*Pflicht und Ehre*

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  • So, jetzt bin ich dran!


    Deine Story verfolge ich schon lange und meine, dass noch ein Kommi nicht schaden kann.
    Die ganzen kleinen Formalitäten wie Startpost, Stil etc. überspringe ich einfach. Wie ich es von dir gewohnt bin, sind diese Aspekte super.
    Man merkt sofort, dass dir der Startpost sehr wichtig ist. Mit Text sparst du nicht, aber daran kannman erkennen, dass du viel Arbeit darin investiert hast. Besonders gefällt mir, dass Sheinnux selbst gewisse Stellen erzählt und kommentiert. Das ist doch mal eine gute Idee, die Ich-Perspektive einzusetzen, um gewisse Charakterzüge des Hauptprotagonisten zu Vorschein zu bringen.
    Mal noch eine schnelle Frage: Hast du das Bild mit dem tanzenden Feurigel selbst gezeichnet?
    Vom der Handlung gefällt mir diese FF, im Gegensatz zu den anderen die du am schreiben bist, am besten. Unterhaltsam und dennoch tiefgängig. Du bringst Sheinux's Ansichten und Meinungen einfach super zu Geltung.
    Vom Inhalt her, beziehe ich mich auf die jüngsten Geschehnisse. Immer wenn ich eine FF lese, unterteile ich diese gedanklich in Kapiteln die passend zur Situation sind oder eine Wende in dieser auftaucht. In diesem Fall ist es die ganze Sache mit dem Körpertausch. Auch wenn diese Stelle erst in Kapitel vier beginnt, zählt es für mich bis zum aktuellen Ende als eines. Seit diesem Ereignis wendet sich das Leben von Sheinux und Stan. Es wird emotionaler und ernster. Aber vor allem ist das ein Part, dass man gerne mitverfolgt und unbedingt wissen will, wie es weitergeht.
    Zugleich stellte ich mir Fragen wie: Wie wollen die beiden ihre Körper tauschen? Wenn sie den Verursacher stellen, wie sollen sie ihn davon überzeugen die Sache rückgängig zu machen? Wird noch jemand auf den Tausch aufmerksam? Diese und mehr habe ich mir kurz nach dem eigentlichen Ereignis gestellt. Ich war einfach gespannt welche Lösung du für uns parat hast. Ob du improvisiert oder schon alles vorher geplant hast, weiß ich natürlich nicht.
    Part drei und vier sind mir besonders ins Auge gefallen. Gerade hier stellst du Sheinux's Gefühle an den Vordergrund. Man merkt wirklich, dass ihn der Wandel äußerst zu schaffen macht. Ein innerer Konflikt der Abfindung und Aktzeptanz. dessen was passiert ist und passieren wird. So ein Ereignis schädigt nicht nur seine Laune, sondern wohl auch seinen Schlaf. Man kann wirklich Mitfühlen.
    Ich weiß nicht wieso, aber ich mag so ein Gesültz. x)
    Wie Noxa vor kurzem erwähnt hat, ist dein Wortschatz bewundernswert. Dein Text lässt sich sehr angenehm lesen. Die viele Vergleiche und Metapher untermalen die Beschreibungen treffend. Bezogen auf Part 4, beweist es, dass ein Kapitel nicht lang sein muss um gut zu sein.


    Tja, das war auch schon mein bescheidener Vortrag. Letztendlich konnte ich die kleinen Formalitäten nicht ganz auslassen...
    Würde mich jederzeit auf eine Fortsetzung freuen.


    ~Nuke

  • Mir ist gerade eben aufgefallen, das ich zum letzten Part gar kein Kommentar abgegeben habe O.o Tut mir leid, hab ich wohl irgendwie versäumt...
    Naja, schön dass es wieder weiter geht, auch wenn es sich nur um ein sehr kurzen Part handelt. Aber von qualitativen Einbußen kann ich nichts erkennen, also sei es um die Länge^^ Werden später sicher auch noch genug 5000000 Wörter Kapitel kommen XD


    Vorweg: Nein, ich hab keine Fehler gefunden. So damit zurück zum Inhalt der beiden Parts : P
    Es hat ein bisschen gedauert, bis ich endlich kapiert habe, dass sich die Truppe ja wieder auf einem Schiff befindet, gedanklich war ich (aus welchem Grund auch immer) noch immer im ranzigen Hotelzimmer. Aber lassen wir mal meine Vergesslichkeit mal so hingestellt^^;
    "Ohne Worte" und "Freundschaft", schlichte aber sehr treffende Titel. Auch beweist du wieder einmal, dass du wirklich ein Meister in der Umgebungs- und Gefühls Beschreibung bist. Handlungsmäßig ist ja nicht wirklich was weiter gegangen, aber die etwas bedrückenden Emotionen, die du in diesen Parts vermittelst hast, gleichem einem grauen Regentag, der auf den sonnigen Sommertag folgt (so stell ich mir das irgendwie vor) Persönlich liebe ich diese gelegentlichen Parts, wo auch etwas die Verzweiflung, trauer, Emotionen zum Vorschein kommt, natürlich solange es gerade in die Handlung passt(Was hier der Fall ist)
    Es ist schon ein seltsame Situation, den ansonsten so selbstbewussten Sheinux so gebrochen sehen zu müssen. Durch die ganze Beschreibung bekommt man einfach das Bedürfnis auf Sheinux ein lächeln zu schenken und ihm aufzuhelfen. Bin noch immer sehr gespannt wie es außerdem mit ihm und Fiffyen weiterer gehen wird, jetzt wo sie weiß wer er ist…
    Das Ende brachte jedenfalls wieder einen Hoffnungsschimmer in die Situation, jedenfalls für Sheinux. Ich müsste jedenfalls lächeln, als Colin und Stan ihm entdeckten und ihm er ihm aufhalfen.



    So, kurzer aber wirklich wundervoller Part. Das einzige was ich daran aussetzen konnte wäre, dass mir der Sturm einfach zu plötzlich aufgezogen ist, doch das sollte mal mein wenigstes Problem sein. Bleib dran und heitere für mich Sheinux ein bisschen auf^^

  • Part 5: Festland


    Es war nicht meine erste Reise auf hoher See und doch war diese aufgrund meines Äußeren natürlich etwas ganz Besonderes. Gleichgültig aber, wie verworren meine Erscheinung nun wirkte, spielte es grundgenommen keine Rolle: So oder so hätte ich wohl kaum ein Auge zubekommen. Selbst hier, in dem Schutze und der Behaglichkeit unseres warmen Quartiers, dicht an den warmen, behaarten Körper Stans geschmiegt, hörte ich das Unwetter wüten, mächtige Windböen unheilvoll heulen, die Wellen widerborstig auf uns eindreschen und unser Schiff, wehrlos diesen brachialen Urgewalten ausgeliefert, von dem aufgewühlten Seegang spielzeuggleich auf und ab getragen.
    Etwas Gewaltiges, mir weitaus überlegen, musste sich gegen mich verschworen haben, anders konnte ich es mir nicht erklären. Wie sonst hätte sich mein ganzes Leben von einem Tag auf den anderen auf den Kopf stellen können? Mein vor kurzem noch so perfektes Leben. Vielen hätte ich die Schuld für dieses Debakel in die Schuhe schieben können. Die Betreiber des Raumfahrtzentrums und ihrem nutzlosen Schrott; Colin, der meinen Trainer eigentlich hätte daran hindern müssen, diesen Ort aufzusuchen; und ohnehin Stan, der überhaupt die Schuld trug, dass ich dieser vermaledeiten Reise teilnehmen musste!
    Mein spärliches Haar kratzte über den weichen Kissenbezug, während ich im Schutze der Dunkelheit meinen Kopf schüttelte. Nein, Stan trug keine Schuld, ebenso wenig wie auch Colin und die anderen Menschen. Die ganze Zeit über hatte ich es verdrängt und es geleugnet, doch lag es doch klar auf der Hand. Nicht auf den anderen, sondern auf mir - die Schuld lastete allein auf meinen Schultern. Ich war zu schwach gewesen. Zu schwach, um zu verhindern, was hätte verhindert werden können. Dieser Körper, Stans Körper, war die Strafe für meine Schwäche; eine Bürde, die ich nun zu tragen hatte.
    Stan ... Auch er trug ein schweres Los. Ich drückte meinen kleinen Trainer enger an meinen Körper, sodass ich deutlich sein noch kleineres Herz gegen das meine schlagen hörte.
    Ich mache meinen Fehler wieder gut, das verspreche ich.

    „...bitte ich Sie vor Ihrem Aufbruch noch um einen herzlichen Applaus für unseren wackeren Kapitän, der unser Schiff, allen Widrigkeiten zum Trotz, in den sicheren Hafen gebracht hat.“
    Auf das Verstummen der Stimme, die durch die vielen Sprechanlagen des Schiffs ein jedes Ohr gefunden hatte, folgte höflicher Beifall. Auch Colin reihte sich in seine klatschenden Artgenossen ein. Stan, dessen Gesichtszüge trotz dieser Maskerade auf den ersten Blick recht fremd wirkten, konnte mich nicht täuschen. Auch er hätte sich wohl dem Beifall angeschlossen, wäre er dazu in der Lage gewesen. So ließ er sich einfach nur von der Begeisterung um ihn herum mitreißen und wedelte freudig mit dem Schwanz. Gelangweilt wollte ich mich schon abwenden, als ein spitzer Ellenbogen mich plötzlich in die Seite traf – Colins Ellenbogen.
    „Nun mach schon!“, sagte er. „Das ist eine Sache der Höflichkeit.“
    „Höflichkeit?“ Ich zwang mich zu einem belustigten Lächeln. „Was hätte unser lieber Kapitän sonst tun sollen? Vielleicht nichts? Das Schiff untergehen und uns absaufen lassen? Was hättet ihr dann getan? Ihn ausgebuht? Lächerlich ...“
    Eines aber konnte ich nicht leugnen: Wir hatten tatsächlich den sicheren Hafen angelaufen. Unsere Überfahrt hatte ihr Ende gefunden und unsere Reise durfte nun endlich wieder zu Fuß weitergehen. Wir reihten uns hinter die Heerscharen von schwatzenden Passagieren ein und steuerten den ersehnten Übergang an, der uns endlich von Bord führen sollte. Doch noch war, außer unzähligen Menschenköpfen, nicht viel zu sehen und nur im Gänsemarsch kamen wir voran. Den Umständen und der Bedrängnis um uns herum, thronte Stan wieder auf meinen sicheren Armen – fern von rastlosen und unheilbringenden Beinen.
    Schleppend und nur äußerst zäh ging es voran, doch endlich hatten auch wir wieder festen Boden unter den Füßen und erhaschten somit den ersten Blick auf das neue Eiland, das wir soeben mit dem letzten gemeisterten Schritt betreten hatten.
    „Das ist aber eine kleine Stadt, die ihr da habt“, bemerkte ich. „Gefällt mir irgendwie. Lässt sich bestimmt gut hier leben.“ Tatsächlich bestand dieser Ort aus nichts anderem als einigen Anlegestellen für Schiffe, Baracken, Lagerhäuser und –hallen, größeren Bau- und Ablagekränen, die die Ladung anlegender Schiffe aufs Festland wuchteten oder diese aber auch beluden und natürlich wimmelte es vor Ort nur so vor Zweibeinern, so weit das Auge reichte. Im Vergleich aber zu den wolkenkratzenden Häusern, die mit Metall-Karosserien bevölkerten Straßen und nicht zu vergessen den unsäglichen Lärm und Gestank, die eine jede Menschenstadt für gewöhnlich mit sich brachten, war dies das Paradies.
    „Da täuschst du dich“, sagte Colin plötzlich. „Das ist nur der Hafen von Seegrasulb City. Die Stadt aber liegt etwas abseits, einige Kilometer.“
    „Na toll ...“, stöhnte ich.
    „Wir brauchen uns ja nicht lange dort aufzuhalten, wenn du nicht magst. Um Infos kommen wir allerdings nicht herum und die kriegen wir wohl nur dort.“
    „Okay, okay, wie du meinst“, sagte ich genervt. „Wie geht es also weiter?“
    „Wir nehmen uns ein Taxi.“ – „Ein was?“


    Der Sog von Zweifüßlern wollte nicht abreisen und noch eine ganze Weile flossen wir mit dem Menschenstrom. Der weite Fußgängerweg, auf dem bequem fünf Menschen nebeneinander Platz hatten, ließ uns immer mehr Abstand zum Meer gewinnen und der Klang des fernen Ozeanrauschens verebbte zunehmend. Es ging vorbei an den vorher erspähten Bauhütten und auch die Lagerhäuser, die die ganze Hafenanlage säumten, ließen wir hinter uns. Der Abstand zwischen uns und den Rest der Menschen wurde zunehmend größer, was ich nur sehr begrüßte. Eine besonders große, schwatzende Reisegruppe kehrte uns ebenfalls den Rücken zu und ließ uns drei allein zurück - uns und eine schier endlos wirkende gelbe Blechlawine, die am Straßenrand parkte.
    „Moment mal! Du willst doch nicht allen Ernstes ...“ Colin hatte sich gefährlich nah einem dieser Höllengefährten genähert, zu denen ich unlängst einen gebührenden Abstand eingenommen hatte, und seine Hand rückte bedrohlich nächst zu der gelben Karosserie. Leicht verwirrt warf Colin einen Blick über die Schulter und somit zu mir.
    „Was hast du?“, fragte Colin. „Gibt es ein Problem?“
    Auch Stans Blick, der inzwischen wieder auf freiem Fuß war, spürte ich auf mir haften. Natürlich wusste er, dass mir diese Dinge nicht geheuer waren, doch war er natürlich zum Stillschweigen verdammt. Kalte Schweißtropfen standen mir inzwischen auf der Stirn und je länger ich Colin da so stehen und mich fragend belächeln sah, desto mehr krümmten sich mir die wenigen Haare auf meinen Armen. Angst? Nein, nennen wir es eher ... Respekt.
    „W-Wollen wir nicht besser laufen?“, bettelte ich schon fast.
    „Mit einem Taxi geht es aber doch schneller.“ Colin machte mit seinem Kopf eine unmissverständliche Geste zu sich und unmittelbar zu einem dieser Taxis herüber.
    „Aber die schlafen doch. Lass sie doch in Ruhe“, entfuhr es mir.
    Hatte ich etwas Lustiges gesagt? Colin jedenfalls schien sich köstlich auf meine Aussage hin zu amüsieren. „Die schlafen doch nicht. Jetzt komm endlich, los!“
    Auch Stan löste sich nun von seinem Stammplatz an meiner Seite und lief zu Colin über. Missmutig blickte ich dem Verräter nach.
    „Komm!“, wiederholte Colin. Seine Hand hatte sich nun endgültig auf die Karosserie des Taxis gelegt. „Die beißen schon nicht, keine Angst.“
    Sicher, du wurdest ja offenbar von keinem dieser Höllendinger fast gefressen ... Die Erinnerung an die Ereignisse damals in Oliviana City holten mich schneller ein, als es mir lieb war. Damals, als ich einem dieser Automobile beinahe zum Opfer gefallen war. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte – mir gefiel der Gedanke einfach nicht, Freundschaft mit diesen Dingern zu schließen.

  • Part 6: Auf engstem Raum


    Richtig geheuer war es mir ja nicht, als ich mich meinen beiden Begleitern näherte, stets wachsam die schlafende Bestie im Auge behaltend. Diese Dinger mochte ich am liebsten auf sicherer Distanz zu mir wissen und nichts auf dieser Welt konnte mich so schnell vom Gegenteil überzeugen.
    Viel zu schnell für meinen Geschmack hatte ich aber schließlich meine unsichtbare Hemmschwelle überwunden und so auch die paar Schritte, die mich bislang in sicherer Entfernung zu dem Taxi gewogen hatten. Mit einem metallischen Geräusch sprang plötzlich die Stelle an der Seite des Automobils auf, an der die ganze Zeit über Colins Hand geruht hatte. Wie ein Vogel, der seine Flügel kurz vor dem Abflug in die Breite spreizte, hatte auch das Taxi scheinbar seine Arme ausgebreitet und ehe ich es mir versah, war Colin, nicht aber ohne mir noch ein kurzes Lächeln zu schenken, in den Hohlraum im Inneren der Bestie verschwunden; nur dicht von Stan gefolgt, der, weniger anmutig als sein Vordermann, hineinkletterte.


    Da stand ich nun: Alleingelassen, mit hängender Kinnlade, die Füße Wurzeln schlagend und mit angeknackstem Ego. War ich denn etwa nicht mutiger, als es Stan, mein scheuer, schüchterner und feiger Trainer war? Wie konnte ich mich mit dieser Gewissheit nur jemals wieder im Spiegel betrachten. Das konnte und durfte ich nicht auf mir ruhen lassen! Dennoch ließ ich Vorsicht walten, als ich ganz langsam meinen Kopf in das Innere des Wagens reckte. Umso imponierter war ich, kaum hatte ich mich in die Höhle des Löwen gewagt, dass der vermeintlichen Magen des Ungetüms fast schon menschenwohnungsähnlich eingerichtet war. Das Innenleben war in einen vorderen und einen hinteren Teil untergliedert. Das Heck bestand überwiegend aus einer gepolsterten Sitzfläche, die wohl bis zu vier Menschen Platz bot und auf der sich bereits Stan und Colin niedergelassen hatten. Viel Beinfreiheit gab es allerdings an diesem Ort nicht, sodass diese unbequem zwischen den der hinteren und vorderen Sitzreihe eingeklemmt werden mussten. Auf der vorderen Sitzreihe, die in der Mitte unterbrochen war und deshalb nur für zwei Menschen eine Sitzgelegenheit bot, saß ein schwarz uniformierter Mann mit einem dazu passenden schwarzgelb karierten Deckel auf dem Kopf. Fast schon gelangweilt starrte er auf einen an der Decke angebrachten Spiegel, der Colins Abbild reflektierte. Atemluft war quasi nicht vorhanden. Es war stickig und wärmer als draußen und es lag ein unnatürliche Limettengeruch in der Luft, der schon lange seine einstige Frische verloren hatte.
    „Nun komm schon rein!“, zischte Colin. Seine Augen zuckten nervös zwischen mir und seinem Vordermann hin und her.
    Noch zögerte ich. Auf meiner Reise hatte ich ja schon viel erlebt und noch mehr gesehen. Fanatische Krankenschwestern, streichelverrückte Kleinwüchsige, einen wandelnden Flohzirkus mit widerlichem Mundgeruch, eine Kreatur aus den Tiefen des Alls, die mich in diesen Körper verfrachtet hatte, - habe ich Stan schon erwähnt? Doch das hier war mir völlig fremd und musste erst einmal gründlich verdaut werden, bevor ich einfach so weitere Schritte unternahm. Was aber blieb mir letztendlich anderes übrig, als mich dem unerbittlichen Sog meiner beiden Begleiter zu ergeben? Eine wirkliche Wahl hatte ich schließlich nicht und die Reise musste fortgesetzt werden – um meiner Willen, und dem von Stan.


    Behutsam wagte ich einen Fuß hinein, nur langsam von dem anderen gefolgt. Es schien sicher. Kein Knurren, keine ruckartigen Bewegungen, nichts, was mir Schaden zufügen konnte – zumindest für den Moment. Doch wie ging es nun weiter? Konnte ich es wagen, mich einfach so auf mein Gesäß zu setzen? Diese Frage musste ich allerdings nicht für mich allein beantworten. Colins Hand packte mich plötzlich und zog mich grob nach unten. Noch bevor ich einen bitterbösen Fluch ausstoßen konnte, hatte Colin die Tür mit einem lauten Krachen geschlossen – ich saß in der Falle.
    „Wo soll es denn hingehen?“, fragte mein Vordermann. Er hatte den Spiegel verschoben, sodass er nun genau auf mich gerichtet war und wir unsere winzigen – und in seinem Fall misstrauischen - Abbilder unendlich oft in ihm wiedersahen. „In die Stadt? Pokémon-Center?“ Er hatte den Spiegel nun auf Stan gerichtet, der genau zwischen mir und Colin saß und nun von ihm beäugt wurde.
    „Ja, bitte“, antwortete Colin. „Muss endlich mal wieder meine Klamotten waschen ...“, fügte er noch leise hinzu.


    Ich tat mir sehr schwer, den Sicherheitsgurt anzulegen, noch wollte es mir nicht wirklich in den Sinn kommen, warum ich mich freiwillig ankettete. Colins strenger Blick gebot mich allerdings zum Schweigen. Ich kannte das Prinzip: Am besten ganz still sitzen, keine unnötigen Fragen stellen und so wenig Aufmerksamkeit wie nur irgendwie möglich auf mich lenken. Ausnahmsweise ging ich diesen verachtenswerten Erfordernissen nach. Die Umstände waren auch so bereits widrig genug, als dass ich Streit auf engsten Raum provozieren wollte. Doch als dann allerdings der Wagen plötzlich laut aufheulte, der Boden unter meinem schwanzlosen Hinterteil wie ein aufgewühltes Hornissennest zu vibrieren begann und das Gefährt endgültig zum Leben erwachte und sich in Bewegung setzte, entwich mir dann doch ein jäher und lauter Entsetzensschrei. Im Bruchteil von nur einer Sekunde kam das Automobil durch ein heftiges Abbremsen seines Führers dann wieder zum Stillstand. Sekundenschnell zog sich der Gurt um meine Brust und Hüfte strickartig fest und bewahrte meinen Körper davor, brutal nach vorne geschleudert zu werden. Dennoch wurde mir die Luft aus meinen Lungen gepresst und mein Kopf schlug so heftig auf die gepolsterte Rückenlehne meines Vordermann auf, dass ich im ersten Moment Sterne tanzen sah. Glücklicherweise erfüllten auch Colins und Stans Gurte ihren Zweck und außer ein paar blauen Flecken kam niemand wirklich zu Schaden.
    Ich schrumpfte regelrecht unter Colins strengem Blick zusammen, doch das war nichts im Vergleich zu dem, was ich mir von dem Taxifahrer anhören durfte.
    „Hast du sie nicht mehr alle, hier so herumzubrüllen? Bist du noch zu retten?“ Zum ersten Mal hatte sich der Herr des Taxis herumgedreht und Augenkontakt mit seinen Passagieren hergestellt. Ich hätte aber auch gut darauf verzichten können. Dafür war es nun aber leider zu spät und somit auch das ein, wovor mich Colin warnte: Unnötige Aufmerksamkeit schinden.
    „’tschuldigung, war keine Absicht“, stammelte ich wahrheitsgemäß. Noch immer regierten Angst und Panik in meinem Körper und das pochende Ding in meinem Brustkorb wollte nur langsam zur Ruh kommen. Kopfschüttelnd wandte sich der Taxifahrer wieder von mir ab. Zum zweiten Mal in Folge erwachte das Metall zum neuen Leben und auch wenn sich meine kurzen Fingernägel tief in den Sitzbezug bohrten und mein Puls sich beschleunigte, hatte ich einen weiteren peinlichen Anflug von lautstarker Panik unterdrücken können.


    Schon bald hatten wir den das Glitzern des fernen Meeres gänzlich hinter uns gelassen und auch das Hafengelände verlassen. Unser Fahrzeug schlängelte sich auf einer engen, kurvenreichen Landstraße einen Berg hinauf. Sah man von dem hässlichen Betonpflaster ab, auf eben dem wir fuhren, war dies ein nahezu unberührtes Fleckchen Grün. Hier, zwischen all den Bäumen, im Schoß Mutter Naturs und noch fern der nächsten verpesteten Menschenstadt, ließ es sich sicherlich gut leben. Dummerweise befand ich mich an einem nicht ganz so lauschigen Ort. Lebendig eingepfercht und in Ketten gelegt. Es war eng, unbequem und stickig. Die dünne Luft zehrte sowohl an Körper und Geist und beutelte mich wie ein tagelanger Marsch bei sengender Hitze. Die Straße wurde derweil enger, die Fahrt rasanter, die Kurven schärfer und der unsichtbare Strick um meinen Hals schnürte sich fester und fester. Wie meine beiden Begleiter all dies nur so problemlos aushielten und die ganze Fahrt an ihnen spurlos vorbeizugehen schien, war mir ein Rätsel. Sehnsüchtig blickte ich das Fenster hinaus auf das herrliche Waldpanorama, das uns umgab. Das grüne Moos, welches die kahlen Felsbrocken hübsch einkleidete, die zierlichen Fahne, die sich durch einen jeden noch so sanften Luftstoß in alle Richtungen krümmten, und das wenige Laub, das auf der Straße lag und von unserem Fahrtwind aufgewirbelt wurde. Schon fast konnte ich die frische Luft riechen, die dort draußen auf mich wartete. Stattdessen jagte ein Baum an dem anderen vorbei. Baum, Baum, Schild, Baum, Baum ...
    „Alles okay mit dir? Du bist ja ganz blass.“
    Es war auch an der Zeit, dass jemand mein stummes Elend bemerkte. Mittlerweile hatte sich ein ganz flaues Gefühl in meiner Magengegend ausgebreitet. Nicht nur, dass, je länger ich den Wald dabei beobachtete, wie er an uns vorbeiraste, mein Wunsch aus den Wagen auszubrechen zunehmend an Stärke gewann, auch schnürten sich sowohl der unsichtbare Strick um meinen Hals als auch der feste Gurt um meinen restlichen Körper enger und enger.
    Es war unerträglich heiß geworden, ich rann, nein, ich lechzte nach frischer Luft.
    „Luft ...“, keuchte ich mit zugeschnürter Kehle. „Mir ist schlecht ...“
    „Reiher mir ja nicht auf das Polster!“ Als ob ich ungewollt ein Startsignal gab, hatte der Taxifahrer seiner Peitsche mehr Ausdruck verliehen und unsere Geschwindigkeit somit erhöht. Wir waren nun ein gutes Stück schneller unterwegs, was aber nicht unbedingt zur Verbesserung meiner Lage, oder gar zu meiner Genesung, beitrug. Colin war da glücklicherweise eine weitaus größere Hilfe, indem er das Fenster zu meiner Linken hinunterkurbelte und ein kräftiger kalter, dafür aber frischer Windsog in das Innere strömte. Auch dadurch, dass er mir anschließend das lästige Bündel von meinem Rücken entfernte und zumindest so die von mir getragene körperliche Last von den Schultern nahm und meinem Freiheitstrieb genüge tat, half meinem Körper, sich wieder etwas zu entspannen.


    „Jetzt besser?“, fragte Colin.
    „Etwas ...“ Kalter Fahrtwind peitschte mir unbarmherzig ins Gesicht, als ich mich etwas aus dem Fenster lehnte. Ich hatte gehofft, ein wenig des Waldaromas einatmen zu können, den Duft von Pinien, irgendwas, ... doch waren die Sinne von Stans ehemaligem Körper zu wenig geschärft, als dass ich den ersehnten Geruch in meine Nase saugen konnte. Vielleicht aber auch nur, weil wir einfach zu schnell fuhren. Ich wusste es nicht ...
    „Ich will hier raus. Dauert es noch lange?“
    Die braunen Augen unseres Fahrers visierten mich aus dem Spiegel heraus an. „An die zehn Minuten wird es noch dauern. – Ich warne dich: Versau mir ja nicht mein Polster. Das rechne ich euch sonst gnadenlos mit an.“
    „Mit an? Die Fahrt kostet was?“, würgte ich hervor.
    „Du hast nicht gerade allen Ernstes gefragt, ob das was kostet?“ Die Augen des Taxiführer huschten abwechselnd von der Straße zu mir herüber. Auch mit den unausgebildeten Sinnen von Stans Körper spürte ich mehr als deutlich die in Colin aufkommende Panik, angesichts meines ungeschickten Verrutschers.
    „War ne lange Reise. Er hat gestern Nacht kein Auge zubekommen und litt unter Fieber und ist daher wohl noch etwas weggetreten. Einfach nicht beachten“, log Colin schnell.
    „Aha“, sagte mein Vordermann. „Verstehe.“ Seine Worte wurden von unüberhörbarer Skepsis begleitet. Er schien uns nicht über den Weg zu trauen. „Hauptsache, ihr könnt mich bezahlen. Ihr habt hoffentlich Geld dabei?“
    „Ja, haben wir“, antwortete Colin.
    „Ich regle das schon, keine Sorge. Kann ja nicht so schwer sein ...“, ergänzte ich mit leicht zitterndem Ton.
    „Was soll nicht so schwer sein?“, fragte der Mann mit nur weiter aufkeimendem Argwohn in seiner Stimme.
    „Na, dich bezahlen. Macht man ja nicht alle Tage. Aber keine Angst: Du sollst dein Geld bekommen.“
    „Ein Taxi bezahlen“, warf Colin schnell und mit einem weiteren Anflug von Panik in den Raum. Ohne es zu wollen musste ich wohl einen Fehler begangen haben, denn der Taxifahrer konzentrierte sich nun mehr auf mich, als auf die ihm vorliegende Straße.
    „Wenn man dich hört,,“, begann er, „glaub man, dass du noch nie jemanden bezahlt hast.“
    Ich nahm einen gewaltigen Luftzug und lehnte mich seit einer guten Minute endlich wieder auf das Polster zurück. Das flaue Gefühl in meinem Magen hatte sich verflüchtigt – zumindest vorerst. „Muss ja für alles ein erstes Mal geben“, erwiderte ich. „Autofahren gehört auch dazu.“
    Colin stieß einen gedämpften Fluch aus und sein wütender Blick erfasste mich. Hatte ich mich etwa so verplappert? Ich meine, irgendwann muss man doch das erste Mal jemanden bezahlen, oder in einem Auto sitzen? Was war daran so ungewöhnlich? Ich für meinen Teil war mir keiner Schuld bewusst. Die Wogen allerdings wieder zum Guten zu glätten, war schwer. Vielleicht hätte ich besser dabei getan, einfach zu schweigen. Doch das konnte ich nicht – es war einfach nicht meine Art.
    „Deine erste Autofahrt? Ernsthaft?“ Die Augenbrauen des Fahrers waren vor Misstrauen und Verwunderung bereits so weit in die Höhe gezogen, dass man glatt befürchten musste, in einem Augenblick auf den anderen die Augäpfel aus den Höhlen hervortreten und herausfallen zu sehen. Stattdessen aber blieben seine Glubscher glücklicherweise dort, wo sie hingehörten, und er schürzte amüsiert die Lippen. „Junge, von welchem Stern kommst du eigentlich und was verschafft uns die Ehre deines Besuches?“
    „Ein Unfall. Ich wollte mir ein paar Gänseblümchen ansehen und da bin ich versehentlich mit meiner fliegenden Untertasse in einen Wolkenkratzer hineingebrettert (5).“
    Längst hatte Colin sein Gesicht in den Händen vergraben. Stan dagegen schaute belämmert auf den Rücken seiner Vorderpfoten und wagte es nicht einmal, seinen Blick auch nur ansatzweise zu erheben. Im krassen Gegensatz dazu, hatte mein Vordermann offenbar Gefallen an mir und meinen Worten gefunden. Er für seinen Teil amüsierte sich jedenfalls königlich.
    „Na dann: Willkommen auf der Erde (6). Lebe lange und in Frieden (7)“, gluckste er. „Ich hätte allerdings eher darauf gewettet, dass du auf dem Rücken von diesem komischen Vieh hergeritten kamst, das gestern bei uns für Aufsehen gesorgt hat.“
    „Komisches Vieh?“ Colin hatte sein Gesicht aus seinen Händen befreit und sich begierig nach vorne gebeugt. „Was für ein komisches Vieh?“
    „Du kommst wohl auch von auswärts, hm? Habt ihr nicht mitbekommen, dass aus dem Raumfahrtzentrum irgendetwas ausgebrochen ist und jetzt umherstreift? Ihr kommt doch sicherlich aus Moosbach. Das könnt ihr doch unmöglich nicht mitbekommen haben.“
    „Doch, haben wir - natürlich“, erwiderte Colin.
    „Nur zu gut“, flüsterte ich leise.
    „Jedenfalls“, begann der Fahrer, „haben ein paar Leute aus der Stadt geschworen, am Himmel etwas gesehen zu haben, was den Berichten und Bildern im Fernsehen und der Zeitung ziemlich gleicht. Es wurden am selben Tag auch noch einige seltsame Vorkommnisse gemeldet: Stromausfälle, ein blutroter Himmel, aufgescheuchte Pokémon-Schwärme und unser Kirchturm läuft seit gestern immer noch rückwärts. Wenn ihr mich fragt“, fuhr er mit verschwörerischem Ton in seiner Stimme fort, „dann handelt es sich dabei um irgendein streng geheimes Projekt der Regierung oder so. Aber jetzt ist es raus und sie bekommen kalte Füße. Bestechen die Presse und behaupten, es handelt sich dabei um ein Pokémon. Ha! Wenn ihr mich fragt, dann ist wohl sonnenklar, dass es ein Alien aus dem All sein muss.“
    Nicht nur einmal hatten Colin, Stan und ich Blicke getauscht. Es gab keinen Zweifel: Worüber der Mann in seiner Unwissenheit redete, war der Grund für das Dilemma, in dem sich Stan und ich befanden.
    „Und wo ist es hin? Gibt’s dazu irgendwelche Infos?“, fragte ich und versuchte zu ruhig und unbeteiligt wie nur irgendwie möglich zu klingen.
    „Weiter nach Westen“, antwortete er. „Nicht, dass es dort etwas Besonderes geben würde, aber die Leute in Baumhausen City tun mir schon jetzt leid.“
    Von echtem Mitleid waren seine Worte zwar nicht erfüllt, doch war es mir in diesem Moment gleich. Wir waren auf der richtigen Spur. Die Jagd konnte weiter gehen.

  • Hey =)
    Dann will ich mir mal die beiden Parts vornehmen, die ich noch gar nicht kommentiert habe. Mal schauen, was die Drei auf dem Festland so alles erwarten wird. Und entschuldige, dass es wieder etwas gedauert hat.


    Part 5 – Festland
    Interessant. Ich hätte nicht erwartet, dass Sheinux Gedanken in solche Dimensionen ausarten. Währens er sich ja erst nur einige Fehler eingestand, spricht er sich nun gänzlich die Schuld zu? Irgendwie habe ich für einen Moment geglaubt, einen anderen Charakter vor mir zu haben. Dadurch sieht man erst mal, wie sehr es ihn mitnehmen muss, auf zwei Beinen durch die Welt zu gehen. Im letzten Part durfte man ja schon spüren, dass er nicht mehr ganz er selbst war – zumindest nicht so, wie man es bisher gewohnt war. Ich glaube, er bräuchte mal jemanden, der ihn wieder richtig wachrüttelt, am besten Stan mit seiner leicht schusseligen, aber dennoch sehr liebevollen Art. Schade nur, dass er sich nicht zu Wort melden kann. Irgendwie vermisse ich ihn etwas. Aber gut, dafür darf er ja auf vier Pfoten durch die Gegend wandelnd. Die Stelle mit dem Kapitän fand ich auch genial, da hast du wirklich einige gute Aspekte eingebaut, wo ein Lächeln nicht verborgen blieb. Vor allem als es aber hieß, dass Stan eine Maskerade habe, hat sich vor meinen Augen eine amüsante Vorstellung ergeben. Dafür ist dein Schreibstil wohl typisch, was? C;
    Die letzte Zeit war es ja eher ruhiger und ich habe vermehrt darauf gewartet, dass nochmal mehr Spannung einsetzt und an einem zerrt. Selbst wenn ich Melancholisches genial finde, sollte es wohl doch wieder weitergehen. Meine Hoffnung landet da ja auf dem Taxi. Wie auch Sheinux kamen mir wieder die Erinnerungen an das Kapitel in den Sinn, wo er beinahe überfahren wäre und wie sehr er damals unter Schock gestanden hatte. Dass er nicht freiwillig und ohne zu zögern in den Wagen steigt, liegt da nahe. Ob aus diesem Grund noch irgendetwas passieren wird? Wir werden sehen. :D


    Zitat

    Es war nicht meine erste Reise auf hoher See und doch war diese aufgrund meines Äußeren natürlich etwas ganz besonderes.

    Ist „etwas besonderes“ nicht in diesem Fall ein Nomen und muss groß geschrieben werden?



    Part 6 – Auf engstem Raum
    Ein amüsanter Part, wenn er mich auch – wie so Vieles, nachdenklich gestimmt hat. Wir sehen eine Autofahrt doch wirklich als normal an, aber wie dürfte sich sowas anfühlen, wenn man es das erste Mal in seinem Leben tut und nicht gleich damit aufgewachsen ist? Gute Frage und so Recht weiß man sich diese gar nicht zu beantworten, finde ich, aber du hast es geschafft, es in diesem Kapitel glaubhaft rüberzubringen. Die Beschreibungen fand ich vor allem sehr gelungen, denn Sheinux kennt die Begriffe ja gar nicht alle, wie man bei der Definition einer Autotür sehen konnte. Oo Hut ab, ich glaube, das wär eine ganz schöne Herausforderung für mich gewesen, da die passenden Worte zu finden. Aber wie man sieht trägst du deinen Titel wie immer nicht um sonst. ^^ Aber gut, mit der Hilfe von Collin (und auch minimal der von Stan) schafft es Sheinux endlich, über seinen Schatten springen. Zeigt wieder, dass er in der Tat kein Schwächling ist. Klar, das Autofahren macht ihm dann etwas zu schaffen, aber das kann ich auch gut verstehen. Zwar geht es mir selbst nie so, aber wenn man es nicht gewohnt ist, ist eben alles etwas schwerer. Der Taxifahrer scheint sich mit seinen Mitfahrern wohl ordentlich zu amüsieren. :‘D Oh man, würde mir jemals sowas passieren, wäre mir das unglaublich peinlich. Ein Insasse, der Fremden wie der letzte Idiot vorkommt. Er kann ja gar nicht wissen, durch was das arme Sheinux schon alles gegangen ist. ;_;
    Colin nimmt Sheinux Fieber also als Entschuldigung, dass er etwas weggetreten ist? Aber erfährt man das nicht gerade das erste Mal oder habe ich es vorher überlesen? Denn ich wette, das hätte man im vorherigen Part auch noch geschickt einbauen können. Albträume sind ja auch manchmal nicht ohne, wenn man Fieber hat. Mich hätte mal interessiert, welche Albträume Sheinux plagen würden, wenn er Fieber hat. Aber gut, vielleicht kommt die Gelegenheit ja auch irgendwann nochmal.
    Zuletzt kommt es ja noch, wie es kommen muss, die drei hören von dem Deoxys. Ich wette, ab jetzt werden sie einige turbulente Abenteuer bestehen müssen, was schon allein das Wort „Jagd“ andeutet. Schließlich gibt es einerseits den Jäger, doch heißt es nicht, dass dieser minder in Gefahr ist, wenn der Gegner stark ist. Bin gespannt, was den Dreien noch so alles zustoßen wird. *g*


    Zitat

    Umso imponierter war ich, kaum hatte ich mich in die Höhle des Löwen gewagt, dass der vermeintlichen Magen des Ungetüms fast schon menschenwohnungsähnlich eingerichtet war.

    Sonst hast du für derartige Sprüche immer so passende Pokémon gefunden, daher finde ich es schade, dass du in diesem Fall das Tier gelassen hast. Selbst wenn es ja - wenn ich mich recht entsinne - keinen richtigen Pokémon-Löwen gibt, wäre an der Stelle ein Taschenmonster schöner? c: Entscheidung liegt aber letztendlich bei dir.

    Zitat

    Die Jagd konnte weiter gehen.

    Würde es in diesem Falle eher zusammenschreiben, oder nicht? Zumindest sieht es in meinen Augen getrennt seltsam aus. oô


    Liebe Grüße~

  • Kapitel 7: Go west!




    Part 1: Sheinux’ Lebensweisheiten für alle Fälle

    „Wie lange wird das hier eigentlich noch dauern? Allzu viel Zeit möchte ich hier wirklich nicht totschlagen. Ein Krach ist das ...“
    „Gut Ding will Weile haben, weißt du? Eine alte menschliche Redewendung.“
    „Die kenne ich nur zu gut, eure Redewendungen ... Dinge, die Langeweile haben, würmerfressende Piepmätze, Gruben graben, Getreide mahlen, ... Alles ohne Sinn und Verstand. Es gibt nur eine wirklich wichtige Regel, an die man sich immer halten sollte. Wie mein Großvater gern zu sagen pflegte: ,Iss niemals gelben Schnee!’ Klar soweit?“
    Meine erste und wahrscheinlich auch letzte Autofahrt hatten wir halbwegs unbeschadet hinter und gebracht und unsere Ketten gesprengt – wir waren frei. Als Hüter der Reisekasse oblag es natürlich mir, unseren Taxifahrer für seine Dienste großzügig zu entlohnen. Wäre natürlich alles kein Problem gewesen, hätte ich die bunten Papierfetzen in allen Größenordnungen in Stans Geldbeutel deuten können. Nachdem ich also dem Herrn des gelben Gefährts ein paar zerknitterte Scheine in die Hand gedrückt hatte und dieser, über beide Ohren grinsend, mit aufheulenden Motoren und mit den Worten, er wolle jetzt erst einmal großzügig einen Trinken gehen, sich schleunigst aus dem Staub gemacht hatte, waren wir an einem sehr vertrauten Ort eingekehrt: dem hiesigen Pokémon-Center, und da saßen wir dann auch eine ganze Weile. Fern vor neugierigen Augen, nahmen wir unsere erste Mahlzeit des Tages an einem abgeschiedenen, aber äußerst lärmenden Nebenraum im Gewölbe des Pokémon-Centers ein. Aneinandergereiht standen schneeweiße Maschinen, von denen manche ihren Inhalt - menschliche Kleidungsstücke in allen Farben und Größen - wild in ihrem Bauch herum schleuderten; so auch die Rappelkiste, vor der wir - auf einer meterlangen, kniehohen und rückenlosen Holzbank sitzend - unser kaltes Frühstück zu uns nahmen.
    Angesichts des deftigen Frühstücks herrschte trotz der doch eher kalten und tristen Farben des Raums eine doch recht ausgelassene Stimmung. Sicher, Fiffyen zeigte mir noch nach wie vor die kalte Schulter und auch von Pikachu hatte ich kein Mitleid erwartet – und schon gar keins gewollt. Auch Stan hatte sich noch nicht wirklich an den ihm noch völlig neuen Umstand gewöhnt, nun eventuell auf einen kleinen Plausch zu Feurigel und den anderen zu stoßen und wich mir daher, schüchtern wie er war, keinen Zentimeter von der Seite. Die Backen aller Anwesenden waren also voll, der Magen füllte sich langsam und die Laune hob sich stetig. Es konnte kaum besser sein. Naja, kaum ...


    „Wie lange willst du dieses Versteckspiel eigentlich noch betreiben, Colin?“ Nach langer Zeit des Schweigens hatte ich die Stille - sah von dem schier endlosen Brummen der Waschmaschinen um uns herum ab - unterbrochen.
    „Hm? Was meinst du damit? Ich verstehe nicht ...“, fragte Colin halb kauend, halb schluckend.
    „Lass die Unschuldsheuchelei!“, erwiderte ich verärgert. Das verbliebene Stück des eben noch genossenen Laugenbackwerks verwandelte sich zwischen meinen von Zorn gespeisten Fingern in einen Teigklumpen, der dann aber dennoch in meinem Mund landete. „Weder bin ich blind noch blöd. - Du versteckst mich vor deinesgleichen, oder etwa nicht? Ist es etwa so schlimm mit mir?“ Stan, der neben mir auf der Bank saß und noch die ganze Zeit über stillschweigend an seiner Brötchenscheibe gekaut hatte, sah interessiert zu Colin hinauf. Einmal mehr wünschte ich mir sehnlichst zu erfahren, was in ihm vorging. Auf wessen Seite stand er? Teilte er meine Meinung oder hielt er trotz seines Pokémon-Körpers zu seinem Artgenossen? Seine Miene war unergründlich. Colin dagegen sah man deutlich an, dass meine Aussage nicht auf Vermutungen, sondern auf festem und solidem Stein gebaut war. Er suchte erst gar nicht meinen Blick oder den von Stan und bohrte Löcher in den mit flaschengrünen Platten gepflasterten Boden.
    „Schuldig ...“, flüsterte er sichtlich verlegen, wandte sich aber dann doch schleunigst direkt zu mir. „Nicht aber, was du vielleicht denkst! Es ist nur ... Also ...“
    „Du hörst dich schon an wie Stan. - Was denn nun?“, fragte ich und ignorierte den empörten Blick meines Trainers.
    „Also ... Deine Tischmanieren lassen noch etwas zu wünschen übrig. In der kleinen Absteige in Moosbach City war es ja egal. Hier aber, unter all den Leuten ... Wir müssen dir einfach noch ein paar Verhaltensregeln einbläuen, das ist alles.“
    „Tischmanieren, Verhaltensregeln, Etikette ...“, schnaubte ich und nahm einen gewaltigen Schluck Saft, bevor mir mein schon fast Verdautes wieder hoch kam. „Vielleicht doch noch eine Redewendung, die du dir einbläuen solltest: ,Regeln sind euer menschliches Porzellan: Gemacht, um in Stücke geschlagen zu werden¹.’ Merk es dir.“

  • Huhu Eagle
    Hach, dein Part kommt mir wie gelegen. Brauchte noch irgendetwas, was mir ein wenig den Abend versüßt und dann gibt es doch tatsächlich noch ein „kleines“ Update bei Pflicht und Ehre. Kleines insofern in Anfürhungszeichen, da wenig Text ja auch nicht gleich wenig Inhalt heißen muss. Naja, denne mal los.


    Kapitel 7: Go West
    Nach Westen wird es in diesem Kapitel also gehen, wie unschwer zu erraten ist. Erst war ich überrascht, dass wir erst bei Kapitel 7 sind, da es mir schon so lange vorkommt, seit ich die Story lese. :3 Aber natürlich ist es ja „nur“ im zweiten Arc Chapter 7, daher bin ich mal gespannt, wie viele Kapitel uns noch erwarten werden. Und ob ihnen Deoxys denn wirklich begegnet? Ob ihnen etwas passiert? Da bin ich nach wie vor gespannt. :3


    Part 1: Sheinux’ Lebensweisheiten für alle Fälle
    Allein schon bei dem Titel musste ich grinsen. Sheinux‘ Lebensweisheiten? Ich musste ja schmunzeln, denn einerseits mag er ja schon Einiges erlebt haben, aber man daraus schon spezielle Weisheiten ziehen kann, die für andere von Belang sein könnten… fraglich. Auch habe ich mich schon direkt gefragt, ob der Titel denn ernst gemeint ist, oder nicht. Mehr habe ich auf zweites getippt.
    Anfangs war ich ja etwas verwirrt, wo wir nun wirklich sind und was mit der Autofahrt geschehen ist, aber gut, dass es dann ein paar Zeilen später erwähnt wird. Sheinux ist einfach immer wieder amüsant, da du ihn wirklich gut umsetzt. Interessante Redewendungen reimt er sich da zusammen… zeigt aber dennoch, dass er nach wie vor kein Dummkopf ist. Zwar ziemlich stur, doch dass er als kleines Pokémon schon Derartiges von den Menschen gelernt hat, ist es doch bemerkenswert. Die Trainer kennen schließlich auch nicht die Geschichten, die sich die Pokémon erzählen. Woher auch, wenn nur Pokémon Menschen verstehen können, nicht aber umgekehrt. Ist irgendwie ungerecht verteilt, wenn ich mal recht überlege.
    Es hat mich verwundert, dass Colin das Bezahlen des Taxifahrers nicht übernommen hat, da er ja eigentlich weiß, dass Sheinux das noch nicht so recht draufhaben dürfte. Wollte mir einfach nicht sinnvoll erscheinen. Aber auf Colin bin ich sowieso nicht nur positiv zu sprechen. Denn es scheint ja fast so, als hätte des Pokémon in Menschenkörper ein wenig zu viel Geld herausgerückt. Geschickt wie immer also. :‘D Dann sind sie also wieder in einem Pokémoncenter – wo ich unglücklicherweise erst nicht verstanden habe, dass es sich bei den weißen Maschinen um Waschmaschinen handelte. Wurde mir dann irgendwie erst etwas später klar. Liegt wohl daran, dass es etwas schwierig ist, Sheinux Blickwinkel auf gewisse Dinge zu beschreiben. Wenn man etwas noch nie zuvor gesehen hat, wirkt es auf einen ja ganz anders, als wenn man täglich damit umgeht, versteht sich.
    Bei dem Frühstück musste ich schmunzeln, da ich es ja schon vor einiger Zeit mal erwähnt habe, dass mir auffiel, dass du auch meistens das Essen erwähnst. Mir fällt auf, dass das in vielen FFs außer Acht gelassen wird, auch ich achte nicht so oft darauf, wobei es für einen Menschen ja wichtig ist, gut genug gestärkt zu sein. Daher halte ich es auch nicht für verkehrt, kann mir jedoch ein Grinsen nie vermeiden. Wenn ich zurückblicke, kann ich mich noch an einige Mahlzeiten erinnern. Scheinen sich wohl festzusetzen und oftmals auch für Hunger zu sorgen.
    Ja, der gute alte Stan, schüchtern wie wir ihn kennen. Ich versuche mich immer wieder in seine Lage hineinzuversetzen, kann mir aber kaum vorstellen, wie es sich anfühlen muss, plötzlich jemand ganz anderes zu sein, zumindest von Körper her. Vor allem für ihn dürfte es ja eine Umstellung sein, da alles plötzlich so riesig ist, was er vorher für normal hielt. Und so recht kommunizieren kann er auch noch nicht, da er sich ja nicht zu den anderen Pokémon begibt. Nicht, dass er noch vereinsamt. Wobei… Sheinux kümmert sich ja meist lieb um seinen (ehemaligen) Trainer. Ich bin vor allem mal gespannt, ob die zwei irgendwann mal in einen Kampf geraten sollten und ob Stan dann zeigen kann, was er drauf hat. Der Kleine muss auch einfach nochmal mehr auf der Bildfläche erscheinen, habe ich immer das Gefühl. Aber auch einfach nur aus dem Grund, dass ich Stan so mag. Schüchterne und leicht unbeholfene Gestalt… so Charas mag ich einfach. :D
    Zuletzt liebe ich noch Sheinux‘ „Rede“ zu Colin, da er ja wirklich mal klarstellt, dass er sich für einen Freund nicht zu schämen braucht. Es hatte mich schon verwundert, wieso Colin immer so tickt, wobei ich mir auch ordentlich denken konnte, dass es ihm einfach nur peinlich ist. Ich mein, das wäre es mir wohl auch, aber nicht unbedingt, wenn es sich bei meinem Freund um ein Pokémon handelt, was noch keine Ahnung von den ganzen Verhaltensregeln hat. Sheinux‘ letzter Satz… köstlich! So sollte man doch mal im wahren Leben kontern können.


    Insgesamt also eher ein kleiner feiner Part, der quasi die Spannung, auf das, was kommt, noch etwas anhält. Mich interessiert es auch schon, wie Colin auf Sheinux‘ Worte reagieren wird. Er schien ja nun eher einsichtig aber auch still. Naja, mal schauen, was uns demnächst erwartet.
    Liebe Grüße~

  • Part 2: Plausch unter Freunden


    Die letzten Reisevorkehrungen waren nach unserem Aufbruch aus dem Waschraum des Pokémon-Centers schnell getroffen. Mit deutlich erleichtertem Portmonee und dafür umso schwereren Rucksäcken hatten wir ein großes Kaufhaus nächst der Stadtgrenze verlassen, wo insbesondere Colin, der nach meinem kleinen Exkurs in Sachen Benimmregeln kein Wort mehr darüber verloren hatte, seine sich dem Ende zugeneigten Vorräte aufgestockt hatte.


    Die Menschen brüsten sich ja gerne damit, eine solch überlegene Rasse zu sein. Ohne ihr Duftwässerchen aber, ihrem hoffentlich auch fettarmen Brotaufstrich, mit Risiken und Nebenwirkungen versehene Medikamente und die Hautcreme für Babys weichen Popo nicht zu vergessen, wären sie in der Wildnis völlig aufgeschmissen. Allein, was Colin alles mit sich herumschleppte, hätte man ganze Mülleimer füllen können. Ich meine, wozu brauchen sie das alles? Wir Pokémon kommen doch auch ohne großen Schnickschnack problemlos zurecht. Eine Mülltonne Knabberzeug, ein Baum zum gemütlich Kratzen und ein Eckchen zum Schlafen – was will man mehr? Eins war mir jedenfalls klar: Ich hatte nicht vor, mehr Zeit als unbedingt nötig war in diesem Körper zu verbringen. Ich wollte es gar nicht erst herausfinden. Wenn es aber um Colin ging, würde meine Rückverwandlung noch sehr viel Zeit in Anspruch nehmen ...


    „Beweg deinen stacheligen Hintern! Musst du ausgerechnet jetzt deiner Rasse alle Ehre machen, Zweibeiner? Kannst dir an Stan ein Beispiel nehmen, du lahme Gurke!“
    „Bleib locker! Es marschiert sich halt mit soviel Ballast auf den Schultern nicht ganz so schnell ...“, verteidigte sich Colin.
    Selbst die letzten, allerhöchsten und somit die hartnäckigsten wolkenkratzenden Häuser von Seegrasulb City waren hinter dem eben gemeisterten Hügel verschwunden. Der breite und steinige Wanderweg, dem Stan, Colin und ich folgten, schlängelte sich stur einen langsam steiler werdenden Bergrücken hinauf. Mit der bereits jetzt schon heißen Vormittagssonne im Nacken und dem unglücklichen Fehlen von schattenspendenden Grünzeug gestraft, hatte selbst ich schwer zu kämpfen, was allerdings keineswegs Colins Trödelei und den zu mir und Stan immer größer werdenden Abstand rechtfertigte.
    „Was musstest du auch vorhin den halben Laden leer kaufen?“, erwiderte ich trotzig.
    „Du wirst mir noch danken ...“ – prustend und schnaufend hatte Colin zu uns aufgeschlossen – „... wenn du heute Abend was Warmes zwischen die Zähne bekommst.“ Colin wischte sich mit dem Arm den in der Sonne glitzernden Schweiß von der Stirn. Gequält sah er den schlangenlinienziehenden Trampelfahrt hinauf. „Ist noch ein gutes Stück“, schnaufte er.
    „Brauchst du eine Pause?“, fragte ich mit leichtem Unmut in meiner Stimme.
    Noch eine ganze Weile fixierte sich der Blick meines Reisegefährten auf den vor ihm liegenden Weg, bis er sich dann wieder kopfschüttelnd zu mir wandte. „Wird schon gehen. Oben angekommen, geht es bald wieder bergab – sogar durch ein kleines Wäldchen. Morgen sind wir dann auch schon in Baumhausen City.“ Colin schulterte seinen Rucksack ordentlich auf seine Schultern und setzte sich wieder in Bewegung.


    „Wie kommt es eigentlich,“, begann ich und gesellte mich an seine Seite, „dass du dich so gut hier auskennst, oder ist das für euch Menschen normal?“
    Auf Colins vor Anstrengung geröteten Wangen zeichnete sich der Anflug eines Lächelns ab. „Kannst du wahrscheinlich nicht wissen, es wurde nur beiläufig bei dem Turnier auf der Schifffahrt zwischen Oliviana City und Moosbach City erwähnt: Ich komme hier aus der Gegend, aus Laubwechselfeld, um es genau zu sagen.“
    „Sagt mir nichts“, entgegnete ich wahrheitsgemäß. „Eure Ortsnamen klingen für mich alle gleich.“
    „So?“
    Ich ignorierte Colins Belustigung über meine Unkenntnis, und auch, wenn ich mir sicher war, dass ich durch meine Fragerei wohlmöglich noch weiteren Spott auf mich ziehen würde, kam mir dieser Plausch zum Zeitvertreib und um mich auf andere Gedanken zu bringen, sehr gelegen.
    „Und was führt sich auf diese Reise?“, fragte ich weiter. „Oder bist du auch so planlos unterwegs wie Stan?“ Im Nachhinein bereute ich diesen sehr unüberlegten Kommentar. Nicht aber, weil ein schwacher Funke aus Stans Fell nur knapp mein linkes Ohr verfehlte, sondern der plötzliche Ausdruck der Empörung in seinem Gesicht mich noch tagelang im Traum verfolgte. Waren wir, ich und Stan, nicht schon genug gestraft, als dass wir es noch nötig hatten, übereinander herzuziehen? Entschuldigend sah ich zu Stan hinunter, er fing meinen Blick auf und nickte, doch mit unergründlichem Ausdruck auf seinem Gesicht.
    „Ich war zu Besuch bei Verwandten“, erklärte Colin und lenkte mich somit wieder zurück auf das eigentliche Gespräch. „Bin schon eine ganze Weile unterwegs. – Naja, ist nicht mehr sonderlich weit bis zu meinem Heimatort; nur noch ein paar Tage.“
    „Du bist bereits seit Wochen unterwegs, nur um Verwandte zu besuchen?“, stutzte ich. „Ihr seid ein komisches Volk ... Ich wollte niemals und für keine Mülltonne dieser Welt von meiner Heimat fort. Dem Ort, wo ich aufgewachsen bin, wo meine Wurzeln liegen, der wohl schönste Platz ...“ Hier stockte ich, denn dort, wo nun mein menschliches Herz im Takt vor sich hin pochte, machte sich plötzlich ein widerlicher stechender Schmerz bemerkbar. Der Gedanke an meine bereits schier unendlich lange und ewig weit hinter mir liegende Vergangenheit, das leise Tuscheln der Bäume, die sanfte Briese an einem lauen Sommerabend, das rhythmische Plätschern des Springbrunnens und das weiche Gras unter meinen Pfoten ... Es schmerzte einfach zu sehr, als dass ich noch weiter darauf eingehen mochte. Wehmütig wandte ich mich von Colin ab und starrte mit glasigen Augen in die Ferne. Stans aufmerksamer Blick aber verfolgte mich noch eine ganze Weile. Colins weniger sensible menschliche Sinne hatten dagegen für meinen nostalgischen Kummer kein Gespür.
    „Och, du würdest dich wundern, wie viele Menschen auf ihrer eigenen Reise sind. Man lernt interessante Menschen kennen, schließt Freundschaften und bekommt so viel zu sehen. Reisen ist was Tolles.“
    „Wenn du meinst ...“, sagte ich tonlos. Die Bilder meiner Heimat hatten sich regelrecht auf meiner Netzhaut eingebrannt und wollten mich nicht mehr loslassen. Innerlich fluchte ich und bereute es, dieses Gespräch überhaupt erst gestartet zu haben. Es brachte nur Schmerz mit sich und Schmerz ist alles, was letztendlich bleibt. Warum hatte es mich überhaupt interessiert, warum Colin in der Weltgeschichte rumstolpert ...
    „Shiaw?“
    Warum auch immer – ich wusste sofort, dass Stan sich direkt an mich gewandt hatte und auch, worauf er hinaus wollte. Die stumme Träne, die sich ohne meinen Willen aus meinen Augen gelöst hatte, war mit einem Handgriff aus meinem Gesicht gefegt und nichts erinnerte daraufhin an meinen ungebetenen und fast geheimgebliebenen Gefühlsausbruch. „Nein, ich hatte nur etwas im Auge“, log ich Stan mit einem falschen und gezwungenen Lächeln im Gesicht an. Ihm etwas vormachen, konnte ich aber offenbar nicht, denn sein wachsamer Blick verstärkte sich nur noch mehr auf mich.


    „Und was ist eigentlich mit dir? Ich meine, klar, ich weiß, was dich gerade auf diese Reise bringt. Was ist aber vorher so passiert? Wie habt ihr beide ...“, er sah abwechselnd zu mir und Stan, „ ... euch eigentlich kennen gelernt?“
    „Das geht dich einen feuchten Dreck an!“ Ja, das hatte ich sagen wollen und konnte man mir dies tatsächlich Übel nehmen? Colin scherte sich einen Dreck um meine Gefühle, er war rotzfrech und absolut rücksichtslos. Von mir aus konnten die Menschen nicht ganz so geschickt darin sein, das scheinbar Unsichtbare, nämlich die tiefsten Gefühle und noch den geheimsten Wunsch, in ihren Mitlebewesen herauszulesen, doch war es nicht ganz und gar offensichtlich, dass ich darüber einfach nicht reden wollte? Musste ich es ihm etwa noch in den Himmel schreiben, bevor er dies begriff? Glücklicherweise bekam ich nie die Gelegenheit, es herauszufinden. Stan hatte begonnen, fast ununterbrochen in seiner uns völlig unverständlichen Sprache zu erzählen. Wie ein Wasserfall sprudelten kratzende, zischende und schnurrende Geräusche aus seinem Mund, als hatte er tatsächlich die ganze Geschichte unserer gemeinsamen Reise erzählen wollen. So verrückt es klingen mag, doch schien er tatsächlich völlig vergessen zu haben, wer er nun war. In diesem Moment war er tatsächlich der Stan, den er selbst bislang kannte. Schlichtweg der Stan, unter zwei wirklich guten Freunden. Der Stan, der das für ihn Normalste dieser Welt tat, nämlich reden.
    Verlegen und mit hängender Kinnlade lauschten Colin und ich seinem unaufhörlichen Redefluss. Er ging einfach nur stur neben uns her und quasselte einfach weiter. Teilweise war es sogar so faszinierend, ihn so reden zu hören, dass ich sogar meine Wut auf Colin völlig vergessen konnte, gleichzeitig aber auch traurig ... Die Realität holte Stan leider dann doch schnell wieder ein. Ich erinnere mich noch gut daran, wie sein Blick an unseren langen Beinen heraufwanderte und er die Verwirrung in unseren Gesichtern auffing. Der jähe Ausdruck in seinem Gesicht, diese Scham, dieser Schmerz, auf solch brutale Art und Weise wieder zurück in die Realität geworfen zu werden ... Es tat ihm weh und auch mir brach es einmal wieder das Herz, ihn so zu sehen.


    Stans Schritte hatten sich auf ein Minimum verlangsamt, bis er gänzlich zum Stillstand gekommen und einige Meter zu uns zurückgefallen war. Schlaff und beinahe leblos hingen Kopf und Schwanz nach unten, die Augen bohrten Löcher in seine Vorderpfoten und auch wenn ich seinen Gesichtsausdruck nicht aufzufangen vermochte, war mir klar, dass er mit seiner Situation verständlicherweise todunglücklich war.
    Mit einem bestimmenden Kopfschütteln gab ich Colin deutlich zu verstehen, dass es – wenn es ihm wohl auch sehr schwer fiel – ausnahmsweise das Beste war, zu schweigen.
    Ich kniete mich vor Stan nieder und ging soweit zu Boden, dass ich fast auf einer Augenhöhe mit ihm war.
    Einige wenige dunkle Flecken zeichneten sich auf dem trockenen Boden ab – Stan weinte. Mich selber weinen zu sehen ... Eine einzigartige Vorstellung, die sich mit nichts zu vergleichen ließ. Ich sah mich selbst, wie ich von Verzweiflung innerlich entzwei gerissen wurde, wie der Schmerz Ausdruck in wässrigen, salzigen Tränen nahm, welche das Leid und die Qual gewaltsam aus den glitzernden Augen presste.
    „Komm ...“ Mit ebenso zitternden Händen wie zitternder Stimme nahm ich Stan auf die Arme und drückte ihn ganz fest an mich heran. „Wir stehen das durch – gemeinsam.²“

  • Part 3: Baumhausen City: Die Stadt in den Baumwipfeln


    Stans Zustand besserte sich nach seinem plötzlichen Gefühlsausbruch glücklicherweise schnell wieder und seine leicht rot unterlaufenen Augen nahmen bald darauf wieder ein gesundes Gelb an. Dennoch beschränkten wir uns fast den gesamten Rest des Tages nur noch auf die notwendigsten Unterhaltungen – selbst Colin, was ich persönlich nur begrüßen konnte.
    Wenn man uns drei wohl aus der Ferne betrachtet hätte, einfach nur mit einem freundlichen Gruß an uns vorbeigezogen wäre - niemand wäre wohl auf den Gedanken gekommen, dass derart schwerwiegende Probleme auf unseren Schultern lasteten. Langsam begriff ich sogar, warum Colin ein wenig versuchte, mich und Stan ein wenig von seinesgleichen zu isolieren. Wir waren einfach nicht mehr ein wirklicher Teil dieser Welt, Stan und ich. Wir waren ... etwas Besonderes. Dummerweise konnte ich auch gut und gerne darauf verzichten und Stan, so phlegmatisch und selbst für seine Verhältnisse ungewöhnlich schweigsam, wohl ebenfalls. Wir durften uns keine weiteren Trödeleien mehr leisten; Pausen, nur noch zum Essen oder Schlafen; keine unnötigen Zwischenstopps; unsere Anstrengungen mussten sich verdreifachen.


    Ein letztes Mal noch ließ ich den Blick in die Ferne schweifen. Wie sich herausstellte, hatte Colin mit seinen Behauptungen nicht die Unwahrheit gesprochen. Was hochgeht, muss auch irgendwann wieder runterkommen, so auch der erklommene Berg. Dem immer steiler gewordenen Aufstieg folgte eine kurze Hochebene – nicht weniger karg und fruchtlos als auch die hinter uns gelegene Landschaft -, die bereits nach kurzer Dauer der ebenso steilen Talfahrt wich. Doch auch in die Ebene hinab und immer weiter fort von der Sonne blickten wir weit und breit nur auf kalten und nackten Stein. Doch da, dort in der Ferne, kaum für mein menschliches Auge wahrzunehmen, war das von Colin versprochene Wäldchen. Ein immergrünes Paradies, eine rettende Oase im Zentrum einer niemals enden wollenden Wüste ohne Wiederkehr. Lebend und atmend lag sie da, nur darauf wartend, uns mit ihrem erfrischenden Grün, den kühlen und segenreichen Schatten zu spenden. Bei dem Gedanken, wie lange es noch dauern würde, dem Griff der sengenden Sonne endlich zu entrinnen und den Geruch von saftigem Moos, Fahnen und Blättern kitzelnd in der Nase zu haben, wurde mir regelrecht schlecht. Die Kehle schrie schon jetzt verzweifelt nach einem labenden Tropfen von kühlem Nass und der klebrige Gaumen wollte sich nach einem großzügigen Schluck aus der Wasserpulle nur vorsichtig von der trockenen Zunge lösen.
    Der Schweiß rann in Strömen, so auch der Inhalt der beiden Wasserflaschen, die Colin und Stan und ich uns teilten. „Runter kommen sie immer.“ Selbst bei uns Pokémon ist diese Redewendung sehr geläufig. Ihr könnt mir aber glauben, dass ein solch steiler Abstieg fast kräftezehrender als das Erklimmen ist. Ein Schritt folgte dem nächsten und mit diesem auch das stechende Gefühl, das sich von Ferse bis hin in die Waden zog. Die Sonne stach und brannte und nichts, aber auch gar nichts, konnte ihrem mörderischen Spiel Einhalt gebieten. Bereits eine ganze Weile stolperte ich auf meinen inzwischen offenen Schnürsenkeln herum, den schweißunterlaufenen Blick stur und zielgenau nach vorn gerichtet. Wir mussten weiter, koste es was es wolle ...


    Unter dem kühlen, dichten Blattwerk gebettet, mit dem spärlichen Schein der langsam zu Asche zerfallenden, glimmenden Holzscheite und dem leisen Plätschern eines Baches, dem Quell des Lebens, der dieses grüne Paradies überhaupt möglich machte, fanden wir ohne große Umschweife Ruhe. Kein Licht des wolkenlosen und wohl sternenbedeckten Himmelszeltes drang durch das dichte Blätterdach, unter dem wir unser Lager aufschlugen. Colin hatte schnell seine schlichtweg zum Scheitern verurteilten Versuche aufgegeben, uns für diesen Abend etwas Ausgiebiges aufzutischen. So oder so hätte ich die Kraft einfach nicht aufbringen können, etwas Festes zu mir zu nehmen, und so schlief ich mit vor Anstrengung ziependen Gliedmaßen und mit der Gewissheit, am nächsten Morgen sicherlich mit einem nicht weniger schmerzhaften Muskelkater aufzuwachen, schnell ein.


    Schläfrig und noch ein wenig rau klang unser aller Morgengruß und wurde nur etwas von Colins frisch gebackenen Waffeln aufgelockert. Trotz des bereits erwarteten Muskelkaters, der eine jede zu hastige Bewegung aufs Härteste bestrafte, belud ich meinen Teller großzügig und schaufelte gierig die mit Marmelade bestrichenen Teigplatten in mich hinein. Ich hätte mich mit unserer Leistung zufrieden geben können und noch etwas die lauschige Atmosphäre von Mutter Natur genießen können, doch bei dem Blick auf meine nunmehr menschlichen Finger wurde mir einmal wieder klar, dass mit jeder weiteren vertanen Sekunde mein Schicksal mehr und mehr an diesen Körper gefesselt wurde. Die Reise musste weiter gehen.


    Der von Muskelkater und Sonnenbrand gebeutelte Körper sträubte sich aufs Schärfste, als ich nach dem Essen meinen Rucksack schulterte und somit meinen Kameraden unmissverständlich den Befehl zum Aufbruch gab. Mein Blick blieb sehnsüchtig an Stan und somit an meinem einstigen Körper hängen. Ihn plagte offenbar weder das eine noch das andere - kein Sonnenbrand, kein Muskelkater. Der ihm unfreiwillig von mir geliehene Körper war wesentlich robuster und widerstandsfähiger als das bleiche Wrack, mit dem ich zu kämpfen hatte. Ich musste das Beste daraus machen ...


    Obgleich wir nicht sonderlich schneller als Tags zuvor vorankamen, marschierte es sich im lauen Schatten der friedlichen Bäume wesentlich unbeschwerter. Die von Colin auf meine empfindliche und gereizte Haut aufgetragene Salbe spendete ebenfalls angenehme Kühle und linderte auf wohltuende Art den Schmerz des auf mir lastenden Sonnenbrandes.
    „Baumhausen City dürfte nicht mehr allzu weit entfernt sein“, meinte Colin und unterbrach zum ersten Mal die Stille, die seit dem Frühstück und somit eine knappe Stunde angehalten hatte. „Das Nest wird dir sicherlich gefallen.“
    „Nimm es mir nicht übel, aber ich würde mich gerne nicht allzu lange dort aufhalten“, antwortete ich kurz angebunden.
    „Kann ich verstehen“, sagte Colin, „aber um ein paar Informationen kommen wir nicht drum herum. Stur nach Westen - schön und gut, aber ein paar mehr Anhaltspunkte wären schon nicht verkehrt.“
    Stan ließ ein zustimmendes Maunzen verlauten und auch ich fand problemlos, wenn auch etwas widerwillig, die seltene Weisheit in Colins Worten. „Von mir aus ...“


    „Das ist es? Das ist Baumhausen City? Das ist ... beeindruckend.“
    „Wusste doch, dass es dir gefällt.“
    Knapp eine weitere Stunde nach unserem kleinen Gespräch hatten wir endlich die Peripherie der von Colin angesprochenen Ortschaft erreicht. Selbiger hatte mit seinen Worten wahrlich nicht untertrieben - Baumhausen City war eine wirklich einmalige menschliche Siedlung. Hätte Colin nichts gesagt – ich wäre wohl einfach blind weitermarschiert, ohne überhaupt zu ahnen, dass wir uns bereits von den Behausungen der Zweibeinern umzingelt sahen. Mit hängender Kinnlade schweifte mein Blick über das Gelände. Keine kalten, rechteckigen Betonklötze oder in das Himmelsreich vorstoßende Hochhäuser, keine röhrende oder luftverpestende Automobile – Baumhausen City schien förmlich mit der Natur zu verschmelzen, eins mit ihr zu sein. Die „Stadt“, wenn man sie überhaupt so nennen durfte, bestand größtenteils aus einer sehr weitläufigen und ebenen Fläche. Wo man auch immer einen stolzen und erwürdig in den Himmel ragenden Baum sah, fand man entweder an dessen Fuße oder in seinem Baumwipfel eine kuppelförmige Behausung, gerade groß genug, dass wohl eine kleine Familie und ihre notwendigsten Besitztümer darin Platz fanden. Eine Verbindung von einem Baum zum anderen, und somit von einem Bungalow zum nächsten, wurde durch eine Art von Gehweg in der Luft – Hängebrücke wie Colin sie nannte – hergestellt. Kreuz und quer, wie ein dichtes Netz von Straßen, verliefen diese in der Höhe schwebenden Pfade und ermöglichten somit den Bewohnern, ihren Nachbarn einen freundschaftlichen Besuch abzustatten, dort zu plauschen oder einfach nur um eine Tasse Zucker zu erbitten. Es war ein wirklich einmaliger Anblick, an dem ich mich gar nicht satt sehen konnte³. Eins aber, nur eins, kam mir doch äußerst seltsam vor ...
    „Du, sag mal: ist das normal, dass es hier so ruhig ist?“
    Wenn auch der Tag noch kaum sein Welpenfell verloren hatte, oder wie es die Menschen gerne sagen: „Seinen Kinderschuhen entwachsen war“, und obgleich es sich bei Baumhausen City um das beeindruckendste Fleckchen von menschlich bebauter Erde handelte, erklärte dies alles nicht, warum man eben keiner Menschenseele begegnete. Für eine Siedlung war es einfach zu still. So still, dass es einem bei näherer Überlegung mit der Angst zu tun bekam.
    „Jetzt wo du es erwähnst ...“ Colins Blick suchte das weitläufige Gelände nach Spuren menschlichen Lebenseichen ab, landete aber schließlich erfolglos wieder bei mir. Er kratzte sich nachdenklich am Kinn. „Keine Ahnung“, sagte er ratlos.
    „So schlau bin ich auch“, entgegnete ich barsch.
    Colin zuckte die Schultern. „Was willst du von mir hören? Ich weiß eben nicht mehr, als auch du. Normalerweise ...“
    „Gehen wir einfach nachfragen“, unterbrach ich Colins sinnloses Geschwätz und setzte mich in Bewegung.


    An dem bisher erlebten Tag war es mir reichlich egal gewesen, ob wir uns nun gegenseitig anschwiegen oder nicht. Durch diese Geisterstadt aber zu wandern, die unter normalen Umständen von Leben nur so durchströmt wurde, jagte mir einen eisig kühlen Schauer über den Rücken, noch kälter als Colins Brandsalbe. Umso mehr wurde ich von jedem einzelnen Haus eingeschüchtert, welches wir leerstehend vorfanden.
    Die Bewohner hatten es offenbar sehr eilig gehabt, schnellstmöglich so viel Entfernung wie nur irgendwie möglich zwischen ihnen und ihrem Wohnort zurückzulegen, denn viele der besuchten Bauten waren noch nicht einmal abgeschlossen, was für Menschen, so Colin, ein sehr untypisches Verhalten sei.


    Einzig und allein das gespenstige Knirschen des Sandes unter unseren Sohlen und Stans Pfoten wie auch das unheimliche Rascheln der Blätter und Zweige in der spärlichen Vormittagssommerbriese verfolgte uns bei unserer Wanderung von einer Behausung zur nächsten, eine so leer und verlassen als auch die andere.
    „Abgeschlossen? Um die Uhrzeit?“ Aus der Ferne hatten wir das markante rote Dach eines Pokémon-Centers erspäht und waren mit einem schwachen Hoffnungsschimmer sofort zu diesem aufgebrochen; letztendlich landeten wir aber abermals vor verschlossener Türe. Resigniert ließ Colin seine Hand von der metallischen Türklinke gleiten. Er suchte meinen Blick. So besorgt hatte ich ihn noch nie gesehen.
    „Das ist mir ein Rätsel, echt ...“
    „Und mir ist das unheimlich – gehen wir“, fügte ich hinzu.
    Noch eine ganze Weile betrachtete sich Colin das weißrote Gebäude von oben bis unten, bis er dumpf die Schultern zuckte. „Vielleicht sollten wir einfach warten?“
    „Ihr werdet hier niemanden mehr finden.“
    Mir wäre fast das Herz in der Brust stehen geblieben. Eine Stimme, nicht aber die von Colin, und dennoch kannte ich sie. Ihr Klang, so von Überheblichkeit und Arroganz gespeist ...
    Mit einem flauen Gefühl in der Magengegend wirbelte ich herum, Colin und Stan taten es mir gleich. Meine Augen weiteten sich und ich bemerkte, wie sich beide Fäuste ohne mein weiteres Zutun ballten. „Nicht du ...“

  • So, jetzt wird auch wiedermal Zeit das ich hier wieder ein Kommentar abgebe^^


    Die zweite Schiffsfahrt ist jetzt auch gut überstanden und Sheinux scheint sein Gefühlschaos heil durchstanden zu haben. Gleich zu begin konfrontiert sich Sheinux gleich wieder mit einer weiteren Eigenheit der Menschen: Das Höfflichkeitsklatschen. Klar, was hätte der Kapitän sonst machen sollen, als versuchen das Schiff sicher in den Harfen zu bringen. Aber wie man es ja immer so zu erklären pflegt: Das ist einfach so. Ja nur als Nicht-Mensch ist das natürlich schwere zu verstehen, verständlich.
    Aber besonders die nächste Stelle hat mir regelrecht einen dicken Grinser ins Gesicht gezaubert, nämlich wie Sheinux sich überwinden musste in ein Taxi zu steigen. Ich würde ja gern sagen, dass ich ihm gut verstehen kann, nur leider hab ich nie so panische Angst vor einem Taxi gehabt XD
    Da hast du gute Beschreibungsarbeit geleistet, vom Einsteigen zur Abfahrt bis über zur Fahrt. Wie er so sehr mit den Dingen der Menschen zu kämpfen hat, kann ja einem richtig leid tun. Autos, Gurte, Geld… Auch die kleine Unterhaltung mit dem guten Herrn Taxifaher war äußerst amüsant, auch wenn ich kaum glaube, dass Sheinux eine Ahnung hat, was eine Fliegende Untertasse ist (abgesehen von fliegenden Tellern) aber des Tributes halber : D
    Damit wäre ich schon bei Kapitel 7 Go West angelangt. Die Überschrift sagt schon ziemlich klar aus, was man zu erwarten hat: Reise nach Westen. Und was muss man vor jeder Reise tun? Natürlich, Vorbereitungen treffen und bei bedarf Wäsche waschen. Part 1 von diesem Kapitel ist zwar im Vergleich zum vorherigen Part sehr kurz, aber mit den ganzen Redewendungen insbesondere Sheinux Letzte, fand ich ihm auch recht witzig(leider fehlt das Trivial noch dazu… ich liebe Trivial : D ). Irgendwie hatte der Part etwas auflockerndes, leitete die Handlung ind die nächste Runde ein. Fand ich persönlich sehr gut.
    Die Reise selbst wirkt ziemlich anstrengend, da kann ich Colin gut verstehen. War selbst vor kurzen auf Wanderurlaub und auch wenn man es anfangs nie glauben möchte, Bergab ist anstrengender, als Bergauf (es sei den man rollt…) Das kleine Gespräch geht ja leider von Anfang an nicht ganz in die Richtung wie Sheinux wollte. Wird wieder an die Heimat erinnert, was ihm sehr schmerzt, was Colin als Verwantenbesuchreisender nicht zu verstehen scheint. Aber besonders Herzerweichend war die letzte Stelle, wo Sheinux sich zum weinenden Stan hinunter beugt und wieder Mut macht. Einfach herrlich^^
    Und endlich kommen sie in der Stadt an, auf die ich mich persönlich sehr gefreut habe: Baumhausen City (Im Spiel war zwar ziemlich Nutzlos, aber dennoch) Ist klar das Sheinux sehr überrascht reagiert, wenn man immer nur in die Asphaltierten Städte kommt, ist so eine Bauhausstadt doch was ganz anderes. Und dann der Satz, der für Spannung sorgt:

    Zitat

    „Du, sag mal: ist das normal, dass es hier so ruhig ist?“


    Wenn sogar das Pokemoncenter geschlossen hat… sind alle vor Deoxys geflüchtet? Schätze mal das werden wir bald erfahren. Und dann noch so abrupter Kliffhanger… begegnen sie nun etwa deinem (User)Namensverwanter :D


    Bin schon sehr gespannt was auf uns im nächsten Part zu kommt!
    Also, nur weiter so^^


    mfg
    Toby

  • Part 4: Der Adler, der zuviel wusste


    „Oh doch, ich.“ Eagle hatte sich bis auf einige Meter Colin, Stan und mir genähert. Sein starrer, anmaßender und falkenähnlicher Blick sprang abwechselnd von mir über Colin zu Stan herüber. Ohne zu blinzeln, oder uns auch nur eine Sekunde aus den Augen zu verlieren, rückte er sich schwarze Weste zurecht und strich sich daraufhin kurz die wenigen silbernen Strähnen, die unter seiner schwarzen Kappe hervorlugten, aus dem Gesicht.
    Colin war der erste von uns, der seine Fassung wieder finden konnte. „Was meinst du damit, dass wir hier niemanden mehr finden würden? Was soll das heißen?“
    „Was habt ihr hier zu suchen?“, fragte Eagle, als ob Colin nichts weiter als Luft für ihn gewesen wäre.
    „Dasselbe könnten wir dich fragen“, entgegnete Colin gereizt.
    Eagles Blick ruhte nun gänzlich auf der ihm fast einen Kopf kleineren Gestalt vor ihm. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen, während er sprach. „Ich wohne hier, ist das Grund genug?“
    Colin schien unter dem strengen Blick seines Artgenossen noch weiter zusammenzuschrumpfen. „Konnte ich ja nicht wissen ...“, antwortete er kleinlaut.
    „Was wollt ihr also hier?“ Warum auch immer – Eagle hatte sich nun zum ersten Mal direkt an mich gewandt. Seine kalten, smaragdgrünen Augen bohrten sich in die meinen und lösten in mir indirekt einen unwiderstehlichen Drang aus, ihm eins auf die Rübe zu donnern.
    „Wir sind nur auf der Durchreise“, antwortete ich wahrheitsgemäß. Noch immer gruben sich meine Fingernägel tief in mein Fleisch hinein. Ich musste mich zügeln, durfte meinem geheimen Wunsch keinesfalls nachgeben ...
    „Ihr solltet euch vom Acker machen“, sagte Eagle. „Amateure, wie ihr es seid, machen sich hier nur zur lebenden Zielscheibe.“
    „Wen nennst du hier Amateur?!“, schoss es aus meinem wie auch aus Colins Mund hervor. Ich machte einen großzügigen Schritt in Richtung unseres ungebetenen Gastes, der aber machte keinerlei Anstalten, sich in irgendeiner Weise zu bewegen. Standhaft und regungslos wie ein Stein stand er da. Sein starrer Blick schien mich regelrecht zu durchbohren.
    „Euch nenne ich so“, antwortete Eagle lässig. Sein Gesicht nahm die Züge eines selbstgefälligen Grinsens an. „Du hast gegen mich nicht den Hauch einer Chance besessen und trotzdem maßt du dir an, es mit Deoxys aufnehmen zu wollen; geradezu lächerlich. Als ob du, dein Schoßhündchen oder der Gartenzwerg ...“, bei jeder Nennung festigte er seinen Blick auf die Manifestation seines Spotts, „... auch nur ansatzweise etwas gegen es ausrichten könnten.“
    Ich wollte ihm bereits ins Gesicht springen, ihm die Augen auskratzen, ihn beißen, die beiden Fäuste ins Gesicht rammen, irgendwas, nur um seine selbstgefällige Grimasse ein für alle mal aus seinem Gesicht zu fegen. Doch etwas hielt mich auf, etwas Wichtiges. In meinem Kopf klingelte es und offenbar auch in Colins, und auch wenn ich bereits eine Ahnung hatte, war es Colin, der die alles entscheidende Frage stellte.
    „Deoxys? Wer oder was ist Deoxys?“
    Bei dem lauten und spöttischen Aufschnauben Eagles krümmte sich mir mein weniges Fell an den Armen. Der Wunsch, ihm ordentlich eine reinzuwürgen, wurde noch mehr bestärkt.
    „Wie schaffen es solch zwei ahnungslose Trottel nur alleine durch die Weltgeschichte? Ein Wunder, dass ihr zwei nicht schon längst verhungert seid – aber lasst mich euch auf die Sprünge helfen: Deoxys ist der Grund, weswegen es hier so ausgestorben ist – klar soweit?“
    Jetzt war ich es, der sich ein zänkisches Lachen nicht verkneifen konnte. „Ach was? Und ich dachte, du hättest sie alle mit deinem Mundgeruch vergrault.“
    „Was ist dein Problem? Suchst du Streit?“, bellte Eagle. Auch er hatte einen weiten Schritt in meine Richtung getan.
    „Den Streit hast du bereits schon!“, entgegnete ich aufgebracht.
    „Und jetzt? Ringst du jetzt mit dem Gedanken, mich noch einmal herauszufordern?“ Eagles Worte kamen einem Flüstern gleich, ein böses Flüstern. Seine Stimme wurden aber nicht von Furcht beherrscht, vielmehr von Verlangen.
    „Ich verpass dir gleich einen Ring um die Augen, wenn du nicht sofort zur Sache kommst!“, drohte ich.
    „Erst machst mich dumm von der Seite an, und dann erwartest du allen Ernstes, dass ich dir noch irgendetwas zu sagen habe?“ Eagle drehte uns seinen Rücken zu und entfernte sich ganz langsam von mir. Dann aber, ganz plötzlich, - er hatte bereits einige Meter Abstand zu mir eingenommen – stoppte er seine Bewegung, zeigte uns aber noch immer seinen Rücken. „Wenn ihr so erpicht darauf seid, dann mache ich euch ein Angebot ...“, Erst jetzt wandte er sich wieder direkt an uns – oder, um es besser zu sagen, an mich. „Wir beide, dein Elektro-Pokémon gegen eines meiner Pokémon.“ Ich hatte seinem Angebot noch nicht zugestimmt und doch schien Eagle schon jetzt seine Wahl getroffen haben, denn seine Faust umschloss bereits einen seiner Pokébälle. „In meiner unendlichen Großzügigkeit“, sein Grinsen – wenn auch kaum möglich – wurde nur noch blasierter, „verspreche ich, euch alles zu sagen, was ich weiß, ganz egal, zu wessen Gunsten der Kampf ausgehen wird. Na, wie klingt das?“
    Stan ließ ein ängstliches Wimmern verlauten. Er hatte sich so eng an mein linkes Bein gedrängt, dass ich aufpassen musste, nicht auf einmal das Gleichgewicht zu verlieren. Das Zittern seines Körpers floss von seinem Leib direkt in meinen über. Seine Einstellung zu diesem Thema war unmissverständlich klar. Rückendeckung fand er gleichzeitig noch von Colin.
    „Das ist doch verrückt!“, rief Colin. „Wenn du so oder so uns am Ende alles sagst, warum sollten wir dann gegen dich antreten?“
    „Sagen wir es einfach so: ich liebe die Herausforderung.“ Eagles Blick blieb auf Stan hängen. Die Smaragde in seinen Augen glänzten förmlich. Er schien sich an dem Anblick des zitternden und vermeintlichen Pokémon gar nicht satt genug sehen zu können. „Aber wenn ihr Bammel habt, dann lasst es doch bleiben. Nicht mein Problem. Außerdem weiß ich ja, wie es ausgehen wird.“ Mit diesen Worten kehrte er uns zum zweiten Mal seinen starken Rücken zu und stolzierte langsam davon. Nicht aber weit ...
    „Also gut, du hast gewonnen ...“
    Verzeih mir, Stan ...

  • So, wie versprochen bin ich nun da, und gebe mein Kommi. Sorry, aber ich will jetzt nicht auf jedes Kapi im einzelnen eingehen, daher schreibe ich dir eine zusammenfassende Kritik.


    Der Grund warum ich Pflicht und Ehre überhaupt erst angeklickt habe, war reine Neugier. Unter dem Titel kann man sich vieles vorstellen und man hat sämtliche Freiheiten. Da du ja schon seit längerem ein anerkannter Autor auf dem BB bist, hatte ich mir einiges von der Story erhofft, als ich schließlich angefangen habe, sie zu lesen. Gleich zu Anfang gabs für mich aber eine klene Ernüchterung, als ich feststellen musste, dass die FF aus der Sicht eines Pokémon erzählt wird. Generell bevorzuge ich neutrale Erzählperspektiven, doch da ich viele auch gerne mal aus der Ich-perspektive schreiben, bin ich da nicht sonderlich wählerisch. Und auch wenn mir ein auftretendes Pokémon als Erzähler eigentlich gar nicht zusagt, wollte ich der FF eine Cance geben.


    Zunächst gab es für mich nichts Herausragendes zu bestaunen. Sheinux war auf den ersten Blick hin... sagen wir mal nicht der interessanteste Charakter, den ich mir vorstellen kann und hat ein ebenso unspektakuläres Leben geführt. Recht früh noch kam dann allerdings die Szene, in der sich das Leben von Sheinux dramatisch veränderte. Der Junge Stan, ist ja nun wirklich kein Held unter Pokémontrainer, (genau genommen war er bis hierhin noch überhaupt kein Trainer) und stellt bei weitem nicht den typischen Helden oder auch mal Antihelden dar. Umso mehr kann ich Sheinux´Fassungslosigkeit darüber, dass dieser Junge ihn gerettet hat, ebeso gut nachvollziehen, wie die schlechte Laune, die er bei dem Antritt ihrer geminsamen Reise verspürt. Die Idee, dass ein Pokémon einem Menschen allein aus pflichtbewusstem Schuldgefühl folgt, sprich in dessen Lebensschuld steht, finde ich sehr interessant. Die leichte Verachtung, die Sheinux dann auch noch für diesen Menschen empfindet, lässt den weiteren Ausgang auch völlig offen. Werden die zwei doch noch Freunde? Oder trennen sich ihre Wege irgendwann? Dass nur Sheinux seinen Begleiter dabei nicht unbedingt mag, ist ebenfalls eine interassante Situation.


    Sheinux selbst lässt sich sehr schnell und leicht beschreiben und erkennen. Selbstverliebt, stolz, schlitzohrig und meist zuerst an sich selbst denkend. Da Stan auch nicht wirklich in der Lage ist, Sheinux daran zu hindern, dass er seinen Kopf durchsetzt, kommen immer wieder lustige Situationen dabei raus, bei denen ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte. Wie er sämtliche Mülltonnen abräumt, die nicht bei Drei weg geschafft werden, ist absolut klasse und Sheinux weiß ja noch nicht einmal, dass er etwas verbrochen hat und selbst wenn, würde es ihn nicht kümmern. Man könnte eigentlich sagen, dass er derjenige ist, der von den beiden die Hosen an hat. Die Pokémon, die er nach und nach kennenlernt (sowol Stans als auch Collins) nehmen meist ziemlich klischeehafte Rollen ein. Somit passt Sheinux da ziemlich gut hinein, da er mit seiner rebellischen und aufgedreht eigensinnigen Art auch ein kleines Klischee darstellt. Die gesamte Pokémontruppe stellt also eine wahnsinnig lustig-chaotische Familie dar.


    Collin scheint dann so der Typ zu sein, der Stan so ein bisschen "aufwecken" will und sich dabei nicht von sener schüchternen Art abschrecken lässt. Er nimmt die Rolle des gefährten ein un bringt ein wenig Leben in den machmal etwas eintönigen und trottigen Alltag von Stan und Sheinux. Er wirkt auf mich wie eine typische beste-Freund-Person, die auch gut in den Anime hinein gepasst hätte. Generell habe ich viele Szenen gefunden, die tatsächlich der Serie entsprungen sein könnten. Ob ich das jetzt gut oder schlecht finde, weiß ich selbst nicht so genau *fail*. Einersets gefallen mir die Szenen, die du schaffst sehr gut, doch andererseits lese ich solche Storys hier auch aus dem Grund, das ich mich ein wenig von den animetypischen Elementen entfernen will. Sogesehen aber nich wirklich ein Fehler deinerseits, also ist das wohl mein Problem-^^


    Dann kam die ganz große Wende der Story: Deoxys. Auch wenn du es noch nicht beim Namen genannt hast, wird ja wohl jedem klar sein, dass es sich um ein solches handelt. Und hier ist dann auch so eine Selle, die man im Faniction-Bereich selten sieht. Pokémon und Mensch tauchen die Körper. Eine interessante Idee ist es allemal, aber ob sie auch gut ist? Ich wusste zunächst nicht, was ich davon halten sollte. Wie du den Körpertausch beschrieben hast und auch die Gedankengänge von Sheinux fand ich zwar echt klasse und überaus nachvollziehbar, doch war die der Idee an sich sehr kritisch gegenübr eingestellt. Mit der Zeit hat sich dieses Gefühl aber verflüchtigt. Denn die Beschreibung von Gefühlen, Umgebung usw. war zwar schon vorher super, kam aber erst ab hier richtig zur Geltung. Man hat sich richtig gut in Sheinux hineinvesetzen können (was ja, nun da er einen Menschenkörpr hat, einfacher ist^^) und ab hier war mir auch die Erzählperspektive egal. Spätestens ab dieser Szene hat der Text so richtig gefesselt und begeistert, da nun sämtliche positiven Elemente ihre volle Wirkung bei mir entfaltet haben. Auch die Jagd, auf der sich Collin, Stan und Sheinux nun befinden stellt eine überaus interessante Situation dar, die von deinem wie ich finde erstklassigen Schreibstil noch unterstützt wird. Dein Formulierungn sind einmalig, nehmen ab und an poetische und unglaublich kreative Formen an und wiederholen sich dabei nie. Man merkt mit der Zet immr mehr, woran man hier eigentlich ist; nämlich an einer fantastischen Story von einem Autor, der weiß, was er tut.


    Du merkst es bestimm schon, ich bin von "Pflicht und Ehre" total begeistert. Die für mich anfangs noch fragwürdigen Inhalte wurden von deinem tolle Schreibstil nach und nach immer unbedeutender und haben alle kleinen Negativpunkte, von denen es ohnehin schon wenige gibt, weitestgehend überdeckt. Einzig und allein was Fiffyen angeht, bin ich mir nicht so sicher, welche Rolle sie in der FF noch einnehmen wird. Augenscheilich scheint sie ja ein Auge auf Sheinux geworfen zu haben, aber darauf wurde für meinen Geschmack bislang zu wenig eingegangen, aber mal schauen, was da noch kommt. Nun hast du uns an einem schöne Cliffhanger stehen lassen, der massig Spannung für das nächste Kapi lässt. Um ehrlich zu sein, war ich inzwischen so in die Story vertieft, dass ich mir kurz vor dem ene des Kapi gedacht habe "jetzt bitte kein Cliffhanger! bitte kein... VERDAMMT"^^. Naja, is wohl ebenfalls mein Problem.


    Mich kannst du jedenfalls bei neuen Kapis benachrichtigen. Ob per PN oder GB ist egal. Ansonsten lasse ich dir mal grüße da *Grüße da lass* und freue mich auf die Fortsetzung. Dann werde ich auf die Kapis auch genauer eingehen :thumbup:

  • Hallöle :) Melde mich auf mal wieder mit Kommi zu Wort


    Die Suche nach Deoxys geht also weiter und da ich persönlich auch keine Ahnung vom Aufbau der Region habe, ist es besonders spannend, wo es denn als nächstes hingeht^^
    Unsere Freunde haben jetzt also erfahren, wen sie da genau jagen und gleich wieder ihren guten, alten Kumpel am Hals^^ Wehe, Stan wird massakriert.


    Mir persönlich hat die Beschreibung der Stadt sehr gut gefallen, denn wie schon erwähnt kenne ich mich da nicht so wirklich aus. Es war auch eine richtig passende Atmosphäre, von der man während dem Lesen richtig fühlen konnte, wie sie sich verändert, von einer ruhigen Idylle zur Geisterstadt. Man konnte sich sehr gut in usrere Helden hineinversetzen, wie sie im kürzlich noch bewohnten Dorf in den wie ausgestorbenen Häusern und Hängebrücken nach einer Menschenseele suchen.. Und leider auch eine finden (eher gefunden worden sind). Aber interessant, dass man Hals über Kopf vor Deoxys flieht und nicht einer daran denkt die Tür abzuschließen, aber das Pokecenter, wo man vielleicht noch zumindest die Schlafzimmer offen lassen könnte, zu ist^^ aber man kann sich ja auch eins der leerstehenden Häuser zum übernachten suchen.
    Im Part vier konnte man dann richtig die Luft knistern spühren und kleine Blitze sehen, die zwischen den Augen von Eagle und Sheinux hin und her zischen (obwohl ich von Eagle und Sheinux-in-Stans-Körper nur vage Vorstellungen habe, wie sie aussehen"^^) Was mal wieder sehr typisch war, war die Tatsache, dass Sheinux auf jede Provokation von deinem Namensverwandten einging, und jetzt darf das der arme Stan ausbaden -v- Ich wünsch ihm viel Spaß. Lass was von ihm übrig!


    Fehlerquote wieder mal bei Null


    Gnade, Mods! Ich bin nun mal nicht gut in Kritiken in die länge ziehen, [Blockierte Grafik: http://file1.npage.de/005600/92/bilder/smilie_anfleh.gif]
    Arkande

  • Part 5: Perfide Pläne


    Meine Einwilligung für diesen Kampf wurde von den unterschiedlichsten Reaktionen begleitet. Eagle gab sich sehr damit zufrieden, die Fähigkeiten seines Teams erneut unter Beweis stellen zu dürfen. Einmal wieder seinen Kopf durchzusetzen, was, wie ich vermute, eine seiner Lieblingsbeschäftigungen war, kam ihm offensichtlich bereits einem vorzeitigen Triumph gleich. Ganz anders meine beiden Begleiter.
    „Das kannst du doch nicht machen!“ Mit strengen Blicken und dem immer wieder mir ins Gewissen sprechen gab mir Colin mehr als nur deutlich zu verstehen, dass er mit meinem Einverständnis für diesen Kampf ganz und gar nicht zufrieden war. Doch was hätte ich sagen sollen? Ich selbst konnte es ja kaum mit meinem Gewissen vereinbaren ...
    Und dann war da noch Stan, der Mensch gefangen im Pokémon-Körper. Wie ihr euch sicher denken könnt, war er alles andere als sonderlich erpicht darauf, sich mit seinem einstigen Artgenossen zu messen. Ich nahm ihn mir zur Seite, redete mit ruhiger und sachlicher Stimme auf ihn ein, machte ihm klar, dass wir beide einfach Opfer bringen mussten, wenn wir diese schweren Zeiten meistern wollten. Seine Ohren aber schienen taub. Dem noch nicht genug, flüsterte eine böse Stimme in meinem Kopf mir immer wieder zu, dass doch alles seine Ordnung hätte. Es war doch völlig normal, dass Menschen die Pokémon, welche sie gewaltsam aus dem Schoß ihrer Familien und ihren Heimaten gerissen haben, in einen ihrer abartigen Zweikämpfe schicken, einzig und allein als Belustigung oder Unterhaltung. Und ein wenig musste ich der unheimlichen Stimme in meinem Kopf sogar Recht geben. Warum aber plagte mich dann mein Gewissen nur so ...?


    Von dem Wohlgefallen seiner errungenen Leistung durchtränkt, baute Eagle sich auf dem Kampffeld auf. Mit einer schnippischen Kopfbewegung gab er mir zu verstehen, dass er des Wartens überdrüssig war. Als einziges Nervenbündel nahm ich die Position des Trainers an der sicheren Randseite des Kampfaustragungsortes ein. Nicht nur einmal hatte ich Stan gewaltsam in den Ring schleppen müssen, nur um das zitternde Fellknäuel dann, einen Wimpernschlag später, wieder zwischen meinen Beinen herumstromern zu haben. Krallen kratzten über den Boden und zogen erstaunlich tiefe Furchen in das harte Erdreich, während ich Stan an seinem Schwanz zum dritten Mal in Folge in die Mitte des Kampfrings zerren musste. Begleitet wurde dieses Trauerspiel von dem stets wachsamen und hämischen Blick meines menschlichen Gegenspielers. Wie beknackt mussten wir wohl in seinen Augen wirken ...?
    „Jetzt reiß dich verdammt noch mal zusammen, oder willst du dein ganzes Leben in diesem Körper schmachten!?“ Mit meinen gesamten körperlichen Ausmaßen hatte ich mich vor Stan aufgebaut. Das kleine, haarige Häufchen Elend unter meinem strengen Blick noch weiter zusammenschrumpfen zu sehen, machte mir einmal mehr klar, wie groß ich doch im Vergleich zu der bedauernswerten Figur war, deren ich einst einen Sieg nach dem anderen eingefahren hatte und alles daran gesetzt hatte, ihm als Zeichen der Treue das Leben zu retten. Doch musste ich in Zeiten wie diesen einfach Rückrat beweisen, wollte ich jemals dieser schäbigen Existenz entfliehen; selbst wenn es bedeutete, mehr und mehr in meine Rolle als Mensch zu schlüpfen ...


    „Habt ihr endlich zu Ende gespielt, ihr zwei?“, höhnte Eagle. „Dann kann es ja losgehen.“ Der Pokéball in seiner Faust nahm auf Knopfdruck fast die fünffachen Ausmaße an. „An diese Niederlage wirst du dich noch lange zurückerinnern, das verspreche ich dir. Sora(4), zeig ihm, was Überlegenheit bedeutet!“ Mit diesen Worten schleuderte Eagle seinen bis eben noch umklammerten Pokéball in die Höhe. Aus dem Lichtschwall, der direkt dem Inneren des Pokéballs entrann, erhob sich im selben Augenblick ein schwarzgrauer Vogel anmutig in die Lüfte empor. Dem ersten Anschein zur urteilen, überragte das Pokémon mit Namen Sora Stan bei Weitem. Sie mit gespreizten Schwingen hoch empor in der Luft schweben zu sehen, schien den Umfang ihrer eigentlichen Größe fast zu verdreifachen. Erst aber, als sie ganz langsam dem Boden immer näher kam und ich schon die weißen Pupillen ihrer rabenschwarzen Augen glänzen sah, realisierte ich, dass sie in Wirklichkeit nicht sonderlich viel größer als Stan zu sein schien. Mit messerscharfem Blick, einem bedrohlich wirkenden Schnabel, der nicht weniger gefährlich als ihre krallenversehenen Füße zu sein schien und begleitet von einem ohrenzerreisenden Kampfesschrei machte sie den Eindruck einer unglaublich temperamentvollen, unberechenbaren und aggressiven Kämpferin; all das, was ihr Gegner nicht war. Stan erinnerte dagegen stark an die erste Begegnung mit Eagle, als sein Platz noch von Fiffyen eingenommen worden war. Kauernd und mit eingezogenem Schwanz hatte er sich auf den Boden geworfen, seine Vorderpfoten auf den Kopf gepresst und das Gesicht schon fast im Boden versunken.
    „Oh ja, setz dich auf den Boden, der ist Dreck gewöhnt“, höhnte Eagle.
    Meine Zähne malmten. Hätte ich meiner Wut körperlichen Ausdruck verleihen können – sie hätte die gesamte Stadt unwiderrufbar in Schutt und Asche gelegt. Doch fand ich einfach nicht die passenden Worte, eine niederschmetternde verbale Gegenoffensive zu starten. Eagle dagegen hatte die passenden Worte parat. Die Worte, mit denen er schließlich auch den Kampf eröffnete.
    „Zeig ihm keine Gnade!“


    Sora, den Worten ihres Trainers treu ergeben, hatte sich augenblicklich noch weiter in die Lüfte erhoben. Unter kräftigen Flügelschlägen, die selbst noch aus meterhoher Distanz zum Boden den Staub aufwirbelten, stieg sie höher, immer höher ...
    Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Diese Bilder ... Es war wie ein wiederkehrender Traum. Damals, gegen Fiffyen ... Die Bilder von Sky, wie er sich ganz langsam gen Himmel erhob und dann wie ein silberner Blitz im Sturzflug auf seinen Gegner hinabraste, tauchten vor meinem Auge auf. Damals hatte Fiffyen Zuflucht im hohen Gras finden können, doch hier, auf dieser völlig ebenen Lichtung, war nichts, wo man sich verstecken konnte. Verdammt zu sein, sein Leben auf dem Boden zu fristen, war Stan an diesem Ort seiner Gegnerin auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Auch Sora hatte die Absicht, auf ihren schutzlos ausgelieferten Gegner herabstürzen und ihn wie einen morschen Baumstamm zu fällen.
    „Stan! Du musst ausweichen, hörst du, ausweichen!“, rief ich.
    „Feg ihn vom Feld, los!“, brüllte Eagle.
    Die schemenhaften Umrisse von Eagles Pokémon tauchten auf; mit wahnwitziger Geschwindigkeit schoss sie in die Tiefe, das Federkleid leuchtete hell, als hätte es in weißen Flammen gestanden; die beiden kräftigen Schwingen zerpflügten die Luft in zwei Teile als wäre es ein Obststück, das man entzwei hackte; Gier funkelte in ihren weißen Pupillen, Gier, ihren Gegner erbarmungslos niederzustrecken.
    Wumm!
    Das Hämmern von Stans fellbedeckten Körper, als er sich von dem Aufprall getroffen überschlug und brutal über den harten Boden geschleudert wurde, ließ mir den Atem stocken und das Herz in der Brust still stehen. Hände wurden über den Kopf geschlagen, die Atmung auf ein Minimum reduziert – doch nichts konnte jetzt noch Stan von seinem erfahrenen Leid erlösen.
    Was habe ich getan ...?


    Der Staub, von Stans Sturz aufgewirbelt, legte sich nur langsam und offenbarte nur zögerlich das gesamte Bild des Entsetzens. Stan lag auf dem Boden, schwere Schrammen zeichneten das mit Staub überzogene, azurfarbene Fell, seine Gesichtszüge standen in Flammen, er krümmte sich vor Schmerzen. Colin und auch mir hatte es die Sprache verschlagen. Nur Eagle schien mit seinem Werk zufrieden – fast ...
    „Weiß du“, begann er ein wenig zögerlich, „ich hatte mir eigentlich mehr erwartet, auch wenn das Ergebnis das gleiche geblieben wäre.“ Beide Hände in fragender Stellung in die Höhe gerichtet und leicht kopfschüttelnd, blickte er regelrecht gelangweilt auf das sich vor Schmerzen windende Häufchen Elend, als ob das alles gar nichts anginge.
    Das wirklich Schlimme aber war nicht Eagles Schmach, die ich erdulden musste, auch nicht Colins Blick, der anschuldigend auf mir lastete und stumm an mein Gewissen appellierte, nein ... Da war sie wieder, die innere Stimme. Unsichtbare Zungen redeten immer wieder auf mich ein, dass ich nichts Falsches getan hätte. Meinen Freund sich vor Schmerzen krümmen zu sehen war schließlich das, was das Menschen-Dasein ausmachte. Es gehörte dazu, wie die Gestirne am Himmel, die wiederkehrenden Jahreszeiten oder einfach nur wie der anerkennende Rülpser nach einer deftigen Mahlzeit. Es war der Lauf der Dinge, es musste einfach irgendwann so kommen ...
    „Brich den Kampf ab, das ist es nicht wert!“, hauchte mir Colin ein.
    Ich hatte schon das Handtuch werfen wollen, mit eingezogenem Schwanz zu Kreuze kriechen. Eagle hatte seinen Willen bekommen, wenn auch nicht ganz so, wie er es sich wohl erhofft hatte, und Stan hatte für seine Egozentrik bezahlen müssen. Warum sollte er also nur noch mehr unter Eagles übertriebenem Ego leiden?
    „Sieh an, dein Pokémon scheint ja doch etwas Mumm in den Knochen zu haben“, stellte Eagle fest.
    Überrascht betrachtete ich, wie sich Stan unter Höllenqualen wieder aufrichtete. Das vor Schmerz pervertierte Gesicht meines Freundes verformte sich mit rasender Geschwindigkeit. Körperlicher Schmerz wurde zu Wut, Wut wurde zu Hass, Hass zu einem blinden Wahn. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte ich, ihn verurteilend und gar vernichtend zu mir herüberzusehen – ein Bild des Entsetzens. Mein Herz, schon jetzt in Zeitlupe schlagend, stockte in diesem Augenblick.
    Nur einen Atemzug später war sein ganzer Körper in ein gleißendes gelbes Licht gehüllt. Der kleine Körper bebte, dem steil zu Berge stehenden Fell entwich ein wildes und ungezügeltes Funkenmeer, das sich seinen zerstörerischen Weg ziellos in alle Himmelsrichtungen suchte. Die Luft war von dem Klang der Verwüstung erfüllt, Blitze peitschten gegen Baumstämme, ernteten Laub, Zweige und Waldfrüchte aus den Baumwipfeln und zertrümmerten Fensterscheiben. Schützend warf ich mich auf dem Boden, nachdem ich nur knapp einem Stromschlag entkommen war, der statt meiner Colin getroffen hatte.


    So schnell das Unwetter aufgezogen war so schnell legte es sich auch wieder. Von dem Dreck, auf dem ich lag, hob ich vorsichtig meinen Kopf und auch in Colin neben mir regte sich wieder Leben. Stan war der Erste, der mir ins Auge fiel. Atemringend stand er da wie ein sturer Fels in der Brandung. Doch ein Fels, der kurz davor war, durch die nächste kräftige Woge zu zerbersten und in seine Einzelteile geschlagen zu werden. Dann war da noch Sora, Stans Gegnerin. Sie erweckte nicht den gesündesten Eindruck, wie sie da, von einem der ziellosen Blitze Stans gefällt, auf dem Rücken im Dreck lag und ihre beiden krallenbesetzten Beine leblos in die Höhe streckte. In ihrer Verzweiflung musste sie wohl versucht haben, dem Blitzgewitter irgendwie zu entkommen, denn lag sie nicht da, wo ich sie noch vor wenigen Augenblicken gesehen hatte. Stan aber hatte saubere Arbeit geleistet – ich selbst hätte es fast nicht besser machen können.


    „Wie armselig ...“ Eagle schaute drein, als hätte er einen qualmenden Haufen Unrat unter der Nase. Selbst aus der Distanz konnte ich jedes einzelne Äderchen an seinen Armen und der Schläfe vor Zorn pulsieren sehen. Eine kontrollierte Wut, denn er rührte sich keinen Millimeter, sondern strich sich locker die Haare auf die Seite. Mit starrem Blick sah er mit entgegen, seine Augen zu Schlitzen verengt. „Wie verzweifelt muss man sein, die ganze Landschaft hier in Bretter zu schlagen?“ Dann aber fiel sein Blick auf Sora. Insgeheim hatte ich ihn bereits so eingeschätzt, dass er wohl gleich seinem Pokémon die Hölle heiß machen würde, doch da hatte ich weit gefehlt. Eine Sorgenfalte tauchte dort auf, wo vor Sekunden noch Zorn regiert hatte. Er biss sich auf die eh bereits grashalmdünne Lippe. Leise redete er auf sein Pokémon ein. Was er sagte, konnte ich zwar nicht hören, doch regte sich wie durch ein Wunder wieder neues Leben in dem Vogel-Pokémon. Krampfhaft richtete sie sich auf, Krallen kratzten über den Boden, Flügel wurden wütend gespreizt und der Schnabel gewetzt. Ihr Gefieder war wild und wüst und wurden nur von dem bösen Funkeln in ihren Augen übertroffen – Soras Kampfeswille war noch nicht gebrochen. Fassungslos sah ich Eagle entgegen. Er wollte doch nicht allen Ernstes weitermachen? Auch Stan, wenn er auch seit seiner Attacke mich keines Blickes mehr gewürdigt hatte, schien meine Fassungslosigkeit geteilt zu haben und taumelte benommen einen Schritt zurück.
    „Du willst doch nicht ...“, stockte ich.
    „Und ob ich das will, oder glaubst du, ich lasse mir deine Dreistigkeit gefallen?!“, bellte Eagle. „Sora, in die Lüfte! Zeig ihnen, wie gefährlich ein in die Enge getriebenes Flug-Pokémon sein kann!“
    Der Wunsch ihres Meisters war Soras Befehl. Unter kräftigen Flügelschlägen erhob sich Eagles Pokémon – wenn auch nicht ganz so anmutig und bedrohlich schwankend – wieder in die Lüfte, der Blick raubtierartig die ganze Zeit über auf Stan gerichtet. Auch ihr Trainer sah hungrig zu Stan herüber und scheinbar konnte nur eines diesen Hunger stillen – Stan zu vernichten.
    „Hör auf!“, rief ich. Kalter Angstschweiß rann mir über die Stirn und das Blut gefror in den Adern, doch es war bereits zu spät. Stan hatte keine Gnade zu erwarten.
    „Notsituation!(5)“, brüllte Eagle.
    Was auch immer Stan traf – es musste von unvorstellbarer Stärke gewesen sein. Eine Erschütterung jagte über den Boden hinweg, mit einem surrenden Geräusch krachte Sora frontal mit dem regungslosen Stan zusammen, nur dicht von einem gleißenden Lichtblitz gefolgt. Mit zugekniffenen Augen versuchte ich, dagegen anzukämpfen – ohne Erfolg.


    Schwarze Punkte tanzten noch lange Zeit vor meinen Augen und trogen meine Sicht. Ein schemenhafter grauschwarzer Fleck tauchte als erstes auf und nahm die Form von Sora an, die in der Luft schwebte. Von Stan aber fehlte auf den ersten Blick jegliche Spur.
    „Wo schaust du hin, da liegt er doch.“
    Die Selbstzufriedenheit, die einmal wieder in Eagles Stimme lag, gefiel mir ganz und gar nicht. Dennoch zwang ich mich dazu, seinem Fingerzeig zu Folgen, obwohl ich bereits ahnte, worauf es hinaus laufen würde. Und ich fand ihn – Stan, wie einen morschen Baum gefällt. Eine fast meterlange Schleifspur im Boden endete an seinem völlig ramponierten Körper, die wohl von seinem eigenen Leib gepflügt worden war. Er rührte sich nicht mehr.
    „Stan!“ Mir war in diesem Moment alles auf dieser Welt egal, Kampf oder nicht, Ehre hin oder her, ganz gleich, wie gefühlsduselig ich in den Augen Eagles rüber kam – für mich gab nur noch die ohnmächtige Gestalt vor mir.
    Staub wurde von meinen Sohlen aufgewirbelt, die stehende Luft aufgepeitscht. Gleich zweimal hätte ich vor Hast beinahe das Gleichgewicht verloren und zu Boden gestürzt. Die Knie schrammten über den Boden, als ich mich vor Stan warf und seinen zermalmten Leib in meine Arme schloss. Colin, der Augenblicke später zu meiner Seite erschien und sich nach Stans Zustand erkundigte, nahm ich fast nicht wahr.
    Sanft strich ich Stan den überflüssigen Pelz aus dem schweißbefleckten Gesicht und beäugte widerstrebend die sich schnell verfärbenden Flecken, die seinen Körper verunstalteten.
    „Ein Junge und sein Pokémon ... wie rührend.“
    Zähneknirschend hob ich meinen Kopf und wandte mich zu Eagle, der im selben Moment Sora wieder zurück in ihren Pokéball beförderte. Er wirkte mit seiner Leistung selbstzufriedener denn je.
    „Verdient habt ihr es ja nicht, aber natürlich stehe ich für mein Wort“, sagte Eagle und tat einen kleinen Schritt in unsere Richtung. Meine Miene verfinsterte sich, ich wollte dieses Ekelpaket nicht näher an mich wissen, als unbedingt nötig war. Dennoch konnte ich das Fellbündel in meinen Armen - zumindest für den Moment - kurz vergessen. Eagle wusste etwas - woher auch immer, ich musste ihm an den Lippen hängen, zumindest für den Augenblick. Jede Information, wenn auch noch so klein, konnte meine ganze Zukunft entscheiden.


    „Ich weiß zwar nicht“, begann Eagle mit fragender Handbewegung, „warum es euch interessiert, aber ich teile mal mein Wissen mit euch. Was wollt ihr hören?“
    „Alles!“, stimmten Colin und ich im Chor überein. „Woher kennst du seinen Namen oder ist das nur ein Hirngespinst? Was weißt du sonst noch?“, hakte ich rasch nach.
    Eagles linke Augenbraue wanderte nach oben. „Ich bin viel zu nett“, sagte er selbstverliebt und mehr zu sich selbst als zu uns. „Deoxys ... ist anerkannten Pokémon-Professoren bereits ein Begriff.“
    „Pokémon-Professoren?“, unterbrach ihn Colin. „Soll das heißen, Deoxys ist ein ...“
    „Pokémon, richtig erkannt, Zwerg“, antwortete Eagle. „Aufnahmen und Bilder von Deoxys machten auf der ganzen Welt ihre Runden und gerade gestern flimmerten Berichte über die Mattscheiben, in denen die Behörden bestätigten, dass es sich bei dieser übergroßen Schmeißfliege tatsächlich um Deoxys, ein seltenes Pokémon aus dem All, handelt.“
    In seiner Stimme lag plötzlich eine von mir noch nie gehörte Form der Verachtung. Er stieß offensichtlich bei seinen eigenen Worten auf Unbehagen, was ich mir nicht erklären konnte.
    „Jedenfalls“, fuhr er fort, „haben die Medien davor gewarnt, sich Deoxys auf seinem Weg auf die Meteoritenfelder hinter Laubwechselfeld in den Weg zu stellen, weswegen die Leute hier kurzerhand den Weg geräumt haben und getürmt sind.“
    „Sagtest du Laubwechselfeld?“ Colin war an mir vorbeigezogen. Im letzten Moment hatte ich feststellen müssen, dass sein Gesicht kreidebleich war. „Aber warum? Warum Laubwechselfeld?“
    Eagle zuckte die Schultern. „Muss irgendetwas mit den Meteoriten zu tun haben – aber was schert es mich?“
    Colins Körper schien in Eiswasser getaucht zu sein, denn obwohl er nur mit dem Rücken zustand, zitterte er heftig. Laubwechselfeld ... Ich erinnerte mich daran. Es war der Name von dem Ort, wo Colins Wurzeln lagen, seine Heimat. Verständlich, dass er es mit der Angst bekam. Es war wohl offensichtlich, denn auch Eagle blieb dies nicht verborgen.
    „Hast wohl auch eine Rechnung mit diesem Mistvieh offen, hm?“, sagte er. „Aber das eins klar ist: Du stellst dich gefällig hinten an! Ich werde derjenige sein, der es erlegt! Hast du verstanden?“
    „Erlegen?!“ Ich schmeckte Blut. Die Zunge, in die ich versehentlich meine Zähne vor Schreck versenkt hatte, schmerzte höllisch. „Wieso, warum ...?“
    Eagle spukte angewidert auf den Boden. „Glaubst du, ich lasse diesen Möchtegernhimmelsstürmer hier einfach so herumschwirren? Das Recht, nein, das Privileg, den Himmel für sich in Anspruch zu nehmen: das haben einzig die Flug-Pokémon, und ich werde einen Teufel tun, diese Missgeburt als solches anzuerkennen. Es macht ihnen den Himmel streitig – eine Frechheit!“ Er ballte seine Faust und machte einen großzügigen Schritt in unsere Richtung. „Ich werde derjenige sein, der es aus der Erdumlaufbahn fegt, der es dort zurückschickt, von wo es ...“


    Wamm!
    Knochen prallten aufeinander. Meine stahlharte Rechte hatte treffsicher ihr Ziel gefunden: Eagles bloßgestellte Backe. Es war ein blinder und wohl menschlicher Reflex, der für mich im ersten Moment unbegreifbar war. Beim Aufprall hatte mein Ohr ein lautes Knacksen vernommen. Ob es nun ein gebrochener Kiefer oder aber ein nun in Trümmern liegendes Handgelenk war, konnte ich nur mutmaßen. Dem brutalen Schmerz in meiner Faust aber zu urteilen, wohl eher Letzteres ...
    Von dem unerwarteten Aufkommen von roher Gewalt schwer getroffen, war Eagle einige Schritte zurückgetaumelt, stand aber noch. Sein Gesicht lag im Schatten seiner Handfläche und gab kein Zeichen von dem Preis, was in ihm lauerte.
    „Bist du irre?!“, brüllte Colin mich an.
    Ich wandte mich an meinen Gefährten. „Du hast doch gehört, was er gesagt hat!“, erwiderte ich aufgebracht. Meine Stimme, so voller Wut und Abscheu für dieses Missbild eines Menschen, hallte gespenstisch laut über die ausgestorbene Stadt, verirrte sich in den Baumwipfeln und echote von den Hausfassaden wieder zu uns zurück. „Er ist völlig übergeschnappt! Du weißt, was ...“
    Wamm!
    Meine Füße verloren den Halt, mein Körper wirbelte durch die Luft und krachte auf den Boden, der Schmerz suchte sich sekundenschnell den Weg in mein Gehirn. Zum zweiten Mal in nur kurzer Zeit waren stahlharte Argumente gegeneinander gekracht. Eagles Rache, in Form einer vernichtenden Rechten direkt gegen meine Schläfe, hatte ihr Ziel erreicht. Krümmend vor Schmerz lag ich da, Stans schlaffer Körper war meinem Griff entglitten und ruhte nur eine halbe Armlänge von mir entfernt im Staub. Der Fausthieb schien mein Trommelfell entzwei gerissen zu haben, denn im ersten Moment war ich der festen Überzeugung, taub zu sein. Die Welt um mich herum drehte sich wild um die eigene Achse und in meinen Ohren klingelte ein ganzes Glockenspielorchester.
    Reflexartig drückte ich mir die Hand gegen den Kopf, wie Eagle es bei sich getan hatte. Mein Benommenheitszustand besserte sich etwas, zumindest hörte die Welt auf, sich im Kreis zu drehen, der Schmerz aber blieb. Ein grünes Augenpaar funkelte böse zu mir herab. Ein schwer atmender Eagle hatte sich mir bis auf einen halben Meter Distanz genähert, seine Gesichtszüge wahren vor Schmach und Wut verzerrt. Unsere Blicke trafen sich. Lange Zeit sahen wir uns an. Er mich, ich ihn, wir uns. Stillschweigend. Wer von uns die größere Abneigung hegte, war fraglich.
    „Abschaum!“ Seine Schuhe schabten über den Boden und feuerten mir eine geballte Ladung Sand ins Gesicht. Ich heulte vor Schmerz. Mein Hinterkopf, auf diesen Angriff überhaupt nicht vorbereitet, krachte benommen gegen auf den Boden, die Augen brannten höllisch und begannen schlagartig Tränen zu weinen.


    Nur noch das Knirschen des Sandes unter Eagles Sohlen war zu hören, als dieser sich langsam von mir, Stan und Colin entfernte. Das, und meine Fingernägel, die wütend über den Boden kratzten.

  • Endlich mal ein nicht verspätetes Kommentar von mir, ich dachte nicht das dies möglich sei XD (abgesehen du rechnest Part 4 mit, dann hätte ich wieder 6 Tage Verspätung...)
    Nun gut, dann will ich mal anfangen.


    Erst einmal zu den Fehlern.
    Tja, diesmal habe ich aber sogar einen (Tipp)Fehler gefunden. Aber trotzdem, du hast dich gebessert XD

    Zitat

    Zähneknirschend habich meinen Kopf und wandte mich zu Eagle,


    Nur ein kleiner Typo, wollte ich nur auflisten damit ich auch behaupten kann, ein wenigstens halbwegs brauchbares Kommentare zu schreiben^^
    Andere Fehler hab ich nicht gefunden.


    Und damit zum Inhalt:
    Erst einmal, wenn ich hier den Namen Egale meine ich natürlich den Rivalen, nur das es nicht zu Missverständnissen kommt XD
    Jetzt ist es endlich zum Treffen zwischen Sheinux und Eagle gekommen, so wie ich es erhofft habe. Der Kerl ist auch genau noch so wie ich ihm in Erinnerung habe: Arrogant und Kühl. Ach Rivalen (oder Antihelden) sind doch etwas schönes, man kann sie zwar zumeist kaum ausstehen und peinigen die Hauptperson(en) fast bis zum Ende aber sie geben der Handlung einen gewissen Kick. Man wünscht sich einfach, das Sheinux einfach diesem Trainer zeigt, wie der Hase läuft. Also ich kann nur sagen, dass ich doch sehr froh bin, dass du diesen Charakter in die Handlung eingebaut hast.
    Da Eagle ihnen das Angebot macht, ihnen alles über Deoxys zu erzählen, egal ob er den Kampf gewinnt oder nicht, war an der Stelle leider schon klar das sie wohl kaum den Kampf gewinnen wird. Wäre aber wohl auch noch zu früh gewesen.
    Schon komisch, nachdem man die längste Zeit die Kämpfe nur aus der Perspektive des Pokemon, also Sheinux, gesehen hat, ist es schon ein seltsames Gefühl das ganze aus der Sicht des Trainers zu sehen. Der Trainer, der eigentlich ein Pokemon ist. Armer Stan, hat schon als Trainer kaum eine Ahnung von Pokemonkämpfen gehabt, wie sollte dann als Elektropokemon damit zurecht kommen. Sheinux konnte wenigstens immer auf eigene Faust kämpfen und war oft erpicht darauf, in den Ring zu steigen, bei Stan ist es umgekehrt. Und jetzt bekommt er noch dazu den Trainerinstinkt, Stan ist momentan wirklich arm dran.
    Was ich bis jetzt noch immer nicht sicher weiß ist, was für ein Pokemon eigentlich Sora(ich liebe des Namen, besonders für geflügelte Geschöpfe) ist. Es gibt so viel ich weiß kein schwarz, graues Vogelpokemon mit schwarzen Augen... ich nehme aber mal an du meinst ein Schwalboss, oder? Ich persönlich hätte das Pokemon noch etwas auf seine Besonderheiten beschrieben, besonders wenn es nur einen Spitznamen besitzt. Wieso schickt er eigentlich nicht wieder seinen fliegenden Skorpion gegen ein Sheinux in den Kampf? Scheint wohl sehr von seinem Sieg überzeugt zu sein XD
    Jedenfalls kommt es wie es kommen muss, Stan wird scheinbar am Anfang vernichtend geschlagen. Sheinux Gedankengänge und Gefühle sind dabei sehr passen und gut beschrieben, immer wieder diese innere Stimme, die ihm sagt das dies alles doch ok sei, wenn man ein Pokemon kämpfen lässt. Trotzdem fühlt sich Sheinux elend, besonders nachdem Stan plötzlich die Kraft für einen Donner aufbringt und ihm dabei diesen vorwurfsvollen Blick zu wirft.
    Eagle hab ich scheinbar auch etwas falsch eingeschätzt, denn ich hätte auch eher erwartet das er seinem Pokemon verachtend gegenüber tritt, was aber scheinbar nicht der Fall war. Sogar zum weiter Kämpfen hat er das Vogelpokemon gebracht und den armen Stan mit einer Notsituation besiegt. Nach diesen Aktion war ich irgendwie so richtig froh, als Sheinux ihm einfach eine geknallt hat, besonders nach seiner lächerlichen Erklärung weshalb er Deoxys sucht... selbst ich der eigentlich im RL ziemlich gegen Gewalt bin XD Aber da hast du ja alles richtig gemacht, wenn ein Leser so richtig von den Charaktern und der Handlung mitgerissen wird^^
    Am Ende sieht es leider danach aus, das Sheinux als der Verlierer da steht... aber wenigstens hat er es ihm etwas gezeigt. Ich frag mich wie es wohl weiter mit Stan gehen wird. Kein Pokemoncenter weit und breit und schwer verletzt. Nicht gerade schöne Aussichten.


    Mal sehen wie es wohl nun weiter gehen wird, mir persönlich hat dieses Kapitel sehr gut gefallen, immerhin hab ich mich doch ziemlich auf ihre Begegnung gefreut. Der Part mag zwar lange gewesen sein, aber das ist ja eigentlich nichts schlechtes, Handlung war genug dabei^^
    Das war's mal von mir, freu mich schon auf das nächste Kapitel


    mfg
    Toby

  • Jo Eagle,


    bin etwas spät dran, aber immerhin bin ich da.^^ Das neue Kapitel kam schneller als ich erwartet hatte, was ich aber nur begrüße, da ich von deiner Story zur Zeit eh nicht genug bekommen kann. Die Konfrontation mit dem dir gleichnamigen Charakter Eagle ist genau die Art Situation, die ich liebe. Der unsympatische Mistkerl, der leider viel mehr über die aktuelle Situation weiß, als Stan, Collin oder Sheinux. Hinzu kommt die geisterhafte Ausgestorbenhet von Baumhausen City, was mich irgendwie an diese alten Westernfilme erinnert. Hut ab, wenn man die Atmosphäre von Showdowns solchen Formats erzeugen kann, verdient das Lob. Dass Eagle dann einen Kampf im Austausch gegen Informationen fordert, wundert mich nicht sonderlich. Recht früh konnte ich feststellen, wie sehr er es liebt, seinen Gegenspielern ihre Grenzen aufzuzeigen und sie zu erniedrigen. Allerdings fallen die Zweifel und die inneriche Zerstrittenheit von Sheinux, als agle Stan als Gegner fordert, für meinen Geschmack etwas knapp aus. Klar, Stan ist nach wie vor nicht unbedingt als Held aus ihrer Lage hervorgegangen, aber in den letzten Kapis sind sie doch zusammengewachsen und ihr Verhältnis beruht längst nicht mehr nur auf der Lebensschuld in der sich Sheinux noch befindet. So gesehen erscheint er mir doch recht voreilig mit seiner Zustimmung und das Collin kaum etwas dazu sagt, finde ich auch etwas unlogisch. Schließlich muss er doch sonst auch überall seine Meinung geigen.


    Der anschließende Kampf gefällt mir dann aber sehr gut. Stan ist genauso verloren, wie es zu erwarten war, bis auf diesen Ausraster kurz vor Schluss, bei dem sich das Blatt beinahe noch gewendet hätte. Ich fand es gut, dass er wenigstens einen Schlag austeilen konnte, doch ein Sieg wäre auf der anderen Seite übertrieben gewesen. Schließlich scheint Eagle zu wissen, was er tut (sowol der in der Story, als auch der echte!^^) Die "schlagfertigen Argumente" am Schluss fand ich spitze. Nicht nur blub blub, protzen, drohen, sondern auf die Fresse! Dabei war Sheinux begründung für seinen Kinnhaken allerdings nachvollziehbar, im Gegensatz zu Eagle. Deoxys abmurksen, nur weil es fliegt? Naja, auch andere Pokis können fliegen, obwohl sie keine Flug-Typen sind. Wenn das wirklich sein Grund ist, hat er noch ne Menge zu tun.


    Jetzt hat Sheinux zwar Kopfweh und Stan gehts auch nicht besonders, aber immerhin ham se jetzt ne Spur. Von Eagle werden wir wohl auch nicht das letzte Ma gehört haben. Freu mich schon auf weitere fliegende Fäuste und natürlich auch auf die Fortsetzung.


    mfg

  • Kapitel 8: Stimmungstief



    Part 1: Stans große Chance


    Noch immer haftete der Dreck von Baumhausen City unter meinen Fingernägeln; ein hässlicher, sich rapide dunkel verfärbender Fleck pulsierte dagegen kräftig an meiner Schläfe. Wir hatten uns wieder auf den Weg gemacht, auf den Weg nach Laubwechselfeld, Colins Heimatort, der nach seiner Aussage noch ein gutes Stück im Westen lag. Über die eben erlebten Ereignisse verloren wir kaum ein Sterbenswörtchen. Unnötige Unterhaltung war völlig überflüssig, das wussten wir beide, Colin und ich. Es war nun ein Wettlauf mit der Zeit. Sollte dieses selbstsüchtige Menschenwesen Deoxys tatsächlich vor uns finden und an seinen Absichten festhalten – und eben dies traute ich ihm sehr wohl zu -, würde ich dazu verdammt sein, mein verbliebenes Leben unwiderruflich in diesem Körper zu schmachten. Der Gedanke an diese von Selbstsucht zerfressenen, grünen Augen war sogar weitaus unerträglicher als jenes stechende Augenpaar, das mich nachts in meinen Albträumen verfolgte. Im Vergleich zu Eagle wirkte Deoxys sogar schon irgendwie sympathisch, auch wenn es mich innerlich bei diesem Gedanken schüttelte.
    Meine viel zu langen Beine beschleunigten zum dritten Mal in nur kurzer Zeit instinktiv ihre Bewegungen. Stans ausgemergelter Körper wippte im Gleichtakt meiner weiten Schritte. Da aufgrund Deoxys’ unmittelbarer Präsenz das uns nächstgelegene Pokémon-Center – jenes in Baumhausen City – nach wie vor leer stand, hatten wir Stans Verletzungen provisorisch mit unseren bescheidenen Mitteln behandeln müssen. In unmittelbarer Lebensgefahr schien er zwar nicht geschwebt zu haben, doch sprach sein von Leid zerfressenes Gesicht sehr wohl Bände. Die durchsichtige und übel riechende Flüssigkeit, mit der Colin die wirklich hässlichsten Schrammen und Flecken behandelt hatte, zeigte bereits kurz nach seinem Einsatz erste Wirkung, doch war mein kleiner Freund noch viel zu schwach, als dass er auf eigenen Beinen hätte stehen können. Seine erste kurze Wachphase wurde von einem umso längeren Schlaf in meinen Armen gefolgt.


    Ereignislos zogen die Stunden dahin. Die wohl aufregendsten Augenblicke auf unserer Wanderschaft über den monoton geradlinig verlaufenden Waldpfad, für dessen Schönheit ich schon lange die Interesse verloren hatte, waren wohl jene Momente, in denen Stan kurz erwachte. Trotz unmittelbarer Nähe zu mir, zeigte er sich – sogar für seine Verhältnisse – auffällig distanziert, gar abweisend. Als dann bereits der Abend nahte und er wieder halbwegs bei Kräften war und stumm neben uns her tapste, wurde mein Eindruck nur noch damit bestärkt, dass er sich mehr zu Colin als zu mir hingezogen fühlte. Der Grund aber, warum er mir, trotz meiner Fürsorge, die kalte Schulter zeigte, war mir völlig fremd. Ich hatte mir doch schließlich nichts zu schulden kommen lassen, oder? Versuche, ihn auf mich aufmerksam zu machen oder gar den Grund für abweisendes Verhalten zu entlocken, blieben erfolglos.


    „Warum jetzt eigentlich immer weiter nach Süden? Ich dachte, wir müssten geradeaus, nach Westen?“ Der Wald, in dem weit hinter uns auch Baumhausen City lag, hatte sich gelichtet. Der Weg aber, den wir die ganze Zeit über gefolgt waren, schlug nun plötzlich immer weiter Richtung Süden um. Bald schon würden wir uns ganz der untergehenden Sonne abwenden. „Können wir nicht querfeldein?“
    „Könnten schon“, antwortete Colin, „aber Laubwechselfeld liegt hinter einer großen Bergkette. Wenn du nicht wie ein Vogel fliegen kannst, gibt es da kein Überwinden ...“
    Böse funkelte ich zu dem noch in weiter Ferne und längst nicht in Sichtweite gerückten Hindernis. „Deoxys kann fliegen ...“, knurrte ich leise.


    Der sich stetig zur Ruhe neigende Tag wurde von pechschwarzen Wolken begleitet. Je weiter wir in südliche Richtung einschlugen, desto bedrohlicher schien das Wolkenmeer über unseren Köpfen zu werden. Das Antlitz der Sonne, von dem wir uns immer weiter gezwungenermaßen abgewendet hatten, war unlängst hinter dem düsteren Vorhang verschwunden. Schon bald war es stockdunkel wie in der finstersten aller Nächte. Aus der Ferne kündigte bereits wüstes Grollen das bevorstehende Unheil an; und wir in der ersten Reihe der Ehrenloge und somit der himmlischen Wut schutzlos ausgeliefert. War meine Vorahnung so vielversprechend als auch sonst, würde der kleine Bach, der leise am Wegesrand plätscherte, schon bald über die Ufer treten. Colin sah sich besorgt um und auch ich teilte seine Sorge. Nur wenige Bäume – gleichzeitig noch dünn bewachsen und mit lichtem Blattwerk - säumten die fast makellos flache Landschaft. Nichts, wo man wirklich Schutz finden konnte, insbesondere, wenn erst der schon jetzt sehr böige Wind den Regen unter die knochigen Zweige schlug, unter denen man Schutz suchte.
    Ein gleißender Blitz erschütterte das zerklüftete Wolkenfeld, Donner blieb nicht lange aus und wie auf Geheiß öffnete sich der Himmel über unseren Köpfen. Colins Fluch versank in einer Sinnflut aus eiskalten Regentropfen, groß wie Hagelkörner; erst wenige, dann ein ganzer Wolkenbruch, brach in einer zerstörerischen Wut auf uns ein.
    „Weg von hier“, war das Einzige, was Colin einfiel.
    „Und wohin denn bitte?“, musste ich schon den peitschenden Wogen und den sinnflutartigen Regenerguss entgegenbrüllen. Die Stofffetzen an meinem Leib hatten sich unlängst mit Flüssigkeit vollgesogen und lasteten nun wie Bleiwesten an mir; Wasser stand mir in den Schuhen. War am gestrigen Tage noch der Schweiß vor Anstrengung und Hitze in Strömen geflossen, bebte nun mein Körper vor Kälte empört auf.
    Colin deutete stumm auf die größte Ansammlung von Holz, die sein Auge auf die Schnelle ausmachen konnte – ein Ahornbaum, in der Blüte seiner Jahre. Seine Äste schwankten gefährlich in den Böen, viel Schutz bot er uns nicht, doch rief es auch mich zu ihm: er war besser als nichts ...


    Jeder meiner Schritte wurde von dem widerlichen Geräusch in den Schuhen stehendes Wasser, welches durch die Wucht meiner Füße gewaltsam hinausgepresst wurde, begleitet, aufgeworfener Schlamm überzog meine Schuhe und den Hosensaum wie schokoladengarnierte Süßspeisen, ein unvorsichtig gewählter Schritt in eine besonders tückische Pfütze ließ mich bedrohlich taumeln. Ich wurde in meinem Leben schon von manch einem Unwetter überrascht, auch gebeutelt, dieses aber übertraf sie alle. Es schien fast so, als hätte sich der Himmel persönlich gegen uns verschworen; er bestrafte uns für die Niederlage, die wir vor wenigen Stunden erlitten hatten. Näher, immer näher kamen wir unserem rettenden Unterschlupf. Mit jedem zurückgelegten Meter wurde mir aber mehr und mehr klar, dass irgendjemand dort auch Obdach gesucht und gefunden hatte. Die verschwommenen Umrisse einer Gestalt – dem Anschein nach etwa in meiner Größe – wurden immer klarer. Wer auch immer es war, schien sich allerdings wenig von Wind und Wetter stören zu lassen. Regelrecht stur war der Blick der Gestalt stur westwärts gerichtet.
    Ein jäher Blitz erhellte die Szenerie, die Umgebung flammte in dem Augenblick eines Wimpernschlags auf, das Antlitz des Fremden wurde enthüllt. Mir stockte der Atem, das Seitenstechen verwand, die Muskeln wurden schlaff, Arme und Beine taub, der unaufhörliche Fluss der Zeit stand still. Tentakel statt Armen, ein makellos geschliffener Oberkörper, der wie ein Puzzle zusammengesetzt zu sein schien, dort, wo eigentlich Mund und Nase hätten sein müssen, zierte nur eine Kerbe seinen Kopf, ein weißes, stechendes Augenpaar war noch immer nach Westen ausgerichtet ... Es war Deoxys.


    Auch meine beiden Begleiter hatten längst ihre Bewegungen gestoppt. Ganz gleich, wie hart der Regen auch auf unsere Schädel eindrosch, ganz gleich, wie tief wir sekündlich im Morast versanken: Deoxys einfach nur so dazustehen zu sehen, wie die Regentropfen einfach nur von der glatten Oberfläche seines Körpers abperlten, seine pervertierte Gestalt immer wieder von gleißenden Blitzen aufgehellt wurde, sein rätselhaftes Gesicht von den Geheimnissen des unendlichen Alls umhüllt war ... Ein einmaliges Schauspiel, das sich seines Gleichen suchte.
    „Und jetzt?“ Colin hatte jene Worte ausgesprochen, die mir auf der Seele gebrannt hatten, ich aber nicht gewagt hatte, sie in Worte zu fassen. Wie naiv wir doch in unserem verzweifelten Bestreben waren, so kindisch und dumm. Wir überquerten Ozeane, ließen Städte, Berge und Täler hinter uns, das Ziel stets immer glasklar vor Augen. Doch weder hatten wir ein Wort darüber verloren, noch hatten wir uns überhaupt Gedanken darüber gemacht, was zu tun ist, wenn erst der Fall der Fälle eintreten würde. Noch nicht einmal wussten wir, ob sich dieser Vorgang überhaupt umkehren ließ; es beruhte auf reine Spekulation. Basierten die Umstände meiner Verwandlung nur auf purem Zufall oder steckte mehr dahinter? Irgendwie – und das widerstrebte mir doch arg – musste ich Eagle ein klein wenig Recht mit seiner Aussage geben, was wir doch nur ein ahnungsloser Haufen doch seien. Traumtänzer, genau das waren wir ...


    Deoxys hatte sich seit unserer Ankunft keinen Millimeter vom Fleck bewegt und allem Anschein nach noch immer keine Kenntnis von unserer Ankunft genommen. Eine geschlagene Minute nun und unter strömendem Niederschlag hielten wir uns in gebührendem Abstand zu ihm auf, unfähig, eine simple Entscheidung zu fällen. Regen prasselte unaufhörlich auf unsere Häupter, Sturmböen brachten unser spärliches Haar und Stans dichtes Fell durcheinander. Stan ... Das Getriebe in meinem Kopf arbeitete auf Hochtouren. Wir mussten Deoxys um jeden Preis von unseren Absichten überzeugen. Gleichzeitig rief ich mir die Worte Eagles in Gedanken: Ein Pokémon, richtig erkannt.
    „Wenn es sich bei Deoxys tatsächlich um ein Pokémon handelt“, ein jäher Blitz fegte über das Himmelszelt hinweg und ließ einmal wieder Deoxys’ makellosen Körper aufleuchten. Während ich sprach, wanderte mein Blick zu dem durchnässten Fellknäuel zu meinen Füßen, „dann sollte Stan es vielleicht von unseren Absichten überzeugen.“
    Nichts versicherte, ob das Pokémon aus dem All uns überhaupt verstand, waren es nun die vertrauensseligen Worte eines Artgenossen oder aber die eines verräterischen Menschen. Welche Wahl aber hatten wir? Wie lange würde Deoxys starrengleiche Ruhepause überhaupt andauern? Wir mussten die Gelegenheit beim Schopfe packen; versagen war keine Option! Unser und insbesondere mein Schicksal ruhte auf Stans gebrechlichen Schultern.
    Stan aber rührte sich nicht vom Fleck. Seine Beine zitterten – lag es an der Kälte? -, das Gesicht war in verzagenden Schatten gehüllt; hatte er etwa Angst?
    „Jetzt mach schon! Spring einmal in deinem Leben über deinen Schatten“, flehte ich schon fast.
    Und Stan bewegte sich! Ganz langsam setzte er eine Pfote hinter die andere. Ja, ihr habt richtig gehört: hinter. Stand entfernte sich zaudernd von uns und somit auch von Deoxys. Ich wollte meinen Augen nicht trauen.
    „Das gibt’s nicht! Stan!“, brüllte ich meinen Frust vom Leib und meinem Trainer verständnislos entgegen.
    „Zu laut ...“
    Im ersten Augenblick begriff ich nicht im Geringsten, was Colin mit seiner stupiden Aussage andeuten wollte. Als ich aber dann meinen Blick gezwungenermaßen von der versteinerten Gestalt Stans abwendete und Colins Fingerzeig folgte, sah ich direkt in jene weiße, stechenden Augen, die mich seit meiner Verwandlung in meinen Träumen verfolgt hatten. Deoxys hatte unsere Anwesenheit bemerkt.
    „Nein!“
    Doch kein Betteln, kein Flehen und schon gar nicht mein Fluchen und Schimpfen konnte Deoxys daran hindern, sich langsam gen Himmel zu erheben. Ohne uns, die wir aus der Höhe nur noch Ameisengröße hatten, eines Blickes zu würdigen, jagte Deoxys wieder weiter westwärts. Wir hatten unsere Chance vertan ...


    Der Schlamm spritze nur so auf, besprenkelte alles und jeden, der das Pech hatte, sich in unmittelbarer Nähe zu mir aufzuhalten, mit einer Dreckwoge. Frontal und ohne Rücksicht hatte ich mich auf den Boden geworfen, brüllte mir die Seele aus dem Leib und hämmerte mit den Fäusten auf den wehrlosen und vor allem unschuldigen Boden ein – es war mir egal, mir war einfach alles egal, alles. Die Chance auf Erlösung lag nun bereits fast in Unendlichkeit gerückt am Horizont und wurde von Sekunde zu Sekunde kleiner. Mit Füßen hatten wir die größte und vielleicht letzte Chance getreten, die wir hatten. Und die Schuld, die Schuld ganz allein trug ...
    „Stan!“ Rau und metallisch war die Stimme, die aus meiner Kehle herausgekrochen kam, durchtränkt mit Enttäuschung, gezeichnet von Verzweiflung und insbesondere erfüllt von Hass. Die Dreckschicht gepaart mit dem niemals enden wollenden Regen trog meine Sicht. Der kleine, schäbige und heuchlerische Mensch in meinem Körper allerdings, den sah ich genau. Wie er so da stand, mit entschuldigender Miene versuchte, seine Unschuld zu beteuern.
    „Sheinux ... Jetzt komm – das wird sch...“
    Halts Maul! Tu einmal der Welt einen Gefallen, Colin, und halt - dein - Maul!
    Ich hatte mich nicht mehr unter Kontrolle und wollte es auch nicht. Stan war Schuld, er allein, da gab es nichts zu rütteln. Ich musste meinen Frust ablassen, an Colin oder besser noch an Stan.
    „Du weißt nichts, hörst du, nichts!“, krächzte ich. Zu den Regentropfen und dem Schlamm auf meinen Wangen gesellten sich heiße Tränen, ich schmeckte das Salz; spürte, wie es mir auf den Lippen brannte, wie die Wut in meinem Leib kochte und wir die freundschaftlichen Gefühle für Stan erkalteten. Wütend sah ich den albernen Menschen an, der in seiner Vermessenheit glaubte, mir helfen zu können. „Du hast keine Ahnung, wie es sich anfühlt. Hörst du, nicht die Geringste!“ Ich wollte ihm eine scheuern, meine ungeheure Wut an ihm auslassen, fand aber einfach nicht mehr die Kraft dazu. Leer und ausgezehrt ließ ich mich wieder kopfüber in den Dreck fallen und schluchzte mein Elend direkt in den aufgeweichten Boden hinein. „Ich stecke in diesem Körper fest, für immer, für immer ... Und du bist Schuld, hörst du mich, Stan, du!“ Ich hob meinen Kopf, sah einen gefassten Moment in die von Reue zerfressenen Augen Stans, konnte diesen Blick aber nicht lange ertragen und suchte wieder die Erlösung in dem schmutzigen Erdreich. „Gefangen im fremden Körper auf ewig. Niemand kann mir helfen, niemand!
    „Ich kann es – vielleicht ...“
    Eine Stimme, doch war es weder die Colins und schon gar nicht die meines verräterischen Trainers. Sie war viel zierlicher, klang jung und unschuldig.
    Einen Spalt weit öffnete ich die Augen. Zwischen einem Meer aus Schlamm, der mir langsam das Gesicht herunterlief stand ein kleines Menschenmädchen.

  • Part 2: Mit der Unschuld eines Kindes ...


    Unaufhörlich beweinte der Himmel unsere erlittene Niederlage. Blitze zuckten, Donner grollte, kein Ende war in Sicht. War die Bühne dieses dramatischen Schauspiels noch dieselbe, so waren die Akteure dieser Szene dagegen ausgetauscht worden. Ich, voller Frust, Wut und Frustration, der Protagonist und gleichzeitig die Witzfigur dieser Travestie, war noch da; Colin, in seiner ganzen Hilflosigkeit, nahm seine gewohnte Position am Rande des Vorhangs ein; Stan, der rückratlose Heuchler dieses Stücks, nicht zu vergessen. Deoxys’ Rolle war allerdings ersetzt worden. Der neben mir wahrscheinlich wichtigste Akteur hatte schändlicherweise unerlaubt das Rampenlicht verlassen und einen erbärmlichen Ersatz für uns bereitgestellt.


    „Das war Deoxys, oder? Ich habe im Fernsehen von ihm gehört.“ Schwerfällig stapfte das Menschenmädchen, das, - auf den ersten Blick zu schließen - kaum älter als sechs Jahre sein konnte und mir kaum über den Bauchnabel reichte, hätte ich nicht noch immer im Schlamm gelegen, durch den Morast. Sie sackte bei jedem ihrer Schritte zentimetertief in den Schlamm ein, was ihren ohnehin bereits mickrigen Körperbau drastisch reduzierte. In ihren zierlichen Händchen hielt sie ein halbes Dutzend gebrechliche und von Wind und Wetter gebeutelte gelbe Blumen fest umschlossen. „Und du ...“, sie hatte sich unmittelbar zu mir, noch immer bäuchlings im Schlamm liegend, aufgebaut, ihre aquamarinfarbenen Augen hielten mich in ihrem Bann gefangen, „du bist nicht der, der du von außen vorgibst zu sein, richtig?“ Wie auf Geheiß sah sie plötzlich über mich hinweg. Auch ohne Augen im Hinterkopf ahnte ich bereits, wo es ihren Blick hinzog: genau zu Stan. „Du bist er, und er ist du ...“ Wieder hatte sie sich meiner zugewendet.
    Was war es? Mit welcher Gabe durchschaute sie die ganze Maskerade? War es ihre kindliche Unschuld; betrachtete sie die Dinge vielleicht einfach aus einem ganz anderen Blickwinkel; oder zählte sie einfach nur eins und eins zusammen, schließlich hatte sie uns offenbar belauscht, doch für wie lange schon?
    „Du machst besser, dass du nachhause kommst!“ Colin hatte sich dem Mädchen angenommen. Ich ahnte bereits, was in seinem Kopf vorgehen musste. Die ganze Zeit über hatte er verzweifelt versucht, das Mysterium um mich, Stan und Deoxys geheim zu halten, und ausgerechnet hier, mitten in der Pampa und von Gott und der Welt verlassen, flog unser Mummenschanz plötzlich auf. Auch wenn es sich dabei nur um ein ahnungsloses Mädchen handelte, der man so oder so niemals Glauben schenken und ihre Hirngespinste nur auf ein aus diesem Wetter resultierendes Fieber deuten würde, nahm Colin die Sache sehr ernst – ganz im Gegensatz zu dem Mädchen.
    „Du bist er, und er ist du ...“, wiederholte sie.
    „Na und? Geht dich doch nichts an! Zieh leine!“, krächzte ich. Was wollte sie von uns? Konnte sie mich nicht in Ruhe lassen? Und doch ... diese unschuldigen Augen ... Sie hatten etwas Stimulierendes.
    „Ich kann euch vielleicht helfen ... Kommt mit.“
    Mit diesen letzten Worten kehrte sie uns plötzlich den Rücken zu. Ihre ganze Erscheinung war ein einziges großes Rätsel. Wer war sie, was suchte sie hier, warum glaubte sie, wir würden ihr unser Vertrauen schenken und das vielleicht Wichtigste: Wie wollte sie uns helfen?


    Colin half mir auf die Beine. Ich hätte auch liegen bleiben können, hier an diesem gottverlassenen Ort zu Grunde gehen können. Niemand hätte mir nachgetrauert - schon gar nicht Stan, von dem ich bis vor kurzem gedacht hatte, er sei mein Freund und dass ich ihm vertrauen könnte. Doch irgendetwas zog mich magnetisch in Richtung des Mädchens. War es die aufgekeimte Hoffnung, die mir dieser seltsame Mensch machte, war es mein verbissener Überlebenswille, oder vielleicht sogar beides? Ich wollte nicht aufgeben, nicht so zugrunde gehen, für meine Sache kämpfen, wenn es sein muss, auch alleine ...


    Die Schritte des Mädchens reichten nicht weit, weswegen wir keinerlei Probleme hatten, sie einzuholen. Colin hatte sich direkt hinter ihr eingereiht, dann kam Stan, der Verräter, und schließlich ich, das Schlusslicht. Mittlerweile war es schon fast stockfinster und nur gelegentliche Blitze dienten uns als einzige Lichtquelle, während wir durch aufgeweichten Matsch und zentimetertiefe Pfützen stolperten. Wo führte sie uns hin und woher wussten ihre Füße überhaupt den Weg? Sie war mir ein einziges Rätsel, Colin und Stan sicherlich auch. Stan ... Ich wollte nicht an ihn denken, kämpfte dagegen an, konnte aber die Wahrheit nicht leugnen. Immer und immer wieder tauchten vor meinen Augen die Bilder auf: Ich sah Stan, wie er versagte, wie er mich im Stich ließ, wie er mich verriet ... Nach allem, was wir gemeinsam durchgestanden hatten; nach allem, was ich für ihn getan hatte. All unsere Bemühungen waren umsonst gewesen. Und wieder diese böse Stimme in meinem Kopf. Sie brannte in meiner Seele, ließ sie regelrecht vor Hass und Enttäuschung aufschreien.
    „Ich heiße übrigens Miriam ...“ - Stan hat dich verraten ... - „Ich wohne mit meiner Oma hier in der Nähe ...“ – Er hat deine Freundschaft nicht verdient ... – „Ich habe beim Blumen Sammeln etwas die Zeit verloren und wurde plötzlich vom Unwetter überrascht.“ – Er ist an allem Schuld ... – „Und dann sah ich es - Deoxys.“ – Aber so sind sie halt, die Menschen. Heucheln dir ihre Freundschaft vor, nur um diese dann am Ende mit Füßen zu treten. Auch wenn er von außen vorgibt, ein Pokémon zu sein, pochen in seinem Inneren noch Herz und Verstand eines Menschen ... – „Es sah die ganze Zeit nach Westen, nahm mich dabei überhaupt nicht wahr, und dann kamt ihr.“ – Aber du wolltest mir ja nicht glauben. Vielleicht bist du ja auch schon so – wie ein Mensch? Wie lange wird es dauern, bis auch du deinesgleichen in Pokébälle zwängst, sie versklavst, sie aus dem Schoß ihrer Freunden von Verwandten entreißt? Du und Stan, ihr wärt dann von ein und demselben Schlag. Würde dir das denn nicht gefallen? – „Ich habe euch beobachtet. Ihr wolltet euch Deoxys nähern. Er ist die Ursache, richtig? Er hat dich verwandelt und jetzt jagt ihr ihm nach.“
    In meinem Hals schmeckte ich den Hass, ein dicker Klos, der jedes Schlucken zu einer endlosen Qual machte. Ich schüttelte mich, wollte die Stimme aus meinem Kopf vertreiben, doch sie war stärker – und sie hatte Recht! Stan war Schuld, er allein. Wegen ihm war ich doch überhaupt auf dieser Reise und musste jetzt all diese Qualen durchleiden. Er, nur er allein, nicht ich, er ...
    „Wir sind da - da vorne wohne ich.“
    Miriams Stimme, die ich schon längst nur noch als ein undeutliches Rauschen vernommen hatte, holte mich plötzlich schlagartig wieder zurück in die Realität. Ich spürte wieder, wie der Regen sich seinen Weg durch meine aufgeweichte Kleidung auf meine Haut bahnte, wie meine Augen brannten, mein Mund trotz der Nässe völlig trocken war und mein ganzer Körper sich vor Wut aufbäumte. Doch da vorne – ein Licht, ein Hoffnungsschimmer. Tröstende Wärme in einer kalten, trostlosen Welt, in der nur Dunkelheit regierte.
    „Endlich ...“, hörte ich Colin sagen.


    Wir überquerten die Türschwelle der kleinen Holzhütte, die offenbar einfach so mitten im Nirgendwo stand. Wie auch wir suchte das Häuschen wohl die Einsamkeit und zog die Ruhe und Beschaulichkeit den Verlockungen der Großstadt und seiner Bewohner vor – ein guter Ort. Keiner von uns, weder Colin, ich, oder Stan scherte sich großartig darum, sich die Füße an dem Fußabtreter abzuwischen. Man konnte es durchaus als unhöflich betrachten, lud man uns doch so gastfreundlich ein. Aber auch Miriam tat es uns gleich und wirkte auch sehr froh darüber, endlich dem Mistwetter entronnen zu sein. Triefend und vor Kälte zitternd flüchteten wir in das warme Hausinnere.


    Wohlwollende Wärme durchströmte meinen Körper. Erstmals seit Minuten wagte ich es, richtig aufzuatmen, sog einen frischen lavendelartigen Duft in meine Nase – ein Fehler. Ich schmeckte den bitteren Nachgeschmack, der Klos in meinem Hals schien ebenfalls von der Wärme angelockt zu werden. – Du magst es hier, nicht wahr? Fühlst dich in Menschenbehausungen schon richtig geborgen. - Die Stimme ... sie hatte Recht; und wollend oder nicht: wieder rief ich mir die Bilder in den Kopf, sah Stan versagen. Ich schüttelte mich heftig. Die gröbsten Regentropfen auf meiner Kleidung wurden in alle Richtungen geschleudert. Ich musste mich ablenken, einen klaren Kopf behalten. Mein Blick schweifte durch den kleinen Raum.
    So sahen also die typischen menschlichen Wohnungen aus? Ein großer, einladender Raum, gemütliche gepolsterte Sitzgelegenheiten und die farblich dazu passenden kuscheligen Kissen; hier und da erzählten leblose Fotographien ihre stummen Geschichten aus längst vergangenen Tagen, ein fröhlich wirkender und von den Spuren der Zeit gezeichneter Mann lächelte mir auf einem dieser Erinnerungsstücke freundlich entgegen, in seinen Armen hielt er ein kleines Menschenbaby; überall brannten Lampen und spendeten das lebensnotwendige Licht in dieser dunklen Stunde; Regen, Wind und Wetter wurde – wie bei allen anderen Menschenhäusern, die ich bislang besucht hatte – durch Wände, Verschläge und Fenster ausgesperrt. Wütend rüttelte das Unwetter an der Hausfassade, Regentropfen hämmerten gegen die beiden Fenster links und rechts neben der Tür, doch das Haus leistete unerbittlichen Widerstand. Pfiff der eisige Wind auch durch die Ritzen, kam er letztendlich doch nicht gegen das lodernde Feuer an, was in dem kleinen Fenster-Kamin fröhlich vor sich hin flackerte und mit seiner Wärme und seinem Schein unsere geplagten Gemüter erfreute.
    Zugegeben: Es war nicht schlecht, zumindest war es besser als draußen ...– Siehst du? –


    Miriam hatte sich unlängst von uns entfernt. Ihren kleinen Kindermantel und ihre Schuhe hatte sie abgestreift und mehr oder weniger achtlos einfach auf dem ordentlich verlegten Holzdielenfußboden liegen lassen.
    „Oma, ich bin wieder da!“
    Hastige Schritte polterten uns aus einem Nebenraum entgegen. Eine Frau, nicht größer als ich dafür aber in hohem Alter, kam uns entgegen. Die noch vor Augenblicken von Sorge gezeichneten tiefen Falten in ihrem schmalen Gesicht lösten sich rasch auf und verwandelten sich in Erleichterung. Übermannt von dieser schloss sie ihre Enkelin in ihre Arme.
    „Kind, wo warst du? Du bereitest deiner Oma Kummer, wenn du so spät noch unterwegs bist, das weißt du doch - ich habe doch nur noch dich ...“
    „Oma, ich ...“
    Sie drückte ihre Enkelin nur noch nächster an ihre Brust. Man merkte deutlich, wie sehr ihr das Wohlergehen ihres Sprösslings am Herzen lag. Zeuge einer solch innigen Beziehung zu werden, war beachtlich; bedachte man daran, wie ein Großteil dieser Spezies doch in Wirklichkeit war: Menschen wie Stan ...
    „Ich habe Leute mitgebracht, Oma, schau.“
    Erst jetzt schien Miriams Großmutter unsere Anwesenheit bemerkt zu haben. Die eben noch von Glück und Erleichterung durchtränkten Falten verwandelten sich binnen Sekunden in leichten, doch unverkennbaren Argwohn. Es ihr wirklich verübeln konnte man aber nicht, bemerkte man schließlich sofort, wie sehr ihr das Wohlergehen ihrer Enkelin am Herzen lag, und dann waren da wir: Zwei völlig fremde, dreckige und bis auf die Socken durchnässte Menschen und ein verräterisches Pokémon – nicht weniger nass und schmutzig als auch seine beiden Gefährten. Wir machten tatsächlich nicht gerade das, was man den vertrauensseligsten Eindruck nannte.
    „Reisende?“, waren ihre Worte. Es war viel mehr eine Feststellung, als eine Frage. Sie seufzte, doch wirkte es nicht genervt. „Ihr seid wohl vom Unwetter überrascht worden, nehme ich an? Wollt ihr vielleicht die Nacht hier verbringen? Wäre nicht das erste Mal ...“ Sie sah zu ihrer Enkelin herab. Miriam lächelte.
    „Wenn wir Ihnen nicht zur Last fallen, würden wir uns darüber sehr freuen, stimmt doch, oder?“, fragte Colin und stupste mir leicht in die Hüfte.
    „Ja ...“, antwortete ich heißer.
    „Oma!“, sagte Miriam und wirkte plötzlich sehr ernst. „Du musst ihnen unbedingt meine Lieblingsgeschichte erzählen, du weißt schon welche!“
    Miriams Großmutter runzelte die Stirn, seufzte dann aber abermals. „Kind ... Du willst doch nicht diese jungen Leute langweilen. Sie haben sicherlich Besseres zu tun und sind bestimmt auch sehr müde.“
    „Bitte, Oma!“
    „Ich würde es auch gerne hören.“ Nicht nur meine Stimme zitterte heftig, auch meine Beine, als ich einen gewagten Schritt nach vorne tat und damit unbeabsichtigt den gröbsten Dreck von meinen Schuhen auf dem bislang sauberen Fußboden abstreifte. Warum wusste ich nicht, doch irgendwie glaubte ich, diese Geschichte unbedingt hören zu müssen – auch wenn man Menschen nicht vertrauen konnte. Solange die Hoffnung lebte, solange lebte und kämpfte ich weiter.
    Zum dritten und letzten Mal seufzte Miriams Großmutter. „In Ordnung. Wenn euch eine alte Frau damit vielleicht eine Freude machen kann ... Aber vielleicht wollt ihr euch erst einmal waschen und umziehen?“


    Von dem noch so feinsten Schmutz befreit, gewaschen, gekämmt, in unsere Ersatzkleidung gehüllt und Stans Haarpracht gebändigt, hatten wir uns auf der Couch und somit vor dem lodernden Kamin niedergelassen. Unsere verdreckte Kleidung war von dem Großteil des Schmutzes befreit und trocknete, wie auch unser Schuhwerk, vor dem Kamin. Miriams Großmutter hatte es sich mit ihrer Enkelin auf ihrem Schoß in einem Sessel gemütlich gemacht. Das Flackern des Feuerns auf ihrem rissigen Gesicht hatte etwas Unheimliches und gleichzeitig etwas Geheimnisvolles. Was wusste sie, was uns wohlmöglich weiterhelfen konnte? Ich spürte, wie sich meine Fingernägel erwartungsvoll in den Stoffbezug bohrten.
    „Die Geschichte also ...“, begann sie und hielt einen Moment inne. „Die Rose der Wüste ...“¹

  • Part 3: Die Rose der Wüste



    „Vor langer, langer Zeit – so erzählt man sich – lebte einst ein junger Königssohn, der war selbst in seinen jüngsten Tagen bereits von seinem Volke geachtet, vergöttert von der einfachsten Magd bis zu der erhabensten Jungfer, für seine Gaben verhasst und doch bewundert von seinen Neidern, die da so zahlreich waren wie der Fluss im Frühling Wasser führte. Seine Schönheit galt im ganzen Lande als legendär, sein Lächeln strahlender als das Antlitz der Sonne, die vor Neid erblasste, und sogar das kalte und unerbittliche Herz des noch so garstigen Winters zum Schmelzen brachte.“


    „Was für ein Schwachsinn ...“, brummte ich leise. Warum zwang ich mich überhaupt dazu, dieser geradezu lächerlichen Geschichte zu folgen? Es war doch absolut absurd. Ein Grinsen, das Schnee zum Schmelzen brachte ... Lächerlich. Außerdem war mir dieser Mensch – wenn er überhaupt existiert hatte - echt zu wider. Alles wurde ihm in den Schoß gelegt, er musste nichts dafür tun. Ein Kotzbrocken wie er im Buchen stand.


    „Und doch war er bescheiden in all seinem Tun. Gütig und gerecht. Das erfreute seines Vaters Herz und füllte es mit Wohlgefallen. Geschieden durch den eisigen Griff des Todes, ruhte die Hoffnung des alten Königs auf den Fortbestand seines Reiches auf seinem Sohn als Thronfolger.
    Und so zogen die Jahre dahin. Mit dem Spiel der Jahreszeiten regte sich erneut das Leben in seiner ganzen Pracht in den wohlhabenden Ländereien. Reiche Früchte wuchsen und gediehen und so auch der junge Prinz, der zu seinem stattlichen jungen Mann herangewachsen war und der da bald seines Vaters Thron besteigen sollte. Die Kunde über den Thronerben, die auf seinen kräftigen Schultern die Hoffnungen seiner Untertanen trug, war wie eine Woge des puren Glücks, denn seines Vaters Traum von einer gerechten Welt sollte unter seiner Regentschaft noch viel prachtvoller weiterexistieren und alles bisher da gewesene überschatten.
    Doch nicht überall blickte man so wohlwollend auf das reiche Königreich herab. Über der Schwelle seines Herrschaftsgebiets hinaus, lebte eine garstige, alte Gräfin. Die Hässlichkeit, die sie auf ihrem Gesicht trug, wurde nur noch von der Hässlichkeit in ihrem Herzen übertroffen. War auch sie einst als weiße und gerechte Regentin unter ihrem Volke bekannt, hatte die Gier nach Gold und weltlichen Besitztümern ihre Seele über all die Jahre über vergiftet. Das Verlangen nach all dem Glück dieser Welt hatte ihr Herz verdorben, und wo dieses eigentlich hätte schlagen müssten, regierte nur der blanke Neid. Von ihrem über die Dauer geschundenem Volk längst verlassen, blieb der mittlerweile von Eifersucht erblindeten Gräfin nur noch der Glaube an ihre heidnischen Götter und über ein ganzes Jahrzehnt gegärter Hass, denn hatte sie den reichen König in ihrer unendlichen Gier heiraten wollen, doch war der ihre Antrag unbeantwortet geblieben. So stieß das eifersüchtige Weibsbild mit ihrem letzten Atemzug auf dieser Welt einen gar grausigen Fluch aus, bevor sie an ihrem eigenen Neid erstickte.“


    „Wie kann man bitteschön an seinem eigenen Neid ersticken?“
    Colin gebot mich mit einem Ellenbogenschlag in die Seite zum Schweigen. Miriams Großmutter räusperte sich und fuhr fort.


    „Getragen von pechschwarzen Wolken, verpestete die Hexe mit ihrem unsterblichen Wille das glückliche Nachbarreich. Nicht aber den braven Untertanen wurde das Unrecht zuteil, das aus der Grafschaft heraufbeschworen wurde, auch das wohl genährte Vieh und die reiche Ernte waren gefeit und blieben von dem dunkeln Zauber verschont. Wohlwissen, wie die alte Gräfin dem König, der sie einst verschmäht hatte, das schmerzhafteste Los widerfahren lassen könnte, richtige sich das ganze Ausmaß ihres Hasses auf dessen größten Schatz auf dieser Welt – auf seinen Sohn.
    Im Schutze der Nacht und des friedlichen Schlummers, schlich sich der grässliche Fluch in das Gemach des jungen Prinzen. Doch als dieser am nächsten Morgen aus seinem Schlaf erwachte, war er nur noch ein Schatten seiner selbst. Die verschmähte Gräfin hatte den Königssohn in ihrer Rachsucht verwünscht. Er war zu einem Pokémon geworden.“


    Erst in diesem Augenblick schenkte ich Stan, dem ich seit seines verräterischen Augenblicks keines Blickes mehr gewürdigt hatte, erstmals wieder meine Aufmerksamkeit. Lastete das Verbrechen seiner Tat noch immer schwer auf seinen Schultern, konnte ich es für diesen Augenblick plötzlich als ungetan ansehen – und auch er blickte mich an. Seit fast unendlicher Zeit verband uns wieder etwas - und das tat gut. Wir beide hingen gebannt an den Lippen der alten Frau, wir schöpften plötzlich neuen Mut. Die Geschichte und Miriams Drang, uns darüber in Kenntnis zu setzen, gaben endlich Sinn – wenn ich auch noch nicht wirklich davon überzeugt war. Wir nickten uns gegenseitig zu.

    „In seiner Machtlosigkeit suchte der verwunschene Prinz den Rat seiner Untergebenen. Doch Mägde, Knechte und Kammerdiener – sie alle erkannten das Abbild des unter dem Zauber der Gräfin stehenden Prinzen, der kaum noch über seines Gesindes Kleidersaum reichte, nicht. Das Trugbild der verschiedenen Gräfin täuschte sogar seines Vaters Auge. Wie er so seinen Sohn in fremden Zungen reden hörte, jagte der treue und gerechte König in seiner Unkenntnis sein eigen Fleisch und Blut aus dem Hause.


    „Muss hart gewesen sein ...“, murmelte ich kaum hörbar. Ich konnte nicht anders – ich fühlte mit dem vertriebenen Menschen mit, er tat mir Leid.
    „Jetzt kommt meine Lieblingsstelle! Erzähl bitte weiter, Oma“, bat Miriam.


    „Gekränkt und in seinem Stolze zutiefst verletzt, zog der geächtete Prinz von dannen. War ihm bislang fast nur die Wärme und die Obhut der schützenden Mauern des Palastes zuteil geworden, musste der weltfremde Königssohn nun auf eigenen Beinen stehen, was ihm da sehr schwer fiel. Und er fand kein Trost auf seiner rastlosen Reise, fern von all dem Glück, mit dem er aufgewachsen war. Alles hatte er verloren, nichts war ihm mehr geblieben: Seine einst so makellose Schönheit war verblasst, Freunde, Bekannte, ja sogar seine eigene Sippe hatte sich von ihm abgewendet, sein Lebenswille war erloschen. Selbst seine Gabe, die Stimme all jener Herrlichkeiten der Natur zu deuten und nun mit seinesgleichen zu sprechen, die da waren wie er, ein Pokémon, jetzt, da seine Zunge die ihre Sprache gemeistert hatte, vermochte seine übermenschliche Trauer nicht zu schmälern.
    Und so wanderte er weiter, immer weiter. Seine Schritte entfernten ihn mehr und mehr von seiner einstigen Wiege, dem Ort, den er früher sein Zuhause nannte. Flüsse und Bäche, Berge und Täler - sie alle ließ der verwunschene Prinz auf seiner ziellosen Reise hinter sich.
    So begab es sich, dass er eines Tages vor die Wahl gestellt wurde: Im Westen ein unüberwindbares Gebirge, über das kein Weg hinüber führte. Ein drohendes Unwetter im Osten versperrte ihm den dortigen Weg und umkehren wollte er nicht, denn zurückblicken füllte sein bereits gebrochenes Herz nur mit schwerer Trauer. So blieb ihm nur noch der Weg gen Norden, über den tückischen Wüstensand und unter der sengenden Sonne hindurch.
    Über Tage hinweg irrte der Prinz durch das Ödland. Und die Nächte waren so kalt, wie die Tage heiß waren. Es gab kein Wasser, nichts, von dem man sich hätte ernähren können, und auch keine Hoffnung. In ihrer Boshaftigkeit hatten die Wüstenstürme die Spuren des verwunschenen Prinzen längst im Sande aufgelöst. Es gab kein Entrinnen, nur noch den Tot. Längst schon hatte er seine Hoffnung in dem heißen Wüstensand begraben und so suchte er mit seiner letzten Kraft nur noch einen Ort, wo es sich gut sterben ließe. Einsam doch sollte er so schön sein, wie auch er selbst einst so gewesen war. Und da sah er ihn – einen Ort, wie er ihn wohl kein zweites Mal an diesem heidnischen Flecken Erde finden würde. Mit Blumen, die inmitten des Ödlands prachtvoll gediehen. Noch nie zuvor hatte sein Auge Blumen solcher Schönheit erblickt und es zog ihn magisch an. So verlangte er seinen geschundenen Leib die letzten Schritte in seinem Leben ab, wollte er doch nur noch einmal an den Blumen riechen, bevor das letzte bisschen Leben aus seinem Körper sickerte und er in die andere Welt übertrat. Und da passierte etwas Wunderbares. Kaum hatte er sich mit der letzten Kraft, die er aufzubringen vermochte, vor das zierliche Gewächs geworfen und seine wunden Füße diese berührt, spürte er dort neues Leben aufkommen, wo noch eben der Tod die Schlinge um seinen Hals gelegt hatte. Durch seine Adern floss eine nie zuvor verspürte Kraft, neuer Mut durchströmte ihn, er war wiedergeboren. Er streifte all das Leid, all den Schmerz und auch seine Hülle ab, die ihm arglistig auferlegt worden war, und nahm neue Form an. Er dankte und lobpreiste die kleinen Blumen, die ihm neues Leben geschenkt und Hoffnung dort gepflanzt hatten, wo einst nur die bittere Saat der Verzweiflung keimte. Und noch heute dankt er der Blume, die seit jenem Tage und noch bis zu diesem Tage als die ,Rose der Wüste’ bekannt ist.“


    Bedächtige Stille zog durch den Raum und nur das unaufhörliche Knistern des eingesperrten Feuers war zu hören. Selbst der ausgesperrte Wind schien gebannt der Geschichte gelauscht zu haben, denn wie auch wir schwieg er. Wie zu erwarten war, fand Colin als erster seine Sprache wieder.
    „Die Rose der Wüste ... Das ist aber nur eine Legende, oder? Ein Märchen? Ich meine, wie soll eine Blume ... Ihr wisst schon ...“ Man merkte deutlich, dass Colin mit sich selbst rang. Sprach die alte Frau mit ihrer Geschichte die Wahrheit, so konnte sie durchaus eine Lösung für unser kleines Problem sein. Ein Heilmittel gegen Deoxys’ Fluch, so wie die verschmähte Gräfin den Prinzen verflucht hatte.
    Über das faltige Gesicht von Miriams Großmutter huscht ein flüchtiges und gleichzeitig müdes Lächeln. „Wer weiß das schon?“, sagte sie. „Gedenkt man aber diesen Dingen, so gehen sie niemals verloren. Die Legende um die Rose der Wüste lebt weiter – und meine Enkelin wird diese Geschichte in ihrem Herzen tragen, auf dass sie irgendwann wieder verirrte Wanderer erfreuen wird.“ Sie streichelte Miriam sanft durch das Haar.
    „Ich habe sie gesehen, die Rose der Wüste!“, sagte Miriam plötzlich. „Es gibt da eine Wüste, südwestlich von hier, am Rande des Gebirge und ...“
    Sanft aber doch bestimmend schob Miriams Großmutter ihrer Enkelin die Hand vor den Mund. „Kind, hör mit deinen Albernheiten auf und lass das Geschichtenerzählen doch deine Oma machen.“
    „Und ich habe sie doch gesehen!“, nörgelte Miriam, die sich inzwischen wieder frei gekämpft hatte und von dem Schoß ihrer Großmutter gesprungen war. Zornig stampfte sie mit dem Fuß auf den Boden, was aber nicht viel lauter als ein normaler Schritt eines Erwachsenen klang.
    „Ihr solltet jetzt besser alle ins Bett gehen, husch! Es ist schon spät“, stellte Miriams Großmutter fest. „Und du auch, junge Dame!“ Letzteres galt natürlich ihrer Enkelin.
    Miriam sah ihre Ziehmutter beleidigt an, willigte aber schließlich dann doch ein, wandte sich dann aber ein letztes Mal noch mir zu. „Du weißt, was du zu tun hast ...“, waren ihre Worte.


    „Was denkst du?“, fragte mich Colin, nachdem wir endlich wieder unter uns waren und wir es uns auf Sofa und Sessel für die Nacht bequem gemacht hatten. Der letzte Holzscheit im Kamin erlosch langsam und der Wind rüttelte wieder wütend an den beiden Fenstern im Raum.
    „Ich weiß nicht, was ich denken soll“, sagte ich wahrheitsgemäß, „aber eins ist klar: Wir gehen morgen dahin!“

  • Part 4: Hoffnung gedeiht an jedem Ort

    Während ich so dalag, der Wind an dem standfesten Häuschen rüttelte, der Regen gegen die Fensterscheiben peitschte und der letzte kümmerliche Funke im Kamin erglomm, weilten meine Gedanken an dem verwunschenen Menschenprinzen. Je mehr ich über seine Erlebnisse nachdachte und mich in diese hineinversetzte, desto mehr sah ich die Parallelen zu mir und Stan: Gefangen im fremden Körper; keine Welt, zu der man nun gehört und sich wirklich hingezogen fühlt; eine strapazvolle Reise, auf der man nicht zurückblicken möchte und schon gar nicht umkehren kann; und dann noch dieser Zufall – ein Sturm im Osten, ein unüberwindbares Hindernis im Westen, eine Wüste im Norden ... Auch hier gab es eine Wüste, die aber im Süden lag, ein Gebirge im Westen, eine Wetterfront im Osten: alles nur Zufall? Und dann Miriam, die darauf schwor, die Rose der Wüste bereits gesehen zu haben. Warum sollte sie lügen? Überhaupt war sie schon sehr wunderlich. Einfach so hatte sie mein wahres Ich durchschaut, was niemandem gelungen war. Doch wie nur, ja, wie nur ...?


    „Du hast den ganzen Morgen noch keinen Ton von dir gegeben – geht es dir gut?“
    „Hab’ schon besser geschlafen“, war meine Antwort auf Colins Frage und somit mein erster Morgengruß.
    Wir konnten von Glück reden, dass die Geduld und die Freundschaftlichkeit unserer Gastgeber keine Grenzen zu kennen schien; so hatte man uns sogar noch ein labendes Frühstück an unsere Schlafstelle im Wohnzimmer aufgetischt. Feurigel scherte sich natürlich nicht sonderlich darum, wo er sich letztendlich aufhielt und mit welchem Glück dieser Welt er zu der zünftigen Hausmannskost gekommen war. Solange er etwas zwischen die Zähne bekam, war er zufrieden. Selbiges galt natürlich auch für Pikachu und der Rest von Colins undankbarer Bande. Von Fiffyen war ich es inzwischen gar nicht anders gewohnt, als dass sie mir die kalte Schulter zeigte und abweisend an ihrem Frühstück knabberte.
    „Geht mir auch nicht sonderlich besser – ich habe die halbe Nacht von dieser vermaledeiten Wüste geträumt“, seufzte Colin.
    „Bei mir war es die ganze Nacht ...“, entgegnete ich müde.
    „Man sieht’s. – Willst du es trotzdem wagen? Ich meine, wir könnten es auch sein lassen ...“
    „Was soll die Frage?“ Ohne es wirklich beabsichtigt zu haben, war ich plötzlich auf den Beinen. Ungläubig blickte ich auf Colin herab. „Wir sollen es sein lassen? Bist du bekloppt?“
    Colin starrte Löcher in seinen Toast. „Wir könnten immer noch direkt nach Laubwechselfeld“, nuschelte er kleinlaut. „Eine Wüste ... Also, ich weiß nicht ...“
    War ich noch vor eine Minute kurz davor, vor Müdigkeit während dem Kauen einzuschlafen und mit dem Gesicht voran in meinen Kaffee, eine ekelige, schwarze Suppe mit widerlichen Nachgeschmack, zu stürzen, war ich nun, von Colins plötzlicher Feigheit angestachelt, hellwach.
    „Ich dachte, sie liegt ohnehin auf unserem Weg?“
    „Schon – zumindest fast ...“
    „Na dann los!“


    Eine ganze Weile noch verfolgte mich das Funkeln in Miriams strahlend blauen Augen, nachdem wir uns anstandshalber von unseren Gastgebern verabschiedet und auf den Weg gemacht hatten. Das „Viel Glück“ aus ihrem Mund war weniger ein vager Hoffnungsschimmer, vielmehr klang es in meine Ohren wie eine Hymne. Sie sang: „Ihr werdet es schaffen!“, „nur Mut“, „geht voran“, „blickt nicht zurück“, „und kommt zurück - mit der Rose“. Ich wollte Miriam meinen Dank aussprechen, wenn ich erst wieder mein wahres Ich wieder gefunden hätte; eines der wenigen Male, dass ich einem Mensch gedankt hätte. Ein seltsames Gefühl ...


    Nicht mehr als eine vage Erinnerung war von dem gestrigen Unwetter geblieben; das, und die letzten Regentropfen auf Pflanzen und Gräsern, die unsere Schritte abfederten. Es fühlte sich gut an, wieder unter dem freien Himmel sein zu dürfen, ohne Regen, nur eine frische Brise. Ich sog die Luft in meine Lungen. Der Himmel war blau, die Luft erfüllt von Geräuschen, das Leben regte sich in all seinen Facetten.
    Das spärliche Gras unter unseren Füßen wich bald nacktem und schroffen Fels, Fels den Sandkörnern und Sandkörner einem Meer – ein Wüstenmeer. Die Sonne brannte. Es war heiß, unerträglich heiß. Ein ausgetrocknetes Flussbett, von der Sonne bis auf den Grund niedergebrannt, öde und trocken. Niemals mehr würde es seine Geschichten erzählen, niemals mehr Geheimnisse von nah und fern anspülen, niemals mehr einen wandernden Reisenden mit seinem labenden Nass erfreuen. Ich dagegen war am Leben, denn ich fühlte die Trauer dieses Ortes.
    Feiner Sand kitzelte in meinen Schuhen. Wie lange waren wir bereits unterwegs? Eine Stunde, zwei Stunden, oder nur Minuten? Ich wusste es nicht. Umgeben von verwelkten Pflanzen, die schwüle Luft in meinen Lungen stechend, turmhohe Berge. Sand ... Wir überquerten eine Düne – noch mehr Sand. Liefen wir im Kreis? Meine Füße taten weh. Mir kam dieser Fels so bekannt vor ... Trieb mir die Hitze bereits den Wahnsinn in Kopf und Augen? Meine Glieder schmerzten. Konnten wir nicht einfach umkehren? Ich wollte nicht mehr weiter. Dieser Ort – so stolz, so feindselig. Was hatten wir hier überhaupt zu suchen? Ich erinnerte mich nicht mehr, auch nicht an die Namen meiner Begleiter. Eine weitere Düne – nur noch mehr Sand ...²


    „Sheinux?!“
    Richtig, ich bin Sheinux, ... ein Pokémon.
    „Alles klar? Bist du okay?!“
    Wir sind ... wir sind auf der Suche ... die Rose der Wüste.
    „Ich wusste, dass es ein Fehler ist – trink! Jetzt mach schon - und bleib um Gottes Willen im Schatten liegen!“
    Das Mineralwasser aus Colins Flasche hatte bereits jeglichen Geschmack verloren, doch fühlte es sich gut an, wie es meine ausgedorrte Kehle herunterrann. Mit nur einem Zug leerte ich die Pulle. Kümmerliche Tropfen versickerten im Staub. Der Fels, in dessen Schatten wir rasteten, machte kaum einen Unterschied: Es war heiß ... Teilnahmslos betrachtete ich die versengte Handfläche, mit der ich mich vom Boden abgestützt hatte, Haut schabte sich von ihr ab.
    „Es war ein Fehler, ich wusste es. Wir müssen hier raus – und zwar jetzt! Schau mich bitte nicht so an, Stan. Ich hab gleich gesagt, dass das hier ’ne Schnapsidee ist!“
    Ich drehte den Kopf. Colin redete mit Stan, er hatte mir den Rücken zugekehrt. Stan ... Die Rose der Wüste ... Wir mussten weiter.
    Die Stimmen entfernten sich, stolperte aus dem Schatten hervor, wieder die unerbittliche Sonne im Genick, so heiß ...
    „Sheinux!“
    Etwas zerrte an meinen Kleidern.
    „Lass mich ... lass mich gehen.“
    „Komm zurück verdammt!“
    Zu der zerrenden Kraft an meinem Oberkörper gesellte sich eine weitere an meinem rechten Hosenbund.
    „Bruwww!“
    „Du bist nicht mehr bei Trost!“
    „Lasst - mich in Ruhe!“
    Mit einem kräftigen Ruck befreite ich mich von den beiden Störenfrieden. Ich spürte wie die Sonne mein Adrenalin zum Kochen brachte, sich weiterer Sand in meine Schuhe kroch und den heißen Atem meiner Verfolger. Ich stolperte über einen schroffen Fels, kam aber nicht zu Fall. Ich wollte ihnen entfliehen, musste ich doch weiter. Ich sah mich um, doch nichts, wo ich mich vor meinen Häschern hätte verstecken können. Aber dann sah ich sie – sie war da, nicht weit von mir entfernt, so klein und doch so schön: die Rose der Wüste.
    Rumms!
    Mit unbeschreiblicher Gewalt krachte ich auf den Boden und schmeckte körnigen Sand in meinem Mund. Ich hustete. Ein paar Arme hatten sich um meinen Körper geschlungen und drückten mich mit aller Kraft herab. Jetzt sah ich sie umso deutlicher, keine hundert Schritte von mir entfernt, wie ein sturköpfiger Felsen, der sich gegen die Brandung legt. Unerschütterlich sagte sie: „Nein! Ich habe das Recht zu existieren! Niemand kann es mir verwehren.“ Sie reckte sich der Sonne empor, als wollte sie sie verspotten, sie auslachen.
    „Du kommst mit uns, ist – das – klar?!“
    „Da ist sie doch, schau!“, stöhnte ich verzweifelt unter der Last Colins, der sich auf mich geworfen hatte.
    „Was? Was ist wo? Du kommst mit, keine Widerrede!“
    Warum wollte er nicht begreifen? War er blind? Konnte er mir nicht einfach von der Pelle rücken, dieser unnötige Ballast? Ich vergrub meine Fingernägel in den heißen, sandigen Boden und zerrte mich mit aller Kraft voran. Weit kam ich aber nicht. Ich war zu schwach oder Colin einfach zu schwer.
    „Jetzt schau doch!“, ächzte ich.
    Colin schien endlich verstanden zu haben, denn sein Griff ließ nach - ich bekam wieder Luft.


    Allesamt, Stan, Colin und ich, versammelten uns um das zierliche Ding, das einfach so inmitten der Wüste seinen einsamen und verbissenen Widerstand leistete. Es gab nichts, nichts soweit das Auge reichte wuchs hier – und doch war sie hier. Die Sonne brannte, es gab keinen Schatten, kein Wasser, kein Leben, nur die Blume.
    Sie war anders, als all die Rosen, die ich bislang gesehen hatte, im Grunde wies sie fast keine Ähnlichkeit mit ihnen auf. Sie strotzte nicht vor roter Farbe, sondern wirkte mit ihrer Blässe eher kränklich, auch fehlten ihr Dornen, ich zählte sechs Blätter, die in alle Himmelsrichtungen zeigten, Rosen hatten eher überdeckende Blattschichten, sofern mich meine Erinnerungen nicht trogen. Doch zweifelsohne handelte es sich hierbei um die sagenumwobende Rose der Wüste ...
    Ich spürte die Gier in mir aufkommen, Herzschlag und Puls in noch nie zuvor da gewesene Höhe steigen, während ich das kleine Ding betrachtete. Meine Fahrkarte hier raus, die Erlösung für all meine Pein, das Ende der Qual. Und doch kamen mir plötzlich meine Zweifel auf. Wie überhaupt sollte ein solch kleines und unbedeutendes Etwas solch großartige Dinge verrichten wie in der Geschichte beschrieben? Wenn Miriam tatsächlich die Blume bereits gesehen hatte, warum hatte sie diese dann nicht gepflückt? Konnte ich es überhaupt wagen, sie einfach so zu berühren oder würde sie einfach so zerbrechen und in alle Winde verwehen? Wie waren so weit gekommen, hatten so viel ertragen müssen - ich musste es versuchen ...
    „Los, mach schon! Ich will das sehen.“
    Colin gab das Signal. Ich sah zu Stan – er nickte, ich nickte.
    „Auf drei“, sagte ich. Meine Stimme zitterte, meine von der Wüstensonne verbrannten Finger waren taub.
    „Eins ...“ Wie soll das gehen?
    „Zwei ...“ Diese Blume ... Die Erlösung?
    „Drei!“ Jetzt mach!
    Stans Pfote und meine Hand – wir beide berührten die gebrechliche Pflanze. Ein seltener Windstoß wehte mir über das Gesicht, spendete angenehme Kühle, ein Insekt in der Nähe zirpte leise sein Lied, ein Vogel – wahrscheinlich ein Aasgeier, der uns erspäht hatte und uns für seine nächste Mahlzeit hielt – schrie auf. Und es passierte ... nichts, außer, dass sich eine mir wohl bekannte Stimme in meinen Kopf meldete ...