Geschrieben in Feuer

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

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  • Wiesn


    Es ist wieder soweit.
    Wohin man schaut, egal welche Nationalität, Statur oder Hautfarbe — alle sind in bayrischer Tracht.
    Dirndl in allen Variationen — lang, kurz, traditionell, modern, elegant, schlicht.
    Lederhosn mit oder ohne Hosenträger, dunkel oder hell, übers Knie oder bis zum Oberschenkel. Alles ist vertreten; manchmal auch mit Chucks anstatt Haferlschua. Einmal im Jahr steht München Kopf und egal ob Einheimische oder Besucher: Hauptsache passend gekleidet zur Wiesn. Das Ereignis von München.
    Die einzigen Bilder, die ich mit dem Oktoberfest verbinde sind schlafende Leute in Tracht in der S-Bahn. Und natürlich die heillos überfüllte Haltestelle „Hackerbrücke”.


    O’zapft is!



  • Herbstanfang


    Woran erkennt man den Herbst?
    Nicht nur an bunten, herabfallenden Blättern oder am morgendlichen Nebel. Nicht nur an der Kälte und der schwächeren Sonne. Nicht nur am schlechten Wetter. Nicht nur an kürzeren Tagen und langen, dunklen Nächten.
    Man erkennt ihm am Duft. Am kühlen, nassen Hauch des Abschieds.




    Desaster


    Weiß wie Schnee ist mein Fell,
    rein und durch Unschuld hell,
    trotzdem werde ich verachtet.
    Nach dem Leben wird mir getrachtet.


    Schwarz ist mein Gesicht.
    Krallen und Horn dunkel im Licht.
    Warnen wollt' ich sie davor;
    vor dem Beben und dem Moor.


    Zu blind waren sie zu sehen;
    wollten einfach nicht verstehen.
    So kam das Unglück schließlich an,
    dagegen sich keiner wehren kann.


    Ich war an jedem Tag da,
    bevor etwas Schlimmes geschah,
    nun denken sie, es ist meine Schuld;
    erkennen nicht meine Geduld.


    Ich fliehe vor ihrem Zorn.
    Suche Schutz im Feld voll Korn.
    Will entrinnen ihrer Wut,
    die verachtet meinen Mut.




  • So, ich hab mal gezählt. Mir wurden dieses Jahr, seitdem ich mal wieder aktiv bin, genau 5 Kommentare geschrieben und von wem sind wohl ganze 4 davon, juhuu Abwechslung... :( Aber trotzdem auch nochmal hier vielen Dank dafür. Habe das Gefühl, die sind besser als nahezu alle, die ich so schreibe... Entsprechend aussichtslos wird das Unterfangen für mich, mich zu revanchieren, wohl sein, aber sofern es auch der Wille sein kann, der zählt: here goes nothing.


    Ich denke, Absols Lied gibt hier einen guten Einstieg. Ich mag Absol. ♥ Es ist so ein tolles Design (ha, ganz selten hab ich auch mal Links! ;D ), da ist es schon schade, dass sie es im Spiel so unverzeihlich schwach und unbrauchbar gemacht haben, insbesondere die Mega-Form jetzt wurd einfach nur gegen den Baum gegurkt... :( Aber darum soll es hier ja nicht gehen, wtf. Für Gedichte und Legenden ist Absol immer noch wunderbarer Stoff. Und es ist viel zu flauschig um ernsthaft gehasst werden zu können.


    Weiß wie Schnee ist mein Fell,
    rein und durch Unschuld hell,
    trotzdem werde ich verachtet.
    Nach dem Leben wird mir getrachtet.

    Das und der Titel dazu ist im Grunde der Pokédex in der ich-Form, haha. Wer sich zumindest ein bisschen damit befasst hat im Leben, sollte spätestens jetzt wissen, dass es um Absol geht. Viel mehr gibt die Strophe ansonsten auch nicht wirklich her imo (außer dass Schnee toll ist *hust*), also mal weiter.


    Zitat

    Schwarz ist mein Gesicht.
    Krallen und Horn dunkel im Licht.
    Warnen wollt' ich sie davor;
    vor dem Beben und dem Moor.

    Die ersten beiden Verse setzen die oberflächliche (also im Sinne von äußere, nicht im Sinne von Kritik) Selbstbeschreibung der Verse 1-2 von oben fort, und die Wortwahl find ich besonders gelungen hier. Der Kontrast stellt Absols bewusst "kontroverses" Design perfekt dar und es wird leicht bedrohlich nicht nur in der Hinsicht, dass Absol normalerweise keine guten Nachrichten zu überbringen hat. Zu meckern hab ich hier eigentlich nur wegen der Zeichensetzung, da ich die doch eher anders gemacht hätte so.
    Das letzte Paar erzählt wieder was von Absols Geschichte -- wie mir da gerade dieses "Muster" auffällt, und es dann trotzdem die nächsten Strophen verschwindet, na ja, passiert! ;D Ist denk ich auch gut so, weil wenn bis zum Ende durch noch Äußerlichkeiten gekommen wären... Potenziell könnte es funktionieren, aber das wär schon eine große Herausforderung, da die Spannung aufrecht zu erhalten und nicht arg gekünstelt zu wirken, imho. Zu meckern hab ich hier schon mehr, und zwar über den Reim. Wobei was heißt meckern, absolut intolerabel ist er gar nicht. Ich finde ihn nur ein wenig konstruiert und hätte vielleicht versucht, das irgendwie anders zu lösen. Es ist sinnvoll, jemanden zu warnen, keine unüberlegten Schritte im Moor zu tun, und so ein leichtfüßiges Absol wäre für den Job wohl tatsächlich ideal ;D , aber jemanden vor "dem Moor als Naturkatastrophe" zu warnen wirkt ein bisschen anders.


    Zitat

    Zu blind waren sie zu sehen;
    wollten einfach nicht verstehen.
    So kam das Unglück schließlich an,
    dagegen sich keiner wehren kann.

    Liebe Grüße an @Cassandra, und es ist das alte Lied... :( Zu viel gibt es zu der Strophe nicht zu sagen. Ich weiß nicht, ob das nur mein persönlicher Eindruck ist, aber: das Ende wirkt auf mich irgendwie viel zu feierlich mit dieser Wortumstellung, nachdem es doch erst so überzeugt trotzig eingeleitet wurde. (Sei denn Du wolltest das Gedicht möglichst zynisch gestalten, dann will ich gar nichts gesagt haben. :3)


    Zitat

    Ich war an jedem Tag da,
    bevor etwas Schlimmes geschah,
    nun denken sie, es ist meine Schuld;
    erkennen nicht meine Geduld.

    Wirklich "jedem" und nicht "jenem"? Und im dritten Vers, würd ich sagen, sollte lieber ein Konjunktiv hin.


    Zitat

    Ich fliehe vor ihrem Zorn.
    Suche Schutz im Feld voll Korn.
    Will entrinnen ihrer Wut,
    die verachtet meinen Mut.

    ...Und das Ende ist das typische offene Ende im Unglück. :( Keine Überraschungen mehr hier, aber wieder eine Wortwahl, die besser kaum hätte gehen können.


    Insgesamt halt ein typisches Absol-Gedicht, genau wie man es erwarten würde. Wer weiß, vielleicht wirst Du ja dann stattdessen diese Kurzgeschichte nutzen, um ein paar Dinge einzubringen, die man nicht von vornherein erwarten würde? Ansonsten ist 2012 auch schon eine Weile her. Ich weiß ja nicht, wie Du zu sowas stehst, aber wenn Umschreiben bzw. neue Version zur Debatte steht, dann könnte man ja beispielsweise nun auch die Mega-Entwicklung da einbinden und so Absols Geschichte zu einem Ende (von welcher Art auch immer) führen oder sowas. Und wenn nicht, na dann ist ja immer noch klar, was wir hier haben. Insgesamt ein schönes Gedicht, danke für die Veröffentlichung!


    Zum Schluss noch kurz was zum Versmaß. Ich war mal so frei und hab das nach meiner Lesart analysiert:

    Wie man sieht, gibt es nicht viel (an Ordnung) zu sehen. Ist auch vollkommen in Ordnung so, flüssig gelesen hat es sich ja. Ich hab mir das jetzt so genau angeguckt, weil ich letztens mal das Versmaß vom Erlkönig (sicher wird er Dir bekannt sein) recherchiert hab, und das hat nur eine Regelmäßigkeit: vierhebige Verse, aber dazwischen jeweils 1-3 (!) unbetonte Silben, und ein interessantes Spiel mit den Verslängen. Solche etwas liberaleren Versmaße machen sich also erwiesenermaßen gut für manche Sachen. Hier vermögen sie auch einen nicht unangenehmen Gegenpol zu den Paarreimen zu bilden, damit es nicht zu sehr ins "Feierliche" abdriftet, wie es einer klassischen Volksliedstrophe leicht passieren könnte.
    Zu dem Paar mit dem Stern (*), dazu wollte ich noch erwähnen, dass das irgendwie das einzige klingende Paar unter ansonsten stumpfen ist; weiß nicht, ob das beabsichtigt ist. Wenn ich das Gedicht lesen würde, würde ich diese schwachen Silben am Ende womöglich verschlucken, so wie einen die Möglichkeit hier schon anlacht.


    So, und jetzt ist es schon wieder 1 Uhr nachts und das Schreiben des Kommentars hat mich davon abgehalten, mir meinen täglichen/nächtlichen Tee zu machen, haha. Vielleicht ist er ja zumindest hilfreich... In diesem Sinne, man liest sich wohl früher oder später. :3

  • The wounded Soldier // Teil III (Teil I / Teil II)
    (Work In Progress - begonnen Dezember 2013)


    „Was?”, wollte dieser überrascht wissen, doch Fran seufzte nur und bewegte sich ruckartig nach vorne. Die Krähe ließ ihre Schulter los und flatterte kurz auf der Stelle, bevor er sich auf einer Stuhllehne am Esstisch niederließ.
    Ohne sich zu erklären ging die Fähe auf den Krieger zu und kniete sich vor ihn hin. Den Zweig in ihrer rechten Hand ließ sie achtlos neben sich auf den Boden fallen. Verwirrt wich das Brigaron etwas zurück, als das Fennexis die Pfoten hob.
    „Keine Angst”, versuchte sie ihr Gegenüber zu beruhigen. „Ich bin nicht ganz so stürmisch wie mein gefiederter Freund. Ich will nur kurz sehen, was seine Attacke angerichtet hat. In Ordnung?”
    Das Spitzpanzer-Pokémon gab zögerlich nickend sein Einverständnis und die Fähe betastete vorsichtig die dunkel verfärbte Stelle des Verbandes. Obwohl das Brigaron versuchte so still wie möglich zu halten, klopfte sein Herz schnell und sein Atem war keuchend.
    „Du kannst dich glücklich schätzen, Athos”, meinte das Fennexis plötzlich zu ihrem Freund. „Deine Attacke hat die Wunde nicht erneut aufreißen lassen, man sieht hier nur noch das geronnene Blut von gestern.”
    Das Kramurx krächzte nur verstimmt und flatterte zu seinem Ast, um von dort eine bessere Sicht zu haben.
    „Entschuldige bitte, das Verhalten meines Freundes”, wandte sich die Fähe nun an ihr Gegenüber, nachdem sie ihre Pfoten gesenkt hatte. „Er ist nun mal sehr vorsichtig, wenn auch manchmal etwas zu sehr.”
    Ein bockiges Krähen war die Erwiderung des schwarzen Vogels auf die Aussage, doch das Fennexis achtete nicht auf ihn.
    „Mein Name ist Fran”, stellte sie sich vor. „Und mein gefiederter Freund hört auf den Namen Athos. Und wie heißt du?”
    „Gideon”, erwiderte das Brigaron schnell, doch nach einer kurzen Pause, fügte er etwas ruhiger hinzu, „Ich bin Gideon. Vielen Dank für die Wundversorgung, Fran.”
    „Gern geschehen”, erwiderte sie mit einem Lächeln, doch die Krähe meldete sich sogleich laut krächzend zu Wort.
    „He, sack nicht die ganzen Lorbeeren alleine ein! Wenn ich diesen Kerl nicht gefunden hätte, wär’s jetzt um ihn geschehen!”
    „Dann danke ich Euch besonders für meine Rettung, verehrter Athos”, wandte sich Gideon an das Kramurx, dem vor Überraschung der Schnabel offen stehen blieb. Doch sogleich schüttelte er den Kopf und meinte: „Na, ganz so förmlich musst du nun auch nicht sein.”
    „Ach und ich dachte fast, du bestehst jetzt auf eine derartige Anrede”, neckte Fran den schwarzen Vogel, doch dieser überhörte die Aussage großzügig und vertiefte sich stattdessen in die Pflege seines tiefschwarzen Gefieders. Darüber konnte die Fähe nur belustigt grinsen, während sie sich erhob und dem Brigaron eine Hand hinstreckte. Mit einem dankenden Nicken ergriff er ihre Rechte und ließ sich auf die Beine ziehen.
    „Danke”, meinte Gideon etwas verlegen über die Hilfe die er dafür benötigt hatte, aber Fran bückte sich bereits, um ihren Zweig wieder aufzuheben — diesen verstaute sie nun in dem dichten Fell ihres linken Arms — und ging zum Ofen.
    „Athos, würdest du bitte den Tisch decken?”
    Mit einem zustimmenden Krächzen glitt das Kramurx von seinem Ast zu einem Regal und begann Holzschüsseln auf den Tisch zu stellen. Während die Fähe mit einem Kochlöffel noch einmal in der Pfanne umrührte, legte ihr geflügelter Freund mit ungeahnter Sorgfältigkeit zwei metallene Esslöffel bereit.
    Voller Staunen beobachtete Gideon das Treiben und war so fasziniert, dass er erst auf den zweiten Blick bemerkte, wie Fran einen zweiten Stuhl aus einem Nebenzimmer holte und dazustellte, als die Schüsseln bereits von ihr gefüllt waren.
    „Setz dich, bitte”, bot sie ihm den Platz ihr gegenüber an, den er mit einem schüchternen Nicken einnahm.
    „Na dann”, begann Athos, als sie alle vor ihrem verlockend duftendem Essen saßen, „an Guadn!”
    „An Guadn”, erwiderte Fran, belustigt darüber, wie sich die Krähe auf die Beeren stürzte, während sie selbst den ersten Löffel zum Mund führte.
    „Ahm … guten Appetit”, meinte Gideon etwas verunsichert über den ihm unbekannten Ausdruck. Er hoffte einfach, dass seine Variante auch nicht verkehrt war. Seine beiden Gastgeber gingen nicht darauf ein, sondern schienen sich gerade lediglich die gebratenen Beeren schmecken zu lassen. So herrschte für eine Weile Stille am Tisch, die von dem Geräusch der Löffel in den Holzschüsseln unterstrichen wurde. Ab und an bemerkte Gideon, dass sich Fran und Athos einige Blicke zuwarfen mit denen er jedoch nichts anfangen konnte und deshalb hoffte, dass er sich nicht gerade irgendwie lächerlich machte. Er bemühte sich deshalb noch mehr als zuvor so anständig wie möglich zu essen.
    „Ah!”, seufzte Athos. „Herrlich! Ich liebe dieses Gericht.” Er schob die Schüssel mit dem Schnabel von sich weg und setzte sich auf den Tisch, sodass nur noch die Krallenspitzen unter dem Federkleid zu sehen waren.
    „Da möchte ich mich gerne anschließen, es war absolut köstlich”, stimmte Gideon in das Lob mit ein, nachdem er seinen Löffel zur Seite gelegt hatte.
    „Danke schön”, erwiderte Fran freudig. „Dabei ist das eigentlich gar kein besonders aufwendiges Gericht, aber es freut mich, wenn es euch geschmeckt hat.”
    „So”, begann der schwarze Vogel schließlich in einem ernsten Tonfall und fixierte das Brigaron mit seinen roten Augen, die unter der Krempe seines Federhutes hervorstachen, „was macht ein Krieger aus dem Osten in diesem Wald?”



  • The wounded Soldier // Teil IV (Teil I / Teil II / Teil III)
    (Work in Progress - begonnen Dezember 2013)


    Das war die Frage die unweigerlich kommen musste und auf die Fran nur gewartet hatte. Ihr war bewusst gewesen, dass Athos sie stellen würde, obwohl sie selbst ihrem Gast noch etwas mehr Ruhe gegönnt hätte. Irgendetwas sagte der Fähe, dass von dem Spitzpanzer-Pokémon keine Gefahr ausging und deshalb hatte sie keine Notwendigkeit darin gesehen ihn zu befragen.
    Gideon hatte sich innerlich natürlich darauf eingestellt, dass seine Gastgeber ihn wohl kaum ohne Informationen über ihn bei sich lassen würden. Doch die Art, wie das Kramurx betont hatte, dass er aus dem Osten kam, machte ihm klar, dass die anderen wohl aus dem Westen kommen mussten. Er spürte, wie er sich unwillkürlich unter dem Blick Athos anspannte, selbst wenn die Augen von Fran nur Interesse ausstrahlten. Doch anstatt eine Antwort zu geben, entschied er sich für eine Gegenfrage.
    „Wisst ihr über den Krieg bescheid?”, wollte er wissen.
    „Wir wissen davon, aber das ist weit weg von hier”, erwiderte Fran. „Und wir sind gewillt uns auf keine Seite zu stellen. Denn keinen von uns interessiert dieser Konflikt und auch sonst niemanden der in diesem Wald lebt.”
    „Dieser Wald liegt an der Grenze zwischen Ost und West”, bemerkte Gideon und bekam von den anderen ein einstimmiges Nicken.
    „Das ist uns bewusst”, krähte Athos. „Deshalb haben wir auch alles Recht neutral zu bleiben. Aber du hast immer noch nicht erzählt was du hier machst.”
    „Meine Einheit ist südlich von diesem Wald an der Grenze stationiert und wir sind in ein Scharmützel mit den Truppen aus dem Westen geraten. Als ich der Strategie unseres Kommandanten folgte, wurde ich jedoch von den Gegnern verfolgt und konnte mich nur noch in den Wald retten”, erzählte Gideon und starrte dabei auf den Holztisch. Er erinnerte sich nur ungern daran, wie ihn die Truppen des Feindes umher gehetzt hatten und er nur knapp entkam, weil sie ihm nicht in den Wald folgten.
    „Und sie sind dir nicht nachgerannt?”, fragte die Fähe etwas verwirrt. Das Brigaron schüttelte den Kopf und hob den Blick.
    „Ich kann selbst nicht ganz verstehen warum sie es nicht taten, aber ich konnte ihre Schritte nicht mehr hören, nachdem ich den Wald betreten hatte.”
    „Meinst du, dass der Westen weiß, warum dieser Wald so besonders ist?”, wandte sich Fran an Athos, der nachdenklich den Kopf schief legte.
    „Wäre möglich. Immerhin ist die nächste Siedlung auf der westlichen Seite wesentlich näher als jede auf der östlichen. Wahrscheinlich sind wir nur eine Fleck auf der Karte des Ostens, während der Westen durchaus um unsere Bedeutung weiß”, vermutete das Kramurx. Die Fähe war aufgestanden, stapelte die Schüsseln und stellte sie in das steinerne Spülbecken, ehe sie tönerne Becher mit Wasser aus einer Kanne füllte und diese auf den Tisch stellte.
    „Das klingt logisch. Immerhin lebten meine Großeltern viele Jahre in diesem Haus, bevor sie wegen der Krankheit meines Großvaters zurück zur Siedlung mussten”, meinte Fran als sie sich wieder setzte.
    „Dann … bist du aus dem Westen?”, fragte Gideon und hoffte, dass er es sich damit nicht verspielt hatte. Doch zu seiner Erleichterung nickte das Fennexis ruhig.
    „Ja, ich bin in der nahen Siedlung geboren. Athos ist aus dem Osten, aber ich hab ihn vor einigen Jahren hier verletzt im Wald gefunden. Und seitdem wohnen wir hier zusammen.”
    „Weil du mit ihm nicht zurück nach Hause konntest?”, wagte das Brigaron zu schlussfolgern und das Kramurx krächzte zustimmend.
    „Irrsinnig eigentlich, aber bereits zu dieser Zeit waren die Beziehungen sehr angespannt”, bemerkte die Krähe und steckte ihren gelben Schnabel in den Becher um zu trinken. Athos hob den Kopf wieder und es tropfte noch etwas Wasser von seinem Schnabel, als er ungerührt meinte: „Aber eigentlich geht dich das alles gar nichts an und du solltest jetzt ohnehin von hier verschwinden.”
    „Was?”, entkam es Fran überrascht, doch sie erntete dafür von ihrem gefiederten Freund einen verärgerten Blick.
    „Du hast doch gehört, er ist von seiner Einheit getrennt worden und er ist aus dem Osten. Der Osten hat keinen Respekt vor diesem Wald und wenn sie ihn suchen … es ist einfach zu riskant, dass er hier bleibt!”
    „Aber du kannst ihn doch nicht einfach vor die Tür setzen! Er ist immer noch verletzt, Athos!”, begehrte die Fähe auf.
    „Und?”
    „Ich glaub es nicht, seit wann bist du so ignorant?”
    „Seit wann bist du so leichtsinnig?”
    Bevor zwischen den beiden ein Wortgefecht entbrennen konnte, mischte sich Gideon ein indem er sagte: „Man wird mich nicht suchen.”
    „Wird man nicht?”, krächzte das Kramurx verwundert und wandte sich wieder dem Spitzpanzer-Pokémon zu.
    „Nein. Niemand wird mich suchen. Denn ich war das Bauernopfer in der Strategie des Kommandanten. Es wird ihn eher überraschen, dass ich noch am Leben bin.”


  • The wounded Soldier // Teil V (Teil I / Teil II / Teil III / Teil IV)
    (Work in Progress - begonnen Dezember 2013)


    Als er sich am Ende seiner Kräfte durch den Wald geschleppt hatte, war ihm bewusst geworden, dass er von Anfang an den Lockvogel gespielt hatte und, dass er es wohl nur dem Respekt des Westens vor diesem Forst zu verdanken hatte, dass er von den feindlichen Truppen nicht zur Strecke gebracht wurde. Er hätte bei dieser Aktion sterben sollen - aber das war ihm nicht bewusst gewesen, als er den Befehl erhielt.
    „Ein Soldat hinterfragt nicht die Anordnungen seines Kommandanten”, meinte Gideon bitter, bevor er einige Schlucke von dem Wasser nahm.
    Athos’ Blick war weiterhin misstrauisch, aber er verkniff sich einen Kommentar, als er bemerkte, dass den Krieger der Vertrauensbruch sehr verletzte. Stattdessen flatterte er vom Tisch auf und setzte sich wieder auf seinen Ast, um sich das Gefieder zu putzen. Frans Ohren zuckten kurz, während sie ihr Gegenüber dabei beobachtete, wie er gedankenverloren den Becher in seinen Krallen drehte und es gar nicht bemerkte.
    „Welcher Befehlshaber schickt seine Soldaten denn in den Tod? Ich hatte angenommen, sie müssen sich um ihre Untergebenen kümmern, wie eine Mutter um ihre Jungen”, ging es der Fähe durch den Kopf. Sie blickte aus dem Fenster und erkannte wie der Tag sich langsam dem Nachmittag zuwandte. Was sie daran erinnerte, dass sie heute eigentlich Aprikoko sammeln wollte. Sie kannte einige Bäume deren Früchte reif sein müssten und sie hätte das durch die ganze Aufregung beinahe vergessen. Normalerweise zog sie immer mit Athos los, doch dieser schien auf seinem Stammplatz vor sich hinzudösen. Außerdem war er heute bereits viel herumgeflogen und konnte diese Pause sehr gut gebrauchen. Stattdessen überlegte sie, ob sie Gideon fragen sollte, ob er mitkommen wollte. Sie erhob sich und nahm sich den großen Holzkorb, der unter dem Fenster stand. Als sie sich noch einmal zu dem Spitzpanzer-Pokémon umdrehte, der immer noch unbewusst mit dem Becher spielte, hatte sie ihren Entschluss gefasst. Es war ihr unmöglich ihn einfach so Trübsal blasend hier zu lassen - besonders, da sie um Athos’ zumeist etwas ungehaltene Art wusste.
    „Gideon?”
    „Äh, ja”, erwiderte der Angesprochene verwirrt, als er von Fran aus seinen Gedanken gerissen wurde.
    „Ich wollte losgehen und einige Aprikoko pflücken. Da Athos sich ausruht, wollte ich fragen, ob du nicht vielleicht Lust hättest mich zu begleiten?”
    Der Vorschlag des Fennexis überraschte Gideon, doch er willigte gerne ein. Die Möglichkeit sich etwas die Beine zu vertreten und nicht so sehr daran zu denken, wie seine Aufopferung als Soldat ausgenutzt wurde, sagte ihm sehr zu und so folgte er Fran gern, die zielsicher den Weg durch den Forst zu den Aprikokobäumen fand. Er bewunderte sie dafür, denn er hatte schon innerhalb kürzester Zeit jedes Gefühl für Orientierung zwischen den vielen Baumstämmen verloren und konnte kaum sagen, ob sie an einem bereits vorbeigekommen waren oder nicht.
    Sie unterhielten sich, während sie von einem fruchttragenden Aprikokobaum zum nächsten wanderten, hauptsächlich über den Wald. Gideon hatte gleich gemerkt, wie viel Freude es der Fähe machte über die verschiedenen Bäume und Sträucher zu sprechen. Die allgegenwärtige Melodie des Waldes war das Zwitschern der Dartiri und Taubsi, die immer wieder in den Baumkronen herumflogen. Ab und an kreuzten geschäftige Wadribie ihren Weg, die Fran wie eine alte Freundin grüßten. Als sie einen der Aprikokobäume erreichten, flatterte um dessen Krone ein großer Falter mit grünen Flügeln.
    „Hallo, Liv!”, rief die Fähe freudig und sogleich wandte sich der Schmetterling um und flog zu ihr hinunter.
    „Fran, wie schön dich zu sehen”, begrüßte das Vivillon das Fennexis in dem es einmal um sie herumflatterte. „Oh, wer ist denn da noch bei dir?”
    „Das ist Gideon”, stellte Fran ihren Begleiter kurz vor.
    „Freut mich sehr. Ich bin Liv”, meinte der grasgrüne Falter, nachdem das Brigaron freundlich den Arm als Gruß gehoben hatte.
    „Na, wieder auf der Jagd nach Aprikoko?”
    „Aber natürlich”, versicherte Liv der Fähe. „Ich hab aber bereits die grüne Sorte die hier wächst, ich wollte mich nur vergewissern, wann ich wieder herkommen darf.”
    „Sind denn heute auch schon welche reif?”, wollte Fran wissen. „Ich bin mir bei dieser Sorte nie sicher. Die anderen kann ich auswendig, aber bei den grünen vergess ich es immer.”
    „Doch, heute sind auch ein paar reif. Moment ich hol sie dir”, bot Liv an und bevor die Fähe noch etwas erwidern konnte, hatte sich der Falter auch schon flatternd dem Baum genähert und pflückte zwei der Früchte von den Ästen.
    „Hier bitte.”
    „Vielen Dank, Liv. Damit hab ich für heute alles.”
    „Gerne. Ich muss dann auch schon wieder weiter. Man sieht sich!”, winkte das Vivillon zum Abschied noch mit seinen kurzen Armen, bevor es zwischen den Baumstämmen verschwand.




    Meine Rasse ist verhasst. Deshalb leben wir abgeschieden von anderen für uns selbst. Wir bilden keine Gruppen, denn das würde die Gefahr für unser Leben nur erhöhen. Einige bilden Paare, leben gemeinsam an Orten, die so weit weg von unseren Feinden sind, dass sie uns nicht erreichen können. Die Einsamkeit hat mein Volk stolz und stark gemacht. Und misstrauisch. Ich erinnere mich daran, wie meine Eltern die Vögel fürchteten, weil sie Späher sein könnten. Wir begegnen jedermann mit Vorsicht. Unser Vertrauen muss hart erkämpft werden und manchmal reicht es nicht einmal für unsere Artgenossen.
    Ich sollte sie gewöhnt sein, diese Lebensweise. Die ständige Einsamkeit, das fehlende Vertrauen in andere. Aber ich bin es nicht. Mein ganzes Leben kenne ich nichts anderes und doch scheine ich als einziger darunter zu leiden. Jedenfalls denke ich das, eigentlich bin ich mir gar nicht sicher. Ich weiß nicht, wie es ist Gesellschaft zu haben, aber manchmal frage ich mich, wie es wäre. Aber vielleicht ist das auch nur ein Ausdruck von Schwäche.


  • Die Umgebung raste an ihr vorbei, als sie sich ihren Weg durch das Unterholz bahnte. Ihr Herz klopfte wild, während sie immer weiter lief. Sie konnte ihre Verfolger hinter sich hören, wie ihre schweren Schritte Zweige zerbrachen und das trockene Laub aufwirbelten. Geschwind schlug sie ein paar Haken, versuchte sie in einer Gruppe dichtstehender Birken abzuhängen oder zu verlangsamen, aber ihre Versuche schienen nicht erfolgreich zu sein. Sie konnte immer noch die verzerrte Stimme hinter sich hören, die unbekannte, aber laute Befehle gab. Vor ihr tauchte plötzlich ein umgestürzter Baumstamm auf, der ihr den Weg versperrte. Für einen schnellen Herzschlag dachte sie daran anzuhalten und um ihn herum zu laufen, aber das würde ihren Verfolgern nur die Möglichkeit geben, sie zu erwischen. Also gab es nur eine Möglichkeit.
    Sie versuchte noch etwas schneller zu laufen und stieß sich kurz vor dem Stamm vom Waldboden ab. Für einen kurzen Moment schwebte sie in der Luft, unter ihr die verwitterte Borke und vor ihr der Weg aus dem Forst. Ihr goldgelbes Fell setzte sich deutlich von der Umgebung ab und ihre sechs Schweife folgten ihr, wie eine Schleppe. Im Augenwinkel bemerkte sie plötzlich ein helles Licht, welches sich schnell auf sie zubewegte.
    Der Schmerz explodierte in ihrer Flanke, als die sichelförmige Energie sie im Sprung traf und mehrere Sprünge von dem Baum fortschleuderte. Voller Pein jaulte sie auf und blieb einige Herzschläge lang zitternd am Boden liegen. Wimmernd rappelte sie sich auf die Pfoten, ihr rechtes Hinterbein angehoben, um es nicht zu belasten. Keuchend stand sie zwischen zwei Fichten und sah ihre beiden Verfolger auf sich zukommen.
    „Jetzt haben wir dich”, wandte sich das Klingen-Pokémon an den Fuchs. Abwehrend knurrte sie ihr Gegenüber an und stellte ihre sechs Schweife auf.
    „Du hast es erwischt! Gut gemacht, Galagladi”, lobte der Mensch seinen Begleiter, welcher daraufhin kurz nickte. „Also gut, wie machen wir das jetzt am Besten …”, begann der Trainer und fuhr sich nachdenklich mit der Hand durch die Haare. Er schien unsicher zu sein, was er nun tun sollte.
    Sie verstand nicht was dieser Mensch von ihr wollte und warum er sie so lange mit seinem Galagladi gejagt hatte. Aber die Attacke machte deutlich, dass er kämpfen wollte — nur wollte sie es nicht. Während ihre Verfolger bewegungslos dastanden testete sie vorsichtig, ob sie ihr rechtes Hinterbein belasten konnte. Es tat etwas weh, aber das konnte sie aushalten. Mit einem entschlossenen Ruf spie sie den Beiden etwas Feuer entgegen und nutzte die Überraschung um zu fliehen. Geistesgegenwärtig stellte sich Galagladi vor seinen Trainer und beschwor einen schützenden Schild auf, der sie vor der Attacke abschirmte. Nachdem die Flammen sich aufgelöst hatten, sprintete das Klingen-Pokémon auf Befehl seines Trainers nach vorn, um die Verfolgung wieder aufzunehmen.
    Sie kam langsamer voran als zuvor, hatte sich aber einen guten Vorsprung durch ihre Attacke verschaffen können. Doch ihr Weg endete abrupt vor einer Felswand, die hinter einigen Bäumen aufgetaucht war. Sie bremste scharf ab und stand schwer atmend vor dem Hindernis. Die Schritte ihrer Verfolger und ihre Rufe wurden wieder lauter.
    „Wohin? Wohin?”, schoss es ihr durch den Kopf. Ihre Beine zitterten und die Erschöpfung machte sich in ihrem Körper breit. Sie fühlte sich so müde, dass sie nicht wusste, ob sie überhaupt noch die Kraft hatte weiterzulaufen. Aber hatte sie dann überhaupt die Kraft zu kämpfen? Dem Fluchtinstinkt folgend sprintete sie nach rechts — irgendwo musste es doch einen Weg geben! Doch im Augenwinkel blitzte ein helles Licht auf und eine Energiesichel schoss auf sie zu. Sie bremste scharf und rannte zurück, während die Attacke in das Gestein krachte. Aber auch der Weg nach links wurde ihr versperrt, als eine weitere Psychoklinge sie beinahe getroffen hätte und sie zum Umkehren zwang.
    „Es ist zwecklos, du sitzt in der Falle”, sagte das Galagladi triumphierend, welches nun einige Sprünge von ihr entfernt auftauchte. Seine grünen Klingen leuchteten, aber sie war unsicher, ob das noch von den Psychoklingen zuvor war oder bereits auf die nächsten Attacken hindeutete. Sie kauerte sich auf den Boden und knurrte ihr Gegenüber mit zurückgelegten Ohren feindselig an.
    „Verschwindet endlich und lasst mich in Ruhe!”, bellte sie aufgebracht, aber das schien den Krieger vor ihr gar nicht zu beeindrucken.
    „Haben wir dich!”, bemerkte der Trainer entschlossen, als er den Platz vor der Felswand erreichte.


  • Geschichtenerzähler
    Und ihre Rolle in Geschichten



    „Pass auf!”, sagte er [Eißpin] dann. „Ich will dir eine Geschichte erzählen.
    Sie handelt vom Kleinen Wald, und sie handelt auch von der Alchimie. Interessiert dich das?”
    Echo nickte.
    (Der Schrecksenmeister von Walter Moers. Die kleinste Geschichte von Zamonien)



    Vor einiger Zeit hab ich mir drei Bücher von dem Autoren Walter Moers bestellt und musste natürlich auch gleich anfangen zu lesen. Dabei bin ich einige Male auf ein Stilmittel gestoßen, welches ich zuvor nur aus dem Buch Unten am Fluss von Richard Adams kannte: das des Geschichtenerzählens. Und während ich da so teilweise ganze Kapitel lese, die nur einer Geschichte innerhalb des Buches gewidmet sind und von einem Charakter erzählt werden, habe ich so darüber nachgedacht, warum dieses Stilmittel verwendet wird. Welchem Ziel dient es, einen Geschichtenerzähler zu haben? Warum sollte man in seiner Handlung ab und an eine Geschichte erzählen?


    Normalerweise beschäftige ich mich nicht mit derartig theoretischen Dingen, wenn es um das Schreiben geht. Ich bin kein Freund von Analysen, die nur darauf abzielen den Text eines anderen in seine Bestandteile zu zerlegen — im schlimmsten Falle im Rahmen einer Schularbeit die auch noch benotet wird! Und trotzdem ist es sehr interessant etwas aufmerksamer zu lesen und nicht nur rein der Handlung eines Buches zu folgen, sondern auch ein wenig der Technik. Den verwendeten Werkzeugen, die über rhetorische Stilmittel hinausgehen. Dem Stil, wie man so schön sagt, der mehr einschließt, als die Art, wie jemand seine Charaktere beschreibt oder welche Worte er benutzt, denn Stil hat auch mit dem Aufbau und der Erzählweise eines Werkes zu tun.
    Aber zurück zu dem eigentlichen Thema: dem Geschichtenerzählen.



    „Erzähl!”, kommandierte Rumo dann.
    Smeik liebte es, Rumo etwas zu erzählen, denn es trug ihn genauso weit von den Teufelsfelsen fort wie den kleinen Wolpertinger.
    „Möchtest du die Geschichte vom Kampf um die Lindwurmfeste hören?”, fragte Smeik.
    „Kampf!”, rief Rumo. „Erzähl!”
    (Rumo & Die Wunder im Dunkeln von Walter Moers. Die fünf Regeln)




    Warum verwendet ein Autor dieses Stilmittel?
    Salopp ausgedrückt: weil er Lust darauf hat. Die meisten Autoren, die ich persönlich kenne, arbeiten wie die Photographen die ich kenne. Was schön ist, wird photographiert, was gefällt wird festgehalten. Persönliche Vorlieben spielen immer eine Rolle und ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass ich sehr selten darüber nachdenke, warum ich etwas schreibe oder weshalb ich an dieser einen Stelle meinen Charakter diese Worte habe sagen lassen. Es fühlt sich einfach richtig an. Also wird es geschrieben.
    Trotzdem kann man der Sache gewisse Aufgaben ableiten, die damit verfolgt werden können. Und so gibt es auf die Frage mehrere Antworten, je nachdem, welche Geschichte erzählt wird kann sie unterschiedlichen Aufgaben nachgehen. Recht klassisch würde ich die Legende nennen, in der sich der Held der Handlung wieder erkennt und ihm seine Rolle klarmacht. Geschichten bieten in einer Handlung aber auch oft Hintergrundwissen zu bestimmten Orten, Personen oder Ereignissen — je nachdem, wie man sie anwendet. Sie können die Vergangenheit eines Charakters darstellen, von dem erst später bekannt wird, dass er gemeint ist.
    Geschichten können aber auch einem anderen Ziel folgen: dem Ausweiten einer Welt. Jede Welt hat eine Vergangenheit, jedes Land, jedes Volk, jede Person. Alles was in der Vergangenheit liegt ist, in gewisser Hinsicht, Geschichte und somit durchaus erwähnenswert in der Handlung — vor allem, wenn sie in einem anderen „Universum” spielt oder aus den Augen von Lebewesen erzählt wird, die nicht menschlich sind. Mithilfe von Geschichten kann man eine Kultur darstellen — und in dieser Form verwendet Richard Adams das Geschichtenerzählen in seinem Buch Unten am Fluss. Noch deutlicher wird es in der Fortsetzung Tales from Watership Down, die eigentlich rein aus den Erzählungen der Kaninchengesellschaft — man könnte es Folklore nennen — besteht.
    Da ich Richard Adams vor Walter Moers kennenlernte habe ich mich bei den vorkommenden Geschichten in Evolis großes Abenteuer (EgA) an seinem Vorbild orientiert.



    He had hardly finished, when there arose the well-worn cry: „Tell us a story, Dandelion! Tell us a story!”
    (Tales from Watership Down von Richard Adams. 1 The Sense of Smell)



    Die bisher in EgA vorkommenden Geschichten haben Fabeln als Vorlage und sollen mithilfe ihrer Lehre einen erzieherischen Charakter haben. Das macht gerade für die Gruppe um Micaiah Sinn, da es sich um sehr junge Pokémon handelt, von denen einige komplett ohne Eltern aufgewachsen sind, und denen man die Welt wie sie ist noch erklären muss. Die erste Geschichte mit der Vorlage „Vom Fuchs und Raben” lehrt, dass man sich vor Schmeichlern hüten sollte, weil man nicht weiß, ob sie es ernst meinen oder daraus ihren eigenen Vorteil schlagen wollen. Die zweite Geschichte mit der Vorlage „Der Hase und die Schildkröte” lehrt, dass man ruhig und bedacht weiter kommt, als mit zu viel Stolz und Überheblichkeit. Indirekt steckt in der zweiten Geschichte jedoch in der Form, wie ich sie erzähle, noch die Lehre, dass man das Verhalten eines Individuums nicht auf eine gesamte Rasse übertragen kann. Somit haben beide Geschichten einen Bildungscharakter und sollen diese Lehren weitergeben.
    Hier geht es aber auch um das mündliche Weitergeben von Kulturgut. Die Menschen haben Bibliotheken gefüllt mit schriftlichem Kulturgut, den Pokémon hingegen bleibt nur das mündliche Weitergeben von Geschichten und Informationen von einer Generation zur nächsten.


    Doch es geht nicht nur allein um die Informationen, die eine Geschichte enthält oder um die Lehre die man daraus ziehen kann oder wie sie sich auf die Handlung auswirken mag. Im Vordergrund steht auch der Akt des Erzählens.
    Der Geschichtenerzähler besitzt ein herausragendes Talent. Er hat nicht nur eine blühende Fantasie, sondern auch die Fähigkeit, Worte hervorzubringen die Bilder in den Köpfen anderer entstehen lassen. Sei es nun eine bekannte Erzählung oder eine noch nie gehörte Geschichte: der Geschichtenerzähler bringt sie richtig zur Geltung. Im besten Falle schlüpft er direkt in die Rollen und haucht den Charakteren ebenso viel Leben ein, wie der Autor dem Charakter des Geschichtenerzählers.



    „Jawohl, wir werden hier ausruhen”, sagte er [Hazel]. „Kriechen wir zwischen diesen Farn. Komm, Dandelion, erzähl uns eine Geschichte.
    Ich weiß, du bist begabt darin. Pipkin hier kann’s gar nicht erwarten.”
    (Unten am Fluss von Richard Adams. 5. In den Wäldern)



    Der Charakter des Geschichtenerzählers kann unterschiedlich dargestellt werden, es kommt auch immer auf die Handlung an, in der er auftaucht. Ich lasse den Geschichtenerzählern eine hohe Stellung zukommen, da ihre Erzählungen vor allem beruhigen und unterhalten sollen. Die erste Geschichte habe ich Micaiah erzählen lassen, als draußen ein Gewitter geherrscht hat und die jungen Pokémon davon etwas verängstigt waren — auch wenn der Leser dies nicht so mitbekam, da sich die Handlung in diesem Teil vor allem auf Yune konzentrierte. Doch nicht nur sollte die Erzählung beruhigen, sie sollte auch eine friedliche Atmosphäre schaffen, eine Form der Vertrautheit.
    Die zweite Geschichte sollte nach einem aufregenden Tag die Gruppe zur Ruhe kommen lassen und ihnen trotzdem etwas zum Nachdenken geben. In Bayern würde man das als „Betthupferl” bezeichnen. Gut möglich natürlich, dass meine eigene Erfahrung aus meiner Kindheit ebenfalls mit hinein geflossen ist und mich an die vielen Abende erinnert hat, in denen meine Mutter mir und meinem jüngeren Bruder vorgelesen hat.
    Die Rolle einer Geschichte innerhalb einer Handlung ist letztendlich dieselbe, wie die Handlung selbst: eine kleine Flucht aus der Realität. Einen anderen Ort sehen, ohne das Haus verlassen zu müssen. Für einen Moment vergessen, dass man sich zuvor noch gefürchtet hat. Oder für kurze Zeit jemand anderer sein und Dinge erleben, die man selbst nie erfahren würde.


    Geschichten innerhalb einer Handlung können also einige Ziele verfolgen. Als Stilmittel sollten sie deshalb bei sich bietender Gelegenheit verwendet werden.
    Außerdem hat so eine Geschichte auch einen anderen, sehr positiven Effekt: weiß man mal nicht weiter, lässt man jemanden eine Geschichte erzählen. Vielleicht vertreibt das eine Schreibblockade?



    Auswahl an Beispielen des Stilmittels:
    Rumo & Die Wunder im Dunkeln von Walter Moers (ganze Kapitel sind Erzählungen, die zamonische Geschichte vermitteln, aber auch später auftretende Charakteren eine Vergangenheit geben. Allgemein ist das Buch geschickt durchsetzt mit Rückblicken.)
    Der Schrecksenmeister von Walter Moers (ähnliche Anwendung wie im zuvor genannten Werk, wenn auch nicht mit derartig langen Passagen.)
    Unten am Fluss von Richard Adams (Darstellung der Kaninchenkultur anhand von mündlich überlieferten Sagen, die vor allem die Abenteuer des Stammvaters der Kaninchen El-ahrairah darstellen.)
    Tales from Watership Down von Richard Adams (Sammlung von traditionellen Sagen und modernen Kaninchengeschichten aus dem Universum des Buches „Unten am Fluss”.)


  • Sterngucker


    für Hiss-san


    Deine Hand will ich spüren;
    In meiner, um dich zu führen,
    Eine Nacht lang durch meine Welt.
    Ich hoffe, dass es dir gefällt.


    Kalt ist die nächtliche Luft,
    Überall dieser vertraute Duft.
    Deine Stimme an meiner Seit’.
    Nein, es ist nicht mehr weit.


    Siehst du die große Wiese dort?
    Dies ist ein ganz besond’rer Ort.
    Hier komm ich her, um die zu sehen,
    Die stumm am Himmel stehen.


    Sie haben uns viel zu erzählen
    Und wir können frei wählen,
    Welchem Stern wir zuerst lauschen,
    Wenn die Bäume im Wind rauschen.


    Ich werde im Gras einschlafen,
    Bei meinem sicheren Hafen,
    Deinen Herzschlag in meinem Ohr,
    Geborgen wie in einem Fort.


  • Guten Abend @Cyndaquil


    Ich möchte gerne dein Gedicht "Sternengucker" kommentieren. Laut deiner "Next"-Box scheinst du Gedichten aufgrund ihrer eher einfach gestrickten Bauweise und der oftmals simplen Wortwahl eher zu meiden, was ich eigentlich schade finde. Auch wenn du mir nicht labst, mir gefällt gerade dieser einfache Stil am meisten, denn ein komplexer Aufbau. Viele lyrische Werke sind viel zu verschachtelt, besitzen komplizierte und für mich fremde Wörter und ganz oft ertappe ich mich dabei, wie ich den Sinn und Kern nicht verstehen kann. Man merkt, ich bin ebenso einfach gestrickt und so habe ich mit deinem Werk schon meine Freude. :)


    Ich mag dieses Gedicht, denn es hat eine sehr sanfte Art an sich und versprüht dieses Gefühl von Geborgenheit. Es verströmt eine intensive Ruhe, sodass man die selbige Lust verspürt, sich ins Gras zu legen und zum Sternenhimmel hinauf zu blicken. Du umschreibst den Vorgang dabei wirklich gut und gehst klare Schritte bin zum Ziel.
    Anfangs ist da eine führende Persönlichkeit und eine, die folgt. Dabei baust du keine strenge Dominanz aus, wodurch beide eine gut gegliederte Einheit bilden und weder der eine, noch der andere zu sehr hervorsticht. Dies hält die Balance im Gedicht und lenkt nicht ab.


    Ansonsten sind die Umgebungen recht schön beschrieben und ebenfalls sehr harmonisch eingebunden. Ob nun die grüne Wiese bei sternenklarer Nacht, oder aber die Bäume, die im Wund rauschen. Du benutzt hierbei sogar einen akustischen Ausdruck, der mich an einen anderen Text hier im E&S-Thread erinnert, nämlich dem Lauschen der Sterne, obwohl diese stumm am Himmel stehen. Das Einzige, das akustisch hinterlegt ist, ist eben das Rauschen der tausenden Blätter, durch welche der Wind zieht. Sterne selbst sind dazu nicht in der Lage, doch mit der Abgeschiedenheit und der vollkommenen inneren Ruhe vernimmt man vielleicht etwas, was man sonst nicht hört: Stille.


    Und gerade der letzte Teil, als man sich in Gras legt, um zu ruhen und dabei den Herzschlag des anderen hört, ist unglaublich schön. Da füllt sich das Herz des Lesers schon zusätzlich mit einer tiefen Entspanntheit.
    Auch dein Versmaß trägt zu dieser tollen Atmosphäre bei, denn dadurch wird eine gewisse Ornung erzeugt, die aber nicht aufdringlich erscheint, sondern den Emotionen im Text eine gewisse Fülle verleiht.


    Ich hoffe, die mit diesem Kommentar ein wenig bestärkt zu haben, sodass noch öfters solche Gedicht entstehen. Wünsche dir dabei viel Erfolg.


    Mfg Miss Fox

    "Wie beim Kartenspiel kommt es auch im wirklichen Leben darauf an,
    das Beste aus dem zu machen, was einem gegeben wurde,
    anstatt sich über ein ungünstiges Blatt zu beschweren und mit dem Schicksal zu hadern."


    [Astor, Pokémon - Schwarze Edition]

    Nur noch sporadisch im BisaBoard.

  • Zehn Jahre später …
    Nun, genau zehn Jahre sind es nicht, aber doch über ein Jahr, dass hier mal was passiert ist. Ich lass die Asche mal weg und werde mich auch nicht in Sacktuch werfen, weil … ja, ich hab das Thema eigentlich bewusst bissl verwahrlosen lassen. Wenn man nichts hat, um es zu zeigen, kann man ja schlecht was updaten und ich habe noch nie bewusst für dieses Thema geschrieben. Insofern … falls jemand einen Grund braucht, das wäre er.


    Nichtsdestotrotz hat @Foxhound ihren Rekommi verdient und der kommt hiermit. (:


    Oh, ich kann dich sehr gut verstehen, was Gedichte betrifft! Ich hab es auch lieber einfach, als sehr verschachtelt, denn ich bin ein einfach gestrickter Mensch und verstehe viele Metaebenen in Gedichten sowieso nicht. ^^“ Komm mir dann oft sehr schwer von Begriff vor oder schlichtweg dumm, wenn ich ein Gedicht nicht versteh. Aber irgendwie ist da dieser Druck, seine Gedichte sprachlich anspruchsvoll zu gestalten oder zumindest kein Prosa in Gedichtform zu schreiben, dass ich davon zurückschreck. Ich weiß nicht mal, was ein Jambus ist. Ja, so ungebildet bin ich in der Hinsicht. Deshalb freut es mich sehr, wenn dir mein Gedicht Freude bereitet hat. (:


    Wow, so viel Lob für dieses kleine Werk, da weiß ich gar nicht was ich dazu sagen soll. Außer natürlich vielen Dank dafür! #^^#
    Es freut mich sehr zu lesen, dass dieses Gedicht so ein entspannendes und warmes Gefühl erzeugt, denn genau das hab ich damals 2012 beim Schreiben empfunden. Mir war bei diesem Gedicht wichtig die Verbundenheit zwischen zwei Personen zu zeigen, ohne in das Klischee von Liebesgedichten zu greifen. Im Grunde, war es auch nicht als Liebesgedicht geplant, ich wollte nur irgendwie ausdrücken was ich fühle und dabei kam das hier raus. Die Balance zwischen den beiden Charakteren war mir wichtig, weil das für mich zur Vertrautheit dazu gehört, irgendwie. Und genau das sollte hier vor allem im Vordergrund stehen: eine Vertrautheit.
    Ohne Umgebungsbeschreibungen geht es bei mir eigentlich fast nicht. Ich weiß auch nicht, mir ist immer wichtig zu zeigen, wo etwas passiert, weil das doch viel zu der Atmosphäre beiträgt. Und ich meist auch eine gewisse Stimmung mit rüberbringen möchte — was mir hier wohl erstaunlich gut gelungen ist. Ich bin da immer noch ganz überrascht. ^^“ Aber es freut mich wirklich, das zu hören!


    Dein Kommi hat mich durchaus bestärkt und deshalb bedanke ich mich vielmals dafür, dass du dir die Zeit genommen hast! (:



    Es ist eine ganze Weile her, dass hier mal was Neues kam und gerade ist mir meine übliche "Form" dafür auch ein bissl zu blöd, tbh. Deshalb ganz umkompliziert kommt hier die Langfassung einer Wettiabgabe von letztem Jahr. Ich gestehe, der Text ist jetzt ein Jahr alt und ich hab ihn mir vor dieser Veröffentlichung nicht noch mal durchgelesen. Nachdem ich aber eine Kurzfassung für den Wetti draus gemacht habe, dürfte er nicht ganz furchtbar sein. In diesem Sinne, belebe ich mal dieses Topic wieder. (Ich brauch dringend einen Plan ...)



    Kanani


    „Warum sind wir noch mal hier?”, fragte Aoi und sah sich um. Es musste in der Nähe doch irgendetwas geben, was den Aufenthalt erklären würde.
    „Kannst du es dir nicht denken, wenn Fantine die Angelausrüstung trägt?”, erwiderte Phoebe und schenkte ihrem Bruder einen verständnislosen Blick.
    „Ja, logisch. Du willst angeln gehen, alles klar. Aber was denn bitte? Soweit ich weiß, hast du doch die meisten Wasser-Pokémon schon gefangen”, entgegnete er etwas genervt. Konnte sie ihm nicht einfach sagen, was sie hier auf Route 119 eigentlich vorhatten?
    Fantine gab ein tiefes Grollen von sich, sodass sich die Trainerin zu ihr umdrehte. Unschlüssig stampfend stand das Chelterrar vor einer in den Stein eingearbeiteten Treppe und wusste nicht, wie sie dort hinunter kommen sollte. Phoebe rannte die Stufen wieder hinauf und strich ihr beruhigend über die gepanzerte Schnauze.
    „Entschuldige, Fantine. Hier kommst du natürlich nicht weiter. Moment, ich nehm die Ausrüstung und dann helf ich dir runter, ja?”
    Das Chelterrar brummte zufrieden, schwang seinen Schweif von einer Seite zur anderen und stupste die Trainerin liebevoll mit der Schnauze an.
    „Als könnte ich dich zurücklassen, meine Liebe.”
    „Soll ich dir helfen?”, bot sich Aoi, der bereits am Fuß der Treppe angekommen war.
    „Nein, schon ok, ist ja nicht so viel. Das meiste Reisegepäck haben wir ja in Baumhausen gelassen.”
    Die Zwanzigjährige schulterte den Rucksack, gefüllt mit verschiedenen Arten von Pokébällen und Proviant, nahm die Superangel in die Hand und rief ihr Pokémon zurück. Danach lief sie die Stufen nach unten bis sie wieder bei ihrem Bruder angekommen war.
    „Hast du Fantine eigentlich immer außerhalb ihres Balls?”, fragte er interessiert.
    „Wenn wir draußen unterwegs sind immer. Sie ist es so gewöhnt. Aber manchmal vergessen wir beide, dass sie kein Chelast mehr ist und manche Sachen für sie nicht zu überwinden sind.” Phoebe sah sich um. Es folgten noch einige Treppenabstiege bevor sie am Wasser waren. Aoi bemerkte ihren suchenden Blick.
    „Wonach hältst du Ausschau?”
    „Nach einer guten Stelle zum Angeln und ich glaub, ich hab schon eine gefunden.”
    Unvermittelt rannte sie vor und mit einem kurzen Seufzer folgte er. Sie liefen an der Brücke zum Klimainstitut vorbei, bis sie schließlich am Ufer des breiten Flusses standen. Das Rauschen des Wasserfalls in der Nähe erfüllte die Luft. Ein paar Geradaks huschten ins nächste Dickicht als sie die beiden Trainer sahen und ein Kecleon verschmolz augenblicklich mit seiner Umgebung, bis man es von dieser nicht mehr unterscheiden konnte.
    „Hier ist es gut!”, freute sich Phoebe und ließ Fantine aus ihrem Ball. Das Chelterrar brummte fröhlich, als es wieder die Sonne auf seinem Panzer spürte und näherte sich dem Wasser, um zu trinken.
    „Okay, hier sind wir also. Erzählst du mir jetzt, welches Pokémon du fangen möchtest?”, hakte Aoi noch einmal nach. „Wenn ich nicht weiß, was du suchst, kann ich dir nämlich nicht helfen, das ist dir klar, oder?”
    „Natürlich, Bruderherz”, erwiderte sie mit einem breiten Lächeln. „Ich suche ein Barschwa.”
    „Ein Barschwa?”, entgegnete er verblüfft. „Was willst du denn damit?”
    Für diese Aussage erntete er einen vorwurfsvollen Blick.
    „Du musst mir nicht helfen, wenn du nicht willst.”
    „Ach komm, du weißt genau, dass ich sonst gar nicht erst mitgekommen wäre. Ich war nur überrascht, das ist alles. An ein Barschwa hatte ich gar nicht gedacht. Willst du unter die Milotic-Trainer gehen?”, erwiderte er mit einem wissenden Lächeln.
    „So ähnlich”, gab sie zurück und blickte auf das gemächlich fließende Wasser vor sich. „Ich finde Barschwa faszinierend und sie werden viel zu sehr auf ihre Weiterentwicklung reduziert. Die meisten ziehen Barschwa doch nur auf, weil es sich zu Milotic entwickelt. Ich will das nicht so machen und außerdem”, sie stellte den Rucksack ab und kontrollierte ihre Angel, „hat sich viel zu sehr eine Elite an Trainern gebildet, die ein Milotic haben.”
    „Und deshalb fängst du jetzt möglichst viele Barschwa?”
    „Nein, ich fang nur ein Barschwa und dann züchte ich.”
    „Das hätte ich mir eigentlich denken können”, erwiderte er breit grinsend und Phoebe lächelte.
    „Du kennst mich halt gut.”
    „Das heißt”, begann Aoi nachdenklich und fuhr sich durch die weißblonden Haare, „dass du ein Weibchen brauchst.”
    „Exakt.”
    „Das kann aber lange dauern.”
    „Ich weiß, einige Versuche werde ich bestimmt brauchen. Immerhin muss es ja auch eines sein, was kämpfen will und nicht gleich verschwindet.”
    „Soll ich mit Namibia nachhelfen?”, bot er ihr an und zückte den Ball seines Lanturn.
    „Danke, aber lieber nicht. Das wird so auch gehen. Ich hab eher daran gedacht, dass du mir vielleicht Layla borgst.”
    „Wofür das?”
    „Na, wegen dem Trugschlag. Der könnte nützlich sein.”
    „Ach so, logisch”, erwiderte er und reichte ihr den Premierball des Snibunna.
    „Danke schön”, meinte sie, als sie den Ball annahm und an ihren Gürtel steckte. Fantine bewegte sich zum Schatten eines nahen Baumes und legte sich auf den mit kurzem Gras bedeckten Boden.
    Die Trainerin zog ihre schwarzen Stiefel und ihren langen, ärmellosen Mantel aus, während Aoi sein belegtes Brot aß. Danach befestige Phoebe eine Beere am Ende der Angel und warf diesen Köder in den Fluss. Ihr Bruder kam kauend näher, setzte sich schließlich nach einer Weile auf den Boden. Sie zog die Schnur ein wenig ein, ließ sie durch das Wasser gleiten und wartete weiter.
    „Angeln ist so furchtbar langweilig”, seufzte Aoi schließlich und legte sich ins Gras.
    „Sch!”, zischte sie ihn an. Konzentriert betrachtete sie die bewegende Wasseroberfläche, achtete auf dunkle Schatten und versuchte mögliche Verstecke aus Tang oder anderen Wasserpflanzen zu entdecken.
    „Im PokéDex heißt es, Barschwa wären dusselig”, flüsterte Phoebe, mehr zu sich selbst als zu ihrem Bruder. „Aber eigentlich glaub ich, dass sie ausgesprochen schlau sind.”
    Er wollte gerade etwas erwidern, da spannte sich die Schnur und wickelte sich von der Angelrolle.
    „Ha!”, entkam es der Trainerin triumphierend und sie versuchte die Schnur aufzurollen, während sie an der Rute zog. Aoi setzte sich auf und beobachtete gebannt den Kampf Wasser-Pokémon gegen Mensch.
    „Mal sehen was es ist!”, rief sie und zog ihren Fang mit einem Ruck aus dem Fluss.
    „Tja, das war wohl nichts”, kommentierte ihr Bruder das Ergebnis und legte sich wieder ins Gras. Gierig den Köder fressend zappelte ein Karpador an der Angel. Vorsichtig ließ Phoebe die Rute wieder ins Wasser und das rote Fisch-Pokémon schwamm eilig davon.
    „Aber nah dran”, entgegnete sie, befestigte eine weitere Beere als Köder und warf die Angel erneut aus.
    Die Stunden zogen an ihnen vorbei, Aoi döste immer wieder weg, bis sie ihm schließlich vorschlug, er soll doch zu Fantine in den Schatten gehen. Aus dem frühen Nachmittag wurde früher Abend und bisher hatte sie fast alles aus dem Fluss an der Angel, nur noch kein Barschwa. Phoebe war schon etwas frustriert und fragte sich, ob sie es für heute nicht sein lassen sollte.
    „Okay, noch ein letztes Mal. Wenn’s dieses Mal keines ist, dann machen wir morgen weiter”, sagte sie zu sich selbst und warf den Köder ins Wasser. Plötzlich schien ein Schatten sich dem zu nähern und zu umkreisen.
    „Hm?”, entkam es der Trainerin verwundert. Dann verschwand der Schemen wieder, um im nächsten Moment aus dem Fluss zu springen. Die braunen Schuppen des Fisches bekamen einen warmen Schimmer vom Sonnenlicht. Er zappelte eine Weile in der Luft und landete mit einem Platschen wieder im Wasser.
    „Barschwa!”, rief Phoebe begeistert und Aoi schreckte hoch.
    „Wie? Was?”, murmelte er verwirrt und rieb sich die Augen.
    Kurz darauf spannte sich die Angelschnur und wickelte sich schnell von der Rolle. Schnell hielt die Trainerin dagegen und versuchte die Angel einzuholen. Sie hatte einige Mühe dabei — das Barschwa hatte eine enorme Kraft. Ihr Bruder sprang schließlich auf und trat an ihre Seite.
    „Los Phi, das schafft du!”, feuerte er sie an und mit aller Kraft zog sie die Rute mit einem Ruck an sich. Am Ende der Angel hing der braune Fisch am Köder, ließ jedoch sofort los und schwamm kampfbereit mit dem Kopf aus dem Wasser in einiger Entfernung. Phoebe griff nach einem Pokéball und warf ihn in die Luft.
    „Tamrat, los!”
    Mit einem übermütigen Trillern erschien ein Vivillon mit monochromen Flügeln. Er drehte sich um die eigene Achse und flatterte schließlich zwischen seiner Trainerin und dem Barschwa. Der braune Fisch sprang aus dem Wasser und zappelte in der Luft. Ein harmloser Platscher, aber selbst hinter dieser Attacke steckte eine Menge Kampfwillen.
    „Tamrat benutz deine Stachelspore”, gab sie den Befehl und schon näherte sich der Schmetterling seinem Gegner. Über diesem schlug Tamrat mit seinen großen Flügeln und ließ feine, gelbe Sporen auf das Wasser regnen. Der Fisch tauchte unter, schwamm hinter seinen Kontrahenten und sprang kräftig aus dem Wasser. Mit einem entschlossenen Tackle rammte der nur halb so große Fisch den Schmetterling und brachte diesen kurz aus dem Gleichgewicht. Mit wildem Flattern hielt Tamrat sich in der Luft, während das Barschwa mitten in die Stachelspore zurück ins Wasser fiel.
    „Sehr gut gemacht, Tamrat. Komm zurück”, rief Phoebe das Vivillon zurück in seinen Ball und warf den Premierball, den sie von ihrem Bruder erhalten hatte.
    „Layla, jetzt bist du dran!”
    Mit einem kampfwilligen Fauchen erschien das Stichklaue-Pokémon am Ufer des Flusses. Das Barschwa schwamm an der Wasseroberfläche und hatte Mühe sich zu bewegen aufgrund der Paralyse. Trotzdem bemühte es sich um einen Platscher und sprang zappelnd aus dem Wasser.
    „Da gibt jemand nicht auf. Okay, Layla, benutz deinen Trugschlag.”
    Das Snibunna drehte sich kurz zu Aoi um, der zustimmend nickte, um ihr zu bedeuten, dass der Befehl seiner Schwester rechtmäßig war. Layla wandte sich dem braunen Fisch zu, sprang ins Wasser und tauchte unter. Das Barschwa reagierte darauf und verschwand ebenfalls im Fluss. Einige Augenblicke geschah nichts, bis plötzlich das Wasser-Pokémon aus dem Wasser geschleudert wurde. Unter ihm tauchte Layla mit leuchtender Kralle auf.
    „Perfekt, Layla!”, lobte Phoebe freudig, schnappte sich einen Ball aus dem Rucksack und warf diesen auf das schwach im Wasser treibende Barschwa. Die hellblaue Kapsel öffnete sich und sog den Fisch in einem roten Strahl ein. Geistesgegenwärtig hielt das Snibunna mit einem Arm den Ball davon ab vom Fluss fortgeschwemmt zu werden. Ein paar Mal wackelte der Tauchball, bis er schließlich ein Klicken von sich gab.
    „Ist es drin?”, fragte Aoi vorsichtig.
    „Ja, ist es! Wuhuu!”, freute sich Phoebe und warf die Angel achtlos neben sich. Layla schwamm mit dem Ball im Maul ans Ufer und die Trainerin nahm diesen glücklich entgegen.
    „Vielen Dank, Layla, für deine Hilfe”, wandte sie sich an das Snibunna und hielt ihr eine Beere hin. Etwas reserviert nahm die Stichklaue das Geschenk an und gesellte sich zu Aoi, wo sie sich am Kopf kraulen ließ. Währenddessen prüfte Phoebe mithilfe ihres PokéDex die Eigenschaften ihres frisch gefangenen Barschwa.
    „Und? Ist es ein Weibchen”, wollte ihr Bruder neugierig wissen.
    „Ja, ist es!”
    „Wow, was für ein genialer Fang”, lobte er sie und rief Layla zurück in ihren Ball. „Da hat sich die Mühe wirklich gelohnt.”
    Die Trainerin ließ den braunen Fisch aus dem Ball, der benommen in der Nähe des Ufers schwamm. Sie stützte das Barschwa mit einer Hand und fütterte ihm zuerst eine Amrenabeere gegen die Paralyse und danach ein Sinelbeere, damit er wieder zu Kräften kam.
    „Du bist ganz schön willensstark, weißt du das?”, sprach sie ruhig mit dem Wasser-Pokémon, das als Antwort die fütternde Hand mit dem Kopf anstupste.
    „Und, wie wirst du deinen Neuzugang nennen?”, fragte Aoi neugierig und ging an ihrer Seite in die Hocke.
    „Sieh sie dir doch an. Da gibt es doch überhaupt keinen Zweifel”, erwiderte Phoebe mit einer Selbstverständlichkeit. „Kanani.”
    „Natürlich”, meinte ihr Bruder. „Die Schöne.”

  • Hallo Feuermaus,


    ich find's interessant, dass du eine Geschichte übers Angeln geschrieben hast, was ja normalerweise als recht mühsam zu schreiben angesehen wird. Man kann sich nicht wirklich auslassen, sondern muss mit dem Fluss gehen. Mit der Ruhe, mit den Eindrücken und manchmal auch der Langeweile, wie sie Aoi schnell von sich gegeben hat. Nur dabei sitzen und nicht selbst angeln ist eben nicht spannend, aber auch der Angler selbst muss sehr geduldig sein. Grundsätzlich ist der Ansatz ja nicht neu, ein seltenes Pokémon zu fangen und mir gefällt der Ansatz, dass Barschwa nicht nur auf seine Entwicklung reduziert wird, sondern das Züchten im Vordergrund steht. Es wird wohl im Endeffekt für andere Trainer darauf hinaus laufen, aber ich find's schön, dass es für Phoebe eben so viel mehr Gründe gibt, als zur Elite zu gehören. Die Geschichte mit der Namenswahl zu beenden fand ich einen guten Abschluss.
    Am meisten profitiert die Geschichte ja von den abwechslungsreichen Dialogen zwischen Phoebe und Aoi. Sie ergänzen sich beide gut und sagen ihre Meinung frei heraus; genau so soll es sein! Darüber hinaus kommen auch die Pokémon nicht zu kurz, wobei Fantine ja an sich nicht wichtig ist. Allein ihre Anwesenheit macht die Szene aber deutlich lebhafter, da die beiden Geschwister nicht allein zugegeben sind. Jedenfalls machst du vieles richtig, vom Dialog hin zum Kampf und auch die ruhigen Szenen wissen zu gefallen. Davon gerne mehr.


    Wir lesen uns!

  • Wollen wir doch mal schauen, ob wir hier nicht etwas mehr Leben reinbringen können -- und genau deshalb gibt's hier jetzt auch das erste Update in 2017. (:


    Zuerst aber natürlich noch der Rekommi für meinen lieben @Rusalka <3
    Ich muss sagen, ich weiß eigentlich gar nicht mehr so genau, wie ich auf diese ganze Szene damals überhaupt gekommen bin. Vermutlich hab ich einfach bissl vor mich hingeträumt, nachdem ich mich für eine Fangszene entschieden hatte. Über die Langeweile beim Angeln hatte ich mir da gar keine Gedanken gemacht. xD
    Ja, mir war wichtig, dass man Barschwa nicht nur als Vorstufe zu Milotic ansieht und da passt Phi als Verfechterin dieser Meinung gleich gut dazu. Phi und Aoi hatte ich erstaunlich schnell charakterisiert, was mich bei menschlichen Charas ja immer wundert, weil ich mit denen ja doch meine Probleme habe. Da sie Geschwister sind, macht es das Schreiben irgendwie einfacher, weiß auch nicht. Vermutlich, weil ich einfach aus dem Erfahrungsschatz schöpfen kann, den ich mit meinem eigenen Bruder habe. ;) Da geht der Umgang einfach sehr ungezwungen und man ist ja auch eher bereit sich gegen ein Geschwisterteil zur Wehr zu setzen. Du hast Recht, die Anwesenheit von Fantine ist in der Geschichte an sich nicht so wichtig, deshalb ist die Szene mit ihr bei der Wettiabgabe auch rausgeflogen, nachdem ich zu viele Wörter hatte. Wollte aber von Anfang an das Chelterrar drinlassen, weil es durchaus ein wichtiges Pokémon für Phi ist.
    Freut mich, dass es dir gefallen hat, vielleicht setz ich in der Zukunft mal mehr Dinge mit den beiden Geschwistern um! Vielen Dank für deinen Kommi. <3



    Eigentlich hatte ich hier eine andere Geschichte geplant, aber nachdem mich @Zymi für die FF-Awards vorgeschlagen hat (die Überraschung der Woche, ganz großes Dankeschön dafür, ich weiß immer noch nicht, wie ich das verdient hab!) kommt hier jetzt Glockenturm, die Kurzgeschichte, die ich für den Freien KG-Wetti in der letzten Saison geschrieben habe.
    Bei der Entstehung des Textes wurde ich tatsächlich hauptsächlich von der Folge von Pokémon Generations inspiriert, aber nicht nur. @Rusalka hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass Ho-Oh allgemein noch gar nicht so viel Screentime im Anime bekommen hat, was angesichts der durchaus großen Rolle in der Johto-Region schon recht merkwürdig ist. Ich hatte also mit dem Gedanken gespielt etwas zu Ho-Oh zu schreiben, die Darstellung in Generations war dann praktisch der letzte Auslöser. Immerhin hatte man die ganze Begebenheit bei der Turmruine so ja noch nicht im Anime gesehen gehabt.
    Große Inspiration war aber vor allem der Okami-Soundtrack, wo ich erstmal meinen Lieblingstrack in Dauerschleife hörte Upkeeper. Einfach, um in die Stimmung zu kommen. Die Kurzgeschichte wurde aber vor allem von diesem Song beeinflusst: The Sun Rises. Die ganze Szenerie war dann irgendwann in meinem Kopf und ich musste nur mehr aufschreiben. Die beiden Legendären hier zu charakterisieren hat mir eine Menge Spaß gemacht, obwohl ich im Grunde nur ganz grobe Züge im Kopf hatte. Ich wollte Ho-Oh hierbei durchaus etwas älter und reifer darstellen, aber deshalb nicht steif, das war mir wichtig. Celebi ist ja das sprühende Leben, sie sollte also durchaus ihrer Lebensfreude Ausdruck verleihen, dabei aber nicht irgendwie naiv erscheinen. Immerhin sind beide schon sehr alt, sie haben schon einiges gesehen. Dass sie gute Freunde sind und sich kennen, war für mich klar und hat die Interaktion zwischen ihnen auch leichter gemacht.
    Ich hab mich sehr über die Votes damals beim Wetti gefreut und wollt deshalb hier noch mal Danke sagen! Das hat mich komplett überrascht, dass der Text derartig gut angekommen ist. #^^#



    Glockenturm


    Die roten Blätter der Fächer-Ahorne leuchteten im Schein der Nachmittagssonne. Ein kurzer Windstoß fuhr durch das Laub und der ganze Wald begann zu rauschen. Von fern hörte man sanftes Gezwitscher, doch sonst herrschte Stille im Forst. Unter dem dichten Blätterdach erschien plötzlich ein helles Licht. Lautlos öffnete sich zwischen den hohen Baumstämmen ein kurzer Spalt, durch den eine Gestalt hindurch kam und im Wald erschien. Der Schein erstarb und ein kleines, grünes Wesen blickte sich um. Zwei hauchdünne Flügel schlugen auf seinem Rücken und ließen es über den Boden schweben. Aus großen, blauen Augen betrachtete es den roten Wald, durch den es nun langsam flog. Eine Spur blühender Blumen sprossen aus dem weichen Erdreich unter ihm und folgten ihm, wohin es sich auch bewegte.
    Nach einer Weile erreichte das grüne Wesen schließlich den Waldrand. Mit stetig flatternden Flügeln stoppte es beim letzten Baum und legte seine kleine Hand an die Borke. Vor ihm ragte ein großer Turm in den wolkenlosen Himmel. Die Pagode saß auf einem steinernen Fundament und die Wände bestanden aus edlem, dunklen Holz. Neun Dächer bedeckt mit dunklen Ziegeln folgten aufeinander bis zur Spitze des Bauwerks, die eine hohe, goldene Säule markierte. Das grüne Wesen sah hinauf zu dem neunten Dach und erkannte einen vielfarbigen Schimmer, wie der eines Regenbogens. Es blinzelte überrascht, doch schließlich breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus und mit ungeahnter Geschwindigkeit flog es aus dem Schatten des Waldes direkt auf den Turm zu. Übermütig drehte es sich, bevor es kerzengerade in den blauen Himmel flog, auf die Spitze der Pagode zu. Als es sich dem letzten Dach näherte, erkannte es die goldenen Glocken, die an jeder der vier Ecken hingen.
    Steinerne Vogelstatuen begrüßten das grüne Wesen, doch weder diesen noch der hohen goldenen Säule in der Mitte schenkte es seine Aufmerksamkeit. Stattdessen weiteten sich seine blauen Augen vor Freude, als es die Gestalt eines großen, bunten Vogels erkannte. Er rastete auf einer mächtigen Sitzstange und betrachtete die Stadt, die sich unter ihm ausbreitete.
    „Welch angenehme Überraschung“, richtete sich eine Stimme an die kleine Gestalt. „Es ist eine ganze Weile her, dass wir uns getroffen haben, nicht wahr, Celebi?“
    „Ho-Oh!“, rief das grüne Wesen freudig aus und kam näher. „Ich war mir nicht sicher, ob ich meinen Augen vom Boden aus trauen konnte. Wie geht es dir? Was führt dich hierher?“
    „Nun, dies ist der Glockenturm, der einzige Ort auf dieser Welt, an dem ich mich niederlassen kann“, begann Ho-Oh und in seiner tiefen Stimme lag ein verschmitzter Unterton.
    „Ach, Ho-Oh! Das weiß ich doch!“, begehrte Celebi sogleich auf. „Aber du warst doch schon seit ewigen Zeiten nicht mehr hier.“
    Ein unterdrücktes Lachen entkam dem gelben Schnabel des Regenbogenvogels und er wandte seinen Kopf, um sein Gegenüber aus bernsteinfarbenen Augen anzusehen.
    „Du wirst mir doch sicherlich einen kleinen Scherz gönnen, oder? Ich habe nicht oft so reizende Gesellschaft.“
    „Freilich!“, kicherte der Waldgeist breit grinsend und setzte sich auf den steinernen Boden. „Aber meine Fragen musst du trotzdem beantworten. Du weißt, ich lasse nicht locker!“
    „Gewiss, das tust du nicht“, erwiderte Ho-Oh und bewegte kurz seine Flügel. „Um also deine erste Frage zu beantworten, ja, es geht mir gut. Ich habe unzählige Monde damit verbracht durch die Lande zu fliegen und mich zum Ausruhen in den Bergen versteckt. Trotz meiner Bemühungen wird man mich wohl gesehen haben. Und zu deiner zweiten Frage kann ich nur sagen, dass ich Heimweh hatte. Ich war müde von der langen Reise und dachte, mich hier an diesem Ort ausruhen zu können, hoffentlich ohne neugierige Besucher. Nun, letzteres ist ja leider nicht gelungen.“
    „Hey!“, entgegnete Celebi gespielt beleidigt. „Wenn ich dir so unangenehm bin, dann geh ich einfach wieder!“
    Der große Vogel brach in ein helles Lachen aus und das grüne Wesen konnte nicht anders, als mit einzustimmen.
    „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie ich das vermisst habe“, meinte Ho-Oh schließlich und blinzelte seine Besucherin an.
    „Ja, es ist wirklich schon sehr lange her.“
    „Die Zeiten haben sich geändert. Das wirst du am besten beobachtet haben.“
    „Bist du den Menschen immer noch böse?“, wollte der Waldgeist plötzlich wissen. Der Vogel wandte den Kopf wieder der Stadt zu und blickte eine Weile auf die Ansammlung der Häuser.
    „Es ist anders als vor dem Brand und anders als kurz danach“, erwiderte er mit nachdenklicher Stimme.
    „Du weißt, dass ich zurückgehen und das alles verhindern kann?“, meinte Celebi, doch Ho-Oh schüttelte nur leicht den Kopf.
    „Das Unwetter wirst du nicht verhindern können.“
    „Das nicht, aber ich kann etwas tun, damit niemand sterben muss!“, begehrte das grüne Wesen auf. „Ich kann verhindern, dass die Menschen so feindlich reagieren!“
    Mit mildem Blick betrachtete der große Vogel seine kleine Besucherin und erwiderte: „Ich weiß, dass du alles tun würdest, aber ich bezweifle, dass es etwas bringen würde. Der Zwilling dieses Turmes hier, war ein Ort, an dem sich Pokémon ausruhten. Die drei Wesen, die wir heute unter den Namen Raikou, Entei und Suicune kennen, waren damals dort, um zu rasten. Mit Sicherheit haben sie das Unwetter gespürt und dort Schutz gesucht. Niemand konnte ahnen, dass es so enden würde.“
    „Aber weißt du, was ich nicht verstehe“, begann sie verwirrt, „warum haben die Menschen so auf euch reagiert? Du hast doch etwas Gutes getan, als du ihnen das Leben zurückgegeben hast.“
    „Das ist eine berechtigte Frage, meine liebe Freundin“, erwiderte Ho-Oh mit ruhiger Stimme, als er wieder auf die Häuser hinuntersah. „Ich selbst habe viele Jahre gebraucht, um diese Reaktion zu verstehen. Schließlich ist mir jedoch ein Wesenszug der Menschen klar geworden, der in ihrer Natur liegt. Sie fürchten sich vor dem, was sie nicht kontrollieren können und bekämpfen, was sie nicht verstehen. Meine Macht kannten sie nicht. Sie beurteilten Lugia und mich nach unserem Aussehen, deshalb hatten sie Respekt vor uns. Doch sie besaßen keine Vorstellung von unseren Kräften. Aus ihrer Ehrfurcht wurde Angst, als ich demonstrierte zu was ich fähig war. Vor ihren Augen hatte ich die Energie dieser drei verstorbenen Pokémon genutzt und sie mit den umliegenden Elementen zum Leben erweckt. Die Elektrizität, die noch in der Luft hing. Die heiße Asche, die vor kurzem noch Feuer war. Und das Wasser, welches alles gelöscht und beruhigt hatte. Sie sahen meine Macht und die drei Pokémon und reagierten mit Angst und Ablehnung.“
    „Ich kann es trotzdem nicht verstehen“, gab Celebi zu und verschränkte ihre dünnen Arme. „Ihr hattet nie vor ihnen zu schaden.“
    Ho-Oh wandte seinen Kopf wieder dem grünen Wesen zu und sagte: „Natürlich hatten wir das nicht, aber sie wussten, dass sie uns nicht kontrollieren konnten. Dass sie es niemals würden. Lugia war bereits auf den Strudelinseln. Ihr Rastplatz war zerstört worden und niemand aus der damaligen Bevölkerung machte sich die Mühe diesen wieder aufzubauen. Als ich das beobachtete, wandte ich mich schließlich ab, denn es fühlte sich nicht richtig an hier zu sein, während meine gute Freundin von den Menschen verstoßen wurde. Weil sie Angst hatten. Seitdem meiden wir beide jeden Kontakt; genauso wie Entei, Raikou und Suicune.“
    „Aber das alles ist doch schon so lange her“, begann sie vorsichtig. „Meinst du nicht, dass sich die Menschen inzwischen geändert haben? Vielleicht bereuen sie die Taten ihrer Vorfahren.“
    „Das könnte sein“, musste der Regenbogenvogel zugeben. „Seit ich hier gelandet bin, spüre ich eine seltsame Verbundenheit. Zuerst dachte ich, es wäre der Ort, aber nun denke ich, es könnte auch ein Mensch sein. Mein Instinkt sagt mir, dass ich nicht soweit von hier fortfliegen sollte.“
    „Das ist gut, denn mir gefällt diese Zeitlinie momentan auch sehr“, erwiderte der Waldgeist breit grinsend. „Ich habe das Gefühl, dass hier bald etwas Wichtiges passieren wird.“
    „Da könntest du Recht haben“, meinte Ho-Oh nachdenklich und neigte den Kopf. „Es war schön dich zu sehen, ich hoffe, wir haben in Zukunft öfter die Gelegenheit für ein Gespräch.“
    „Ja, das hoffe ich auch“, entgegnete Celebi breit grinsend. Der große Vogel begann einige Male mit seinen mächtigen Flügeln zu schlagen.
    „Pass gut auf dich auf, Celebi“, sagte Ho-Oh zum Abschied und warf seiner Besucherin einen sanften Blick zu.
    „Das mach ich immer!“, lachte diese und erhob sich mit wild schlagenden Flügeln von dem steinernen Untergrund. Er nickte ihr kurz zu, bevor er mit einem besonders kräftigen Flügelschlag von der Stange abhob und sich im Gleitflug der Stadt näherte. Doch sogleich erhob er sich mit seinen mächtigen, bunten Schwingen immer weiter in den Himmel, eine goldene Spur mit seinen gelben Schwanzfedern zeichnend. Celebi blickte ihm nach, bis er schließlich in der azurblauen Weite verschwunden war.
    „So wie Lugia im endlosen Meer verschwinden würde“, murmelte sie lächelnd. Danach wandte sie sich Richtung Süden und flog mit weit ausgebreiteten Armen durch die warme Luft. Ihr Ziel war ein sehr alter Wald, den sie in diesem Land zu ihrer Heimat auserkoren hatte. Dort wollte sie sich für einige Zeit zurückziehen und beobachten, was geschehen würde.

  • Hallo Cynda,


    und damit ein hui, ich wusste ja gar nicht, dass du dich von Wep'keer und The Sun Rises hast inspirieren lassen. Überhaupt ersterer ist wohl einer der besten Tracks in Okami und da verwundert es auch nicht, dass du für das japanische Setting in Teak City auch eine fernöstlich angehauchte Musik im Hinterkopf hattest.


    Jedenfalls: Ja, Ho-Oh kam bisher eigentlich immer zu kurz. Wenn man sich den nächsten Film so ansieht, der dieses Jahr rauskommt, könnte sich das sogar ändern, wenn Ash wieder seine Reise in Alabastia antritt. Und mir gefällt einfach die Atmosphäre extrem gut, die du aufbaust. Besonders Heartgold und Soulsilver haben ja richtige Akzente gesetzt, als es darum ging, den Weg zum Glockenturm zu zeigen und man fühlt sich bereits hier wieder an diese Szenerie erinnert. Du hältst dich aber gar nicht so lange damit auf, sondern lässt gleich einmal Celebi erscheinen, das sich zu Ho-Oh aufmacht. Ich mag die Natürlichkeit, mit der du an das Gespräch herangehst, denn man merkt eigentlich gar nicht, dass es sich dabei um Legendäre Pokémon handelt und die in der Regel als heilig oder unantastbar gelten. Celebi wirkt dabei richtig kumpelhaft und Ho-Oh, wohl wegen der langen Zeit, die es schon lebt, als sehr weise. Hier merkt man schon den Unterschied und beide ergänzen sich während des Gesprächs wundervoll. Du sprichst auch einige Dinge an, die bisher in den Spielen und im Anime ungesagt waren. Dieser Konflikt zwischen Menschen und Pokémon wurde ja erst mit der Generationen-Folge so richtig aufgeworfen, erklärt aber auch, warum die drei Elemente durch Johto reisen.
    Schlussendlich hinterlässt die Geschichte ein gutes Gefühl für die Zukunft und auf alles, was folgen wird. Und driftet damit wohl auch unweigerlich in die Geschehnisse der Spiele, aber das ist eine andere Geschichte. Ich würde mich freuen, Celebi noch einmal zu sehen; vielleicht mit einem anderen Pokémon, das ihm wichtig ist; vielleicht auch zu einer anderen Zeit. Wir werden sehen, was kommt.


    In diesem Sinn: Bis dahin!

  • Vielen Dank @Rusalka für deinen Kommi, hab mich wie immer sehr darüber gefreut! (:



    #15 Licht (26.08.15)


    Wärme auf der Haut
    das Gefühl lang vertraut
    Blätter rascheln im Wind
    Zeit mit Licht verrinnt


    Bäume wieder blühen
    Farben ohne Mühen
    erscheinen in der Welt
    im Licht wieder erhellt


    Wolken verfärben sich
    Staunen erfüllt mich
    Flammender Himmel
    von Fern ertönt Gebimmel


    Ein weiterer Tag neigt sich dem Ende
    die Sonne verschwindet in der Fremde
    doch wird sie erneut aufgehen
    ein neuer Tag wird geschehen


    Die letzten Strahlen sind vergossen
    die Welt hat Wärme genossen
    Weit spannt sich die Dunkelheit
    die Nacht ergreift Gelegenheit


    Selbst im Dunkel gibt es Licht
    Mond und Sterne leuchten still bei sich
    bis zum Sonnenaufgang



    #8 Jahresbeginn (08.01.16)


    Krähen fliegen krächzend vorbei
    den Bäumen ist es einerlei
    die Tannen stehen stumm und dunkel
    kein Wind weht für der Eichen Gemunkel
    Es ist Winter und doch fehlt der Schnee
    es ist viel zu früh für den ersten Klee
    Das Land ist überzogen von verwaschenen Farben
    und ich sehe meine Narben
    die ich erhalten im vergang'nen Jahr


    Noch ganz jung ist dieses Jahr
    Viel hab ich mir vorgenommen
    bin gespannt, wie weit ich werde kommen
    dieses Mal wird’s anders, sag ich mir
    die Vergangenheit ist nicht mehr hier
    Nach vorne gilt es zu sehen
    dorthin gilt es zu gehen

  • Guten Abend Cyndaquil!
    Ich war schon länger nicht mehr in deinem Topic unterwegs (jetzt frag mich bitte nicht warum ... - weil ich doof bin? xd) und irgendwie bin ich dann bei deinem letzten Update hängen geblieben. Und hey, ich habe gerade irgendwie eine ziemlich nachdenkliche Phase (höre nebenbei Musik) und hab dann auch total Lust bekommen, dir meine Gedanken zu einem deiner Gedichte mitzuteilen. Und zu deinem Vorwort. Von wegen, die sind Unwichtig oder dergleichen. Bitte! Das ist mitunter wahnsinnig interessant, weil man so anders auf den Inhalt reagieren kann und Vermutung dazu aufstellen kann, was die Aussagen hinter dem Werk sein könnten. Ich mag das. Vor allem, weil man sich so schon herrlich in eine andere Welt reindenken kann. Oder aber ich bin einfach nur anders, hm. Wer weiß. Jedenfalls: Ich hoffe, du freust dich über einen kleinen Kommentar am Abend. :3
    Wunder dich bitte nicht darüber, dass ich stilistisch zu einem Gedicht nicht wirklich was sage(n kann), einfach weil ich selbst nicht sonderlich gut darin bin, haha. Aber manchmal ist es für einen Autoren vlt. auch ganz angenehm, wenn man die Gedanken und Gefühle seiner Leser erfährt. Und das werde ich mit diesem Kommentar wohl größtenteils machen.


    P.s.: Bitte nimm mir etwaige Tippfehler und/oder Rechtschreibpannen nicht übel, meine Hände sind kalt. xd


    Licht
    Ich mag die Vorinformation zu diesem Gedicht. Nicht, weil ich ein großer Fan von Burnouts oder Depressionen bin, um Gottes Willen nein!, sondern weil ich mich selbst ein wenig darin wiedererkannt habe. Ich glaube das war Letztendlich auch mit am Ausschlaggebensten, dass ich dir unbedingt einen Kommentar schreiben wollte. Ich persönlich habe irgendwie die Erfahrung gemacht, dass man mit anderen (die in irgendeiner Form damit auch schon mal zu tun hatten) anders bzw. vertrauter reden kann. Beispielsweise brauche ich glaube keine Angst haben, dass du eine Frage o.Ä., die ich dir hier stellen könnte, komplett falsch verstehen würdest. Aber hey, das ist auch nur meine Auffassung von der Situation - ich finde es einfach schön, wenn man auch mal über die etwas düsteren Themen mit jemand sprechen oder schreiben kann. Vielleicht siehst du das ja auch so, wer weiß.
    Jedenfalls ist der Titel "Licht" sehr einfach gehalten, wobei ich Einworttitel ohnehin immer mag. Sie sind kurz und prägnant; zwar weiß ich als Leser, dass sich das Licht natürlich auf die Hoffnung bzw. "Ein Licht im Dunkeln finden" bezieht und dementsprechend ist es daher eher weniger Interprationsraum für mich gegeben, aber allein die Bedeutung sagt mir total zu. Sinnbilder bzw. Symbolik ist ohnehin eins meiner liebsten Mittel, etwas in eine Geschichte unterzubringen bzw. zu verpacken. Man fällt quasi nicht gleich mit der Tür ins Haus, sondern gibt dem Leser kleine Hinweise, Ausblicke und Tipps, um was es gehen könnte und dabei lässt man ihm auch noch so viel Freiraum, dass er selbst etwas dazudichten kann, wenn er denn möchte (sei es auch nur eine eigene Erinnerung, die er damit in Verbindung bringt). Deswegen mag ich beispielsweise auch englische Werke und/oder Titel: Die Wortübersetzung mag zwar mehr oder weniger festgeschrieben in irgendeinem Wörterbuch stehen, aber nicht der eigentliche Sinn dahinter. Oh je, ich könnte Stundenlang darüber reden, haha, tut mir Leid. Ich wollte dir zu Beginn eigentlich nur sagen, dass ich den Titel in Kombination mit dem Werk sehr schön finde, wenngleich es sehr einfach und schlicht gehalten ist.
    Besonders schön finde ich übrigens auch, dass du das gesamte Werk hinweg alles in einem schönen Licht darstellst (ha ha) und selbst die Nacht, die ja in den meisten Fällen als eher negativ deklariert wird (weiß Gott warum), erscheint hier wie eine angenehme und Kraft schenkende Quelle. Man merkt deutlich, dass das Leitbild für das Gedicht die Hoffnung war, die man jeden Tag aufs Neue schöpfen kann. Da gefällt mir auch direkt der Einwand von dir, dass die Sonne zwar untergehen wird, sich aber niemals daran hindern lassen wird, wieder aufzugehen und genau so hell und warm ist, wie sie es zuvor auch war. Meistens sind es ja die selbstverständlichsten Dinge in unserer Umgebung, die mitunter die stärkste oder schönste Wirkung auf uns haben kann - vor allem, wenn man eine Weile in einer so grauen und trostlosen Welt gefangen war. Der Sonnenaufgang, das Erblühen der Blumen im Frühlich oder einfach nur der Sternen klare Himmel in der Nacht. Alles kann eine so unglaublich große Anziehung auf einen ausüben, wenn man den Blick dafür wiederentwickelt hat. Ich persönlich habe es (um mal ein bisschen aus dem Nähkästchen zu plaudern nebenbei) damals so empfunden, als ich nach langer Zeit einen Sonnenaufgang wieder bewusst wahrgenommen habe. Es gibt glaube fast nichts, was ich schöner finde. Mag sein, dass es an der Tatsache einer vorherigen Depression lag und die Fähigkeit, wieder aus dieser farblosen Welt ausgebrochen zu sein, dass ich Sonnenaufgänge ohnehin nun mit einem sehr starken und hoffnungsvollen Bild in Verbindung bringe. Aber dieser Umstand kommt mir sehr vertraut vor und ich finde es mittlerweile sehr schade, dass ein Großteil der Menschen eben jene kleine Selbstverständlichkeiten nicht weiter beachtet. Wobei das wohl ein etwas anderes Thema wäre, hu. Und allzu weit vom Thema (nämlich dein Werk! ;p) wollte ich dann doch nicht abweichen, haha. Sonst hast du hier zwar ordentlich viel Text stehen, der aber leider absolut keinen Zusammenhang für dich hat, haha.


    Ich muss ehrlich zugeben, dass ich dieses Gedicht von dir echt sehr gern habe. Ich weiß gar nicht warum. Aber ich glaube, dass muss ich auch nicht. Du kannst im Übrigen zurecht stolz auf diese beiden Werke von dir sein! Sie sind dir ziemlich gut gelungen (auch wenn ich jetzt nur eines kommentiert habe, haha). Ich würde mich total freuen, wenn ich in Zukunft mehr von dir in der Art lesen könnte (auch die anderen von dir angesprochenen Gedichte interessieren mich irgendwie *hüstel* Nein, ich habe keine Fernbeziehung geführt? Wie kommst du nur darauf. *lach*). Jedenfalls wünsche ich dir viel Spaß beim weiteren Schreiben und man liest sich bestimmt!
    ~ Liz

  • Hallo Cyndaquil,
    da sich Saeran bereits dein Gedicht Licht vorgenommen hat, dachte ich, ich übernehme die zweite Hälfte deines Posts und sage ein paar Worte zu Jahresbeginn. Eigentlich müste ich mal meinen Theo weiterlesen, aber die ganzen Irrungen machen mich ganz wirr, haha.


    Ist ja schon ein Weilchen her, der Jahresbeginn zu dem du dieses Gedicht verfasst hast. Ein Jahr immerhin. Jedenfalls kann ich mir unter dem Titel eigentlich alles mögliche vorstellen. Einerseits von einer eher historischen Seite - dass du eventuell Ereignisse der ersten Tage des Januars 2016 aufgreifst - oder auch von einer eher poetischen Seite; eine schöne Beschreibung von Gefühlen und Umständen. Welche auch immer; sei es Silvester, der erste Regen im Jahr oder was auch immer. Ich bin gespannt.


    Natürlich, Neujahrsvorsätze. Da hätte ich auch mal drauf kommen können, liegt doch eigentlich auf der Hand. Ein interessantes Thema für ein Gedicht und ich finde du hast es auch gut verpackt. Du beschreibst zunächst in der ersten Strophe erstmal die äußeren Umstände, es liegt kein Schnee, aber kalt ist es trotzdem. Deutsches Wetter eben. Erst in den letzten beiden (oder drei) Versen der ersten Strophe deutest du bereits an, worum es dann in der zweiten und abschließenden Strophe gehen soll, nämlich die Narben des letzten Jahres. Ich stelle mir darunter nicht (nur?) körperliche Narben vor, sondern einfach die Vergangenheit, die auf einem Menschen lastet. Welche Fehler hat man gemacht? Was hätte man besser oder anders machen können? Wen hat man verletzt, von wem wurde man verletzt? Allerdings finde ich auch die Vorstellung einer wirklich realen Narbe an der Stelle sehr interessant. Wenngleich für mich der fünfte Vers der zweiten Strophe doch eher auf meinen eigentlichen Ansatz hinweist. Die zweite Strophe löst das zunächst nur leicht angedeutete Thema dann also auf. Solche Strukturen finde ich an sich immer sehr schön, nicht nur in Gedichten, denn dadurch kann sich der Leser am Ende sozusagen ein bisschen das Gesamtbild zusammenpuzzeln und außerdem hat er teilweise auch einfach eine Art Wow-Effekt oder sowas. Das ist dir auf jeden Fall gut gelungen, nach der ersten paar Versen hätte ich sowas nicht unbedingt erwartet! Inhaltlich gefällt mir das Gedicht sehr gut, das ist ein tolles Werk!


    Jetzt vielleicht noch ein paar Worte zu Aufbau und Form. Zunächst fällt die Länge der Strophen auf. Die erste ist länger als die zweite und wirkt auch einfach massiger, ich schätze weil ihre Verse schlichtweg länger sind. Ist dir das schon mal aufgefallen, bzw. war das Absicht? Einen wirklichen Interpretationsansatz dazu finde ich nicht, außer, dass man vielleicht sagen könnte, das Schicksal eines Einzelnen (Strophe zwei) ist gar nicht so wichtig, wie die Allgemeinheit (Natur in Strophe eins). Ist aber meiner Meinung nach relativ weit hergeholt. Was ebenfalls schnell auffällt ist die Versanzahl, die in beiden Strophen ungerade ist. Schaut man sich das Paarreimschema an, merkt man, dass du das Gedicht sozusagen außeinander gezogen hast. Kann man das Enjabement nennen? Eigentlich ist das ja eher der Außeinanderreißen eines Satzes und nicht einer Strophe ... Wie auch immer, dieses stilistische Mittel gefällt mir auf jeden Fall sehr gut. Einerseits überspielt es gekonnt den identischen Reim, außerdem macht es den Wechsel zwischen letztem und diesem Jahr in den Gedanken und der Einstellung des lyrischen Ichs sehr deutlich. Man sieht klar, dass es von der einen Strophe zur nächsten eine Art von positivem Denken entwickelt und sich Vorsätze nimmt. Einen Tipp habe ich, auch wenn ich eigentlich ungerne Verse anderer Leute abändere; vielleicht gefällt dir das aber: Ich finde die Satzstellung im dritten Vers der zweiten Strophe nicht wirklich schön, sie wirkt relativ erzwungen und nur als Mittel zum Zweck (damit es sich reimt). Vielleicht könntest du den Vers als Frage formulieren? Mir würde folgendes vorschweben: Bin gespannt(,) wie weit werd(e) ich kommen? Ich würde sagen, man könnte statt einem Komma auch einen Doppelpunkt setzen oder die Satzzeichen komplett weglassen. Auch ob werde oder werd' ist meiner Meinung nach Gefühlssache, da dein Gedicht eh nicht in einem einheitlichen Versmaß ist. Was auch mein letzter Punkt wäre: An sich bin ich kein allzu großer Fan von dem (meiner Meinung nach eher neumodischem) Stil Gedicht frei nach Schnauze zu schreiben, auch wenn es mir selber oft passiert. Gedichte nach "perfekter" Form sind aber eine große Kunst und wirklich schwer, von daher ist da sowieso niemandem ein Vorwurf zu machen. In Jahresbeginnn allerdings, finde ich, dass es gar nicht so wirklich auffällt, dass das Versmaß nicht immer gleich ist. Es liest sich aufgrund der durchgehenden Paarreime (und wenn man dem Gedicht nicht zwanghaft versucht einen Jambus aufzuzwingen) relativ flüssig und hat keine Stolperstellen.


    Alles in allem ein gelungenes Werk und du hast auf jeden Fall mein Interesse geweckt, ich bin gespannt auf mehr! Übrigens, ein sehr schöner Topictitel. Stellt er die Kurzlebigkeit eines Textes dar? ... Wie auch immer.
    Liebe Grüße!

  • Vielen Dank an @Saeran und @Avalanche für die beiden sehr überraschenden Kommentare! Hat mich sehr gefreut eure Gedanken zu den zwei Gedichten zu lesen. (:





    #13 Du (24.08.15)


    Ich war allein
    in meinem Sein
    Dacht’ es wird so bleiben


    Es kam der eine Tag
    mit einer Frag’
    Und plötzlich warst Du da


    Seitdem ist viel gescheh'n
    Erinnerungen nicht verweh'n
    Ohne Dich gibt es nicht


    Bin ich an deiner Seit’
    fühl stets Heiterkeit
    Lächel immerfort


    Dein Lachen so laut
    Deine Stimme vertraut
    Ich will nur zuhören


    Im Schnee glitzern die Sterne
    der Mond leuchtet in der Ferne
    Was Du wohl träumst?


    Schmetterlinge flattern mühelos
    über Weite der Blumen groß
    Was Du wohl schreibst?


    Getrennt durch Berg, Fluss und Wald
    treffen wir uns doch bald
    Entfernung ist kein Hindernis

    #16 Sommernacht (27.08.15)


    Mondlicht erhellt die Dunkelheit
    Stille scheint so weit
    alle Sterne leuchten still
    ich bin nicht, wo ich sein will


    Ersehnter Schlaf verspätet sich
    vielleicht bleibt er aus, ich weiß es nicht
    mein Kopf ist ein Gedankenmeer
    und das Herz schlägt schwer


    Vermiss Dich auf neue Weise
    die mich drängt zur Reise
    zum Zurücklegen der Meilen
    die zwischen uns verweilen


    Ich sehne mich nach Deiner Stimme
    nach dem Ende dieser Stille
    und Deinem freudigen Lachen
    damit Schwermut zunichte machen


    Deshalb lieg ich nun wach
    in dieser stillen Sommernacht
    würde gern deine Hand in meiner spür'n
    sehen, wie sie zusammen gehör'n

  • Ahoy, me matey. Ein Captain hält, was er verspricht, und so habe ich mal angefangen, dein Topic zu untersuchen. Ich mag es, die Geschichte zu erforschen, und was man findet, wenn man sich mit der Vergangenheit befasst, ist oftmals nicht zu unterschätzen.
    Eine der ersten Storys hier ist "Das Manuskript", eine kurze Geschichte, welche tierische Protagonisten hat. Zuerst folgen hier ein paar Zitate, denn ich kann meinen Perfektionismus nicht ausschalten.

    Nur in stillen Wassern, spiegeln sich die Sterne.

    Das Komma muss raus.

    Bereits von ihren Kurzgeschichten war ich begeistert gewesen, wie ich es selten war.

    Hier bin ich unsicher. "Bereits von ihren Kurzgeschichten war ich so begeistert gewesen wie es nur selten vorkam", geht das?

    die Nase in ein Buch oder Manuskript vergraben

    In einem Buch oder Manuskript vergraben

    „Guten Abend Meister Micha. Ich bin Emilia Elster“

    Komma nach Abend, unten genauso

    „Guten Abend Emilia. Was kann ich für dich tun?“


    „Ich… nun, ich wollte fragen, ob… die Möglichkeit…“

    Dreipunkt muss mittlerweile abgetrennt sein: Ich ... nun, ich [...]

    War das wirklich die Emilia Elster von deren Werke ich fast jedermann vorgeschwärmt hatte?

    Emilia Elster, von deren Werken ich fast jedermann vorgeschwärmt hatte?

    Bild durch ihre Geschichten erhalten, in denen sie ohne zu zögern die Dinge ebenso gut beim Namen nannte, wie kunstvoll beschrieb.

    , in denen sie, ohne zu zögern, die Dinge ebenso schlicht beim Namen nannte, als auch sie kunstvoll beschrieb.
    Zumindest glaub ich, dass das so die richtige Lösung ist.

    ich würde sie mit einem zornigen Hieb für diese Anmassung auf der Stelle bestrafen.

    Anmaßung

    „Weil… ich es schrecklich finde. Ich möchte nicht, dass Sie es lesen!“, ihre Stimme klang verzweifelt.

    Auch Dreipunkttrennung, und am Ende: , dass Sie es lesen!" Ihre Stimme klang verzweifelt.

    , da er von deinen Fähigkeiten äußerst beeindruckt ist und ich ebenfalls.“

    Komma nach "ist"

    Nachdem das Schlagen ihrer Flügeln verklangen war, begab ich mich wieder den Tunnel hinab in meinen Schaukelstuhl.

    das Schlagen ihrer Flügel

    „Dann wollen wir mal…“

    Dreipunkttrennung


    So. Allgemein gefallen mir diese Details furchtbar gut. Die durch passende Beschreibungen erzeugte gemütliche Atmosphäre wird dadurch nur noch verstärkt, man fühlt sich beinahe selbst vor Ort in dieser kleinen Höhle aus Holz, Papier und Feuer. Die Idee mit den Tieren als Darstellern finde ich ebenfalls super. Die ab und zu für den Nachnamen gewählten Alliterationen verleihen der Story eine Art fröhliche Leichtigkeit, wie man sie aus den Geschichten der eigenen Kindheit kennt. Der Meister und die Schülerin werden dem Leser schon nach kurzer Zeit sympathisch (was vielleicht an der Profession liegt, ich meine, wer von uns kann da nicht nachfühlen?), Dialoge und Innenwelt des Ich-Erzählers sind glaubhaft und lassen das Ganze sehr real wirken. Mag ich.
    Ich habe außerdem nach den Geschichten Emilias gesucht - falls du Lust hast, könntest du dieses kleine Universum ja mit diesen Kurzgeschichten erweitern. Die Titel klingen jedenfalls schon einmal spannend. Einen davon habe ich auch in einem deiner Gedichte gesehen.
    So, das war's auch schon wieder. Lenessia und Eryn haben ja bereits einige Dinge angezeigt, die ich sonst auch gesagt hätte. Mach weiter so.


    Arrr.
    #shiprekt

  • Vielen Dank an @#shiprekt für den Kommentar! (: Hat mich sehr gefreut.
    Oh, ich seh schon, da muss ich später ja einige Fehler ausbessern, die da noch vorhanden waren. Danke für's Rauspicken!
    Mei, so viel Lob. #^^# Es freut mich wirklich, dass die Geschichte nach all der Zeit -- hat ja inzwischen doch schon ein paar Jahre auf dem Buckel -- immer noch so gut wirkt. Ich hatte damals viel Spaß beim Schreiben und mag Micha als Charakter immer noch.
    Interessanter Gedanke, dass ich die Geschichten Emilias aufschreiben könnte, das ist mir bisher noch gar nicht in den Sinn gekommen. Wollte zwar dem Universum durchaus noch eine Geschichte oder mehr hinzufügen -- wieder rund um Micha -- aber bisher fiel mir nichts rechtes ein. Das eine Gedicht, das denselben Titel hat, hat eigentlich nichts mit Emilia zu tun, aber jetzt wo du's sagst ... ich denk, ich werd mich da bezeiten mal wieder mit beschäftigen. Danke für den Input! (Ich geh dann mal die Fehler ausbessern.)



    So, heut gibt's mal wieder ein etwas älteres Werk, weil ich in meinem großen Scrivener Dokument mal geschaut hab, was da so alles unveröffentlicht herumliegt. (Es ist eine Menge, kann ich sagen.) Der folgende Text ist im Grunde auch nicht unveröffentlicht, ich hab ihn für einen Wettbewerb vor ... puh, einer Weile, mal eingereicht. Allerdings ist das hier die "Uncut"-Version.
    Der Titel ist übrigens russisch und wird "Piroschka" ausgesprochen, was in derselben Sprache "rot" bedeutet. Ich weiß gar nicht mehr, was die Aufgabe des Wettbewerbes eigentlich war -- EDIT: wie mir @Rusalka gerade sagte, war die Aufgabe eine Pokémonentwicklung zu beschreiben und der Wetti war letztes Jahr -- und wie ich auf die Idee genau kam, weiß ich auch nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass ich mir das Bild der "eingesperrten Dame" in einem Käfig von "Das letzte Einhorn" geliehen habe. Sowohl im Buch als auch im Film gibt es diese Szene, wo Schmendrick -- der Zauberer -- das Einhorn aus so einem Käfigwagen befreit und irgendwie mag ich diese Szene. Da wollte ich die irgendwie verwenden. Und so kam dieser Text hier irgendwie zustande. xD
    Das Ende ist übrigens eine Anspielung darauf, dass als erste Mega-Entwicklung ja Lucario praktisch "geschichtlich" in Kalos aufgezeichnet wurde. Deshalb ist die Mega-Evo von Jalo hier, die zweite zu der damaligen Zeit.
    (Demnächst sollte ich dieses Topic dann mal mit etwas neueren Texten füllen ... mal sehen!)


    Piroska


    Verwundert betrachtete Samuel den runden Stein in seiner Hand. Dieser hatte die Größe einer gewöhnlichen Glasmurmel, jedoch war er bunt und erinnerte den Jungen an einen Regenbogen. Ein seltsames Symbol war in der Mitte des Steines, das Samuel nicht beschreiben konnte.
    „Was denkst du, Jalo, was das ist?“, fragte er seinen Reisegefährten und hielt dem Galagladi den Stein entgegen.
    „Keine Ahnung“, gab dieser zurück. „Aber es scheint eine seltsame Energie von ihm auszugehen.“
    „Meinst du?“ Samuel sah sich den Stein noch mal genauer an und hielt ihn ins Sonnenlicht. „Ich frage mich, warum der reisende Händler ihn uns verkauft hat.“


    Die Beiden erreichten, während sie sich noch über den Stein wunderten, die Stadtmauer von Vanitéa, dem nächsten Ziel auf ihrer Reise. Sie staunten über die hohe, prächtige Mauer, aus hellen Ziegeln bestand. Diese erhob sich vor ihnen, sparte jedoch genau den Weg aus, der in die Stadt führte. Obwohl Samuel und Jalo noch einige Meter entfernt waren, konnten sie bereits viele Stimmen von Menschen und Pokémon hören.
    „Was da wohl los ist?“, fragte das Galagladi, doch sein Freund wusste keine Antwort. Als sie die Mauer passierten eröffnete sich ihnen ein Bild bunten Treibens, als mehrere Menschen mit ihren Pokémon zum Platz in der Mitte der Stadt eilten. Sie folgten ihnen und erreichten den Rand eines belebten Marktes.
    „Wie praktisch!“, rief Samuel mit breitem Grinsen aus. „Wir haben den Markttag erwischt.“
    Der ganze Platz um den Brunnen war von belebter Geschäftigkeit erfüllt. Von allen Seiten boten die Standbesitzer ihre Ware an.
    „Frische Beeren! Heute zum Sonderpreis!“
    „Reis! Frischer Reis!“
    „Das haben Sie noch nicht gesehen! Importierte Ware aus dem fernen Kanto!“
    „Gemüse! Frisches Gemüse! Nehmen Sie drei zum Preis von zwei!“
    „Miltank-Milch! Frisch von Miltank aus eigener Haltung!“
    „Voltilamm Wolle — heute erst geschoren!“
    „Zwanzig Prozent auf alles, liebe Leute! Zwanzig Prozent auf alles!“
    „Frisches Brot und Backwerk! Spezialitäten aus Illumina City!“
    Von allen Seiten hallten die Rufe der Marktschreier über den Platz und dazwischen tummelten sich viele Männer, Frauen und Kinder mit Körben. Ab und an bellte ein Coiffwaff oder Riolu. Chevrumm und Dodri standen am Rand und fraßen Heu und Körner. Einige von ihnen trugen Geschirre und sie würden später wieder vor die rollen Marktstände gespannt werden, um in die nächste Stadt zu fahren.
    „Das haben wir wirklich gut erwischt, unsere Vorräte sind schon ein wenig knapp geworden“, meinte Samuel, als er sich umsah. „Ich werd etwas einkaufen gehen. Kommst du mit?“
    Doch Jalo war das Treiben zu laut und das Gedränge auf dem Marktplatz zu viel.
    „Ich denke, du kommst allein hier besser zurecht“, entgegnete das Galagladi. „Ich werde mir derweil ein wenig das große Schloss aus der Ferne ansehen.“ Er zeigte auf ein prächtiges Schloss mit dunklem Schindeldach, welches im Norden der Stadt hoch aufragte. Das Sonnenlicht spiegelte sich in den verglasten Fenstern und prächtige, bunte Fahnen flatterten im Wind.
    „Ist gut“, sagte Samuel, „ich treff dich dann bei der Zugbrücke.“ Er winkte seinem Reisegefährten kurz zu und war schon in der Menge aus Leuten verschwunden. Jalo lächelte und ging am Rand des Platzes Richtung Schloss. Allein schon auf diesem Weg musste er herumlaufenden Kindern und an den Häuserwänden angebundenen Chevrumm ausweichen. Fast hatte er den Marktplatz umrundet, da fiel ihm ein seltsamer Wagen auf. Das hölzerne Gefährt stand etwas abseits an einem Haus und schien an einer Längsseite eine Wand aus Gitterstäben zu besitzen. Verwundert ging Jalo darauf zu. Wofür brauchte man denn so einen Wagen? Neugierig stellte er sich vor die Stäbe und schaute ins Innere des Wagens. Er brauchte eine Weile, um in der Dunkelheit etwas erkennen zu können, sah aber schließlich eine Gestalt in der hinteren Ecke sitzen. Es roch nach Blumen und als seine Augen sich schließlich an die Finsternis gewöhnt hatten, war er sich sicher. Dort saß ein Florges auf dem blanken Holzboden des Wagens.
    Jalo erschrak bei dem Anblick. Welches Wesen würde es wagen eine Fee einzusperren? Und warum hatte sie sich noch nicht befreit? Neugierig streckte er seine Hand aus und berührte die vertikal stehenden Stäbe. Sie waren aus Metall.
    „Natürlich“, murmelte das Galagladi, „Feen werden von Metall verletzt.“
    „Ich grüße Sie, werter Herr“, sprach plötzlich eine Stimme ihn an. Das Florges hatte sich aufgerichtet und schwebte nun ein wenig über dem Boden.
    „Verehrte Dame, was tun Sie in solcher einer Umgebung?“
    „Ich wurde von einem Menschen gefangen und eingesperrt“, war die Antwort, die die Fee mit erstaunlicher Ruhe gab. „Scheinbar hat er vor mich ins Ausland zu verkaufen und sucht hier nach einem Käufer.“ Sie schwebte ein wenig näher und stand schließlich im hereinfallenden Licht. Ihr weißer Kopf war von roten Blüten umrandet und ihr schlanker Körper in grün gekleidet.
    „Was für ein Schuft!“, entgegnete das Galagladi verärgert. „Eine solche Respektlosigkeit Ihnen gegenüber ist einfach grauenhaft!“
    „Wie heißt Ihr?“, wollte das Florges neugierig wissen.
    „Mein Name ist Jalo. Ich bin auf Reisen mit meinem menschlichen Freund, Samuel. Wie lautet Euer Name, verehrte Dame?“
    „Ich heiße Piroska“, erwiderte die Fee und machte einen Knicks. „Es freut mich Eure Bekanntschaft zu machen, Jalo.“
    Das Galagladi betrachtete die Metallstäbe vor ihm, umfasste einen und rüttelte daran. Er fuhr die Schwerter aus seinen Ellenbogen und schlug mit diesen gegen die Stäbe. Er wollte sie durchbrechen und Piroska befreien, aber das Metall gab nur klingende Töne von sich und vibrierte, trug aber keinen Schaden davon.
    „Ich fürchte, Eure Bemühungen sind umsonst, Jalo“, wandte sich Piroska an ihn. „Ich hätte bereits versucht mich zu befreien, aber ich kann mich dem Metall nicht einmal nähern und es liegt mir fern dem edlen Holz aus dem dieser Wagen gefertigt wurde Schaden zuzufügen.“
    Verbissen versuchte Jalo es noch ein paar Mal, musste aber schließlich seine Versuche einstellen. Allerdings war er nicht gewillt aufzugeben.
    „Wartet hier“, wandte er sich an Piroska. „Ich werde meinen Freund Samuel suchen gehen. Er weiß vielleicht was zu tun ist.“
    „Eure Hilfe ehrt mich“, meinte die Fee und nahm etwas aus den Blüten um ihren Hals. „Nehmt dies, zum Zeichen meiner Dankbarkeit für Eure Bemühungen. Ich hatte nicht erwartet, dass mir noch jemand helfen würde.“
    Jalo steckte seine rechte Hand durch die Stäbe und spürte im nächsten Moment einen runden Gegenstand. Als er den Arm zurückzog, lag in seiner Handfläche eine große Murmel. Sie war weiß, bis auf ein tropfenförmiges Muster, welches von zwei Seiten zur Mitte floss und grün und rosafarben war.
    „Das ist ein sehr wertvolles Geschenk, verehrte Piroska. Ich werde mich diesem würdig erweisen. Wartet auf mich!“ Eilig rannte Jalo zurück zum Marktplatz, den runden Stein fest umklammert.
    Er fand Samuel an einem Marktstand für Backwaren und erzählte ihm knapp von der eingesperrten Fee. Sofort liefen beide zu dem Wagen und erreichten ihn gerade noch rechtzeitig. Ein kleiner, dicker Mann stand vor den Stäben, als wolle er diese kontrollieren und neben ihm schritt ein Hundemon.
    „Bleiben Sie sofort stehen!“, rief Samuel und der Mann drehte sich heftig schnaufend zu ihm um.
    „Was willst du, Rotzlöffel?“
    „Lassen Sie sofort das Florges frei! Es ist gegen das Gesetz ein Pokémon gegen seinen Willen bei sich zu behalten.“
    „Ha! Du belehrst mich nicht, du Landstreicher. Du bist nicht von hier, das sieht man sofort an deiner Kleidung.“ Der dicke Mann musterte Samuel abschätzig und das Hundemon neben ihm begann zu knurren. „Und bis du einen Soldaten in dieser Stadt gefunden hast, bin ich schon weit weg. Also hau ab und stör mich nicht!“
    „Sie sind ein Verbrecher!“, entgegnete Samuel wütend. „Niemals würde ich sie ungeschoren davon kommen lassen.“
    „Ich bin Geschäftsmann, du Karpadorhirn! Ach, was mach ich mir überhaupt die Mühe. Vor einem Bengel wie dir, muss ich mich gar nicht erklären. Mach kurzen Prozess mit ihm, Staub!“, befahl der Mann und sofort sprang der schwarze Hund neben ihm vor und wollte sich auf Samuel stürzen. Blitzschnell stellte sich Jalo vor seinen Freund und errichtete eine schützende, unsichtbare Energiebarriere. Das Hundemon prallte jaulend daran ab, war aber sofort wieder auf den Pfoten und fletschte die Zähne.
    „Jalo, wir müssen sie aufhalten!“, rief Samuel entschlossen und in diesem Moment begann die Tasche seiner Stoffweste zu leuchten. „Was …?!“ Er griff hinein und holte den regenbogenfarbenen Stein heraus. Einen Augenblick später leuchtete der runde Stein in der Hand des Galagladi. Schließlich wurde Jalo selbst von einem hellen Schimmer umgeben und beide Menschen mussten die Augen bedeckten. Als das Leuchten schließlich verschwunden war, war Jalo verwandelt. Sein ganzer Körper war weiß, bis auf seinen grünen Helm. Er trug einen weißen, zweigeteilten Umhang und die Klingen an seinen Armen hatten sich vergrößert und besaßen rote Schneiden an den Außenseiten.
    „Das ist doch nicht möglich!“, rief der dicke Mann erschrocken. „Das kann doch nicht wahr sein!“ Wie von einer Horde aufgebrachter Bibor verfolgt rannte er davon. Als das Hundemon merkte, dass sein Herr fortgerannt war, knurrte es diesem hinterher und verschwand in die entgegengesetzte Richtung. Jalo und Samuel wechselten einen verwirrten Blick. Schließlich fand der Junge seine Stimme wieder.
    „Was ist da gerade passiert? Warum bist du so anders, Jalo?“
    Das Galagladi blickte an sich herunter und konnte nur den Kopf schütteln: „Ich weiß es nicht. Aber vielleicht bin ich jetzt in der Lage, die Stäbe zu zerstören.“ Er trat näher an den Wagen heran. „Piroska, geht besser an die Wand.“ Jalo sammelte Energie in seinen Klingen und schleuderte diese gegen die Metallstäbe. Mit einem lauten Knall barsten die Stäbe und nach ein paar weiteren Schlägen hatte das Galagladi ein großes Loch freigelegt. Er hielt seine Hand in den Wagen und meinte: „Tretet hinaus, verehrte Dame.“
    Piroska nahm seine Hand und ließ sich von ihm aus ihrem Gefängnis helfen.
    „Habt vielen Dank. Nun kann ich zurückkehren zu meinem Garten und zu meinen fleißigen Freundinnen. Tausend Dank!“ Das Florges lächelte und im Schein der Sonne leuchteten die Blüten um ihren Hals in einem kräftigen Rot.
    „Es war uns eine Ehre!“, erwiderten Jalo und Samuel gleichzeitig und verneigten sich tief vor der Fee. In diesem Moment verwandelte sich das Galagladi in seine vorherige Gestalt zurück. Sie verabschiedeten sich von Piroska und setzten ihre Reise durch Kalos am nächsten Tag fort.


    Über die merkwürdige Verwandlung von Jalo sollten sich die beiden noch lange wundern, denn erst in Yantara City würde man ihnen sagen können, was mit dem Galagladi geschehen war. Es sollte die zweite Mega-Entwicklung sein, die in Kalos geschehen war.