Evolis großes Abenteuer

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  • Kapitel XI: Schmerzhafte Erinnerung
    Teil II/II


    Unbewusst drehte er seinen Kopf zu der schlafenden Feuerstute und das Evoli-Mädchen folgte seinem Blick. Große, aber blasse Schatten tanzten an den rauen Felswänden, hervorgerufen von den kleinen, züngelnden Flammen. Diese entsprangen direkt hinter dem spitzen Horn der Stute und flossen zwischen den Ohren den kräftigen Hals entlang bis über den Rücken. Kurz vor den Flanken stoppten die Feuerzungen, bevor sie schließlich ihren feurigen Schweif bildeten.
    „Micaiah hat dich gefunden, oder?”, fragte Yune leise und erhielt von Riolu ein abwesendes Nicken.
    „Sie hat mich gerettet. Und als Dank dafür brachte ich sie in Gefahr …”, flüsterte er bitter und machte eine kurze Pause, bevor er weitersprach. „Nach einiger Zeit fühlte ich mich stark genug, um aus meinem Ei auszubrechen. Ich wollte unbedingt wissen, wer mich gefunden und die Kälte vertrieben hatte. Immer wieder hämmerte ich mit meinen Knochenplatten gegen die Schale, aber es brauchte viele Anläufe, bis ich diese schließlich durchbrochen hatte. Das plötzliche Licht blendete mich und ich kniff die Augen zusammen, als sich der Rest des Eis um mich herum auflöste. Eine warme Schnauze berührte mich und ich öffnete vorsichtig meine Augen. Vor mir war dieser große, lange Kopf mit roten, klugen Augen, die mich ganz freundlich und warm ansahen. Das Horn auf der Stirn war spitz und wirkte gefährlich, aber die wallende, flammende Mähne vermittelte nur Respekt. Mit einer ruhigen Stimme, stellte sich mir das Gallopa vor und ich brauchte einige Anläufe um ihren Namen richtig auszusprechen. Micaiah ist nicht besonders leicht zu sagen, wenn man gerade erst geschlüpft ist. Als ich mit meiner Pfote ihre Nüstern berührte, wusste ich sofort, dass ich anders war. Natürlich hatte ich schon vorher gespürt, dass sie nicht meine leibliche Mutter ist, immerhin kannte ich die Gefühle meiner Eltern schon bevor ich schlüpfte und ich würde sie jederzeit wieder erkennen.”
    Er hielt kurz inne und sah auf seine Pfoten, die er kurz zu Fäusten ballte und dann wieder lockerte.
    „Weißt du … sie hat sich nicht umgesehen. Sie hat nicht suchend geschaut, ob meine Eltern in der Nähe waren, sie fragte mich auch nicht, wo sie seien oder ob ich wüsste, wo sie waren. Für sie war sofort klar, dass sie sich um mich kümmern musste und dass ich sie brauchte. Und ich hab gespürt, dass sie mich nicht verlassen wird.”
    „Aber … wie hast du sie dann in Gefahr gebracht?”, kam die Frage aus dem Mund des Evoli-Mädchens bevor sie es richtig gemerkt hatte. Ihr Mund war schneller gewesen als ihr Kopf in dem diese Frage aufgetaucht war.
    „Ich hab dir erklärt, dass ich die Gefühle anderer in Form von Wellen spüren kann. Aber nicht nur das, ich kann auch meine Empfindungen auf andere übertragen. Wenn ich nicht aufpasse übertrage ich meine Gefühle in voller Intensität auf andere. Als ich in meinem Ei war, ist das wahrscheinlich noch nicht passiert, weil die Schale das wohl verhindert hat. Aber geschlüpft hatte ich diese Fähigkeit, ohne es zu wissen und ohne sie kontrollieren zu können”, erklärte der Schakal leise. Er suchte eine Weile nach den richtigen Worten, um die Ereignisse beschreiben zu können. Yune kam sich dumm und tollpatschig vor, dass ihr Mund ihr nicht gehorcht hatte. Sie fühlte, dass es für Riolu nicht einfach war über diese Geschehnisse zu sprechen und dass es ihn viel Überwindung gekostet haben musste, es ihr überhaupt zu erzählen. Sie war deshalb sehr dankbar für das Vertrauen, das er ihr entgegenbrachte und sie achtete darauf, dass ihr Mund nicht mehr mit etwas herausplatzen konnte.
    „Wir waren eine Weile dort und Micaiah stand nicht auf, sondern erzählte mir, wie sie mich gefunden und gehofft hatte, dass ich schlüpfen würde. Sie hatte sich die ganze Zeit gefragt, zu welcher Pokémon-Art das Ei wohl gehören würde und mir erzählt, welche Rassen sie schließlich in die engere Auswahl gezogen hatte. Aber sie hätte nie gedacht, dass daraus ein Riolu schlüpfen würde. Wir waren dort und der ganze Wald um uns herum war ruhig. Nur ab und an strich ein sanfter Wind durch die Bäume und ließ sie rascheln. Aber wir waren nicht allein und das erkannte ich in dem Augenblick, als es schon zu spät war.“ Er brach ab und ballte verärgert die Pfoten. Wie oft hatte er sich schon gewünscht in diesem Moment nicht so langsam gewesen zu sein?
    „Plötzlich sprang ein großes Schnurgarst hinter einem der Bäume hervor. Es knurrte, dass dies sein Revier wäre und wir hier nichts zu suchen hätten. Das große, aggressive Katzen-Pokémon machte mir Angst. Micaiah stand auf und stellte sich vor mich, während sie dem Shnurgarst die Situation zu erklären versuchte, aber dieses hörte gar nicht zu, sondern fuhr stattdessen seine Krallen für eine Attacke aus. Ich hatte solche Angst, ja direkte Panik vor diesem Angriff. Und ohne es zu bemerken, übertrug ich mein Gefühl auf Micaiah. Ich sah, wie ihre Beine anfingen zu zittern und das Katzen-Pokémon sich für einen Sprung niederkauerte und dann …”
    Riolu brach kurz ab und atmete einmal tief durch. Vor seinem geistigen Auge hatte er die Situation noch einmal erlebt und sein Kopf hatte weitergedacht. Er hatte sich vorgestellt was hätte passieren können. Wie das Shnurgarst die Feuerstute angegriffen und diese vielleicht unterlegen gewesen wäre. Was dann wohl mit ihm passiert wäre, viel zu jung und absolut ungeschützt. Energisch schüttelte er den Kopf. Darüber nachzudenken brachte ihm nichts, denn es war nicht so passiert. Trotzdem schienen die Gedanken daran sich nur in eine andere Ecke zu verziehen und lungerten dort weiterhin herum.
    „Ein schneller Blitz schlug plötzlich zwischen dem Shnurgarst und Micaiah ein. Ich sah nach rechts und dort schwebte diese graue Puppe. Sie kam geschwind auf mich zu, nahm mich auf den Arm und rief Micaiah zu, sie solle ihr folgen. Sie zögerte nicht lang, während die große Katze noch verwirrt war, hatten wir sie bereits weit hinter uns gelassen. Als Micaiah sich bei der Puppe bedankte, erwähnte sie ihren Namen: Myrrh. Auf dem Weg zurück zur Höhle wurde mir klar, dass es meine Schuld war. Ich kann nicht erklären, wie ich mir so sicher sein konnte, aber als ich hörte wie Micaiah mit Myrrh über den Vorfall sprach, machte es für mich Sinn. Ich hatte Angst bekommen und sie auch. Und sie konnte es sich selbst nicht erklären, also musste es mit mir zusammenhängen. Myrrh meint, sie hat Micaiah damals von meiner Fähigkeit erzählt und deshalb weiß ich, dass sie davon weiß. Und trotzdem hat sie mir nie die Schuld gegeben. Nicht ein einziges Mal, dabei hätte sie verletzt werden können. Und das nur wegen mir.
    Von dem Tag an, hab ich versucht mich abzugrenzen. Es hat eine Weile gedauert, aber schließlich hab ich gelernt mich abzuschotten, damit ich meine Gefühle nicht unkontrolliert übertrage. Und ich hab gelernt, welche Gefühle ich wahrnehme und welche nicht. Ich schaffe das inzwischen ganz gut. Ich …” Riolu brach ab und sah Yune an. Für ein paar Herzschläge war er über seine eigene Offenheit überrascht. Warum erzählte er ihr das alles? Ganz konnte er es sich nicht erklären, aber es fühlte sich auf eine unbekannte Weise richtig an. Er vertraute ihr.
    „Ich”, fuhr er leise fort, „möchte niemanden in Gefahr bringen. Und ich wollte, dass du das von mir weißt, bevor ich nicht mehr die Gelegenheit dazu habe, es dir zu erzählen. Vielleicht werden wir uns nie wieder sehen.”
    Das Evoli-Mädchen war von den Worten zu gelähmt, um etwas zu erwidern. Nie wieder sehen? Hatte er das wirklich gesagt? Im Halbdunkel konnte sie sein Gesicht nur schwer erkennen und doch schien es ihr, als würde sie aufkommende Traurigkeit in seinen roten Augen sehen. Erst in diesem Moment wurde ihr bewusst, worüber sie noch gar nicht nachgedacht hatte: sobald sie ihre Familie gefunden hatte, würde sie sich von den anderen verabschieden müssen. Bei der Vorstellung fuhr ihr ein unangenehmer Schauer durch das Fell. Sie öffnete den Mund um etwas zu sagen, schloss ihn aber wieder, weil ihr nichts einfiel. Riolu blickte auf seine Vorderpfoten, die kraftlos in seinem Schoß lagen. Eine unangenehme Stille entstand zwischen ihnen, in der nur die Atemgeräusche der anderen Gruppenmitglieder die Höhle füllten.
    „Wir sehen uns bestimmt wieder”, brachte Yune schließlich leise aber überzeugt hervor. „Wir haben uns doch auch gefunden, da werden wir uns sicherlich wieder finden.”
    Der Schakal hob den Kopf und wandte sich ihr zu. Er konnte sie im Zwielicht lächeln sehen, ihre braunen Augen voller Zuversicht. Aber konnte er sich an dieser Vorstellung wirklich festhalten? Für den Moment wollte er das und schob seine aufkommenden Zweifel beiseite. Egal wo sie war, er wusste, dass er sie finden konnte. Er erwiderte ihr Lächeln und sah sie an, bis Yune müde den Kopf auf ihre Vorderpfoten legte.
    „Gute Nacht”, sagte Riolu leise und rollte sich neben ihr zusammen.
    „Gute … Nacht”, war die kaum hörbare Antwort des Evoli-Mädchens. Sie konnte ihre Augen nicht mehr offen halten und ließ sich vom Schlaf überwältigen.


    Ich befand mich in einer Schlucht. Um mich herum erhoben sich steile, raue Felswände in einen grauen, unheilvollen Himmel. Mir war kalt und ich begann zu zittern. Was tat ich hier? Wo war ich? Verwundert sah ich mich um, aber ich konnte niemanden in der Nähe entdecken. Da waren nur die Wände aus grauem Gestein rechts und links, die mir näher vorkamen als noch einen Herzschlag zuvor.
    „Ist hier jemand?”, fragte ich vorsichtig in die allgegenwärtige Stille hinein, doch keine Antwort kam. Kein warmes Leuchten war in der Ferne zu sehen, das mich an Micaiah erinnerte und mir den Weg zurück hätte zeigen können. Ich blickte hinter mich, in der Hoffnung den Wald zu sehen, doch da war nur eine weitere, steile Felswand. Eine Sackgasse? Der einzige Weg war der vor mir — ein schmaler Pfad, der sich in der Schlucht hindurchschlängelte, gesäumt von größeren und kleineren Steinen. Vielleicht sollte ich ihm folgen? Vielleicht brachte er mich irgendwohin? Vielleicht wieder zu dem blühenden Baum?
    Ich erhob mich und folgte mit langsamen Schritten dem Weg, der sich endlos vor mir in die Ferne zog. Nach einer Weile begann ich zu laufen, weil ich meine Ungeduld nicht mehr aushielt und mich die Langsamkeit nervös machte. Wo endete dieser Pfad? Ich rannte noch schneller, doch der Weg vor mir hatte kein Ende. Die steinernen Wände der Schlucht schienen näher und näher zu kommen und es wurde immer dunkler um mich herum. Mir taten die Pfoten weh und ich japste nach Luft, als ich langsamer wurde, weil ich nicht mehr laufen konnte. Aber ich ging immer weiter; ich wollte hier weg! Mit jedem weiteren Schritt konnte ich weniger sehen, jegliches Licht begann mehr und mehr zu schwinden. Und dann war es finster.
    Verängstigt blieb ich stehen und hörte in der vollständigen Dunkelheit nur noch meinen keuchenden Atem zusammen mit meinem wild klopfendem Herzen. Und was jetzt? Konnte ich hier überhaupt herausfinden?
    Auf einmal hörte ich ein leises Weinen. Es schien weit weg zu sein und bevor ich richtig darüber nachdachte, ging ich darauf zu. Ich konnte nicht sagen, wie lang ich diesem traurigen Geräusch folgte. Es tat weh das zu hören und obwohl ich nicht wusste woher es kam, wirkte es seltsam vertraut. Als würde ich wissen, wer da weinte, aber mir fehlte der Name. Schließlich erschien ein helles Licht, das mich blendete und ich musste für einen Moment die Augen schließen. Als ich sie wieder öffnete war alles still. Kein Weinen war mehr zu hören.
    Unter meinen Pfoten bedeckte weiches Gras den Boden und vor mir breitete sich eine große, weite Graslandschaft bis zum Horizont aus. Sacht wogen die grünen Halme in einem leichten, warmen Wind, der mir angenehm übers Fell fuhr.
    „Mama! Papa!”, rief ich aufgeregt, als ich meine Eltern in einiger Entfernung sitzen sah. Mein Herz tat einen freudigen Sprung — da waren sie ja! Endlich! Es kam mir wie eine Ewigkeit vor, dass ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Sie sahen mich freundlich, aber ungewohnt stumm an und als ich mich ihnen mit schnellen Sprüngen näherte, standen sie auf und gingen weg; bewegten sich von mir fort über die Graslandschaft.
    „Mama, Papa! Wartet auf mich!”
    Ich versuchte noch schneller zu laufen, kämpfte mir den Weg durch das immer höher werdende Gras, bis mich eine plötzliche Traurigkeit überkam und ich stoppte. Verwundert blickte ich mich um und bemerkte Riolu in meiner Nähe. Er schaute zu Boden und wirkte seltsam zerbrechlich auf mich.
    „Riolu?”, fragte ich vorsichtig, doch erhielt keine Antwort. Er hob nur den Kopf und sah mich aus tieftraurigen Augen an. Der Anblick versetzte mir einen Stich ins Herz. Aus seinen roten Iriden sprach ein stummes Leid, ein anhaltender Schmerz und eine tiefe Angst. Voller Unverständnis sah er mich an.
    Ich sah kurz zu meinen Eltern, die sich weiterhin langsam von mir entfernten, mehr und mehr schienen ihre Silhouetten hinter den höher werdenden Gräsern zu verschwinden. Mein Blick glitt wieder zu Riolu und es tat weh ihn so traurig zu sehen. Mit jedem Herzschlag der verging, schienen seine Augen immer glasiger zu werden. Ich konnte ihn doch nicht einfach hier lassen! Ich konnte doch nicht jetzt gehen, wenn er so traurig war!
    Aber … ich wollte doch nach Hause. Ich wandte den Kopf wieder zu meinen Eltern — ich konnte sie kaum noch sehen, so weit waren sie bereits fort.
    „Riolu … ich …”, begann ich, aber war nicht in der Lage den Satz zu beenden. Was wollte ich eigentlich sagen? Er senkte nur den Kopf und ich sah, wie sich das Fell an seiner Schnauze dunkel färbte.
    Warum warteten meine Eltern nicht auf mich? Wie konnte ich Riolu trösten?
    Was sollte ich tun? Was wollte ich tun?
    Mein Herzschlag fing an sich zu erhöhen und in meinen Ohren begann plötzlich ein starker Wind zu pfeifen.
    Ich riss die Augen auf und war wach.


    Yune schlug die Augen auf und spürte ihr schnell klopfendes Herz. Ihre Pfoten waren schweißnass und es dauerte einige Herzschläge, bis sie wusste, wo sie war. Vorsichtig hob sie den Kopf und sah sich um. Friedliche Atemgeräusche erfüllten die Höhle und die Dunkelheit wurde von den kleinen Flammen Micaiahs erwärmt. Neben sich bemerkte das Evoli-Mädchen den schlafenden Schakal. Er hatte sich im Schlaf bewegt und lag nun ausgestreckt auf dem Höhlenboden; sein Gesicht war ihr zugewandt. Von Riolu ging eine beruhigende Ruhe aus, er wirkte auf Yune friedlich und zufrieden. Ein so viel schöneres Bild, als ihn so traurig zu sehen, wie in ihrem Traum. Sie schüttelte den Kopf. Was war das nur für ein seltsamer Traum gewesen? Keine Erklärung wollte ihr darauf einfallen und je länger sie den schlafenden Schakal betrachtete, desto ruhiger wurde sie. Mit einem leisen Gähnen legte das Evoli-Mädchen wieder den Kopf auf ihre Vorderpfoten und schlief ein.



    Der blutrote Kehlsack dehnte sich aus als dem Giftfrosch ein Quaken entkam. Purpurnes Gift tropfte von den beiden Krallen an seinen Händen auf den Höhlenboden. Die gelben Augen fixierten ihn und das blauhäutige Pokémon zeigte keinerlei Anzeichen von Erschöpfung. Er wusste, dass sein Gegner noch lange würde kämpfen können, denn er war keine Herausforderung für den Giftfrosch. Doch seine eigenen Kräfte waren bereits aufgebraucht. Er japste nach Luft, stand auf zitternden Beinen, von denen er nur wartete, dass sie unter seinem eigenen Gewicht einknickten. Der glatte Boden war feucht vom Schweiß seiner Pfoten und sein Herz flatterte wie ein junges Vogel-Pokémon. Jegliche Gegenwehr war sinnlos — sein Gegner hatte bereits gewonnen als der Kampf begonnen hatte. Wieder quakte der Giftfrosch und ging in die Knie. Ein weiterer Angriff würde folgen und seine Gedanken begannen zu rasen.
    Sollte er nach rechts ausweichen? Oder unter ihm hindurch rutschen? Was sollte er tun? Wie sollte er seinen Gegner danach angreifen? Welche Attacke sollte er wählen?
    Oder war es das Beste nichts zu tun? Sich freiwillig treffen zu lassen und die Sache so zu beenden?
    Das tat der Giftfrosch doch ohnehin schon die ganze Zeit. Jeder seiner Angriffe hatte sein Ziel gefunden, egal wie sehr er versucht hatte auszuweichen. Nie war er schnell genug, das blauhäutige Pokémon war jedes Mal bereit für eine Attacke, für einen Treffer.
    Sein Körper konnte nicht mehr und er musste der Versuchung sich hinzulegen widerstehen. Das wäre eine zu offensichtliche Aufgabe gewesen und hätte ihm keine Gnade gebracht. Der Giftfrosch kannte den Ausdruck wahrscheinlich nicht einmal. Aber sich nicht zu bewegen und sich treffen zu lassen, würde ihn vielleicht zufrieden stellen. Er hatte sowieso keine Möglichkeit zu fliehen. Es gab keinen Ausweg. Doch er hatte Angst. Angst vor dem Schmerz, der ihn erwartete. Obwohl er die Pein gewöhnt war und ihr regelmäßig ausgesetzt wurde, hatte er immer Angst.
    Der Giftfrosch quakte wieder und war bereit für den Absprung.
    Er konnte nicht verhindern, dass man seine Furcht sah. Völlig unterbewusst klemmte er seinen Schweif zwischen die Hinterläufe. Alles in ihm hatte aufgegeben. Er stand nur noch, weil ihn die Angst lähmte und ihn auf seinen zitternden Beinen am selben Fleck verharren ließ.
    Das Giftmund-Pokémon sprang mit einem weiteren Quaken ab und stürzte sich auf ihn. Ein Schrei entkam seinem kleinen Maul und er sprintete nach rechts mit ungeahnter Schnelligkeit. Sein ganzer Körper wurde von Adrenalin geflutet und er raste durch die große Höhle. Wo war der Tunnel? Während des Kampfes hatte er die Orientierung verloren, doch schließlich erkannte er die dunkle Öffnung im Gestein. Er hielt darauf zu, bereits vor Erschöpfung keuchend und mit immer stärker schmerzenden Muskeln. Gleich war er da!
    „Elender Feigling!”, schrie ihm der Giftfrosch hinterher. „Was für ein Schwächling. Pass auf Kobra, er versucht abzuhauen!”
    Erst als der Name fiel, erkannte er seinen Fehler. Zischelnd erhob sich die große Schlange neben dem Tunnel und stürzte sich blitzschnell auf ihn. Er wollte ausweichen, doch rutschte auf dem glatten Boden mit seinen schweißigen Pfoten aus. Die spitzen Zähne der Giftschlange bohrten sich in sein Fell, als sie ihn auf den Boden drückte. Er schrie schmerzerfüllt auf, bevor es um ihn herum schwarz wurde.
    „Schwächling”, quakte der Giftfrosch herablassend.



  • Liebe Bibliotheksmaus (wann wieder Nutzerränge, hm?)!


    Da will ich gerade mit meinem Kommi beginnen und sehe, dass du wieder ein neues Kapitel gepostet hast! Sehr schön, dass es gerade dann weitergeht, wenn ich meine Kommiliste abarbeite!
    ich hoffe, du verzeihst mir, wenn ich nur das aktuellste Schreibkunstwerk deinerseits genauer kommentiere und zu dem Rest nur einen kurzen, allgemeinen Absatz verliere :x
    Also, dann wollen wir mal. Meine Meinung zu deinem Schreibstil hat sich nicht geändert: Der ist wundervoll wie eh und je und deine Mischung aus tierischen wie menschlichen Elementen bei den Pokémon kommt sehr gut zur Geltung, wirkt nicht unnatürlich o.Ä. Auch schön ist, dass du solche Eigenarten wie Dialekte einbaust. Was außerdem sehr interessant ist, ist, dass der kleine Riolu nun etwas aus seiner Schale kommt (ha ha ha) und man mehr über ihn erfährt (FA läuft o/). Die suche hat ja jetzt relativ lang gedauert und ich muss sagen, dass ich froh bin, dass sie ein Ende gefunden hat. Das klingt jetzt schlimmer, als es gemeint ist: Ich bin einfach großer Hoffnung, dass der Plot mit der finsteren Gruppe nun bald in Schwung kommt! Denn so schön du auch schreibst, so sehr ich EgA verehre: Wenn du noch etwas Größeres vorhast, sollte es nicht zu lange dauern, bis der Plot sich dahin erstreckt. Du machst immer wieder die Ausflüge zu den Schergen des dunklen Meisters, und es gab entfernt auch einen Berührungspunkt, aber Yune und co. sollten meinem persönlichen Empfinden nach langsam in den Dunstkreis der Gruppe kommen. Oder dass ein anderer spannender Part dazwischen geschaltet wird, z.B. etwas mit dieser weiteren Gruppe wilder Pokémon, die einen der ihren verloren hatte, dass sie Probleme mit Menschen kriegen, es eine Naturkatastrophe gibt o.Ä. Ich schreibe das vor Lesen des nächsten Parts, alsower weiß, was geschieht?




    Kapitel XI: Schmerzhafte Erinnerung (II/II)


    Nun endlich eine Fortsetzung zu EgA! Ich bin gespannt, was passiert ...




    hervorgerufen von den kleinen, züngelnden Flammen. Diese entsprangen direkt hinter dem spitzen Horn der Stute und flossen zwischen den Ohren den kräftigen Hals entlang bis über den Rücken. Kurz vor den Flanken stoppten die Flammen, bevor sie schließlich ihren feurigen Schweif bildeten.

    ...Das ist eine wunderschöne Beschreibung der Mähne Micaiahs, die die gemütliche Stimmung zugleich wiederspiegelt. Ich finde allerdings die "Flammen" etwas zu dicht beieinander gesetzt, sodass es fast wie eine Dopplung wirkt. "Feuerzungen", "ftanzende Lichter", "das heiße Flackern" oder irgendeinen Vergleich mit Stoffen könnte ich mir gut vorstellen. Schön ist hier die Referenz zu Wasser, die mit "flossen" in Erscheinung tritt. Du kreierst damit gewissermaßen ein Paradoxon, das zu einer lebendigen Beschreibung der Szenerie beiträgt.


    Das plötzliche Licht blendete mich und ich kniff die Augen zusammen, als sich der Rest des Eis um mich herum auflöste.

    Hier finde ich etwas schade, dass der Schlüpfprozess so schnell in einem Halbsatz von statten geht - das ist ja durchaus spannend, sich vorzustellen, was ein Pokémon dabei empfindet, wie die Schale bricht ... und irgendwie wird auch nicht so ganz klar, ob du mit "auflösen" die Vorstellung vertrittst, dass die Schale einfach verschwindet, 'puff' macht, sozusagen. Oder ob damit gemeint ist, dass für Riolu jetzt einfach eine neue Welt beginnt. Ich persönlich hätte da noch etwas mehr mit "Eischleim" (heißt das so?), den Geräuschen bzw. der Veränderung in der Wahrnehmung o.Ä. gearbeitet - aber ich schätze mal, die Schnelligkeit ist hier auch der Situation geschuldet, in der die Protagonisten sich befinden.


    Ihr Mund war schneller gewesen, als ihr Kopf in dem diese Frage aufgetaucht war.

    Hm, bist du sicher, dass das Komma da hinkommt? Ich meine, das müsste weg :/


    Schnurgarst

    "Shnurgarst", Herzchen ;3


    Vielleicht werden wir uns nie wieder sehen.

    In der Tat überraschend, dass Riolu hier so offen ist, aber er befindet sich ja auch in einer Art Sog: Man merkt zumindest zu Anfang noch, dass er sich dagegen streubt, sich zu Yune hingezogen zu fühlen (die Gründe können wir u.a. ja hier sehen), doch er kann nicht anders, was letztlich zu einer Öffnung führt, über die er sich selbst wundert und was so schnell passiert ist, dass er es nicht einmal bemerkt hat. Zugleich rückt hier ein ganz banales Problem wieder in den Fokus: Was passiert, wenn Yune ihre Eltern findet? Und daran anschließend: Will Riolu in dem Zusammenhang vielleicht gar nicht, dass sie sie wiederfindet? Abwegig wären diese Gefühle ja nicht und könnten noch zu einigen Konflikten führen ...




    Und nun versuchen wir uns mal am Traumdeuten!^^

    Ich befand mich in einer Schlucht.

    Diese ganze Beschreibung der Schluchtsituation symbolisiert für mich die aufkeimenden Sorgen, die sich in der Unterhaltung mit Riolu angedeutet haben, und türmen sich nun bildlich in Yunes Traum um sie herum auf, was eine bedrohliche Kulisse zur Folge hat. Schön symbolisiert!


    Kein warmes Leuchten war in der Ferne zu sehen, das mich an Micaiah erinnerte und mir den Weg zurück hätte zeigen können.

    Dass hier Micaiah ins Spiel kommt, verdeutlicht, welche Bedeutung sie für die Gruppe und auch bereits für Yune hat. Dass in dieser bedrückenden Situation die Gedanken zu ihr fliehen und nicht z.B. zu Myrrh oder den Eltern, macht klar, welche Geborgenheit die Feuerstute vermittelt, Welche Sicherheit und wie wichtig sie für den Zusammenhalt ist.


    Mit jedem weiteren Schritt konnte ich weniger sehen, jegliches Licht begann mehr und mehr zu schwinden. Und dann war es finster.
    Verängstigt blieb ich stehen und hörte in der vollständigen Dunkelheit nur noch meinen keuchenden Atem zusammen mit meinem wild klopfendem Herzen. Und was jetzt? Konnte ich hier überhaupt herausfinden?

    Eine Steigerung der Ängste, bis man nicht mehr weiß, was tun - und selbst Bewegungen da keine Option mehr sind. Hier findet sich ein Ausdruck für die ratosigkeit Yunes, die sich während ihrer kurzen Wachen Minuten aufgebaut hat.


    Unter meinen Pfoten bedeckte weiches Gras den Boden und vor mir breitete sich eine große, weite Graslandschaft bis zum Horizont aus. Sacht wogen die grünen Halme in einem leichten, warmen Wind, der mir angenehm übers Fell fuhr.

    Ah, ein plötzlicher Szenenwechsel, der im Grunde typisch für Träume ist. Er könnte den Wunsch nach Friedlichkeit, Ruhe (vor den eigenen Gedanken) ausdrücken, aber auch mit dem späteren Auftauchen der Eltern zusammenhängen, die im Unterbewusstsein eher mit einem solchen Bild (--> Anfangsszene von EgA) verbunden sind. Schöne Verbindung mit dem FF-Beginn btw!


    und als ich mich ihnen mit schnellen Sprüngen näherte, standen sie auf und gingen weg; bewegten sich von mir fort über die Graslandschaft.

    Ich versuchte noch schneller zu laufen, kämpfte mir den Weg durch das immer höher werdende Gras,

    Das erinnert mich frappierend an einen Albtraum, den ich in meiner Jugend oft hatte und der jetzt ab und zu noch mal wiederkehrt (du wirst mir langsam unheimlich, haha). Ich vermute, dass solche und ähnliche Traumsituationen einerseits auf Angst vor Kontrollverlust hindeuten können; man versucht, sich zu bewegen, und kommt nicht vorwärts, oder das Ziel entfernt sich immer weiter, man hat also nicht in der Hand, es zu erreichen, so sehr man es auch versucht. Andererseits kann darin auch die Furcht davor zum Ausdruck kommen, sich aus einer Situation nicht befreien zu können - machtlos zu sein.


    Verwundert blickte ich mich um und bemerkte Riolu in meiner Nähe. Er schaute zu Boden und wirkte seltsam zerbrechlich auf mich.
    „Riolu?”, fragte ich vorsichtig, doch erhielt keine Antwort. Er hob nur den Kopf und sah mich aus tieftraurigen Augen an. Der Anblick versetzte mir einen Stich ins Herz. Aus seinen roten Iriden sprach ein stummes Leid, ein anhaltender Schmerz und eine tiefe Angst. Voller Unverständnis sah er mich an.

    Hier schlägt sich der Eindruck des kurz zuvor erlebten, leidenden Riolu nieder.


    Ich sah kurz zu meinen Eltern, die sich weiterhin langsam von mir entfernten, mehr und mehr schienen ihre Silhouetten hinter den höher werdenden Gräsern zu verschwinden. Mein Blick glitt wieder zu Riolu und es tat weh ihn so traurig zu sehen. Mit jedem Herzschlag der verging, schienen seine Augen immer glasiger zu werden. Ich konnte ihn doch nicht einfach hier lassen! Ich konnte doch nicht jetzt gehen, wenn er so traurig war!
    Aber … ich wollte doch nach Hause. Ich wandte den Kopf wieder zu meinen Eltern — ich konnte sie kaum noch sehen, so weit waren sie bereits fort.

    Was sollte ich tun? Was wollte ich tun?

    Hier wird das Kernproblem, dem Yune sich früher oder später wird stellen müssen, schön verdeutlicht: Sie will ihre Eltern wiederfinden, würde ihre neuen Freunde - ganz besonders natürlich Riolu *hust* - zurücklassen müssen. Was die nicht unspannende Frage im Leser erweckt: Wie würde sie sich entscheiden, wenn es soweit kommt?


    Mein Herzschlag fing an sich zu erhöhen und in meinen Ohren begann plötzlich ein starker Wind zu pfeifen.

    Ich kann mir nicht helfen, aber der Wind wirkt hier auf mich wie ein Übergangssymbol von Traum zu Wirklichkeit ... ist das beabsichtigt?


    Ich riss die Augen auf und war wach.

    Ich finde ehrlich gesagt, dass dieser Schlussatz etwas komisch rüberkommt, weilsich das im nächsten Absatz ein wenig wiederholt. Ich würde einen dieser beiden Aufwachteile ehrlich gesagt weglassen :/
    Was hier optisch übrigens bestimt richtig cool wäre, wäre so etwas wie
    "Ich riss die Augen auf und war wach"
    So ein optischer Übergang von Traum zu Wirklichkeit!


    bemerkte das Evoli-Mädchen den schlafenden Schakal. Er hatte sich im Schlaf bewegt

    Von Riolu ging eine beruhigende Ruhe aus

    Hier finden sich wieder zwei 'Dopplungen' im weitesten Sinne - schlafenden/Schlaf und beruhigende/Ruhe (wenn ich auch denke, beim zweiten könnte das gewollt sein).




    Zum Schluss kommt noch eine Szene aus der 'Höhle des Löwen'; was den Kampf verursacht hat (ich tippe ja auf grausame Form der Unterhaltung), wissen wir nicht, aber der Ausgang dürfte wenig glimpflich sein. Hier wird noch einmal der Schrecken vermittelt, der in diesem Höhlensystem vorherrscht.




    Soudale, hat mich sehr gefreut, wieder von dir zu lesen! Dein Schreibstil ist mal wieder tadellos, aber es würde mich wirklich freuen, wenn nach dem ersten Teil der Suche jetzt etwas 'mehr Spannung' in die Geschichte kommt. Ich meine damit nicht, dass es bisher langweilig gewesen wäre, im Gegenteil. Mir fehlte über die letzten Parts allerdings schon ein wenig Aufregung, bezogen auf unsere Titelheldin. Man hat zwar imemr wieder die sehr interessanten Einstreuungen über den zweiten großen Handlungsort (dunkler Lord ahoi), aber die Handlungsträger selbst laufen vor allem - ich bin aber gespannt, was du da jetzt geplant hast und wie es weitergeht! :)


    Allerliebste Grüße,


    ~ Sheo


    (P.S.: @Sheogorath pls ;P)

  • Hallo Cynda,

    Von Riolu ging eine beruhigende Ruhe aus,

    Ruhe hat es normalerweise so an sich, dass sie beruhigend ist. Vielleicht fällt dir da ja eine bessere Alternative ein (wie zum Beispiel "Riolu strahlte Ruhe aus.").


    So, damit aber zum Kapitel und dem Nachhall gegenüber Riolu, der nun endlich mit seiner Vergangenheit rausrückt. Dafür war es eigentlich schon lange überfällig und dass er sie gerade Yune so ausführlich schildert, zeigt, dass er sehr großes Vertrauen zu ihr hat. Vielleicht, weil sie sich so um ihn kümmert, generell gerne zuhört und überhaupt auch neu in dieser Gruppe fernab ihrer Familie war. Das alles können Gründe gewesen sein, warum er sich dann so frei fühlte und schließlich zu reden begonnen hat, wo er doch selbst eher schweigsam war.
    Innerhalb dieser Geschichte macht es auch Sinn, wie Riolu Micaiah kennengelernt hat. Immerhin zeigt es, dass sie schon immer sehr warmherzig war und für alle da sein wollte. Ich finde es gut, dass sich an dieser Einstellung eigentlich nichts verändert hat. Auf der anderen Seite hast du auch die Wellenspiel-Fähigkeit aufgegriffen, die selbst im Anime eher oberflächlich behandelt wurde und die bei dir auch wirklich Auswirkungen auf die Umgebung bzw. die Charaktere hat. Das mag dann sicher erst einmal ein Schock sein, wenn man Angst verspürt, obwohl man nicht weiß warum eigentlich und in dieser Situation war das natürlich sehr fatal. Frisch geschlüpfte Pokémon kennen und können ihre Fähigkeiten noch nicht vollständig beherrschen und daher machte diese Schwäche einen entscheidenden Eindruck.
    Yunes Traum hatte zuerst den Anschein dieses ewigen Hinterherlaufens von seinen Liebsten, bis aber auch hier Riolu ins Spiel kam. Auf der einen Seite möchte Yune zurück, auf der anderen Seite aber weiter bei Riolu sein und ihm helfen. Oder einfach bei ihm sein, weil du das Shipping ja schon vor einiger Zeit angedeutet hast. Was es auch ist, es war auf jeden Fall symbolisch dafür.
    Zum Abschluss noch ein Abstecher zu den vermeintlich Bösen. Bis auf die gegnerischen Gift-Pokémon gehst du wenig auf die Situation ein und ich bin daher gespannt, was du hier beschrieben hast. Vor allem aber, wer den beiden am Ende unterlag.


    Wir lesen uns!

  • Wow, meine Schnelligkeit ist mal wieder ohne gleichen hier … aber egal, jetzt gibt’s erstmal das verdiente Rekommi für @Sheogorath und @Rusalka. (:


    @Sheogorath
    Da war mein Timing wohl richtig gut. (:
    Ja, die Dialekte … ach, ich weiß gar nicht mehr, wie ich damals darauf gekommen bin, meinem Stone einen Dialekt zu verpassen. Waren wohl noch Eindrücke aus der zehnten Klasse, wo ich mit meinem guten Kumpel Rai so wahnsinnig viel Spaß hatte und wir des Öfteren unsere Freude am Nachahmen von ein paar Dialekten hatten. (Sein Sächsisch ist übrigens perfekt. xD Und natürlich auch sein boarisch.) Ich dachte mir, das passt ganz gut, warum sollen da alle bloß Hochdeutsch reden? (Von Myrrh abgesehen, die hat manchmal einen leicht boarischen Einschlag.) Ein „literarisches Vorbild“ kann ich an dieser Stelle sogar nennen: Richard Adams mit seinem herrlichen Buch „Watership Down“.
    Die Szenen zwischen Riolu und Yune machen einerseits sehr viel Spaß, andererseits sind sie aber auch etwas schwer zu schreiben, deshalb freu ich mich, wenn die Interaktion zwischen den beiden so gut rüberkommt. Bei Riolu ist mir schon wichtig, dass die charakterliche Entwicklung nachvollziehbar ist, allerdings soll sie auch bei Yune gut rüberkommen. In gewisser Hinsicht ist das ja so ne „Coming of Age“ Story — schon lustig, dass ich unbewusst dieses Genre gewählt habe, bevor ich überhaupt wusste, dass es das gibt. (Auf das FA freu ich mich, aber lass dir ruhig Zeit damit. ^^) Ich muss sagen, dass ich auch froh bin, die Suche zu einem Ende gebracht zu haben — das war in der ersten Fassung wesentlich weniger langwierig, aber hier hat es sich einfach gezogen. Erstens, weil ich es ja ausführlicher gestalten wollte und zweitens, weil man durch die geteilten Kapitel ja auch noch das Gefühl bekommt, dass es länger ist. (Jedenfalls könnt ich mir das vorstellen.) Oh, ja, auf diesen Story-Arc freu ich mich selbst auch riesig. Mir sind da nämlich in den letzten Monaten noch ein paar recht gute Ideen gekommen, die vorher noch nicht da waren. ;)
    Dunstkreis ist das richtige Stichwort, da geht’s nämlich durchaus bald los — ich habe gerade ein „vorbereitendes“ Kapitel für diese Sache fertig geschrieben. Bald geht’s rund!


    Zum Schlüpfprozess muss ich sagen, den hätte ich gerne mehr ausgearbeitet. Andererseits wird er ja von Riolu selbst erzählt und nachdem er damit einen für Yune durchaus „bekannten“ Vorgang anspricht, ist er natürlich nicht sehr ausführlich. Ich nehm aber deine Anmerkungen gern mit, wenn ich eine Schlüpfszene aus der Erzählerperspektive schreibe. (Ich seh schon, ich muss da durchaus mehr recherchieren was das betrifft!) Und ja, die Schale löst sich quasi auf. Das ist vielleicht ein bissl zu „Anime“, geb ich zu, aber nachdem wir es bei Pokémon ja mit besonderen Wesen zu tun haben und diese eine spezielle „Energie“ — siehe Attacken und Entwicklung — besitzen, hab ich mir das so gedacht. Ist nicht sehr ausgereift, geb ich zu. ^^


    Ach, mist, ich weiß schon, warum ich eigentlich Pokénamen recherchier — danke dafür! :D


    Ja, den Konflikt hast du gut erkannt und der zieht sich tatsächlich noch ein wenig. Für Riolu ist es schwer sich jemandem nahe zu fühlen und deshalb ist er da in einer ziemlichen Zwickmühle. Wir werden sehen wie sich das entwickelt, aber das wird jedenfalls noch öfter aufgegriffen werden.


    Deine Traumdeutung war wirklich spannend zu lesen — so viel hab ich da gar nicht drüber nachgedacht, als ich die Szene geschrieben hab. (An der Stelle muss ich sagen, dass die Träume aus der Crossoverszene mit @Rusalka sozusagen ihren Weg in die Story gefunden haben. :3) Nachdem Träume ja gerne eine Mischung aus bekanntem und unbekanntem sind — jedenfalls merk ich das an meinen — hab ich die Schlucht gewählt, weil sich Yune zuvor in einer solchen befunden hat und dabei etwas ähnliches verspürt hat, wie jetzt in ihrem Traum. Quasi eine Verarbeitung der Geschehnisse des Vortages.
    Interessant wie du die Brücke zu Micaiahs Rolle innerhalb der Gruppe schlägst, dabei war dieser Satz eigentlich eine Anspielung auf den letzten Traum, in dem Yune einem warmen Leuchten gefolgt ist, was sie für die Flammen Micaiahs gehalten hat. Aber du hast Recht, die Feuerstute hat eine wichtige Rolle in der Gruppe und ihr warmer Charakter passt natürlich gut zu dem wärmenden Feuer.
    Ich weiß gar nicht mehr, warum ich da die Finsternis eingebracht hab, aber deine Deutung davon gefällt mir gut. (:
    Oh, die Verbindung zum FF-Beginn hab ich hier gar nicht bewusst eingebaut, aber schick, dass mir das unbewusst gelungen ist. x3
    Genau, ich habe das auch als Mittel zum Kontrollverlust hier benutzt — ausnahmsweise relativ bewusst. Und mit „unkontrollierten“ Bewegungen hab ich persönlich auch so meine Erfahrungen. Als Kind hatte ich ab und an den Albtraum, dass ich in einem Auto sitze, das sich einen Berg hinunterbewegt und ich hab keine Ahnung, wie ich es anhalten soll. Was sehr schräg ist, wenn man bedenkt, dass ich kein Kind war, was bewusst im Auto gespielt hat und sich hinters Lenkrad gesetzt hat. (Ich hoffe, dass uns diese Träume irgendwann nicht mehr verfolgen, srsly!)


    Genau darum ging es mir bei diesem Traum. Riolu hat sich vor Yune geöffnet und da spielt ihr Unterbewusstsein natürlich sofort ihre Familie gegen Riolu aus. Das Bekannte, Vertraute gegen eine wachsende Zuneigung, die man sich nicht erklären kann. Und natürlich muss irgendwie eine Entscheidung getroffen werden. Wie die Entscheidung ausfallen wird, wird man sehen.


    Jap, tatsächlich war das mit dem Wind beabsichtigt, wenn auch vielleicht etwas abgegriffen. ^^“


    Mhm … ja, die Dopplung beim Aufwachen hat mir auch nicht so gefallen, deshalb danke für den Hinweis, hab da bissl was geändert. Und auch die Dopplung mit der „beruhigenden Ruhe“ hab ich geändert, ich hatte da ein Wort gesucht, in der Hoffnung es fällt mir bei der Überarbeitung ein, aber das ist dann doch nicht passiert und Rai fand das wohl auch nicht so wild. Danke für den Hinweis und allgemein für deine Gedanken zum Kapitel! ^__^ Hat mich sehr gefreut das zu lesen.


    @Rusalka
    Da hast du natürlich genauso wie Sheo recht und ich hab das gleich mal ausgebessert. Danke schön! (:


    Die Geschichte war wirklich überfällig und ich war selbst ganz froh, dass er sie endlich erzählen konnte. In der Situation war Riolu tatsächlich wesentlich offener, als er das selbst von sich kannte, aber — wie du schon sagst — manchmal braucht’s nur jemanden, bei dem man sich gut aufgehoben fühlt. Micaiah ist so meine Mutterfigur und ich finde, der Charakterzug passt auch gut zu ihr. (:
    Ich find Riolus Fähigkeit eigentlich sehr spannend und war schon etwas enttäuscht, dass das im Anime nie so richtig herauskam. Dabei geben die Dex-Einträge eigentlich genug Stoff, um diese Fähigkeit darzustellen — sind auch für mich der einzige Anhaltspunkt.
    Der Traum brauchte natürlich einen kleinen Plottwist, wie das für Träume allgemein üblich ist, was ich aber vor allem durch unsere Crossoverszene gelernt hab. Sämtliche kommenden Traumszenen haben den Hintergrund, dass mir das Schreiben unserer Crossoverszene so viel Spaß gemacht hat, dass ich bissl mehr davon in EgA haben möchte. (:
    So ein Shipping ist ne tolle Sache und gerade bei Riolu und Yune hab ich viel Spaß dabei — ich hoff, ich kann es auch weiterhin auf dem Level halten, wie ich mir das vorstelle.
    Wer am Ende gewonnen hat in der letzten Szene des Kapitels wird bald gelüftet werden — jetzt bekommt die Story nämlich langsam die Fahrt, auf die ich in den letzten Kapiteln hingearbeitet hab.
    Vielen Dank für dein Kommi, hat mich sehr gefreut! <3



    Und nun noch ein paar Worte zum kommenden Kapitel, welches sich mit zwei Handlungssträngen befasst, die ich zuvor schon ein wenig erwähnt habe, hier aber ihren großen Auftritt bekommen. Wenn euch die Namen etwas um die Ohren fliegen, keine Bange, der Startpost wird — wenn das Kapitel vollständig gepostet ist — um diese ergänzt werden. Ich hatte bei der Überarbeitung der Story zwar vor, die Gruppen kleiner zu gestalten, aber letztendlich konnte ich auf jeder Seite gerade mal einen Charakter streichen. (Außerdem, wie soll man die Weltherrschaft an sich reißen mit ein paar Hanseln? Immerhin hat mein Bösewicht ja durchaus Großes vor …)
    Es wird jetzt etwas düsterer und das liegt nicht nur daran, dass der Handlungsort der Kraterberg ist. Im Gegensatz zur ersten Fassung hab ich ein bissl … aufgedreht? Aber bevor ich noch weiter rede: hier kommt Kapitel zwölf!

  • Kapitel XII: Mond und Schatten
    Teil I/III


    Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,
    Aufgestanden unten aus Gewölben tief.
    In der Dämmrung steht er, groß und unbekannt,
    Und den Mond zerdrückt er in der schwarzen Hand.
    — Der Krieg von Georg Heym



    In einem Höhlensystem auf der östlichen Seite des Kraterberges — südlich von Herzhofen und westlich von Weideburg — lebte der MondClan. Der Clan war auf eine sehr eigene Art gewachsen und jedes Mitglied konnte eine Geschichte darüber erzählen, wie es in die Gemeinschaft aufgenommen wurde. Sie alle waren stolz, ein Teil der Gruppe zu sein und obwohl die unterschiedlichsten Charaktere den Clan bildeten, so verstanden sie sich doch und lebten wie eine große Familie zusammen.
    Angeführt wurde der MondClan von Ninian, einem Traunmagil und ihrem Stellvertreter, dem Galagladi Sothe. Die beiden waren es auch, die die Gemeinschaft ins Leben gerufen hatten, wenn auch eher aus praktischen Gründen. Getroffen hatten sie sich im Turm der Ruhenden südlich von Trostu, wo Ninian noch als Traunfugil den jungen Sothe von seinem hartherzigen Trainer befreite, dem jeglicher Sinn für den Umgang mit dem Trasla fehlte. Von diesem Tage an waren die beiden unzertrennlich gewesen und machten sich auf die Suche nach einem Ort zum Leben. Zuerst hatten sie es einige Tage im Wald in der Nähe versucht, aber das war beiden zu ungeschützt, sodass sie sich den Kraterberg zum Ziel nahmen, in der Hoffnung dort eine Höhle zu finden, die vor allem für Menschen unzugänglich war.
    Auf ihrem Weg trafen sie Ingus — ein Knogga —, welcher ganz allein und aus reiner Abenteuerlust vom fernen Kontinent Kanto hierher gereist war und zum wichtigsten Lehrmeister Sothes wurde. Am Rand der großen Stadt Herzhofen begegneten sie Arc, einem streunenden Fukano, der abgestempelt als Schwächling von seinem Trainer verlassen wurde. Gemeinsam befreite die kleine Gruppe Thunder — ein Elektek —, der von einer Bande Kleinkrimineller dazu gezwungen wurde, die Elektrizität in Geschäften abzuzapfen, damit Diebstähle durchgeführt werden konnten. Sie lasen ein verirrtes Griffel mit dem Namen Feli auf, deren liebevolle Besitzerin schwer erkrankt war. Die Angehörigen der älteren Dame hatten das Pokémon schließlich einfach ausgesetzt. Kurz bevor die Gruppe letztendlich die Stadt hinter sich lassen konnte, wurden sie Zeuge eines ungerechten Kampfes zwischen einem ausgewachsenen Knakrack und einem wildlebenden Vulpix. Ohne zu zögern stellte sich Arc dem Trainer-Pokémon entgegen und es gelang dank Ingus’ Kampferfahrung und Sothes Psychokräften das große Drachen-Pokémon so lange zu beschäftigen, bis Ninian gemeinsam mit Thunder dem Trainer einen der größten Schrecken seines Lebens einjagen konnte.
    Auf die Frage des Vulpix — das auf den Namen Nona hörte —, wie sich die bunte Gruppe an Pokémon denn nannte, erwiderte das Traunfugil nach einigem Überlegen, dass sie der MondClan wären und auf der Suche nach einem zu Hause. Als sie zusammen die Route 212 entlang gingen, trafen sie in der Nähe des Pokémon Landguts auf die zwei Brüder: Linus — ein ruhiges Sandan — und Lloyd — ein aufgewecktes Bamelin —, die unterschiedlicher nicht sein konnten. Die beiden hatten sich in Weideburg getroffen und, nachdem beide ihre Eltern verloren hatten, beschlossen selbst eine Familie zu werden.
    Mit diesen Mitgliedern wurde schließlich das Höhlensystem auf der Ostseite des Kraterberges entdeckt und als Heimat auserkoren. Es vergingen einige Monate, in denen sich die Gruppe einlebte und das Clanleben organisiert wurde. Aufgaben wurden verteilt, Nebenhöhlen zugewiesen und Tagesabläufe erstellt, sodass alles nach einiger Zeit reibungslos funktionierte und jeder wusste, was zu tun war. Auf einem Ausflug, um Beeren zu sammeln, trafen Feli und Thunder — beide hatten sich inzwischen zu Ambidiffel und Elevoltek entwickelt — ein paar Monate später auf ein Absol mit Namen Midna. Sie erzählte nicht viel von sich, ging der freundlichen Einladung Felis aber nach, den Clan zu besuchen. Schließlich blieb das weiße Pokémon zur Überraschung aller und wurde nach kurzer Zeit ein vollwertiges Mitglied des Clans. Midna interessierte sich besonders für den Schutz der anderen und zeigte sich als eine fleißige Schülerin Ingus’ — der ihre Leistungen mehr als einmal mit denen von Sothe verglich.


    [font='palatino']Eines Tages im Herbst überraschte ein metallisches Klappern den Clan beim Mittagessen und ein erschöpftes Panzaeron stand in der Haupthöhle. Zaron war ein aus Johto eingeschmuggeltes Pokémon aus dessen Federn eine Gruppe zwielichtiger Leute Messer herstellen wollte. Er war aus dem Versteck geflohen, was ihm aufgrund der langen Zeit ohne Freiflug viel Anstrengung gekostet hatte, da er auch noch verfolgt wurde. Einige Augenblicke später rauschte ein Libelldra in die Höhle und verlangte die Herausgabe des Stahlvogels. Ninians logischen Schlussfolgerungen und Argumenten war es zu verdanken, dass die Drachin Kira nicht zu den Menschen zurückkehrte und stattdessen Zaron Flugstunden gab.
    Im Winter machte Thunder schließlich bei einem nicht gestatteten Ausflug zum Pokémon Landgut eine Entdeckung: zwei Pokémoneier lagen vor der Tür des Anwesens im Schnee. Das Elevoltek zögerte nicht lange, nahm die beiden mit und brachte sie zum Clan. Dort hatte Sothe sich bereits eine Bestrafung für Thunders Ungehorsam überlegt, doch diese wurde von Ninian kurzerhand fallen gelassen, als sie die Eier sah. Zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass sich in ihrem Clan zwar viele Kämpfer befanden, die diesen schützen konnten, aber niemand, der sich um die Verletzungen der Mitglieder kümmern konnte. Und auch niemand, der sich mit Pokémoneiern auskannte. Ninian entschied schließlich, diese zu wärmen und Arc und Nona meldeten sich freiwillig.
    Am nächsten Tag kam Midna von ihrem Wachposten in die Höhle gelaufen und kündigte einen seltsamen Besuch an. Hinter ihr schwebte ein Frosdedje, welches sich mit dem Namen Alja vorstellte und bat in den Clan aufgenommen zu werden, da sie von den Taten dieser Gruppe gehört hatte. Ninian war völlig erstaunt gewesen und Sothe vom ersten Moment an skeptisch, da er einen Schmarotzer vermutete. Doch Alja scheute sich nicht davor ihre Geschichte ausführlich zu erzählen und erwies sich als ausgesprochen wertvoll im Umgang mit den beiden gefundenen Eiern. Sie erkannte anhand der Zeichnung, welche Pokémon daraus schlüpfen könnten und richtete sich in einer größeren, bisher ungenutzten Nebenhöhle häuslich ein.
    Nachdem aus den beiden Eiern ein Pichu und ein Magby gesund und munter geschlüpft waren, war Alja das Vertrauen des Clans sicher. Seitdem kümmerte sie sich um die Mitglieder des MondClans als Heilerin. Die Babymaus Pia und das Glutherd-Pokémon Vesuvio waren damit die jüngsten Mitglieder des Clans. Und für eine lange Zeit blieb der Clan in dieser Zusammensetzung, obwohl kurzzeitig ein Luxtra-Weibchen die Sicherheit der Gemeinschaft genoss. Aber sie verließ das Höhlensystem einen Monat später und es verging eine ereignislose Zeit, in der der MondClan für sich blieb. Bis eines Tages Alja und Feli beim Beerensammeln ein erschöpftes Tauboss im Wald fanden. Das überdurchschnittlich große Flug-Pokémon stellte sich als Lyn vor und flog schließlich mit zu den anderen. So wurde sie Teil der Gemeinschaft und somit das neueste Mitglied des Clans.
    Seit diesem Tag war wieder einige Zeit verstrichen in dem keine großen Ereignisse Ninian und die anderen beschäftigt hatten. Sie konnten sich erfolgreich mehreren Trainern entziehen und vereitelten einige Fangversuche die eindeutig nicht freiwillig waren. Die Tage vergingen, es war friedlich in der Gruppe. Bis zu jenem Tag, an dem der Friede gestört wurde und das angetastet wurde, was dem MondClan über alles ging: ihre Gemeinschaft.


    Ein starker Windstoß fuhr durch ihr purpurfarbenes Fell und rauschte in Felis großen Ohren. Sie saß auf dem steinernen Plateau vor dem großen Höhleneingang und blickte in die Ferne. Unter ihr erstreckte sich ein Teppich aus Baumkronen in allen Grünschattierungen, bis zwischen ihnen der Fluss auftauchte, der auf seinem Weg zum Meer breiter wurde. Das Ambidiffel konnte die Stege sehen, die die Menschen gebaut hatten, um das Wasser zu überqueren. Dahinter, das wusste sie, erstreckte sich das Moor mit seinen großen Pfützen und tückischen Stellen. Schemenhaft konnte sie in weiter Ferne die Dächer der Stadt Weideburg sehen. Aber ganz sicher war sie sich nicht, die Häuser an diesem Ort seien sehr unscheinbar, hatte man ihr erzählt. Sie selbst war noch nicht dort gewesen. Wenn Feli nach Norden blickte, hob sich das weitläufige Landgut von der bewaldeten Landschaft ab, bevor dahinter die hohen Häuser Herzhofens in den Himmel wuchsen. Ihre beiden Schweife zuckten bei dem Gedanken an das große Anwesen — es war ihr aus irgendeinem Grund unsympathisch. Das Ambidiffel wandte sich von dem Anblick ab und blickte wieder Richtung Osten. Besonders gerne hielt sie Wache kurz vor Sonnenaufgang, wenn das erste Licht des Tages über den Horizont erstrahlte und die Kronen der Bäume in ein goldenes Licht tauchte. Wenn noch in der letzten Dunkelheit der Nacht die Staralili anfingen zu zwitschern und ein paar Kramurx krächzend vorbeiflogen. Und die letzten Noten des Konzerts der Zirpurze und Zirpeise in der kühlen Morgenluft verklangen. Der Fluss verwandelte sich in ein glitzerndes Band in der Ferne, in dem sich sicherlich viele Wasser-Pokémon fröhlich tummelten. Die Sonne stieg immer weiter in den stetig blauer werdenden Himmel — vorbei schwebende Wolken wurden zuerst purpur und schließlich leuchtend orange gefärbt.
    Zu sehen wie ein neuer Tag anbrach und wie die Welt nach einer Nacht erwachte war für Feli der schönste Anblick. Sonnenuntergänge waren weniger beeindruckend, denn der Kraterberg warf bald einen langen Schatten und tauchte das Land früh in ein Zwielicht. Aber das störte das Ambidiffel wenig, sie mochte den Anfang eines Tages immer mehr als dessen Ende. Sie schloss kurz die Augen und genoss eine weitere frische Brise in ihrem purpurfarbenen Fell. Tief atmete sie ein und aus.
    Für einen kurzen Moment war sie abgeschweift, aber nun besann sie sich wieder ihrer Aufgabe. Keine Regung unter ihr zwischen den Baumkronen. Normalerweise wäre das beruhigend und hätte ihre Pflicht einfach gemacht, aber nicht heute. Thunder war losgezogen um Pia und Vesuvio zu finden und schließlich hatte sich Nona bereit erklärt nach ihm zu sehen. Keiner von ihnen war seitdem zurückgekommen und das machte Feli ein wenig Sorgen, immerhin war es bereits spät am Tag.
    Hinter ihr vernahm sie ein gleichmäßiges Klacken auf dem Gestein und sie drehte sich danach um. Aus dem großen Höhleneingang schritt mit wehenden, rot-gelben Kopffedern das Tauboss-Weibchen Lyn. Ihre großen Schwingen hatte sie eng an den Körper gelegt und der Blick ihrer aufmerksamen Augen war in die Ferne gerichtet. Das Gesicht des Ambidiffel hellte sich auf und ein breites Grinsen kam auf ihre Lippen, als sie ihre Freundin erkannte. Sie bewunderte das große braune Vogel-Pokémon, das laut Alja wesentlich größer als die Meisten ihrer Art wäre.
    „Hast du sie schon entdeckt?”, wandte sich Lyn an die Wächterin und blickte zu ihr herunter.
    „Bisher noch nicht”, gab Feli zur Antwort. „Aber sie müssten doch bestimmt bald kommen, nicht wahr?”
    „Sollten sie”, erwiderte ihr Gegenüber knapp und sah in die Ferne. Über der Bergkette nordöstlich sammelten sich dunkle Wolken und das Tauboss fragte sich, ob diese vielleicht später auch zu ihnen wandern würden. Der Wind fuhr ihr durch die Federn und sie bewegte ihre großen Flügel etwas.
    „Woran denkst du?”, fragte das Ambidiffel unvermittelt und schien besorgt. Ihre Zwillingsschweife zuckten leicht hinter ihr auf dem Gestein. Lyn schüttelte leicht den Kopf und sah zu ihr hinunter.
    „Nichts Wichtiges, ich habe nur die Regenwolken dort hinten entdeckt.”
    „Oh, stimmt! Meinst du, die erreichen uns noch heute?”
    „Das kommt auf den Wind an. Aber ich denke nicht, dass wir heute Nacht Regen bekommen”, gab das Tauboss beruhigend zurück. „Soll ich mal einen kleinen Rundflug machen? Vielleicht entdecke ich ja Thunder und Nona.”
    Felis Gesicht hellte sich vor Begeisterung auf und sie nickte heftig während sie sprach: „Ja, natürlich! Mach das!” Vor lauter Aufregung klatschte sie die Enden ihrer Schweife zusammen, die wie Hände geformt waren. Lyn schenkte ihr einen freudigen Blick und begab sich zur Kante des Gesteins. Die ersten Schatten breiteten sich über dem Land über ihr aus, als die Sonne sich immer mehr hinter den Zinnen des Kraterberges verbarg. Der Tag war heiß gewesen und die Luft weiterhin aufgewärmt — der frische Wind wehte die ersten zaghaften Klänge vom Spiel der Zirpurze heran. Die sanften Töne der Zirpeise würde man erst nach Sonnenuntergang hören können.
    Vor dem Tauboss ging es weit in die Tiefe, für jedes nicht flugbegabte Lebewesen ein lebensbedrohlicher Sprung und sie kannte nur ein Pokémon, welches sie als wagemutig genug einschätzte, sich hier hinunter zu stürzen. Von der Kante der steinernen Plattform aus warf Lyn einen Blick hinab. Der Berg fiel zuerst steil in die Tiefe, wurde schließlich zu einem immer flacher abfallenden Hang, an dem einige Bäume und Pflanzen wuchsen, bis er schließlich den Boden berührte. Der Fuß des Kraterberges verschwand dort am Waldrand zwischen den Kronen der Laubbäume.
    Ohne Vorwarnung ließ sich das Tauboss fallen und raste mit angelegten Flügeln gen Boden. Feli lief zur Kante des Plateaus und sah ihr mit geweiteten Augen nach. Das Gestein des Berges war nur einen Sprung unter ihr und im Fall flatterten ihre Kopffedern. Die Bäume kamen immer näher und für einen Moment wirkte es so, als würde sie ungebremst in die Kronen krachen. Doch mit einem Mal breitete Lyn ihre mächtigen Schwingen aus, stellte diese auf, um ihren Fall abzubremsen und schwang sich mit einem kräftigen Schlag in die Lüfte. Mit angewinkelten Flügeln drehte sie sich um die eigene Achse, als sie beinahe senkrecht in die Höhe schoss. Sie breitete diese abermals aus und blieb für einige Herzschläge mit kräftig schlagenden Flügeln in der Luft stehen, bevor sie im Gleitflug auf den Wald zuhielt.
    Feli klatschte vor Begeisterung mit den Enden ihrer Schweife Applaus. Zwar wusste das Ambidiffel, dass ihre Freundin das nicht getan hatte, um Aufsehen zu erregen, aber sie fand es nur richtig diesen Flugkünsten Anerkennung entgegen zu bringen. Oft beneidete sie das Tauboss-Weibchen, die mit ihren Schwingen überall hin konnte, wo sie wollte. Wie schön sich Feli das vorstellte! Beinahe hätte sie sich in diese Träumereien vertieft, als sie Lyns durchdringenden Schrei vernahm. Das Tauboss flog Kreise und lenkte die Aufmerksamkeit des Ambidiffel auf den Wald unter ihr. Angestrengt versuchte sie in dem grünen Teppich etwas zu erblicken. Da! Hatte dort nicht kurz gelbes Fell hervor geblitzt? Und waren da nicht eben mehrere Schweife zu sehen gewesen? Schließlich konnte Feli in einer größeren Lücke zwischen den Baumkronen Thunder und Nona deutlich erkennen. Sie rannten schnell auf den Kraterberg zu. Erleichterung durchströmte das Ambidiffel.
    „Endlich kommen sie zurück”, sagte sie leise zu sich selbst.
    Lyn flog einen Bogen und landete wieder auf der Plattform, in dem Moment erschienen das Vulnona und Elevoltek in dem Tunnelausgang, der sich vom Fuß des Berges nach oben zum Höhleneingang wand. Feli ging fröhlich auf die beiden zu, nur das Tauboss blieb auf ihrem Platz.
    „Nona! Thunder! Schön, dass ihr wieder da seid!”
    Die beiden Ankömmlinge erwiderten nichts, sahen sich nur gehetzt um und rannten in die Höhle, wo die Dunkelheit des Höhleneingangs beide verschluckte. Ihre eiligen Schritte wurden begleitet von dem stetigen Klang eines Glöckchens. Die Sonne war hinter dem Kraterberg verschwunden und das Zwielicht des Abends legte sich über das Land auf dessen Ostseite.
    „Was?”, entkam es dem Ambidiffel verwirrt und sie sah zu Lyn, als könnte diese ihr eine Erklärung geben. Doch sie schüttelte nur den Kopf und meinte stattdessen: „Am besten gehst du mit rein und siehst nach was los ist. Ich bleib hier und pass auf.”
    „Alles klar. Danke!”, erwiderte Feli und folgte eilig den beiden.
    Das Tauboss wandte sich vom Eingang ab und ging wieder zur Kante des Plateaus. Der Wind wehte die zögerlichen Klänge einiger Zirpurze zu ihr, die von einer Gruppe laut krächzender Kramurx übertönt wurden, als diese Richtung Norden am Himmel vorbeizogen. Die Wolken über dem Gebirge im Nordosten berührten den Boden und ein grauer Schleier ergoss sich auf das Land.
    „Es regnet in der Nähe vom Kühnheitssee”, stellte sie leise fest. „Weit weg von hier. Warum scheint es dann so, als würde ein Unwetter über uns hereinbrechen?”


    Die heimatliche Wärme der Höhle hüllte Nona und Thunder ein, als sie im wilden Lauf in der großen Haupthalle ankamen. Dort saßen in einem kleinen Kreis Ingus, Arc, Lloyd, Linus, Kira und Zaron zusammen. Das Knogga hatte gerade eine seiner vielen Geschichten von seiner abenteuerlichen Reise von dem fernen Kanto nach Sinnoh erzählt. Bevor seine Zuhörer aber ihre Fragen stellen konnten, die ihnen bereits auf der Zunge lagen, erregten das Vulnona und das Elevoltek ihre Aufmerksamkeit. Die verwunderten Augenpaare ihrer Freunde folgten den beiden, doch sie waren zu verblüfft, um sich an die Ankömmlinge zu wenden und tauschten nur verwirrte Blicke untereinander aus.
    „Hey Feli!“, rief Ingus dem Ambidiffel zu, als er sie hinter den beiden Clanmitgliedern sah. Eilig kam sie auf das Knogga und die anderen aus dem Clan zu, die ihr fragende Blicke zuwarfen.
    „Haben sie was gesagt?“, wollte Feli aufgeregt wissen.
    „Nein, ich hatte gehofft, du weißt, was mit ihnen los ist“, erwiderte Ingus verwirrt und blickte Nona und Thunder hinterher.
    „Nein, leider nicht, sie haben nichts gesagt …“, entgegnete das Ambidiffel kopfschüttelnd, als es sich zum Rest setzte.
    „Was auch immer los ist, es sieht nicht gut aus“, fügte Kira hinzu, als sie mit ihrem Schweif über den Gesteinsboden fuhr und erhielt zustimmendes Kopfnicken vom Rest. Besonders Arc hatte seine Augen nicht von dem Vulnona und dem Elevoltek abwenden können und schien mit sich zu hadern, ob er ihnen folgen sollte oder nicht.


  • Hallo Cynda,


    also wenn es rein um die Geschichte des MondClans geht, hättest du sicher ein eigenes Buch damit füllen können. Und ich wäre auch gar nicht abgeneigt, das zu lesen, wenn du das umsetzen willst. Aber man merkt allein an dieser Zusammenfassung, wie viel Mühe du dir bei der Ausarbeitung der einzelnen Charaktere und ihren Schicksalen gemacht hast. Dabei ist jede kleine Geschichte nachvollziehbar integriert und jede Handlung wirkt so vollkommen durchdacht, besonders von Ninian als Clan-Anführerin (und Traunmagil ist sowieso ein cooles Pokémon für die Symbolik des Mondes). Dabei mag ich es auch, wie du viele verschiedene und teils auch weniger oft verwendete Pokémon vorkommen lässt, wie man es von dir gewohnt ist. Du kümmerst dich um jeden Charakter liebevoll und jeder hat seine eigene Geschichte zu erzählen. So soll das sein und so mag ich das auch.
    Grundsätzlich ist mir in dem Zusammenhang aber auch aufgefallen, dass die Gruppe um Micaiah ebenfalls einen Clan gründen könnte. Immerhin sind die Pokémon schon sehr lange zusammen, aber das nur on a side note.


    Schön ist es jedenfalls auch zu sehen, dass Lyn wieder einmal vorkommt. Die Kurzgeschichte von damals spukt mir immer noch im Kopf herum, weil sie so speziell war und der Abschied von ihrem Trainer auch so herzerreißend beschrieben war. Jedenfalls ist es gut zu sehen, wie sie sich integriert hat, ihren Aufgaben nachgeht und auch generell ihrem Charakter nachgeht. Ambidiffel als Kontrast dazu wirkt sogar ziemlich gut, weil beide sehr spezielle Eigenschaften haben, die der andere nicht hat.
    Auf jeden Fall bin ich schon gespannt zu hören, was Nona und Thunder widerfahren ist und warum sie sich so schweigsam geben. Ich erwarte mal, dass eine Versammlung folgt und eine böse Gruppierung auf dem Vormarsch ist.


    Wir lesen uns!

  • Moment mal ... ich kann doch meine Magie benutzen!


    ... oh, halt, falscher Spruch. Egal.


    Ja, eigentlich hätte dieses Update schon vor mindestens nem Monat hier auftauchen sollen, aber ich hab das ziemlich stark vor mir hergeschoben. Damit sollte ich definitiv aufhören. Aber nachdem ich es geschafft habe so herrlich langsam zu sein, wird tatsächlich im Dezember noch ein Kapitelteil erscheinen, obwohl ich den Monat ausklammern wollte. Insofern … vielleicht ein Vorteil für die geneigten Leser?
    Jedenfalls kommt heute der lang überfällige zweite Teil dieses Kapitels. Doch bevor ich dazu komme, bekommt der liebe @Rusalka erstmal sein Rekommi. (: Und los!


    Wow, danke für dein Lob zu der Entstehung des MondClans, es freut mich, wenn sie dir gefallen hat. Unter uns gesagt muss ich aber zugeben, dass der Anfang dieses Kapitels ziemlich spontan entstanden ist. (Die Hintergrundgeschichte wie sich Sothe und Ninian trafen hab ich aber tatsächlich mal getippt, nur ich glaube nie zu Ende. An die könnte ich mich wirklich setzen …) In der ersten Fassung gab es diese Hintergrundstory nicht und für diese Fassung hab ich mir das Plotten der Sache irgendwie gespart und in aller Kürze versucht die Sache grob zu umreißen. Wenn mir das so geglückt ist, dass es nicht auffällt, dass das reine Improvisation war, dann freut’s mich.
    Es ist jetzt schon so lang her, dass die beiden Clans entstanden sind, dass ich ehrlich gesagt keine Ahnung habe, warum ich gerade Traunfugil für den MondClan gewählt habe. Ich weiß es wirklich nicht mehr. Aber sie bietet einen guten Kontrast zum „anderen Anführer“ und ich hab, wenn ich so drüber nachdenke, sogar ein kleines „Trio“. Myrrh, Ninian und … ja, derjenige kommt noch. ;)
    Du hast Recht, Micaiah könnte ihre kleine Gruppe ebenfalls zum Clan machen — ich will hier nichts vorweg nehmen, aber das Ende der Geschichte wird diese Sache aufklären, warum es kein Clan ist. (Vielleicht gibt’s die ersten Anzeichen dafür auch schon in den folgenden Kapiteln.)


    Wow, ich wusste nicht, dass diese KG von damals tatsächlich so einen bleibenden Eindruck hinterlassen kann. (: Lyn zu beschreiben macht wirklich Spaß, vielleicht hat man das gemerkt. Feli ist tatsächlich ein starker Kontrast dazu, sie ist so viel sorgloser und happy-go-lucky als Lyn. Gefällt mir immer, zu beschrieben wie zwei so verschiedene Charaktere interagieren. Deine Erwartungen werden hoffentlich nicht enttäuscht im nächsten Kapitelteil.
    Wie immer vielen Dank für deinen Kommi, freut mich immer wieder sehr. <3


    Sou, der folgende Kapitelteil wird hoffentlich nicht enttäuschen. Erst einmal dürfen Nona und Thunder ihr Anliegen an höchster Stelle präsentieren und danach gibt es einen Szenenwechsel, in dem einige bekannte Gesichter auftauchen werden.
    Hier also Kapitel zwölf zweiter Part!

  • Kapitel XII: Mond und Schatten
    Teil II/III



    Nona und Thunder rannten auf einen bestimmten Höhlengang zu, der auf der anderen Seite der großen Halle lag. Vor diesem stand Sothe Wache und sah mit skeptischen roten Augen die beiden Pokémon auf sich zukommen. Ihr gehetzter Lauf war so überraschend wie alarmierend. Das Galagladi wurde unruhig, als er die verängstigten und besorgten Gefühle Nonas und Thunders wahrnahm. Innerlich machte er sich auf das Schlimmste gefasst, als die beiden vor ihm beinahe schlitternd zum Stehen kamen und nach Luft schnappten.
    „Was ist denn in euch gefahren? Warum lauft ihr hier herum, als wäre eine Bande Trainer hinter euch her?”, fragte Sothe verwirrt.
    Zwischen Thunders runden Hörnern entlud sich ein wenig Elektrizität und er schien gereizter denn je, während die Feuerfüchsin sichtlich erschöpft den Kopf hängen ließ und hechelte.
    „Wir müssen zu Ninian, sofort!”, forderte das Elevoltek ohne auf das Galagladi einzugehen. „Lass uns durch!”
    „Ganz ruhig”, versuchte Sothe ihn mit erhobenen Händen zu beschwichtigen. „Atme erstmal tief durch.” Er schluckte seinen hochkommenden Ärger über diese Respektlosigkeit herunter. Thunder hatte gar kein Recht so fordernd zu sein, immerhin war Sothe als Stellvertreter des Traunmagils mehr als berechtigt zu erfahren was los war. Besonders, wenn seine Clanmitglieder derartig verstört waren. Demonstrativ atmete das Elevoltek zwei Mal tief durch bevor er erneut forderte: „Es ist wichtig, wir müssen zu Ninian!”
    „Nun gut”, gab Sothe schließlich nach. „Bei dir alles in Ordnung, Nona?”
    „Ja, es geht schon”, gab diese keuchend zurück. „Aber Thunder hat recht, wir müssen Ninian sofort informieren.”
    „Folgt mir”, erwiderte das Galagladi nur und ging voran durch den Gang. Er hatte Pia im Arm des Elevoltek entdeckt und obwohl es ihm nicht gefiel, dass sie die Befehlskette nicht einhielten, so war er sich nun sicher, dass es mehr als wichtig sein musste.
    Der Gang, den sie nun betraten, schlängelte sich durch den Berg und wurde von blauen Irrlichtern erhellt, die in regelmäßigen Abständen direkt unter der Decke in der Luft schwebten. Das Traunmagil selbst sorgte für die Beleuchtung und zu früheren Zeiten hatten die Lichter auch angezeigt, dass jedes Clanmitglied sie sprechen konnte. Inzwischen galt diese Regelung nicht mehr, Sothe hatte sich vor einiger Zeit dagegen ausgesprochen. Seitdem hielt er vor dem Gang Wache und nahm die meisten Anfragen selbst entgegen, damit sich Ninian nicht mit Kleinigkeiten aufhalten musste. Je näher sie der Höhle kamen, desto unruhiger wurden Nona und Thunder, was Sothe nervös machte. Was wussten die beiden? Was war passiert? Wo war Vesuvio? Es fiel ihm schwer, seine Fragen für sich zu behalten und ohne es zu merken, beschleunigte er seine Schritte, bis sie schließlich vor einem weißen Tuch standen, welches vor dem Eingang zu einer weiteren Höhle hing. Im Licht der blauen Irrlichter wirkte der Stoff hellblau. Sothe blieb davor stehen, fuhr die Klinge an seinem rechten Arm aus und klopfte damit gegen das Gestein.
    „Ninian? Ich hab hier Nona und Thunder bei mir. Können wir reinkommen?”, fragte er laut und deutlich.
    „Natürlich, kommt rein”, war die prompte Antwort einer weiblichen Stimme. Das Galagladi schob das Tuch zur Seite und bedeutete den beiden Clanmitgliedern einzutreten.
    Die Anführerin des Clans erwartete ihre Besucher in einer recht kleinen Höhle, die von mehreren Flammen erleuchtet war. Sothe erkannte die Feuer sofort als Ninians Magieflamme, welche mithilfe von Psywelle frei im Raum schwebten. Unter der großen lilafarbenen Hutkrempe schauten zwei aufmerksame rote Augen die Besucher an. Das Kleid des Traunmagil wehte leicht, als sie auf die Ankömmlinge zukam. Verwundert blickte sie von einem zum anderen, weder Thunder noch Nona konnten etwas sagen. Die Feuerfüchsin rang verzweifelt mit den Worten, die sie brauchte, um die Lage kurz und knapp zu erzählen, während das Elevoltek nur noch Augen für das in seinen Armen liegende Pichu hatte. Ninian wechselte einen verwirrten Blick mit Sothe, doch dieser konnte nur ebenso ratlos den Kopf schütteln. Er wusste offensichtlich genauso wenig, was die Anführerin beunruhigte. Was war bloß los?
    Sie folgte Thunders Blick und erkannte Pia in der Beuge seines linken Armes liegen.
    „Was ist mit Pia?”, fragte sie schließlich und brach die Stille.
    „Die Entführung von Vesuvio hat sie total mitgenommen”, antwortete das Elevoltek und hob den Kopf.
    „Wie? Eine Entführung? Wie ist das passiert?”, wollte Ninian verwirrt wissen und ihr Blick wanderte zu der Feuerfüchsin, die schließlich ihren eigenen Schock überwunden hatte.
    „Vesuvio und Pia waren heute morgen allein rausgegangen. Wir hatten angenommen, sie blieben in der Nähe, aber Linus hatte Thunder bei seiner Wachschicht informiert, dass er die beiden schon seit einer Weile weder gesehen noch gehört hatte. Thunder ist daraufhin los, um die beiden zu suchen, immerhin wurde es ja schon langsam Zeit fürs Essen und das lassen die beiden doch nicht einfach ausfallen. Als er nicht wiederkam, bin ich ihm hinterher und kurz nachdem ich ihn gefunden hatte, tauchte Pia völlig aufgelöst aus dem Wald auf. Sie und Vesuvio waren von fremden Pokémon angegriffen worden, die schließlich Vesuvio einfach mitgenommen hatten. Scheinbar ging es ihnen von Anfang an um ihn, denn Pia hatten sie völlig ignoriert. Wir sind dann so schnell wie möglich wieder hierher gekommen”, fasste Nona die Geschehnisse eilig zusammen.
    „Das waren mit Sicherheit Trainer”, knurrte Thunder und erneut entluden sich kleine Blitze zwischen seinen Hörnern.
    „Hat Pia denn Menschen erwähnt gehabt?”, mischte sich nun Sothe ein, doch die Feuerfüchsin schüttelte den Kopf.
    „Nein, sie sprach nur von Brutalanda und Piondragi.”
    „Ist Pia verletzt?”, erkundigte sich Ninian und schwebte vorsichtig näher an das Elevoltek heran, der kopfschüttelnd verneinte.
    „Ihr fehlt nichts, sie ist einfach nur total fertig.”
    „Verständlich, so würde es jedem gehen”, erwiderte die Anführerin ruhig. „Thunder, am besten wird es sein, wenn du sie zu Alja bringst. Sie weiß, was zu tun ist und bei ihr ist es auch am ruhigsten.”
    „Was wird aus Vesuvio?”, fragte er prompt. Seine roten Augen forderten eine sofortige Antwort und Ninian konnte deutlich sehen, wie besorgt er um das kleine Magby war.
    „Keine Sorge, wir werden ihn natürlich zurückholen“, versuchte sie ihn zu beruhigen, „aber zuerst muss ich mich kurz mit Sothe besprechen. Ich informiere dich auf jeden Fall.”
    Das Elevoltek nickte dankbar und schien zu Ninians Erleichterung nun auch etwas ruhiger zu sein. Es freute das Traunmagil, dass ihre beiden Clanmitglieder scheinbar etwas von ihrer Anspannung verloren hatten. Sie selbst merkte allerdings, wie ihre eigene Anspannung wuchs, als ihr Kopf die nächsten Schritte abwägte.
    „Nona, am besten gehst du mit zu Alja”, wandte sich das Galagladi unvermittelt an die Füchsin. „Mir ist aufgefallen, dass du ein wenig humpelst. Hast du dir den Vorderlauf verletzt?”
    „Ach das … ja, ich bin auf dem Weg hierher blöd hingefallen. Ich hab das noch gar nicht bemerkt”, gab sie zu und schaute hinunter zu ihrer angehobenen linken Pfote. Sie hatte den Schmerz in der Hektik gar nicht wahrgenommen, jetzt jedoch spürte sie ein unangenehmes Pochen in ihrem Bein.
    „Danke, dass ihr gleich so schnell gekommen seid”, meinte das Traunmagil abschließend, bevor die beiden Pokémon die Höhle verließen. Sanft klingelte das Glöckchen um Pias Hals. Als der Vorhang den Eingang wieder verbarg und die Schritte der Clanmitglieder schließlich nicht mehr zu hören waren, tauschten Ninian und Sothe besorgte Blicke aus.
    „Was denkst du?”, wollte der Stellvertreter beunruhigt wissen. Diese Entführung traf ihn völlig unvorbereitet und er hoffte, dass das Traunmagil wie so oft mit einem schnellen Plan zur Stelle war, um die Situation zu beruhigen. Doch in den geschockten Augen, die unter der ausladenden Hutkrempe hervorschauten, erkannte Sothe eine bisher noch nicht dagewesene Angst.
    „Das ist übel. Mehr als das!”, begann das Geist-Pokémon und wirbelte herum. Nachdenklich begann sie in der Höhle auf und ab zu schweben. Dabei hielt sie ihren Kopf gesenkt, sodass man ihr Gesicht nicht sehen konnte.
    „Du scheinst mehr zu wissen, als ich, Ninian”, erwiderte das Galagladi mit einem bitteren Unterton. „Worum geht es hier?”
    „Es waren keine Trainer, Sothe. Fast wünschte ich, es wären welche, denn mit solchen können wir es aufnehmen, das haben wir schon oft genug bewiesen.“ Ihre Stimme bekam einen verzweifelten Ton, den das Galagladi so noch nicht gehört hatte. Die Sache schien vor seinen Augen heranzuwachsen und immer größer und bedrohlicher zu werden. Nervös fingerte er nach dem purpurnen Leben-Orb, den er um den Hals trug.
    „Aber wer ist es dann?”, wollte er wissen und versuchte so gefasst wie möglich zu klingen.
    „Eine andere Gruppe von Pokémon! Ich habe Nachforschungen anstellen lassen und bekomme seit einer Weile beängstigende Berichte. Pokémon verschwinden, mehr noch, werden regelrecht rekrutiert. Irgendjemand sammelt potenziell starke Pokémon und unser Vesuvio ist ja nicht gerade schwach, wenn auch unerfahren. Ich hab die Warnung nicht ganz ernst genommen, weil ich nicht gedacht hab, dass Pia oder Vesuvio als Ziel in Frage kommen würden! Und von jedem anderen hier weiß ich, dass er sich zur Wehr setzen kann. Außerdem sind wir ja auch nur sehr selten allein unterwegs. Du weißt, dass wir beide uns ganz am Anfang versprochen haben, niemals allein irgendwohin zu gehen und den anderen zurückzulassen, oder?”
    Ninian blieb unvermittelt stehen, drehte sich mit wehendem Kleid um und blickte ihrem Stellvertreter in die roten Augen. Es erschreckte ihn ein wenig, wie mitgenommen und nervös sie war. Irgendeine große Last lag auf ihr und er wusste nicht, welche es war. Wie sollte er ihr denn so helfen?
    „Aber natürlich. Nur wenige aus dem Clan dürfen sich alleine entfernen”, bestätigte Sothe knapp. Die ganze Situation überforderte ihn. Ninian schien so aufgewühlt, wie er sie noch nicht erlebt hatte. Er wusste, dass sie sich um jeden im Clan sorgte, aber das hier war anders.
    „Ich hätte besser aufpassen sollen! Letztendlich ist das auf meine Nachlässigkeit zurückzuführen!”, brach es aus ihr heraus und er erkannte das Problem. Sie machte sich Vorwürfe und fühlte sich für das, was geschehen war, verantwortlich. Das Galagladi wollte etwas erwidern, um sie aufzubauen, aber sie hatte sich bereits in einer fließenden Bewegung von ihm abgewandt und starrte die Wand an. Er wollte sie beruhigen, aber an ihm nagte das Wissen, dass er von den Berichten nichts gewusst und dass Ninian augenscheinlich jemand anderes als ihn ins Vertrauen gezogen hatte. Ihm fielen bereits einige Kandidaten ein und er versuchte nachzuvollziehen, warum sie diesen Pokémon mehr vertraute als ihm. Er versuchte seinen Ärger wegzuschieben, hatte damit aber nur wenig Erfolg und war so sehr damit beschäftigt, nicht verletzt nach mehr Erklärungen zu fordern, dass ihm keine mitfühlenden Worte einfallen wollten.
    „Sothe”, sprach das Traunmagil schließlich, jedoch ohne sich zu ihm umzudrehen. „Ich brauche den Clan bereit zum Abmarsch. Thunder und Nona bleiben zurück, Alja ebenfalls. Auch Zaron und Feli sollen hier bleiben, falls der Ernstfall eintreten sollte. Alle anderen sollen kurz nach Sonnenuntergang in der Haupthöhle warten. Wir werden diesem anderen Clan einen Besuch abstatten.”
    „Weißt du denn, wo er sich befindet?”, wollte das Galagladi sichtlich überrascht wissen.
    „Ich habe eine ungefähre Ahnung. Außerdem werden sie sicherlich wie wir bestimmte Kundschafter haben. Wir werden schon ihre Aufmerksamkeit erregen, keine Sorge.” In ihrer Stimme lag etwas lauerndes und das Klingen-Pokémon merkte deutlich, wie sich ihr Ärger über sich selbst in Wut auf ihre Gegner umwandelte. Sie war gewillt alles zu tun.
    „Ist gut, ich werde alles vorbereiten“, bestätigte er ihren Auftrag, drehte sich um und verließ die Höhle. Ninian atmete hörbar aus und ließ zwei schwebende Flammen in der Luft verpuffen. Sie hatte deutlich gemerkt, wie sich ihr Freund angespannt hatte, nachdem sie von den Berichten erzählt hatte, von denen er nichts wusste. Leider hatte sie gerade keine Zeit, ihm den Hintergrund dieser Sache zu schildern und konnte nur hoffen, dass seine Freundschaft zu ihr stärker war, als seine verletzten Gefühle. Sie merkte, wie ihre Geheimniskrämerei letztendlich zu dieser Situation geführt hatte und konnte nur hoffen, dass sie ihren Fehler korrigieren, Vesuvio zurückholen und zu dem Leben zurückkehren konnte, was sie alle gestern noch geführt hatten.
    „Vielleicht hätte ich ihm doch was sagen sollen …”, ging es ihr besorgt durch den Kopf, doch sie musste den Gedanken wegschieben und sich für den Abmarsch vorbereiten.




    Ein durchdringendes Quaken erfüllte die Höhle und innerhalb eines Herzschlages waren sämtliche Augen auf den Giftfrosch gerichtet, der breitbeinig aus dem Tunnel kam.
    „Hier, bitte”, quakte er und legte den kraftlosen Körper des Sheinux auf den Boden.
    „Kori!”, entkam es Nailah besorgt, die sogleich auf die Pfoten sprang und eilig auf ihn zukam. Voltur knurrte, blieb aber sitzen und musste sich beherrschen das Toxiquak nicht anzugreifen. Zu seiner Überraschung hörte er Krystal neben ihm fauchen und konnte aus dem Augenwinkel sehen, wie sie mit ihren abgebrochenen Vorderkrallen über den Höhlenboden kratzte und ihr dunkles Fell sträubte.
    „Ihr werdet nicht glauben, was der kleine Trottel hier versucht hat”, gluckste Jaffar amüsiert. „Er wollte weglaufen! Kann man denn so blöd sein?” Das kehlige Lachen des Giftfrosches hallte in der Höhle wider und es schien, als könnte er sich kaum beruhigen. Nailah blieb ungeduldig in einiger Entfernung stehen, denn Jaffar war ihr zu unberechenbar, als dass sie sich näher herantraute.
    „Der Witz des Jahres, Jaffar”, knurrte Voltur leise.
    „Na, ihr werdet schon wissen, wie ihr diesen Tölpel hier wieder aufpäppelt. Ich hab leider zu tun”, kicherte das Toxiquak noch und blähte seinen roten Kehlsack auf, bevor er sich umdrehte und zurück in den Tunnel ging. Als er in der Dunkelheit verschwunden war, lief das Magnayen zu dem verletzten Sheinux.
    „Ich hasse diesen Kerl”, knurrte Chu und ließ seinen langen Schweif über den Boden wischen. „Er ist so …”
    „Schleimig”, beendete Krystal seinen Satz, während sie ihre abgebrochenen Krallen musterte. Das Raichu bedachte sie mit einem mitfühlenden Blick, als das Snibunna aufstand und sich in eine Ecke der Höhle zurückzog. Voltur rannte an Nailahs Seite und fragte besorgt: „Ist er schwer verletzt?”
    „Nicht mehr, als sonst auch”, war die bittere Antwort, als sie den Kopf hob und sich an Bjartskular wandte. „Wie viele Beeren haben wir noch?”
    „Ich schau sofort!”, erwiderte die Drächin, die sich auf allen Vieren einer Ansammlung von Laubhaufen näherte. In der Dunkelheit wühlte sie in den Blättern, denn die einzige Lichtquelle war ein winziges Feuer an der östlichen Wand. Kappa legte ein paar trockene Äste auf die winzigen Flammen, bevor er sich an Hiro wandte: „Ich werd sehen, ob ich helfen kann. Ich bin aber gleich wieder da, ja?”
    Das Damhirplex zuckte mit den Ohren, als er seinen schweren Kopf zu seinem Freund wandte und nickte. Mit unterschlagenen Hufen lag er in Gedanken versunken im mickrigen Feuerschein. Zwar konnte er nicht mehr sehen, was passierte, aber die Geräusche allein hatten ausgereicht, um ihn zittern zu lassen. Erst als er sicher war, dass Jaffar die Höhle verlassen hatte, konnte sich Hiro beruhigen. Zum ersten Mal beruhigte ihn fast der Verlust seines Augenlichts, so hatte er den schrecklichen Giftfrosch nicht sehen müssen.
    Die roten Krallen des Kapilz erzeugten bei jedem Sprung ein klackerndes Geräusch, bis er schließlich bei Bjartskular ankam. Das Dragoran-Weibchen hatte bereits drei Beeren gefunden und vor die Laubhaufen gelegt, doch sie suchte weiter. In der Zwischenzeit hatte Voltur den bewusstlosen Kori am Nackenfell hochgehoben und auf eines der Blätterbetten gelegt. Kappa schnappte sich die Beeren und brachte sie zu Nailah, als diese gerade im Begriff war, nach diesen zu fragen.
    „Danke Kappa”, meinte das Magnayen, als das Kapilz ihr die Früchte vor die Pfoten legte.
    „Gerne. Falls du noch mehr brauchst, ich hab für Hiro noch ein paar zurückgelegt. Ich bin sicher, er gibt welche für Kori ab.”
    „Das ist ein sehr liebes Angebot, aber ich fühle mich besser, wenn wir unsere anderen Vorräte verwenden. Hiro muss bei Kräften bleiben. So gut es eben geht”, erwiderte die Wölfin. In diesem Moment kam mit schweren Schritte Bjartskular näher.
    „Hier sind noch drei Sinelbeeren aus unserem Vorrat. Mehr kann ich dir leider nicht geben, sonst fällt das Essen aus”, meinte sie bedrückt und hielt Nailah die blauen Früchte hin.
    „Danke, Bjartskular, das sollte reichen. Geh mit Kappa am besten zurück zu Hiro und leistet ihm Gesellschaft. Jaffar hat ihn ziemlich verängstigt.”
    „Ist gut”, erwiderten die beiden im Chor und gingen wieder zum Feuer.
    „Verängstigt ist ja noch untertrieben”, bemerkte Voltur trocken. Die Wölfin reagierte nicht darauf, sondern tastete mit der Schnauze vorsichtig Kori ab. Seine Atmung war schwach und es tat ihr im Inneren weh, wie leicht sie jede einzelne seiner Rippen spüren konnte. Sie strich ihm mit der Zunge ein paar Mal über sein blau-schwarzes Fell.
    „Er müsste bald aufwachen”, wandte sie sich schließlich an das Voltenso. „Wenn er das tut, soll er zuerst die Pirsifbeere essen, zur Sicherheit. Es ist schwer einzuschätzen wie viel Gift er letztendlich noch im Körper hat. Danach mindestens zwei der Sinelbeeren. Achte darauf, dass er sie wirklich isst und nicht schlingt! Nach einer Weile soll er die restlichen drei essen. Ich hoffe das reicht.”
    „Mach ich, danke Nailah”, erwiderte Voltur erleichtert und setzte sich neben das Sheinux. Das Magnayen nickte zufrieden und blickte mit ihren roten Augen noch einige Herzschläge das völlig entkräftete junge Flacker-Pokémon an. Schließlich erhob sie sich und ging zurück zu den anderen. Voltur blickte ihr nach, bevor er sich neben das Blätterbett legte und über Kori wachte. In ihm stieg der Hass auf, als er sich vorstellte, was sein Schützling wohl dieses Mal wieder hatte durchmachen müssen. Das Voltenso wollte ihn beschützen und musste doch jeden Tag aufs Neue erleben, wie er dazu nicht in der Lage war. Deshalb wusste er auch nie, ob er nicht mehr seine eigene Machtlosigkeit hasste, als diejenigen, die Kori das immer wieder antaten. Voltur schluckte und versuchte an etwas anderes zu denken.




  • Hallo Feuermaus,


    nachdem du bewiesen hast, dass du deine Magie benutzen kannst, scheint es nun ja ernst zu werden. Dass Pokémon aus anderen Clans entführt werden, hattest du meines Wissens ja schon an anderer Stelle angedeutet und daher macht die Sprachlosigkeit auch Sinn. Immerhin passiert es nicht jeden Tag, dass ein Gruppenmitglied einfach so abhanden kommt und insgesamt fehlen außer den feindlichen Pokémon auch einfach die nötigen Informationen. Insgesamt machte es aber weniger Eindruck, dass Sothe als Ninians Stellvertreter nicht in das Geheimnis eingeweiht wurde und nun mehr als unwissend ist, um den ganzen Clan zusammenzutrommeln. Besonders, wenn nun alle so aufgeregt sind, ist es schwer, die Meute im Zaum zu halten, ohne ihnen eine Erklärung geben zu können. Ich erwarte in der Hinsicht also mal, dass weitere Dinge auf dem Weg zum anderen Clan aufgegriffen werden. Und wenn es nur ist, dass jemand mault, warum sie das nun machen und wo es hin geht.
    Erwähnenswert ist aber, dass Ninian als Anführerin nicht zu kalt rüberkommt, sondern sich sehr viele Gedanken macht. Gerade durch ihre Bemerkungen erkennt man, dass sie sich verantwortlich fühlt und das macht sie (menschlich kann ich nicht sagen) zu einem vielschichtigen Charakter, der nicht sofort für den Leser ersichtlich ist. Diese kleinen Anspielungen mag ich.


    In Anbetracht dessen, dass der Blick zur anderen Gruppe schwenkt und die anwesenden Pokémon mit Ausnahme von Jaffar durchaus mitfühlend sind, möchte man gar nicht glauben, dass hier ein Großteil bösartig sein soll. Oder eher, ein moralisch anderes Ziel verfolgt, weil böse ja noch immer Ansichtssache ist. Dieser Zusammenhalt scheint aber schon sehr innig zu sein und viele der Pokémon kenne ich auch schon. Wollen wir mal sehen, wohin das führt.


    Wir lesen uns!

  • Sou, beim letzten Mal meinte ich noch, dass es ein Update im Dezember geben wird, das muss ich an der Stelle erstmal zurückziehen, weil ich das letzte Update für dieses Jahr nämlich heute machen werde. Kann aber stolz sagen, dass mein treuer Betaleser Rai-san, sich letztes Wochenende einem Kapitel angenommen hat und mich bald erneut besuchen wird, damit wir ein weiteres Kapitel betalesen können. ;)
    Jetzt kommt aber erstmal das Rekommi für meinen lieben @Rusalka.
    Freut mich immer, wenn du etwas Zeit für einen Kommi findest. Bedeutet mir sehr viel, deshalb vielen lieben Dank dafür. <3
    Nja, so gut ist meine Magie nicht, aber man arbeitet mit dem, was man hat, gell?
    Mhm … dann ist mir das wohl nicht so ganz gelungen mit den fehlenden Infos an Sothe. Obwohl es natürlich seltsam wirkt, denn warum sollte ausgerechnet der Stellvertreter nichts davon wissen? Etwas später wird da jemand eine interessante Theorie dazu aufstellen. Das mit der Erklärung ist natürlich richtig, aber in diesem Fall passiert einiges Offscreen — ich denke, das kann ich hierbei sagen — denn immerhin muss ja recht schnell gehandelt werden. Und im Grunde brauchen die Mitglieder des MondClans wenig Erklärungen, wenn es um jemanden aus der Gruppe geht. Vesuvio könnte auch einfach im Moor feststecken und sie würden ohne große Erklärungen eine kleine Gruppe zusammenstellen, um ihn zu befreien. Das geht ohne Gemaule, obwohl es ein paar Charas gibt, denen das zuzutrauen wäre, das geb ich zu. ^^ Und nachdem Thunder und Nona ja ziemlich durcheinander von so gut wie dem gesamten Clan gesehen wurden, sind die ohnehin schon in Alarmbereitschaft.
    Es freut mich, dass Ninian nicht kalt herüberkommt, denn das soll sie auch nicht. Sie hat zwar recht wenig Kontakt zum Rest des Clans — immerhin steht Sothe vor ihrer Tür Wache und an ihm kommt so schnell keiner mit einer „unwichtigen“ Anfrage durch —, aber ist sich ihrer Verantwortung deutlich bewusst. Die „Mutterrolle“ im Clan hat aber jemand anderes inne, wie man später noch herausfinden wird. (Jedenfalls versuch ich das noch herauszuarbeiten.)


    „Moralisch anderes Ziel verfolgt“, oh das gefällt mir. Interessanterweise enthülle ich in dieser Version von EgA das Ziel meines Antagonisten sogar vergleichsweise früh, nämlich bereits im nächsten Kapitel. Besser gesagt, das grobe Ziel, natürlich keine Einzelheiten. Warum der SchattenClan in zwei „Fraktionen“ aufgeteilt ist, wird später noch enthüllt werden, denn du hast Recht, im Grunde macht es wenig Sinn. Und man merkt ja auch, dass die Gruppe um Voltur eigentlich hier raus will. Ich bin jedenfalls gespannt auf deine Meinung zu dem kommenden Kapitelteil!


    2017 geht’s dann an dieser Stelle weiter mit Kapitel XIII — so ist das jedenfalls geplant. :D

  • Kapitel XII: Mond und Schatten
    Teil III/III



    „Dieses Training ist Folter und nichts weiter”, begehrte Bjartskular auf. „Wie kann man so etwas einem jungen Pokémon nur antun?” Sie schlug aufgebracht mit ihren Flügeln.
    „Du siehst doch, dass sie es können”, erwiderte Chu trocken. „Und sie haben auch noch ihre Freude daran. Oder hab ich mir den lachenden Frosch nur eingebildet?”
    „Nein, hast du nicht”, meldete sich Krystal zu Wort, die sich neben ihn ans Feuer setzte. Fast hätte die Blitzmaus gefragt, was das Snibunna vorhin getan hatte, doch er konnte es bereits sehen. Die Spitzen ihrer Krallen waren abgebrochen bei dem Versuch sie zu schärfen.
    „Jaffar ist widerlich”, fügte die Drächin voller Abscheu hinzu.
    „So wie der Rest der Bande, die dem Meister folgt. Oder wollen wir einen Wettbewerb abhalten? Des SchattenClans widerlichster Scherge? Ich frage mich, wer da den ersten Platz machen würde”, entgegnete das Raichu laut. „Obwohl, lassen wir’s, wir wissen doch alle, wer gewinnen würde. Verräter waren schon immer ganz weit oben auf meiner persönlichen Liste der Widerlichkeit.” Er schüttelte sich kurz, als würde ihm der Verrat im struppigen, orangefarbenen Fell kleben.
    „Aber meinst du nicht, dass Blacksilver vielleicht einen Plan verfolgt?”, fragte das Dragoran vorsichtig.
    „Einen Plan?! Einen Plan?!”, schrie Chu fast und lachte trocken. „Bitte sag nicht, dass du das wirklich glaubst, das ist lächerlich.”
    „Warum ist das lächerlich?”, wollte Nailah wissen. „Er ist doch einer von uns. Er hat uns nicht im Stich gelassen.”
    „Nicht du auch noch!” Das Raichu peitschte seinen Schweif von rechts nach links. „Seid doch nicht so dumm. Euch müsste sein Verrat doch am härtesten treffen.”
    „Blacksilver bekam mit seiner Entwicklung vom Meister eine Chance. Die hat er ergriffen. Er hat sich entschieden”, mischte sich Krystal ein und sah Drächin und Wölfin mit durchdringendem Blick aus ihren roten Iriden an. „Wir können das nicht verstehen, weil wir alle bereits entwickelt hierher kamen. Es würde mich nicht wundern, wenn Kori dieselbe Entscheidung trifft.”
    „Entweder das oder tot umfällt”, fügte Chu hinzu.
    „Chu, wie kannst du so etwas nur sagen?”, entgegnete Bjartskular sichtlich geschockt.
    „Es ist die Wahrheit, ganz einfach. Nun komm, ich kenn dich, du weißt auch, dass wir es alle nicht mehr lange hier machen werden.”
    „Aber man muss es deshalb ja nicht allen ins Gesicht schmeißen!”
    „Bjartskular hat Recht, das war gemein Chu”, schlug sich Kappa auf die Seite der Drächin.
    „Ach ja?! Dann passt mal auf, ich werd euch nämlich genau sagen, wie das hier demnächst laufen wird. Entweder setzt unser hochgeschätzter Meister den Plan um, von dem er immer mal wieder hochtrabend faselt oder wir verrecken hier elendig. Keiner von uns kann sagen, er würde nach irgendeinem Essen satt sein. Wir spüren den Hunger bloß nicht mehr, weil wir es gewöhnt sind!”
    Auf Chus harte Aussage folgte Stille, denn niemand konnte etwas dagegen sagen. Kappa schnaubte verstimmt, aber er hielt sich zurück, einen Kommentar abzugeben. Stattdessen konzentrierte er sich lieber auf etwas Positives und fragte Hiro — der abwesend neben ihm lag: „Sag mal Kumpel, willst du nicht eine deiner Geschichten erzählen? Ich glaub, das könnten wir jetzt gebrauchen.“
    „Oh ja, bitte, Hiro!“, stimmte Bjartskular mit ein und bewegte aufgeregt ihre Flügel. Das Damhirplex bewegte die Ohren bevor es seinen Kopf drehte und auf die Höhe des Kapilz bewegte. Seine Augen blickten ins Leere, was einmal mehr dazu führte, dass sich in Kappas Innerem die Wut anstaute. Niemals würde er verzeihen können, was diese Unpokémon seinem Freund angetan hatten.
    „Ich würde gerne“, erwiderte Hiro schließlich mit leiser Stimme. „Aber irgendwas geht vor sich, ich kann mich nicht konzentrieren.“
    „Was meinst du?“, wollte Nailah wissen, als sie aufstand und näher an ihn herantrat.
    „Ich weiß nicht. Es ist so eine merkwürdige Vorahnung. Vermutlich irre ich mich …“ Das Damhirplex schien die Aufmerksamkeit wieder von sich abwenden zu wollen, da sie ihm unangenehm war. Er wusste, dass er nur eine Belastung und keine Hilfe war.
    „Nein, das glaube ich nicht“, erwiderte die Wölfin ruhig. „Vergiss nicht, dass du zu einigem in der Lage bist. Erzähl uns, was spürst du?“
    Alle Augen richteten sich auf das Vielender-Pokémon und zu Kappas freudiger Überraschung bemerke er auch von Chu und Krystal ungeheucheltes Interesse.
    „Mir war so als hätte ich, kurz nachdem Jaffar gegangen war, etwas gehört. Ganz leise in der Ferne, wie das Schlagen von Smettboflügeln.“
    „Das war vielleicht Darahan“, überlegte Kappa, „oder Naesala.“
    „Ein paar Befehle hab ich auch gehört, aber keine konkreten Worte. Irgendetwas ist passiert.“
    „Ich frage mich, was das sein könnte“, wunderte sich Nailah und setzte sich auf die Hinterpfoten.
    „Könnte alles sein“, bemerkte Chu und klang zum Erstaunen aller weder zynisch noch herablassend. Bevor die Pokémon noch mehr rätseln konnten, gesellte sich Voltur zu ihnen und meinte: „Was auch immer es ist, ich denke, wir werden es bald erfahren.“
    „Wie kannst du dir da so sicher sein?“, fragte Bjartskular verwundert.
    „Schwer zu erklären“, gab der Rüde zu, „aber ich glaube Hiro, wenn er sagt, dass etwas passiert ist. Wir alle wissen, dass der Meister nicht untätig ist.“
    „Wie geht es Kori?“, wechselte Nailah schließlich das Thema.
    „Ich hab das getan, was du gesagt hast. Jetzt schläft er.“
    „Das wird ihm sicherlich gut tun“, meinte die Drächin und lächelte.
    „Tse, das bissl Schlaf hilft ihm auch nicht mehr“, zischte Chu, aber niemand ging auf seine Äußerung ein. Krystal knabberte an ihren Vorderkrallen herum, was die Wölfin mit einem besorgten Blick verfolgte. Voltur seufzte und streckte sich auf dem Boden aus. Er sah von einem zum anderen und meinte schließlich: „Was sagt ihr, wollen wir es noch mal versuchen?“
    Stille breitete sich aus und jeder schien auf einen anderen Punkt zu schauen, nur um niemandes Blick zu streifen. Der Rüde ließ die Frage bewusst in der Höhle hängen, ohne mehr dazu zu sagen. Sie mussten darüber nachdenken, das wusste er, nachdem der letzte Versuch zu fliehen gescheitert war. Doch nicht allein das Scheitern hatte alle so tief getroffen, es war der Verrat von Blacksilver, der sie in ihrem Vertrauen zueinander erschüttert hatte. Und Voltur wusste sehr gut, dass Vertrauen ohnehin für einige nur noch schwer aufzubringen war.
    „Ich finde“, begann Bjartskular vorsichtig und starrte die winzigen Flammen an, „wir müssen es sogar noch einmal versuchen.“
    „Sicher, ganz tolle Idee!“, platzte Chu hervor, als er ruckartig den Kopf zu ihr wandte. „Ich erinnere dich daran, dass es deine Idee war, wenn sie dir die Flügel abgeschnitten haben!“
    „Chu, bist du wahnsinnig geworden?!“, rief Nailah entsetzt.
    „Was ist daran wahnsinnig? Ich bin nur realistisch, so schaut’s aus. Versteht mich nicht falsch, ich wär für jeden weiteren Versuch, aber nicht nach dem, was sie mit Hiro gemacht haben. Wenn ich verreck, dann hier und in einem Stück und nicht als Krüppel!“
    „Außerdem“, ergriff Krystal das Wort, „wie stellst du dir das vor, Voltur? Hiro ist blind. Wir können unmöglich denselben Weg nehmen, wie beim letzten Mal. Und alle anderen Wege werden beschwerlich sein, das ist unmöglich für jemanden, der nichts sehen kann.“
    „Eben“, bekräftigte Chu das Snibunna.
    „Dann sterbt ihr also lieber hier?“, schlussfolgerte Kappa und erhielt ein synchrones Nicken der Beiden. „Nun gut, niemand zwingt euch mitzukommen, wenn wir einen weiteren Versuch wagen.“
    „Es geht wohl noch nicht, in dein Hirn rein, oder?!“, zischte Chu wütend, doch bevor er noch etwas sagen konnte, fiel das Voltenso ihm ins Wort.
    „Jetzt ist gut, Chu. Ich teile deine Bedenken, auch wenn ich sie nicht so drastisch ausgedrückt hätte. Jeder Versuch hat von vornherein das Risiko beinhaltet gefasst zu werden. Nun ist das Risiko bestraft zu werden dazu gekommen. Ich erwarte nicht, dass wir es sofort tun. Ich finde nur wichtig, dass wir uns vor der Hoffnung auf eine Flucht nicht verschließen.“
    „Nett gesagt“, kommentierte Krystal und kratzte mit ihren Krallen über den Boden.
    „Krystal, bitte, du musst damit aufhören. Vertrau mir, du wirst es bereuen, wenn du so weitermachst“, begann Nailah mahnend, doch bevor sie noch etwas sagen konnte, bemerkte sie im Augenwinkel, dass Hiro zitterte.
    „Was ist los, Kumpel?“, wollte Kappa besorgt wissen, dem die Unruhe seines Freundes ebenfalls aufgefallen war, und legte seine Klaue auf die Schulter des Damhirplex.
    „Er … ist hier“, hauchte dieser und drehte den Kopf zum Ausgang der Höhle.
    Die anderen folgten seinem Blick und versuchten in der Dunkelheit den Ankömmling zu erkennen, obwohl sie ihn alle nicht sehen mussten, um zu wissen, wen Hiro meinte.
    Sein schwarzes Fell verschmolz mit der Finsternis und er bewegte sich geschmeidig in die Höhle. Er kam auf die kleine Gruppe zu und schließlich trat die rostrote Schnauze hervor. Schüchtern erleuchteten die Flammen die nach hinten gebogenen Hörner auf seinem Kopf und die gebogenen Knochen auf dem Rücken des Hundemon. In ein paar Sprüngen Entfernung blieb er stehen, musterte die Pokémon vor ihm mit abschätzigem Blick. Volturs Fell begann unangenehm zu prickeln und er zog unbewusst die Hinterpfoten näher an seinen Körper. Wie lange stand er da bereits? Hatte er von ihrem Gespräch etwas mitbekommen?
    Krystal fauchte aggressiv, ihr struppiges, schwarzes Fell stellte sich auf und sie fuhr mit den Krallen über den Boden. Das Damhirplex dagegen zitterte noch stärker als zuvor und machte unbeholfene Versuche aufzustehen. Kappa tat sein Bestes, um seinen Freund zu beruhigen, obwohl er sich selbst nicht wohl in der Anwesenheit des schwarzen Hundes fühlte. Bjartskular blickte gar nicht erst auf, sondern hob sogar noch ein wenig die Flügel, um ihn aus ihrem Gesichtsfeld zu verbannen. Nailah schluckte und wusste nicht, was sie tun sollte. Lediglich Chu erwiderte den abschätzigen Blick des Hades-Pokémon und grinste hämisch.
    „Ach, wen haben wir denn da? Unseren alten Freund … Blacksilver!“, spuckte das Raichu aus, als sein Schweif über den Boden peitschte. „Schön, dass du dich auch mal blicken lässt.“
    Blacksilver würdigte die Elektromaus jedoch keines Blickes und meinte nur: „Hör auf zu fauchen, Krystal, das ist ja peinlich. Was glaubst du damit zu erreichen?“
    Das Snibunna klappte das Maul zu und schaute ihn nur noch voller Zorn und Abscheu an.
    „So ist’s doch gleich viel besser“, kommentierte der schwarze Hund zufrieden.
    „Noch ein falsches Wort und du kriegst nen Elektroschock ab“, knurrte Chu. „Du hast hier gar nichts zu melden.“
    „Ach nein? Falls du’s noch nicht mitbekommen haben solltest, ich steh über dir in der Befehlskette.“
    „Was für ne Befehlskette?! Hörst du dich eigentlich reden, du aufgeblasenes Fellknäuel?!“
    „Halt die Schnauze, Chu!“, bellte Blacksilver sichtlich gereizt.
    „Ach ja? Und was machst du, wenn ich’s nicht tu, huh, huh! Legst du dich dann mit mir an? Ja, dann komm her, auf die Gelegenheit wart ich schon ne ganze Weile!“ Das Raichu sprang auf die Hinterpfoten und begann angriffsbereit von einer Seite auf die andere zu wippen.
    „Du bist so ein Vollidiot“, lachte sein Gegenüber und schüttelte amüsiert den Kopf. „Unfassbar diese Dummheit. Du hast wohl noch nicht mitbekommen wozu ich in der Lage bin, oder? Du bist nur die Krönung, falls du mich richtig sauer machen solltest. Ich fang doch nicht bei dir an, da wär der Spaß ja schnell vorbei.“ Er fletschte die Zähne und fixierte die Elektromaus mit wildem Blick.
    „Ich fang natürlich bei dem an, der mir am meisten unterlegen ist. Und bei dem es am meisten Spaß macht. Hiro ist zu einfach, der kriegt nen Nervenzusammenbruch, wenn er mich nur hört. Kappa ist nichts weiter als ein hüpfender Pilz, das macht keinen Spaß. Bjartskular ist genauso schwach wie Hiro und dabei kann sie sogar fliegen. Kori, na von dem reden wir gar nicht erst, den stups ich nur an und er kippt um.“
    Voltur knurrte kehlig, blieb aber liegen, obwohl ihm die Ansprache des schwarzen Hundes jedes Haar in seinem Pelz aufstellte und er spürte, wie sich die Elektrizität zu sammeln begann.
    „Oh nein, als allererstes würde ich Krystal ordentlich das Fell ruinieren, bis von diesen roten Federn nichts mehr übrig ist. Und weißt du, was das Beste an diesem Plan ist? Dass ich weiß, dass du genauso leiden wirst wie sie!“
    „Du elendiger Mistkerl!“, kreischte Chu zornig und mehrere, kleine Blitze zuckten aus seinen Backentaschen.
    „Das würd ich lieber sein lassen. Eine falsche Bewegung und du endest so wie Hiro. Immerhin bin ich nicht hergekommen, um der alten Zeiten willen, sondern, weil ich nen Auftrag habe. Und wenn der scheitern sollte, weil du ausgerastet bist, dann darfst du das schön mit dem Meister persönlich ausmachen“, entgegnete Blacksilver mit betont selbstsicherer Stimme. Dabei hielt er bewusst seinen Kopf oben und entblößte Hals und Brust, um das Raichu nur noch mehr zu verhöhnen. Der Schweif der Elektromaus zischte peitschend durch die Luft, sein orangefarbenes Fell stand ab und er hatte seine Ohren angriffslustig zurückgelegt. Doch, obwohl sein Körper vor aufgestauter, mit Wut genährter Energie zu bersten drohte, konnte er dem schwarzen Hund keine Lektion erteilen. Zu sehr hallten die Worte seines Gegenübers in ihm wider und der Zweifel darüber, ob das nur leeres Geschwätz oder Blacksilver tatsächlich dazu in der Lage war, ließ Chu förmlich erstarren. Konnte er wirklich das Risiko eingehen, dass seine Wut letztendlich jemandem schaden würde, der nichts damit zu tun hatte?
    In seinem Augenwinkel meinte er für einen Moment gesehen zu haben, wie Krystal den Kopf schüttelte, obwohl er sich im nächsten Augenblick nicht mehr sicher war. Er zwang sich dazu, die Energie in seinen Körper abzuleiten und setzte sich geladen auf den Boden.
    „So ist’s brav“, kommentierte das Hundemon.
    „Nun, Blacksilver“, ergriff schließlich Voltur das Wort, als er sich erhob und vor seinem Gegenüber aufbaute. „Was ist der Grund deines Besuches?“
    „Ist ja unglaublich, dass scheinbar einer hier normal reden kann“, erwiderte Blacksilver höhnisch. „Ich bin beeindruckt. Der Meister will, dass alle in die Haupthöhle kommen — wir haben heute Abend etwas besonderes vor, da will er alle dabei haben.“ Er trat einen Schritt näher auf Voltur zu, bis dieser den heißen Atem seines Gegenübers in der Nase hatte. „Und wenn ich sage alle, dann meine ich auch alle. Also komm bloß nicht auf die Idee, den nutzlosen Schwächling oder den Blindgänger großzügig zu vergessen. Kapiert?“
    „Absolut“, entgegnete Voltur knapp. Daraufhin drehte sich der schwarze Hund um und verließ schnellen Schrittes die Höhle. Als das Geklapper seiner Krallen auf dem Höhlenboden nicht mehr zu hören war, legte Bjartskular ihre Flügel wieder an und Hiro begann weniger zu zittern, obwohl es noch mehrere Augenblicke dauern sollte, bis er sich vollständig beruhigt hatte. Kappa tat sein Bestes, seinem Freund mit leisen Worten etwas die Angst zu nehmen.
    „Er ist weg, Bruder, du musst dich nicht mehr fürchten. Ich bin hier und werd nicht zulassen, dass er dir was antut.“
    Das Damhirplex war zu verstört, um zu antworten, schaffte es aber dem Kapilz den Kopf zuzudrehen. Chu erhob sich zornig und lief auf allen Vieren zum Tunnel, der aus der Höhle führte. Sein Schweif zerschnitt hinter ihm immer wieder die Luft.
    „Wenn er sich nicht bald abreagieren kann, wird er explodieren“, bemerkte Bjartskular leise und folgte der Blitzmaus mit einigem Abstand.
    „Blacksilver hätte es verdient gehabt, wenn Chu ihm einen Donner verpasst hätte“, meinte Krystal halblaut, mehr zu sich selbst als zu den anderen. „Aber Blacksilver kann sich nicht beherrschen, er hätte seine Attacken nie auf Chu allein konzentriert. Und eher lass ich mir von Darahan das Fell vom Leib brennen, als von diesem Straßenköter. Rache hat sowieso nichts mit Feuer zu tun. Rache ist ein Gericht, das kalt serviert werden muss.“ Gedankenverloren leckte sie sich über ihre rechten Krallen, als sie an den anderen vorbei ging und sich zum Höhlenausgang begab. Nailah und Volturs Blicke trafen sich und er konnte sehen, wie sie von dieser Begegnung mit dem Hundemon verwirrt war. Schwerfällig stand die Wölfin schließlich auf und stellte sich an Hiros Seite.
    „Kappa, ich helf dir, damit Hiro aufstehen kann“, wandte sie sich mit ungewöhnlich belegter Stimme an das Kapilz.
    „Gut, helft ihr Hiro, ich kümmer mich um Kori“, erwiderte Voltur und lief zu den Schlafplätzen am anderen Ende der Höhle.
    Das junge Sheinux schlief friedlich auf den vertrockneten Blättern, was das Voltenso lächeln ließ. Obwohl er sich sehr um Kori sorgte und wusste, dass das hier der denkbar schlechteste Ort war um aufzuwachsen, so kam er nicht umhin sich zu freuen, dass der Welpe da war. Im selben Moment sträubte sich alles in ihm, diesen Schlaf zu stören, aber er hatte keine Wahl. Er schaute über die Schulter zurück und sah, wie sich das Damhirplex mühsam auf die Hufe kämpfte, während der Rest der Gruppe am Eingang des Tunnels stand — jeder für sich, ohne ein Wort zu wechseln. Bjartskular war sichtlich verunsichert durch Chus offensichtliche schlechte Stimmung, die sie zwar gewöhnt war, aber seine Gewaltbereitschaft hielt sie auf Abstand, während Krystal — wie die Blitzmaus — mit sich selbst beschäftigt war.
    „Wir müssen hier raus und zwar bald!“, dachte Voltur besorgt, bevor er den Blick abwandte und Kori sanft mit der Schnauze wiederholt anstupste. Das Sheinux begann mit den Pfoten zu zucken, sein Schweif schwang kurz von einer Seite zur anderen. Schließlich hob er ruckartig den Kopf, die Augen immer noch geschlossen. Liebevoll leckte das Voltenso ihm über den Kopf.
    „Ja …?“, gähnte Kori und versuchte die Augenlider zu heben, die jedoch immer wieder zufielen.
    „Ich stör dich echt nicht gern, Kori, aber wir müssen leider los.“
    „Warum, Papa?“, fragte das Flacker-Pokémon und schaffte es, seine gelben Augen zu öffnen.
    „Ich weiß es auch nicht, aber wenn wir nicht alle erscheinen, kriegen wir Probleme.“
    Das Sheinux gähnte und entblößte seine kleinen, spitzen Zähne. Schwerfällig und wackelig erhob er sich schließlich auf die Pfoten, streckte sich einmal kurz und stand an Volturs Seite. Er schien immer noch mit dem Schlaf zu kämpfen und fuhr sich ein paar Mal mit der rechten Vorderpfote übers Gesicht. Sein schwarzer Schweif, mit der sternförmigen, gelben Spitze hing kraftlos herab.
    „Bist du soweit?“
    „Jap, bin ich“, gähnte der Welpe noch einmal, bevor er sich interessiert umsah, „Hab ich was verpasst?“
    „Nichts Wichtiges, Kori. Blacksilver war nur hier und hat sich mit Chu angelegt. Aber das ist nicht wichtig, wir müssen los. Sonst kommt er noch zurück“, antwortete Voltur, sichtlich kurz angebunden und ging auf den Rest der Gruppe zu. Stumm, aber gemeinsam verließen sie die Höhle und folgten dem Verlauf des Tunnels.


  • Hallo Cynda,


    Kapitel 12 ist schon zu Ende, jetzt geht's ja wieder voran. Ich hätte ja erwartet, dass du wieder zum Mond-Clan zurückkehrst, aber stattdessen geht es beim Schattenclan mit den Gefangenen weiter. Ich find hier auf jeden Fall den Zwiespalt der teilnehmenden Charaktere interessant. Eigentlich klang es im letzten Kapitelpart noch so, als würden sie alle zusammenhalten, um bald wieder in die Freiheit zu gelangen und dabei teilen sie sich nun doch gewissermaßen in zwei Lager auf. Bei einer so großen Gruppe ist das wohl nicht zu vermeiden, dass dann jemand einfach mal seinen Kopf gern durchsetzen will und eine hitzige Diskussion darüber entsteht. Dadurch, dass alle im selben Boot sitzen, wirkt es sehr natürlich und nachvollziehbar, was sie miteinander besprechen.
    Und dann ist da natürlich noch ein Mitglied des Schattenclans, der sie verraten hat. Oder auch nicht. Das ist ja nach seinem Auftreten nicht so wirklich klar, auf welcher Seite Blacksilver wirklich steht, aber mich würde gar nicht mal wundern, wenn er seine Fassade dann später ablegt und mit der Gruppe flüchtet, wenn es die Möglichkeit dazu gibt. Was aber sicher nicht in nächster Zeit passieren wird. Jedenfalls gibt er sich bewusst selbstbewusst und schreckt auch nicht vor Hohn zurück, was ihm ein starkes Auftreten verleiht. Ich denke, er könnte noch ein Schlüsselcharakter werden.
    Aber sehen wir mal, warum sie nun eigentlich alle gerufen werden. Vorerst scheint der kleine Zwist um die Freiheit aber wieder begraben zu sein.


    Wir lesen uns!

  • Und hier kommt das erste Update 2017, wuhu!
    Ich hab mir für dieses Jahr vorgenommen, dass ich wesentlich regelmäßiger Posten werde und deshalb die Updates auch nicht so wahnsinnig weit auseinander liegen werden. Momentan hab ich zwei fertige Kapitel, die auch noch von meinem besten -- und einzigen -- Betaleser Rai-san bereits gelesen wurden. Zwei weitere Kapitel sind zwar fertig geschrieben, aber die muss ich erst noch mal durchgehen.
    Aber da sollte sich in nächster Zeit hoffentlich was tun. (:


    Bevor jetzt aber das neue Kapitel mit seinem ersten Teil online geht, möchte ich natürlich noch kurz auf den Kommentar von @Rusalka eingehen. Wie immer, vielen Dank dafür, du bist hier eine sehr große Motivation für mich. <3


    Es stimmt, meine kleine Rebellengruppe — ich nenn sie gern so — sitzt im Grunde im selben Boot, aber da die Zukunft so ungewiss ist, ist es schwer da noch positiv zu sein und wirklich auf die Freiheit zu hoffen. Gerade nachdem Hiro sein Augenlicht nach dem letzten gescheiterten Versuch verloren hat, spielt da natürlich auch noch mehr Angst mit, als ohnehin schon. So was kann natürlich schon spalten. Chu macht sich hier allerdings härter als er eigentlich ist, ist einfach seine Art mit der Situation umzugehen. Er ist Realist und versteckt sich eher nicht hinter Vorstellungen.
    Verrat ist natürlich auch so ne Sache, die eine Gruppe erschüttern kann und das ist hier passiert. Genau weiß ich selbst noch nicht, welche Rolle Blacksilver spielen wird, momentan fühlt er sich in seiner Überlegenheit ganz wohl. Ob er seine Einstellung noch mal ändern wird, ist bisher noch nicht geplant, aber die ganzen Details zum späteren Plot sind bei mir auch noch nicht fest, also da kann natürlich noch was passieren. ;)
    Vorerst haben sie wirklich andere Sorgen, die ich dir — und allen anderen Lesern — jetzt sehr gerne in Kapitel 13 präsentiere!
    Noch mal Danke für deinen Kommentar. <3

  • Kapitel XIII: Aufeinandertreffen
    Teil I/II


    In den Abendlärm der Städte fällt es weit,
    Frost und Schatten einer fremden Dunkelheit.
    Und der Märkte runder Wirbel stockt zu Eis.
    Es wird still. Sie sehn sich um. Und keiner weiß.
    — Der Krieg von Georg Heim


    Hell leuchtend stand der Sichelmond im tintenschwarzen Himmel, seine Konturen waren von der Dunkelheit scharf nachgezogen. Viele, winzige Lichtpunkte schmückten das finstere Firmament mit ihrem silbernen Licht und wer nach oben schaute, konnte leicht die Sternbilder erkennen. Die Luft war kühl, die Wärme des Tages schien vollständig aus dem Land gewichen zu sein und alles harrte auf das Ende der Nacht. Irgendwo in der Ferne stimmten einige Zirpeise ein kleines Streichkonzert an, die zarten Töne klangen verloren und einsam in der stillen Dunkelheit.


    Die Gruppe bewegte sich geschlossen fort; Ninian an der Spitze voraus, hinter ihr die ausgewählten Mitglieder ihres Clans. Ab und an knackten ein paar Zweige oder Blätter raschelten unter den Füßen der anderen, doch sonst herrschte Ruhe im Wald. Das Magisch-Pokémon blickte kurz nach oben in das Geflecht aus Ästen, welches sich über sie spannte, und hoffte, dass die beiden Späher in der Luft etwas entdecken würden. In einer fließenden Bewegung schwebte sie über eine Ansammlung Farne. Sie waren umgeben von hochaufragenden Bäumen; speerartige Fichten und Eichen mit tiefhängenden Ästen. Der Wald war ruhig, kein Lüftchen ließ die Blätter flüstern. Diese anhaltende Stille, nur unterbrochen von den Bewegungen ihrer Freunde, machte Ninian nervös. Gedanklich war sie gar nicht im Forst, sondern sie stand bereits dem anderen Clan gegenüber. Sie ging im Kopf mehrere Szenarien durch, versuchte ihr Gegenüber einzuschätzen, bevor sie ihn überhaupt gesehen hatte. Es war schwierig an dieser Vorstellung nicht zu scheitern. Es gab zu viele Möglichkeiten, wie der Anführer des anderen Clans reagieren konnte. Würde die Anwesenheit ihrer Krieger reichen, um ihn einzuschüchtern? Würde er Vesuvio wieder freilassen, wenn er dem MondClan gegenüberstand? Ninian konnte nichts anderes tun, als alles in Betracht zu ziehen, soweit es ihr in den Sinn kam.


    Und doch war es für sie schwer sich darauf zu konzentrieren. Sie wollte vorbereitet sein, damit ihr Clan sich auf sie und ihre Anweisungen verlassen konnte, trotzdem ging ihr die Reaktion von Sothe nicht aus dem Kopf. Die Möglichkeit sein Vertrauen verspielt zu haben, weil sie ihn nicht einbezogen hatte, machte ihr mehr zu schaffen, als die Ungewissheit über den Ausgang dieser Nacht.
    „Wenn das hier vorbei ist, muss ich unbedingt mit ihm reden.“


    Sothe stieg mit großem Schritt über einen am Boden liegenden Ast. Er hatte den verschlafen, aber neugierig dreinblickenden Schwarm Staralili in den Baumkronen gesehen und beobachtete sie eine Weile unauffällig, bis seine Gruppe an ihnen vorbei war und er sicher sein konnte, dass sie nicht auffliegen würden. Der Boden des Waldes war übersät mit herabgefallenen Blättern, die trocken und von einigen Füßen bereits zerbröselt waren. Es war schwer so Fußspuren zu erkennen, denn die Erde war hart oder an einigen Stellen von Moos bedeckt. Das Galagladi hörte, wie sich schnelle Schritte von hinten näherten, aber er musste nicht hinsehen, um zu wissen, wer es war. Zu genau kannte er die Bewegungen von Ingus, der seinen Knochen auf seine Schulter aufgestützt hatte und zu Sothe aufblickte.
    „Kann ich dich kurz sprechen?“, fragte das Knogga leise. Er wandte seinen Knochenschädel nicht dem Klinge-Pokémon zu, um die Aufmerksamkeit der anderen Gruppenmitglieder nicht auf sie zu ziehen. Unweigerlich musste Sothe ein wenig lächeln — das Vertrauen des erfahrenen Kämpfers schätzte er sehr.
    „Natürlich, was beschäftigt dich?“, erwiderte er ebenso leise, als sie gemeinsam um den Stamm einer jungen Eiche herumgingen.
    „Wusstest du von diesem SchattenClan?“
    Die Frage überraschte Sothe nicht. Als Ninian die Entführung Vesuvios durch den SchattenClan bekannt gegeben hatte, hatte er deutlich gesehen, wie die Nachricht alle mitgenommen hatte. Vor allem war ihm jedoch der Ausdruck in Ingus’ Augen aufgefallen, der wie so oft schwer zu deuten war, doch Sothe war sich der Verwirrung sicher gewesen.
    „Nein“, antwortete das Klingen-Pokémon knapp, packte einen Ast, der in seinem Weg hing und brach ihn mit einem deutlichen Knacken ab. Achtlos ließ er ihn auf den Boden fallen. Das Knogga kommentierte diese Aktion mit einem strengen Blick, den Sothe einfach nicht ignorieren konnte.
    „Entschuldige“, murmelte er kleinlaut, worauf Ingus seinen Schädel wieder nach vorne richtete.
    „Ich kann verstehen, wenn dich das beschäftigt“, fuhr sein früherer Lehrer nach einer kurzen Pause fort. „Wenn du auch nichts davon wusstest, ist definitiv etwas schief gelaufen. Aber du weißt, wie negativ es sich auswirkt, wenn Verletzungen dazu führen, dass man aggressiv wird, oder?“
    „Sicherlich“, entgegnete Sothe ruhig. „Ich kann es nur nicht nachvollziehen und mein Kopf kann einfach nicht aufhören darüber nachzudenken. Warum hat sie mir nichts gesagt, was meinst du?“
    „Mh“, meinte Ingus nachdenklich und nahm seinen Kampfknochen in die andere Pfote. „Das ist eine schwierige Frage, die dir nur Ninian selbst beantworten kann. Ich bin mir sicher, sie hatte ihre Gründe. Allerdings bin ich mir auch sicher, dass sie ihre Entscheidung, dir nichts zu sagen, inzwischen sehr bereut.“
    Das Galagladi erwiderte nichts, sondern blickte nur nach, vorn wo das Traunmagil mit wehendem Kleid schwebte.
    „Ich frag mich nur, warum hat sie es ihr gesagt. Weshalb ihr und nicht mir?“
    „Das hat nichts mit Vertrauen zu tun, falls du das denkst.“
    „Mit was denn dann?“
    „Mit Angst.“
    Sothe blickte zum kleineren Knogga nach unten und seine roten Augen waren voller Unverständnis. Er konnte nicht nachvollziehen, wie Ninians Entscheidung etwas mit Angst hätte zu tun haben können. Ingus sah zu ihm auf und nickte nachdrücklich, was das Galagladi nur noch mehr verwirrte.
    „Das musst du mir erklären“, brachte er schließlich heraus und schämte sich etwas für seine Unfähigkeit, die Aussage zu verstehen. Sein früherer Lehrer würde sicherlich von ihm erwarten, dass er es begriff. Doch in Ingus’ schmalen, braunen Augen lag Verständnis. Sie passierten ein Loch im Blätterdach über ihnen und der Schädel des Knogga leuchtete bleich im silbernen Mondlicht.
    „Angst ist ein Schutzmechanismus. Sie hält uns zurück, Dinge zu tun, die uns gefährden können. Jemand ohne Angst handelt in vielen Fällen dumm und riskiert sein eigenes Wohlbefinden. Ohne Furcht könnten wir auch nicht mutig sein.“ Ingus machte eine kurze Pause, legte seinen Knochen in die andere Pfote und sprach leise weiter: „Sie ist so stark, dass sie andere Gefühle direkt ausschalten kann. Ninian hat lieber jemand anderem diese Informationen gegeben und die Aufgabe übertragen als dir, nicht, weil sie dir nicht vertraut, sondern, weil sie auf diese Weise weniger Angst haben muss.“
    „Angst davor, dass ich versage“, schlussfolgerte Sothe bitter und erhielt daraufhin einen schmerzhaften Hieb mit dem Knochen gegen sein Bein. Das Galagladi zog scharf die Luft ein, als er verwirrt zu dem Knogga hinunterblickte. Ingus’ Augen blickten sehr streng und er kam sich wieder wie sein Schüler vor.
    „Seit wann bist du so wahnsinnig schwer von Begriff? Deine emotionale Distanz zu allem und jedem nimmt langsam bedenkliche Ausmaße an, Sothe, wenn du nicht einmal mehr die Handlungen des Pokémon nachvollziehen kannst, das du hier am längsten kennst!“ Obwohl das Knogga sehr leise sprach, waren diese Worte so scharf wie Sothes eigene Laubklinge. Die Schelte hatte gesessen und er vermied es, Ingus in die Augen zu sehen. Dieser unterdrückte ein Seufzen, denn er wusste, wie sehr dies das Unwohlsein seines ehemaligen Schülers verstärken würde. Und darum ging es ihm hier nicht.
    „Verzeih“, erwiderte er schließlich. „Ich hätte mich zurückhalten müssen, die Aktion mit dem Knochen war nicht in Ordnung.“ Ingus wartete nicht darauf, dass das Galagladi darauf einging, sondern sprach sogleich weiter: „Dies ist nur meine Meinung, aber meiner Ansicht nach, hat Ninian dir nichts von alldem erzählt, weil die Vorstellung, dich irgendwie in Gefahr zu bringen und somit zu verlieren ihr wahnsinnige Angst eingejagt hat. Deshalb war es für sie einfacher, die Aufgabe jemand anderem zu übertragen. Das hat nichts mit Vertrauen oder deinen Fähigkeiten zu tun, sondern schlichtweg mit Angst.“ Die Worte hallten in Sothes Kopf nach und so langsam begann er zu verstehen. Nicht alles, aber zumindest einen Teil davon. Er blickte an seine Seite, um Ingus zu danken, doch dieser war bereits zu den anderen zurückgefallen. Er musste dankbar lächeln und merkte einmal mehr, wie wertvoll die Erfahrung des Knogga war. Seinen eigenen Pflichten nachkommend, blickte er über die Schulter und bemerkte, wie der Rest der Gruppe langsam zu ermüden schien. Die beiden Brüder wirkten zudem sichtlich abgelenkt, was Sothe beunruhigte, weil er vermutete, sie würden dadurch unaufmerksam werden.
    „Wie weit ist es eigentlich bis zu diesem SchattenClan?“, fragte er sich und sah wieder nach vorn, wo Ninian schwebte. Er erhöhte sein Tempo und sprintete schließlich kurz nach vorn, um die Anführerin zu erreichen.


    Aufmerksam betrachtete das Magisch-Pokémon die Umgebung und bemerkte erleichtert, dass sich der Wald vor ihnen langsam lichtete. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie ihr Ziel erreichen würden. In diesem Moment erschien Sothe neben ihr. Sie musste nicht den Kopf bewegen, um zu wissen, dass er es war. Obwohl das Galagladi dafür bekannt war, die Gedanken seiner Gegner wahrnehmen zu können, besaß Ninian ein sehr feines Gespür, wenn es um ihn ging. Seit sie ihn getroffen hatte, fühlte sie sich für ihn verantwortlich und das hatte sich seitdem auch nicht geändert. Obwohl sie dies geschickt zu verbergen wusste, denn ihr war bewusst, dass er es nicht wollen würde, würde sie sich offen Sorgen machte. Die breite Krempe ihres lilafarbenen Hutes warf einen dunklen Schatten über ihr Gesicht, sodass ihr breites Lächeln Sothe verborgen blieb. Insgeheim hatte sie gehofft, er würde zu ihr nach vorne kommen — vielleicht konnte sie die Angelegenheit ja hier gleich klären.
    „Ninian“, begann das Galagladi ruhig, als er über einen Ast stieg. „Ist es noch weit bis zu unserem Ziel? Die anderen werden langsam müde und sie werden ihre Kräfte vielleicht noch brauchen.“
    Die Anführerin konnte nicht anders, als noch etwas breiter zu grinsen. Es sah ihm so ähnlich, den Überblick über alles zu behalten. Doch Ninians Lächeln verschwand langsam, als sie sich an ihn wandte: „Wir dürften bald den Wald durchquert haben und dann sind wir so gut wie da.“
    „Alles klar“, war seine knappe Antwort und er wollte sich gerade zurückfallen lassen, da hielt sie ihn auf, indem sie näher an ihn heran schwebte und mit einem ihrer langen Rockzipfel seinen Arm berührte.
    „Ich wollte mich bei dir entschuldigen“, begann sie und blickte zu ihm auf. „Es war nicht richtig, dir nichts von dem SchattenClan zu erzählen. Es tut mir leid.“
    „Ist schon vergessen“, erwiderte Sothe und lächelte leicht. „Du musst gute Gründe dafür gehabt haben und das hab ich nicht gleich so gesehen.“
    „Selbst mit guten Gründen“, entgegnete Ninian mit Nachdruck, „hätte ich dir davon erzählen müssen. Wenn wir die Sache hier erledigt haben, würde ich dir gerne alles sagen.“
    Das Galagladi berührte mit seiner Hand das rote Horn, welches aus seiner Brust wuchs, und neigte dankbar den Kopf. „Das würde mich freuen.“ Das Magisch-Pokémon grinste daraufhin, erleichtert, die Situation fürs Erste deutlich entschärft zu haben. Schließlich endete der Forst vor ihnen und gab die Sicht frei auf eine kleine Ebene.
    Die Schatten sammelten sich am Boden unter dem Blätterdach, während das Mondlicht ungehindert das Gras mit silbernem Licht erhellte. Vom Westen her hörte man das bedächtige Gurgeln von Wasser und der Kraterberg erhob sich in den mit Sternen übersäten Himmel. Im Nordosten leuchtete die Stadt Herzhofen mit ihren vielen Häusern und von Laternen beleuchteten Straßen. Ninian sah sich aufmerksam um, während sie und Sothe darauf warteten, dass der Rest der Gruppe zu ihnen aufschloss.


    Neugierig flog Kira einen Bogen nach Westen an die Flanke des Kraterberges. Das Geräusch von Wasser hatte ihre Aufmerksamkeit erregt und sie wollte herausfinden, woher es kam. Sie entdeckte schließlich den Fluss, der sich zwischen der Ebene und dem gigantischen Bergmassiv hindurchwand. Über das Wasser führte eine hölzerne Brücke, die eindeutig von Menschen errichtet worden war, da war sich das Libelldra sicher. Zu gern hätte sie gewusst, wo sich die Quelle dieses Flusses befand, doch mit diesem Gedanken hielt sie sich nicht lange auf. Sie schlug mit ihren rautenförmigen Flügeln und flog in einem Bogen nach Osten. Im Licht des Sichelmondes erkannte sie Lyn, die über dem südlichen Wald ihre Kreise zog, offenbar auf weitere Anweisungen von Ninian wartend. Kira blickte nach unten und sank etwas tiefer, um vielleicht eine Bewegung im hohen Gras der Ebene wahrnehmen zu können. Doch dort regte sich, zu ihrer Verwunderung, nichts. Sie stieg mit einigen Flügelschlägen wieder höher und begann ebenfalls in Kreisen zu fliegen. Irgendwann müsste sich ja doch etwas tun!


    Mit der Schnauze tief am Boden suchte Arc nach Hinweisen. In seiner beigefarbenen Mähne verfingen sich einige Blätter von den am Rande des Waldes wachsenden Büschen, doch er achtete nicht darauf. Mit seinen großen Pfoten zertrat er kleinere Äste am Waldboden. Die schwarzen Streifen in seinem roten Fell tarnten ihn zwischen den Baumstämmen, lediglich seine beigefarbene, buschige Rute verriet ihn. Immer wieder hob er den Kopf, schnüffelte in die Luft, schnaubte deutlich hörbar und begann weiter nach einer Duftspur von Vesuvio zu suchen. Einige Sprünge von dem Arkani entfernt suchten die beiden Brüder im Unterholz nach Hinweisen. Vorsichtig schob Linus mit seinen langen Krallen vertrocknete Blätter zur Seite, um darunter mögliche Fußspuren finden zu können. Er steckte seinen rechteckigen Kopf in Büsche und betrachtete aus großen schwarzen Augen wachsam die Stämme der Bäume. Neugierig kam Lloyd zu ihm und fragte: „Warum schaust du dir denn die Baumstämme an?“
    „Vielleicht hatte Vesuvio Gelegenheit anzugreifen“, erwiderte Linus, ohne seinen Bruder anzusehen. „Falls dem so ist, würde man möglicherweise Spuren auf der Baumrinde finden.“
    „Ah ha“, kommentierte Lloyd und wandte sich wieder seiner eigenen Suche zu. Seine beiden Schweife wischten kurz durch die Luft, als sich der Riesenotter auf alle viere niederließ. Er entdeckte einen vielbenutzten Pfad zwischen den Bäumen, der nach Westen führte, musste aber zu seiner Enttäuschung feststellen, dass dies wohl ein altbekannter Weg für einige Bidifas sein musste. Das Bojelin erkannte die Abdrücke ihrer Nagezähne an ein paar Ästen am Boden. Tief seufzend wandte er sich ab und suchte an einer anderen Stelle.
    Linus schüttelte sich und seine Stacheln rieben sich in einem raschelnden Geräusch aneinander. Ingus blickte von seiner eigenen Suche auf und warf dem Sandamer einen strengen Blick zu, den dieser jedoch gar nicht wahrgenommen hatte. Lloyd hatte währenddessen etwas in einem Moosfleck entdeckt und kam aufgeregt zu seinem Bruder gerannt. Trotz gesenkter Stimme, tuschelten die beiden dem Knogga viel zu laut und mit einem verstimmten Schnauben näherte er sich. Linus und Lloyd hatten inzwischen die Köpfe zusammengesteckt und konnten vor Begeisterung über den Fund kaum stillhalten.
    „Könntet ihr bitte endlich leiser sein“, zischte Ingus scharf, als er die beiden erreicht hatte. Doch seine Worte schienen an den beiden förmlich abzuprallen.
    „Aber schau nur!“, erwiderte Lloyd etwas zu laut, worauf das Knogga demonstrativ seinen Knochen von einer Pfote in die andere wechselte. Das Bojelin verstand den Wink und zog beschämt den Kopf ein. Zwar wusste er, dass Ingus ihn nie ernstlich verletzen würde, aber genauso war ihm klar, wozu dieser mit seiner Waffe fähig war.
    „Was habt ihr entdeckt?“, fragte das Knochenfan-Pokémon schließlich und trat näher. Die beiden anderen gingen jeweils einen Schritt zur Seite, damit er freie Sicht hatte. Ingus beugte seinen Schädel tief hinunter zum Boden.
    „Ist das nicht großartig?“, flüsterte Linus begeistert, als er mit seinen langen Krallen auf den Fußabdruck zeigte. Im weichen Moos war deutlich die Form einer Pfote mit drei Krallen zu erkennen.
    „Ja, das ist allerdings eine nette Entdeckung. Bestätigt aber nur, was wir bereits wissen. Ihr beide sollt nach Anzeichen für den SchattenClan und Vesuvio suchen und nichts anderes.“ Er schaute die beiden Brüder dabei nicht an, erhob sich nur und ging weg.
    „Aber ist es nicht beruhigend zu wissen, dass sie hier ist?“, wollte Lloyd verwundert von dem Sandamer wissen. Dieser kam jedoch nicht dazu, darauf einzugehen, denn ein schmerzverzerrter Schrei zerriss die trügerische Stille. Reflexartig blickten alle hinauf in den Himmel.
    „Sie haben uns entdeckt“, knurrte Sothe verärgert, als er beide Fäuste ballte.


    Mit hektischen Flügelschlägen versuchte sich Kira in der Luft zu halten. Ihre Seite schmerzte von dem Treffer der Attacke.
    „Wo war dieser Nachthieb nur auf einmal hergekommen?“, fragte sie sich, während sie keuchend Atem holte. Lyn erschien an ihrer Seite und schlug schnell mit ihren mächtigen Schwingen, um neben dem Libelldra zu bleiben.
    „Ist alles in Ordnung? Was ist passiert?“, fragte das Tauboss sichtlich besorgt.
    „Ja, geht schon“, presste Kira hervor und versuchte sich etwas zu entspannen, um besser Luft zu bekommen. „Ein Nachthieb hat mich in der Seite erwischt.“ Lyn drehte ihren Kopf, in dem Versuch den Angreifer ausfindig zu machen. Schließlich flog über ihnen ein schwarzer Schatten am Sichelmond vorbei und ein durchdringendes Krächzen schallte durch die kalte Nachtluft.
    „Runter!“, schrie das Tauboss-Weibchen unvermittelt, während sie mit ihrem Blick etwas am Firmament fixierte. Augenblicklich reagierte das Libelldra und ließ sich mehrere Sprünge in die Tiefe fallen, bevor sie wieder mit den Flügeln schlug. Über ihr zischte etwas durch die Luft. Lyn selbst war seitlich ausgewichen und jagte dem Angreifer hinterher, nachdem dessen Attacke ins Leere gegangen war. Sie hatte im Mondlicht etwas blendend Weißes gesehen und folgte nun blutroten Schwanzfedern. Plötzlich flog der Vogel vor ihr eine enge Kurve und kam direkt auf sie zu. Überrascht, aber geistesgegenwärtig, klappte sie ihren rechten Flügel ein und wich in einem Bogen aus. Ein weiteres Mal erklang ein durchdringendes Krächzen, bevor der Angreifer in einem hellen Licht zu leuchten begann. Er schraubte sich in die Höhe und breitete die Flügel weit aus, bevor er diese eng an den Körper legte und aus dem Himmel schoss. Augenblicklich sah sich Lyn nach Kira um, die mit schnell schlagenden Schwingen in der Luft stand. Das Mondlicht legte einen kalten Schimmer auf ihre hellgrünen Schuppen, während sie ihren langen Schweif dazu benutzte ihre Position in der Luft zu halten.
    „Kira, weg da!“, schrie das Tauboss, als ihr bewusst wurde, dass das Libelldra das Ziel des Himmelsfegers des Feindes war. Doch Kira regte sich nicht, im Gegenteil, sie blickte den Angreifer direkt an. Lyn schlug mit ihren großen Flügeln, während sie noch überlegte, ob ihr Orkan den Himmelsfeger vielleicht aufhalten konnte. Doch sie musste entsetzt feststellen, dass sie zu weit entfernt war und der schwarze Vogel das Mystik-Pokémon fast erreicht hatte. Da erkannte Lyn einen kleinen Funken vor Kiras Maul aufflammen.
    „Sie wird doch wohl nicht …?“, schoss es ihr durch den Kopf, doch in diesem Moment passierte es. Das Libelldra öffnete ihren Mund und spie ihrem Gegner einen mächtigen Flammenwurf entgegen. Dieser war nur mehr wenige Flügellängen von ihr entfernt gewesen und bei seiner Geschwindigkeit nicht in der Lage auszuweichen. Das züngelnde Feuer erhellte die Nacht und legte sich sogleich auf den Körper des Angreifers. Im orangefarbenen Licht der Flammen konnten selbst Ninian und die anderen am Boden das vor Schmerz aufkreischende Kramshef sehen. Die Energie seiner Attacke war versiegt und Kira brachte sich nach ihrem Angriff mit einigen Flügelschlägen aus der Fallrichtung des schwarzen Vogels, der sich kaum mehr in der Luft halten konnte, sondern nur noch unkontrolliert mit den Schwingen schlug, um das Feuer von seinen Federn zu bekommen. Schließlich krallte sich das Anführer-Pokémon in eine kleine Erhebung an der Flanke des Kraterberges und ließ ein lautes Krächzen erschallen. Die Flammen hatten von ihm abgelassen und man hörte die Wut in seinem durchdringenden Ruf.
    Eine Stille folgte darauf, in der Lyn und Kira am Boden landeten, doch ihren Angreifer nicht aus den Augen ließen, der mit halb ausgebreiteten Flügeln am Berg hing.
    „Was passiert jetzt?“, entkam es Lloyd, doch kaum hatte er die Worte ausgesprochen, erfüllte ein regelmäßiges Zischen die Luft, gefolgt von einem tiefen Grollen. Suchend blickte der MondClan sich um, bis sie sahen, wie die Sterne am Himmel von einem großen Schemen verdeckt wurden. Das Mondlicht traf auf türkise Schuppen und auf rote, ledrige Flügel, die sich gleichmäßig auf und ab bewegten. Auf dem Rücken des Drachen leuchteten zwei rote Augen über einem breiten, weißen Grinsen. Doch der Körper des Reiters war in tiefe Dunkelheit gehüllt, als würde nichts das kalte Licht des Sichelmondes reflektieren.
    „Ist er das?“, hauchte Arc, konnte jedoch seine Augen nicht vom Himmel nehmen. Ninian schwebte auf die Ebene, bis sie deutlich auszumachen war. Sothe folgte ihr und als Ingus es den Beiden gleichtat, schlossen auch die restlichen Pokémon des MondClans auf. Lyn und Kira reihten sich hinter dem Traunmagil ein.
    „Alles in Ordnung?“, wollte das Knogga von dem Libelldra wissen, als er erkannte, dass sie Probleme mit dem Gehen hatte.
    „Passt schon“, presste sie hervor und schlug mit ihrem Schweif, zum Zeichen, dass sie nicht mehr dazu sagen würde. Widerwillig nickte Ingus und schenkte Lyn einen anerkennenden Blick. Das Tauboss senkte kurz den Kopf, blickte aber sogleich wieder zu dem immer näher kommenden Brutalanda auf.
    „Verflixt“, fluchte Sothe leise. „Wir hätten Alja doch mitnehmen sollen.“
    Ninian reagierte nicht darauf, sondern blieb auf ihrer Position, während der Wind mit seinen unsichtbaren Fingern an ihrem Kleid zupfte.
    „Seid gegrüßt!“, ertönte schließlich eine Stimme vom Rücken des türkisen Drachen, der mit schnell schlagenden Schwingen auf dem Boden landete. „Der MondClan, wenn ich mich nicht irre?“ Die Worte waren dunkel und wissend, als wäre die Gruppe bereits erwartet worden. Tatsächlich konnte das Traunmagil sehen, wie das schwebende Lächeln noch breiter wurde, als würde die Szene vor ihm es noch mehr amüsieren. Die roten Augen schwebten vom Rücken des Drachen und kamen einige Schritte auf den MondClan zu. Mit schweren Schritten folgte das Brutalanda und Ninian erkannte hinter ihm noch weitere Bewegungen im hohen Gras. Der Schatten schwebte schließlich nach Westen vor den Fluss an die Flanke des Berges, was die Gruppe des Traunmagil dazu zwang, sich im Osten aufzustellen.
    „Welch eine Freude, dass wir uns endlich begegnen!“, richtete sich der grinsende Mund wieder an Ninian. So freundlich die Worte auch klingen mochten, den finsteren Unterton konnten sie nicht überdecken, der ähnlich wie das Fauchen eines Katzen-Pokémon wirkte.
    Die Anführerin ließ ihren Kontrahenten nicht aus den Augen. Das kalte Mondlicht erleuchtete die Szenerie, doch mit einem Mal spie der Drache einen Flammenwurf auf einen nahegelegenen Busch. Augenblicklich setzte sich das Feuer an den grünen Blättern und saftigen Zweigen fest und innerhalb weniger Herzschläge stand das Gewächs in Flammen. Knisternd und knackend untermalte das Feuer die Gegenüberstellung.
    Hier standen schließlich die beiden Clans: MondClan und SchattenClan.



    4 Mal editiert, zuletzt von Cyndaquil () aus folgendem Grund: Schriftart rausgenommen, zerschießt mir ständig die Formatierung °grummel°

  • Hey Cynda,


    du hast ja schon einen kleinen Ausblick darauf im letzten Kapitel gegeben und jetzt ist wohl der Moment, an dem es spannend wird und man den Schattenclan zum ersten Mal direkt in Aktion sieht. Bisher waren sie hauptsächlich im Hintergrund mal für eine Erwähnung gut (oder auch nicht) und daher darf man gespannt sein, wie sie wirklich sind und vor allem welche Ziele sie verfolgen, die sie schlussendlich vorantreibt, neue Mitglieder anzuwerben. Einen Krieg kann ich mir jetzt zwar nicht vorstellen, aber die obligatorische Weltherrschaft wäre eine Option. Da lass ich mich gerne überraschen.
    Besonders toll fand ich hier aber den auch schon angedeuteten Zwiespalt zwischen Ninian und Sothe, die sich als Anführer des Clans eigentlich vertrauen sollten und doch so fern wie wohl sonst nie waren. In solchen Momenten ist es immer gut, sich aussprechen zu können, wenngleich du da natürlich ein recht eigensinniges Knogga eingebracht hast. Ich habe ehrlich gesagt einen Moment vermisst, in dem Ingus mit seinem Knochen ausholt, um seinem Schüler eins überzubraten. Aber das hätte wohl auch nicht so gut in die Szenerie gepasst. Diese Annäherung an das Problem war aber durchaus nötig und fand ich dadurch gut gelöst, dass sie sich beide sprechen wollten.
    Bei der kurzen Auseinandersetzung gegen Ende hin war anzunehmen, dass sich die jeweiligen Späher der Clans in die Haare kriegen. Oder eher Federn und Schuppen. Jedenfalls ist dir die Dynamik zwischen den Charakteren gut gelungen und man verfolgt gespannt das Gespräch und die einzelnen Akteure bei ihren Bemühungen, sich gegenseitig zu unterstützen und die Sache glimpflich enden zu lassen. Mich wundert es immer wieder, dass du mit so vielen Charakteren umgehen kannst und jedem Screentime ausreichend Screentime gibst, um ihn entfalten zu können und sich einfach zu zeigen. Das mag ich.


    Wir lesen uns!

  • So, nach 21 Tagen kommt dann hier der nächste Teil. Der Intervall ist relativ groß geworden, aber leider bin ich zu dem erneuten Durchlesen von den fertigen Kapiteln 15 und 16 noch nicht gekommen und demzufolge, konnte ich auch Rai-san noch nicht fragen, ob er Zeit zum Betalesen hat. War im Jänner bisher zu sehr damit beschäftigt an Kapitel 17 zu arbeiten. (Was trotz aller Bemühungen noch nicht fertig ist, aber so gut wie.)


    Aber genug davon, jetzt geh ich erstmal auf den Kommi von @Rusalka ein — wie immer vielen lieben Dank für die Aufmerksamkeit, die du EgA immer noch zukommen lässt. <3
    Du hast Recht, es kommt jetzt tatsächlich etwas Schwung in die ganze Sache. Krieg wird es in dem Sinne nicht sein, aber das Gedicht von Georg Heim passt ganz gut zu der Stimmung, die im SchattenClan herrscht. (Hab das Gedicht zu Berufsschulzeiten mal gelesen und fand es gleich passend.) Weltherrschaft, nja, näher dran, aber noch nicht ganz. Aber keine Sorge, ich hab einige Zeit an dem Plan von meinem Antagonisten gearbeitet und hoffe, dass er dabei auch gut geworden ist. xD Mir ist es hierbei nämlich durchaus wichtig, dass man nachvollziehen kann, was er erreichen will — Weltherrschaft war mir da etwas zu plump.
    Danke für das Lob, es freut mich, dass der Zwiespalt zwischen Ninian und Sothe wohl so ankam, wie ich das gehofft hatte. Im Grunde verstehen die beiden sich ja sehr, aber Sothe ist halt ein bisschen zu sehr auf seine Position fokussiert — muss man leider sagen. Ingus hat Sothe zumindest mit dem Knochen gegens Bein gehauen, das ist nicht ganz so spektakulär wie ein Schlag auf den Kopf — alá Rafiki — aber hat doch seine Wirkung nicht verfehlt. Wenn das Missverständnis zwischen Ninian und Sothe zu lange anhalten würde, würde sich das ja auch auf den Clan auswirken und das wollen im Grunde beide nicht.
    Vielen Dank. #^^# Ich weiß selbst nicht, wie ich das hinkriege mit so vielen Charas zu jonglieren, manchmal ist es wirklich anstrengend, aber nachdem ich es damals im Zuge der Überarbeitung nicht hingekriegt habe, Charaktere zu streichen muss ich wohl mit dieser Masse leben. Fakt ist: in Zukunft würde ich nicht noch mal so viele Charas haben wollen.


    So und nun kommt der zweite Teil dieses Kapitels!

  • Kapitel XIII: Aufeinandertreffen
    Teil II/II



    Hiro war voller Angst zusammen gezuckt, als er den Flammenwurf von Darahan hörte. Der Geruch von verbrannten Blättern stieg ihm in die empfindlichen Nüstern und sein ganzes Wesen befahl ihm zu laufen. Er spürte Kappas Kralle an seinem Bein, was ihn dazu brachte sich nicht zu bewegen. Trotzdem konnte er nicht verhindern, dass er am ganzen Körper vor Angst zitterte. Ohne etwas sehen zu können, hatte das Damhirplex doch vieles mitbekommen. Mehr, als er selbst für möglich gehalten hätte. Er hatte gehört, wie sich eine andere Gruppe im hohen Gras bewegte und der Wind hatte ihm ihre Gerüche in die Nase geweht. Zwar war er sich nicht sicher, ob er alle Pokémon richtig erkannt hatte, aber zumindest den charakteristischen Duft eines Arkanirüden, den sandigen Geruch eines Sandamer und die Duftnote eines Knogga konnte er zweifelsfrei identifizieren. Außerdem befand sich ein Vogel-Pokémon darunter, er hatte gehört wie die Federn im Wind gerauscht haben, als es vorhin gelandet war. Es musste ausgesprochen groß sein und nachdem er noch einmal vorsichtig die Nase in einen Windhauch gehalten hatte, nahm er an, dass es sich um ein Tauboss handeln musste. Ein paar Gerüche konnte er nicht eindeutig zuordnen. So wusste er nicht, zu wem der Schrei gehört hatte, lediglich einen starken Schweif konnte er im Gras rascheln hören. Auch war ihm eine feuchte Duftnote unbekannt, sowie ein Geruch, den er nicht einmal zu beschreiben vermochte. Eines war er sich jedoch sehr sicher: in der Gruppe vor ihnen befand sich ein Geist. Er konnte nichts im Gras rascheln hören und wusste, dass viele Geister keinen Eigengeruch besaßen. Doch etwas flatterte sanft im Wind und trug den Duft von Wald und Gestein.
    Hiro versuchte sich mehr auf den anderen Clan vor ihm zu konzentrieren, als auf die Geräusche seines eigenen Clans. In einem naiven Versuch die Angst einzudämmen, wollte er die Umgebung ohne seine Augen wahrnehmen, um festzustellen, wie viel ihm weiterhin möglich war. Doch er konnte nicht verhindern, von den bekannten Gerüchen eingeholt zu werden und als ihm Blacksilvers Duft in die Nüstern stach, hätte beinahe seine Panik ihn übermannt und er wäre ziellos fort gesprungen.
    Voltur hatte sich so unbemerkt wie möglich über Kori gestellt, der sich tief auf den Boden drückte, den Schweif zwischen den Hinterpfoten eingeklemmt. Mehr konnte das Voltenso nicht tun, um das kleine Sheinux zu beruhigen, denn sonst hätte er zu viel Aufsehen erregt. Was gerade so nah bei Jaffar, Blacksilver und Kobra mehr als gefährlich war. Voltur kannte die drei zu gut und wusste, dass sie sich nie gegen ihn selbst, sondern immer nur gegen den schwächeren Kori wenden würden.
    Vor dem Entladung-Pokémon baute sich Drake auf, der es nicht lassen konnte, mit seinem stachelbewehrten Schweif durch das Gras zu fegen. Von den Getreuen des Meisters schaffte es fast jeder, sich mehr oder weniger ruhig zu verhalten, nur das Piondragi schien kampflustig wie immer. Voltur versuchte ihn zu ignorieren und stattdessen an ihm vorbei die Gruppe Pokémon zu beobachten, die sich vor ihnen aufgestellt hatte. Zwar konnte er nicht alle eindeutig ausmachen, aber den charakteristischen, grünen Helm eines Galagladi erkannte er deutlich, ebenso ein Traunmagil an der Spitze. Er staunte über das Tauboss, welches trotz der Entfernung noch wesentlich größer aussah, als alle anderen, die er jemals gesehen hatte. Der Knochenschädel eines Knogga leuchtete kalt im Mondlicht und die grünen Schuppen des zuvor angegriffenen Libelldra schimmerten. Was Voltur jedoch mehr erstaunte als die Pokémon, die er sah, war ihre Verfassung. Sie schienen so wenig zusammenzupassen, wie sein eigener Clan es tat, und doch waren sie gesund und stark. Es faszinierte ihn und für einen Herzschlag schämte er sich für sein schlecht gepflegtes blaues Fell, was struppig und glanzlos aussehen musste.
    „Wenn das unsere Gegner sind“, ging es dem Voltenso durch den Kopf, „dann haben wir keine Chance.“
    Chu trat einen Schritt zur Seite, um näher bei Voltur stehen zu können und flüsterte: „Wir sind so gut wie erledigt.“
    Es überraschte ihn nicht, dass die Blitzmaus seine eigenen Gedanken ausgesprochen hatte. Vorsichtig wagte er einen Seitenblick zum Meister und fragte sich, wie er aus dieser Konfrontation siegreich hervorgehen wollte.




    „Ich sehe es nicht als Freude an“, erwiderte Ninian mit fester Stimme. Sothe trat einen Schritt nach vorn, um an ihrer Seite zu stehen, gleichzeitig deutete sein Abstand an, dass er ihre Autorität respektierte. Er wusste, dass er vor diesem anderen Clan deutliche Signale senden musste.
    „Oh, aus welchem Grund denn nicht, meine Schwester?“, fragte der Schatten und schwebte ein wenig näher heran. Das Galagladi konnte sehen, wie seine Freundin nur schwer ihre Abscheu über diese unpassende Ansprache verbergen konnte. Von ihrer Selbstbeherrschung war er mal wieder sehr beeindruckt.
    „Ein Mitglied meines Clans — meiner Familie — wurde von eurem Clan entführt. Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass dies nicht auf deinen Befehl hin geschah. Mir ist ziemlich gleichgültig, was ihr hier oben im Kraterberg treibt, aber ich werde nicht ruhen, ehe unser Mitglied wieder bei uns ist. Deshalb fordere ich die sofortige Herausgabe des jungen Magby.“
    Ein gellendes Lachen war vom Schatten zu vernehmen und Sothe fuhr die Schwerter an seinem Ellenbogen aus. Wagte es dieser Wicht tatsächlich sie zu verspotten? Es dauerte mehrere Herzschläge, ehe sich der Anführer beruhigt hatte und auf Ninian einging. Das Verhalten stieß sie so sehr ab, dass dem Traunmagil jeglicher Respekt vor ihrem Gegenüber bereits verloren gegangen war.
    „Du bist herrlich amüsant, meine Schwester. Hättest du dich nur ein wenig anders ausgedrückt, hätte ich dich vielleicht sogar ernst genommen. Aber so ein erbärmliches Geschwafel kann man unmöglich ernst nehmen. Rede ich überhaupt mit der richtigen Anführerin? Oder habt ihr einfach die nächstbeste Phrasendrescherin vorgeschickt, weil der wahre Anführer sich nicht so gewählt ausdrücken kann? Es ist zu köstlich!“ Das Grinsen unter den roten Augen wurde erneut breiter und schallendes Gelächter erhob sich nun auch unter einigen Mitgliedern, die hinter ihm standen. Ninian wusste nun, dass sie mit vernünftigem Reden hier nicht weiterkam. Sie hatte ihr Gegenüber schon längst enttarnt, denn unter Geistern erkannte man seinesgleichen. Die Ansprache des gegnerischen Anführers hatte sie nur bestätigt. Nur unter Geist-Pokémon sprach man von einer verwandtschaftlichen Beziehung, selbst wenn überhaupt keine bestand. Dies lag daran, dass es nicht viele von ihnen gab und sie sich deshalb als große Familie verstanden. Das Traunmagil wartete nicht darauf, dass ihr Gegenüber aufhörte zu lachen, sondern erwiderte: „Versteck dich nicht hinter deiner Überheblichkeit, Gengar, und lass die Floskeln. Ich fühle mich nicht als deine Schwester und finde es mehr als erbärmlich, dass du so versuchst über dein Verbrechen hinwegzutäuschen. Lass auf der Stelle mein Clanmitglied frei!“
    Mit einem Mal erstarb das Lachen und die roten Augen des Gengar leuchteten bedrohlich. Das Grinsen darunter war hart und grausam geworden. Ninian konnte die Kälte spüren, die von ihrem Gegenüber ausging. Sie hatte ihn eindeutig verärgert.
    „Ich denke gar nicht daran“, spie der Anführer des SchattenClans aus und fügte mit säuselnder Stimme hinzu, „allerdings könnte ich mir vorstellen ihn euch zurückzugeben. Dafür müsstest du mir allerdings beweisen, dass du mehr kannst, als hochtrabend daher reden.“
    „Sicher, was schlägst du vor?“, erwiderte das Traunmagil ruhig. Nichts würde ihren Kontrahenten mehr reizen, als festzustellen, dass seine respektlosen Seitenhiebe an ihr abprallten.
    „Einen Kampf. Ein Pokémon deines Clans, gegen eines von meinem. Das sollte diese Angelegenheit klären, meinst du nicht auch?“
    Einen Herzschlag zu spät meldete sich Ninians Instinkt, denn sie hatte bereits geantwortet. „Sicher, das klingt fair.“ Erst in diesem Augenblick fiel ihr das listige Funkeln in den roten Augen des Gengar auf und sie wusste, dass sie in eine Falle getappt war. Sie konnte nur noch nicht ahnen, in welche.
    Verwirrt wandte sie den Kopf mit dem ausladenden Hut zu Sothe, der ihr allerdings nur kampfbereit zunickte. Ninian bestätigte mit einer leichten Bewegung ihres linken Rockzipfels und das Galagladi trat vor sie. In diesem Moment kam ihr, dass der Anführer des SchattenClans sicherlich auf seinen stärksten Kämpfer bauen würde. Er hatte ihren Clan als schwach eingestuft, doch sie wusste, dass Sothe ihn eines besseren belehren würde. Obwohl ihr der kräftezehrende Kampfstil ihres Freundes nicht gefiel — der seine Attacken mithilfe eines Leben-Orb verstärkte — war sie von seinen Fähigkeiten überzeugt.
    „Auf unserer Seite kämpft Sothe, mein Stellvertreter“, kündigte das Traunmagil an. Das Lächeln des Gengar wurde breiter, als er sich zu seinem Clan umdrehte und auf etwas zeigte, was Ninian nicht sehen konnte. In den Pokémon ihnen gegenüber entstand ein leichter Tumult, der sie verwirrte. Was ging da vor sich?




    „Du da, du wirst kämpfen“, befahl der Meister und zeigte auf Voltur. Der Herzschlag des Voltenso erhöhte sich, als er in die roten Augen des Schattens blickte und danach das Galagladi in einiger Entfernung erkannte. Das war unmöglich zu schaffen! Er wollte gerade gehorsam nach vorn treten, da packte Jaffar blitzschnell Kori, der zwischen Volturs Vorderpfoten kauerte.
    „Jetzt beweg dich endlich oder hast du nicht gehört, was der Meister gesagt hat?“, quakte der Giftfrosch streng und beinahe hätte das Voltenso die Beherrschung verloren und reflexartig in Jaffars Arm gebissen.
    „Nein, halt!“, brachte er stattdessen entsetzt hervor.
    „Halt dein Maul!“, knurrte Blacksilver ihn an. Zwischen den Lefzen des schwarzen Rüden züngelten kurzzeitig Flammen auf und als Voltur bemerkte, wie dicht er an Hiro und Krystal stand, senkte er geschlagen den Kopf. Er war machtlos und konnte nur noch zusehen. In seiner Verzweiflung hoffte er darauf, dass der andere Clan dem jungen Sheinux nichts tun würde.
    Kori baumelte zitternd und verängstigt in der Hand des Giftfrosches, bevor dieser ihn unsanft nach vorne an die Seite des Meisters warf.
    „So ist’s gut“, kommentierte dieser das Auftauchen des Flacker-Pokémon. Er wandte sich nun wieder dem Traunmagil zu und verkündete: „Für uns kämpft er.“
    Kori schlich mit eingeklemmtem Schweif nach vorn. Dies alles kam ihm vor wie ein schlimmer Alptraum. Der Meister hatte ihn als Kämpfer ausgewählt und er verstand nicht, warum er das getan hatte. In einigen Sprüngen Entfernung stand ein großes Galagladi gegen das Kori nicht die geringste Chance hatte. Wie sollte er diesen Kampf gewinnen? Das musste doch ein Traum sein! Aber je stärker sein Herz vor Angst schlug, desto realer wurde alles. Die alles durchdringende Kälte, die vom schwarzen Meister ausging, der Geruch von verbrannten Blättern, den der Wind von dem brennenden Busch in seine Nase wehte. Das Gras um ihn herum, das an seinem struppigen Fell vorbei strich. Konnte ein Traum sich so wirklich anfühlen?




    Sothe starrte einige Herzschläge entgeistert das winzige Sheinux an, welches in dem Gras vor ihm beinahe verschwand. Sein Gegner drückte sich auf den Boden und sah ihn aus angsterfüllten, gelben Augen an. In diesem Moment wurde ihm klar, dass der Anführer des SchattenClans sie hereingelegt hatte. Trotzdem wandte er sich an den grinsenden Schatten: „Wähl einen anderen Kämpfer!“
    „Oh, aber warum denn?“, fragte dieser mit einem unschuldigen Ton in der Stimme, als könne er die Aufforderung nicht nachvollziehen.
    „Willst du deine Ehre von jemandem verteidigen lassen, der mir derartig unterlegen ist?“, erwiderte Sothe und hoffte auf diese Weise den Anführer dazu zu bringen, einen anderen Gegner auszusuchen. Er hätte sich jedem gestellt, selbst dem Brutalanda, aber er konnte unmöglich gegen jemanden kämpfen, der so viel schwächer war als er selbst. Es war schon schwer genug, dem Blick des Sheinux standzuhalten — unweigerlich musste das Galagladi an Pia und Vesuvio denken. Niemals könnte er einem so jungen Pokémon etwas antun.
    „Darüber mach dir keine Gedanken, der Kleine ist zäher als er aussieht. Halt dich nur nicht zurück, er wird es nämlich auch nicht tun“, entgegnete das Gengar und machte klar, dass er auf seine Wahl bestand. Sothe ballte die Fäuste und blickte hilfesuchend zu Ninian.
    „Zwing mich nicht dazu, bitte!“, dachte er verzweifelt und wusste, dass sie ihn verstanden hatte. In ihren eigenen Augen lag das blanke Entsetzen. Alle Anwesenden des MondClans waren geschockt über die Grausamkeit der Entscheidung und konnten ihren aufkommenden Zorn kaum verbergen. Lyn bewegte ihre Flügel, als sie sich überlegte, wie sie es schaffen konnte diesen Schatten zwischen ihre Krallen zu bekommen. Arc knurrte und fletschte die Zähne, während er sich in Gedanken bereits vorstellte nach vorn zu jagen und das kleine Sheinux in Sicherheit zu bringen.
    „Das ist abstoßend und ehrlos“, flüsterte Ingus und kniff seine schmalen Augen vor Abscheu zusammen. „In diesem Clan muss Schreckliches vor sich gehen.“
    „Also?“, fragte das Gengar süffisant und musste deutlich ein Lachen unterdrücken. „Wann willst du endlich angreifen? Die Nacht dauert nicht ewig.“
    „Ist das die Art der Geister? Fehlt dir denn jegliches Ehrgefühl? Wer in aller Welt bist du?“, forderte Ninian zu wissen. Ihre Geduld war versiegt, dieses Gengar vor ihr hatte keinerlei Respekt verdient.
    „Wer ich bin, fragst du? Das will ich dir gern sagen, meine Schwester. Das was ich zu tun gedenke, geht ohnehin weit über den Horizont deiner winzigen Welt hinaus. Und deshalb nenn ich dir gern meinen Namen. Damit er sich über das ganze Land verbreitet, denn bald schon werdet ihr mir alle dankbar sein. Ich bin Ashnard, Anführer des SchattenClans und bald Erretter aller Pokémon!“
    Der MondClan war wie erstarrt, denn in ihren Köpfen gellten die Worte des Gengar wider. Das Traunmagil war zu überrascht und verwirrt, um etwas zu erwidern. Es dauerte einige Herzschläge, ehe sie sich gefasst hatte und zu ihren Kameraden umwandte.
    „Wir gehen“, war ihr knapper Befehl, bevor sie noch einmal Blickkontakt zu den roten Augen des Schatten aufnahm. „Glaub ja nicht, dass war das letzte Mal, dass du uns gesehen hast, Ashnard. Ich werde dich nicht damit durchkommen lassen. Nicht mit der Entführung meines Clanmitglieds und nicht mit dieser Respektlosigkeit.“
    „Ich habe nichts anderes erwartet, meine Schwester“, erwiderte er und Ninian wandte sich angewidert ab. Sie schwebte auf den Wald zu und ihr Clan folgte ihr. Kira und Lyn erhoben sich mit kräftigen Flügelschlägen in die Luft und glitten voraus in Richtung der Höhle. Als sie an dem brennenden Busch vorbeikamen, blieb Lloyd stehen und feuerte eine Hydropumpe in die Luft, damit das herabfallende Wasser das Feuer löschen konnte. Der Schatten bedachte die Aktion mit einem amüsierten Grinsen. Als die Flammen schließlich versiegt waren und nur noch Rauch von den verkohlten Ästen aufstieg, rannte das Bojelin flink seinen Kameraden hinterher.
    „Dieser Clan ist absolut nutzlos. Wie einfach sie doch zu besiegen sind“, sprach das Gengar zu sich selbst, als er dem MondClan hinterher sah. „Ich habe den Mond in meiner bloßen Hand zerdrückt.“


    »Und so ist es also geschehen. Es war nicht anders zu erwarten, niemals würde Ashnard eine Schwäche zeigen. Und schon gar nicht, würde er sich seine Beute wegnehmen lassen. Dieser MondClan … es ist meine Schuld, dass sie nun leiden müssen. Doch was soll ich tun? Dies ist meine Aufgabe. Ich muss Ashnard im Auge behalten, damit nichts Schlimmeres geschieht. Ich bin der Einzige, der von seinem Plan weiß. Zwar bin ich davon überzeugt, dass er dem König nichts anhaben kann, doch man kann nie wissen. Er ist nicht so dumm, wie er sich geben mag. Vielleicht hat er noch etwas in der Hinterhand, von dem er nicht einmal mir erzählt hat. Es ist ausgeschlossen, dass ich meine Mission gefährde. Und doch habe ich das Gefühl, dass ich mich hier verschulde. Die Schuld … sie klebt schwer in meinem Gefieder und in manchen Nächten lässt sie mich nicht schlafen. An keinem bisherigen Tag war ich besser als Ashnard, allein dadurch, dass ich tue was er sagt und ihm sogar helfe. Er ist ein armes Wesen … verletzt und fehlgeleitet. Ich komme nicht umhin, ihn zu bemitleiden. Doch es obliegt mir nicht, über ihn zu richten, dass wird seine Majestät übernehmen.
    Ich muss mich konzentrieren. Der MondClan könnte noch von Nutzen sein — vielleicht werden sie mir helfen, ohne es zu wissen. Vielleicht sind das die Verbündeten, auf die ich gewartet, ja gehofft habe? Die Zeit wird es zeigen, denn die Zukunft ist zu sehr im Fluss, als dass ich sie genau vorhersehen könnte. Nur die Vergangenheit ist in Stein gemeißelt. Und doch beschleicht mich das Gefühl, dass etwas passieren wird. Die Entführung dieses Magby hat etwas in Gang gesetzt, was ich nicht ahnen konnte. Ich muss aufmerksam bleiben, vielleicht ist Unterstützung näher, als es bisher den Anschein hatte?«




  • Hallo Cynda,


    ich war ja verwundert, dass du zuerst aus Hiros Sicht und der der anderen schreibst, um den MondClan als Bedrohung darzustellen. Gleichzeitig fragt man sich in dem Moment aber auch, warum sie eigentlich mitgekommen, denn an sich tragen sie ja nichts zum SchattenClan bei. Zumindest nicht direkt. Erwähnenswert ist in diesem Part aber Hiros Wahrnehmung, der nach seiner Erblindung so viel wahrnimmt, was er sonst wahrscheinlich nicht sofort beachtet hätte. Verwunderlich ist, dass er trotz allem so viele Pokémon anhand ihrer Gerüche oder allein an den Flügelschlägen erkennt, weil das schon eine enorme Bildung benötigen würde. Noch seltsamer, dass er einen Geist am Flattern im Wind erkennt. Das lässt sich sogar noch einigermaßen nachvollziehen, aber im Grunde hätte das auch jemand aus dem SchattenClan sein können.
    Jedenfalls: ich nenne den Kapitel-Part einmal liebevoll "Die Begegnung". Viel hat sich ja gar nicht offenbart, außer dass Ashnard mies drauf ist (seinen Namen könnte man auch mit einem weiteren r verzieren). Interessant finde ich die Bemerkung, dass sich Geister unter sich als Geschwister ansehen, obwohl sie nichts miteinander zu tun haben. Das gibt der ganzen Szene natürlich einen ganz anderen Unterton, wenn man den Dialog zwischen Ashnard und Ninian verfolgt. Jedenfalls sind beide kompetent in dem, was sie tun.
    Dass nach der Ankündigung zum Kampf Kori ausgewählt wird, fand ich dann überraschend, wo sich ja zuerst Voltur angesprochen fühlte. Da macht es dann natürlich Sinn, dass sie alle mitgekommen sind, denn so gesehen hat jeder der Gefangenen ein kleines Handicap oder sie waren schon von vornherein eingeschüchtert. Das machte sie natürlich angreifbar und den MondClan unfähig zu handeln. Geschicht eingefädelt. Ich find's nur schade, dass nach Ashnards ehrenvoller Rede, er würde Erretter aller Pokémon sein, schon Schluss war und die Kontrahenten von dannen gingen. Eigentlich hätte sich das schon angeboten, hier noch mehr zu erfahren, was er eigentlich will oder was er tut, aber das sollte wohl nicht sein.


    In diesem Sinne: Wir lesen uns. Und ich bin schon gespannt, welche Legende sich hinter den kursiven Worten versteckt.

  • Heut gibt's Teil eins eines neuen Kapitels -- wieder mal, ich hab das Update bissl aufgeschoben in der Hoffnung, ein anderes Kapitel in der Zwischenzeit fertig zu bekommen. Hat nicht so gut geklappt, aber zumindest kann ein Kapitel zum Betalesen; mal sehen, wann Rai-san und ich dazu kommen. Das tut aber alles nicht so viel zur Sache. ;)


    Erstmal freu ich mich, auf das Kommi von @Rusalka einzugehen. Wie immer vielen lieben Dank für dein Feedback. <3

    Gleichzeitig fragt man sich in dem Moment aber auch, warum sie eigentlich mitgekommen, denn an sich tragen sie ja nichts zum SchattenClan bei. Zumindest nicht direkt. Erwähnenswert ist in diesem Part aber Hiros Wahrnehmung, der nach seiner Erblindung so viel wahrnimmt, was er sonst wahrscheinlich nicht sofort beachtet hätte. Verwunderlich ist, dass er trotz allem so viele Pokémon anhand ihrer Gerüche oder allein an den Flügelschlägen erkennt, weil das schon eine enorme Bildung benötigen würde. Noch seltsamer, dass er einen Geist am Flattern im Wind erkennt. Das lässt sich sogar noch einigermaßen nachvollziehen, aber im Grunde hätte das auch jemand aus dem SchattenClan sein können.

    Ja, die Struktur des SchattenClans ist schon eine eigene. Nur, weil es ein paar "Revoluzzer" in seinen Untergebenen gibt, hält Ashnard es natürlich nicht für nötig ihnen irgendwas zu ersparen. Es ist nicht so, als würden ihn die Pokémon als Persönlichkeiten interessieren. Er braucht sie lediglich als Werkzeuge -- ich hoffe, dass ich darauf in der Zukunft noch genauer zu sprechen kommen kann. ^^ Vermutlich hätte Hiro trotzdem relativ viel wahrnehmen können, weil das Gehör von Fluchttieren -- und dazu gehört Rotwild -- allgemein besser ist, als der Sehsinn. (Soweit ich weiß, sehen Pferde im Grunde verschwommen, was vermutlich für die meisten Fluchttiere gilt, weswegen sie bei jeder Bewegung auch gleich hochschrecken.) Ich wollte hier vor allem auf seinen durch die Erblindung gesteigerten Hörsinn und Geruchssinn zu sprechen kommen, der mich zum Beschreiben gereizt hat. Du hast Recht, es braucht schon einiges an Bildung, aber Hiro ist ja nicht im Clan aufgewachsen und vor allem bestimmte Geräusche ja auch gewöhnt. Im SchattenClan gibt es im Grunde zwei Vögel, direkt aufgetaucht ist jetzt vor allem Naesala und dessen Flügelschläge erkennt er. Deshalb sind die Flügelschläge von Lyn "anders". Dass Hiro tatsächlich Ninian anhand ihres Kleides erkennt -- oder besser gesagt wahrnimmt --, geb ich zu, ist bissl weit hergeholt. Andererseits, auch hier wieder, die Geräusche der Pokémon aus dem SchattenClan sind ihm bekannt und da könnte keiner diese Geräusche machen.

    Viel hat sich ja gar nicht offenbart, außer dass Ashnard mies drauf ist (seinen Namen könnte man auch mit einem weiteren r verzieren). Interessant finde ich die Bemerkung, dass sich Geister unter sich als Geschwister ansehen, obwohl sie nichts miteinander zu tun haben. Das gibt der ganzen Szene natürlich einen ganz anderen Unterton, wenn man den Dialog zwischen Ashnard und Ninian verfolgt. Jedenfalls sind beide kompetent in dem, was sie tun.

    Ja, man könnte Ashnards Namen durchaus mit einem r versehen, aber das soll schon so sein. ;) Basiert nämlich auf diesem Fire Emblem Charakter, der mir aufgrund seiner Bosheit ziemlich gut in Erinnerung geblieben ist. (Lustigerweise mehr, als der Antagonist aus Blazing Sword und der war auch recht übel.)
    Die Idee mit der Ansprache als Geschwister kam mir spontan, ich brauchte etwas, womit Ashnard eine bestimmte Linie überschreiten kann um Ninian bewusst zu provozieren. Da fand ich es schon recht unverschämt, dass er sich als "Bruder" aufführt und Ninian in gewisser Hinsicht wie eine kleine Schwester behandelt.
    Freut mich, dass sie kompetent rüberkommen, das ist mir schon wichtig!

    Da macht es dann natürlich Sinn, dass sie alle mitgekommen sind, denn so gesehen hat jeder der Gefangenen ein kleines Handicap oder sie waren schon von vornherein eingeschüchtert. Das machte sie natürlich angreifbar und den MondClan unfähig zu handeln.

    Jap, genau so hatte ich mir das auch gedacht. Ashnard hat Ninian im Grunde sofort durchschaut und sie war in seine Falle getappt.

    Ich find's nur schade, dass nach Ashnards ehrenvoller Rede, er würde Erretter aller Pokémon sein, schon Schluss war und die Kontrahenten von dannen gingen. Eigentlich hätte sich das schon angeboten, hier noch mehr zu erfahren, was er eigentlich will oder was er tut, aber das sollte wohl nicht sein.

    Kommt noch, kommt noch. Bissl muss ich mir seinen Plan ja noch aufsparen. Muss aber sagen, dass ich so ganz glücklich mit dem plötzlichen Rückzug des MondClans auch nicht bin, aber man muss da mehrere Sachen beachten. Zum einen hat Ashnard Ninian kalt erwischt, davon muss sie sich ja doch erstmal noch erholen und neu sortieren. Des Weiteren wäre ein plötzliches Aufeinander losgehen alá "Schlacht um Helmsklamm" eher unpraktisch, weil -- wie Ashnard schon sagte -- die Nacht dauert nicht ewig. Und ein großes Aufgebot an Pokémon, die da in relativer Nähe zu Herzhofen sich einen Kampf liefern zieht ohne Zweifel die Aufmerksamkeit von Menschen auf sich. Das wäre Ashnard in dem Fall natürlich wurscht, Ninian aber nicht. Außerdem war Vesuvio nicht mal mit auf dem Feld und der MondClan war nicht vollständig anwesend. Eine Niederlage wäre also sehr wahrscheinlich gewesen, was keinem geholfen hätte. Außer Ashnard natürlich, der hätte sich so oder so ins Fäustchen gelacht.
    Die kursiven Stellen sind die Gedanken eines Charakters, der zwar auf der Seite des SchattenClans ist, aber die ganze Sache nicht unterstützt. Er wird noch seinen Auftritt haben, aber momentan bleibt seine Identität noch verborgen -- die darf ein anderer Charakter aufdecken. (:


    So, noch kurz ein paar einleitende Worte zum nächsten Kapitel: es geht zurück zu Yune und Co. :D Immerhin steht ja jetzt die Reise zu Refia an -- die wird zwar noch nicht in diesem Kapitel angetreten, aber zumindest mal ein bissl eingeläutet. Bei all der Anspannung, die da auf den Charas lastet, gibt es aber erstmal ein wenig frühmorgendliche Ausgelassenheit. Viel Spaß dabei!

  • Kapitel XIV: Veränderung
    Teil I/II


    The world is closing in
    And did you ever think
    That we could be so close, like brothers
    The future's in the air
    Can feel it everywhere
    Blowing with the wind of change


    — Wind of Change von den Scorpions


    Im Osten tauchte das erste Licht auf und zeichnete die Ränder der Wolken nach. Die Luft war feucht und kalt; vom nächtlichen Regen war das Land durchweicht. Immer weiter schob sich die Sonne über den Horizont und die Dunkelheit der Nacht wurde mehr und mehr erhellt. Die großen Wolkenberge verfärbten sich purpur und orange, doch im Westen blieben sie noch finster. Ein sanfter Wind fuhr über das Land, als wolle er es aufwecken. Die Baumkronen des Waldes ließen Regentropfen von ihren Blättern zur Erde fallen, als sich ihr vielstimmiges Flüstern erhob.
    Unablässig stieg die Sonne höher und der Wind begann am Himmel die schweren Wolken vor sich herzuschieben. Die großen, weißen Gebilde zogen gen Westen und drückten sich über das Gebirge. Am Boden glitzerten überall Wassertropfen, die sich auf jeden Grashalm, jedes Stückchen Moos und jedes Blatt gesetzt hatten. Die Erde glänzte feucht und junge Schösslinge räkelten sich in den Sonnenstrahlen, welche durch die Löcher im Blätterdach fielen. Die Pflanzen hatten den Sommerregen sehr begrüßt und schienen sich zu bedanken, in dem sie sich dem Licht entgegenstreckten.
    Ein freudiges Orchester begleitete den jungen Morgen — während sich die Freunde der Nacht in ihre Verstecke zurückzogen, feierten die Staralili und Staravia mit fröhlichem Trällern und Zwitschern den neuen Tag. Sie flogen über den Wald hinweg und verkündeten ihre Freude über die Sonne, untermalt von den Tönen der Zirpurze und Zirpeise. Die Klänge der Käfer waren sanfter, weniger überschwänglich und unterstrichen doch die ausgelassenen Gesänge der Vogel-Pokémon. Geschäftigkeit kehrte in den Wald ein, als die Bewohner nach und nach erwachten und sich ihr Frühstück suchten.


    Cloud und Storm erwachten an diesem Morgen als erste. Die Lieder ihrer Artgenossen hatten sie geweckt und sie waren voller Tatendrang nach draußen gehopst, um sich dem Orchester anzuschließen. Ihr Gesang war noch etwas ungeübt und ihre Melodien einfacher, als die der vorüberfliegenden Star-Pokémon, aber sie waren beide voller Eifer dabei. Sie flatterten umher und setzten sich auf einen nahen Baum. Besonders Cloud versuchte von dem Gezwitscher seiner Artgenossen zu lernen, wollte er doch eines Tages in der Lage sein, Storm ein Lied zu komponieren.
    Von dem eifrigen Tschirpen der beiden jungen Vögel war Zora aufgewacht. Gepackt von Neugierde hatte sie ihren Bruder geweckt und obwohl sie beide noch schlaftrunken waren, gingen sie nach draußen in den frühen Sonnenschein. Als der frische Wind ihnen durchs Fell fuhr und sie die feuchte Erde unter ihren Pfoten spürten, waren sie gleich wacher. Still saßen sie nebeneinander und lauschten den Melodien der Star-Pokémon. Lucky hatte gemerkt, dass die beiden Geschwister nach draußen gingen und setzte sich auf. An seine empfindlichen Ohren drang das Morgenorchester und er weckte Nicki, indem er ihr liebevoll einige Male über den Kopf strich. Lächelnd richtete sie sich auf, berührte seine Nase mit der ihren und die beiden hüpften, sich an den Pfoten haltend, nach draußen zu den anderen.
    „Ha-hatschu!“, nieste Fünkchen plötzlich und wurde davon wach. Sie setzte sich auf und fuhr sich einige Male mit den Vorderpfoten über die Nase. Sakura und Tricky waren von dem Geräusch wach geworden und als sie merkten, dass die anderen bereits aufgestanden waren, gingen sie zu dritt nach draußen. Das Geklapper der Füße des Mobai auf dem harten Boden weckte schließlich Micaiah. Die Stute bewegte ihre Hinterhand ein wenig und davon erwachte Myrrh, die an ihrer Flanke lehnte.
    „Wie? Was?“, murmelte die Puppe und sah sich verdutzt um. „Wo sind denn alle?“
    „Scheint als wären wir heute mal die Letzten“, erwiderte die Stute und stand auf. Ihre Feuermähne loderte hoch auf und erleuchtete das Zwielicht der Höhle.
    „Nicht ganz“, entgegnete Myrrh und deutete auf Yune und Riolu. Die beiden Freundinnen lächelten sich breit an. Mit einem kurzen Sprung in die Luft schwebte die Puppe und blickte vorsorglich noch mal um sich, um sicher zu gehen, dass außer ihnen wirklich niemand mehr in der Höhle war. Micaiah ging vorsichtig auf den schlafenden Schakal zu und berührte ihn mit den Nüstern. Riolu bewegte sich kurz und gab einen japsenden Laut von sich. Die Feuerstute hob den Kopf und bedeutete Myrrh, dass sie nach draußen ging. Diese schwebte sogleich an ihre Seite und gemeinsam verließen sie die Höhle.
    „Heute ist es soweit“, meinte Micaiah leise nach einigen Momenten der Stille. Das Geräusch ihrer Hufe auf dem harten Boden wurde von den Wänden zurückgeworfen.
    „Jap“, erwiderte die Puppe knapp und hätte die Stute nach ihrem Plan gefragt, doch da waren die beiden bereits aus der Höhle.


    „Iiih!“, rief Tricky und hopste angewidert von einem Bein aufs andere. „Hier ist ja alles ganz nass!“
    „Natürlich, es hat ja auch geregnet. Ist das nicht toll?“, erwiderte Sakura und tanzte auf dem feuchten Boden.
    „Toll?! Das ist furchtbar!“, entgegnete Tricky, als er sich einen trockenen Fleck in der Nähe des Höhleneingangs suchte. „Solang es so nass ist, kann ich nirgendwo hingehen.“
    „Klar kannst du“, schaltete sich Breaker ein und kam auf das Mobai zu. „Ich nehm dich einfach auf den Rücken.“
    „Was machst du?!“, wollte der Angesprochene noch überrascht wissen, doch da hatte sich das Bidifas bereits vor ihn gestellt.
    „Na, komm, lauf über meinen Schweif rauf.“
    „A-alles klar“, erwiderte Tricky unsicher und ging vorsichtig über Breakers platten Schweif auf dessen Rücken. Als er schließlich oben war, ließ er sich einfach fallen und saß.
    „Ouh, also ein Leichtgewicht bist du aber nicht“, sagte das Biber-Pokémon als er einige Schritte nach vorn machte.
    „Bin ich dir zu schwer?“, wollte das Bonsai-Pokémon besorgt wissen.
    „Aber nicht doch! Siehst du, jetzt wirst du gar nicht mehr nass.“
    „Stimmt! Das ist toll, danke Breaker!“, jubelte Tricky freudestrahlend.
    Die anderen traten herzu und lobten den Biber für seine praktische Idee. Storm hüpfte einige Male um die beiden herum und schaute nachdenklich.
    „Was denkst du, Storm?“, fragte Cloud, als er die prüfenden Blicke seiner Freundin bemerkte.
    „Ich denke“, begann das Star-Pokémon, „dass es für Tricky gefährlich werden könnte. Er könnte auf dem Weg herunterfallen.“
    „Das ist richtig“, stimmte Nicki ihr zu. „Am besten gehen Lucky und ich an jeder Seite und achten darauf.“
    „Klingt super!“, meinte Zora breit grinsend. „Und ich geh hinter ihnen!“
    „Dann gehen Fünkchen und ich vor den Beiden“, schlug Sakura vor und drehte sich auf einem Bein.
    „Ja, so schaut das doch gleich viel sicherer aus“, nickte Storm die Vorschläge der anderen ab.
    „Ihr seid wirklich zu nett“, schniefte das Mobai, den so viel Fürsorge ganz überwältigte.
    „Hey, ist doch selbstverständlich“, erwiderte Breaker und ging ein paar Schritte auf den Weg zur Beerenlichtung zu.
    „Genau, wie würde Myrrh sagen?“, meinte das Haspiror-Weibchen lächelnd.
    „Schließlich sind wir alle Pokémon!“, rief Fünkchen aus.
    Ein schallendes Lachen erregte die Aufmerksamkeit der jungen Pokémon und sie drehten sich verwundert um. Die Puppe hatte sich nicht mehr zurückhalten können und überschlug sich laut lachend in der Luft. Als die anderen Pokémon die ausgelassene Freude sahen, mussten sie ebenfalls anfangen zu kichern. Zuerst versuchte Micaiah sich noch zu beherrschen, aber der Anblick Myrrhs war doch zu lustig und ansteckend, dass sie schließlich ebenfalls laut wieherte. Eine ganze Weile war die Lichtung vor der Höhle erfüllt von lautem Lachen. Als sich die Pokémon langsam beruhigt hatten, fragte Fünkchen, noch ein wenig kichernd: „Warum lachen wir eigentlich?“
    Myrrh musste um ihre Stimme kämpfen und einige Male abbrechen, weil sie wieder anfing loszuprusten. Nach einer Weile, als sie wieder aufrecht schwebte, meinte sie: „Ich musste so lachen, weil ihr alle so erfrischend seid. In meinem ganzen Leben, und ich gebe zu, so lang ist es noch nicht, hab ich noch keine Gruppe von jungen Pokémon gesehen, die so schnell lernt wie ihr. Das macht mich einfach sehr glücklich!“
    „Wir müssen Myrrh noch öfter zum Lachen bringen!“, schlug Zora vor. „Es ist einfach zu lustig, wenn sie sich in der Luft überschlägt!“
    „Mhm …“, meinte Micaiah nachdenklich und bedachte ihre Freundin mit einem schelmischen Blick. „Man sagt ja, dass Banette auch sehr kitzelig sein können. Ich frage mich, ob wir das nicht ausprobieren sollen.“
    „Untersteh dich!“, wandte sich die Puppe gespielt ernst an die Stute. „Oder ich muss mich revanchieren.“
    Das Feuerpferd machte einen übermütigen Bocksprung und trabte in engen Kreisen auf der Lichtung herum.
    „Ich frage mich, ob du mich wohl kriegen würdest!“, neckte sie, als sie auf der Stelle tänzelte.
    „Na, wart’s mal ab!“, drohte der Geist spielerisch und wollte sich schon auf die Stute zubewegen.
    „Alle Pokémon auf Myrrh!“, rief Zora übermütig und lief mit großen Sprüngen auf die Puppe zu.
    „Auf sie!“, rief der Rest, nur Breaker und Tricky blieben kichernd zurück.
    „Ah!“, schrie die Puppe gespielt ängstlich und begann, gejagt von den jungen Pokémon, von einer Seite der Lichtung zur anderen zu schweben. „Na, danke, da hast du mir ja was Schönes eingebrockt!“, wandte sie sich laut an die Stute.
    „Gern geschehen“, kicherte Micaiah leise und trabte auf Biber und Bonsai zu, um von dort die wilde Jagd zu beobachten.
    „Gleich habt ihr sie!“, rief Tricky übermütig.
    „Nach links, nach links!“, gab Breaker lachend Anweisungen. Doch selbst als Storm und Cloud von oben auf die Puppe herabstoßen wollten, entzog sie sich geschickt jedem Versuch sie zu schnappen.
    „Herausforderung angenommen!“, schrie Myrrh schließlich. „Na los, schaun wir mal, ob ihr mich wirklich erwischen könnt. Hiyah!“


    Das ausgelassene Lachen der Gruppe drang in die Höhle und weckte schließlich Riolu. Müde setzte er sich auf und blinzelte einige Male, während er sich umsah. Er wandte den Kopf zum Ausgang und hörte deutlich die Stimmen der anderen Gruppenmitglieder. Es verwunderte den Schakal, dass er derart tief geschlafen hatte. Und zudem auch noch absolut traumlos, obwohl er mitten in der Nacht ein Gefühl von Unentschlossenheit wahrgenommen hatte.
    „Ob Yune geträumt hat?“, fragte er sich, als er das Evoli-Mädchen an seiner Seite betrachtete. Sie lag ausgestreckt auf dem Boden und nur ihre Flanke hob und senkte sich gleichmäßig. Der Lärm vor der Höhle schien sie nicht zu stören, was der Schakal bewunderte. Von ihr ging so viel Friedlichkeit aus, dass er sich beinahe wieder hingelegt hätte, weil es ihn so beruhigte.
    „Vielleicht hab ich so tief geschlafen, weil Yune neben mir lag …“, ging es ihm durch den Kopf. Irgendwie war es ein seltsamer Gedanke und ein Schauer fuhr ihm durchs Fell. Es verwirrte ihn sehr, dass er sich in der Nähe des Evoli-Mädchens so wohl fühlte und gleichzeitig genoss er es. Vorsichtig streckte er seine Pfote aus und legte sie auf Yunes Schulter. Ihr Schweif zuckte kurz, doch ansonsten reagierte sie nicht darauf. Zögerlich strich Riolu über das braune Fell, das sich ganz weich an seinem Ballen anfühlte. Dabei fing sie an sich zu bewegen und als sie sich langsam auf den Bauch drehte, zog er seine Pfote zurück. Verschlafen blickte Yune sich um, bevor sie alle vier Beine kurz von sich streckte, nur um sie danach wieder an den Körper zu ziehen. Als ihre braunen Augen den Blick von dem Schakal trafen, lächelte sie.
    „Guten Morgen“, grüßte sie ihn fröhlich und setzte sich auf die Hinterpfoten.
    „Guten Morgen, Yune“, erwiderte er leicht grinsend. „Hast du gut geschlafen?“
    „Ja, das hab ich. Ich fühl mich auch so richtig wach“, meinte das Evoli-Mädchen zufrieden. Sie sah sich um und legte schließlich den Kopf schief, als sie verwundert fragte: „Wo sind denn die anderen?“
    Riolu erhob sich und wies mit einer Pfote auf den Ausgang, von dem weiterhin das Lachen der anderen Gruppenmitglieder hereindrang.
    „Scheinbar sind sie schon munter und draußen.“
    „Oh, hab ich verschlafen?“
    Der Schakal schüttelte leicht lächelnd den Kopf und entgegnete: „Wenn dem so wäre, hätte man uns schon geweckt.“
    „Gut“, erwiderte Yune erleichtert. Gerade heute zu verschlafen, wäre ihr sehr unangenehm gewesen, immerhin waren doch wegen ihr alle auf den Beinen. „Dann gehen wir mal zu ihnen, ja?“
    Riolu nickte daraufhin, als sich das Evoli-Mädchen an seine Seite stellte und beide zum Ausgang gingen.
    Während sie sich dem hellen Ende des steinernen Tunnels näherten, tauchten in Yunes Kopf unvermittelt die Bilder aus ihrem Traum auf. Stand sie wirklich kurz vor einer Entscheidung? Vor der Wahl, ob sie zurück zu ihren Eltern geht oder hier bei den anderen bleibt? Bei Riolu? Einerseits kam es ihr merkwürdig vor, dass sie sich hier nach so kurzer Zeit bereits so wohl fühlte. Andererseits musste sie zugeben, dass sie schon nicht mehr so oft an ihre Familie dachte, wie anfangs. Natürlich wollte Yune wissen, wie es ihnen ging und ihnen sagen, dass sie sich keine Sorgen um sie machen mussten. Aber viel von ihrer Angst, sie nie wiederzusehen war verflogen, als sie die Duftspur ihrer Mutter in der Höhle entdeckt hatte. Sie waren noch da draußen und es ging ihnen bestimmt gut, davon war sie überzeugt. Doch konnte sie sich schon von den anderen trennen? Es bereitete ihr Kopfzerbrechen darüber nachzudenken und gern hätte sie Riolu davon erzählt, aber sie wusste gar nicht, wo sie da anfangen sollte. Eine unbekannte Schwere machte sich in ihrem Inneren breit, als all diese Gedanken sich anfingen in ihrem Kopf zu drehen.
    „Was mach ich denn nur, wenn es soweit ist?“
    Der Schakal nahm Yunes aufgewühlte Gefühle wahr, die ihn beunruhigten. Er konnte nachvollziehen, dass sie aufgeregt war, weil sie auf dem Weg zurück zu ihren Eltern war und diese bald wiedersehen würde. Aber er nahm keine freudige Erwartung wahr, sondern schwere Verwirrung. Und er war sich absolut sicher, dass diese nicht von ihm ausging, obwohl es ihm ebenfalls so ging, doch er schob jegliche Unruhe gerade so gut es ging von sich weg.
    „Was beschäftigt dich?“, ging es ihm durch den Kopf und er hätte die Frage zu gern laut ausgesprochen. Doch er schluckte die Worte runter.
    Inzwischen waren sie nah am Ausgang und konnten sehen, wie das Sonnenlicht die Lichtung erleuchtete. Das schallende Lachen der anderen Pokémon holte Yune aus ihren Gedanken und sie wurde neugierig darauf zu erfahren, warum sich alle so amüsierten. Riolu bemerkte zufrieden, wie die Fröhlichkeit der anderen das Evoli-Mädchen ansteckte.


    „Na los, kommt schon! Fangt mich!“, rief Myrrh ausgelassen lachend über die Lichtung.
    „Ich … kann … nicht … mehr …“, keuchte Zora und ließ sich einfach auf den Boden fallen. Storm und Cloud stießen von oben auf die Puppe herab, doch sie wand sich wie ein Arbok über die Lichtung. Lucky und Nicki atmeten ebenfalls schwer, immer wieder von Lachern unterbrochen und blieben schließlich bei dem Bidiza stehen.
    „Unglaublich … wie-wie … kann man nur … so-so … schnell sein?“, brachte Fünkchen heraus, die nach Luft schnappte und ihre Verfolgung ebenfalls einstellte. An ihr weißes Fell lehnte sich Sakura an, die viel zu erschöpft war zu sprechen.
    „Das gibt’s doch nicht!“, lachte Breaker laut. „Myrrh schafft es trotz so vieler Verfolger immer noch auszuweichen.“
    „Hey, wo ist denn euer Elan geblieben?“, meinte die Puppe verwundert und an die Stute gewandt: „Scheint als wäre dein Plan nicht aufgegangen.“
    „Das sagst du“, erwiderte Micaiah mit vielsagendem Unterton, bevor sie sich im nächsten Moment nach vorn stürzte.
    „Uah!“, schrie der Geist und schwebte fluchtartig von dem leicht galoppierenden Feuerpferd weg. Die Hufe der Stute hinterließen tiefe Abdrücke im aufgeweichten Boden und so viele Haken Myrrh auch schlug, Micaiah war stets hinter ihr. Der Rest der Gruppe setzte sich zu Breaker und Tricky und gemeinsam beobachteten sie mit geweiteten Augen die wilde Jagd. Yune und Riolu verfolgten vom Höhleneingang aus das Geschehen.
    Mit nach vorn gerecktem Kopf wechselte die Feuerstute fließend zwischen Trab und Galopp. Sie hatte das Bewegungsmuster der Puppe bald erkannt und begann schließlich damit sich ihr in den Weg zu stellen. Immer wieder musste Myrrh schnell ausweichen, weil sich vor ihr die Beine des Feuerpferdes aufbauten. Schließlich galoppierte Micaiah kurz direkt neben der Puppe und packte den Stoff an ihrem Hinterkopf.
    „Ist gut, ist gut, du hast gewonnen!“, rief der Geist schnell, woraufhin die Stute zufrieden schnaubte und losließ.
    „Das verblüfft mich jetzt wirklich, dass du hier derartig wendig bist“, wandte sich Myrrh an ihre Freundin.
    „Nun ja“, entgegnete diese schelmisch, „man muss nur wissen, wie man’s macht, richtig?“
    „Richtig. Jetzt hab ich aber Hunger, noch jemand?“
    „Hunger?! Das Wort reicht schon nicht mehr, um zu beschreiben, dass ich einen ganzen Beerenbaum essen könnte!“, erwiderte Tricky laut.
    „Dann wird es ja höchste Zeit, sonst ist von der Beerenlichtung nichts mehr übrig, wenn Tricky anfängt alle Bäume zu essen“, lachte Micaiah wiehernd. Sie schüttelte ausgelassen ihren Hals, sodass ihre Mähne für einige Herzschläge hoch aufflammte.
    „So ein Fangenspiel in der Früh ist ganz schön anstrengend“, meinte Fünkchen und wischte sich mit den Pfoten über das Gesicht.
    „Oh ja, aber auch sehr lustig!“, entgegnete Zora. „Ich bin dafür, dass wir das morgen gleich noch mal machen. Ihr auch?“
    „Klar, das machen wir“, stimmte Breaker sofort zu. „Immerhin will ich auch mal die Möglichkeit haben euch zu erwischen.“
    „Meinst du, dass du das schaffst?“, wollte Nicki grinsend wissend.
    „Das sehen wir ja dann“, erwiderte der Biber und schlug mit seiner Kelle auf den Boden.


    „Wow, Myrrh ist wirklich wendig“, staunte Yune. „Ein paar Mal war sie so schnell, dass ich sie für einen kurzen Moment aus den Augen verloren hatte.“
    „So zu schweben muss toll sein, was?“, meinte Riolu und sah zu ihr nach unten.
    „Ich würde es wirklich gern ausprobieren, aber vielleicht bleib ich doch lieber mit allen Pfoten auf dem Boden“, lachte sie, bei dem Gedanken daran, dass es so ganz ohne Halt schwierig werden könnte, das Gleichgewicht zu halten.
    „Geht mir genauso.“
    „Yune! Riolu! Guten Morgen“, kam die Puppe fröhlich auf die beiden zugeschwebt. Sie schien ein wenig außer Atem zu sein.
    „Guten Morgen, Myrrh“, grüßte das Evoli-Mädchen.
    „Ihr beide habt wirklich was verpasst, das war wahnsinnig lustig. Aber ist vielleicht besser so, immerhin steht eine kleine Reise an.“
    Zu dritt überquerten sie die Lichtung und gesellten sie sich zu den anderen Gruppenmitgliedern, wo Yune und Riolu freundlich begrüßt wurden. Der Schakal hielt sich im Hintergrund, während der Rest dem Evoli in aller Ausführlichkeit berichtete, was passiert war.
    „Und weil Breaker so eine tolle Idee hatte, werd ich jetzt gar nicht nass!“, verkündete Tricky stolz vom Rücken des Bibers aus.
    „Das freut mich. Du hast bestimmt eine gute Aussicht von dort oben“, meinte Yune lächelnd.
    „Die hab ich. So gut, ich kann von hier ganz weit bis zum Kraterberg schaun!“
    „Quatsch, wie willst du denn von hier den Kraterberg sehen?“, kicherte Storm. „Den können selbst Cloud und ich nur sehen, wenn wir ganz hoch über den Wald fliegen.“
    „Aber die Beerenlichtung, die seh ich als erster!“, bestimmte das Mobai und schien von dieser Position nicht abweichen zu wollen.
    „Solang du nicht alles vor allen anderen isst, ist ja alles in Ordnung“, merkte Zora an, worauf der Rest laut kicherte und sie sich gemeinsam auf den Weg zur Beerenlichtung machten.
    Yune genoss das nasse Moos unter ihren Pfoten und den frischen, feuchten Geruch des Waldes. Die Luft wurde langsam wärmer, während die Sonne weiterhin höher stieg. Von ein paar Blättern fielen einige Regentropfen und die Spitzen der Tannennadeln waren von kleinen Wassertropfen umschlossen, die im Sonnenlicht glitzerten. Das Evoli-Mädchen war so von ihrer Umgebung eingenommen, dass sie gar nicht bemerkte, wie Riolu von ihrer Seite wich und stattdessen Myrrh neben ihr schwebte. Der Schakal war zurückgefallen, wo an diesem Tag Micaiah am Ende des Zuges schritt.
    „Ah, so ein Sommerregen ist schon etwas Feines“, begann die Puppe und Yune wandte ihr den Kopf zu.
    „Oh, Myrrh, ich hab dich gar nicht bemerkt, tut mir leid.“
    „Ist schon in Ordnung, ich wollte dich auch nicht aus deinen Gedanken reißen.“
    „Die drehen sich sowieso gerade zu sehr im Kreis“, gab das Evoli-Mädchen zu.
    „Ach so?“
    „Ja, ich bin etwas aufgeregt, weil ich doch bestimmt bald meine Familie wiedersehen werde.“
    „Das kann ich gut nachvollziehen“, erwiderte Myrrh lächelnd. „Ich kann dir zwar noch nicht sagen, wann wir sie genau treffen werden, aber es kann wirklich nicht mehr lange dauern, dann bist du wieder zu Hause.“
    „Ja, das wäre schön“, erwiderte sie lächelnd, doch der Geist vermutete noch etwas anderes.
    „Geht dir sonst noch was im Kopf herum?“
    „Naja, ich hatte vor kurzem so einen merkwürdigen Traum …“, begann Yune etwas zögerlich. Am liebsten hätte sie der Puppe von ihrem Traum letzte Nacht erzählt, doch da fiel ihr der blühende Baum ein, den sie zuvor im Schlaf gesehen hatte. Vielleicht wusste ja Myrrh, was es damit auf sich hat?
    „Möchtest du ihn mir erzählen?“, fragte der Geist freundlich.
    „Also, ich war allein im Wald und kam auf so eine Lichtung. Da stand nur ein großer Baum, der aber ganz leblos wirkte. Es war ein richtig trauriger Anblick, doch auf einmal kam ein Wind auf und lauter kleine, rosa Blütenblätter wurden zu mir geweht. Schließlich stand der ganze Baum in voller Blüte, es war wirklich wunderschön! Und dann war da auf einmal dieses andere Pokémon. Ich hab so eines noch nie gesehen, es sah ein wenig aus wie ein Rettan, besaß aber Arme und hatte grüne Schuppen. Auf seinem Schweif saß ein Efeublatt, deshalb meine ich, dass es vielleicht ein Pflanzen-Pokémon war. Es ist weggelaufen, als es mich gesehen hat und dann bin ich aufgewacht.“