[tabmenu][tab=Vote Fanfiction]
[Blockierte Grafik: http://s14.directupload.net/images/131001/8eiki7ki.png]
Herzlich Willkommen zum Vote der Disziplin Fanfiction im Finale! Hier entscheidet sich, welches Team den Sieg in dieser Disziplin davontragen wird.
Bitte beachtet beim Voten, dass ...
- ihr eure Votes durch zumindest mehrere Zeilen angemessen begründet,
- Sympathievotes untersagt sind,
- ihr nicht für die Abgabe eures eigenen Teams abstimmen dürft,
- ihr bei der Punktevergabe sowohl das Treffen der Themenvorgabe, den Inhalt und die Ausführung einbezieht und bewertet,
- ihr das richtige Punkteschema verwendet (siehe unten),
- ihr die im Vote-/Feedback-Tutorial genannten Punkte beachtet.
Selbstverständlich darf jeder voten, auch wenn man nicht selber an der Olympiade teilnimmt!
Themenvorgabe:
ZitatDas Thema der PlayOffs der Olympiade für die Disziplin Fanfiction lautet ...
Glorreicher Sieg?
Schreibe eine kurze Geschichte über einen glorreichen Sieg! Doch Moment - ist da nicht etwas, das die Gefühle trüben sollte?!
Punkteschema:
Der Vote geht bis zum 29.10.2013 um 23:59!
[tab=Abgaben]
Ihre Hand haltend.
Gemeinsam sitzen sie dort, betrachten die Sonne, wie sie fast schon traurig wirkend dem Horizont entgegen kommt. Langsam, gar quälend, berührt zunächst nur ihre Spitze das vermeintliche Ende der Welt, doch schon nach einigen Minuten ist sie schon zur Hälfte verschluckt worden. Es würde nicht mehr lange dauern. Die Dunkelheit würde schon bald über das Land einbrechen, das Meer würde sich zu einem dunklen See verwandeln, der Strand zu einer einzigen, grauen Oberfläche. Und doch halten sie beide an diesem Moment fest, den sie genau jetzt leben. Vergessene Erinnerungen liegen hinter ihnen, eine wundervolle Zukunft vor ihnen; so treten sie dem Sonnenuntergang gegenüber, auf dass ihre Zukunft stattdessen aufgehen würde. Er fühlt sich frei, er fühlt sich gut. Er ist froh, ausgelassen. Sie ist es auch.
„Du?“, erklingt ihre Stimme. Jeder seiner Nerven, jeder Muskel in seinem Körper, spannt sich in dieser Sekunde an. Er neigt seinen Kopf zu ihr, sieht ihr in die Augen. Sie glitzern, das Sonnenlicht fällt in sie ein und vermischt den warmen orangenen Ton mit ihrem braun. Neben dem heiteren Schimmern erkennt er jedoch etwas anderes; etwas Ernstes.
Sein Blick genügt ihr als Antwort, doch lässt sich gleichzeitig auch von seiner Hand ab. Ihre Fingerspitzen streifen die seinen. Sie legt ihre Hand auf ihre Beine, greift sich zuvor noch schnell in die blonde Haarpracht um diese zurechtzulegen, wobei alle Anwesenden wissen, dass sie bereits perfekt ist. Ihr Blick schweift von ihm ab, fast schon in den glühenden Feuerball herein, dann jedoch auf den Ozean, wo jener verweilt. Ein Seufzen ist zu hören.
„Hey … Was ist los?“, haucht er ihr zu, „Stimmt etwas nicht?“ Fürsorglich streichelt er über ihren Arm, ihr Blick hingegen bleibt fest. Sie sieht noch viele Sekunden hinaus auf das Meer, bis sie sich letzten Endes wieder ihm zuwendet. Zunächst sieht sie ihn nur eindringlich an – er entgegnet diesem Blick mit gemischten Gefühlen – doch dann beginnt sie urplötzlich zu sprechen – die Sonne ist noch da.
„Ist das richtig, was wir hier machen?“
Sofort schwinden seine guten Gefühle und weichen Angst und einem Etwas, das sofort beginnt an ihm zu zerren. Jedoch lässt er sich dies nicht anmerken. Er wartet noch einige Augenblicke, bis er antwortet.
„Was meinst du? Ich weiß, dass es das ist.“ Mit dem letzten Satz greift er nach ihrer Hand. Zögerlich gewährt sie ihm diese.
„Aber …“, beginnt sie und sieht ihn dabei schon fast flehend an, „Ich weiß nicht, ob…“
Sofort legt er ihr seinen Zeigefinger auf die Lippen; sie hält inne. Er zischt, kommt ihr näher. Er löst seine Hand aus ihrer und legt sie stattdessen an ihren Nacken. Langsam, aber dennoch sicher, kommen seine Lippen ihren näher. Sein Finger schon lange weg, wird von seinem Mund abgelöst. Er küsst sie.
Er fühlt sich gut, seine Freude, seine Glücksgefühle – all dies kommt wieder hoch. Für einen Moment bleibt die Sonne stehen. Und sie darf erst passieren, wenn er wieder von ihr ablässt. Nach einigen Sekunden tut er dies auch.
„Mach dir keine Sorgen um ihn“, flüstert er und legt seinen Arm um sie. Sie zögert noch einige Sekunden, lehnt sich daraufhin jedoch an seinen Oberkörper. Und lächelt wieder.
***
Das Rollen war laut über den ganzen Platz zu vernehmen, dann erstarb es für eine Sekunde, worauf jedoch ein lauteres Geräusch folgte, was einem Aufprall glich. Doch sofort setzte wieder das gleichbleibende Rauschen der Rollen ein, bis er stoppte und abstieg.
„Der war gut, Digga“, rief der Junge am Ende der Pipe herüber, woraufhin Ersterer sein Skateboard wieder auf den Boden warf und mit einigen eingebauten Tricks zu ihm herüber fuhr.
„Danke, Mann“, gab er nur kurz von sich und setzte sich dann neben seinen Kumpel auf die Bank. Einige Minuten, vielleicht sogar noch länger, saßen sie einfach nur da und schwiegen.
„David“, unterbrach der Skateboarder die Stille, „Wie geht es ihr?“
Sein Kumpel sah ihn an, mit einer Mischung aus einem verwirrten und argwöhnischen Blick, antwortete dann jedoch zögerlich: „Alice? Ihr geht’s super … Wie denn auch sonst?“
„Ich wollte nur wissen ob sie sich bei dir auch wohlfühlt“, entgegnete er, fast schon etwas schnippisch.
„Junge …“, begann David leise zu sprechen, „Ich liebe sie verdammt, und ich würde alles für sie tun. Halt dich einfach da raus!“ Das leicht genervte, was zu Anfang noch in seiner Stimme lag, wich so langsam der Wut.
Laurin lachte. „Chill, Junge.“
Er wartete einige Sekunden, griff dann jedoch zielstrebig in seine Hosentasche, wo sich sein Handy befand. Er zog es hinaus, entsperrte es und ohne zu zögern tippte er das Whats-App-Icon an. Die Anwendung öffnete sich, es wurde ungefähr eine Hand voll neuer Nachrichten angezeigt, doch er scrollte etwas herunter, zu einem Chat mit einer bestimmen Person.
Alice, unter dem Namen waren schon die ersten Bruchstücke ihrer letzten Nachricht zu lesen. Gerade wollte Laurin den Chat öffnen, doch soweit kam es nicht. Ohne ein Wort von sich zu geben stand David auf. Er erstarrte noch einen Wimpernschlag in dieser Position, doch dann ging er einfach weg. Zunächst ganz langsam, wie paralysiert, doch mit jedem Schritt wurde er schneller, bis er schon fast joggte. Die Pipe hatte er bereits hinter sich gelassen, er überquerte die nahe gelegene Straße und ehe sich Laurin versehen hatte war er kaum noch zu erkennen. Der Zurückgelassene saß perplex da – der Chat immer noch ungeöffnet –, er schaffte es nicht ein Wort heraus zu bringen.
Ich weiß nicht, ob es noch Sinn hat, mit ihm …
Laurin stand auf. War das richtig? Hatte er das Richtige getan? Nein, sein Gewissen plagte ihn nicht, es ging nicht darum, dass eine Beziehung aufrecht erhalten bleibt … ihm ging es um Alice‘ Wohl. Er schüttelte den Kopf so, dass seine längeren Haare wieder ihre gewohnte Form annahmen, und ging davon. Zu ihr.
***
Das Display seines Handys leuchtet auf, ein Vibrieren ist zu vernehmen – leise, aber doch ist es da. Noch ist die Sonne nicht untergegangen. Alice gewährt ihm, sein Handy zu nehmen; löst sich aus seinem Arm. Laurin nimmt es, entsperrt es und öffnet die Nachricht, die ihm gesendet wurde.
Er liest sie. Viel Glück. Bye.
Und steckt sein Handy in seine Hosentasche zurück – warum er es zuvor herausgelegt hatte wusste er selbst nicht recht.
„Wer war das?“, fragt das Mädchen neben ihm beiläufig, während sie sich wieder an ihn kuschelt.
Er legt seinen Arm um sie. „Niemand.“ Aber da ist etwas; gleich einem scheuen Reh, das einsam und in sich gekehrt durch den verschneiten Wald stapft; darauf bedacht auf keinen Fall bemerkt zu werden.
Die Sonne ist mittlerweile kurz davor unterzugehen, es würde nicht mehr lange dauern. Noch immer hält er ihren Körper dicht an seinen gedrückt, es geht ihm gut. Und ihr auch. Die letzten Sekunden brechen an, die Sonne ist mittlerweile fast ganz ins Meer abgetaucht.
„Hey?“, raunt Laurin ihr zu.
Sie sieht ihn fragend an, wobei sie eigentlich schon wusste, was jetzt kommen würde.
„Ich liebe dich.“ Sie küsst ihn. Es ist eine Achterbahn für ihn. Die Fahrt beginnt mit dem Kuss. Es geht sofort eine Steigung hinauf, die Glücksgefühle werden stärker und stärker, bis er schließlich auf der Spitze ankommt. Die Achterbahn fährt wieder hinab, ein Kribbeln schießt durch seinen Bauch. Doch fährt sie nicht wieder hoch; sie fährt immer weiter, und weiter nach unten. Und ein anderes Gefühl, das kleine Reh, wird immer mächtiger. Es ist das schlechtes Gewissen, was sich in diesem Moment in ihn ausbreitet und ihn auf ganz fiese und dunkle Art und Weise übermannt.
Er lässt von ihr ab – ruckartig, ungewollt –, die Sonne ist nun untergangen. Und das einzige was er vor seinen Augen sieht, ist die Pipe.
Und Laurin steht auf.
"Ich hab‘s geschafft!"
Ihre großen, eisblauen Augen leuchteten und strahlten eine fast schon fühlbare Wärme aus, als das Mädchen sich auf den leeren Stuhl neben ihrer Freundin fallen ließ. Dieser quietschte, wohl aufgrund seiner nicht mehr ganz neuen Schrauben, und knarrte auch danach noch bedrohlich. Doch beirrte sie das nicht in ihrem Tun, sondern sie quasselte im gleichen Tempo wie ein Wasserfall - nein, vielleicht sogar wie eine Magnetbahn - stetig weiter. Sie schien sich überhaupt nicht darum zu kümmern, ob ihre Zuhörerin in dem Strom von Worten nicht vielleicht schon untergegangen war.
„Haben sie dich auch nach „blattartig“ gefragt?“, verstand die Gesprächspartnerin. So gut, wie man auch einzelne Aussagen aufnehmen konnte aus den Satzfetzen, die ihr wie Tontauben zugeworfen wurden - die Zuhörerin verfehlte fast jedes Mal.
Doch dies, bildete sich ein, hatte sie nun heraushören können. Auch was ihre Freundin als nächstes sagte, drang bis zu ihr durch: „Wenn wir nicht gestern Abend noch geübt hätten, hätte ich nie gewusst, dass das „foliceous“ heißt... wozu auch immer man dieses Wort jemals brauchen sollte!“
Auf einmal stoppte die einseitige Unterhaltung, mit einem imaginären Glockenschlag. Plötzlich war es so ruhig, dass man nicht einmal das Atmen der beiden Personen aus dem sonst leeren Klassenzimmer heraushören konnte.
‚Wartete sie etwa auf eine Antwort? Sie, die es nicht im Mindesten interessierte, ob man ihr zuhörte? Sie, die sich wunderte, wenn man sich überhaupt an ihren Namen erinnerte? Konnte es denn wirklich sein? ‘
Ja, das musste es wohl, sonst hätten ihre Augen, die in dem hellen Eisblau fast schon bedrohlich wirkten, den Blick nicht so fest an ihre Lippen gepinnt wie der Zettel am schwarzen Brett neben ihnen. Zwar war dessen Farbe ein, wie die Schüler es nannten, Dreckweiß, aufgrund der langjährigen Verschmutzung durch Finger und Kaugummi, doch niemand störte sich daran oder kam überhaupt einmal auf die Idee, es zu säubern. Denn selbst dann wäre es in den Augen der Umstehenden immer noch ein schwarzes Brett, wahrscheinlich sogar wenn man einen Eimer violetter Farbe darüber leeren würde. Dies hätte jedoch Folgen, und zwar, dass man den kleinen, in krakeliger Handschrift geschriebenen „Ruhe im Klassenraum!“- Zettel nicht mehr entziffern können. Dieser fiel dem Betrachter erst beim näheren Betrachten auf, viel zu auffällig war das große, bunte Plakat, das halb über besagtem Zettel hing.
Das Mädchen kannte die Worte mittlerweile schon auswendig, wie lange hatte sie doch auf diesen Moment hingearbeitet! Noch einmal rief sie sich die weiße Schrift mit der roten Umrandung ins Gedächtnis: „Amerika wartet auf dich! Kannst du dich gegen die anderen Teilnehmer durchsetzen? Kennst du die meisten englischen Wörter? Finde es jetzt raus und gewinne eines von zwei möglichen Austauschjahren in New York!“
Sie, Elisabeth, hatte jede freie Minute mit dem Lernen neuer Vokabeln verbracht. In jeder Schulpause hatte sie gepaukt, ganze Wörterbücher durchgelesen, wieder und wieder, um doch endlich einmal in den Geschmack einer Reise zu kommen. Ihre ganze Familie bestand aus Personen, denen in Flugzeugen schlecht wurden, sich rassistisch bis aufs Messer verhielten oder so mit dem Arbeiten beschäftigt waren, dass Urlaub für diese regelrecht ein Fremdwort war. Wie sollte da Zeit gefunden werden, um ein junges Mädchen mal etwas die Welt beschnuppern zu lassen? Sie wurde doch von fast allen wie Luft behandelt.
Die einzige Ausnahme, die einzige Person, die ihr in ihren vierzehn Jahren begegnet war und ihr Beachtung schenkte, war Luna. Sie war so... anders als Elisabeth. Schon ihr Name war im Gegensatz zu ihrem schön und klang auch in der Bedeutung viel ansprechender, geheimnisvoller. Elisabeth bedeutete „die Gott verehrt“. Luna dagegen, „der Mond“, war ein wundervoller Name. Mondkind. Mondseherin. Das waren Namen, die Luna würdig waren, ihrer geheimnisvollen, aber offenen und tollpatschigen Art, den schönen, weißblonden langen Haaren, den eisblauen Augen. Sie dagegen war wohl eine, wie sie es nannte, Laune der Natur gewesen: struppige, rote Zotteln umrahmten ein schmales Gesicht, über dem wohl Konfetti ausgekippt worden war, so viele Sommersprossen verteilten sich auf den Wangen des Mädchens. Ihre Augen waren, inklusive der Iris, tiefschwarz. Alles an Luna war einfach so viel ansprechender als an ihr!
Um wieder zurück zu der Frage zu kommen, überlegte sie nicht lange, lies das Thema um „foliceous“ und blattartig außen vor; ihr reichten zwei Worte, um Luna ihr Gefühl zu vermitteln.
„60 Prozent.“ Ohne jede Emotion warf Elisabeth diese Zahl in den Raum, fast befürchtete sie schon, dass ihre Freundin das Interesse an ihr verloren hätte, doch starrte sie diese einfach nur an. Ihre schneeweißen Hände begannen, sich auf ihren Knien wie von selbst in Fäuste zu verwandeln, als Luna tonlos flüsterte: „Das... ist nicht wahr, oder? Du... du warst praktisch meine Mentorin!“
Mit jedem Wort, das ihrem Mund entwich, wurde sie etwas lauter, ein anfängliches Flüstern hatte sich in ein erschütterndes Schreien verwandelt. Durch die Wand hörte sie ein Klopfen - natürlich, schließlich hatten die Schüler neben ihnen Unterricht, doch Luna schien das nicht zu kümmern. Ihr Gesicht war vor Zorn puterrot angelaufen, hatte anscheinend jedes Blut aus ihrem Körper gesogen, um es in den Kopf laufen zu lassen. „Was denn? Du kannst es besser, das weiß ich! Sag mir, hast du dich nicht absichtlich schlecht gestellt, da du Angst hattest, dass ich es dir Übel nehmen könnte? Jetzt tue ich das! Nie tust du selbst etwas! Immer hast du nur Angst!“ Elisabeth konnte hören, wie eine Tür geöffnet wurde, jemand heraus trat und sich mit schnellen Schritten auf die nur angelehnte Tür zubewegte. Sofort schlug sich Luna die Hand vor den Mund, so stark, dass es klatschte, und sowohl sie als auch Elisabeth hielten den Atem an. Was würde nun geschehen? Würden sie einen Verweis riskieren, womöglich gleich auf der Stelle rausgeworfen?
Zu ihrer Erleichterung schien es sich die Person doch anders überlegt zu haben, denn sie vernahmen, dass sie auf dem Absatz kehrt machte und die Schritte sich entfernten.
Endlich fand Elisabeth ihre Worte wieder. Sie musste nicht lange überlegen, und dieses Mal war sie es, die schrie.
„Nein, nein! Du verstehst das nicht! Du und deine heile Welt, ihr wisst doch gar nichts! Pah... von wegen dein Mentor! Ich kann doch gar nichts!“
Sie spürte, wie ihr ganzer Körper sich erwärmte, auch fühlte sie das juckende Gefühl der Tränen unterhalb ihrer Augen. Sie wollte Luna zeigen, wie sie sich fühlte. Lunas Welt war klein und einfach gestrickt, kannte keine Unebenheiten im Leben, ihre dagegen war wohl mit den Rocky Mountains oder sogar dem Himalaya zu vergleichen - steil nach oben ging es, um nachher in das Loch der Unverständnis und der Wut zu fallen, tiefer als jeder See und jedes Meer es vermochte. Ohne auf weitere Kommentare Lunas zu achten, drehte sie sich um und stolperte zur Tür bevor sie jedoch verschwand, wandte sie ihren Kopf noch einmal ihrer immer noch regungslosen Freundin zu.
„Und ich habe dich nicht gewinnen lassen. Mich haben sie nicht nach blattartig gefragt.“ Daraufhin hatte sie der Ausgang zum Flur verschluckt.
Der heiße Atem, der aus den Nüstern des Hirsches quillt, trifft auf die kühle Morgenluft und verwandelt sich in zarte, fast friedliche, weiße Nebelschwaden. Sein gescheckter Hals beugt sich zitternd, ehe er die Zähne um ein Grasbüschel legt, es abrupft und hastig verschlingt. Bis auf dieses Geräusch und das seiner Hufe, deren Position sich hin und wieder verlagert, ist es vollkommen still. Seine Augen schnellen hin und her, jede verdächtige Bewegung wahrnehmend. Die quälende Furcht, die sich zunehmend in seinem Inneren verbreitet, verursacht ihm Übelkeit.
Dann knackt es beinahe unvernehmlich im Unterholz. Ein Blitz fährt durch den Axishirsch. Im Bruchteil einer Sekunde ist er herumgeschnellt und rast wie von Sinnen los.
Senso fühlt sich gut, als sie spielend leicht die Verfolgung des zu Recht verschreckten Geschöpfs aufnimmt. Die Wucht, mit der sie auf dem Boden aufprallt, nachdem sie über eine Erhebung im unebenen Waldboden gesegelt ist, presst ihr kurz die Luft aus den Lungen. Ihre Brust schwillt, als sie tief Luft holt und den starken, harzigen Geruch ihrer Umgebung und das angenehme Brennen ihrer Atemwege wahrnimmt. Der frische Morgen ist jung, dementsprechend wenig Leben regt sich. Sie fühlt sich wie die Königin des Waldes, da sie und das unschuldige, würzig aussehende Tier vor ihr ganz allein zu sein scheinen. Sie täuscht sich, doch ihre Einstellung würde sich nicht ändern, wüsste sie, was im Zwielicht lauert.
Sie ist zuversichtlich, fast zu selbstbewusst. Schon immer ist sie eine fähige Jägerin gewesen, sodass sie nun beinahe ausschließlich für die Versorgung ihrer Familie zuständig ist; die Jungen sind wohlgenährt und die Alten leben lange, außerdem genießen sie hohes Ansehen unter den übrigen Rudeln des Gebiets, weswegen sie sich nur sehr selten gegenüber Konkurrenz behaupten müssen und ein ruhiges Leben genießen.
Es ist noch nie passiert, dass sie ohne Beute zu den anderen zurückkehren musste, und heute wird bestimmt nicht der erste Tag einer derart demütigenden Durststrecke sein.
Wie eine Maschine bewegt sich das jugendliche Löwenweibchen, eine Maschine, die den gleichen Ablauf wieder und wieder vollführt hat und darin unfehlbar geworden ist. Die Sehnen in ihrem schlanken Leib sind angespannt, die massigen Schultern dazu konstruiert, jede Erschütterung abzufangen, und ihr sandfarbenes Fell ist dicht und gleichmäßig, um ihre Haut vor der Kälte zu schützen. Jede ihrer vier krallenbewehrten Pranken gräbt sich abwechselnd in die feuchte Erde und stößt sich erneut kraftvoll ab. Wie zu einer imaginären Melodie tanzen sie dahin, transportieren ihren aerodynamischen Körper pfeilschnell.
Das, was sie tut, ist der Grund, warum sie lebt. Das Einzige, wozu sie geboren wurde, so scheint es.
Die Entgültigkeit dieser Schlussfolgerung, verbunden mit der plötzlich auftauchenden, überwältigenden Achtung vor der eigenen Perfektion, stimmt sie ein wenig melancholisch. Doch natürlich ist ihr bewusst, dass es ein Luxus von unschätzbarem Wert ist, sich Gedanken über solche Dinge machen zu können und sich nicht ans pure Überleben klammern zu müssen. Meistens.
Ja, sie ist eine Maschine. Doch manchmal kommt sie sich überholt vor, beinahe nutzlos, als wäre die Unsterblichkeit ein frei verfügbares Gut auf dieser Welt und sie die Einzige, die nicht davon profitiert. Nichtsdestotrotz erfüllt sie ihren Zweck.
Ihr Blick ist dank des natürlichen Adrenalinrausches klar und auf ein einziges, sich bewegendes Subjekt fokussiert. Nur noch wenige Körperlängen. Nichts und niemand hält Senso jetzt noch davon ab, ihr Ziel zu erreichen. Zuzuschlagen. Zu siegen.
Einige hundert Meter weiter südlich lauert eine weitere Kreatur im Unterholz. Verzweiflung und zwanghafte Beherrschung strahlen förmlich von ihr ab; sie klammert sich an ihre letzten verbleibenden Kräfte, auf Glück oder eine ideale Chance hoffend.
Kiga versucht erfolglos, das nervtötende Insekt zu ignorieren, das von einem Ast auf ihren Kopf gefallen ist und nun in ihr Auge krabbelt, und streckt angestrengt den Hals, auf ein Zeichen möglicher Beute harrend. Ihr ist klar, dass diese Pirsch in ihrem Zustand an einen mutwilligen Freitod grenzt, doch das, was in ihrer Brust pulsiert und vermutlich eine Mischung aus Stolz, Leichtsinn und Elend ist, zwingt sie zum Weitermachen.
Ihre Muskeln sind derart verkrampft, dass ihr jede noch so kleine Bewegung schwerfällt, und eine verheilt geglaubte Verletzung an ihrer Hüfte macht sich nun wieder schmerzhaft pochend bemerkbar. Die erschöpfte Jagdveteranin glaubt schon nicht mehr daran, dass sie es lebend von diesem Felsvorsprung, aus dem verdorrten, spärlich tarnenden Gebüsch schaffen wird. Dennoch ist Aufgeben keine Option.
Die Verantwortung, die auf ihren Schultern lastet, drückt sie zu Boden, wo sie ob des Gewichts kaum atmen kann.
Es ist drei Wochen her, dass sie das letzte Mal mit ihrem Rudel vereint war. Die Jungen ihrer ältesten Schwester, vier an der Zahl, waren abgemagert, mit räudigem Pelz, und wimmerten oft vor Hunger mit ihren dünnen, kratzigen Stimmchen. Sie denkt an den bemitleidenswerten, bettelnden Blick, mit welchem sie die Löwin oft bedachten, und verengt gepeinigt die Augen. Wahrscheinlich leben die Kleinen mittlerweile nicht mehr. Es ist Kigas Schuld. Ihr eigenes Scheitern.
Das Einzige, was schlimmer ist als das bohrende Gefühl nicht vorhandener Nahrung in ihrem Magen, ist die Gewissheit, enttäuscht, geschadet, versagt zu haben.
Sie darf nicht zurückkehren, ehe sie etwas Ansehnliches erlegt hat. Abgesehen davon, dass sie den Anblick ihrer sterbenden Schwestern und deren Kinder im Wissen, allein dafür verantwortlich zu sein, nicht ertragen könnte, würde er, der Löwe, der unbestrittene Anführer des Gruppe, es nicht zulassen, dass sie sich ihnen je wieder nähert. Andernfalls würde er das, was er mit gebleckten Fängen, erbost funkelnden Augen und bedrohlichem Grollen zur Genüge angedeutet hat, umgehend in die Tat umsetzen. Die Löwinnen, die der Aufgabe, ein ganzes Rudel zu ernähren, nicht standhalten, sind des Lebens nicht würdig, das weiß sie.
Wie schon unzählige Male zuvor wünscht sich Kiga, dass zu den Jungen auch einige gehörten, in denen ihr Blut fließt. Wäre es ihr jemals möglich gewesen, Kinder zu haben, so ist sie sich sicher, wären ihre Bemühungen schon längst von Erfolg gekrönt gewesen. Sie gesteht es sich ungern ein, doch für ihre eigenen Nachkommen würde sie mehr als bloß ihr Leben riskieren.
Wäre sie doch nur ein wenig furchtloser, besäße sie doch nur genügend Kraft.
Und der allgegenwärtige Hunger sitzt wie ein parasitäres Tier in ihrem Bauch, nagt an jedem ihrer Knochen und raubt ihren letzten Funken Mut.
Sein Körper ist nichts als schwerer Atem und kontinuierliche Bewegung. Er denkt nicht nach, während er um jeden Preis versucht, sein Leben zu wahren. Seine drei Kinder, die sich gemeinsam mit ihrer Mutter irgendwo auf diesem Gelände befinden, kommen ihm nicht in sen Sinn; die Möglichkeiten, sich zu verstecken oder gar seine Verfolgerin auszutricksen, erreichen nicht einmal den Rand seines Bewusstseins. Und selbst wenn tausend andere Leben an dieser Entscheidung hingen, wären sie ihm vollkommen gleichgültig.
Der Hirsch, dessen Schicksal bereits besiegelt ist, möchte nur fort. Fort von der Bedrohung und fort von den spitzen Zähnen des Raubtiers, das ihm im Nacken sitzt. Dafür nimmt er jegliche Konsequenzen auf sich. Ihn kümmert es nicht, dass er ein Feigling ist und durch die bedingungslose Akzeptanz seiner Hörigkeit bereits verloren hat. Alles, was ihn interessiert, ist die Bewahrung seines Selbst.
Es ist möglich, dass dieser Umstand nicht seinem eigenen, reinen Willen zuzuschreiben ist, sondern die Folge der bloßen, grausamen Macht der Evolution ist, doch eigentlich spielt dies keine Rolle. Es ist eine harte Welt, und der Axishirsch hat sich in ihr zurechtzufinden, ob er sich dies eigentlich wünscht oder nicht.
Senso ist bereits so nah, dass ihr der starke Moschusgeruch des Tieres in Kombination mit dessen Angstschweiß in die Nase dringt. Sie erlaubt sich einen tiefen Zug vom Duft des Sieges und greift langsam auf ihre äußersten Kraftreserven zurück, um noch ein wenig schneller zu werden. Gerade jetzt darf sie keinesfalls nachgeben.
Da drängt sich ein Anblick in ihr Sichtfeld, den sie sich lieber ersparen würde. Dort, wenige Meter vor ihr im Unterholz, liegt ein Wesen, das sich alsbald als eine ihrer Artgenossen entpuppt: eine Asiatische Löwin. Sie scheint ihr Objekt der Begierde noch nicht registriert zu haben, doch auch das ist nur noch eine Frage der Zeit.
Konkurrenz. Eine ungebetene Rivalin, welche die Gelegenheit zum Beutefang gewiss nicht ungenutzt verstreichen lassen wird. Sensos Blick wird finster und sie nimmt noch ein wenig mehr Tempo auf, da sie beinahe überwältigt wird von dem besitzergreifenden Gefühl der Gier, Rohheit und Entschlossenheit, in das sie sich hineinsteigert. Ihre Kräfte intensivieren sich und sprengen unantastbar geglaubte Grenzen. Sie stellt sich blind für die Heruntergekommenheit der anderen Löwin, ihre sichtbar hervorstehenden Rippen und ihre zitternden Glieder.
Niemand nimmt ihr diesen Siegespreis weg. Niemals.
Als Kiga eine Sekunde lang aufsieht, um den farbenprächtigen, runden, nichtsahnenden Singvogel im Geäst über ihr zu betrachten, nimmt sie aus dem Augenwinkel eine Gestalt wahr, die sich rasch nähert.
Ihr Kopf schnellt herum. Es können auch mehrere sein.
Ihre Zunge fährt über ihre Lefzen, ohne sie zu befeuchten.
Ihre Krallen bohren sich, fieberhaft und eine nach dem anderen, in den Lehm, auf dem sie nun voller Erwartung lauert.
Dies ist ihre Chance.
Zwei sandfarbene Hinterbeine spannen sich an, finden Halt auf der zerfurchten Ebene und stoßen sich mit aller Kraft ab. Zwei ausgebreitete Pranken bekommen einen erschöpften, bebenden Leib zu fassen und umschlingen ihn in einer morbiden Umarmung. Ein angsterfüllter Schrei entflieht dem Maul eines sterbenden Hirsches, das von euphorischem Gebrüll, zwischen den Fängen einer Löwenschnauze hervordringend, übertönt wird.
Eines der Weibchen trägt mit stolzgeschwellter Brust ein erlegtes Beutetier zu ihrer Familie, während das andere fassungslos starrt, in seinem Versteck zwischen den Blättern lauernd.
Kiga bringt ein schwaches, kehliges Knurren zustande, sinkt aus der angespannten Angriffsposition hernieder und lässt den schweren Kopf zwischen ihren Vorderbeinen ruhen.
Ein weiterer misslungener Versuch, sich selbst, ihre Familie und alles, was jemals in ihrem Leben von Bedeutung war, zu retten, ist nicht relevant. Sie wird weiterhin warten und, sobald sich das nächste potenzielle Opfer zeigt, bereit sein.
Sie wird ihre Ehre wiederherstellen oder bei dem Versuch sterben.
[/tabmenu]