Demokratie in Deutschland – Zu „marktkonform“?

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  • Vor etwa einer Woche, wurden die Ergebnisse einer Studie der beiden Politikwissenschaftler Klaus Schroeder und Monika Deutz-Schroeder veröffentlicht. Die beiden haben bereits in der Vergangenheit verschiedene Studien zum Thema politische Einstellungen, Einstellung zur DDR und Folgen der Wiedervereinigung auf das Gesellschaftsbild durchgeführt und so war das Thema der aktuellen Studie keine so große Überraschung, da sich diese Studie mit der politischen Linken oder viel mehr mit der Einstellung der Leute zu dieser befasste.
    Was allerdings tatsächliche viele überrascht und auch erschreckt hat, waren die Ergebnisse.


    Bei der Studie wurden 1400 Bürger aus verschiedenen Teilen Deutschlands befragt, die so ausgewählt wurden, dass man die Studie als repräsentativ bezeichnen kann. Fragen der Studie bezogen sich auf Demokratie, Kapitalismus, Sozialismus und andere ähnliche Themengebiete.


    Und wer auf so Dinge wie Wahlbeteiligung schaut, wird vom ersten Ergebnis nicht besonders überrascht sein. 60% der befragten, empfinden die deutsche Demokratie nicht als „echte“ Demokratie, da sie den Eindruck haben, dass Politiker sich nicht darum scheren, was die Bürger wollen, sondern sich viel eher durch eigene Interessen und Lobbyismus beeinflussen lassen.
    Dies setzte sich auch in einem anderen Gedanken fort: Zur Thematik der Verbesserung sozialer Unterschiede, sagte immerhin knapp ein Viertel der Befragten, dass diese durch politische Reformen nicht mehr zu erreichen sei, sondern viel mehr nur noch durch eine Umstellung des politischen Systems erreicht werden kann.
    Entsprechend sympathisierte auch mehr als ein Drittel der Teilnehmer mit dem Gedanken an eine Revolution – entsprechend einer sozialistischen Revolution.


    Der Grund dafür liegt wohl auch darin, dass viele Kapitalismus als einen Hauptauslöser für Hunger, Armut und Kriege sieht und 30% außerdem der Meinung sind, dass Demokratie nur ohne Kapitalismus funktionieren kann. Noch mehr Teilnehmer (60% im Osten, 37% im Westen) sind außerdem der Auffassung, dass Sozialismus und Kommunismus im Kern gute Ideen sind, die bisher nur falsch ausgeführt wurden.
    42% sagten außerdem, dass ihnen die soziale Gleichheit der Menschen wichtiger ist, als die Freiheit des einzelnen.


    Es zeigte sich außerdem, dass mit 14% im Westen und 28% im Osten erstaunlich viele Teilnehmer mit linksradikalen und linksextremen Aussagen sympathisierten.


    Ein weiterer Punkt, der sich außerdem zeigte, war Misstrauen in die Polizei. Zum einen wünschten 46% der Teilnehmer, dass das Gewaltmonopol der Polizei abgeschafft werden sollte, zum anderen hatten sogar 50% den Eindruck, dass Staat und Polizei politische Kritiker von der linken Seite des Spektrums übermäßig überwachen und klein Halten.


    Kurzum: Die Studie zeigt, dass viele der Teilnehmer und entsprechend wahrscheinlich auch viele Deutsche allgemein das Vertrauen in die aktuelle Demokratie verloren haben, Angst vor einer Überwachung durch den Staat, ja, sogar Angst vor einer neuen Diktatur haben und immer mehr Leute mit Sozialismus und Kommunismus sympathisieren.


    Letzten Endes ist es wohl auch nicht schwer zu sehen, woher diese Einstellungen kommen.
    Immerhin gibt es gefühlt alle paar Monate neue Skandale über Politiker, die von Betrug, nachgewiesener Bestechlichkeit, hin zu Dingen wie dem Fall Edathy reichen. Und dann sind da natürlich auch noch die übergeordneten Skandale und der Umgang mit diesen (Stichwort NSA).
    Gleichzeitig gibt es immer wieder Aussagen hoher Politiker, die zeigen, wie weit sie vom einfachen Volk entfernt sind („Gehen wir doch gegen die Altersarmut vor, indem wir Pfand erhöhen!“) und auf entsprechende Empörung wird meist verständnislos reagiert.
    Und dann ist da natürlich auch die Tatsache, dass die deutsche Wirtschaft neue Rekorderfolge erzielt, während gleichzeitig im Volk die Armut immer weiter zunimmt, es keine wirkliche Verfolgung von Unternehmen, die sich weigern, Mindestlohn zu zahlen, gibt und die Tatsache, dass nach aktuellen Rechnungen 2016 bereits 1% der Weltbevölkerung genau so viel Geld besitzen werden, wie die anderen 99% zusammen.


    Kurzum: Es ist leicht zu erkennen, woher ein gewisser Unmut der Bevölkerung kommt.


    Nun ist die Frage, wie ihr dazu steht?
    Haltet ihr den Unmut für verständlich?
    Denkt ihr auch, das Kapitalismus für Politik und Gesellschaft schädlich ist?
    Glaubt ihr, dass die Politik noch etwas machen könnte, um dem Unmut entgegen zu wirken?


    Diskutiert darüber. Ich bin gespannt, was ihr über diese Thematiken denkt! :)



    Quellen: Berichte über die Studie (1), (2)


    Threadtitel ist übrigens eine Anspielung auf diese Aussage unserer lieben Bundeskanzlerin ;)

  • Ich werde heute Abend nochmal ausführlicher dazu schreiben, falls ich die Zeit finde.
    In der Tat ist das Problem, dass sich eine(völlig) freie Marktwirtschaft nicht mit sozialer Gerechtigkeit vereinbaren lässt, das ist einfach ein Systemfehler. Kapitalismus beruht ja darauf, immer mehr Gewinn zu machen, und dieser Gewinn kommt halt nicht aus dem nichts, auch wenn das gerne so dargestellt wird.
    Finds immer super wie so getan wird als würde Wirtschaftswachstum automatisch Wohlstand für alle bringen. Beispiel Indien, die Wirtschaft wächst rasant und trotzdem gehts dem Großteil der Bevölkerung nicht besser als vor 50 Jahren, eher im Gegenteil.
    Amerika und Europa sind nur so reich, weil sie jahrhundertelang ärmere Länder ausgebeutet haben und immer noch tun, und in kleinerem Maßstab passiert das gleiche in Deutschland. Damit die oberen 10% immer mehr bekommen, muss der Unterschicht etwas weggenommen werden, zB in Form von lächerlich niedrigen Löhnen.


    Und dieser Trend wird sich leider ungebremst fortsetzen, wenn sich nicht grundlegend etwas ändert. Insofern kann ich die Ergebnisse dieser Umfragen durchaus verstehen und bin froh, dass die Leute sich des Problems bewusst sind.
    Umweltschutz wäre ein weiteres Thema was man hier ansprechen könnte, dieser lässt sich nämlich auch nicht mit einem freien Kapitalismus vereinen.

  • Haltet ihr den Unmut für verständlich?
    Natürlich empfinde ich diesen Unmut für verständlich. Der einfache Bürger sieht einfach teilweise nicht mehr, was die Politik für ihn tut. Vor allem diese Äußerung mit dem Pflaschenpfand gleicht einem Tritt ins Fettnäpfchen, welcher Rentner fühlt sich davon bitteschön vertröstet, wenn seine Rente einfach nicht reicht? Okay, vielleicht freut es die Obdachlosen ein wenig, aber ansonsten..
    Und was ist das denn bitteschön für eine Gerechtigkeit, wenn die Nicht-Einführung des Mindestlohnes nicht einmal genauer verfolgt/geahndet oder gar vernünftig kontrolliert wird? Meiner Meinung nach unverständlich.


    Denkt ihr auch, das Kapitalismus für Politik und Gesellschaft schädlich ist?
    Leider ja, wenn andere sich bereichern, wird es an anderer Stelle genommen und fehlt dann dort. Mir fällt aber so schnell auch keine vernünftige Lösung dafür ein, welche keine sozialistische Revolution mit sich ziehen würde ;o ein Anfang wäre es auf jeden Fall, strengere Steuergesetze einzuführen, welche die Oberklasse ordentlich zur Kasse bitten, so wie es die Linke vorsieht.
    Dieses Geld müsste natürlich dann aber auch teilweise dazu verwendet werden, die ärmeren Bürger und den Mittelstand zu unterstützen, lol.


    Glaubt ihr, dass die Politik noch etwas machen könnte, um dem Unmut entgegen zu wirken?
    Ganz klar für mehr Transparenz sorgen, verstärkt bürgernahe Politik einführen und sich mehr für die Sorgen der einfachen Menschen interessieren, als für die Interessen der verschiedenen Lobbys.
    Natürlich ist Politik nicht so einfach, allerdings sollten die (vor allem die schwächeren der Gesellschaft) Bürger das Gefühl bekommen, dass die Regierung eine Marionette ihrerseits ist- und nicht der Wirtschaft.


    Man muss dazu sagen, dass ich leider kein Experte bin und auch gar nicht den Anspruch erhebe. Ich wollte lediglich meine Gedanken dazu äußern.

  • Ich finde diese Studie teilweise erwartbar, teilweise erschreckend. Eigentlich sollte sie ein Weckruf für die Regierung sein (genau wie der aktuelle Armutsbericht), aber ein Umdenken ist wohl kaum zu erwarten.
    Seit dem 19. Jh. erleben wir in der Geschichte die Entwicklung, dass immer mehr Staaten demokratisch werden. Damit geht meist ein freier Markt einher. Die Ideologie, die diesen Siegeszug feiern darf, nennt sich Liberalismus.
    Der Liberalismus leitet sich vom lateinischen Wort für Freiheit ab und hat ebendiese zum Programm. In einem feudalen System, in dem die Geburt über den sozialen Status (die Kaste) entschieden hat, war der Liberalismus ein gewaltiger Durchbruch, der besonders auf Betreiben der mächtiger werdenden Kaufleute durchgesetzt wurde. Liberale Verfassungen enthalten Grund- und Bürgerrechte, ein stark betontes Leistungs- und Eigenverantwortungsprinzip und einen wenig beschränkten Markt.
    Der Liberalismus war also hilfreich im Prozess, das Ständesystem zu zerschlagen und der nichtadligen Bevölkerung Freiheit und Wohlstand zu ermöglichen. Jedoch fehlt dem Liberalismus etwas, nämlich das Solidarprinzip bzw. das gemeinschaftsorientierte Handeln. Frühe liberale Theoretiker (wie Adam Smith) waren der Meinung, dass der Markt Armut selbst vernichten wird, wenn er nur möglichst ungezügelt wäre. Ein Arbeitgeber nämlich wird, um mehr Gewinn zu machen, automatisch mehr Arbeitnehmer einstellen und so den allgemeinen Wohlstand durch seinen Egoismus anheben.
    Diese Rechnung ging und geht aber nicht auf. Umsatz- und Profitsteigerung können nämlich auch dadurch erreicht werden, dass man prekäre Arbeitsverhältnisse schafft und den Arbeitern wenig bezahlt. Und genauso geschah es. Es entstanden mit dem freien Markt ein neuer Adel, neue Dynastien und neue Knechte, nur diesmal allein vom Geld abhängig. Wer Marx oder Hegel vertraut, könnte das als Dialektik des Liberalismus bezeichnen.
    In der Nachkriegszeit war das den Politikern bewusst, es entstand die soziale Marktwirtschaft, die dafür verantwortlich war, neben dem Leistungsprinzip auch eine Chancengleichheit und eine Bedürfnisgerechtigkeit zu wahren. Jedoch entstand im Kalten Krieg als Reaktion auf die furchtbaren kommunistischen Regime ein neuer Trend, nämlich der des Neoliberalismus. Anstatt also die sozialen Netze zu stärken und dem Staat mehr Kontrolle zu ermöglichen, wurde der Markt weiter der staatlichen Kontrolle entzogen und das Konkurrenzprinzip wurde auf alle möglichen Gebiete erweitert.
    Die neoliberale Wende hat sich spätestens seit rot-grün auch in Deutschland vollzogen. Der Staat ist heute kaum noch daran interessiert Kontrolle auf den Markt auszuüben. Er greift nur ungern mit Gesetzen in den Markt ein.
    Nun zu meiner Meinung, falls überhaupt noch wer mitliest. xD Niemand könnte ernsthaft bestreiten, dass zur Aufrechterhaltung der Freiheit im sozialen Raum a) starke Gesetze und b) eine starke Exekutive existieren müssen. Nur wenn die Sicherheit des Einzelnen gewährleistet ist und Ordnung herrscht, kann man sich frei bewegen. In Ländern, in denen die staatliche Kontrolle zusammengebrochen ist, sieht man, dass Freiheit nur das Recht des Stärkeren bedeutet.
    Genauso müsste es auch beim Markt sein. Wir brauchen einen starken Staat mit funktionierender Exekutive, der in dessen Belange eingreift und die Ordnung aufrechterhält. Ein Markt ohne Gesetze bedeutet, dass der Stärkste auf dem Markt gewinnt und kleinere Unternehmen einfach plattgemacht werden. Außerdem können Arbeitkräfte entlassen und bezahlt werden, wie das dem Unternehmer gefällt. Gleichzeitig wird durch das Konkurrenzprinzip ein ständiges Wachstum notwendig, das bei einer Endlichkeit der Ressourcen nicht möglich ist. Und letztlich entscheidet das Geld der Eltern auch darüber, wie (erfolg)reich das Kind wird.
    Wir haben nun folgende Situation: Der Staat ist weitestgehend demokratisiert und einer Kontrollinstanz unterworfen, der Markt bzw. das Unternehmen wird dynastisch und diktatorisch beherrscht.
    Die Ergebnisse dessen sind wachsende Armut, Preisspekulationen, Hungersnöte und Akkumulation von Geld bzw. Kapital in den Händen weniger Menschen. Das führt zu sozialem Unfrieden, sobald der Anteil derer, die vom System nicht mehr profitieren, eine kritische Masse erreicht hat.
    Der Staat müsste nun eine starke Rolle ergreifen und entgegenwirken. Hohe Erbschaftssteuer, damit Wirtschaftsdynastien unterbunden werden, Demokratisierung von Arbeitsplätzen, Verbot von unkontrollierten Handelsketten (zB durch Labels), Einführung einer Tarifvertragspflicht und Mindestlohn, sowie generell Marktbedingungen, die umwelt- und menschenfreundliche Herstellung befehlen.
    Wenn der Staat gewillt wäre das zu tun, hätten wir etliche Probleme, die sich mit dem Kapitalismus ergeben, gelöst. Wenn jedoch die Korruption (also der Reichste) herrscht und nicht das Volk, wird sich das nicht ändern. Und CDU/CSU und SPD sind die Parteien im Bundestag, die am meisten Geld von großen Unternehmen bekommen.
    Die Wirtschaft in Deutschland ist so stark wie nie und noch nie haben so wenige Menschen so viel besessen wie heute. Die Armut ist die größte seit 1989. Ein rationaler Staat würde entgegensteuern. Bedingung wäre halt ein rationales Volk, dass a) wählen geht und b) die Zusammenhänge erkennt und nicht das Kreuz bei korrupten Volksvertretern setzt. Ich bin mir sicher, dass dann auch die Revolutionslust vergehen würde.

  • Zitat

    "Wir beschließen etwas, stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert. Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände, weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde, dann machen wir weiter - Schritt für Schritt, bis es kein Zurück mehr gibt."


    Jean-Claude Juncker; derzeit Präsident der EU-Kommission


    Wir befinden uns heute fast schon in einem postdemokratischen System, in dem der Wille der Bürgerinnen und Bürger übergangen wird und in dem jeder, der dagegen seinen Mund aufmacht, als "Radikaler" bezeichnet wird. Wenn man heute schon als linksradikal gilt, weil man mehr Demokratie, eine gerechtere Vermögensverteilung und eine Abkehr vom Mantra der "Alternativlosigkeit" fordert, dann bin ich stolzer Linksradikaler. Denn, dass es so nicht weitergehen kann, muss jedem klar sein, der sich dieses Europa einmal genau ansieht. Es steigt in der EU nicht nur die Arbeitslosigkeit, die Armut und der Frust über dieses bürgerferne politische System, sondern auch die Missgunst und der Hass gegenüber anderen Gruppen und Völkern innerhalb der EU. Man muss sich nur einmal die aktuelle Diskussion über Griechenland ansehen, dann kann man kaum glauben, dass wir uns in einer gemeinsamen Union befinden.


    Apropos Griechenland: Was passiert, wenn man versucht, dieses System im Alleingang zu ändern und den Menschen statt den Banken zu dienen, sieht man ja an der Regierung Tsipras, die permanent von unseren Medien attackiert wird, weil sie nicht zu allem Ja und Amen sagt. Wo kommen wir denn dahin, wenn eine Regierung versucht, ihre Wahlversprechen umzusetzen? Unerhört!


    Aber nicht nur Griechenland und Südeuropa haben offensichtlich ihre Souveränität verloren. In Deutschland ist es doch nicht anders. Wenn Deutschland noch souverän wäre, würde es Edward Snowden zu den Vorgängen in der NSA befragen und ihm Asyl gewähren. Immerhin wird auch Deutschland, so wie der Rest der Welt, von den USA ausspioniert. Doch anstatt angemessen gegenüber den USA zu reagieren, wie man es etwa mit Russland machen würde, wenn deren Geheimdienst sowas durchziehen würde, halten unsere Spitzenpolitiker in der EU lieber den Mund und tun so als wäre nichts geschehen.
    Das ist nicht nur ein völlig falsches Signal an die USA, die sich dadurch bestätigt fühlt, dass sie mit ihren Partnern anstellen können was sie wollen ohne jemals die Verantwortung dafür tragen zu müssen, es ist darüber hinaus auch ein falsches Signal an die betroffenen Bevölkerungen, die sich von ihren unterwürfigen Regierungen verraten fühlen.


    Die Verhandlungen um das TTIP-Abkommen sind ein weiteres Beispiel von der Abgehobenheit unserer Politeliten. Hier wird auf völlig intransparente Weise ein Vertrag mit den USA vereinbart, der massive Auswirkungen auf jeden einzelnen Bürger in der EU haben wird. TTIP dürfte nicht nur verheerende Folgen für den europäischen Arbeitsmarkt haben, sondern auch für unsere parlamentarische Demokratie, weil Konzerne künftig vor Schiedsgerichten gegen EU-Staaten klagen können, wenn diese Staaten beispielsweise höhere Steuern von diesen Konzernen verlangen. Die Staaten werden sich dagegen nichtmal wehren können. Es ist genauso grotesk wie es klingt. Künftig würden einflussreiche Konzerne wie Monsanto unsere Politik bestimmen und nicht mehr gewählte Volksvertreter!
    Aber auch wenn man von den bedenklichen Inhalten dieses Freihandelsabkommens absieht, ist allein schon die Art und Weise wie das Ganze verhandelt wird, ein Skandal der die zahlreichen Kritiker des Abkommens bestätigt. Die Verhandlungen sind streng geheim und selbst EU-Parlamentarier dürfen nur unter strengen Auflagen Akten einsehen. Ich muss wohl nicht sagen, wie undemokratisch das ist, wenn der Souverän (also wir alle) in einer Demokratie von solchen Verhandlungen ausgeschlossen wird.


    In der EU gibt es in der Tat ein enormes Demokratiedefizit. Wenn ich mir Interviews mit "denen da oben" durchlese, dann sehe ich wie abgehoben und weltfremd die Menschen sind, die tagtäglich über unser Schicksal entscheiden. An deren Haltung und an der von ihnen betriebenen Wirtschafts - und Sozialpolitik, von der die Reichen profitieren und unter der die unteren Einkommensschichten noch ärmer werden, sehe ich, dass das System des Kapitalismus schädlich für unsere Demokratie ist. Denn in diesem System basiert der Reichtum der Wenigen auf der Armut der Vielen.
    Vielleicht ändert sich ja etwas, wenn in Spanien die Linkspartei Podemos an die Macht kommt und Syriza nicht mehr alleine dasteht. Vielleicht gibt es dann ein Umdenken in Europa, weg von den Bedürfnissen der Märkte und hin zu denen der breiten Bevölkerung. Wahrscheinlich wird das nur ein Wunschtraum bleiben, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf. Es gibt nämlich nicht nur diese korrupten und abgehobenen Politiker, sondern auch viele, die tatsächlich versuchen, etwas gegen diese Missstände zu unternehmen. Man müsste sie halt auch mal wählen...

  • Bei dem Zitat meinte Juncker seine Kollegen, wobei er kritisieren wollte, dass diese oft nicht verstünden, was abgehe. Er meinte damit explizit nicht die Bürgerinnen und Bürger der EU. Hat er damals auch als Chef der Eurogruppe gesagt. Ich mag Juncker auch nicht, aber das wirkt so, als würde da jemand kichernd den Untergang Europas planen, und so war das Zitat nicht gemeint.
    Ob das mit der Einkommensumverteilung von unten nach oben auf ein Demokratiedefizit hindeutet... Die Leute wählen ja die Parteien, es gibt durchaus andere Politiker, und da wir in einem Land mit aktivem und passivem Wahlrecht leben, steht es jedem frei, es selbst in der Politik zu versuchen. Wer genügend Menschen überzeugen kann, der wird irgendwann auch mal am langen Hebel sitzen.
    Es finden ja Wahlen statt. Ich denke, was viel eher fehlt, ist eine demokratische Kultur, ein öffentlicher Diskurs, an dem alle Interessierten teilnehmen. Und echter Wille zur Partizipation.
    Und was Syriza angeht: Natürlich ist es wichtig, etwas zu ändern. Aber einfach den Mittelfinger (buchstäblich; Varoufakis) nach Deutschland zu zeigen und zu sagen, wir zahlen die Schulden nicht... Auch nicht gerade clever. Denn es ist nicht sein Geld. Etwas ändern zu wollen, heißt nicht, dass man jeden Änderungsvorschlag gut finden muss. Und eine Partei, die den Bürgern verkauft, man komme da einfach raus, indem man auf alles scheißt, ist halt populistisch. Mal abgesehen davon, dass sie sehr querfrontlerisch anti-Israel und pro-Russland unterwegs ist.

  • Es zeigte sich außerdem, dass mit 14% im Westen und 28% im Osten erstaunlich viele Teilnehmer mit linksradikalen und linksextremen Aussagen sympathisierten.


    Wobei interessant wäre zu erfahren, ab wann man denn genau als linksextrem bzw. linksradikal gilt?


    Insofern weiß ich auch nicht inweifern ich die Studie erschreckend finden soll, weil radikal ist an sich erstmal nicht so schlimm, extrem dann schon eher. Aber ja es ist nicht wirklich überraschend. Ich meine bei solchen Dingen wie TTIP, NSA oder diversen Bestechungsaffären verliert man als "einfacher Brüger" schon ml das Vertrauen in die großen Parteien. Das Problem ist aber eher, dass viele Menschen dann nur so lange drüber meckern, wie es in den Nachrichten kommt und danach einfach fröhlich weiter machen. Oder gar nicht erst nach Lösungsansätzen suchen sondern lieber alles den bösen Muslimen/Juden/Griechen in die Schuhe schieben, damit man ja nicht selbst drüber nachdenken muss. Und statt einfach mal was anderes zu wählen geht man dann lieber gar nicht wählen, weil man ja "weiß", dass "die da oben" eh alle gleich sind. Eigentlich haben wir in Deutschland schon eine recht gute Demokratie wir nutzen sie einfach nur nicht richtig.
    Das mit dem Misstrauen in die Polizei kann ich da eher nachvollziehen, da gibt es nunmal ein paar eher rechte Tendenzen, keine Ahnung, ob das irgendwie berufsbedingt ist, oder ob die einfach nur so drinegnd Leute suchen. Hat man ja bei den PEGIDA-Demos gesehen, wenn da Journalisten angegriffen wurden und die Polizei nichts macht. Nur die Frage ist doch? Wenn die Polizei nicht mehr das Gewaltmonopol hat... wer soll sich denn noch mit beteiligen? Und wer garantiert dass es zwischen diesen konkurrierenden Ordnungshütern dann nicht zu Reibereien kommt?


    Denkt ihr auch, das Kapitalismus für Politik und Gesellschaft schädlich ist?


    Ich denke, Kapitalismus ist nur schädlich, wenn er unkontrolliert agieren kann. Das kapitalistische Konkurrenzdenken ist mittlerweile so tief in der Gesellschaft verankert, dass wir uns nicht mehr für die Probleme anderer interessieren, so lange es uns selbst einigermaßen gut geht. Und wenn nicht , dann suchen wir die Schuld, wie oben schon erwähnt halt bei "den Anderen" ob das jetzt die Muslime oder die Politiker sind ist erstmal egal. Umgekehrt kann man aber auch den Kommunismus nicht zu 100% umsetzen, am besten wäre es so ein Mittelding zu finden, so eine Art... soziale Martkwirtschaft? Schade, dass wir die nicht mehr haben.

  • Mir stellt sich in erster Linie die Frage wie eine Studie mit 1400 Probanden repräsentativ für ein Land mit ca 81Mllionen Einwohnern sein kann. Klar die Zahlen mögen auf den ersten Blick erschreckend sein, 60% scheint Ja eine wirklich grosse Menge zu sein die mit der Demokratie in Deutschland nicht zufriden ist. Aber wennn wir ehrlich sind und ich mich nicht verechnet habe sind das Gerade mal 840 Personen die mit der Demokratie nicht zufriden sind. Klar wird es ganz bestimmt noch wesentlich mehr Menschen in Deutschland geben die der selben Meinung sind. Aber nun ja so funktionieren Studien nun mal, weswegen solche Studien im normal Fall für den Einzelnen irelevant sind. So viel zu der Studie.


    Ich kann den Unmut der Menschen im Bezug auf die Politik und den Markt sehr gut verstehn, da ich ihn durchaus auch teile. Denn was ich als Bürger sehe ist doch im endefekt, dass immerwider Gesetzte errichtet werden die, die Reichen immer reicher und die Armen ärmer macht. Ich muss allerdings dazu sagen, dass mir die Situation in Deutschland weit weniger bekannt ist als die der Schweiz. Aber hierzulande ist es devinitiv so, dass das Volk oftmals nicht ernstgenommen wird und über unsere Köpfe hinwegentschiden wird. Und da frage ich mich dann halt auch wiso sollte ich, mich in einer direkten Demokratie noch einbringen, wenn am Abstimmungstag bereits darüber Diskutiert wird, wie die neuen Gesetze umgangen werden. Und bei den Wahlen ist es doch oftmals das selbe. Wenn wir ehrilch sind können wir uns doch nur zwischen Fäkalien und Kot entscheiden, denn sobald die Posten wider besetzt sind werden Wahlversprechen gebrochen und Verträge mit den ganzen Lobbyisten vereinbart von dennen der Mittelstand im normalfall nichts hat. Und deshalb ja durchaus verstehe ich wenn immer mehr Menschen ihre Faust gegen den Staat erheben.


    Ich denke nicht nur, dass der Kapitalismus schädlich für unsere Politik ist, sondern für den ganzen Planeten und am meisten für Natur und Umwelt. Denn wenn wir die Welt betrachten haben wir unter dem Vorwand des Vortschrites doch wesentlich mehr zerstört als aufgebaut. Und dank dem Sprung ins digitale Zeitalter ist dem Kapital ja nicht mal mehr eine Grenze gesetzt. Es überrascht mich auch keineswegs, dass 99% genau so viel haben wie 1% mit der Zeit werden es wahrscheilnlich sogar noch weniger werden die alles besitzen und der Rest kann schauen wo er bleibt. Klar gab es Punkte die für den Kapitalismus sprachen, aber diese sind heute nur noch fadenscheinig und unitressant wenn ich bedenke, dass jeder von uns so an die 15 Sklaven hat, um den uns aufgezwungenen Luxus aufrecht zu haten. Mal ganz davon abgesehn, dass ich mich frage ob es wirklich erstrebenswert ist reich zu werden. Die sozialsten Menschen findet man immer noch da wo es am wenigsten gibt.


    Ich denke durchaus, dass die Politik etwas unternehmen könnte um den unmut der Mennschen zu stillen. Allerdings müssten zumindest schweizer Politiker allesamt mal den Kopf aus den 5 Buchstebn der Lobbyisten ziehen und endlich wider denn Mittelstand vertreten anstatt immer nur aufihre Bankkonten zu starren.

    "If my mind can conceive it, and my heart can believe it - then I can achieve it." ("Wenn mein Kopf es sich ausdenken kann, wenn mein Herz daran glauben kann - dann kann ich es auch erreichen.") Muhammad Ali (1942-2016) RIP

  • Nun ist die Frage, wie ihr dazu steht?


    Ich hab das schon vorher gewusst und geahnt., dass das so ist.
    Ich sagte schon vor 7 Jahre, das ist keine Demokratie, sondern ne Lobbykratie.

    Haltet ihr den Unmut für verständlich?


    ja, es ist zweckslos sich Gedanken darüber zu machen, weil diese Umfrage wieder bald aus den Köpfen verschwinden wird.

    Denkt ihr auch, das Kapitalismus für Politik und Gesellschaft schädlich ist?


    Schädlich ja, #ndern wird es trotzdem nicht, denn ich bezweifele sehr, dass man etwas gegen die Macht des Geldes unternehmen kann.

    Glaubt ihr, dass die Politik noch etwas machen könnte, um dem Unmut entgegen zu wirken?


    Nein, definitiv nicht. Die da oben werden sich selbst eins auswischen, wenn ihr versteht, was ich meine. Eine Krähe hackt der andere Krähe kein Auge aus.

  • Ich möchte mal kurz ne Lanze für den Lobbyismus brechen. Natürlich entsteht daraus häufig Korruption, allerdings ist es kein Verbrechen, wenn man in Sachen Wirtschaftspolitik auch Großunternehmer befragt. Abgesehen davon haben natürlich auch Gewerkschaften, Umweltschützer und Menschenrechtler Lobbys. Beratende Akteure der Zivilgesellschaft sind nicht per se eine schlechte Idee.
    Die Art, wie Lobbyismus in Deutschland geschieht, ist aber echt ne Sauerei. Intransparent und korrupt.
    Und Sprüche wie "die da oben" sind doch wirklich Stammtischparolen. xD Die Wendung ist in keiner politischen Diskussion nötig.

  • Ich möchte mal kurz ne Lanze für den Lobbyismus brechen. Natürlich entsteht daraus häufig Korruption, allerdings ist es kein Verbrechen, wenn man in Sachen Wirtschaftspolitik auch Großunternehmer. Abgesehen davon haben natürlich auch Gewerkschaften, Umweltschützer und Menschenrechtler Lobbys. Beratende Akteure der Zivilgesellschaft sind nicht per se eine schlechte Idee.


    Per se ist es keine schlechte Idee, nein, das Problem mit dem Lobbyismus ist nur, dass der Begriff mittlerweile eigentlich synonym mit Bestechung und übermäßiger Wirtschaftsfreundlichkeit geworden ist. Immerhn war Lobbyismus nun einmal dafür gedacht, sämtlichen Interessengruppen eine Möglichkeit zu geben, mit jeweiligen Politikern zu reden und ihre Probleme, Wünsche usw. darzustellen. Doch mit der Zeit wurde Lobbyismus etwas, das vermehrt nur noch von Großfirmen und Interessensgruppen mit finanziellem Einfluss betrieben wurde. Bzw. natürlich versuchen es andere Gruppen auch, allerdings mit weniger Erfolg, wie es mir scheint, eben weil ihnen die finanziellen Mittel (nun, und ähnliche Möglichkeiten) zur *ähem* "Meinungsbeeinflussung" fehlen.


    Allerdings sollte der Thread hier auch kein reiner Lobbyismus Thread werden. Denn einen Pro/Kontra Lobbyismus Thread haben wir schon ;)

  • Nun, ein Drittel der Befragten spielt also mit dem Gedanken einer Revolution? Warum kompliziert, wenns auch einfach geht? Wie wärs denn zur Abwechslung mal damit, dass diese Menschen bei der nächsten Wahl statt wie immer CDU (oder bestenfalls mal SPD) zu wählen, ihr Kreuz z.B. bei der Linken machen bzw. überhaupt den A... hochbekommen um sich mal an der Demokratie versuchen und überhaupt wählen gehen, anstatt sich zu beklagen, dass die bösen Kapitalisten schuld sind. Ich meine... ich verstehs einfach nicht, warum seit Jahren die gleiche Kanzlerin an der Macht ist und das Volk unzufrieden ist. Oder Moment... vielleicht verstehe ich es doch, vielleicht geht es ja (zumindest in Deutschland) den Menschen schon seit Jahren im wahrsten Sinne des Wortes zu gut. Klar, ein bisschen über "die da oben" meckern und einzelne Entscheidungen für fragwürdig befinden, kein Ding, gabs schon immer und wird auch immer so bleiben, aber im grossen und ganzen: ich hab iPhone, nen riesen Flat, Auto, einmal im Jahr Malle... passt. Und nee, bloss kein Stress mit den Sozialisten und so... die haben doch schon gezeigt, wie man ein Land in vierzig Jahren in die Grütze reitet, das brauch kein Mensch.
    In Wirklichkeit ist es doch so: Politik und mit ihr die Demokratie ist den meisten ziemlich egal und wird ihnen immer egaler. Anders kann man sich die immer weiter sinkende Beteiligung an Wahlen kaum erklären. Wäre die Unzufriedenheit wirklich gross oder überhaupt vorhanden, müsste sich das doch spätestens dann äussern. Aber dann heisst es eher: Was soll meine Stimme schon ändern? Was doch ziemlich danach aussieht, als ob man sich um die Demokratie ziemlich wenig schert und eigentlich auch genausogut ohne Wahl weiterregiert werden könnte wie bisher.
    Lol, irgendwie weiss ich selbst nicht, was ich damit sagen will... :D Irgendwas in der Richtung, dass es ja eigentlich läuft oder so, zumindest in den Augen der meisten.



    Wo kommen wir denn dahin, wenn eine Regierung versucht, ihre Wahlversprechen umzusetzen? Unerhört!


    Fand ich schon bei der heute-show nur mässig lustig. Warum? Nun, wenn eine (angehende) Regierung ihren potentiellen Wählern das Schlaraffenland verspricht, aber für dessen Umsetzung auf andere angewiesen ist (die damit natürlich niemals einverstanden sind), dann muss man sich nicht wundern, wenns etwas Gegenwind gibt.

    Er wandte sich an Gucky: "Der Kommandant hat mich gewarnt für den Fall, dass du bei den Ankömmlingen sein würdest. Deine Kommentare würden schwer zu verstehen sein, weil du in einer Art zwanghaften Humors gefangen bist." Perry Rhodan #3133, Seite 55

    Per aspera ad astra!

    Momentan kein Partneravatar mit Missy!

  • Warum kompliziert, wenns auch einfach geht? Wie wärs denn zur Abwechslung mal damit, dass diese Menschen bei der nächsten Wahl statt wie immer CDU (oder bestenfalls mal SPD) zu wählen, ihr Kreuz z.B. bei der Linken machen


    Ehrlich gesagt ist genau das der Punkt, der mich an dieser Studie so irritiert: Offenbar sympathieren fast 50 % der Menschen mit mal mehr mal weniger deutlich linken bis linksradikalen und linksextremen Aussagen, trotzdem schlägt sich das nicht wirklich im Wahlergebnis nieder. Oder man definiert in der Studie links schon da, wo die SPD gerade steht. Dann ist vermutlich Die Linke schon linksradikal, was dann auch den, wie ich finde, hohen Anteil an Zustimmung für linksradikale und linksextreme Aussagen erklären würde.


    Nun, wenn eine (angehende) Regierung ihren potentiellen Wählern das Schlaraffenland verspricht, aber für dessen Umsetzung auf andere angewiesen ist (die damit natürlich niemals einverstanden sind), dann muss man sich nicht wundern, wenns etwas Gegenwind gibt.


    Normalerweise werden solche Versprechen aber auch entsprechend schwammig formuliert. Wenn Frau Angela Merkel dagegen eine glasklare Aussage trifft ("eine Maut wird es mit mir nicht geben") und das erste, was direkt nach der Wahl diskutiert wird, ist genau diese Aussage, dann wurden nicht irgendwelche Schlaraffenlandversprechen nicht eingehalten, sondern solide Aussagen, die einfach mal stehen müssen.
    Natürlich muss jedem klar sein, dass man in der Politik Kompromisse machen muss. Wenn man aber angibt in einem Thema keine Kompromisse zu machen, dann ist es einfach lächerlich, wenn genau da die Kompromisse beginnen.

  • Ob das mit der Einkommensumverteilung von unten nach oben auf ein Demokratiedefizit hindeutet...


    Das war eigentlich auf die hohe Politikverdrossenheit bezogen. Dabei gebe ich vor allem den Sozialdemokraten die Schuld, weil es deren Aufgabe wäre, sich für eine gerechtere Verteilung, für eine Beseitigung des Steuerbauchs und um eine bessere Situation für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu kümmern. Stattdessen sind ausnahmslos alle sozialdemokratischen Parteien in Europa den Dritten Weg gegangen und haben dadurch eine Schwächung des Sozialstaats ermöglicht. Sie haben sich von ihren einstigen Idealen und Wählern entfernt und sind meiner Meinung nach zu einer Parodie ihrer selbst verkommen. Wenn ich sehe, wie der (sozialdemokratische) österreichische Bundeskanzler und der (sozialdemokratische) Wiener Bürgermeister jedes Jahr am 1. Mai gegen den ausbeuterischen Kapitalismus wettern, während Wachleute und Absperrungen sie vor der Menschenmenge schützen, weiß ich nicht, ob ich darüber lachen oder weinen sollte.


    Vergleicht man deren Haltung mit der eines Alexis Tsipras, der noch in der ersten Woche seiner Amtszeit ein Flugzeug der Regierung und seinen neuen Dienstwagen verkauft hat und der nicht wie die meisten Spitzenpolitiker in ein Villenviertel umzieht, sondern weiterhin in einem krisengebeutelten Stadtteil wohnen bleibt, dann merkt man richtig den Unterschied zwischen unseren Eliten-Regierungen und einer Regierung, deren Mitglieder man tatsächlich als volksnah bezeichnen kann. Ein noch besseres Beispiel wäre der ehemalige Präsident von Uruguay. Solche Menschen bräuchten wir an der Spitze. Nicht Merkels oder Gabriels. Bescheidenheit und Empathie von Seiten der Mächtigen wären die besten Mittel, um der wachsenden Politikverdrossenheit entgegenzuwirken.


    Aber einfach den Mittelfinger (buchstäblich; Varoufakis) nach Deutschland zu zeigen und zu sagen, wir zahlen die Schulden nicht... Auch nicht gerade clever.


    Varoufakis' Äußerungen mögen manchmal unangemessen oder provokant wirken, doch inhaltlich hat er nunmal Recht. Griechenland braucht eine Umschuldung und ein Wachstumsprogramm und das weiß auch ein Herr Schäuble. Mir persönlich sind Politiker lieber, die geradeheraus unangenehme Wahrheiten aussprechen, als welche, die entweder lügen oder so lange abwarten, bis Gras über die Sache gewachsen ist. Varoufakis' missglücktes Auftreten wird wohl damit zusammenhängen, dass er keinerlei politische Erfahrung hat. Das ist natürlich ein Problem. Aber es ändert nichts an seiner Wirtschaftskompetenz und an seinem Verhandlungsgeschick.


    Nun, wenn eine (angehende) Regierung ihren potentiellen Wählern das Schlaraffenland verspricht, aber für dessen Umsetzung auf andere angewiesen ist (die damit natürlich niemals einverstanden sind), dann muss man sich nicht wundern, wenns etwas Gegenwind gibt.


    In einem Land mit über 25% Arbeitslosigkeit und 3 Millionen Unversicherten ist es wohl kaum falsch, wenn ein neuer Regierungschef seinem Volk Hoffnungen macht. In Griechenland hat wohl ohnehin kaum jemand damit gerechnet, dass Syriza die meisten ihrer Wahlversprechen umsetzen würde. Aber allein der Wille zur Veränderung macht schon viel aus.
    Neuesten Umfragen zufolge ist Syriza heute sogar um 10-15% stärker als bei der Wahl Ende Jänner. Es kommt sehr selten vor, dass ein Volk so sehr hinter ihrer Regierung steht. Die Bevölkerung hat gesehen, wie sich Tsipras bei den Verhandlungen mit den Gläubigern für sie eingesetzt hat und auch, wenn er schmerzhafte Kompromisse eingehen musste, hat er offenbar immer noch mehr erreicht als die Menschen ihm vor kurzem noch zugetraut hätten. Zumindest Politikverdrossenheit herrscht in Griechenland deswegen wohl im Augenblick nicht. Wäre doch schön, wenn wir auch mal eine bürgernahe Regierung hätten, deren erster Gesetzentwurf sich mit der Bekämpfung von Armut befasst und nicht etwa mit der Erhöhung von Parteienförderungen oder ähnlichem. :)


    Offenbar sympathieren fast 50 % der Menschen mit mal mehr mal weniger deutlich linken bis linksradikalen und linksextremen Aussagen, trotzdem schlägt sich das nicht wirklich im Wahlergebnis nieder.


    Ich sehe darin keinen Widerspruch. An der Wahlurne gehen die meisten Menschen lieber kein Risiko ein und wählen "gemäßigt", auch wenn sie davor monatelang auf eben diese Parteien geschimpft hatten. Andere Faktoren spielen dabei natürlich ebenfalls eine Rolle, etwa das "Taktische Wählen". Die Großparteien argumentieren im Wahlkampf oft damit, dass man nur mit einer Stimme für sie einen Regierungschef der jeweils anderen Großpartei verhindern könne.
    Na ja und im Falle Deutschlands befinden sich sicher auch gerade viele sozialdemokratische Wähler im "Schmuddelecken"-Dilemma: Einerseits sind sie unzufrieden mit dem aktuellen Zustand der SPD und wünschen sich eine sozialere Politik, aber andererseits sehen sie in der passenden Alternative für sie, der Linkspartei, noch immer die Nachfolgerin der SED, die auch heute noch in einigen Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Bevor man dann Leute wählt, die einem nicht ganz geheuer sind, wählt man zur Sicherheit lieber weiterhin hellrot.

  • Abgesehen davon ist der Zustand der Linkspartei katastrophal. Ständig vollkommen unangebrachte Äußerungen, mit denen sich die Partei auch ganz von selbst in die Schmuddelecke bewegt.
    Varoufakis wirkt nicht provokant, er ist es, wenn er bspw. Deutschland den Mittelfinger zeigt und sagt, dass sie das Problem alleine lösen können. Natürlich ist Deutschland an der Situation Griechenlands nicht unbeteiligt, aber das ist halt wirklich keine gute Politik sondern Populismus.

  • Abgesehen davon ist der Zustand der Linkspartei katastrophal. Ständig vollkommen unangebrachte Äußerungen, mit denen sich die Partei auch ganz von selbst in die Schmuddelecke bewegt.


    Und wie wir wissen, gibt es solche Leute in anderen Parteien nicht. Leute, die einfach nur dummes Zeug labern und so. Würde man jeden SPD-, CDU- und überhaupt jeden Politiker direkt vor die Kamera zerren, weil er mal wieder irgendwelchen unreflektierten Bullshit redet, wir hätten keine Zeit mehr für andere Dinge.


    Varoufakis wirkt nicht provokant, er ist es, wenn er bspw. Deutschland den Mittelfinger zeigt und sagt, dass sie das Problem alleine lösen können.


    Wobei das auch so klingt, als hätte er das jetzt getan, wo die Syriza an der Macht ist, um Deutschland zu provozieren. Stattdessen wäre sinnvoll: Kontext (bei ca 1:50)
    Im Grunde zeigt er nicht Deutschland den Mittelfinger, sondern sagt, dass Griechenland das hätte tun sollen. Und zwar schon 2010. Gesagt hat er das 2013.


  • Und wie wir wissen, gibt es solche Leute in anderen Parteien nicht. Leute, die einfach nur dummes Zeug labern und so. Würde man jeden SPD-, CDU- und überhaupt jeden Politiker direkt vor die Kamera zerren, weil er mal wieder irgendwelchen unreflektierten Bullshit redet, wir hätten keine Zeit mehr für andere Dinge.



    Wobei das auch so klingt, als hätte er das jetzt getan, wo die Syriza an der Macht ist, um Deutschland zu provozieren. Stattdessen wäre sinnvoll: Kontext (bei ca 1:50)
    Im Grunde zeigt er nicht Deutschland den Mittelfinger, sondern sagt, dass Griechenland das hätte tun sollen. Und zwar schon 2010. Gesagt hat er das 2013.

    Zum ersten: Was ist immer dieses "Das gibt es woanders aber auch!"? xD Wenn ein CDU-Politiker was falsch macht, sag ich auch nicht, dass es in der Linkspartei auch Idioten gibt. Und wenn bei RT Deutsch Linkenabgeordnete sitzen oder in Berlin Leute aus der Linksjugend mit Nazis gegen Israel aufmarschieren oder es zum guten Ton der Partei gehört, Israel an den Pranger zu stellen, dann kritisiere ich das, besonders dann, wenn, wie hier im Thread, die Linkspartei als die Lösungspartei dargestellt wird. Nicht jede Alternative ist eine gute Alternative. Und ich würde sagen, dass das das eigentliche Problem in der deutschen Parteienlandschaft ist: Dass es keine gute Alternative gibt. Bescheuerte Volksparteien gibt's überall, gute Alternativen leider selten. Aber sorry, ich wusste nicht, dass man die Linkspartei nicht kritisieren darf. :pflaster:
    http://alexander-nabert.de/201…hspartner-von-rt-deutsch/
    http://de.wikipedia.org/wiki/O…eindliche_Ausschreitungen
    http://www.tagesspiegel.de/pol…e-querfront/11165150.html


    Und zum zweiten: Habe heute erst die ganze Rede von ihm gehört und der Gesamtkontext entschuldigt nichts daran. Ich fühle mich bei der Geste nicht in meinem nicht vorhandenen Nationalstolz gekränkt, sondern halte es für populistischen Wahlkampf mit Konzentration auf einen politischen Gegner, vielleicht um davon abzulenken, dass man selbst keine Ideen hat. Oder wie interpretierst du das? Und wie fändest du eine/n deutsche/n Politiker/in, der/die so was in Richtung Griechenland bringt?

  • Ich finde, momentan wird (zumindest in der Schweiz) zu viel in den Markt eingegriffen; die nötigen Änderungen (wie zum Beispiel die Abschaffung der Abgangsentschädigungen für Manager) werden von stupiden, bürokratisierenden Gesetzen begleitet, welche den Wirtschaftsstandort Schweiz in dem Fall unattraktiv machen und somit ein gravierendes Loch in der Bundessteuer hinterlassen. Dem armen Mann geht es deswegen nicht besser, sogar eher schlechter, da weniger Infrastruktur und weniger Sozialleistung gewährt werden kann, weil schlicht und einfach kein Geld vorhanden ist.


    Allgemein mangelt es mir an Lösungen. In diesem Thread wird das System für das Problem verantwortlich gemacht - genau so ist es. Der Punkt liegt nun aber darin, dass es praktisch keine Alternativen gibt. Man könnte einen Feudalismus einführen (glaube ich, im Interesse der wenigsten) oder den Kommunismus. Doch letzterer ist nicht tauglich für eine funktionierende Grossgesellschaft. Schon ab wenigen Dutzend Leuten sind die meisten Menschen nicht mehr bereit, eigens Erarbeitetes an andere abzugeben. Verständlich, meiner Meinung nach, wenngleich es den Kommunismus verunmöglicht.


    Bürgerferne Politik wird die ganze Zeit als Missstand bemängelt, doch niemand sagt genau, was denn bürgernahe Politik wäre. Ganz konkret.

  • Dass es keine gute Alternative gibt. Bescheuerte Volksparteien gibt's überall, gute Alternativen leider selten.


    Ja dann mach doch deine eigene Partei auf, am besten irgendwas mit "Alternative" im Namen :D Und jetzt mal zur Abwechslung ne ernstahfe Frage, welches wäre denn für dich eine gute Alternative?
    Das Problem an Demokratie ist halt, dass man immer Kompromisse eingehen muss, auch beim Wählen. Ich meine man wird sicher in den wenigsten Fällen mit 100% der Inhalte einer Partei übereinstimmen, aber man weiß ja welche Prioritäten man hat, und muss dann halt schauen, welche Parteien diese Sachen am besten abdecken.
    Ich finde auch, dass ein Großteil der Iraelkritik übertrieben ist, aber das Thema liegt auf meiner Prioritätsliste wohl nicht hoch genug, um nicht die Linkspartei zu wählen^^


    Vergleicht man deren Haltung mit der eines Alexis Tsipras, der noch in der ersten Woche seiner Amtszeit ein Flugzeug der Regierung und seinen neuen Dienstwagen verkauft hat und der nicht wie die meisten Spitzenpolitiker in ein Villenviertel umzieht, sondern weiterhin in einem krisengebeutelten Stadtteil wohnen bleibt, dann merkt man richtig den Unterschied zwischen unseren Eliten-Regierungen und einer Regierung, deren Mitglieder man tatsächlich als volksnah bezeichnen kann. Ein noch besseres Beispiel wäre der ehemalige Präsident von Uruguay. Solche Menschen bräuchten wir an der Spitze.


    Das ist an sich richtig, aber ich habe irgendwie das ungute Gefühl, dass viele Leute bei uns solche Politiker gar nicht mehr ernst nehmen würde. Ich meine sonst hätten wir doch loche Menschen schon längst an der Spitze. Wer als Politiker von Anzug und Dauerlächeln abweicht, wird doch sofort überall durch den Kakao gezogen und gilt für die meisten als nicht mehr wählbar.