"Wenn das Denken die Sprache korrumpiert, korrumpiert die Sprache auch das Denken."
Georg Orwell
Sprache ist etwas selbstverständliches, das uns in vielerlei Formen tagtäglich begegnet. Ob durch die verbale Kommunikation oder auf schriftlichem Wege. Wir alle nutzen Worte. Dabei dient die Wortwahl nicht einfach nur zur Verständigung, sondern trägt oft Welten an Bedeutung mit sich. Wir können andere damit trösten, verletzten, verärgern, diskriminieren und sogar beeinflussen. Und darüber möchte ich gerne mit euch in diesem Thema reden.
In der Politik ist der Einfluss von Worten schon lang kein Geheimnis mehr. Wer das Volk erreichen will, wird so gut es geht mit Metaphern und passenden Begriffen rumhantieren. Oft genug hat man damit auch Erfolg und verdeckt damit Missstände oder appelliert an die Emotionen des Volkes anstatt an die Vernunft. "Rettungsschirm", "Krieg gegen Terror", "Klimawandel", "soziale Gerechtigkeit" usw. Wie uns eine Sachlage näher gebracht wird, ist entscheidend darüber, wie wir über sie urteilen. Wir assoziieren automatisch Begriffe positiv oder negativ, sind emotional an diese gebunden und das wirkt sich auch auf die Wahrnehmung aus. George Lakoff, ein Linguist, behauptet, dass die Formulierung "Krieg gegen den Terror" in den USA von Anfang an das amerikanische Volk positiv gestimmt hat und Bush alle Wege offen gelassen hat (Quelle). Doch auch innerhalb Deutschlands gibt und gab es Politiker, die durch den Sprachgebrauch manipulieren woll(t)en. In der Zeit des Nationalsozialismus wurde das Buchstabier-Alphabet tatsächlich verändert (Quelle). Heute ist es für uns völlig normal N wie Nordpol, S wie Siegfried und D wie Dora zu sagen. Doch der Grund dafür ist, dass die Nationalsozialisten schlicht und ergreifend die jüdischen Namen daraus entfernt und das Alphabet "arisiert" haben.
In Bayern durften viele Hauptschulen mitten im Schuljahr ihr Konzept auf den Kopf stellen, nur weil sie unbedingt den Begriff "Mittelschule" zugeteilt bekommen wollten (Quelle). Schließlich ist der Begriff Hauptschule mittlerweile nur noch diskriminierend für viele Menschen. Ähnliches gilt für die alten Hilfsschulen, die zu Sonderschulen und dann zu Förderschulen wurden. Immer bemüht Begriffe zu nehmen, die positiv klingen. Doch ändert das etwas an der Realität?
Letztes eröffnete mir doch tatsächlich ein Diplom-Pädagoge, dass ich mich "diskriminierend über Russen mit deutschen Wurzeln" äußern würde, weil ich den Begriff "Russlanddeutscher" gebraucht habe (anstelle von Aussiedler bzw. Spätaussiedler). Als Betroffene musste ich natürlich schmunzeln, weil ich es ganz und gar nicht als diskriminierend empfinde. Aber so etwas ist keine Ausnahme. Vor kurzem wurde der Begriff "Neger" aus dem Kinderbuch Jim Knopf gestrichen (Quelle), da dieser schon lange als abwertend gilt. Ein Begriff, der im Laufe der Geschichte viele Synonyme hervorgebracht hat, die trotz Bemühungen immer wieder als diskriminierend gesehen werden. Im Kinderspiel "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann" wurde dieser zum "bösen Mann" aus diesen Gründen. "Behinderte" heißen politisch korrekt "Menschen mit Behinderung" oder noch besser "Menschen mit körperlichen/geistigen Einschränkungen". Verhaltensgestörte Kinder wurden zu verhaltensauffälligen und dann zu verhaltensoriginellen Kindern. Politische Korrektheit entsteht aus dem Glauben, dass Worte Einfluss nehmen und so wird oft versucht alles so positiv wie möglich auszudrücken.
Doch weg von der Manipulation zu etwas positiveren Theorien:
Wissenschaftler gehen stark davon aus, dass unser Sprachgebrauch und unsere Muttersprache unsere Art zu denken beeinflussen. Steven Levinson untersuchte den Sprachgebrauch eines australischen Urvolkes, das keine Richtungsangaben wie rechts, links, geradeaus, hinten, vorne usw. hatte, sondern das alles mit Himmelsrichtungen ausdrückte (Quelle). Die Ureinwohner müssen sich selbst bei Smalltalk sofort orientieren können um so simple Dinge wie "Da vorne liegt mein Messer" zu sagen, was natürlich die Denkprozesse beeinflusst.
Abhängig von der Muttersprache werden Begriffe unterschiedlich assoziiert, allein deswegen, weil sie schon unterschiedliche grammatikalische Geschlechter haben. So kann eine Mond-Metapher bei deutschen und russischen Muttersprachlern unterschiedliche Assoziationen wecken, weil der Mond im deutschen männlich ist und im russischen weiblich. Guy Deutscher legt nahe, dass unsere Farbwahrnehmung sehr stark von unserer Muttersprache beherrscht wird (Quelle), da es in einigen Sprachen mehr oder weniger Bezeichnungen für bestimmte Farben oder Farbtöne gibt.
Beleidigungen oder Flüche erhöhen den Stresspegel, während positiv assoziierte Wörter und tatsächlich auch beruhigen können und angenehme Emotionen wecken.
Unsere Worte nehmen Einfluss auf andere und auf uns. Angefangen bei offensichtlichen Dingen wie Beleidigungen bis hin zu subtil formulierten Aussagen. Viele Theorien und Studien belegen, dass man die selbe Sache unterschiedlich ausdrücken kann und unterschiedliche Erfolge damit hat. Doch wie weit geht das tatsächlich? Kann man sich selber dabei ertappen, dass man Einfluss nimmt oder beeinflusst wird?
In diesem Thema möchte ich mich aus diesen Gründen mit folgenden Fragen auseinandersetzen:
- Erfüllt Politische Korrektheit ihr Ziel und ab wann wird es nur noch eine Farce?
- Kann die Wahl der Worte Konflikte verhindern oder entstehen lassen? (siehe das Beispiel mit Bush und der Metapher "Krieg gegen Terror" oder als positives Beispiel Martin Luther Kings Rede "I have a dream")
- Sollten wir vorsichtiger mit bestimmten Begriffen umgehen, die tagtäglich sehr leichtsinnig gebraucht werden? (Begriffe wie Idiot, Spast, behindert, die z. B. aus Erkrankungen und körperlichen Einschränkungen resultiert sind)
- Kann man ein ganzes Volk manipulieren, wenn man Redewendungen ändert (z. B. entstanden Redewendungen wie "Glänzen wie ein Judenei" in der nationalsozialistischen Zeit und sollten das Volk feindselig gegenüber Juden stimmen) oder Begriffe aus der Sprache verbannt (wie Worte aus dem Buchstabier-Alphabet)?
- Ist das legitim oder unerwünschte Manipulation, wenn die Macht der Worte genutzt wird?
- Habt ihr schon alltägliche Erfahrungen mit dem Thema gemacht? Zum Beispiel bei der Kommunikation mit Menschen, die nicht Deutsch als Muttersprache haben oder beim Erlernen von Fremdsprachen. Oder auch in völlig anderen Situationen.
- Wie nutzt ihr die Sprache und Worte für euch? Überdenkt ihr eure Aussagen? Wählt ihr eure Worte gewissenhaft oder spontan? Versucht ihr mit den richtig gewählten Worten andere zu verletzten oder eure Zuneigung zu zeigen? Und wie funktioniert das?
Das ist ein sehr breit gefächertes Thema und ich freue mich neben Diskussionsbeiträgen auch über Input für den Startpost, wenn euch noch wichtige Themen im Bezug zur Sprache einfallen. Ansonsten habe ich nur kurz und knapp viele unterschiedliche Themen angeschnitten. Wer gerne mehr lesen will, kann ja die folgenden Links nutzen:
Deutschlandfunk - Die subtile Macht des Wortes
Universität Siegen - Orientierung oder Manipulation - Metaphern in der politischen Kommunikation
Zeit Online - Die Macht der Worte
Spektrum.de - Wie die Sprache das Denken formt
Tagesspiegel - Dem Gefängnis der Sprache entfliehen
bpb - Politische Korrektheit
.: Cassandra :.