Hallo liebe Diskutanten!
Ich eröffne dieses Topic mit der Bitte, den Startpost gründlich zu lesen und euch wirklich Gedanken zum Thema zu machen, bevor ihr eine Antwort verfasst.
Sicher brennt ihr schon darauf, euch über dieses hoch interessante Thema in einer hitzigen Diskussion mit anderen Foristen auseinanderzusetzen, oder aber ihr habt einfach das Bedürfnis, eure Meinung hier anderen mitzuteilen. Doch warum eigentlich? Welche Vorteile zieht ihr daraus? Immerhin können gerade Diskussionen zu kontroversen Themen nicht bloß zeitintensiv, sondern mitunter ganz schön nervenstrapazierend sein. Mit weit über 20.000 Beiträgen ist dieser Bereich der allgemeinen Diskussionen doch sehr belebt und auch in anderen Foren wird fleißig diskutiert. Das schöne, oder je nach Blickwinkel auch weniger schöne an Foren ist das breite Publikum, das man erreicht und mit dem man sich austauschen kann. Unterschiedlichste Altersgruppen, Nationalitäten und Bildungsschichten treffen dabei aufeinander und es wird über so ziemlich alles diskutiert. Das führt in der Theorie zu einem unglaublich facettenreichen Meinungsaustausch.
Diskutiert man im "realen Leben", also außerhalb des Internets, so hat man meist ein klares Ziel vor Augen: der Jugendliche will ein Haustier, der Vater will kein Urlaub in Italien, die Mutter will ihren Sohn vom Rauchen abbringen, der Freund benötigt das Auto eines anderen, die Frau will eine andere näher kennenlernen etc. Man strebt dabei im Prinzip immer eine gewisse Zustandsänderung an, man versucht eine bestimmte Handlung zu erzwingen. In einer Forendiskussion jedoch trifft all das nicht zu. Man diskutiert mit Fremden, die womöglich in hunderten Kilometern Entfernung leben und die man wahrscheinlich niemals zu Gesicht bekommen wird. Eine unmittlerbare Auswirkung, in welcher Form auch immer, auf das eigene Leben ist nicht anzunehmen. Und dennoch, jedes menschliche Handeln resultiert aus irgendeiner Motivation. Auch das Diskutieren in einem Internetforum.
Betrachten wir die Thematik kurz aus psychologischer Sichtweise. Entfernen wir uns dabei mal vom Forengeschehen und denken an ganz gewöhnliche Alltagsgespräche. Ob die Gespräche in der Uni, in der Schule, in der Arbeit, in der Freizeit oder wo und wann auch immer stattfinden, ist vollkommen irrelevant. Wenn man ein gutes Gespräch analysiert, wird man feststellen, es besteht aus drei Elementen:
- Aussagen → du gibst etwas von dir preis, du teilst deine Ansichten mit, du gewährst anderen Einblick in deine Gedanken. Kurz: es geht dabei um dich, du stehst im Rampenlicht.
- Fragen → du willst etwas vom Gesprächspartner wissen, du willst seine Ansichten erfahren, du interessierst dich für ihn, du willst in seine Welt hineinschauen. Kurz: es geht um ihn, er steht im Rampenlicht.
- Pausen → du verarbeitest die Informationen des Gegenübers, du denkst über seine Aussagen nach, du versuchst sie nachzuvollziehen, du versuchst in seine Gedanken einzutauchen, bevor du in Form einer Antwort reagierst.
Was lässt sich nun daraus schließen? Dürfte sehr naheliegend sein. Fehlt eines dieser Elemente, ist das Gespräch nicht komplett. Kommt eines dieser Elemente zu kurz, ist das Gespräch schlecht. Sellt uns der Gesprächspartner beispielsweise überhaupt keine Fragen, können wir ziemlich sicher davon ausgehen, er interessiert sich nicht im Geringsten für uns oder für unsere Meinung. Nicht umsonst wird für Bewerbungsgespräche geraten, Fragen zu stellen, weil man durch eben diese Interesse zeigt. Genau aus diesem Grund freuen sich auch Lehrer, wenn die Schüler Fragen stellen. Fragen sind Ausdruck des Interesses, fehlen sie, so fehlt auch das Interesse.
Mit den Pausen verhält es sich ähnlich. Wenn das Gegenüber, sobald wir mit unserer Aussage fertig sind, ohne jede Pause sofort mit seiner beginnt, bedeutet das er hat uns gar nicht (richtig) zugehört. Er hat unsere Informationen nicht verarbeitet. Er hat sich schon während wir sprechen Gedanken darüber gemacht, was er uns antwortet. Er hat nicht über das nachgedacht, was wir gesagt haben. Auch das zeigt Desinteresse. Aussagen können hingegen nicht fehlen, weil sie das Fundament jedes Gesprächs bilden. Achtet mal bei der nächsten Gelegenheit ganz bewusst auf den Ablauf der Gespräche, die ihr im Alltag führt. Wie viele Fragen werden gestellt und gibt es Pausen?
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Kommen wir nun wieder zurück zu unseren Forendiskussionen. Diskussionen sind de facto nichts anderes als Gespräche, nur eben eine besondere Form davon. Daraus folgt, die oben genannten Kriterien eines guten Gesprächs gelten genauso für jede Diskussion, ja auch für Forendiskussionen. Daher überhaupt dieser Exkurs. Ich bekomme leider ziemlich oft mit, auch oder insbesondere in Diskussionen, in denen ich nicht involviert bin, dass sich einige User durch Fragen, die auch gerne als "Kritik" betitelt werden, schnell angegriffen fühlen und in Folge eine Abwehrhaltung einnehmen, die einer Diskussion in keiner Weise dienlich ist. Dabei zeigt diese "Kritik" doch nur, der Fragende ist an einem Gespräch interessiert, er will den Standpunkt bzw. die Gedanken des anderen besser nachvollziehen können. Was mir leider ebenfalls auffällt, es wird oft nicht ausreichend Bezug auf die Aussagen anderer genommen. Es wird zwar fleißig zitiert, aber es wird nicht versucht, das Zitierte wirklich im Kontext nachzuvollziehen, sich in die Gedanken des anderen hineinzuversetzen. Stattdessen wird einfach das vom Stapel gelassen, was einem schon beim Lesen des Beitrags durch den Kopf ging. Das ist die Sache mit den fehlenden Pausen. Wäre z.B. auch der Fall, wenn die erste Antwort dieses Themas zehn Minuten nach der Eröffnung folgen würde. Das zeigt, man ist nicht am Gespräch bzw. am Gesprächspartner interessiert und trotzdem führt man das Gespräch. Wieso?
Sieg und Niederlage, gewinnen und verlieren. Wäre eine mögliche Erklärung. Es geht einzig und allein darum, den Diskussionspartner vom eigenen Standpunkt zu überzeugen, oder zumindest das letzte Wort zu haben und somit die Diskussion quasi wie ein Spiel zu gewinnen. Ob der eigene Standpunkt richtig ist, spielt keine Rolle. Ich habe z.B. beobachtet, wie im Verlauf einiger Diskussionen das Wort "Wissenschaft" wie eine Atombombe gezündet wird und einigen Beteiligten förmlich den Boden unter den Füßen wegreißt, auch dann, wenn die Argumentation überhaupt nicht wissenschaftlich ist. Was ich damit sagen will, man kann eine Diskussion auch dann "gewinnen", wenn der eigene Standpunkt falsch und einem das auch wohl bewusst ist, wenn man sich nur rhetorisch geschickt genug anstellt. Auch wird so manches Mal versucht, durch das Diffamieren des "Gegners" eine Diskussion "für sich zu entscheiden" (was nebenbei erwähnt ein absolut miserabler Diskussionsstil ist). Die Frage ist nur, was man tatsächlich dadurch gewinnt. Zeit verliert man jedenfalls, vor allem dann, wenn beide Diskutanten wie beschrieben vorgehen. Die Diskussion würde sich in einer Endlosschleife verlieren und neue Erkenntnisse gewinnt dadurch niemand. Also wieso tut man es dann, welchen Zweck verlogt man, mit einem solchen Verhalten?
Wenn eine Diskussion hingegen "verloren" wird, ist die direkte Folge eine neue Erkenntnis. Man wird belehrt, man verwirft falsche Gedanken und "berechtigt" seinen Standpunkt zum jeweiligen Thema. Man lernt dazu, ja man bekommt was, man gewinnt was. Ist nicht das der wahre Sieg? Sollte man nicht gerade in diesem Fall dankbar sein? Immerhin kann man hinterher sagen "die Diskussion hat sich doch gelohnt!". Aber hierfür muss man sich für die Argumente anderer öffnen, bereit sein etwas Neues zu lernen. Nicht blind vor Stolz, Ergeiz oder Trotz sich anderen Argumenten verschließen und auf den eigenen Standpunkt pochen, wohl wissend, dass eben jener falsch ist.
Ein weiterer wesentlicher Punkt, den ich hier ansprechen möchte, ist die Angst, an einer Diskussionen teilzunehmen. Es gibt, wie ich mitbekommen habe, tatsächlich einige User, die sich schlicht und ergreifend nicht trauen, in den Allgemeinen Diskussionen aktiv zu sein, obwohl sie es eigentlich gerne wären. Die Frage ist auch hier: wieso? Eine ehrliche Antwort würde viel darüber verraten, weshalb derjenige überhaupt diskutiert. Ist es die Angst davor, angegriffen zu werden? Die Befürchtung, von anderen bloß gestellt zu werden? Wäre es nicht gerade dann sinnvoll, hier zu diskutieren? Einerseits um die Angst zu überwinden (das beste Mittel gegen unbegründete Angst ist sich dieser auszusetzen und die Angst ist in dem Fall unbegründet!), andererseits, um die eigenen Standpunkte zu diversen Themen zu "berechtigten", oder zu festigen. Um dazuzulernen, um selbstbewusster zu werden, denn ohne Kommunikation wird man niemals Selbstbewusstsein erlangen.
Auf abschließende Fragen, wie sie in diesem Bereich üblich sind, verzichte ich bewusst. Ich will, dass ihr euch wirklich mit dem Thema auseinandersetzt, und nicht einfach runterscrollt und ein paar Fragen beantwortet. Als Ergänzung und weil es hier so schön passt, noch der Verweis auf das Eine kleine Anleitung zum Diskutieren-Topic von Alaiya. Ich denke und hoffe, dass diese Diskussion, wenn sie denn ernsthaft, aufrichtig und mit hoher Beteiligung geführt wird, den Bereich der allgemeinen Diskussionen zumindest ein Stückchen attraktiver und niveauvoller macht und auch für eine angenehmere Atmosphäre sorgt.
In diesem Sinne wünsche ich viel Spaß beim Diskutieren!