Habt ihr euch schon einmal gefragt, weshalb Gaming eines eurer liebsten Hobbies ist? Wie viel Lebenszeit ihr damit verbringt? Welche Emotionen dieses Hobby in euch auslöst? Weshalb ihr gerade diese Kolumne lest und weshalb ich sie schreibe? Nein? Dann wird es höchste Zeit zu hinterfragen.
Es gab einmal eine Zeit, da war ich noch ein kleines Kind. Einen Schilling pro Woche Taschengeld gönnte mir mein Vater. Ist das viel? Nein. Kann man sich damit etwas leisten? Ja, zumindest vor der Geburt des Euros. Ich habe in Süßigkeiten investiert – ausschließlich. Für mehr reichte das Taschengeld nicht. Habe ich mehr Taschengeld gefordert? Nein. Keinen Gedanken habe ich daran verschwendet mehr zu fordern. Ich war zufrieden mit dem, was ich bekam. Auch mit den Süßigkeiten.
Spielzeuge bekam ich jedoch viele: Autos, Lego, Stofftiere, Wasserpistolen etc. Jedes einzelne Spielzeug hat mir, zumindest kurzfristigen, Spaß bereitet. Habe ich die Spielzeuge verglichen? Nein. Habe ich die Qualität in irgendeiner Weise beurteilt? Nein. Auch die berühmten „W-Fragen“ fanden keinen Platz in meinen Gedanken. Videospiele? Waren mir fremd. Mich über mein Hobby aufregen? War mir ebenfalls fremd. Ich hatte einfach nur meinen Spaß. Mit dem Spielzeug. Eine schöne Zeit war das.
Dann, irgendwann, kaufte Vater ein Atari 2600. Es war ein Geburtstagsgeschenk für meinen Bruder. Mein erster Kontakt mit Videospielen. Wohlgemerkt, mit dem Spielen. Grafik? Story? Gameplay? Design? Kritik? Begriffe aus der Zukunft, ich wollte nur eines: spielen. Gedanken über die Spiele machen sich andere. Die Entwickler und die Publisher. Mit jedem Spiel hatte ich damals Spaß und das war alles, was ich wollte. Auch das war eine schöne Zeit.
Es folgten andere Konsolen, es änderte sich jedoch nichts. Ich habe die Spiele allesamt genossen. Der Gedanke, mich näher mit Videospielen auseinanderzusetzen, war damals einfach nicht da. Spielen, spielen, spielen. Mehr wollte ich nicht, mehr tat ich nicht. Der Wendepunkt kam dann schließlich im Jahre 1999. Es grassierte ein Virus, der nicht nur mich, sondern meinen gesamten Umkreis und wohl ganz Wien voll erwischt hatte. Pokémon. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich wirklich über ein Videospiel diskutiert. Allerdings damals noch lediglich über den Inhalt des Spiels: welches ist das stärkste Pokémon? Welche Pokémon soll ich tauschen? Wie besiege ich die Top 4? Solche Diskussionen. Mit dem Erscheinen von Pokémon Stadium kamen taktische Diskussionen hinzu (wenn auch nicht wirklich auf Competitive-Play-Niveau). Pokémon hatte mich voll im Griff, immer intensiver habe ich mich damit beschäftigt, ja sogar einen eigenen Pokédex habe ich damals gezeichnet.
Aber: Ich habe die Spiele in keiner Weise hinterfragt. Das kam erst mit der nächsten Konsolen-Ära. Meine nächste Konsole war der GameCube. The Legend of Zelda: The Wind Waker war mein erstes Spiel für den Würfel. Mein erster Gedanke beim Spielen: wieso habe ich mir für das Spiel eine neue Konsole gekauft? Was genau der Grund dafür war, weiß ich nicht mehr. Vielleicht weil der technische Sprung nicht so gigantisch war wie bei der vorherigen Generation (SNES -> N64). Es war zwar nur eine anfängliche Enttäuschung, das Spiel konnte mich wenig später voll in seinen Bann ziehen und gilt für mich bis heute als bestes 3D-Zelda. Nichtsdestotrotz waren solche Gedanken das erste Mal präsent. Mit der GameCube-Ära begann ich also Videospiele kritisch zu betrachten. Allerdings noch nicht in einem solchen Ausmaß wie heute. Wirklich diskutiert habe ich nicht über die Qualität der Spiele, obgleich ich nicht mit allen Spielen Spaß hatte. Einige Spiele landeten nach dem ersten Anspielen wieder im Regal und blieben dort.
Noch während der GameCube-Ära bekam ich meinen ersten eigenen PC und hatte erstmals vollen Zugriff auf das Internet. Das war ein weiterer Wendepunkt. Das Internet hat das Hobby Videospiele völlig verändert. Fortan verbrachte ich viel Zeit, nicht mit dem Spielen, sondern mit kritischen Diskussionen über das Hobby. Extreme Ausmaße wurden dann in der HD-Ära erreicht. Casual? DLC? Grafik? Steuerung? Preis? KI? Story? Design? Blu-ray? Gebrauchtmarkt? Spezial-Edition? Demos? Origin? Wirklich jede noch so winzige und unbedeutende Kleinigkeit sorgt mittlerweile für hitzige Diskussionen. Zahlreiche, nein unzählige Disksussionen – das Spielen rückt heute mehr und mehr in den Hintergrund.
Achtet mal auf die Zeit die ihr mit dem Spielen der Spiele verbringt und jene, die für kritische Diskussionen draufgeht. Besonders extrem habe ich das in der Resident Evil-Community erlebt. Seit dem Erscheinen von Resident Evil 4, also seit gut acht Jahren, versucht ein Teil der Community dem anderen klar zu machen wie mies die Reihe geworden ist. Spielt er die Spiele noch? Nein. Er redet sie nur schlecht. Ein neues Hobby?
Um auf den Punkt zu kommen: Wieso, weshalb, warum? Es geht bei nahezu allen Diskussionen darum, den Diskussionspartnern vom eigenen Standpunkt zu überzeugen. Es wird quasi versucht dem Gegenüber den eigenen Spielgeschmack aufzuzwingen. Natürlich nur, solange nicht die Spielindustrie selbst im Kreuzfeuer steht. On-Disc-DLC? Boykottiert sämtliche Capcom-Spiele, ungeachtet dessen, wie gut diese sind! Ein Publisher äußert sich negativ über den Gebrauchtmarkt? Boykottieren! Das Release eines Spiels wird bekannt gegeben? Boykottieren! Wieso? Es kommt ja eh eine GotY-Edition, mit allem Drum und Dran.
Aber all das ist nur die Spitze des Eisbergs. Die Erwartungshaltung der Spieler hat mittlerweile unverschämte Ausmaße angenommen, so dass von jedem Spiel nahezu Perfektion erwartet wird. Besonders schlimm ist das in der „Fachpresse“, wo die Herrn und Damen der Meinung sind Schwächen eines jeden Spieles „objektiv“ ermitteln und darüber schreiben zu müssen. So kommen negative Reviews zustande, obwohl die Tester eine Menge Spaß mit dem getesteten Spiel hatten. Spieletester spielen Videospiele, um sie zu kritisieren. Das ist ihr Job, dafür werden sie bezahlt. Komischerweise trifft das aber auch auf den, so behaupte ich mal, Großteil der „Hardcore-Gamer“ zu.
Schaut euch mal in diversen Gaming-Seiten um. Ob in redaktionellen Artikeln oder Kommentaren der Community. Es überwiegt Gemecker und Kritik. Auffällig ist die Altersgruppe, auf die all das zutrifft: Jugendliche und junge Erwachsene. Sind Videospiele also doch nur für Kinder? Ist das unser verzweifelter Versuch uns auch in unserem Alter mit diesem Hobby auseinanderzusetzen? Ist das Spielen einfach nur langweilig geworden? Ist das der eigentliche Reiz unseres Hobbys? Der Krieg mit der Spieleindustrie?