir noch keine PN-Benachrichtigung, da du dir ja bislang ein Kapitel durchgelesen hast.

  • Kapitel XVIII: Lapras



    Part I: Unerwarteter Besuch


    Es war für die beiden bei ihrer Rückkehr in die Gilde nicht sonderlich verwunderlich, dass sie ihr Heim nahezu völlig ausgestorben wiederfanden. Inzwischen war es früher Mittag, was Raven und Xell zu ihrem Leidwesen zur Untätigkeit verdammte. Alles, was sie tun konnten, war, ihren zurückgebliebenen Kameraden Digda und Digdri über Qurtels Erzählung zu berichten, während sie auf die Rückkehr von Knuddeluff und den anderen warteten.
    „Einen Nachweis, hm?“, murmelte Digdri, als Xell seine Erzählung beendet hatte.
    „Ja, aber Qurtel scheint sich nicht mehr so recht darüber erinnern zu können. Ich nehme nicht an, das du etwas darüber weißt, Digdri, hm?“, fragte Xell.
    „Da muss ich leider passen ... Erst seit gestern weiß ich überhaupt, dass es so etwas wie einen Zeitturm gibt. Aber vielleicht finden ja Knuddeluff und die anderen etwas heraus“, meinte Digdri. „Nur nicht die Hoffnung aufgeben.“
    „Sage ich ja. Wir werden das Ding schon irgendwie schaukeln“, rief Xell, reckte seinen Arm in siegessicherer Pose nach oben und schenkte Raven ein Lächeln, welches diesen wohl aufmuntern sollte. Raven teilte jedoch nicht den Optimismus seiner Freunde. Ja, selbst wenn Knuddeluff oder sonst wer noch irgendwelche Informationen über den Zeitturm oder das verborgene Land beschaffen hätte können, fehlte ihnen noch immer die notwendige Berechtigung in Form des ominösen Nachweises, um das verborgene Land betreten zu können und, was vielleicht noch wichtiger war, eine Möglichkeit, den schier endlosen Ozean zu überqueren.


    Ereignislos zogen sich die Stunden dahin. Raven, den Blick an ein Fenster im unteren Stockwerk der Gilde geheftet, beobachte stillschweigend, wie die Sonne unaufhaltbar Richtung Westen zog und den Himmel langsam aber sicher topasgelb färbte. Xell tapste ununterbrochen von einer Seite des Raumes zur anderen. Digdri gab seine hoffnungslosen Versuche, seine beiden jungen Kameraden irgendwie abzulenken und somit ihre Wartezeit etwas versüßen zu können, bereits nach dem zweiten vergeblichen Versuch auf und schenkte seinen gesamten Eifer wieder dem Wachdienst.
    Raven gab ein angriffslustiges Schnauben von sich, als Digdri zum dritten Mal binnen einer halben Stunde seinen Sohn nach besonderen Vorkommnissen fragte. Es war ruhig. Um es genauer zu sagen, stinklangweilig. Was hätte er jetzt dafür gegeben, seine Wut an Zwirrfinst oder sogar Dialga persönlich auszulassen? Die ganze Welt schien sich gegen ihn verschworen zu haben. Alles ging ihm so dermaßen auf die Nerven: Xell, der jetzt zum gefühlten tausendsten Mal den Raum durchquerte, seine sogenannten Gildenkameraden, die ihn so lange in seiner Unwissenheit warten ließen, der bekloppte Zeitturm, wie er so fröhlich und gelassen vor sich hin bröckelte und somit die Welt ins Verderben zu stürzen drohte, Zwirrfinst, wie er ihn vielleicht von einem verborgenen Winkel aus beobachtete und ihn in seiner Phase der Machtlosigkeit auslachte, und zu guter Letzt noch Digdri, der schon wieder seinen Sohn nach dem Rechten fragte. Raven wollte schon seinen aufgestauten Zorn an jener Fensterscheibe auslassen, durch die er die ganze Zeit über blickte, als Digdas fernes und leises Piepsen die Rückkehr der anderen Gildenmitglieder ankündigte.
    „Der Gildenmeister und die anderen sind zurück!“, rief er.
    „Endlich ...!“, brummte Raven missvergnügt, löste seinen glasigen Blick zum ersten Mal seit Stunden vom Fenster und stellte sich erwartungsvoll vor die Leiter zur nächsten Ebene auf.
    Knuddeluff, Plaudagei, Glibunkel, Krebscorps und Bidiza kamen nach wenigen Augenblicken zum Vorschein. Von Sonnflora, Palimpalim und Krakeelo fehlte noch jede Spur. Allem Anschein nach waren sie von ihrer Reise zum Shaymin-Dorf noch nicht zurückgekehrt.
    „Also?“, fragte Raven ohne ein weiteres Wort des Grußes.
    Plaudagei verzog argwöhnisch das Gesicht. „Also was? Ihr müsstet doch inzwischen viel schlauer sein, oder etwa nicht?“
    „Müssen wir das jetzt verstehen?“, fragte Xell verwirrt.
    „Ja, hat euch Qurtel denn nichts von dem verborgenen Land berichtet?“, fragte Knuddeluff. Er klang nicht weniger verwirrt.
    „Ihr wisst von dem verborgenen Land?“, fragte Xell. „Habt ihr etwa etwas herausgefunden? Und woher wisst ihr, dass Qurtel etwas darüber weiß?“
    „Natürlich wegen dem Buch. Aber das müsstet ihr doch alles längst wissen. Also nun mal raus mit der Sprache!“, polterte Plaudagei.
    Raven riss langsam aber sicher der Geduldsfaden. „Buch? Von was zur Hölle redet ihr eigentlich? Was müssten wir wissen?“
    Knuddeluff und Plaudagei tauschten misstrauische Blicke.
    „Was müssten wir wissen?“, wiederholte Raven.
    „Wenn man den Angestellten in der Bibliothek glauben schenken darf, hat der Dorfälteste ein Buch über die Legenden, Mythen und Sagen ausgeliehen“, erklärte Knuddeluff. „Und laut den uns vorliegenden Informationen, sollen in diesem Buch einige Informationen zum Zeitturm und über das verborgene Land zu finden sein. Hat Qurtel etwa nichts darüber gesagt?“
    „Keinen Ton“, antwortete Xell kopfschüttelnd. „Er hat uns zwar etwas über den Zeitturm und das verborgene Land berichten können, aber ein Buch hatte er in diesem Zusammenhang nicht erwähnt.“
    „Seltsam ...“, murmelte Knuddeluff. „Was also hat er euch erzählt?“
    In kurzen Sätzen berichtete Xell, was sie von Qurtel erfahren hatten. Nicht selten blickte er nervös zu Raven hinüber, der geistig völlig weggetreten zu sein schien.
    „Einen Nachweis also? Und an mehr konnte er sich nicht erinnern?“, fragte Knuddeluff.
    „Nein, das war alles ...“, antwortete Xell kopfschüttelnd.
    „Merkwürdig ... Entweder hat er vergessen, dass er das Buch in seinem Besitz hat und was in seinen Seiten alles zu finden ist, oder in dem Buch steht tatsächlich nur das drin, worüber er euch berichtete. Am besten geht ihr morgen noch einmal hin und ...“
    „... drehen ihm seinen dünnen Hals um ...“, beendete Raven Knuddeluffs Satz.
    „Also wirklich ...!“ mahnte Plaudagei. „Bitte etwas mehr Respekt vor dem Dorfältesten. In seiner Jugend war er ein begnadender ...“
    „... Hobbykoch, ich weiß“, unterbrach Raven Plaudagei.
    „Raven, wir versuchen unser Bestmöglichstes, euch zu unterstützen“, sagte Knuddeluff eindringlich. „Bitte lass deine schlechte Laune nicht an uns aus. Davon wird es auch nicht besser ... Stattet dem Dorfältesten morgen einfach noch einmal einen Besuch ab und erkundigt euch nach dem Buch. Wahrscheinlich hat er einfach nur vergessen, dass er es hat. Laut den Bibliotheksangestellten ist der Wälzer jetzt schon seit einigen Monaten in seinem Besitz. Bringt einfach etwas mehr Geduld mit ihm auf, okay?“
    „Wird uns nichts anderes übrig bleiben, auch wenn ich getrost auf die Kochstunde verzichten kann ...“, brummte Raven mürrisch.
    Knuddeluff blickte ratlos in Ravens Richtung, doch viel Zeit zum Fragen stellen blieb ihm nicht. Digdas Stimme kündigte endlich die Rückkehr von Sonnflora, Palimpalim und Krakeelo an.
    „Entschuldigt mich“, sagte Raven und kehrte seinen Kameraden den Rücken zu. „Ich gehe heute mal etwas früher ins Bett.“
    „Sonnflora und die anderen haben vielleicht weitere Infos“, rief Xell, der sich im gleichen Moment doch sehr über die Desinteresse seines Freundes bestürzt zeigte. „Außerdem verpasst du dann ja das Abendessen ...!“
    Doch Raven scherte sich nicht darum. Er hätte seinen Schweif darauf verwetten können, dass die anderen keine nennenswerten Informationen zusammengetragen hatten. Und Hunger hatte er jetzt schon gar keinen. Zumindest wollte er die anderen in dem Glauben lassen ...


    Raven wälzte sich in den Tiefen seines Schlafes durch eine weitere traumdurchzogene Nacht. Gerade so, als befände er sich in seiner ganz privaten Diashow des Grauens, durchlebte er einen Zusammenschnitt seiner schlimmsten und intensivsten Alptraume. Da war er, am Strand zur Salzsäule erstart, die Sonne in Abertausende Teile zersprungen. Die Umgebung verschwamm. Plötzlich fand er sich an einem Zahnrad-Schrein wieder. Grünlich leuchtete der Schrein vor seinen Augen auf, doch er war leer - das Zahnrad lag entzwei gebrochen vor seinen Füßen. Eine Stimme hinter ihm lachte hohl auf: Zwirrfinsts Stimme. Zwei dämonische, rubinrote Augen funkelten ihn aus einem undurchdringlichen Nebel hinaus an. Wieder wechselte die Szenerie. Ein scheinbar unendlich hoher Turm reckte sich vor seinen Augen gen Himmel. Doch aus dem massiven Mauerwerk des Turms bröckelten und bröselten sekündlich Fragmente des Gesteins heraus und schlugen mit ohrenzerreisendem Lärm auf die Erde hinab. Immer tiefer zeichneten sich die Risse in der Fassade, bis der Turm schließlich ins Wanken geriet und in Zeitlupe in sich zusammenfiel. Erneut wechselte der Schauplatz. Raven fand sich abermals am Strand seines ersten Traums wieder. Der Ozean, pechschwarz und aufgewühlt, tobte wie ein wildes, vom Zorn zerfressenes Tier. Unheilbringend brandeten die Wellen auf die schroffen Felsen im Wasser hinab und zerschlugen diese entzwei, während ein gar eisiger Wind ganze Bäume am Strand entwurzelte. „Niemals wirst du das finden, was du suchst! Niemals! Hörst du? Niemals!“, donnerte eine unsichtbare Stimme durch das Tosen des Windes und den Lärm der Brandung hindurch. „NIEMALS!“



    „Aufwachen! Es ist Morgen!“
    Raven schreckte aus seinem alptraumdurchfluteten Schlaf auf. Sein noch sehr schwammiger Blick wanderte ungläubig durch den Raum. Hatte er überhaupt geschlafen? Wie konnte es schon wieder Tag sein? Er fühlte sich matter und schläfriger denn je. Doch die zarten orangefarbenen Strahlen der frühen Morgensonne, wie sie so durch das kleine Fenster in seinem Quartier flimmerten, und das Schattenspiel auf der Wand, welche die Umrisse von Xell zeigten, wie er sich gerade ausgiebig und genüsslich streckte, gaben die Antwort unverkennbar preis: Die Nacht war tatsächlich schon vorbei.
    „Alles okay?“, hörte Raven Xell sagen. Seine Stimme schien kilometerweit entfernt zu sein. „Du siehst so mitgenommen aus ... Nicht gut geschlafen?“
    Apathisch schüttelte Raven den Kopf.
    „Willst du hier bleiben? Ich erfinde dann schnell eine Ausrede für dich, wobei das wahrscheinlich nicht nötig sein wird. Die anderen haben schon mitgekriegt, dass du mit den Nerven scheinbar am Ende bist.“
    „Die anderen ...“, murmelte Raven, „was wissen die schon ...?“
    „Du bereitest ihnen Kummer“, sagte Xell.
    „Na toll ... Das Letzte, was ich jetzt noch brauchen kann, sind Gewissensbisse“, schimpfte Raven verdrießlich.
    „Es ist in Ordnung“, entgegnete Xell und legte ihm mitfühlend seine Hand auf die Schulter. „Wenn du glaubst, dass es dir besser geht, dann weißt du, wo du mich findest“, sagte Xell und ging zur Tür hinüber.
    „Ach warte ...!“, rief Raven und kämpfte sich auf. Etwas unbeholfen torkelte er zu seinem verdutzt dreinblickendem Freund hinüber. „Ich kann das einfach nicht, hier einfach so herumsitzen, während draußen die Welt untergeht. So gut müsstest du mich eigentlich kennen.“
    „Daran habe ich ehrlich gesagt auch keine Sekunde gezweifelt“, lachte Xell. „Gehen wir. Qurtel wartet.“


    Raven entging es nicht, dass scheinbar alle seine Kameraden, bis auf Xell und Knuddeluff, seinen Blick mieden. Seine Vorstellung am gestrigen Abend schien bei ihnen bleibende Eindrücke hinterlassen zu haben. Doch das kümmerte ihn wenig, sogar genoss er es etwas. Sollten sie doch von ihm glauben, was sie wollten ...
    „Also, wie ihr wisst“, begann Knuddeluff seine allmorgendliche Einweisung, „sind wir einer Lösung um das Rätsel des Zeitturms ein gutes Stückchen näher gerückt. Noch haben wir aber nicht alle notwendigen Informationen beisammen. Raven und Xell hier werden heute noch einmal dem Dorfältesten einen Besuch abstatten. Der Rest geht wie gestern Abend besprochen vor. Packen wir es also an und hoffen auf das Beste.“
    Die Gemeinde löste sich in alle Himmelsrichtungen auf.
    „Bereit?“, fragte Xell deutlich vorsichtiger als sonst.
    „Ja, gehen wir ...“, seufzte Raven. Warum glaubte er bloß, dass das alles doch keinen Zweck hatte ...?
    Raven und Xell hatten bereits ihre Füße auf die erste Sprosse der Leiter gesetzt, als Digdas ferne, piepsige Stimme aus dem Untergrund erhallte.
    „Fußabdruck entdeckt! Fußabdruck entdeckt!“
    „Nanu? So früh am Morgen? Wer kann das sein?“, fragte Xell.
    „Ist doch egal. Gehen wir!“, antwortete Raven verbittert.
    „Es ist Qurtel, der Dorfälteste! Es ist Qurtel, der Dorfälteste!“, ertönte abermals Digdas Stimme.
    Raven’s Herzschlag beschleunigte sich rapide. Der Dorfälteste ist da? Sein Besuch konnte nur bedeuten, dass er sich an etwas erinnerte. Vielleicht hatte Knuddeluff recht, und Qurtel war die Existenz des Buches tatsächlich entfallen? Was es auch sein mochte: Er spürte deutlich den Ausmaß der Wichtigkeit dieses Besuches.
    „Qurtel ist da? Das erspart uns eine Menge Arbeit!“, rief Xell glücklich.
    „Dürfte ich dann mal kurz?“, blaffte Krakeelo hinter ihnen erregt. „Oder wollt ihr ihm das Tor aufmachen?“
    „Oh, entschuldige ...“, sagte Xell und machte seinem Kameraden Platz.


    Die Nachricht über die Ankunft des Dorfältesten hatte schlagartig die bereits aufgelöste allmorgendliche Gildenrunde erneut zusammengebracht. Knuddeluff hatte sich empfangsbereit an der Leiter zu den oberen Stockwerken aufgestellt, während die anderen gespannt die Ankunft Qurtels erwarteten. Die ächzenden und schnaufenden Geräusche näherten sich ihnen in gemächlichem Tempo.
    „Warum muss der Dorfälteste nur so ... alt sein?“, murmelte Xell begierig.
    Plaudagei warf ihm einen vielsagenden Blick zu, bei dem Xell schlagartig verstummte.
    Endlich, nach geschlagenen fünf Minuten des Wartens, kündigte die Gestalt Krakeelos die Ankunft des Dorfältesten an. Ravens Augen blitzen begierig auf. Krakeelo trug einen dicken, stark verschmutzten und zerfledderten Folianten in seinen Armen. Es machte den Eindruck, als wäre dieses Buch so antik, dass es schon durch einen falschen Blick in alle Winde zerfallen könnte.
    Raven spürte plötzlich Xells Hand auf seinen Schultern, während sich Plaudagei mahnend vor ihm aufbaute, als hätte sie bereits geahnt, dass sich Raven gerade schon zum Spurt in Richtung des Buches bereit machte. Seine Freunde mussten ihn inzwischen tatsächlich gut kennen. Aber vielleicht lag es aber auch nur an seinem Blick, in dem sich scheinbar sein ungezügeltes und gieriges Verlangen ablesen ließ. Auch Qurtel hatte nun die untere Gildenebene erreicht und wurde sofort von Knuddeluff freudig in Empfang genommen.
    „Dorfältester! Wir freuen uns, dich hier bei uns begrüßen zu dürfen!“
    „Die Freude ... ist ganz ... meinerseits ...“, schnaufte Qurtel. „Entschuldigt, aber der Weg war lang und beschwerlich ... Viel zu weit für meine alten Knochen...“
    „Deine Anwesenheit ehrt uns. Bitte lass dir alle Zeit der Welt und schnauf erst einmal richtig durch“, lächelte Knuddeluff.
    „Sprich nur für dich selbst ...“, dachte Raven aufgebracht. „Alle Zeit der Welt ... Eben das haben wir nicht!“
    „Ah, und da sind ja auch meine beiden Freunde von gestern!“, unterbrach Qurtel Raven in seinen Gedanken. „Wie ist es euch ergangen? Seid ihr gut zurückgekommen, ja?“
    „Idiotische Frage ... Wir sind doch schließlich hier, oder etwa nicht?“, schoss es Raven erneut durch den Kopf, hielt seine Gedanken jedoch in seinem Geiste fest verschlossen. Stattdessen zwang er sich zu einem stillen Nicken.
    „Freut mich, Freut mich!“, lachte Qurtel. „Wenn ihr also ...“
    „Dorfältester? Dürften wir vielleicht den Grund deines Besuchs erfahren?“, fragte Knuddeluff höflich.
    Hätte es Raven nicht besser gewusst, hätte er geglaubt, Knuddeluff könnte seine Gedanken lesen und er befürchtete, dass er sie gleich alle Zeugen eines weiteren seiner Wutausbrüche werden würden.
    „Ah, ja, natürlich“, antwortete Qurtel. „Meine beiden Freunde hier“, er neigte den Kopf in Ravens und Xells Richtung, „fragten mich am gestrigen Tage, ob ich etwas über den Zeitturm wüsste. Dummerweise war mir gestern völlig entfallen, das sich dieses Schatzhaus des Wissens noch in meinem Besitz befindet. Oh, wie lange ist das her ...? Längst überfällig, ja ja ... So ist das eben, wenn man alt wird ...“
    Er schlurfte gemächlich zu Krakeelo hinüber, der ihm den Folianten überreichte. Ravens Pupillen weiteten sich zunehmend, als Qurtel durch die zerfledderten Seiten blätterte. Langsam schummelte er sich an Plaudagei vorbei, um einen besseren Blick auf das Buch zu erhaschen.
    „Mach es ja nicht kaputt ...!“, schoss es ihm abermals durch den Kopf, während der Dorfälteste mit den stark zerfallenen Seiten scheinbar zu kämpfen hatte.
    „Zeiteis ..., Zeitenlärm ..., Zeitstein ..., Ah, da haben wir es ja. Der Zeitturm ... Na, dann lasst mal sehen ...“
    Nicht nur Raven, sondern alle Gildenmitglieder hatten nun einen kleinen Kreis um Qurtel gebildet.
    „Hm ... Ja, es ist wie ich gestern gesagt habe: Der Zeitturm befindet sich im Herzen des verborgenen Landes ... abseits jeglicher Zivilisation... versteckt am Ende der Welt ... der Legende nach bewacht von einem göttlichen Wächter ... Ah, hier steht auch etwas über den Nachweis!“
    Alle Köpfe sanken ein weiteres Stück hinab, bis nahezu kein Licht der Außenwelt mehr hindurch dringen konnte.
    „... Ferner kann das verborgene Land nur von Auserwählten betreten werden, welche sich durch einen Nachweis als solche auszeichnen. Über diese Befugnis ranken sich die verschiedensten Behauptungen und Theorien. Jedoch existieren keine tatsächlichen bildlichen Aufzeichnungen über das visuelle Erscheinungsbild des Nachweises.“
    Raven glaubte, ein Kloß, so dick wie ein ganzer Apfel, würde ihm in seinem Hals stecken. Nun hatte ihn endgültig das letzt Fünkchen Hoffnung verlassen. Doch das plötzliche Geräusch des Umblätterns der Seite versetzte Raven noch einmal einen kurzen Schub. Ging es weiter?
    „Das führende Erkundungsteam, das mit der Nachforschung dieser Legende betraut war, ist sich uneinig, welche Form diese Beglaubigung hat. Jedoch sind sie sich sicher, dass er in irgendeiner Form das Wappen der sagenhaften Hochkultur der Aeta tragen müsse. Mehr dazu: Siehe Seite vierzehn: Aeta-Hochkultur.“, beendete Qurtel.
    „Aeta-Hochkultur? Von denen habe ich allerdings noch nichts gehört. Man lernt eben nie aus“, lachte Qurtel.
    „Los, zurückblättern!“, drängte ihn Raven. „Zurück auf Seite vierzehn!“
    „Immer mit der Ruhe, mein Kind“, antwortete der Dorfälteste. „Eile mit Weile, wie ich gerne zu sagen pflege. Seite vierzehn also. Nun, wo haben wir sie denn...“


    Die teilweise stark zerfallenen Seiten rückten Stück für Stück zurück.
    „Seite neunzehn, achtzehn, ...“
    Raven kam jede einzelne Seite wie ein ganzes Jahr des fieberhaften Wartens vor.
    „Seite siebzehn, sechszehn, ...“
    Raven Herz begann langsam vor Aufregung zu schmerzen.
    „Seite fünfzehn, ... Ah, da haben wir es ja. Seite vierzehn. Das Volk der Aeta. Also schauen wir mal, was wir da haben ...“
    Doch Raven brauchte gar nicht auf die Worte des Dorfältesten zu warten. Da war es. Die Lösung für all seine Probleme. Am oberen rechten Seitenrand der Seite zeichnete sich eine mehr schlecht als recht gemachte Zeichnung des Aeta-Emblems ab: Ein kleiner Kreis, in dessen Form viele weitere Kreise ihre Bahnen zogen. In jede der vier Himmelsrichtung ging ein schlangenähnlicher Bogen von dem Äußersten der Kreise aus. Umgeben war das ganze Gebilde von einer Vielzahl kleinerer Formen, die stark Flügeln ähnelten. Hätte er den immer stärker werdenden Schmerz in seiner Brust nicht gespürt, hätte er meinen müssen, sein Herzschlag musste sein Limit bereits erreicht haben. Doch die Figur, die sich nun in seinen weit geöffneten Augen spiegelte, brachte sein Blut noch stärker in Wallung. Er kannte dieses Wappen, da war er sich absolut sicher. Aber woher? Wo hatte er diese Zeichnung schon einmal gesehen?
    „Das gibt es ja nicht!“, hörte er Xell neben sich flüstern, während Qurtel scheinbar unbeirrt vor sich hinbrabbelte. „Raven ... dieses Symbol ...“
    Jetzt erinnerte auch Raven sich. Natürlich! Wie konnte er das vergessen? Seit seinem ersten Tag, als er Xell das erste Mal getroffen hatte. Die ganze Zeit über hatten sie dieses Symbol, ahnungslos über dessen Sinn und Zweck, bei sich getragen!
    Geistesgegenwärtig kramte Xell in seiner Tasche und brachte sein Reliktfragment zum Vorschein. Beide Hände umklammerten zittrig den kleinen Stein, den er seit jeher bei sich trug. Dasselbe Zeichen, wie es im Buch abgebildet war, zierte unverwechselbar auch sein Reliktfragment.
    Die übrigen Gildenmitglieder hatten längst das Interesse an Qurtels Erzählung verloren und begannen heftig miteinander zu tuscheln.
    „... der Legende nach Erbauer des Zeitturms und ... Über was unterhaltet ihr euch denn? Ist etwas ...?“Qurtel stoppte abrupt ab. Auch er hatte die Existenz von Xells Reliktfragment in dessen Händen bemerkt. „Aber was ...? Das ist ja ...! Mein Junge! Woher um alles in der Welt hast du diesen Gegenstand?“
    „Gefunden ...“, antwortete Xell plötzlich doch sehr apathisch. „Eines Tages am Strand vor Schatzstadt. Muss wohl vom Meer angespült worden sein.“
    „Könnte das der Nachweis sein, den wir brauchen?“, fragte Knuddeluff den Dorfältesten.
    „Zweifelsohne“, antwortete dieser und beäugte den Stein nun noch näher, bevor er sich wieder Knuddeluff zuwandte. „Wenn die Legende stimmt, dann ist unser junger Freund hier berechtigt, das verborgene Land zu betreten.“
    Ravens Herz machte einen Hüpfer; so hoch, als hätte er glatt den Himmel erreichen können. Fast nichts trennte sie mehr von dem Zeitturm. Jetzt galt es nur noch ...
    „Ich habe dieses Symbol auch schon einmal gesehen“, murmelte Knuddeluff nachdenklich.
    Ausnahmslos alle Blicke huschten zu Knuddeluff hinüber.
    „Wo?!“, rief Raven exstatisch.
    „In einer Höhle, nahe des Meeresarms im Nordwesten. Die Salzwasserhöhle“, antwortete er.
    „Gildenmeister ... du ...“, stammelte Plaudagei.
    „Es ist in Ordnung. Ich denke, es wird Zeit“, fuhr Knuddeluff seinem Kameraden ins Wort.
    „Zeit? Für was?“, fragte Raven.
    „Das kann ich euch nicht sagen. Noch nicht“, antwortete Knuddeluff ruhig und gebot dem entrüsteten Raven sofort mit erhobener Hand zum Schweigen. „Du wirst alles erfahren. Nur noch nicht heute. Darauf gebe ich dir mein Wort.“
    „Aber warum noch nicht heute ...?“, blaffte Raven seinen Gildenmeister an.
    „Wir werden morgen gemeinsam zur Salzwasserhöhle aufbrechen. Wir drei werden das Rätsel um das verborgene Land lösen“, sagte Knuddeluff, als ob er Ravens Worte nicht gehört hätte.
    „Gildenmeister!“, riefen Raven und zu dessen großer Verwunderung auch Plaudagei im Chor.
    „Warum erst morgen? Warum nicht schon heute?“, klagte Raven.
    „Gildenmeister ...! Du kannst nicht ...!“, flehte Plaudagei.
    „Letzte Nacht war Vollmond“, antwortete Knuddeluff knapp.
    „Na und? Was soll schon ...?“, erwiderte Raven.
    „Die Höhle ist zu diesen Zeiten überflutet. Erst morgen können wir sie betreten“, antwortete Knuddeluff ruhig.
    Ravens Blick sank enttäuscht zu Boden. Doch was sollte er schon tun? Er nickte angeschlagen.
    „Gildenmeister ...“, begann Plaudagei erneut. „Ich werde dich nicht gehen lassen. Du darfst dich einer solchen Gefahr nicht aussetzen! Nicht noch einmal!
    „Gefahr? Welche Gefahr?“, tönten die übrigen Gildenmitglieder.
    Plaudagei schwieg, Knuddeluff dagegen seufzte. „Plaudagei und ich ... Nun, wir haben einst diese Höhle erkundet. Während unserem Streifzug wurden wir allerdings hinterrücks von irgendwelchen Feinden attackiert und schwer verwundet. Plaudagei hier verlor bei dieser feigen Attacke das Bewusstsein.“ Plaudagei lief der Schnabel rot an. „Ich konnte mich nur schwer angeschlagen retten ...“, erzählte Knuddeluff weiter.
    „Wer waren sie?“, fragte Krakeelo. „Wer könnte euch beide so zurichten?“
    „Ich weiß es nicht ...“, antwortete Knuddeluff kopfschüttelnd.
    „Sei es, wie es sei!“, rief Plaudagei. „Ich lasse nicht zu, das du dich erneut einer solchen Gefahr aussetzt! Ich werde Team Kugelblitz morgen zur Salzwasserhöhle begleiten!“
    „Plaudagei ...“, sagte Knuddeluff und klang selten besorgt.
    „Bitte, Gildenmeister, respektiere meinen Wunsch!“
    Knuddeluff blickte einige Sekunden lang in die entschlossenen Augen seines Kameraden und langjährigen Freundes. Was ging wohl in seinem Kopf vor? Er nickte, wenn auch scheinbar nur recht widerwillig.
    „Gut, dann ist es entschlossen“, sagte Plaudagei und hatte wieder seinen üblichen gebieterischen Ton in seiner Stimme. „Wir drei werden morgen in aller Frühe zur Salzwasserhöhle aufbrechen. Nutzt den heutigen Tag, um euch auf diese bevorstehende Aufgabe vorzubereiten.“
    „Diesen jugendlichen Eifer. Wie erfrischend! Das ich das noch in meinen alten Tagen erleben darf“, lachte Qurtel.
    Scheinbar alle Anwesenden, ja selbst Knuddeluff, hatten völlig die Anwesenheit des Dorfältesten vergessen.
    „... Ähm, ja. Danke, Dorfältester. Deine Hilfe ist von unschätzbarem Wert für uns.“
    „Danke, Dorfältester, Qurtel“, sagte Raven wahrheitsgemäß. Er hatte jegliche Abneigung, die er gegen Qurtel empfunden hatte, verloren.
    „Aber bitte. Keine Ursache. Wenn ihr jemals meinen Rat noch einmal benötigt, so wisst ihr, wo ihr mich finden könnt.“
    Er verabschiedete sich und verschwand mit Krakeelo an seiner Seite, der sein Buch in den Händen trug, den Schauplatz.


    Zum zweiten Mal löste sich die Gruppe auf. Nur Raven, Xell, Plaudagei und Bidiza blieben zurück.
    „Ich erwarte euch dann morgen pünktlich zur Gildeneinweisung an Ort und Stelle. Ihr seid für Proviant und Verpflegung zuständig. Und dass ihr es wisst: Ich dulde keine Widerreden! Weggetreten!“, ordnete Plaudagei Raven und Xell an, bevor er in das Zimmer des Gildenmeisters verschwand.
    „Mit dem sollen wir das Rätsel um das verborgene Land lüften?“, stöhnte Xell. „Na, das kann ja was werden ... Der glaubt doch noch immer nicht, dass der Zeitturm überhaupt existiert.“
    „Und sonderlich gut leiden konnte er uns noch nie ... Der wird uns garantiert keine große Hilfe sein, sondern alles nur ungemein erschweren ...“, murrte Raven verdrießlich.
    „Da wäre ich mir nicht so sicher“, entgegnete Bidiza.
    „Warum glaubst du das?“, fragten die beiden im Chor.
    „Plaudagei ... Nun ihr müsst wissen das ...
    „Ja?“
    „Wenn einer besorgter über eure Abwesenheit als der Gildenmeister war, dann war es Plaudagei ...“

  • Part II: Die Ruhe vor dem Sturm


    So richtig wollte er den Worten seines Gildenkameraden nicht glauben: Plaudagei sollte sich über sie Sorgen machen? Ausgerechnet über ihr Wohlbefinden? Je länger Raven darüber nachdachte, umso absurder kam ihm der Gedanke vor. Doch gab es ohnehin Wichtigeres, als ihre kostbare Zeit mit Nachdenken zu verschwenden. Sollte sich doch das Vögelchen in der Zwischenzeit seinen geschwätzigen Schnabel polieren. Sie jedenfalls hatten weitaus Besseres zu tun. Vorbereitungen mussten getroffen werden. Vorbereitungen, für die wohl wichtigste Expedition ... nein, für die Reise um die Rettung des Planeten. Ein simpler, stummer Augenkontakt zwischen Raven und Xell genügte vollkommen, um ihre Absichten dem anderen gegenüber klarzumachen. Sie nickten aneinander zu.
    Die beiden Freunde ließen ihren Gildenkameraden Bidiza nach einem raschen Wort des Abschieds zurück und machten sich auf, ihren Besorgungen in Schatzstadt nachzukommen. Die Wege der beiden auf den an diesem Morgen nur spärlich belebten Straßen Schatzstadts kreuzten ihre Stammläden, in denen sie sich auch sonst immer für ihre üblichen Gildenaufträgen eindeckten. Im Vergleich aber zu ihrem aktuellen Vorhaben, nämlich in das geheiligte vergessene Land vorzudringen, wirkten ihre sonstigen Abenteuer wie Kinderkram.
    Noch nie zuvor war ihre Reisetasche so prall gefüllt. Doch Raven kam es insgeheim sogar lächerlich wenig vor, wenn er bedachte, wo sie ihre Reise diesmal hinführen sollte. Obwohl ihr Proviant bereits aus der Tasche herauszuquellen drohte, bestand Xell jedoch noch darauf, eine blaue, handgroße Sphäre, die Raven auf eigentümliche Weise merkwürdig vertraut vorkam, in ihr Reise-Inventar aufzunehmen. Xell zwinkerte seinem stirnrunzelnden Freund verschwörerisch zu, als er die Kugel in die völlig überfüllte Tasche stopfte; unterließ es aber, ihm Näheres dazu zu sagen.


    Dies war jedoch auch bereits alles, was sie zu besagter Zeit tun konnten. Die Worte Knuddeluffs verfolgten Raven auf Schritt und Tritt, während er und Xell die übrigen Läden nach weiteren brauchbaren Utensilien für ihre bevorstehende Unternehmung abklapperten. „Die Höhle ist zu diesen Zeiten überflutet. Erst morgen können wir sie betreten.“
    Was half es also? Zur Untätigkeit verdammt blieb ihnen nichts weiter übrig als zu ...
    „Warten ...! Ich hasse es ...!“
    Zum wiederholten Male ertappte sich Raven selbst dabei, an seinem Glas zu nippen, ohne jedoch wirklich etwas von dessen süßen Inhalt zu kosten. Er und Xell waren im hiesigen Lokal, der Pandir-Saftbar, eingekehrt. All ihre Besorgungen sicher verstaut, hieß es nun, den restlichen Tag irgendwie vorbeizubringen.
    „Ich weiß, aber was willst du anderes tun? Du hast ja gehört, was der Gildenmeister gesagt hat.“ Xell starrte eindringlich auf seinen Freund ein, nippte ebenfalls kurz an seinem Glas und stellte den bereits halbleeren Becher auf den kleinen Tisch, an dem sie saßen. „Nach den Hinweisen zum verborgenen Land tauchen ist nicht.“
    Raven biss sich missmutig auf die Lefzen und wandte seinen Kopf mürrisch zur Seite. Im Lokal herrschte gähnende Leere, wie es auch bereits auf den Straßen Schatzstadts der Fall gewesen war. Die Geschehnisse, deren Kunde inzwischen in jedem Winkel der Region eingekehrt waren und ein jedes Pokémon der Welt im Atem hielt, hatte eine vernichtende Wirkung auf die Stimmung der Bevölkerung und überhaupt deren Präsenz . Ein jeder versuchte irgendwie so viel wie möglich Abstand zwischen sich und den Gegenden, in denen sich der Zeitstillstand unaufhaltbar ausbreitete, zu gewinnen. Traurig, wenn Raven bedachte, wie zwecklos ihre Bemühungen doch waren. Sie konnten rennen, sich verstecken, das Unaufhaltsame hinauszögern, aber schließlich mussten sie sich ihrem Schicksal fügen. Ein erschreckender Gedanke was passieren würde, falls es ihnen nicht gelingen würde, den Zerfall des Zeitturms zu stoppen. Raven schüttelte sich heftig, in der Hoffnung, die wiederkehrenden Bilder der dunklen Zukunft aus seinem Kopf vertreiben zu können.
    „Wollen wir uns vielleicht noch etwas die Beine vertreten? Ich habe ehrlich gesagt keinen Durst mehr“, schlug er schließlich vor und erhob sich bereits demonstrativ zum Gehen.
    Xell linste kurz auf das noch immer volle und nicht angerührte Glas seines Freundes, entschied sich jedoch, nicht weiter darauf einzugehen. Er warf dem einsamen Wirt, der ihnen traurig hinterher sah und seit ihrer Ankunft das ein- und dasselbe Glas polierte, einige Münzen auf die Theke und verließ an Ravens Seite das Lokal.


    Raven achtete nicht auf seine Schritte. Es war ihm egal, wohin ihn seine Beine führten. Er hoffte einfach darauf, die Bewegung an der frischen Luft würde seine düsteren Gedanken, wie Feuer, das man nach und nach sämtlichem Sauerstoff beraubte, ersticken. Wirklich zu helfen, vermochte sein kleiner Spaziergang über die nahezu ausgestorbenen Straßen der sonst so belebten Stadt jedoch nicht. Immer wieder tauchten die Bilder - ein düsterer Schleier über den Häusern Schatzstadts - vor seinem inneren Auge auf und verschwanden wieder, so schnell sie gekommen waren, nur um den nachfolgenden, nicht weniger düsteren Gedanken Platz zu schaffen.
    Eine recht steife Brise ließ ihn plötzlich jäh wieder in die reale Welt zurückkehren. Seine Beine hatten ihn unbewusst ganz in die Nähe ihres Unterschlupfs, an dem sie sich vor kurzem gemeinsam mit Reptain vor den neugierigen Blicken der Stadtbewohner versteckt hatten, getragen. Die Luft besaß noch das selbe unverwechselbare salzige Aroma, wie zu jenem Tag, als sie dort ihr Lager aufgeschlagen hatten. Obgleich nur wenige Zeit ins Land gezogen war kam es Raven beinahe so vor, als würden bereits Jahre zwischen den Ereignissen, die ihnen in der Zukunft wiederfahren waren und zu dem heutigen Tage, liegen.
    „Reptain ...“
    „Hm?“
    „Reptain“, wiederholte Raven. „Was er wohl gerade macht, wo er wohl ist? Er meinte, er wolle von sich hören lassen. Ist aber wohl noch zu früh ...“ Raven seufzte schwer.
    „Wer weiß, vielleicht hat er das ja?“, meinte Xell. „Möglicherweise wartet er ja sogar in unserem Versteck?“ Xell eilte zu dem Gebüsch hinüber, der den Eingang zu ihrem Versteck verbarg und machte sich daran, sich seinen Weg durch das Gestrüpp zu bahnen. „Na, was ist?“, und warf einen energischen Blick über die Schulter in Richtung seines Freundes. „Nachschauen kostet nichts, oder?“ Ohne auf die Antwort seines Partners zu warten, verschwand Xell in dem Eingang des Tunnels, der zu ihrem Versteck führte.
    Raven war sich ziemlich sicher, dass Reptain unter keinen Umständen der Welt da sein konnte, erkannte jedoch blind das Motiv seines Freundes, als ein Vorwand ihn irgendwie aufzuheitern, an.
    „Danke, Xell.“
    „Na, was habe ich gesagt?“, hallte die gedämpfte Stimme Xells durch den dunklen Tunnel.
    „Reptain?“ Raven, von der fernen Stimme seines Freundes angestachelt, beschleunigte seine Schritte durch das lehmige Erdreich, dennoch achtsam, nicht mit den Gewächsen, die aus der Decke ragten, zusammenzuprallen. Das Licht am Ende des Tunnels kam näher und näher. Endlich erreichte Raven das Innere ihres Unterschlupfs und fand ihn so vor, wie er ihn in Erinnerung hatte. Doch bereits ein kurzer Rundblick genügte, um ihn wieder auf den harten Boden der Tatsachen zu bringen. Kein Reptain. Dafür aber ...
    „Ein Brief? Von Reptain?“ Raven hechtete zu seinem Kameraden herüber, der ein Blatt Pergament in seiner Hand hielt.
    „Von wem sonst?“, sagte Xell grinsend.



    Ravens Herz begann zu rasen.
    „Was steht drin? Los, les vor! Du weißt, dass ich es nicht so mit dem Pokémon-Gekrakel habe.“
    „Moment, ich lesevor: ‚Lieber Raven, lieber Xell, ich hoffe eure Suche nach dem Zeitturm trägt Früchte. Ich selbst nenne bereits drei Zahnräder (Wow! Er hat bereits drei!) mein Eigen. Bleiben also nur noch zwei. Tobutz hat sich als äußerst kooperativ erwiesen, nachdem ich ihm unsere Situation nach einigen kleinen Meinungsverschiedenheiten klar gemacht habe, und er scheint nun bereit zu sein, mit uns kooperieren zu wollen. Vielleicht liegt es aber auch nur daran, dass sie bereits selbst erkannt haben, dass der Zeitfluss auch bereits ohne mein Handeln außer Kontrolle gerät. Egal. Die letzten beiden Zahnräder, die von seinen Geschwistern bewacht werden, werden jedenfalls kaum Anstrengungen mit sich ziehen. Ich hoffe, bald wieder zu euch stoßen zu können, um unser Werk endlich zu vollenden. Haltet euch bedeckt und seit wachsam. Wie ihr sicherlich auch selbst wisst, schläft der Feind nicht. Zwirrfinst könnte uns jederzeit in den Rücken fallen. Aber genug der düsteren Worte. Wir haben drei Zahnräder, die beiden anderen sind nur noch eine Frage der Zeit. Ich mache mich nun auf den Weg zur Nordwüste, wo Vesprit bereits auf mich mit dem vorletzten Zahnrad der Zeit wartet. Versteht es, dass ich trotzdem Schatzstadt und die Gilde meiden möchte. Zuviel Aufmerksamkeit könnte trotz aufblühender Sympathie für unser Handeln gefährlich werden. Sobald mein Werk vollendet ist, werde ich auf euch hier oder am Strand südlich von Schatzstadt auf euch warten. Viel Glück bei eurem weiteren Gelingen! In der Hoffnung, dass euch diese Nachricht erreicht, Reptain.’“
    Xell grinste und auch Raven strahlte vor Freude.
    „Reptain – ein Teufelskerl von einem Pokémon. Drei Zahnräder ... Wahnsinn!“, jubelte Xell.
    Ravens Blick schweifte über das Sammelsurium von Schriftzeichen und Symbolen und obwohl er kein einziges Wort lesen konnte, wurde sein Grinsen mit Wort für Wort breiter.


    Obgleich Reptain noch nicht lange diesen Brief hinterlassen haben musste, entschieden sich Raven und Xell dennoch dazu, dem Strand, dem Ort ihrer ersten Begegnung, aufzusuchen. Wirklich verwundert über den leeren, verlassenen und natürlich reptainlosen Strand war jedoch keiner der beiden. Dennoch war Raven natürlich die Enttäuschung wie im Gesicht geschrieben.
    „Hey!“, versuchte Xell Raven zu trösten. „Er ist immer noch auf der Suche nach den Zahnrädern. Er setzt sein ganzes Herzblut daran. Sicherlich werden wir bald wieder von ihm hören; so wie der sich reinhängt.“
    „Ja, wahrscheinlich ...“, seufzte Raven.
    Xells Blick schweifte über den Strand.
    „Hey, erinnerst du dich? Hier, genau hier, war der Ort, an dem ich dich damals bewusstlos gefunden habe.“
    „Ja“, seufzte Raven. „Als ob es gestern gewesen wäre ...“
    „Du warst so verpeilt. Erinnerst du dich? Konntest nicht mal auf seinen eigenen Beinen stehen. So klein und hilflos“, lachte Xell.
    „Möchte dich mal erleben, wenn du plötzlich als jemand völlig anderes aufwachst“, maulte Raven. Seine Wangen glühten vor Scham.
    „Und dann ... als wir aus der Zukunft zurückkamen ... es war auch hier“, hakte Xell nach.
    Raven starrte etwas wehmütig auf die Stelle seines erstmaligen Erwachens in dieser neuen, fremden Welt.
    „Als ob es gestern gewesen wäre ...“, wiederholte er.
    „Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was ich damals von dir halten sollte.“
    Raven schwieg.
    „Niemals hätte ich erwartet, dass ein solches Geheimnis um dich liegt. Sicher, eine Verwandlung von einem Menschen in ein Pokémon ist schon eine Sache für sich, aber aus der Zukunft, du, mit der Mission, unser aller Leben zu retten? Nicht einmal im Traum hätte ich an so eine Story gedacht. Genau so wenig, wie das hier ...“ Xell kramte einige Zeit lang in dem hoffnungslos überfüllten Reisebeutel, Samen, Obststücke und allerlei sonstiger Krimskrams drohten herauszufallen, behielten aber durch Xells rechtzeitiges Eingreifen noch einmal ihre Position. Endlich hatte er das gefunden, was er gesucht hatte. In seinen Händen hielt er sein Reliktfragment.
    „Hiermit hat alles angefangen. Der Grund, warum ich Erkunder werden wollte, der Grund, warum ich überhaupt an jenem Tag, an jenem Ort war. Warum sich unsere Wege kreuzten.“ Er musterte den Stein mit seinen seltsamen Gravierungen zum gefühlten tausendsten Mal in alle Richtungen. „Schon witzig, wenn man bedenkt, was wir ihm zu verdanken haben, oder sogar noch verdanken werden. Dieser kleine Stein bedeutet vielleicht das Schicksal des gesamten Planeten. Die einzige Chance auf Rettung.“
    Raven schwieg beharrlich, während sein Freund die Kostbarkeit in seinen Händen noch einmal in Augenschein nahm, sie wendete und drehte, mit den Fingern darüber fuhr und noch einmal jeden Millimeter der Gravur untersuchte. Noch immer leicht darauf hoffend, dass Reptain vielleicht urplötzlich hinter der nächsten Sanddüne hervorspringen könnte, wandte er sich um und ließ seinen Blick über die leeren Sandbänke schweifen. Doch gab er seinen bereits von Anfang an zum Scheitern verurteilten Versuch schnell wieder auf. Kein Reptain weit und breit. Niedergeschlagen wandte er sich dem Meer zu. Mittlerweile hatte der Wind etwas abgeflaut. Das Meer lag still und geheimnisvoll ruhend vor seinen Augen. Irgendwo am weiten Firmament wartete das vergessene Land und der Zeitturm auf sie. Noch immer war er sich nicht sicher wie in aller Welt es ihnen gelingen würde, die scheinbar unendlichen Wassermassen zu überwinden. Wer garantierte ihnen überhaupt, ob ihnen das, was Knuddeluff in der Salzwasserhöhle einst entdeckt hatte, weiterhelfen würde? Sein Blick ruhte noch einige Minuten auf dem ihm endlos erscheinenden Ozean, als ihn plötzlich ein merkwürdiges Etwas, dessen Umrisse er auf dem Meer am fernen Horizont ausmachte, aus seinen erneut wiederkehrenden finsteren Gedanken riss.
    „Xell?“
    Raven wandte sich nicht um. Sein Blick folgte eisern dem schemenhaften etwas, das langsam über den Ozean wanderte. Was auch immer es war bewegte sich so anmutig, so grazil, dass es fast so wirkte, als ob es über den Ozean schwebte.
    „Xell?“, wiederholte Raven, nun etwas lauter und bestimmter. „Schau mal, dort. Siehst du das?“
    „Hm, was?“
    Die Gestalt seines Freundes tauchte an Ravens Seite auf. Auch Xell starrte dem Wesen nach, dass sich immer weiter von ihrer Position zu entfernen schien, und dessen Umrisse immer kleiner wurden.
    „Hast du so etwas schon mal gesehen? Weißt du was das ist?“, fragte Raven.
    Xell beobachtete das Geschöpf noch einige Sekunden lang bis es gänzlich vom fernen Firmament verschluckt wurde und aus ihrer Sichtweite verschwand.
    „Nein, keine Ahnung“, sagte er. „Ich war zwar bereits oft hier, aber so etwas sehe ich auch zum ersten Mal.“


    Einige Minuten starrten die beiden noch stumm auf die salzigen Wassermassen vor ihnen. Es war Xell, der schließlich und endlich Raven die Entscheidung ihres weiteren Vorgehens abnahm und zur Gilde zurückkehren wollte.
    „Wir sind hier fertig“, meinte Xell schließlich und stopfte das Reliktfragment wieder in die Tiefen seiner Tasche. „Gehen wir. - Raven, kommst du?“
    Nur widerwillig unterbrach Raven seine Suche nach dem Wesen, nickte aber Xell schließlich zu. „Wir gehen.“

  • Ich muss sagen, dass es mich sehr gefreut hat mal wieder etwas von dir lesen zu dürfen.
    Wie sonst auch schien mit der Part etwas zu kurz, was natürlich nicht der Fall war. Die länger deiner Kapitel sind perfekt. Die Tatsache, dass ich sie als zu kurz empfinde kommt wohl davon, dass ich ein großer Mystery Dungeon-fan bin und auch ein Fan von deiner Schreibkunst und die Zeit vergeht nunmal schnell, wenn man Spaß hat.
    Nun... so viel dazu. Ich werde nun einen kleinen Kommentar zu diesem Abschnitt geben, der hoffentlich nicht allzu kurz sein wird (gelöscht wird).


    Ich kann eigentlich nichts negatives sagen, was verständlich ist, wenn du im Profibereich bist. Ich finde es gut wie du, da die Handlung für dieses kurze Kapitel etwas zu "oberflächlich" ist, wieder deine eigenen Ideen eingebaut hast, die sogar sehr gut in die eigentliche Handlung passen. Mir hat schon von Anfang an gefallen und ich hoffe du machst weiter so.
    Außerdem ist mir eine kleine Sache aufgefallen: Du hast in diesem Abschnitt den Wechsel der Orte anders formuliert, nicht wahr? Es kann mir auch nur so vorkommen, jedenfalls wechselt der Ort schnell und ist auf die vorherige Handlung des Satzes bezogen. Ich musste mich zwar etwas daran gewöhnen, aber es macht mir überhaupt nichts aus, also kannst du das so lassen.


    Und zum Schluss mache ich dich auf einen kleinen Fehler aufmerksam:


    Zitat

    „Hey, erinnerst du dich? Hier, genau hier, war der Ort, an dem ich dich damals bewusstlos gefunden habe.“


    Soweit mein "Wissen" über Kommasetzung geht, ist dieses Komma überflüssig und es sollte weggelassen werden. Jedenfalls sprang mir dies ins Auge, aber ich habe keine Ahnung, ob du mit diesem Komma vielleicht etwas anderes bezwecken wolltest. Das musst du schließlich selbst am besten wissen.


    Ich hoffe du schreibst bald weiter und ich kann bald mehr davon lesen. Und es tut mir leid, dass dieser Kommentar wieder so kurz ausgefallen ist. Ich arbeite allerdings daran, weshalb du dich auf längere Kommentare und etwas Kritik einstellen kannst.


    LG The_little_Plinfa

  • Part III: Aufbruch ins Unbekannte


    In jener Nacht bekam Raven kein Auge zu. Viel zu sehr lastete das bevorstehende Vorhaben auf seinen Schultern, als dass er hätte Ruhe finden können. Unruhig wälzte er sich in seinem Bett hin und her, unfähig, seine Gedanken vor der Aufgabe, bald in das verborgene Land aufzubrechen und den Zeitturm wiederherzustellen, um das Schicksal der Welt abzuwenden, zu verschließen. Doch Schlaflosigkeit war ein zweiseitiges Schwert. Obwohl er die Morgendämmerung einsam und ohne seinen Partner und mit stark vertrübten Augen anging, blieb er so glücklicherweise auch von den Albträumen, die ihn in den letzten Tagen immer häufiger geplagt hatten, verschont. Deutlich von seiner schlaflosen Nacht gezeichnet kletterte er schließlich wieder zur Gilde hinab, grunzte Krakeelo während dessen allmorgendlichen Weckdiensten ein „Guten Morgen ...!“ entgegen und kehrte in sein Quartier zurück. Sein Zimmergenosse, bereits ahnend, was Raven in der vergangenen Nacht erneut durchgemacht hatte, nickte ihm mitfühlend zu. Raven seufzte, erwiderte aber die Geste seines Freundes mit einem gezwungenen Lächeln.


    Äußerst denkwürdige Augenblicke folgten für die Gildenmitglieder an diesem Morgen, als sich diese zum allmorgendlichen Gildenappell einfanden. Erstmalig seit sich Raven zu einem Mitglied dieser Gemeinschaft zählen durfte, vermisste er und seine Kameraden die Anwesenheit Knuddeluffs, ihres treuen Anführers. Längst hatten sich selbst die verschlafendsten Gildenmitglieder – zu denen sich Raven selbst bekannte – eingefunden und der Zeitpunkt der morgendlichen Ankündigung abgelaufen, als sich die Tür zum Quartier des Gildenmeisters öffnete, jedoch niemand anderes als Plaudagei, ohne seinen Freund und Vorgesetzten, hervortrat. Sogleich gebot er seinen murmelnden Kameraden mit einem demonstrativen Abwinken seines Flügels zum Schweigen auf, was ihm jedoch nicht mit der gleichen Effizienz gelang, wie es wohl Knuddeluff möglich gewesen wäre.
    „Der Gildenmeister ist aktuell in einer persönlichen Angelegenheit unterwegs und bat mich, die Angelegenheiten der Gilde für heute Morgen zu übernehmen. – Ihr wisst alle Bescheid.“ Sein Blick schweifte über die angespannten Gesichter seiner Kameraden. „Wie ihr wisst, sind nur Raven und Xell durch das Reliktfragment dazu befugt, das verborgene Land betreten zu dürfen.“
    Raven und Xell tauschten nervös Blicke.
    „Wie mit dem Gildenmeister vereinbart, werde ich Team Kugelblitz zu dem möglichen Zugangsportal in der Salzwasserhöhle führen. Die anderen“, er schaute ein weiteres Mal in die Runde, „bleiben auf Abruf in der Gilde und warten auf weitere Instruktionen. Zwar hat mit der Gildenmeister nicht mitgeteilt, wo er ...“
    „Hat er dir nicht?“, unterbrach Krakeelo mit seiner gewohnten blaffenden Stimme lautstark Plaudageis Ausfertigungen, was ein aufkommendes Raunen unter allen Anwesenden zur Folge hatte.
    „Nein, das hat er nicht!“, antwortete Plaudagei, die Augen zu Schlitzen verengt Krakeelo finster anblickend. „Der Gildenmeister pflegt selbst vor mir, Geheimnisse zu haben und diese auch zu wahren.“
    Keinem der Anwesenden entging, dass diese Tatsache für Plaudagei wohl nicht leicht zu verdauen war, was seinen schnellen Themenwechsel wohl erklärte.
    „Also, wie bereits vor dieser rüden Unterbrechung erwähnt“, fuhr er fort, nicht jedoch ohne Krakeelo einen vielsagenden Blick zuzuwerfen, den dieser unbeeindruckt erwiderte, „ist der Gildenmeister zur Zeit nicht hier bei uns im Haus vertreten, wird aber sicherlich im Laufe des Tages wieder zu uns in die Gilde stoßen. Bis dahin übernimmt Digdri das Kommando, während ich selbst mit Raven und Xell unterwegs bin. Das wäre dann alles. Weggetreten!“
    Mürrisches Gemurmel war das Ergebnis von Plaudageis denkwürdiger Morgenansprache. Obwohl er ihnen nicht sonderlich viel Neues mitgeteilt hatte, boten seine Worte ihnen dennoch ordentlichen Anlass zum Grübeln. Selbst Raven – plötzlich hellwach - beschäftigte das Fernbleiben seines Gildenmeisters so sehr, dass sich seine Gedanken seit Tagen erstmalig nicht um das Erreichen des verborgenen Landes, um die Zahnräder der Zeit, oder gar um Reptain kreisten. Wo konnte Knuddeluff nur stecken, warum war er ausgerechnet heute der Gilde ferngeblieben, die doch sein Ein und Alles war, was besaß eine solche Wichtigkeit, dass gerade in dieser Stunde der Gilde seine Abwesenheit entschuldigte? Wusste Plaudagei wohlmöglich doch mehr, als er zugeben wollte?“
    „Wir brechen dann auf; keinen Grund, weitere Zeit zu verschwenden!“, rüttelte Plaudagei Raven mit dem vertrauten gebieterischen Klang in seiner Stimme aus seinen Gedanken. „Die Salzwasserhöhle befindet sich nordwestlich von hier. Ihr seid hoffentlich zum Aufbruch bereit?“
    Raven und Xell nickten stumm.
    „Gut, dann los. Ihr führe, ihr folgt.“


    Diese Entwicklung der Dinge kam Raven gelegen und hätte ihm auch nicht lieber sein können. Gehorsam und schweigend ihrem ungebetenen Begleiter folgend, verbrachte er und Xell den größten Teil des Morgens auf dem Weg zur Salzwasserhöhle, ohne besonders mit Plaudagei und dessen Interessen zusammenzuprallen. Einige Male schnappte Raven einige mahnende Sätze und auch Worte des leichten Spotts auf, besonders, als sie sich – zumindest in den Augen Plaudageis – etwas unbeholfen durch zerklüftetes und recht unwegsames Terrain schlugen; große Zwischenfälle, wie sie sich Raven bereits ausgemalt hatte, blieben jedoch aus.


    Eine für diese Jahreszeit recht untypische steife Brise empfing die drei Reisenden, als sie endlich ihr Ziel, eine mit zahlreichen unterschiedlichsten Meeresgewächsen überwucherte Grotte an der Rückseite eines vom Wind und Wetter deutlich gezeichneten gewaltigen Berges, erreichten. Die Luft war erfüllt von dem wütenden Rauschen des Meeres. Die Sonne hatte längst vor den düsteren Regenwolken kapituliert und sich, ihrem Willen beugend, hinter ihnen verkrochen. Der von der rauen Meeresluft aufgepeitschte schäumende Ozean brach ungezähmt auf die unzähligen kargen Klippen, die ihr feuchtes Dasein vor der Küste fristeten, und schob die Wassermassen soweit ins Landesinnere hinein, dass selbst der gut und gern zehn Meter vom Kiesstrand entfernte Höhleneingang vom Meereswasser durchtränkt wurde und jedem neugierigen Höhleneindringling sofort nasse Füße bescherte, während der ohnehin bereits weinende Himmel sich zu allem Überfluss bereits auf die schutzlos ausgelieferten Erdbewohner ergoss.
    „Letztes Mal hatten wir wesentlich besseres Wetter“, merkte Plaudagei beiläufig an, nachdem sie den Höhleneingang passiert hatten und plusterte sein Gefieder auf, dass die auf ihm liegenden Regentropfen ungelenkt in alle Richtungen spritzten. Raven und Xell, beide regelrecht den Eindruck von begossenen Pudeln machend, taten es ihm gleich und befreiten ihr Fell unter kräftigen Schütteln von der gröbsten Feuchtigkeit, bevor sie in das Innere der Salzwasserhöhle vordrangen.


    Im Gegensatz zu ihren bisher bereisten und erforschten nah am Ozean gelegenen Höhlen, zeichnete sich dieses Wunderwerk der Natur besonders von dem Umfang seines Inneren aus, hatte allerdings denselben markanten Salzwasser- und Seetanggeruch, wie ihn Raven bereits aus seinen ersten Tagen als Erkunder her kannte. Der Zahn der Zeit hatte sichtliche Spuren hinterlassen. Der von den Gezeiten geformte Bodenbelag war rau und uneben. Stellenweise lagen in besonders tiefen und hohlen Einkerbungen von der letzten Flut noch schlammige Wasserpfützen, die, wie Raven nach einem unvorsichtigen Schritt feststellen musste, ihm beim Einsinken bis zur Hüfte reichten. Felsformationen jeglicher Art und aller Größenordnungen wucherten wie wild am Wegesrand, aber auch auf dem Pfad, auf dem sie immer tiefer in das Herz der Höhle vordrangen. Allerlei glitschiges und schleimiges Meeresgewächs – wohl von der vergangenen Flut angespült und vom Meer unbarmherzig zurückgelassen – klebte am Boden, an den Höhlenwänden, ja sogar von der Decke herab. Endlich stimmte auch Raven Knuddeluff in seiner Aussage zu, dass man unmöglich diesen Ort hätte früher aufsuchen können. Nicht nur, dass das feurige Rot eines ebenfalls vom Meer vergessenen Tiefseesterns, der einsam und verlassen an einem unförmigen Felsbrockens sein trauriges Dasein fristen musste, ihm aus der Dunkelheit entgegen leuchtete, auch glaubte er für den Hauch einer Sekunde eine beschuppte Flosse an seinem Bein gespürt zu haben, als er versehentlich in eine besonders tiefe Pfütze getreten und fast bis zum Hals in der braunen Brühe versunken war.
    Völlig durchnässt, verdreckt und den Schreck noch tief in den Knochen sitzend setzte Raven an der Seite Xells und unter der Führung Plaudageis seinen Weg fort. Man konnte über Plaudagei hierbei denken, was man wollte: sein Orientierungssinn war unübertroffen. Regelrecht mit absoluter Präzision und Zielsicherheit leitete er seine beiden jungen Kameraden durch das heillose Durcheinander und Wirrwarr von Tunneln, Gängen und Abzweigungen. Für Raven nahm ein Fels das gleiche Aussehen an, wie der andere. Wenn nicht die Luft Schritt für Schritt immer stickiger geworden wäre, hätte er ebenso glauben können, dass sie sich im Kreis bewegten. Auf Plaudagei war diesbezüglich allerdings offenbar Verlass. Er schien sich wirklich noch haargenau und an jedes Detail seiner damaligen Erkundung mit Knuddeluff zu erinnern; zumindest wohl bis zu dem Punkt, wo er und sein Freund und Gildenmeister in den Hinterhalt geraten waren. Während Ravens Blick auf dem gefiederten Rücken Plaudageis ruhte, dem er stillschweigend folge, rief er sich das für Knuddeluff doch recht untypische Verhalten noch einmal in Gedanken. Irgendwie konnte sich Raven beim besten Willen nicht vorstellen, dass Plaudagei nichts über den Verbleib seines besten Freundes wusste und je länger er Plaudagei Löcher in den Hinterkopf starrte, desto sicherer wurde er: Plaudagei verheimlichte ihnen etwas. Raven ließ es auf einen Versuch ankommen.
    „Xell, hast du eigentlich mitbekommen, dass Sonnflora zu Palimpalim gemeint hat, dass Knuddeluff allen Umständen zum Trotz in den Apfelwald marschiert sein soll, um sich mit Perfekten Äpfeln einzudecken?“, fragte Raven mit maßlos übertriebener Lautstärke, damit ihn ja Plaudagei nicht überhören konnte.
    Xell wandte seinen Kopf in Ravens Richtung. Stirnrunzelnd sah er zu ihm herüber.
    „Äh, was?“
    „Ja, du hast richtig gehört: Perfekte Äpfel. Angeblich da er glaubt, wir würden mit unserer Mission keinen Erfolg haben.“
    „Von was zur Hölle ... Ach so! Ja, richtig!“, antwortete Xell plötzlich, der endlich die stumm mit dem Mund geformten Worte seines Freundes („spiel einfach mit!“) bemerkt hatte und auf die List Ravens einging. „Ja, das habe ich auch gehört- Sonnflora meinte sogar, dass sie mit ihren eigenen Augen beobachtet hätte, wie unser Gildenmeister höchstpersönlich, zwei Koffer schulternd, noch vor dem Sonnenaufgang sich klammheimlich aus der Gilde gestohlen hätte. Eine Schande Und so etwas nennt sich Gildenmeister. Oder was meinst du, Raven?“
    „Ja, da hast du absolut Recht – eine Schande. Unverantwortlich. Fahnenflucht – und das ausgerechnet von ihm ...“
    „Eure wahrhaft armseligen und dazu noch leicht durchschaubaren Versuche, irgendetwas aus mir herauszulocken, könnt ihr euch getrost schenken. Selbst wenn ich etwas wissen würde, wären solch streng vertraulichen Informationen bei mir so sicher wie in Arceus’ Schoß. Spart euch also euren Atem und prägt euch besser den Weg ein“, brummte Plaudagei ohne langsamer zu werden, geschweige denn einen Blick über die Schulter zu werfen und setzte seinen Weg unbeirrt fort. „Vielleicht seid ihr es, die bald euren Kumpanen Reptain hierher führen müsst.“
    „Jetzt mach uns doch nichts vor, Plaudagei. Dafür kennen wir dich mittlerweile viel zu gut“, ließ Xell nicht locker.
    Plaudagei schwieg.
    „Hey, was ist los? Hat es dir etwa zum ersten Mal im Leben die Sprache verschlagen?“, bohrte Xell nach.
    „Riecht ihr das? Es – stinkt ...“
    „Jetzt lenk nicht vom Thema ab! Wo steckt Knuddeluff wirklich? Spuck es schon aus!“
    Doch auch Raven war unlängst ein gar beißender Gestank in die Nase gekrochen, der von Schritt zu Schritt mehr und mehr an Intensität gewann. Er reckte seinen Kopf dem gar widerlichen Duft zum Trotz in die Höhe und sog die Luft in seinem Umfeld tief ein. Es stach, kribbelte und brannte, als ob sich das Höllenfeuer selbst zu einer heißen Party in seiner Nase eingeladen hätte und ein jeder Nerv seines hochsensiblen Geruchsinns krümmte sich vor Schmerzen, während sich sein Fell vor Abneigung sträubte. Selbst Skunktank, monatelang ungewaschen, mitsamt seinen Spießgesellen hätte niemals für einen solch grauenerregenden Geruch verantwortlich können sein und so bereute es Raven zum ersten Mal in seinem Leben, mit seinen überragend scharfen Pokémon-Sinnen gesegnet zu sein. Er konnte sich nicht entsinnen, jemals einem solch garstigen, ekelerregenden und abstoßenden Geruch ausgesetzt worden zu sein. Auch konnte er ihn einfach keiner ihm bekannten Quelle zuordnen. Instinktiv legte er sich selbst einen unsichtbaren Riegel vor die Nase und atmete nur noch durch den Mund ein. Man musste weder ein Genie sein, geschweige denn Raven heißen, um zu erkennen, dass Gefahr im Verzug lag.

  • So, wie versprochen poste ich hier.


    Da die Handlung der Geschichte weit fortgeschritten ist, werde ich mich nur allgemein und auf die letzten beiden Teilkapiteln der FF beziehen.
    Im Startpost ist alles vorhanden um sich gedanklich ein Bild über die FF zu machen. Alle Charaktere hast sehr ausführlich beschrieben und sowie hast du eine übersichtliche Inhaltsangabe erstellt (hab manchmal erlebt das keine vorhanden war). Die Idee mit Trivia könnten dich sicherlich viele Autoren deswegen beneiden. Muss sagen das es mal eine Idee ist, die ich sehr befühworte. Es zeigt das du deine Erfahrungen vom echtem Leben mit in deine Geschichte miteinbaust. Zudem zeigt es deine persöhnlichen Veränderungen zur story und klärst eventuelle Unverständlichkeiten auf.
    Anfangs dachte ich ,,Uff, ne Nacherzählung? Den Verlauf kenn ich doch in und auswendig...'' Ich habe trotzdem der FF eine Chance gegeben und mal die ersten Kapiteln durchgelesen und muss sagen das ich großen gefallen daran gefunden habe. Die Idee es mehr nach deinem Stil umzuschreiben hast du hervorragend bewerkstelligt. So hat die ganze Angelegenheit deutlich mehr Charakter und vorallem Logik bekommen. Selbst für mich, der PMD 2 schon mehrmals durschgespielt hat, war es trotzdem spannend und unterhaltsam alles zu lesen. Ortsbeschreiben gehören wohl auch zu deinem Metier. Beispiel:

    Kann sein das meine Anforderungen nicht ganz so sind wie manch andere, aber wenn ich sowas hier lese, kann ich persöhnlich nur "wow" sagen.
    Ich würde nicht schaffen so detailiert etwas zu beschreiben.
    Gerade wegen solchen Beschreiben kann man sich die Orte und Handlungen gut bildlich vorstellen.
    Was mir ebenfalls stark ins Auge fällt, ist das du sehr viele verschachtelte Sätze benutzt. So lässt sich alles flüssig durchlesen ohne das man eine Stelle zwei oder dreimal überschauen muss. Selten aber muss doch zweimal drüberschauen. Leider weiß ich nicht mehr wo solche Stellen sind. Ist ja sehr viel Text und da kann man die eine oder andere Stelle vergessen... Beim nächsten Mal vielleicht.
    Aber im neuesten Teilkapitel kommt dies nicht vor. Was aber vorkommt ist dieser kleiner unnötiger Tippfehler.

    Zitat

    „Letztes Mal hat ten wir wesentlich besseres Wetter“, merkte Plaudagei beiläufig an,

    Den Satz findest du im 6 Abschnitt des neuesten Teilkapitels. Der wird dir sofort ins Auge springen.
    Ansonsten sind Fehlerteufel bei dir schwer auszumachen. Zeichensetzung setzt du nach meinem Wissens her ebenfalls richtig.
    Die Namenswahl gefällt mir eigentlich gut. Kommt der Name Xell von Final Fantasy VIII ? Steht doch im Trivia -_-"...
    Joa, was sol ich noch sagen? Wiederholungsfehler werden wegen ausreichend großem Wortschatz vermieden, sinnvolle Zeilenumbrüche sind ebenfalls vorhanden, kann nicht meckern.


    Wie schon erwähnt erzähl noch ganz kurz etwas zu den beiden Teilkapiteln

    Part II:


    Dieses Kapitel bringt die Handlung nur etwas weiter, dafür aber wird hauptsächlich die allgemeine Situation und die Gefühle von Raven näher erwähnt.
    Gefühle wie Sorgen, Angst und Vorfreude hast du wunderbar hier geschildert. Zudem sind bei dir Schatzstadt beinahe keine Einwohner. Im Spiel sind alle Bewohner ja noch da, aber deine Version scheint mir logischer.
    Nur frage ich mich wie Raven aus einem Becher trinken soll, da er ja ein Vierbeiner ist. Benutzt er sowas wie ein Strohhalm oder packt er es mit seinen Vorderpfoten? Kann sein das ich es verpasst habe das du es schon mal erklärt hast, nur wollte ich es noch mal schnell erwähnen.


    Part III:


    Hier hast du offensichtlich viel Wert auf Ortsbeschreibungen gelegt, was bei einer Dungeon natürlich nicht fehlen darf.
    Auf Gefühle von Raven bezüglich dem verborgenen Land oder Reptain bist du nicht eingegangen, hast dich aber dann mehr auf die momentane Situation gekümmert. Gut das du beschreibtst das Raven Plaudagei gegenüber Misstrauen zeigt. Plaudagei hat sich ja bei deiner Version keine goldene Nase verdient. Was mich nur ärgert, dass du gerade an Spannenden Stellen aufhöhrst zu schreiben... x3
    Damit zwingst du mich weiterlesen zu wollen. Schätze wohl das solche Endungen geplant sind.
    :D


    Sorry, hier ist viel mehr Lob als Kritik vorhanden. Bist ja nicht umsonst im Profbereich.
    Das nächste Mal versuche ich näher auf die Protagonisten einzugehen.
    Meine Meinung ist, dass du deine Arbeit sehr gut machst und ich persöhnlich hoffe das du bald weiterschreibst.


    LG Nuke alias Viti

  • [tabmenu][tab=:3][subtab=Vorwort]So, nun bin ich endlich dazu gekommen, die FF zu Ende zu lesen und nun kommt, wie versprochen, mein Kommentar dazu. Ich muss sagen, ich war echt lange dabei, bis ich die Kapitel durch hatte, aber ich habe es mir gut aufgeteilt und somit war es auch ein richtiger Spass, die FF zu lesen. Ich versichere dir erneut, dass ich es vollkommen freiwillig tue und es für mich auch mal eine ganz neue Herausforderung ist, eine Story im Profibereich zu kommentieren. Gut, vielleicht kann man es nicht wirklich als Herausforderung bezeichnen, aber auf jeden Fall war es etwas Neues.


    Da du ja für deine Parts von Kapitel 18 schon einen Kommentar bekommen hast, werde ich mich hier eher auf die allgemeinen Dinge konzentrieren (Stil, häufige Fehler etc.) Dann werde ich einfach dann genauer kommentieren, wenn du etwas Neues am Start hast. Wenn es geht, hätte ich also gerne eine Benachrichtigung per GB, wenn ein neues Kapitel bzw. ein neues Part erschienen ist. Falls du das aber nicht machen möchtest, kann ich auch gerne immer wieder hier reinschauen ;3 Nun ja, genug des Vorwortes, nun zu meinem eigentlichen Kommentar.[subtab=Kommi]Also gut, wo fangen wir an? Nun ja, ich denke, ich beginne mit dem, was mir nicht sonderlich positiv ins Auge gestochen ist. Da wären zum Einen schonmal die Klammern, welche ab und zu im Text auftauchen. Nun ja, ich denke, es ist eher eine persönliche Meinung, aber wie soll ich sagen, mich stört das immer ein wenig ^^" Besonders mein Lesefluss wird dadurch ein wenig durcheinander gebracht, und das ist natürlich nicht sonderlich gut. Es klingt einfach ein wenig stockender, wenn man da plötzlich Klammern vor Augen hat, die da auch noch irgendetwas Nebensächliches anmerken, was ja eigentlich gar nicht nötig gewesen wäre. Versteh mich jetzt nicht falsch, ich habe nichts gegen Dinge, welche für den Text nicht wichtig sind, ich mag "unwichtige" Details sogar sehr. Dennoch solltest du sie meiner Meinung nach in einer für einen Text geeigneteren Form darstellen als in einer Klammer, da die die meisten Leute stört, denke ich. Vielleicht könntest du die Klammern einfach durch Kommas ersetzen, das wäre meiner Meinung nach genauso geeignet ^^


    Meine nächste Anmerkung bezieht sich auf das Capsen, wenn ein Chara schreit. (Tolle Umschreibung, lawl...) Jedenfalls tust du das leider relativ oft, und das stört mich persönlich ziemlich. Man kann durchaus, wenn jemand schreit, einen Vokal vielleicht dreifach schreiben, das ist nicht so ein Problem, auch wenn ich auch das nicht sonderlich gut finde. Jedenfalls solltest du dir das vielleicht abgewöhnen. Nun ja, ich finde einfach, dass ich das anmerken sollte, da es meines Wissens nach nicht nur mich selbst ein wenig stört. Ich glaube zwar auch, dass du das nur tust, weil im Spiel ebenfalls alles gross geschrieben wurde, um die Emotionen auszudrücken, aber... Nun ja, ich persönlich finde das in einem Text nicht so toll. Zwar ist es verständlich, dass du es tust, aber da dies ja immer noch trotz allem eine Fanfiction ist und nicht ein Spiel, wo so etwas normal ist, ist es meiner Meinung nach ein wenig störend. Dennoch ist es aufgrund der Umstände, dass es eben eine Nacherzählung ist, dann doch relativ plausibel und schlussendlich liegt die Entscheidung ja bei dir. Und mehr fällt mir hierzu gerade nicht ein, tut mir leid ^^"


    Tja, genug der bösen Worte, kommen wir nun zu den Sachen, welche mir persönlich wirklich gut gefallen und welche es schlussendlich dann auch dazu gebracht haben, ein aktiver Leser deiner Story zu werden. (Ich gebe mir Mühe, ein guter aktiver Leser zu sein ;3) Erstmal wären da wohl die Bilder zu erwähnen, welche du da regelmässig einfügst. Ich muss sagen, das lockert alles ungemein auf und man bekommt wirklich das Gefühl, als würde man wirklich das Spiel spielen, nur irgendwie in einer verbesserten Version. Durch die Bilder weiss man genau, wie man sich etwas vorzustellen hat, und auch für Personen, welche gern ihre Fantasie selbst spielen lassen, sind sie nicht irgendwie störend oder so. Es ist einfach Tatsache, dass ohne die Bilder wahrscheinlich der viele Text einen beinahe erschlagen würde, da zumindest einige deiner Kapitel ja wirklich wahnsinnig lang sind. Aber nun ja, zum Glück gibt es die Bilder ^^ Wahrscheinlich ist es auch ein ziemlicher Aufwand, die da alle reinzubekommen, oder?


    Dann kommen wir zum Schreibstil. Wie oben schon erwähnt fühlt man sich beim Lesen deiner FF, als würde man selbst eine verbesserte Version des Spiels spielen, und das gefällt mir ausserordentlich gut, da ich persönlich mich mit der Story von PMD2 nicht sonderlich gut auskenne. Ich habe es zwar durchgespielt, aber irgendwie war ich da immer so passiv, keine Ahnung, jedenfalls habe ich durch deine FF jetzt endlich alles kapiert, jedenfalls bis dahin, wo du gerade steckst. ^^ Nun ja, das alles liegt meiner Meinung nach nur zu einem kleinen Teil an den Bildern und viel eher an deinem genialen Schreibstil. Du weisst genau, wo du am besten hübsche Details hinsetzt und erzielst damit die wohl erhofften Emotionen. Es gibt Stellen, welche eigentlich nicht so lustig sind, die ich aber durch den Schreibstil als wirklich witzig empfand. Es kommt nicht vor, dass ich beim Lesen Emotionen zeige, aber hie und da musste ich schon grinsen oder wurde auch richtig traurig, wie es die Situation eben verlangte. Man kann sich einfach richtig in deine Story hineinversetzen, man fühlt mit Raven und Xell mit und würde am liebsten selbst mit ihnen auf Erkundungstour gehen. Meiner Meinung nach ist besonders dies deine Stärke und ausserdem einer der wichtigsten Punkte, wenn nicht gar der Wichtigste, um eine gute Fanstory zu schreiben. Das hast du drauf, und daran gibt es auch überhaupt keinen Zweifel :3


    Nun zu den Charakteren. Sie sind wirklich sehr vielseitig und haben alle eine ganz bestimmte Tiefe. Man merkt, dass du dir bei den Charas wirklich sehr viel Mühe gegeben hast, besonders natürlich bei Raven und Xell. Natürlich, durch das Spiel waren gewisse Charakterzüge schon vorgegeben, dessen bin ich mir bewusst. Dennoch hast du noch etwas Eigenes hineingebracht und Raven ist wohl sowieso völlig deine eigene Kreation ;3 Besonders gut gefällt mir hier, dass auch der Protagonist, also Raven, hier eine Tiefe hat. Im Spiel selbst ist er ja eigentlich mehr passiv aktiv und hat keinen wirklichen Charakter, nur an wenigen Stellen sieht man überhaupt, wie der Chara reagieren würde. Hier in deiner FF jedoch ist das ganz anders und Raven ist beinahe der tiefgründigste der Charaktere ^^


    Dann will ich auch noch kurz etwas über deine Überschriften loswerden ^-^ Ich muss sagen, mir gefallen sie alle, besonders die der eigentlichen FF. "Die Zeitkrise", das lässt bereits ahnen, um was es gehen wird, aber richtig bewusst ist einem dennoch nicht, was auf einen zukommt. Durchaus könntest du mit diesem Titel einige Leser anlocken, allerdings ist das schwierig, weil du natürlich eine enorm grosse FF hast ;3
    Die einzelnen kleinen Titel der Kapitel finde ich auch wirklich gut, muss ich sagen. Ein jeder davon ist passend, jeder hat etwas Eigenes und jeder ist kurz und verrät nicht sonderlich viel vom Inhalt. Also genau so, wie ein Titel sein sollte, und mehr habe ich da jetzt auch nicht wirklich hinzuzufügen ^^"[subtab=Ein paar kleine Abschlussworte]So, das war dann auch schon mein Kommentar :3 Ich hoffe, du kannst damit etwas anfangen und ich würde mich, wie schon erwähnt, sehr über eine Benachrichtigung per Gästebucheintrag freuen.


    Btw fällt mir gerade auf, dass wir bei Beiträgen die gleichen Formatierungen benutzen oô[/tabmenu]
    ~Chiyo

  • Part IV: Déjà-vu


    Erdrückend schwer lag der beißende, durch Mark und Bein gehende Gestank in der Luft. Eine wirksame Waffe gegen jeden unerwünschten Eindringling, der die Dreistigkeit besaß, in das Heiligtum dieses Ortes vorzudringen, um dessen Geheimnise zu lüften. In dem Falle der drei ungleichen Erkunder, war dies allerdings lediglich ein weiteres Hindernis, das sie auf ihrem Weg in das verborgene Land überwinden mussten; komme, was da wolle.
    Xell und Plaudagei pressten sich angewidert Hände und Flügel gegen Nase und Schnabel. Raven dagegen war zur Unfähigkeit verdammt und somit schutzlos dem ganzen Ausmaß dieser zerstörerischen Duftnote ausgeliefert. Tränen standen ihm in den Augen und das Innere seiner Nase brannte fegefeuergleich. Einzig und allein der Gedanke an den langsam vor sich hinbröckelnden Zeitturm und das, was sie erwarten würde, sollten sie in ihrem Vorhaben scheitern, hielt seinen Geist zusammen und half ihm dabei, nicht jeden Moment den Verstand zu verlieren.
    Man warf sich einander teils fragende, teils angeekelte Blicke zu, wagte aber nicht, auch nur einen Spalt weit den eigenen Mund oder Schnabel zu öffnen. Die Ratlosigkeit, die sich in den Augen eines jeden Gefährten widerspiegelte, war der Worte genug. Sie nickten einander stumm zu und zogen dem heranströmenden Gestank entgegen.



    Raven, der sich – mehr oder weniger freiwillig - zur Spitze vorgekämpft und somit die Führung der Gruppe übernommen hatte, zog mit seinem eigenen Körper eine Schneise in die Luft, in der sich Xell, dicht gefolgt von Plaudagei, bewegten. Was ihm sich auch in den Weg stellen würde – nichts könnte ihn aufhalten oder gar zur Umkehr bewegen. Blitze, Klauen und Zähne – er würde dem bevorstehenden Übel alles, was er besaß und ohne Rücksicht auf sein eigenes Wohl, entgegenwerfen.


    Der Gestank gewann zunehmend an Intensität. Den Eindringlingen wurde jedes Quäntchen saubere Luft regelrecht aus den Lungen gepresst und mit der übelriechenden Substanz ersetzt.
    Ravens tränennasse und rote Augen weiteten sich vor Entsetzen. Abrupt blieb er in seinen Bewegungen verharrend und wurde sogleich von seinen beiden Hintermännern unsanft angerempelt. Seinem Mund, den er seit Minuten nur noch so weit wie nur unbedingt nötig zum Atmen geöffnet hatte, entwich ein Aufruf des Ekels und Abscheus. Die gestrige Flut hatte ihren grausamen Tribut gefordert. Die Luft, in den Tiefen dieses dunklen und feuchtmodrigen Orts auch so bereits unglaublich stickig und dünn, war versetzt mit nichts anderem als dem Gestank des Todes und der Verwesung. Der Boden glich einem Schlachtfeld - ein Schlachtfeld aus bereits wurm- und madenzerfressenen Kadavern. Silbrige Schuppen glänzen ihnen entgegen. In den weit aufgerissenen Augenpaaren unzähliger den Gezeiten zum Opfer gefallener Fische spiegelte sich das Grauen von Raven, Xell und Plaudagei wider, dem sie sich entgegen sahen.
    Raven warf einen flüchtigen Blick über die Schulter in die von Abscheu verunstalteten Fratzen seiner Begleiter, nickte ihnen kurz aber vielsagend zu, wandte sich von ihnen ab und kniff beide Augen so fest zusammen, dass nur noch ein winziger Spalt offen blieb, gerade groß genug, um seine Füße sicher durch den aasgesäumten Parcours zu führen. Seine Atmung beschränkte er, während er sich seinen Weg vorbei an den Leichnahmen suchte, auf ein absolutes Minimum. Doch die Atemnot trieb ihm schon fast den Wahnsinn in den Kopf. Seine Schritte wurden instinktiv schneller, seine Bewegungen aber zunehmend unkontrollierter und einige Male schwankte er bedrohlich. Über einen besonders korpulenten Fisch, der nun nichts mehr weiter als eine sättigende Mahlzeit für eine Madenkolonie war, stolperte er auf seinen schwankenden Schritten schließlich. Ravens Knie bebten gefährlich und auf selbige sackte er auch für einige Sekunden hinab, bevor er, nur Augenblicke später, sich zähneknirschend erhob und ohne Rücksicht auf Verluste in das Unbekannte vor ihm hechtete.


    Xell übergab sich unspektakulär, dafür aber umso lautstärker, abseits seiner Freunde hinter einem Felsen. Auch Raven war speiübel und er bereute die kleine Mahlzeit, die er diesen Morgen zu sich genommen hatte, schaffte es jedoch, seinen Magen im Zaum zu halten. Die drei hatten zwischen sich und den stinkenden Kadavern gehörige Distanz gewonnen. Die Höhle besaß an diesem Punkt wieder mächtig Raum, unterschied sich aber nicht sonderlich von dem bisher gesehenen. Feucht, dunkel, mit schroffen Felsen übersäht und hier und da die ein oder andere Pfütze – dafür aber frei von den bedauernswerten Kreaturen, die sich hinter ihnen langsam in ihre Bestandteile auflösten. Noch immer lag eine dezente Aasduftnote in der Luft, doch ließ es sich hier einigermaßen aushalten. Raven trat nächst zu Plaudagei, dessen Schnabel nicht mehr ganz so rosa zu sein schien, wie ihn Raven in Erinnerung hatte.
    „Wohin jetzt?“, fragte Raven.
    Plaudagei antwortete nicht. Ganz langsam wanderte sein gefiederter Kopf von einer Seite der Höhle zur anderen bis sich die seinen Augen mit denen Ravens kreuzten.
    „Plaudagei?“
    „Es - es war hier ... Ja, ganz sicher - hier ...“
    „Was meinst du mit ,hier’? Was war hier?“, fragte Raven. Plaudagei schien ihn aber zu überhören. In heller Aufruhr wirbelte sein Kopf umher, scheinbar stets auf der Suche nach etwas ganz Bestimmtem, doch schien er nicht fündig zu werden.
    „Was war hier?“, wiederholte Raven, nun noch lauter. Plaudagei zuckte erschrocken zusammen.
    „Hier, an dieser Stelle“, begann er langsam, „endete Knuddeluffs und meine Erkundung.“ Er schluckte fest. „Wir wurden überfallen, von irgendetwas überrannt, etwas traf mich am Kopf, ich kann mich nicht mehr erinnern. Nur noch ein Schmerz in meinem Kopf ... Ich erwachte und da waren Knuddeluff und ich auch schon weit entfernt von diesem Ort. Der Gildenmeister war getürmt und hat mich in Sicherheit gebracht.“
    „Aber sie sind nicht hier - nicht heute“, stellte Raven fest.
    „Ja ...“, antwortete Plaudagei tonlos. „Nicht heute ...“
    „Was sollen denn die langen Gesichter?“ Xell war zu ihnen gestoßen. Noch immer leicht grün im Gesicht, machte er aber einen wesentlich fitteren Eindruck, als Plaudagei.
    „Nicht so wichtig“, antwortete Plaudagei. „Gehen wir weiter. Die Stelle, von der Knuddeluff gesprochen hat, kann nicht mehr weit sein.“
    Xell hob nachdenklich eine Augenbraue. „Weiter seid ihr nicht gekommen? – Moment! Ist es etwa hier? Wurdet ihr hier hinterrücks attackiert?“ Wie auf Kommando huschte auch Xells Kopf hin und her, stets auf der Suche nach einem möglichen Überfallskommando.
    „Es ist nichts hier“, sagte Plaudagei, mehr zu sich selbst, als zu Xell. „Gehen wir.“


    Sie folgten einander. Plaudagei war wieder an der Spitze, bewegte sich aber äußerst wachsam. Nicht nur einmal suchte sein Augenpaar die Höhlenwände nach Bewegungen und Aktivitäten ab – ohne Erfolg. Nichts rührte sich. Nichts war da, was ihnen auch nur ansatzweise gefährlich werden konnte. Sie hatten den Raum schon fast durchquert, als Plaudagei seine Schritte verlangsamte, bis er schließlich gänzlich zum Stillstand kam.
    „Es war genau hier ...“, flüsterte er. „Hier, ein heftiger Schlag gegen den Kopf, ich wurde ohnmächtig ...“
    „Aber du siehst doch: es ist niemand hier“, sagte Xell. „Lass uns weiter gehen.“
    Plaudagei aber rührte sich nicht. In heller Panik huschte sein Augenpaar durch den ganzen Raum.
    Xell stöhnte ungeduldig und auch Raven verlor langsam aber sicher die Geduld. Irgendwie aber ... Auch er hatte ein ungutes Gefühl. Schon bei ihrer Ankunft in diesem Raum war ihm ein eisiger Schauer über den Rücken gejagt. Sein ganzer Körper – selbst seine Nase – kitzelte alarmierend. Jetzt aber zurückweichen? Sich von einem dummen Nasenkratzen ins Bockshorn jagen lassen? So kurz vor ihrem Ziel? Keine Chance!
    „Weiter!“, drängte Raven.
    „Wir – wir werden beobachtet ...“, murmelte Plaudagei so leise, dass es einem Flüstern gleich kam.
    „Was?“
    „Geht zurück ...“
    „Wieso? Was ist los?“
    „Zurück, sage ich!“
    Plaudagei spreizte seine beiden Flügel und drängte Raven und Xell bestimmend nach hinten. Eine gespenstische Stille lag plötzlich im Raum, während sich die beiden Freunde ratlose Blicke zuwarfen. Nur das schlichte Aus- und Einatmen und das leise Tropfgeräusch von Wasser, das unaufhörlich von der Decke perlte, war zu hören. Abermals – ein Wassertropfen schlug leise auf den Boden ein, direkt vor Plaudageis Füße. Langsam wanderte sein Kopf an die Decke. Langsam, ganz langsam ...


    „Weg!“
    Die Ereignisse überschlugen sich. Nur Augenblicke nachdem Plaudageis schrille, von Panik zerfressene Stimme durch die Höhle echote, sah sich Raven plötzlich in einem Berg voll Federn begraben. Plaudagei hatte sich mit einem Hechtsprung nach hinten geworfen, nur Wimpernschläge bevor drei schwergepanzerte – einer davon mit scharfen Klauen bespickt – Körper genau an dem Punkt auf den Boden krachten, wo Plaudagei eben noch gestanden hatte. Xell, der vor Schreck nach hinten umgekippt war, rappelte sich als erstes fluchend auf, nur dicht von Raven gefolgt, der das auf sich liegende, hektisch flügelschlagende Federbündel mühsam von seinem eigenen Leib hievte. Sein Herz bebte. Ein Stampfen näherte sich bereits seiner Position. Die Krallen des größten - wie schwere Regentropfen von der Decke gefallenen - Fremden kratzten unheilvoll, während er mit hoch erhobenen Pranken auf Raven, Xell und Plaudagei zumarschierte. Auch Plaudagei hatte inzwischen wieder festen Stand. Seine Augen blitzten im Angesicht der Gefahr auf, sein Schnabel verzog sich zu einer angriffslustigen Grimasse.
    „Nicht dieses Mal!“, war sein Schlachtruf, als er sich, dicht von Raven und Xell gefolgt, in den Kampf stürzte.

  • Hallöchen auch, da es ja etwas weitergeht, konnte ich mir ein Kommi nicht verkneifen.^^
    Nun, sehr viel werde ich jetzt nicht sagen, aber mal sehen was so rauskommt.


    Man, ich musste mich erstmal wieder in die Geschichte hier einleben. Raven, der ja ein Sheinux ist, hat da andere Charakterzüge als der Sheinux in Pflicht und Ehre. Weiß nicht ob es für dich eine größere Umstellung war, aber soweit ist dir diese weitgehend gelungen.
    Das Hauptaugenmerk in diesem Kapitel, war dieser widerliche Gestank. Man erwähnte ihn sehr oft und das Leiden Protagonisten war auch sehr gut rüber gebracht, nur fiel es mir zu Anfang etwas schwer es mir vorzustellen, wonach es mehr oder weniger riecht. Aufgeklärte Spieler vom PMD hätten da eher auf Skuntanks Duftnote getippt, aber als es sich um Verwesung handelte, war es wieder eine andere Sache. Wenn wir schon bei diesem Thema sind: Es hat zumindest mich doch sehr überrascht was die Quelle des Gestanks war, also die Kadaver und so. Wie gesagt, Skuntank war ja die offensichtlichste Quelle des Geruchs, nur war es fraglich, wie du den Moment beschreiben solltest, indem er Xells Reliktfragment stiehlt und dann mir nichts dir nichts abhaut, so zumindest im Spiel definiert. In der Umgebung, so wie du sie beschrieben hast, wäre dies ja eher unpassend. Tja, daher finde ich deine Version schon eher gelungener.
    Auch "Kleinigkeiten" wie sich zum Beispiel Xell übergibt, gaben der Sache mehr ernst und...ja, sagen wir Realismus.
    Die Begegnung mit den drei Krustentieren hast du sehr spannend beschrieben. Plaudagei schien bei weitem nicht mehr so vorlaut und nervtötend zu sein, wie man es sonst von ihm gewohnt ist; deutlich ängstlicher und vorsichtiger. Auch auffällig ist, dass du Plaudagei mehr oder weniger einen Grund dazu gegeben hast, nach oben zu schauen. Das von der Decke tropfende Wasser vor den Füßen landen zu lassen, ist ja einem selber irgendwann etwas auffällig und man schaut halt nach oben, um zu sehen, warum es das tut. Erst recht bei so einer Situation, in der man alles erwartet. Solche Szenen sind mir schon des öfteren untergekommen, passte hier auch sehr gut.


    Wirklich Kritik kann ich wieder nicht so ganz fassen. Es schien mir aber etwas so, das du dich ein klein wenig wieder in die Charaktere und so einleben musst. Ist aber wieder eine wage Vermutung von mir, da es mir nur so erscheint. Wenn es nicht dem so ist, dann kannst du das gerade Gelesene getrost ignorieren.
    Zu guter Letzt bin ich über kleine Fehlerchen gestolpert und kann es nicht lassen, diese auch zu vermerken.

    Zitat

    In den weit aufgerissenen Augenpaaren unzähliger den Gezeiten zum Opfer gefallener Fische spiegelte sich das Grauen von Raven, Xell und Plaudagei wider, dem sie sich entgegen sahen.

    Ich würde meinen, dass es vor Raven, Xell und Plaudagei heißen sollte.

    Zitat

    Nicht rührte sich. Nichts war da, was ihnen auch nur ansatzweise gefährlich werden konnte.

    Ebenfalls wohl ein Vertipper. Nichts rührte sich. [...]


    Tja, wenn Fehler, dann nur kleine, die sich optisch gut verstecken.


    Das wars auch schon. Es hat mir wirklich gefallen, dass du wieder hier weitergeschrieben hast. Es wäre super, wenn du das Projekt bald beenden würdest - so zumindest meine Meinung. ;3


    ~Nuke

  • Hallihallo, Eagle^^


    Ich hatte dir ja schon einmal in deinem Gästebuch vermerkt, wie angetan ich von deinen Geschichte bin. Und für "Die Zeitkrise" wollte ich dir gerne einen Kommentar da lassen, da ich dein Werk einfach großartig finde und da hier ja bei weitem nicht so viel Feedback bekommen hast, wie für "Pflicht und Ehre".
    Allerdings habe ich mir zunächst einmal nur die ersten beiden Kapitel vorgenommen. Ich hoffe, es ist ok für dich, wenn ich trotzdem schon kommentiere.


    Aber kommen wir erst einmal zu deinem Startpost: Ja, was soll man dazu sagen? Er ist wirklich sehr gut gelungen. Du hast alle wichtigen Informationen eingefügt und warst dabei zusätzlich sehr ausführlich. Gefällt mir wirklich gut. Allerdings würde ich den Prolog eher als Inhaltsverzeichnis bezeichnen.
    Ich würde gerne deine Trivia besonders hervorheben: Die ist einfach großartig! So ausführlich, mit tollen Zusatzinformationen, die mir als Leser große Freude bereiten. Es ist interessant zu sehen, warum du welche Aspekte, Sätze usw. in deine Geschichte eingebaut hast. Außerdem ist die Trivia ein Zeugnis davon, wie viel Gedanken du dir tatsächlich über deine FF gemacht hast. Ich rechne es einem Autor immer hoch an, wenn er viel Herzblut in seine Werke steckt und das ist hier definitiv der Fall. Einfach toll!


    Weiter geht es zu dem Herzstück: Der eigentlichen Geschichte.


    Kapitel 1: Ich habe eine schwäche für Nacherzählungen und wenn ich selber welche schreibe baue ich auch immer Aspekte ein, die im "Original" nicht wirklich beleuchtet werden. Aber du machst das mit einer solchen Genauigkeit, dass ich nur staunen kann. Ich selbst hätte z.B. nicht darüber nachgedacht, dass Raven anfangs Probleme mit dem Laufen auf vier Beinen haben könnte.
    Positiv anzumerken sind aufjedenfall auch die Dialoge. Sie wirken richtig lebendig und absolut glaubwürdig. Besonders toll ist das erste Gespräch zwischen Raven und Xell. Auch den Gefühlswandel letzteren, der sich zunächst etwas über das verwirrte Sheinux amüsiert und dann doch den Ernst dessen Lage erkennt, ist dir sehr gut gelungen. Im Allgemeinen hast du ein Talent dafür, die Gefühlswelt deiner Charaktere lebendig und doch nicht überladen erscheinen zu lassen. Ich hatte an keiner Stelle das Gefühl, dass irgendeine Gefühlsregung nicht zu dem Charakter passen würde, der sie gezeigt/empfunden hat.
    Smogon und Zubat, die beiden Raufbolde, stellst du ebenfalls herrlich da. Ihre arrogante, selbstsichere Art und ihr Hang zur Bösartigkeit kommt einfach super rüber. Viele Autoren haben Probleme, solche doch recht klischeehaften Charaktere realistisch erscheinen zu lassen. Dir ist das meiner Meinung nach sehr gut gelungen.
    Ganz besonders schön sind natürlich auch die Umgebungsbeschreibungen, die du hast einfießen lassen. Wie es dir gelingt, aus einem kleinen Bildchen auf dem DS eine ganze, wundervolle, facettenreiche Welt zu erstellen ist mir ein Rätsel. Vom ersten Satz des Kapitels an, war ich in der Geschite gefangen und konnte die eigentliche Welt um mich herum vergessen. So sollte es beim Lesen immer sein. Einfach nur toll!
    Zuletzt möchte ich noch erwähnen, dass ich den Kampf gegen das wilde Pokémon innerhalb des Dungeons einfach überragend fand. Anstatt einen einfachen Schlagabtausch zu beschreiben, bringst du viel mehr Realismus mit ein: Nicht nur das Rammen selbst, auch das Schleifen über den Boden verletzt die Charaktere. Sie sind nicht nur auf Angriff konzentriert, sondern es spuken ihnen auch andere Gefühle im Kopf herum, z.B. Sorge um ihren Partner usw. Einen so gut beschriebenen Kampf habe ich selten gelesen. Da könnte ich den ganzen Tag von schwärmen.
    Das einzige, was mir aufgefallen ist, ist, dass du häufig "Meers" benutzt. Z.B. "Das Rauchschen des Meers". Ich persönlich finde, "Meeres" hört sich etwas eleganter an. Aber das ist natürlich dir überlassen.


    Fazit: Einfach ein tolles Kapitel! Warum soll ich meckern, wenn es da einfach nichts gibt, was ich kritisieren würde? Wirklich ein klasse Einstieg.



    Zu Kapitel 2: Ich kann dir nicht viel anderes sagen, als zum ersten Kapitel auch. Auch in diesem kommt es zu einem wunderbar realistischen Kampf, großen Gefühlen und tollen Dialogen. Die Umgebungsbeschreibungen sind dir hier sogar noch besser gelungen, als im ersten Kapitel. Die Feuchtklippe habe ich, aufgrund der Darstellung im Spiel, tatsächlich nie als eine Klippe gesehen. Doch du hast daran gedacht und sie auch so beschrieben. Toll auch, wie Raven und Xell mit jedem vergangenen Satz noch mehr zum Leben zu erwecken scheinen. Wenn ich nicht aufpasse, stehen die beiden irgendwann plötzlich in meinem Wohnzimmer^^ Sie haben einfach so realistische, sympathische Züge und benehmen sich wie im echten Leben. Besonders super gefiel es mir, wie sie vollkommen verschlafen sich selbst gar nicht erkannten. Eine schöne Stelle, die regelrecht zum schmunzeln einlädt.
    Desweiteren fand ich es toll, dass du Plaudagei das Durcheinandergeraten der Zeit als Ammenmärchen abtun lässt. Ich empfand es im Spiel immer als einen Fehler, dass er zu Beginn so groß von diesem Durcheinander spricht und später eigentlich gar nicht an dieses glaubt. Dieses Problem hast du somit direkt ausgemerzt. Ich glaube, deine Geschichte gefällt mir bald besser, als das eigentliche Spiel. Und von dem bin ich doch ein recht großer Fan.


    Einen kleinen Logikfehler habe ich jedoch entdeckt:

    Zitat

    Ravens Blick schweifte interessiert über den Papierkrieg, musste sich aber sogleich seiner mangelnden Pokémonschrift-Lesefähigkeit geschlagen geben.


    Zu Beginn des Kapitels erscheint es so, als würde Raven das Schild vor dem Eingang zur unteren Etage lesen. In diesem Satz sagst du jedoch aus, dass er die Pokemonschrift gar nicht entziffern kann. Vielleicht hat Raven das Schild am Anfang nicht gelesen, aber wenn nicht, könntest du das vielleicht etwas deutlicher machen.


    So, dass war es eigentlich schon zu deinem zweiten Kapitel.



    Wie du siehst, gefällt mir deine Nacherzählung außerordentlich gut. Viel konstruktive Kritik kann ich dir daher nicht geben. Aber, da du deine FF ja zurzeit überarbeitest, habe ich um dir zu helfen mal ganz ausführlich nach Fehlern Ausschau gehalten:


    [tabmenu]
    [tab='Kleine Fehlerchen']
    [subtab='Kapitel 1']

    Zitat

    Stundenlang, so schien es ihm, rannte er ziellos weiter, und ohne überhaupt darauf zu achten, wo ihn seine Beine hintrugen; hauptsache weg von diesem Ort.


    Stundenlang, so schien es ihm, rannte er ziellos weiter, und ohne überhaupt darauf zu achten, wo ihn seine Beine hintrugen; Hauptsache weg von diesem Ort.


    Zitat

    Sein Herz kam endlich wieder zur Ruhe und seine Atmung nahm auch wieder zur Normalität an.


    Das "zur" muss weg.


    Zitat

    Gleichzeitig ließen die wenigen Sonnenstrahlen die Blubberblasen in der Luft in alle Regenbogenfarben aufleuchten.


    Gleichzeitig ließen die wenigen Sonnenstrahlen die Blubberblasen in der Luft in allen Regenbogenfarben aufleuchten.


    Zitat

    Xell wusste gar nicht wie um ihn geschah, als er plötzlich nichtsahnend seinen rechten Fuß in etwas merkwürdig weiches, das ich seinem Weg lag,


    Xell wusste gar nicht wie um ihn geschah, als er plötzlich nichtsahnend seinen rechten Fuß in etwas merkwürdig weiches, das in seinem Weg lag,


    Zitat

    Nach einem weiteren Versuch gelang es Raven endlich aufzustehen und hielt, wenn auch etwas unbeholfen, sein Gleichgewicht auf eigenen Beinen.


    Da fehlt ein "er" zwischen "und" und "hielt".


    Zitat

    sagte das eine Pokémon, welches wie ein großer lila Luftballon aussah, dabei jedoch nicht danach klang, dass er seine Entschuldigung ernst gemeint hatte.


    sagte das eine Pokémon, welches wie ein großer lila Luftballon aussah, dabei jedoch nicht danach klang, dass es seine Entschuldigung ernst gemeint hatte.


    Zitat

    „Sehr nett von dir ...“, stammelte Xell, schluchzte ein letzten Mal einmal und rieb sich seine leicht befeuchteten Augen.


    „Sehr nett von dir ...“, stammelte Xell, schluchzte ein letztes Mal ["einmal" weg] und rieb sich seine leicht befeuchteten Augen.


    Zitat

    Die Luft war erfüllt von gespenstichen Klick-Geräuschwn, die die unheimliche Stille schlagartig beenden.


    Die Luft war erfüllt von gespenstichen Klick-Geräuschen, die die unheimliche Stille schlagartig beendeten.


    Zitat

    „Äh, gut. Dann lass uns mals hoffen, dass wir solange ungestört bleiben, bis wir deinen Schatz gefunden haben.“


    „Äh, gut. Dann lass uns mal hoffen, dass wir solange ungestört bleiben, bis wir deinen Schatz gefunden haben.“


    Zitat

    Mit einem lauten Klatschen viel Zubat auf den mit einer Salzwasserlake bedeckten Boden, wo er völlig regungslos liegen blieb.


    Mit einem lauten Klatschen fiel Zubat auf den mit einer Salzwasserlake bedeckten Boden, wo er völlig regungslos liegen blieb.


    Zitat

    Smogon und Zubat haben recht: ich bin wirklich eine Memme und auch ein Feigling.“


    Smogon und Zubat haben recht: Ich bin wirklich eine Memme und auch ein Feigling.“


    Zitat

    Xells Ohren liefen rosa an, ließ aber den Kopf bedrückt von der Schulter baumeln.


    Xells Ohren liefen rosa an, aber er ließ den Kopf bedrückt von der Schulter baumeln.


    [subtab='Kapitel 2']

    Zitat

    Nur das Klappern von Xells Zähnen und das Lodern der Fackeln war zu hören, bis sich die andere Stimme wieder erschalte.


    Nur das Klappern von Xells Zähnen und das Lodern der Fackeln war zu hören, bis sich die andere Stimme wieder einschaltete. (Oder: [...]bis die andere Stimme wieder erschallte.


    Zitat

    Doch niemand schien bislang Kenntniss von den beiden Besuchern genommen zu haben;


    Doch niemand schien bislang Kenntnis von den beiden Besuchern genommen zu haben;


    Zitat

    Hat es euch etwas die Sprache verschlagen?“


    Hat es euch etwa die Sprache verschlagen?“


    Zitat

    Xells Stimme wurde inzwischen immer heißer; gleichzeitig begann er kräftig zu stottern an.


    Xells Stimme wurde inzwischen immer heiserer; gleichzeitig begann er kräftig zu stottern an.


    Zitat

    „Das hier“, sagte Knuddeluff und deutet ein mit einer Schlaufe versehenes Stück Pergament,


    „Das hier“, sagte Knuddeluff und deutete auf ein mit einer Schlaufe versehenes Stück Pergament,


    Zitat

    Er selbst lag dagegen noch einige Zeit, auf dem Rücken liegend und sanft auf Stroh und Heu gebettet, und starrte regungslosan die Zimmerdecke.


    Er selbst lag dagegen noch einige Zeit, auf dem Rücken liegend und sanft auf Stroh und Heu gebettet, wach und starrte regungslosan die Zimmerdecke.


    Zitat

    Wie ein großer Felsbrocken fiel zu plötzlich vom Himmel herab und zerprang auf dem Boden angelangt in abertausende Einzelteile.


    Wie ein großer Felsbrocken fiel sie plötzlich vom Himmel herab und zerprang auf dem Boden angelangt in abertausende Einzelteile.


    Zitat

    Weitere Sekunden zogen ins Land, bis sie sich endlich wieder ins Gedächtnis riefen, wo sie waren und welches bedeutende Ereigniss sie just in dieser Sekunde dabei waren, zu versäumen.


    Weitere Sekunden zogen ins Land, bis sie sich endlich wieder ins Gedächtnis riefen, wo sie waren und welches bedeutende Ereignis sie just in dieser Sekunde dabei waren, zu versäumen.


    Zitat

    Den Standort der Feuchtklippe ist auf eurer Wunderkarte verzeichnet.


    Der Standort der Feuchtklippe ist auf eurer Wunderkarte verzeichnet.


    Zitat

    Während er die Leiter in Richtung des Ausgangs hinauf kletterte, stiegen ihm die Worte Plaudageis immer wieder in seinen Gedanken auf.


    Klingt etwas komisch. Vielleicht eher: Während er die Leiter in Richtung des Ausgangs hinauf kletterte, stiegen die Worte Plaudageis immer wieder in seinen Gedanken auf.


    Zitat

    Auch Ravens Lebensgeister wurden dich diesen - im wahrsten Sinne des Wortes - Lichtblick schlagartig geweckt und sogar Plaudageis Worte konnte er zum ersten Mal seit Minuten vergessen.


    Auch Ravens Lebensgeister wurden durch diesen - im wahrsten Sinne des Wortes - Lichtblick schlagartig geweckt und sogar Plaudageis Worte konnte er zum ersten Mal seit Minuten vergessen.


    Zitat

    Raven und Xell benötigte knapp die Hälfte des Morgens für die Reise zur Feuchtklippe.


    Raven und Xell benötigten knapp die Hälfte des Morgens für die Reise zur Feuchtklippe.


    Zitat

    „Xell, komm mal her!. Ich glaube, ich habe sie gefunden!“


    Der Punkt hinter dem Rufzeichen muss weg.


    Zitat

    Ein kalter Schauer, viel kälter als der Wind, der durch Öffnung ins Innere der Höhle heulte, lief ihm eiskalt über den Rücken.


    Vor "Öffnung" sollte noch "eine" stehen.


    Zitat

    Raven folgte der in die Richtung entgegengesetzt zu den Gildenquartieren strömenden Pokémonmassen und erreichte dem herlichen Duft zu urteilen, der ihm in die Nase stieg, den Speisesaal.


    Raven folgte der in die Richtung entgegengesetzt zu den Gildenquartieren strömenden Pokémonmassen und erreichte dem herrlichen Duft zu urteilen, der ihm in die Nase stieg, den Speisesaal.
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    So, ich hoffe, mein Kommentar hat dir etwas geholfen.
    Deine Geschichte gefällt mir einfach nur absolut spitzenklasse. Ich werde so schnell wie möglich weiterlesen und auch versuchen, dir regelmäßig Kommentare zu schreiben.


    Bitte schreib mir doch eine PN oder einen GB, wenn es weiter geht, ok?



    Mach nur weiter so. "Die Zeitkrise" ist wirklich ein herrausragendes Werk :thumbup:


    PS: Beinahe hätte ich es vergessen. Die kleinen Screenshots, die du einbaust, finde ich auch sehr passend. Eine tolle Idee^^