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Information | Vote | Gewinner
Ähnlich wie im letzten Jahr gibt es auch dieses Jahr wieder eine bestimmte Anzahl an Punkten, die ihr den Texten geben könnt. Dabei ist zu beachten, dass ihr frei wählen könnt, wie genau ihr die Punkte verteilt und welche Texte mehr Punkte als andere bekommen. Achtet jedoch darauf, dass ihr die Punkte, die euch zur Verfügung stehen, komplett ausschöpft. Votes, welche zu wenige oder zu viele Punkte enthalten, können leider nicht gezählt werden. Des Weiteren solltet ihr eure Punkte mindestens auf drei Texte verteilen, eure Wahl begründen und natürlich nicht für eure eigenen Texte voten. Es ist außerdem hilfreich, euch das "How to vote-Topic" anzusehen. Schreibt ihr in dieser Saison besonders viele Votes, habt ihr die Chance auf einen individuellen Benutzertitel. Weitere Informationen findet ihr hier: Informationen und Regeln zur Wettbewerbssaison 2014
Zitat von AufgabenstellungInnerer Monolog
Was geht wohl in den Köpfen von anderen so vor sich? Was für Gedanken mögen sie wohl haben? Mit solchen Fragen sollt ihr euch in diesem Wettbewerb auseinandersetzen, denn es geht darum, die Gedankenwelt von jemandem durch einen inneren Monolog darzustellen. Um was genau sich die Gedanken drehen und ob sie von einem Pokémon, einem Trainer oder jemand ganz anderem gedacht werden, ist dabei vollkommen euch überlassen. Pokémonbezug ist jedoch in diesem Wettbewerb verpflichtend.
Ihr könnt 9 Punkte verteilen, maximal 5 an eine Abgabe
ZitatAlles anzeigenID: [DEINE USERID]
AX: X
AX: X
Beispiel:
ID: 27258
A16: 3
A1: 5
A3: 1
A7: 1
A9: 2
Der Vote läuft bis Sonntag, den 08.06.2014, um 23:59 Uhr.
Ich führe ein ziemlich mieses Leben. Zwar sieht diese Menschenbrut zu mir auf, erzählt sich Geschichten von mir, in denen ich als Held agiere und als „legendär“ bezeichnet werde, doch was ist das alles schon wert? Diese Wesen sind erbärmlich. Sie sind schwach, doch trotzdem größenwahnsinnig. Sie schließen sich zu Gruppen zusammen, was sie nicht wirklich weniger erbärmlich macht, und denken dann sie könnten uns alle kontrollieren, doch es wird immer einige von uns geben, die ihnen ihre Grenzen aufzeigen werden. Aber diese Plage ist unbelehrbar. Sie versuchen es tatsächlich immer wieder aufs Neue, nur weil mickrige Pokémon, wie Fiffyen, Marill oder Taubsi ohne Widerstand gehorchen.
Die Existenz ihrer Rasse hätte wenigstens einen Sinn, wenn sie diese beiden Streithähne vollständig unter Kontrolle kriegen würden, doch dafür sind sie, wie schon gesagt, schlicht und ergreifend zu inkompetent. So bleibt die Aufgabe, sobald sich der dumme Wal und das brutale Trampeltier mal wieder in die Haare kriegen, die totale Apokalypse zu verhindern, an mir haften. Nur gut, dass mir das keine Mühe macht und ich es eher als recht lästig empfinde, immer einzuschreiten, wenn die beiden aufwachen und sich von der Gier befallen gegenseitig bekriegen. Ich frage mich, wie so machtvolle Geschöpfe zu dämlich sind, um zu erkennen, dass wir alle zugrunde gehen, wenn es überall nur Wasser, oder nur Land gibt. Ach, was wäre es schön, untätig zu bleiben und an einem gemütlichen Platz mit ein paar leckeren Snacks zuzugucken, wie sich Groudon und Kyogre gegenseitig in Stücke reißen. Leider kann ich das nicht tun, denn wenn entgegen meiner Vermutung einer der beiden den anderen besiegen sollte würde es selbst für mich ziemlich düster aussehen.
Eigentlich könnte man ja einwenden, dass diese Schlichtung der Konflikte zwischen den beiden unglaublich aufregend sein müsste und tatsächlich verspüre ich einen gewissen Stolz, wenn ich auf der Bühne der Geschehnisse erscheine und den Heilsbringer spiele, doch leider ist das kein Ausgleich für die quälend langsam vergehenden Abstände zwischen den Erweckungen der beiden. Und so bringe ich die Jahre meines Daseins mit Warten zu.
Somit bin ich wieder bei meinem ersten Satz angelangt. Ich wünschte ich könnte aus diesem Leben irgendwie ausbrechen, doch das ist unmöglich, schließlich bin ich nun mal hier und wohin sollte ich fliehen? Höher hinaus, als in die Ozonschicht kann nicht mal ich, da würde ich auch sterben. Das wäre vielleicht auch eine Option, aber ich glaube, falls die Seele jedes Wesens selbst nach dem Tod weiter besteht, ist einem als Toter noch langweiliger, als wenn man am Leben ist. Also bleibt es dabei: Ich klebe an meinem miesen Leben, genau wie die Menschenbrut an mir klebt. Als Lohn bleibt mir nur ihre Dankbarkeit, doch wieder muss ich mich fragen: Was ist die schon wert? Wenn der Bodyguard eine Ameise beschützen soll, kann die Ameise noch so dankbar sein, dass der den Ameisenbären vertreibt, doch er wird deswegen bestimmt nicht glücklich sein.
Feuer... Flammen wüten.... Die Bilder schwirren in meinem Kopf umher. Die Feuersbrunst breitet sich aus, brennt das Haus nieder... Unser Haus... Was soll ich nur machen? Hilfe, zur Hilfe, kann mir denn niemand helfen? Das Knistern, das Lodern... Aaaah! Warum... Warum geschieht das alles? So rette mich doch jemand! Wieso muss es mir passieren? Muss die Welt denn so grausam sein? Habe ich etwas falsch gemacht? Ist dies die gerechte Strafe für meine Schandtaten? Warum nur? Hilfe! Warum musstet ihr mich rausschicken? In dunkler Nacht... Es war doch nicht das erste Mal gewesen, dass ein Voltilamm aus dem Stall geflohen ist, seine Herde verlassen hat, aufs Feld gelaufen ist und von alleine wieder zurückgefunden hat... Was... Was sollte das... Ich kann nicht mehr... Dieser Blitzeinschlag... Dieses grelle Licht... Diese Naturgewalt... Einfach so... Aus heiterem Himmel... In das Haus... Und dann... Alles vorbei, es brannte... Der Alptraum begann... Selbst der Regen konnte das Feuer nicht aufhalten...
Ich... Ich will nicht mehr... Was ist das noch für ein Leben in Einsamkeit... Leid... und Schmerz? Wäre ich doch nur zuhause geblieben! Dann würde ich jetzt auch tot sein und müsste nicht leiden! Mir war es nicht einmal möglich, etwas gegen das Feuer zu unternehmen... Ich bin so schwach... Zu nichts zu gebrauchen... Was bin ich ohne euch? Ein Niemand! Allein in der großen Welt! Ich brauche euch! Ich werde hier nicht mehr benötigt... Warum musstet ihr auch unbedingt sterben? Hätte der Blitz nicht ein bisschen später einschlagen können? Wärt ihr doch nur noch am Leben, dann würde alles so laufen wie immer. Wir drei auf unserem Bauernhof, melken Miltank, lassen die Tauros und die Voltilamm... Schluchz... auf die Weide und... und... alles wär' gut.
Kann mir denn niemand helfen? Dreh doch jemand endlich die Zeit zurück! Erlöst mich von all dem Leid, damit wir wieder vereint sind! Bitte... Den Anblick der Katastrophe werde ich nie vergessen können... Wie ihr da lagt, am nächsten Morgen... Eure... Körper... Die Überbleibsel... Verbrannt, entstellt, verwesen... Asche... Schnief... Der Gestank des Todes... Die Pest... Grausam... Die Asche... Verweht vom Wind... Nichts mehr... Alles vorbei... Alles weg... Verloren... Für immer... In Ewigkeit... In der Welt...
Ach, was... was gäbe ich dafür... Schluchz... Dass ihr wieder hier wärt... Schluchz... Warum musstet ihr sterben... Ich... Ich komme zu euch, ich will nicht mehr... Was soll ich noch in dieser Welt? In... In dieser alten, verdreckten, kalten, einsamen Scheune? Allein, in tiefer Nacht? Auf Heu? Ich hab' hier nichts mehr, was mich hält. Ich gehe... Dann können wir wieder gemeinsam lachen und leben und... Togepi... Was will das Togepi auf meinem Schoss... Was... Was macht es hier? Was will es von mir? Seit wann ist es hier? Ah... Ich erinnere mich... Es ist mir nachgelaufen in der Nacht, als das Unglück geschah... Es rannte mir nach und wollte mir helfen, obwohl... Es noch so klein ist... Warum hat es das getan?
Es war ein Geschenk. Von dir, Mama... Es war noch im Ei... Ich weiß noch ganz genau, was du zu mir sagtest. Du... Du hast es mir gegeben und... Hast lächelnd gesagt: "Felix, dieses Ei soll dir Glück bringen...!" So hast du es formuliert. Ich werde es nie vergessen. Dieses Pokémon wird mich immer an euch erinnern. Als es dann eines Tages geschlüpft ist, hat... Hat Papa voller Stolz gelobt: "Mein Junge, du bist erwachsen geworden!" Was wolltest du damit aussagen, Papa? Ich habe es dich nie gefragt... Und jetzt ist es zu spät... Ihr seid tot und kommt nie wieder... Ihr seid von nun an in einer anderen Welt... In einer Welt des Friedens... Ich werde euch folgen... Doch warum... Togepi schläft so ruhig. Hat es die Katastrophe nicht mitbekommen? Es ist so schwach und klein und... Was soll ich tun? Ich schaffe es nicht... Ich werde zu euch kommen... Ich kann doch nicht die Verantwortung für dieses winzige Ding übernehmen. Es wird besser alleine zurecht kommen. Mama... Du hast versichert, dass es mir Glück bringen würde! Was soll das für ein Glück sein? Ihr seid gestorben! Nennst du das etwa Segen? Warum lässt das mächtige Arceus solch eine Katastrophe zu? Ist es doch nicht so allmächtig, wie alle behaupten? Was ist das für ein Gott?
Mama, Papa... Was soll ich nur tun? Ich kann mich nicht um Togepi kümmern. Wie sollte ich? Es ist besser alleine aufgehoben anstatt bei einem schlechten, armseligen Trainer wie mir. Schon wieder fängt es an, zu regnen. Das Dach der Scheune ist so undicht, dass es uns nicht vor dem Regen schützen kann. Durch die Bedachung kommt er hindurch, aber ein Feuer kann es nicht auslöschen? Was ist das denn bitte für ein Regen? Togepi... Es ist aufgewacht, es zittert. Ich... Ich muss es irgendwie warm halten. Nur wie? Es darf nicht sterben... Hier findet sich nichts außer nassen Wänden und Boden und Heu... Heu... Ja... Papa, hat jedes Mal, wenn die Mauzi und Charmian aus ihren Eiern geschlüpft sind, Heu über die Babys gelegt, damit sie es angenehm warm hatten. Wenn ich jetzt also Togepi auf den trocknen Heuballen lege und es mit ein wenig Heu bedecke, sollte es nicht mehr frieren. Ich nehme den da hinten. Er müsst' der trockenste sein. Ja... Ja, das ist er. Schön trocken... So ist es gut, mein Kleines, gleich wird es dir besser gehen, das verspreche ich dir. Jetzt nehmen wir nur noch ein gutes Stück von dem trockenen Getreide, decken dich damit zu und dann hast du es kuschelig warm.
Wie es sich freut. Dieses unschuldige Geschöpf. Echt niedlich. Wie soll ein solches Babypokémon alleine in dieser Welt mit allen ihren Gefahren auskommen? Es ist doch völlig machtlos und braucht jemanden, der es beschützen kann... Halt. Was denke ich da? Ich kann doch nicht... Nein, dafür bin ich nicht gemacht... Nein... Warte... Aber... So langsam verstehe ich... Ich sei erwachsen geworden, meinte Papa... Togepi ist aus dem Ei geschlüpft, es ist geboren... Ein Kind als Zeichen der Liebe... Sie haben mir das Ei gegeben, weil sie wussten, dass ich mich um es kümmern würde. Sie waren sich im Klaren darüber, dass... Dass Togepi ausschlüpfen würde, weil ich ihm Liebe und Fürsorge schenken würde... Ich habe also schon unbewusst Verantwortung übernommen. Dennoch kann ich das nicht... Ich kann mich nicht weiter um es sorgen... Oder?
Wo... Wo ist überhaupt Voltilamm? Ich habe es förmlich vergessen. Das arme Pokémon... Es hat seine Eltern verloren, seine Freunde, sein Zuhause... Ja, auch unsere Pokémon sind... Das habe ich ganz verdrängt. Wie es ihm wohl geht? Wo es bloß sein könnte?
Das... Das ist doch nicht möglich... In der anderen Ecke der Scheune... Ich habe es übersehen, völlig außer Acht gelassen in meiner Trauer... Es fühlt sich sicherlich nicht besser als ich... Verwaist, verlassen, verloren... Ich hole es zu Togepi und mir, damit es nicht allei... Nein... Nein... Wie dumm ich doch bin. Wie verblendet. Mein Gott, wie konnte ich nur so blind sein? Ich bin doch nicht allein. Die Pokémon sind in derselben Situation wie ich. Wir haben noch einander... Was würde aus ihnen werden, wenn ich...? Das Leben ist ein Geschenk der Ungewissheit. Es sollte nicht verschwendet werden... Och, Mama, ich verstehe... Ihr habt mich nach draußen geschickt, um das Voltilamm zu schützen. Ihr habt euch Sorgen gemacht. Ich bin im Selbstmitleid versunken und habe es nicht sehen wollen. Doch... Warum seid ihr selbst nicht aus dem Haus gegangen? Habt ihr gespürt, dass euer Leben in jenem Augenblick zu Ende gehen würde? Es war ja nicht das erste Mal, dass ein Pokémon bei Nacht ins Freie lief. Oder... War es gar Schicksal? Sollte es so kommen? Sollte ich die Erfahrung machen? War alles vorbestimmt? Hätte der Blitz mich getroffen, wenn Togepi nicht hinausgelaufen wäre? Wollte das Kleine mich warnen und davon abhalten, wieder zurück nach Hause zu kehren? Wenn ich nur wenige Sekunden später zurückgegangen wäre, wäre ich jetzt... Dieses winzige Geschöpf ist mein Schutzengel. Es hat Voltilamm und mir das Leben gerettet. Trotz seines Alters hat es, ja, man muss es so setzen, ein Wunder vollbracht. Ich... Ich darf das Leben nicht einfach wegwerfen. Ich... Ich muss für die beiden da sein und ihnen Geborgenheit und Liebe schenken, so wie ihr es getan habt. Es tut mir so unendlich Leid... Ich wollte sterben, um mich vom Leid zu erlösen, und habe dabei nicht an die anderen gedacht, die ebenfalls leiden. Wie konnte ich nur... Auch wenn ich nicht der geeignetste Trainer bin, möchte ich für die beiden da sein. Ich möchte das Geschenk, was ihr mir gegeben habt, nicht verwerfen. Selbst wenn ich leide, möchte ich nicht in Selbstmitleid versinken, sondern Hilfe bei meinen Pokémon suchen. Ich weiß, ich werde das Ereignis nicht so leicht verkraften... Das... Szenario spielt sich noch immer in meinem Kopf ab... Hach... Aber dennoch... Obwohl es kein leichter Schritt werden wird, werden wir gemeinsam... Ja... Nach Lavandia reisen, um euch die ewige Ruhe zu gewähren. Trauer braucht Zeit, um verarbeitet zu werden... Sie wird mich immer wieder einholen... Doch... Alleine bin ich damit nicht. Nein. Das bin ich nicht.
Hitze. Schmerz. Lasst mich allein! Macht, dass dieses unsägliche Kreischen aufhört, dieses Kratzen, dieses verdammte Kreischen!
Schmerz.
Mein Fleisch reißt, meine Knochen splittern. Bitte, ich will nicht sterben! Wo kommt nur dieses Kreischen her, dieses Schreien? Lass es aufhören!
Ich muss fort von hier! Fort, nur fort. Fort aus diesem verdammten Tümpel, dieser Todesfalle. Fort von diesem Quietschen und Kreischen und Kratzen. Doch wo nur geht es hinaus? Ich kann nicht sehen, kann mich kaum bewegen, die Hitze ist zu groß. Vor ein paar Stunden noch habe ich mich doch gut und geborgen gefühlt in meinem scheinbar sicheren Zuhause. Was geschieht nur mit mir? Mit welcher Krankheit habe ich mich infiziert?
Dieser Schmerz wird mich noch umbringen! Meine Haut drückt und zerrt so sehr an meinem Fleisch, am liebsten würde ich sie mir abreißen. Wann ist sie nur so klein geworden? Seit wann schrumpft mein geliebter See? Oder bin ich es etwa, der mehr Platz einnimmt?
Meine Augen müssen mir einen Streich spielen! Auf meinen Körper ist auch kein Verlass, nur noch Schmerz, überall. Dieses Kreischen muss schuld an all dem sein! Es fährt mir in die Ohren, fährt mir in mein Fleisch, fährt mir in die Knochen. Können die anderen Pokémon es denn nicht hören? Leiden sie nicht? Warum nur halten sie alle Abstand? Dieses verdammte Pack! Niemand will mir helfen, alle sehen sie mich leiden. Herzloses Gesindel. Nie haben sie mich respektiert. Nur weil ich schwach bin. Vielleicht leide deshalb nur ich unter diesem ohrenbetäubenden Geräusch.
Aber das kann doch nicht sein! Da waren doch noch andere, die kaum stärker waren als ich. Ich kann nicht der Einzige sein, der …
Schmerz. Schmerz, Schmerz, Schmerz, immer schlimmer. Ich brenne! Mein Körper steht in Flammen, in unlöschbaren Flammen, kein Wasser wird ihnen je Herr werden! Ist das der Tod? Ist er das? Wenn ja, so bring es endlich zu Ende. Nicht noch eine Sekunde länger kann ich dieses Ziehen und Drücken ertragen, das Brechen meiner Knochen und das Reißen meines Fleisches. Ich kann kaum noch denken, nicht mehr atmen, nicht mehr fühlen.
Schmerz. Qual. Unerträglich.
Muss fort. Schwimmen.
Sterben.
Bitte.
Schreien, ich will schreien, den Schmerz heraus schreien, ihn in tausend Scherben zerspringen lassen durch mein Schreien. Das Kreischen überschreien!
Stopp, Halt, Schluss! Das war nicht meine Stimme, nicht mein Schreien, nicht mein Stöhnen. Das war ein Brüllen. Das Brüllen eines Monsters. Doch kam es nicht aus meinem Mund?
Moment! Wo ist das Kreischen hin? Ich kann es noch hören, deutlich, aber leiser, ferner. Ist es geflohen? Geflohen vor einem Monster? Dringt es nicht mehr durch meine Haut?
So ist es dann wohl schwächer als der Schmerz. Der ist geblieben, bleibt allgegenwärtig. Aber erträglicher, nicht mehr lähmend. Endlich kann ich wieder sehen, riechen. Nur wiedererkennen kann ich fast nichts mehr. Das Wasser ist heller, der Geruch der anderen Pokémon intensiver, das Ufer näher, der Fels dort nicht länger mehr, als ein kleiner Stein. Was hat dieses Geräusch nur aus meiner Heimat gemacht? Hat es die ganze Welt verändert?
Ich muss hoch und nachsehen! Das Wasser versperrt meine Sicht. Nun mach schon, Körper, beweg dich endlich! Links und rechts, Schwanzflosse! Das kann doch kaum so schwer sein!
Stopp! Was ziehe ich denn da hinter mir her? Es hängt an meiner Schwanzflosse und gleitet nur schwer von der einen Seite zur anderen. So werde ich hier niemals wegkommen! Abschütteln werde ich dich, du große Maße, was immer du sein magst. Hoch und runter, hoch und runter. Fall schon ab!
Was ist denn jetzt? Nun gleite ich durch das Wasser, so schnell wie nie zuvor! Hat der Schmerz mich so im Griff, dass ich kurz vergaß, wie man schwimmt? Ich war mir sicher, es war von links nach rechts, von rechts nach links. Nicht von oben nach unten, von unten nach oben. Schon ist die Oberfläche nah, gleich werde ich sie durchstoßen. Also mache ich wohl alles richtig. Ich kann bereits das Sonnenlicht erkennen. Zumindest das scheint nicht verändert zu sein.
Das Auftauchen tut noch immer gut. Ich mag das Gefühl der an mir herab perlenden Wassertropfen. Sie fallen heute ziemlich tief. Kein Wunder, bei meiner Geschwindigkeit. Ich bin sehr hoch gesprungen. Doch warum falle ich nicht wieder hinunter? Ist auch dies der böse Zauber des feigen Kreischens? Oder spielt der Schmerz mir einen Streich? Ich werde jetzt hinunter sehen, auch wenn ich mich vor der Höhe fürchte. Ich muss endlich erfahren, was hier vor sich geht!
Was ist das für ein Bild im Wasser? Das kann doch wohl nicht ich sein! Fast wie mein Vater sieht das Bild dort aus, nur krank. Sehr krank. Oder schwer verletzt. Eine rote Haut, als sei sie getränkt in Blut. Es muss falsch sein, eine seltsame Spiegelung, eine Illusion. Ein Blick nur über meine Schultern wird das Trugbild enttarnen!
Nein, es täuscht mich nicht. Die roten Schuppen glitzern unnatürlich im Licht der Sonne, wie funkelnde Sterne. Meine roten Schuppen, die doch blau sein sollten.
Nichts war es, das an meiner Schwanzflosse hing, sondern sie selbst, die schwer durchs Wasser glitt. Nicht die Welt hat sich verändert. Nur ich. Nur ich allein.
Wut.
Wo ist dieses Kreischen, wer ist sein Verursacher? Verstümmelt hat man mich, mein zu großes Fleisch in zu enge Haut gepresst! Man hat mich meiner Entwicklung beraubt, Jahren meines Lebens! Bezahlt hat man mich mit Schmerz, unstillbarem Schmerz! Doch nun habe auch ich eine Rechnung offen. Hör mein Brüllen, Welt, denn ich schwöre dir, ich werde sie begleichen! Dir und all deinen Bewohnern werde ich es heimzahlen, bis ich die gefunden habe, die mir dies angetan haben!
Alle sind Schuld, alle miteinander! Jeder von ihnen hat zugesehen und niemand hat mir geholfen. Und alle werden es bereuen. Meine Kraft wird ihre Boote brechen, Leben rauben, Angst verbreiten. Ich werde nicht aufhören zu wüten, bis ich meine Rache bekommen habe, bis der Schmerz verblasst, bis das Kreischen endgültig schweigt. Wenn ich jemals das Fliegen erlerne, wird alle Welt vor mir erzittern und durch mich gerichtet werden. Bis dahin sei dieser See, dieses Höllenloch, der Inbegriff meines Zorns!
Heute habe ich verloren. Den Titel des Champs der Pokemonliga abgegeben.
Das höchste Ziel aller Trainer abgelegt. Weitergegeben an einen jungen Trainer, der des Sieges würdig war.
Ich bin zufrieden. Schon seit langem bin ich des Kämpfens müde. So müde. Doch der neue Champ ist jung. Sorge breitet sich in mir aus. Ist es wirklich richtig, dass ein so junger Mensch schon sein Ziel erreicht? Wonach sollte er noch streben? Und wonach ich?
Neben mir schwebt Simsala im Schneidersitz. Tiefe Falten zeugen von seinem hohen Alter, welches auch das meine ist.
Ich weiß, dass Simsala meine Gedanken kennt. Deshalb frage ich mich, was er wohl denkt.
Ich erinnere mich noch, als er ein Abra war. Ein junges Abra im hohen Gras, gefangen von einem Kind, das Champ werden wollte.
Und nun? Wo ist der Sinn geblieben? Das Streben nach den hohen Zielen? Wo bleibt es, wenn man es schafft alles zu erreichen, was man im Leben wollte?
Ich spüre den Wind, wie er meine Lungen ausfüllt, ehe er sie wieder verlässt. Die Wärme der Abendsonne strahlt auf meiner Haut und lässt mich eine Art innere Ruhe verspüren, doch den Frieden habe ich noch nicht gefunden.
Der Tag vergeht, die Nacht bricht an. Vielleicht zum letzten mal. Vielleicht auch nicht.
Die Zeit fließt wie ein Strom an mir vorbei. Ich kann förmlich fühlen wie sie vergeht. Mit jeder Sekunde die vergeht, tickt die Uhr ihrem Ende entgegen. Alles muss enden, damit neues entstehen kann. Doch kann das Ende nicht auch ein Anfang sein? Erneut denke ich an den jungen Trainer. Den neuen Champ. Seine Freude über den Sieg konnte man ihm ansehen. Ich weiß nicht, ob ich glücklich oder traurig sein soll. Ich habe verloren. Den Trainer in mir hätte es geärgert. Doch was ist mit dem erfahrenen Mann, der 5 Jahre lang den Ruhm des Champseins genossen hat? Und das nur um am Ende festzustellen, das jeglicher Erfolg letztendlich unbedeutend ist.
Plötzlich verstehe ich etwas, das ich vorher nicht klar vor Augen hatte. Es kommt nicht darauf an, welchen weltlichen Erfolg man hinterlässt. Es sind die Spuren, die man im Leben zeichnet. Die Erinnerungen, die man bei anderen hinterlässt.
Simsala lächelt mir entgegen. Ich merke ebenfalls, dass ich nun zufriedener bin. Ich könnte mich fragen, inwieweit Simsala mir geholfen hat auf diese Gedanken zu kommen, doch es interessiert mich nicht.
Stattdessen rufe ich mir die Zeit, die wir zusammen verbracht haben erneut vor Augen. Lasse alle Kämpfe erneut Revue passieren. Siege und Niederlagen. Die unterschiedlichsten Emotionen prasseln auf mich ein, während ich mich der Gedankenflut hingebe. Wut und Trauer, aber auch Freude und Glück. Die Sonne küsst bereits den Horizont und ich weiß, dass dieser Tag nun zu Ende geht. Doch ich sehe diese Sonne nicht zum ersten Mal. Sie scheint ein Relikt der Ewigkeit zu sein. Jeden Tag in meinem Leben sehe ich sie so wie jetzt.
So kann jedes Ende auch ein Anfang sein.
Nun sitze ich schon wieder hier. Allein. In der Finsternis. Das Einzige, was ich von draußen mitkriege, ist der Lärm, die Schmerzensschreie der Pokémon, die jubelnden Zuschauer, die einen heißen Kampf mitverfolgen. Und die Stöße gegen meinen Pokéball, wenn meine Trainerin am Rand des Kampffeldes meine Kameraden anfeuert und dabei von einem Fuß auf den anderen springt. Und die Zuschauer dürfen ihr zuschauen.
Was würde ich dafür geben, einer von ihnen zu sein... Wie gerne würde ich sie jetzt sehen, wenn der Wind ihr durch ihr kurzes, rotblondes Haar fährt, wenn ihre smaragdgrünen Augen siegessicher funkeln, wenn sie fast angestrengter aussieht als die Pokémon, die für sie kämpfen. Wie gerne würde ich sie anfeuern, ihr zujubeln, diesen Kampf mit ihr gemeinsam erleben, wie sie ihr Team meisterhaft zum Sieg führt. Wie gerne würde ich mit ihr jubeln, mit ihr weinen, sie nach einem langen Kampf in die Arme schließen und für immer so verbleiben. Wie gerne... Wie gerne wäre ich ihr näher. Näher, als sich Trainer und Pokémon sein dürfen.
Tag und Nacht denke ich nur an sie. Wenn ich schlafe, dann träume ich nur von ihr. Und wenn ich kämpfe, dann in der Hoffnung, ihr dadurch einen kleinen Schritt näher zu kommen. Wenn sie mich nach einem hart erkämpften Sieg umarmt, dann bleibt die Welt für mich stehen. Dann schlägt mein Herz schneller und heftiger gegen meine Brust als nach einem Kampf gegen eine Horde Kicklee, dann regt sich etwas ganz tief in mir und ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass dieser Moment ewig währt und ich sie nie wieder loslassen muss.
Ja, ich liebe sie. Und diese Liebe ist stärker als jedes Gefühl, das ich je zuvor hatte. Diese Liebe ist aufrichtig und ehrlich.
Doch es darf nicht sein. Es darf nicht. Die Sitten verbieten es uns. Die Gesellschaft verbietet es uns. Ein Mensch und ein Pokémon dürfen sich nicht lieben. Nicht so, wie zwei Menschen oder zwei Pokémon es dürfen.
Mit meinen Teamkameraden dürfte ich zusammen sein, so lange ich will. Ich könnte gleichzeitig in einer Beziehung mit Nidoqueen, Galagladi und Magnezone sein und es würde kein Ibitak danach krähen, doch eine falsche Berührung meiner Trainerin und alle Welt würde sich ihre Mäuler über uns zerreißen.
Warum? Warum nur? Warum ist es verboten, den zu lieben, den man liebt? Ich wünsche mir doch nichts mehr, als meine Trainerin einmal küssen zu dürfen, doch warum darf ich nicht?
Das ist nicht fair! Das ist einfach nicht fair!
Es scheint mir, dass jeder um mich herum glücklich ist, dass jeder einen liebevollen Partner hat, nur ich nicht, ich darf nicht.
Warum musste ich mich auch in einen Menschen verlieben? Warum konnte ich mich nicht einfach in meinesgleichen verlieben, so „wie es sich gehört“? Dann wäre alles einfach! Dann wäre alles ganz einfach! Aber nein, sie muss es sein. Ein Mensch muss es sein. Ein Mensch, der seine Reise aus Verbitterung begonnen und aus Leidenschaft fortgeführt hat; ein Mensch, der seinen Pokémon blind vertraut und dem seine Pokémon blind vertrauen; ein Mensch, der die Bedürfnisse seiner Freunde stets über seine eigenen stellt; der Mensch, der mich damals im Wald schwer verletzt gefunden und gesund gepflegt hat. Seit diesem Tag...
Ach, wenn ich doch nur auch ein Mensch wäre!
Seit diesem Tag liebe ich sie. Zuerst war es nur eine tiefe Bewunderung, aufrichtiger Respekt. Doch mit meinem Körper hat sich auch mein Geist entwickelt und damit die Gefühle, die ich für meine Trainerin hege.
Ich sollte es mir aus dem Kopf schlagen, es geht einfach nicht.
Aber ich will mit ihr zusammen sein, ich will sie lieben, egal ob sie ein Mensch ist oder nicht. Ich will sie berühren dürfen, ich will sie küssen dürfen. Ich will ihr meine Liebe gestehen. Doch vor allem will ich bei ihr sein, Seite an Seite mit ihr kämpfen, was auch immer geschieht, ich will an ihrer Seite sein, bis dass der Tod uns scheidet.
Manchmal frage ich mich, wie es ist, ein Mensch zu sein.
Seitdem ich von diesem Trainer erworben und dazu benutzt wurde, ein Pokémon zu fangen, sehe ich die Welt, aber ich kann sie nur betrachten und nicht berühren. Ich würde gern wissen, wie sich Gras anfühlt oder wie es ist, seinen Freunden etwas zuzurufen.
Das Pokémon, ein Tauboss, das in mir wohnt, weiß wahrscheinlich gar nicht, wie sehr ich mich mit ihm anfreunden möchte. Ich bin nur sein Zuhause, nicht aber ein gleichwertiges Wesen. Dabei wirkt es so freundlich, aber ich kann ihm nicht sagen, dass ich dies finde. Ich kann gar nichts sagen. Ich bin stumm.
Ich möchte mich mit meinen Brüdern und Schwestern neben mir unterhalten, aber die halten sich alle für etwas Besseres, weil sie eine andere Farbe haben als ich. Und sie sind auch besser – im Gegensatz zu mir zumindest, der weder besonders stark noch besonders schnell ist. Ich bin einfach da und friste mein einsames Dasein.
Ich möchte in Kanto die Legende von Mew erforschen! Ich möchte in Johto im Tanztheater tanzen! Ich möchte mich in Hoenn in den heißen Quellen entspannen, in Sinnoh an einem Pokémon-Wettbewerb teilnehmen, in Unova mit dem Riesenrad fahren und meine große Liebe finden, in Kalos shoppen bis zum Umfallen!
Wie der Rest der Welt wohl ist? Ihn zu sehen, reicht mir nicht. Immer nur in der zweiten Reihe zu stehen, zu schweigen und mich nicht zu bewegen. Es würde mir ja schon reichen, einmal einen Spaziergang zu machen! Aber ohne Beine geht das auch schlecht.
Wenn mir kalt ist, dann möchte ich mich warm halten und mir einen Mantel kaufen. Wenn mir warm ist, möchte ich vor dem Ventilator stehen und einfach wohlig seufzen. Wenn es regnet, möchte ich einen Regenschirm aufspannen und in die Pfützen springen wie ein Kind. Wenn es schneit, möchte ich Schneeengel machen, auch, wenn es wohl sehr langweilig runde Schneeengel wären. Ich möchte fühlen, ich möchte sprechen, ich möchte leben!
Aber ich kann das alles nicht. Ich bin ein Werkzeug, nicht mehr.
Hmm, wieder eine Niederlage. Vielleicht sollte ich meine Kampf-Strategie noch einmal überdenken? Nein, daran kann es nicht liegen, schließlich war ich in der Trainerschule und habe mein Wissen von dort. Die bringen ihren Schülern bestimmt keinen Schwachsinn bei, oder etwa doch? Vielleicht habe ich auch ein paar Grundlagen miteinander vertauscht, könnte ja auch sein…
Oder könnte es doch ein meinen Pokémon liegen? Niemals, Raupy, Zirpurze und Purmel sind zu gute Pokémon. Die wissen, was sie tun. Aber mal ehrlich, woran kann es bloß liegen, dass ich immer und immer wieder verliere? Bin ich zu sanft gegenüber den Pokémon meiner Gegner? Oder sind diese einfach nur stärker als meine, sodass ich gar nichts falsch mache? Naja, wer weiß das schon.
Vielleicht bin ich auch noch nicht alt genug, um mit Pokémon auf Reisen zu gehen. Am besten wäre es wohl, wenn ich eher im Supermarkt arbeite, da kann ich wenigstens nicht verlieren… Ach Mist, Team Rocket ist ja letzte Woche aus dem Gefängnis in Kanto ausgebrochen und versteckt sich jetzt hier in Kalos. Da bin ich hinter einem Tresen im Supermarkt auch nicht sicher. Am besten bleibe ich meinem Beruf als Käfersammler treu, so habe ich wenigstens Spaß an meiner Arbeit.
Vielleicht kommt ja doch der Tag, dass ich meinen ersten Sieg in einem Pokémon-Kampf verzeichnen kann und irgendwann schaffe ich dann auch die Liga und werde der allergrößte Pokémon-Meister!
Wenn ich hoch sehe, fühle ich mich allein.
Wenn ich nach unten blicke, fühle ich mich allein.
Und inmitten all dieser Einsamkeit fühle ich die Leere in mir. Unerreichbar tief wie der Grund eines Sees – man taucht und holt Luft, doch diesen Grund erreicht man nie. Denn dafür reicht das Volumen der eigenen Lunge nicht.
Ich wandere jetzt seit gefühlten Tage durch diese Stadt, die doch kein Ende zu haben scheint. Es ist die größte Stadt in der gesamten Kalos-Region und überall gibt es Gassen, Abzweigungen und Plätze. So viele Menschen an einem Ort, so viele Gedanken und Meinungen. Jeder von diesen Menschen hat einen Traum. Sei es nun, ein großartiger Züchter zu werden, Arenaleiter, Champ oder nur ein guter Trainer – jeder hat einen Wunsch.
Und jeder kämpft, tut alles für dessen Erfüllung.
Aber ich fühle mich so oft fehl am Platz.
Ich frage mich, ob es genügend Sternschnuppen gibt für all diese Menschen. Der Himmel ist unendlich, höre ich immer wieder. Aber auch in dem Universum muss es einen Anfang und somit auch ein Ende geben. Denn alles hat diese beiden Faktoren, selbst das eigene Leben.
Wenn ich des Nachts daliege, abseits dieser großen Stadt mit den künstlichen Lichtern, blicke ich hoch zum Himmel.
Auch ich möchte mir etwas wünschen.
Nur einen einzigen Wunsch will ich erfüllt haben.
Aber was ist, wenn genau in dem Augenblick, wo ich den Wunsch aussprechen will, keine Sternschnuppe mehr da ist? Oder genau dann keine auftaucht?
Manchmal sehe ich über mir ein Flugzeug dahin fliegen.
Und dann erkenne ich die Lösung, die Einzige, die mir Hoffnung schenkt.
Können wir so tun, als wären die Flugzeuge am Nachthimmel Sternschnuppen? Können wir daran glauben, dass auch diese unsere Wünsche erfüllen?
Denn dann würde ich jetzt meinen Wunsch aussprechen.
Mein Pokemon neben mir hebt den Kopf, als ich es streichle. Selbst mein Partner spürt meine Einsamkeit, die sich in mir anbaut. Und es weiß, wie ich es auch weiß, dass dies niemals mehr gehen wird. Nur ein Wunder könnte mir meine Fröhlichkeit wiedergeben, mir das Leben wieder lebenswert machen.
Dieses Leben ist zu schnell und zu sehr auf den Erfolg eines jeden Einzelnen fixiert. Da ist kein Platz für Träume oder Individualisten wie mich. Jede Nacht eine Party, jede Tat ein Egoismustrip, jedes Wort ein Hohn.
Nach all den Enttäuschungen, den Zerschmetterungen und Partys könnte ich einen Wunsch gebrauchen. Denn nach alldem kommt eine Zeit, wo man in die Dunkelheit abdriftet. Du sitzt da und starrst aufs Telefon in deiner Hand. Du hoffst, aber niemand meldet sich.
Aber so nimmt das Schicksal seinen Lauf, man wird dir eine Hand reichen, wenn du zusammenbrichst und wenn deine Träume klarer werden.
Hörst du mich, Flugzeug am Nachthimmel?
Wenn du Zeit hast, dann erscheine bitte, denn jetzt könnte ich wirklich einen Wunsch gebrauchen.
Ein wenig Hoffnung – ist nicht zu viel verlangt.
Ich will in die Zeit zurück, wo alles noch ohne Geld funktioniert hat. Wo man nicht noch vor seinem Alter über seinen Verdienst ausgefragt wurde oder über seine Karriere. Wo man selbst noch etwas wert war.
Wenn ich mich umsehe, erblicke ich Grau. Grau, überall dieses Zwielicht in dem Nebel. Er senkt sich herab und hüllt uns ein, verursacht die Verlangsamung unserer Gedanken. Unsere Wünsche werden zu blassen Lichtern in einem Meer aus Dunkelheit.
Es geht um das Gewinnen, nicht um den Spaß.
Aber was, wenn mir das Gewinnen keinen Spaß macht?
Wir sind Maschinen.
Die Pokemon sind unsere Handlanger, nicht unsere Partner. Sie sind nur ein weiterer wichtiger Faktor auf unserem Weg zur Spitze, zu Ruhm und Erfolg.
Alles widert mich an, will mich nur noch übergeben, bis auch der letzte Rest dieser Gedanken der Gesellschaft aus mir hinaus gespuckt wurde.
Aber der schale Geschmack wird bleiben.
Und sie fragen dich trotzdem, manchmal, wenn der Druck für einen Atemzug verschwindet.
„Was wünschst du dir,
wenn du einen Wunsch frei hättest?"
Flugzeug am Nachthimmel, ich habe mich verspätet, verzeih mir.
Aber wenn es noch möglich ist, selbst wenn die Chance noch so gering ist...
Bring mich bitte jemand zurück in die Zeit, als alles noch einen Sinn hatte?
Ich schätze, wenn wir uns für ein Flugzeug was wünschen könnten, könnten wir wieder zurückgehen in diese Zeit.
Dann, vielleicht, ja vielleicht, würde ich in diese Zeit zurückgehen.
Can we pretend that airplanes
In the night sky are like shooting stars?
I could really use a wish right now
Wish right now, wish right now
Can we pretend that airplanes
In the night sky are like shooting stars?
I could really use a wish right now
Wish right now, wish right now
© by B.O.B and Hayley Williams
Ich mag die Stille. Das steht fest. Man kann wunderbar nachdenken, wenn alles ruhig ist und niemand stört. Das Boot schaukelt ein wenig auf den Wellen. Ich muss daran denken, nachher noch die Küstenwache anzurufen, damit mich die Jungs abholen. Aber das hat Zeit. Solange der Motor nicht funktioniert, will ich mich mal ein wenig entspannen. Wie ich das meinem Vater erkläre, weiß ich noch nicht. Das kleine Sportboot ist sein ganzer Stolz, auch wenn er die meiste Zeit zuhause in Norwegen verbringt und nicht hier an der Küste von Miami. Wenn er damals nicht auf dem abgeflachten Heck mit geöffneter Reling bestanden hätte, würde ich die Beine nicht so ins Wasser hängen lassen können. Glück gehabt, oder?
Womöglich habe ich auch einfach zu lange nicht mehr getankt. Ich kann mich gar nicht daran erinnern. Das werde ich gleich zuerst prüfen.
Stichwort Küstenwache. Hank, der Boss dort, ist ein netter Kerl. Er scherzt oft, dass ich für eine junge Frau zu wenig wiegen würde. Ich sage ihm dann immer, dass ich mich auch nicht dazu zwingen kann, mehr zu essen. 80 Kilo bei knapp 1,90 sollten doch mehr als genug sein. Außerdem geht ihn mein Gesicht nun wirklich nichts an. Himmel, jetzt denke ich schon über mein Gewicht nach. Meine Gedanken springen wirklich umher, wenn ich von all dem Stress auf dem Festland abgeschottet bin. Schlimm.
Scampisto spielt unter mir im Wasser. Manchmal durchbricht es die Wasseroberfläche und spritzt mich nass. Ich finde das glitzernde Nass im Sonnenlicht außerordentlich schön. Vielleicht gehe ich ja noch schwimmen. Den Badeanzug habe ich unter Deck. Glaube ich. Ich sollte nachsehen. Vielleicht habe ich ihn ja vergessen. Nein, unmöglich. Was wäre ich denn später für eine Polizistin, wenn ich solch banale Dinge vergesse?
Der Zweifel nagt an mir. Ich lege den Kopf zurück. Lasse die nackten Beine baumeln und spüre das kühle Nass. Scampisto rächt sich bestimmt gleich dafür, dass ich ihm sein kleines Revier damit streitig mache. Yep. Da kam die Aquaknarre. Großartig, jetzt bin ich wirklich nass.
Ich denke erneut über die Stille nach. Unter mir befinden sich mehrere Millionen Liter Wasser, randvoll mit Leben. Wenn die ganzen Kleinstlebewesen sprechen könnten, was würden sie wohl sagen? Würden sie sich bei den Wailords beschweren, dass sie dauernd mitgefressen werden? Was hätten sie uns Menschen zu erzählen? Die tiefsten Schichten des Meeres werden Abyssal und Hadal genannt. Kaum jemand ist je dort unten gewesen, von irgendwelchen verrückten Forschern und Tiefseerobotern mal abgesehen.
Bestimmt leben da noch viele unentdeckte Arten. Wir kennen die Erde, ja, aber das Meer nicht. Es ist gar nicht so unwahrscheinlich, dass es noch eine intelligente Rasse gibt, die wir noch nie gesehen haben. Irgendwie unheimlich. Nun ein wenig unsicher sehe ich in die Tiefe.
„Hallo?“
Ha. Wie dumm von mir. Als ob das irgendjemand gehört hätte.
Eigentlich ist Wasser ja nicht einmal so flüssig, wie wir denken. Es ist eine Art dünnes Gel. Nachdenklich bewege ich die Beine. Ob sich auf ihnen jetzt in diesem Moment neue Bewohner darauf absetzen? Und falls ja - wovon leben die dann, wenn ich mich gleich abtrockne und damit das Salzwasser von meiner Haut reibe? Leben sie im Handtuch weiter? Schwer vorstellbar.
Die Wolken verschwinden. Endlich ist das vorausgesagte Hochdruckgebiet hier. Ich spüre warme Sonnenstrahlen. Die Lust steigt. Nein, die Lust auf ein kleines Bad! Aurora, denk an andere Dinge, und zwar schnell. So wie das andere Boot da vorn. Sekunde, ein anderes Boot? Tatsache, da ist noch jemand auf die Idee gekommen, diesen Montagvormittag auszunutzen und die Seele baumeln zu lassen. Ich stehe nicht wirklich auf Gesellschaft. Also werde ich einfach weiter hier sitzen bleiben, bis sie weg sind. Das andere Boot bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit vom Festland weg. Die haben es aber wirklich eilig. Scampisto scheint irgendwelche Sensoren zu besitzen, denn obwohl es das Boot selbst nicht sieht, blickt das kleine Pokémon für einige Momente in die Richtung, aus der das Gefährt kam. Manche Wasserpokémon haben ultradünne Kanäle unter den Schuppen, in denen sich Flüssigkeit befindet. Damit können sie Veränderungen im Wasserdruck viel besser wahrnehmen als wir Menschen.
Ach ja, ich müsste auch noch den Pennsylvania-Urlaub durchplanen. Da ich aber erst in mehreren Monaten aufbreche, hat das Zeit. Mit einem wohligen Seufzen lasse ich mich zurücksinken und lege mich auf den Schiffsboden. Ich spüre die Hitze des wärmer werdenden Metalls durch mein T-Shirt. Es ist noch nicht einmal 11 Uhr und schon so warm – der Tag verspricht wirklich heiß zu werden. Das Bad wird immer verlockender. Die Vorstellung, inmitten von vielen kleinen Tieren zu schwimmen, die womöglich irgendwie in mich reinkriechen, schreckt mich jedoch eher ab. Wer weiß, was da noch alles meuchlings durch die Ozeane driftet?
Entnervt schüttele ich den Kopf. Ich gehe oft schwimmen. Wenn es irgendwelche Blut saugenden Algen gäbe, die sich am Fleisch junger Frauen ergötzen, so hätte ich vermutlich schon längst das Zeitliche gesegnet. Kein Grund zur Sorge.
Andererseits...was war noch mal mit dieser Bibelstelle? Die Flüsse Ägyptens färbten sich rot? Ich habe mal gelesen, dass es eine Art Vampiralge gegen soll, die Fischpokémon angreift. Aurora, du hörst die Flöhe husten.
Eigentlich ist es auch gar nicht so still. Die Wellen rauschen unter mir. Ab und zu kreisen einige Wingull weit oben am Himmel und schreien den typischen Schrei, der einem signalisiert, dass man sich in Küstennähe aufhält, auch wenn man die Küste nicht sieht. Man kann von einer Symphonie des Meeres sprechen, wenn man so will.
Klingt immerhin viel schöner als der Stress in der Stadt. Als mir ein Windstoß unter das Shirt fährt, stehe ich wieder auf. Es wäre wohl besser, jetzt schwimmen zu gehen, sonst vertrödele ich noch den ganzen Tag hier.
Das Telefon klingelt. Es ist mein Vater, der wissen will, ob bei mir alles okay ist. Ich finde es irgendwie putzig, wie sich meine Eltern Sorgen machen. Ich habe normalerweise alles im Griff, und darauf bin ich stolz.
Schließlich erinnert er mich an die Aufgaben, die zuhause auf mich warten. Wie immer. Mit einem weiteren Seufzer lege ich auf und erhebe mich. Mit großen Schritten mache ich mich auf den Weg in die Kabine mit dem Steuer. Einmal will ich es versuchen, ansonsten bitte ich Hank um Hilfe. Erstaunlicherweise springt der Motor an. Leises Klicken rechts unten verrät mir, dass Scampisto mir gefolgt ist.
„War wohl nur ein wenig überhitzt oder so. Bereit?“ Mit diesen Worten lasse ich das kleine Sportboot anfahren. Weit komme ich nicht. Ein dumpfes Pochen ertönt, gefolgt von einem Schrei.
Erschrocken stoppe ich die Maschinen und laufe nach vorn an den Bug. In einer Sekunde erfasse ich die Situation in all ihren Einzelheiten. Eine Fähigkeit, die mir in der Zukunft helfen wird, wie ich hoffe. Ein zerbrochenes Surfboard treibt in verschiedene Richtungen. Ein Typ, der nur wenig älter scheint als ich, schwimmt im Wasser. Sein rechter Arm blutet. Habe ich ihn über den Haufen gefahren? Wie peinlich!
Ich springe ins Wasser. Es gibt nur einen Aufgang, und zwar den am Heck. Mit dem Arm wird er nicht weit kommen. Sein Board lasse ich treiben, das ist sowieso hinüber. Schlecht sieht der Bursche nicht aus. Ein gebräunter Surfertyp. Was so ein Morgen auf dem Ozean so alles bereit hält – immer wieder überraschend.
Aber darum komme ich ja so gern her.
Es ist warm, so angenehm warm. Die Flammen, der Luftzug, das Knistern des Holzes – alles tut so wunderbar gut. Wie viel Zeit musste nicht schon vergangen sein, dass ich hier an diesem Ort stand? Wie viele Nächte musste ich nicht schon zitternd verbracht haben, bis der Kamin dank dir wieder glühte? Deine Augen, so friedlich. Den Schlaf hast du dir verdient, genieße ihn. Wer weiß schon, wann es wieder so warm für uns zwei sein wird?
Ich darf es nicht kalt werden lassen. Völlig unwichtig wie kühl der weiße Schnee erstrahlt, das Feuer – unser Feuer – erstrahlt noch heller. Unser Feuer... Nein, es ist dein Feuer. Du hast die Glut eigenständig erzeugt. Wie gerne wüsste ich, ob du es einfach für dich erschaffen hast, oder ob du meine Angst spüren konntest. Hast wahrgenommen, wie kalt mir war? Wusstest du, wie sehr mir die Wärme der Flammen helfen würde? Kannst du mir nicht einfach tief in die Augen schauen und mir zeigen, dass du es für mich getan hast? So lange sind wir jetzt schon Partner, so lange sind wir jetzt schon gemeinsam unterwegs und doch... Einen wirklichen Zusammenhalt zwischen uns gab es in den letzten Jahren nicht mehr. Natürlich weiß ich, wie sehr du Griffel vermisst. Aber das geht doch nicht nur dir so. Ich weiß auch, dass du mir die Schuld für sein Verschwinden gibst, zu Recht.
Nein, du kannst mir nicht einfach in die Augen schauen und es sagen. Nicht ein einziges Lächeln habe ich von dir seither sehen dürfen. Ich hatte euch ungefähr zur gleichen Zeit gefangen, dich sogar noch etwas früher. Ihr ward noch so klein, so jung. Gemeinsam saßen wir oft in den Kronen der Bäume. Der Mond schien häufig so hell wie heute – Vollmond. Sterne waren am Himmel zu erblicken. Immerhin ein Unterschied zur heutigen Nacht. Vieles musste sich ändern. Wir wurden älter, gemeinsam als Team. Die ersten Kämpfe standen für uns an und ich muss es zugeben, gewinnen konnten wir wirklich nicht viel. Dennoch hat es riesigen Spaß gemacht, einfach täglich mit euch daran zu arbeiten, besser zu werden. Griffel war schon immer der Stärkere von euch zwei gewesen. Wahrscheinlich sogar der Stärkste von uns allen.
Wie ruhig du schläfst. Ob du von ihm träumst? Vielleicht von eurem letzten gemeinsamen Kampf? Ihr zwei standet auf dem Kampffeld – es war im Wald. Wir kämpften immer im Wald. Ein Plusle und ein Minun galt es zu besiegen und ihr habt alles gegeben. Zurückhaltend wie du eben bist, hast du ihm die letzte Attacke überlassen. Das Minun hatte keine Chance gegen sein Sternschauer. Die Sterne... Wo sind sie nur geblieben?
Nur ein paar Tage später kam diese junge Frau mit den dunkel schimmernden Augen. Auch sie wollte kämpfen. Ein kurzes Eins gegen Eins, ihr Griffel gegen meins. Die hektischen Anweisungen ihrer tiefen Stimme schwirren mir noch immer ungeordnet im Kopf herum. Ihr Griffel sollte ausweichen, einfach das gleiche tun, was meins auch tat. Doch was tat mein Griffel schon? Es stand auf dem Feld und griff nicht an.
Ich weiß, dass du mir die Schuld an seinem Verschwinden gibst, ja ich weiß es. Aber um ehrlich zu sein, ich stehe auch noch immer dazu. Es war zu deutlich zu erkennen, dass unser Partner das andere Griffel nicht verletzen wollte oder gar konnte. Was hätte ich anderes tun können, als es der Trainerin zu überlassen. Wie unglücklich hätte es denn sein müssen, wenn es weiterhin ohne das andere Griffel bei uns hätte sein müssen? Ja, ich stehe dazu, was ich getan habe. Es war das Beste.
Wieso kannst du mir nicht verzeihen? Wieso kannst du den Sinn meiner Tat nicht erkennen? Euch beide hätte ich nicht abgeben können; was hätte ich denn ohne euch tun sollen?
Der Schnee. Die Schneeflocken, sie fallen wieder vom Himmel. Warum sind sie im Licht des Mondes doch nur eher eine Qual als der Segen, den sie bei Sonnenschein darstellen? Mir wird wieder kälter. Und auch du bist durch den neuen Schnee wieder aufgewacht. Du siehst in meine Richtung, welch ein eiskalter Blick, und stehst hektisch auf. Ohne zu zögern, zeichnest du weitere Flammen in den Kamin auf dem Gemälde.
Ach Farbeagle. Kannst du mir nicht einfach tief in die Augen schauen und mir zeigen, dass du es für mich getan hast?
In Gedanken werde ich immer bei dir sein; denn du warst mein bester Freund, mein größter Rivale und mein engster Vertrauter. Gemeinsam gingen wir durch dick und dünn, und auch wenn du jetzt nicht mehr da bist, werde ich die Erinnerung an dich doch auf ewig hüten wie einen Schatz. Dein Pokéball wird einst verblassen, die beiden zerbrochenen Hälften auf ewig voneinander getrennt; unser Band aber wird bestehen bleiben, so wie es immer bestand.
In Gedanken werde ich immer bei dir sein; denn du hast mir gezeigt, was Leben ist.
Ich erinnere mich noch sehr gut an unsere erste Begegnung: Es war ein sonniger Sommermorgen und doch war der Himmel noch ein wenig verklärt vom dunstigen Nebel des frühen Tages. Zusammen mit meinem Igelavar hatte ich mich gerade auf den Weg gemacht, um von Teak City aus nach Oliviana zu reisen, während meine Gedanken schon längst in der Hafenstadt weilten und bei dem Kampf, den ich gegen die dortige Arenaleiterin zu gewinnen gedachte. Die erwachende Morgensonne färbte die Szenerie in ein unwirkliches, von goldenen Strahlen durchzogenes Rot, und noch heute kann ich den Geschmack von Freiheit auf meiner Zunge wahrnehmen, wenn ich an jene Stunden zurückdenke.
Es war in diesem Atemzug der vollkommenen Harmonie, dass ich mich, kaum hatten wir Teak City verlassen, einer inneren Eingebung folgend umwendete und meinen Blick das wolkenfreie, hellblaue Firmament absuchen ließ. Heute kann ich nicht mehr mit Gewissheit sagen, was es war, das meine Aufmerksamkeit so plötzlich geweckt hatte; in jenem Moment aber muss es von solch einer Intensität gewesen sein, dass ich instinktiv wusste, worauf ich mein Augenmerk zu richten hatte.
Der Wimpernschlag, in welchem ich dein bunt schillerndes Gefieder zum ersten Mal in meinem Leben sah, wird mir auf ewig im Gedächtnis bleiben.
Mein Blick fällt auf die längst verblasste Feder, die du mir einst vermacht hast, als Zeichen unserer ewigen Freundschaft. Inzwischen ist längst alle Farbe aus ihr gewichen und die Zeit hat ein trostloses, beinahe schon ernüchterndes Grau zurückgelassen. Dahin sind jenes verführerische Gold und jenes lebendige Rot, welches dein Federkleid stets so wunderschön haben sein lassen; verschwunden sind die Akzente von Grün und Silber, über die ich früher so gerne meine Hand habe streichen lassen.
Ich frage mich, ob du irgendwann, eines fernen Tages, vielleicht wiedergeboren wirst und in einer besseren, friedlicheren Welt leben kannst. Die Erkenntnis, dich verloren zu haben, schmerzt jeden Morgen aufs Neue; aber die Gewissheit, dass du nicht länger in diesen Zeiten des Verrates und des Hasses ausharren musst, gibt mir ein wenig von meiner damaligen Freude zurück.
Der Glaube an ein Leben ohne Menschen, die dich aufgrund deiner Seltenheit und deines besonderen Federkleides jagen und bezwingen wollen, gibt mir die Hoffnung, die es benötigt, einen jeden Tag erneut zu überstehen; und seitdem sie an der Macht sind, brauche ich jeden einzelnen Lichtstrahl, um nicht dem Wahnsinn zu verfallen.
Der Tag, an dem sie die Macht in Johto an sich rissen; der Tag, an dem du für immer von mir gehen solltest; der Tag, an dem das Leben beinahe seinen Sinn verlor; werde ich diese dunklen Stunden jemals vergessen können? Werde ich das Leid vergessen können, das sie über Johto brachten, den Tod und die Zerstörung, die mit ihrem Herrschaftsanspruch einhergingen?
Wenn ich die Augen schließe, sehe ich noch immer die schwarzen Rauchschwaden, die wie böse Geistererscheinungen über Teak City hingen, unfähig, sich im angehaltenen Atem der Welt und der plötzlich einsetzenden Stille zu verflüchtigten. Kein Windhauch verwehte die Boten der Dunkelheit und des Verderbens, noch durchbrach auch nur ein einziger Laut die Disharmonie der Ruhe, die sich wie ein Schleier über die Stadt gelegt hatte.
Der Augenblick, da wieder Bewegung in die Welt kam, war jener, da ich deine Schreie hörte. Mit deinem Kampfesgebrüll kehrte das Leben zurück und erlöste uns von der Regungslosigkeit, die sie über uns gebracht hatten. Ehe ich wusste, wie mir geschah, war ich bereits mit Tornupto an meiner Seite auf dem Weg zum Zinnturm, in meinem Herzen die Hoffnung, sie aufhalten zu können, während in meinem Kopf die brennende Vorahnung pochte, zu spät zu kommen.
Hätte ich das Schicksal abändern können, wenn ich früher in Teak City gewesen wäre? Hätte es etwas genutzt, wäre ich nicht vor Angst und Schrecken erstarrt gewesen, kaum dass ich die Rauchschwaden erblickte? Was wäre geschehen, wenn ich dich nicht alleine gelassen hätte? Diese Fragen stelle ich mir immer und immer wieder; und wenngleich ich weiß, dass ich niemals auch nur eine Antwort auf sie erhalten werde, rotieren meine Gedanken weiter, lassen nicht ab von der Vorstellung dessen, was hätte sein können, wäre meine Entscheidung damals anders ausgefallen.
In Gedanken werde ich immer bei dir sein; und vielleicht werden wir uns beide eines Tages erneut treffen, in einer neuen Zeit, in einer besseren Welt. Vielleicht wird es mir dann möglich sein, meinen Fehler zu bereinigen und dich um Vergebung zu bitten, dafür, dass ich dich verraten habe.
… Denn ich war diejenige, die dich fing und die damit deinen Tod besiegelte. Hätte mein Pokéball an jenem verhängnisvollen Tag nicht deine Schläfe berührt, mit der Absicht, dich vor alldem zu retten, dann hättest du dich auch nicht vor mich geworfen, als sie mich attackierten.
Du konntest ja nicht wissen, dass ich es nur tat, weil sie mir versprochen haben, dich dann am Leben zu lassen.
Angst – verstörende, verzehrende, vernichtende Angst.
Tief in mir, an mir reißt die Angst vor dem Sterben, tausendfach stärker, als sie irgendjemand, selbst im Angesicht des Todes, empfinden kann. Doch es ist nicht meine. Ich bin unsterblich. Wie leicht es ist, das bei diesem Grauen, das mein Herz umfasst, zu vergessen.
Meine Insel. Warum habe ich sie so leichtfertig verlassen? Verbrannt, von ihrer eigenen Asche bedeckt ist sie nun.
Meine Schützlinge. Wie konnte ich ihnen den einzigen Schild nehmen, der sie vor ihrem schrecklichen Schicksal hätte bewahren können?
Die gnadenlose Furcht, die sie mit ihren letzten Atemzügen verspürt haben, tränkt den farblosen Pulverstaub. Ich kann sie fühlen, als sei das Feuer, das meine geliebte Neumondinsel verwüstet hat, noch nicht verloschen. Liebe, sorglose Seelen, innerhalb nur weniger Augenblicke traumatisiert, scheinen überall zu sein.
Ich bin unsterblich. Angst vor dem Tod muss ich nicht haben. Ich darf das nicht vergessen!
Warum grabe ich so verzweifelt? Stoße meine schwarzen Krallenfinger immer und immer wieder ins tote Nichts? Ist der Glaube, hier noch auf Überlebende zu stoßen, nicht vollkommen irrational? Als könne ich noch Hoffnung an diesem Ort des Todes finden! Ich weiß nicht einmal, was Hoffnung eigentlich ist. Kenne nur das Gefühl der Verzweiflung, die soeben durch meinen Geist fließt – oder, in besseren Momenten, ihre Abwesenheit. Hoffnung muss das Gegenteil der Verzweiflung sein.
Auch wenn es nur ein Samenkorn eines Baumes ist, den ich zum Gedenken meiner Schützlinge pflanzen und heranziehen kann – ich will irgendetwas finden!
Ho-Ohs blindgläubige, normalsterbliche Anhänger verbreiten in der ganzen Welt, ich bringe Kummer und Not über alle Pokémon, in deren Nähe ich mich befinde. Deswegen herrsche, wo ich mich aufhalte, tiefste Schwermut. Sie können ja nicht wissen, dass es weder das ist, noch, dass ich mich von seelischer Qual angezogen fühle, mich daran labe. Ich kann keine Freude oder Glückseligkeit empfinden, keine positiven Emotionen. Und anderer Wesen Sorge überträgt sich stets auf mich.
Ich verursache kein Leid, ich teile es. Nehme es in mir auf. Nehme es auf mich. Das ist meine ureigene, in dieser Welt einzigartige Fähigkeit.
Da! Unter Asche und Staub, ein Körper. Schnell, vielleicht lebt es ja noch! Vielleicht bin ich doch noch rechtzeitig gekommen, wenigstens ein paar Leben zu retten! Wozu sollten Unsterblichkeit und das Dasein als Legende auch sonst gut sein?
Es ist ein Pichu. Ein winzig kleines, erst wenige Tage altes Elektromäuschen. Ich erkenne es wieder, wie ich jedes Pokémon, das meine Insel bewohnt, persönlich kenne. Ihre Geschichte, ihre Wesenszüge, und vor allem die Schatten in ihrem Leben. Sein Fell ist tristgrau gefärbt, das schöne Sonnengelb vollständig verblasst.
Es ist tot.
Jetzt kommt zu der allgegenwärtigen, immateriell umherziehenden Angst und der lodernden Verzweiflung auch noch Trauer hinzu. Meine eigene, tief persönliche Trauer um dieses junge Leben, dem so früh – viel zu früh! – ein Ende gesetzt wurde. Meine Tränen benetzen das Fell, aber sie können es nicht wieder reinwaschen. Ich presse den kleinen Leichnam an mich, will das erstorbene Herz ganz nahe an meinem unsterblichen spüren. Warum, warum nur war ich nicht hier, um dieses Pichu, um sie alle zu beschützen?!
„Verflucht seist du, Ho-Oh!“
Das will ich rufen, mit aller Gewalt in die Nacht hinausbrüllen. Aber ich kann nicht. In mir war nie ein Funken Wut, genau wie Freude kann ich sie nicht empfinden. Wie soll ich da die Macht des Neumonds, die mir die Dunkelheit verleiht, zu etwas anderem einsetzen, als dafür, die Wesen zu verteidigen, die mir am Herzen liegen? Es ist meine Natur, und gegen die vermag ich nicht anzukämpfen. Nicht einmal rächen kann ich mich für das, was der Regenbogenvogel mit seinem himmlischen Feuer angerichtet hat! Jetzt verehren ihn seine Anhänger nur umso mehr, weil sie glauben, er tilge das Böse vom Antlitz der Erde.
Unverständiger Irrglaube!
Cresselia, meine Schwester. Wäre ich ihrem Hilferuf nur nicht gefolgt! Es war eine Falle, das begreife ich jetzt, und ich bin nichtsahnend und arglos mitten hineingetappt. Sie sollte mich ablenken, damit Ho-Oh, von mir ungestört, meine Insel in sein Inferno stürzt. Nach seiner verdrehten Logik meine schutzlosen Schützlinge von dem Elend erlöst, das ich in ihrem Leben angeblich heraufbeschwöre. Warum bist du nur auf seiner Seite, Vollmond?
Ho-Oh, Cresselia, der ganze Verbund der Legenden, den der Regenbogenvogel zur Vetreibung des Teuflischen zusammensammelt, sie alle wissen, dass sie mich nicht töten können. Doch sie können mich zerbrechen.
Und ich lasse es auch noch zu. Weil ich es nicht anders kenne, nicht anders kann, als mich von purer Trübsal durchfluten zu lassen. Diese mir eigene Fähigkeit und meine Unsterblichkeit als Legende – mein Fluch, den ich doch nur einsetze, um den Schmerz anderer Pokémon zu lindern.
Die Seelen meiner lieben, treuen Freunde sind um mich. Ich kann sie alle spüren. Sie haben diesen Ort noch nicht verlassen, haben auf mich gewartet. Um Abschied zu nehmen? Ohne ein Wort zu vergehen? Mir Vorwürfe zu machen? Das Eine wäre mir am liebsten, mit dem Zweiten wäre ich einverstanden, und das Letzte habe ich verdient.
Überraschend – keine dieser drei Möglichkeiten ergreifen sie. Reinweiß glühend, wie irrlichternde Feuer sind sie, so wunderschön. Sie kommen zu mir, Pichu allen voran, umtanzen mich, bekrönen mein Haupt. Kommen in meine Gedanken mit ihrem, meinem Schmerz; ihrer, meiner Not.
Meinem Zorn.
Welch ein Gefühl – so befreiend, beflügelnd, bemächtigend.
Diese Schandtat darf ich nicht ungesühnt belassen. Pichu und seine Leidensgenossen haben das Recht auf Vergeltung – ich bin der Einzige, der sie ihnen verschaffen kann. Auf Kosten tausender Unschuldiger wurde mir alles genommen, was ich auf der Welt hatte, weil man mich für das Böse hält. Nun werde ich das sein, wovor sich die Anhänger des Regenbogenvogels so lange und bisher grundlos gefürchtet haben. Ich werde ihnen genügend Rechtfertigung verschaffen, in Panik zu fliehen, wenn sie nur meinen Namen vernehmen!
Ho-Oh soll für sein Werk büßen. Auch er ist unsterblich, doch auch er hat eine Psyche, die zerschmettert werden kann. Seinen Jüngern werde ich dieselben grauenhaften Alpträume bereiten, wie sie meine Schützlinge haben durchleben müssen. Bis in alle Ewigkeit.
Der Neumond hängt über meiner Insel. Saugt jedes Licht an sich, verschlingt es gleichsam wie jede Hoffnung auf Vergebung.
Ich bin nicht mehr länger der Leidteiler. Ich bin der Nachtmahr.
Ich bin Darkrai!
dt.: Unvergessen...
Es war einer dieser Tage, an denen man erwachte, und das Gefühl einen Überkam, dass es nichts gab, was diesem Tag Leben einhauchen konnte, dass es nichts gab, was diesen Tag besonders machen könnte. Wie sehr ich mich heute irren würde, hätte ich nie zu denken gewagt und doch war es so gekommen. Denn als mein Raichu und ich im Wald spazieren gingen um uns ein paar Beeren zu suchen, trafen wir auf ein Mädchen und ihr Luxtra.
Wie erstarrt blickte in zwei strahlend himmelblaue Augen, die von langen, lockigen, goldenen Haarsträhnen umstrichen wurden, während sie lächelnd ein "Hi" hervorbrachte. Ich wusste nicht, was ich empfand, als mich diese strahlend blauen Augen ansahen, als mich ihr verwirrter Blick traf, noch als sie ihren Kopf fragend zur Seite wandte. "Ist alles in Ordnung mit Ihnen?" Erneut sprach sie mich an, erneut lag Verwirrtheit und Unwissen in ihrer Stimme. Konnte ich mich irren? Aber ... Nein! Nein, sie war es! Kein Zweifel. Sie war es, nur sie. Niemand sonst hatte dieses spezielle Vibrieren in der Stimme. Niemand sonst, hatte dieses Luxtra! Niemand sonst hatte diesen Blick in den Augen. Das Funkeln, das tief in einem selbst etwas berührte, auf positive oder auch auf negative Art und Weise. Ich legte nun ebenso meinen Kopf leicht schief und musterte die Frau vor mir noch einmal intensiv. Verwirrt blinzelte sie auf. Ein Schweigen durchzog den Wald. Es war keine Stille, dafür raschelte das Laub der Blätter zu laut und dafür pfiffen die Taubsi zu sehr. Ich fixierte einen Punkt in ihren blauen Augen, versuchte ihre Empfindungen zu lesen. Doch es misslang mir. Wie lange hatte ich mir überlegt, was ich sagen würde, wenn ich sie je wiedersah. Lange hatte ich überlegt, wie ich reagieren, wie ich fühlen würde, sollte ich je wieder auf diese Frau treffen, deren Hass meine Kindheit geprägt hatte.
Wieso? Wieso musste ich dieser Person begegnen? War der liebe Gott zu dem Schluss gekommen, dass ich es nicht verdient hatte meinen Seelenfrieden zu finden, dass ich nicht das Recht hatte, glücklich zu sterben? Ein ziehender Schmerz breitete sich in mir aus, schnürte sich um meine Kehle und meinen Brustkorb, als wollte er mir die Luft zum Atmen nehmen, mich hinabziehen in die Dunkelheit, die Verzweiflung. Wieso? Immer und immer wieder stellte ich mir diese Frage. Schon so oft in meinem Leben war dies die einzige Frage gewesen, die sich je durch meine Hirnwindungen gebohrt hatte. Ihr Weg hatte eine brennende Spur hinterlassen, die sich mit einem Trampelpfad beginnend zu einer breiten Autobahn ausgeweitet hatte. Immer und immer wieder ging ich gedanklich den Weg der Frage entlang. Ging jede Option durch, die mir je korrekt, logisch erschienen war, um dann wieder genau bei dem Punkt an zu gelangen, an welchem mein gedanklicher Weg gestartet war. Und nun, da ich endlich der Meinung war, nur für den Hauch eines Moments meine Ruhe zu haben, da schickte mir das Schicksal erneut meine alte Peinigerin, von der ich gehofft hatte, nie wieder ihren Weg kreuzen zu müssen. So viel unendlicher Schmerz, so viel Demütigung, so viel Pein, Leid verursacht durch ein Wesen, einen Menschen, eine Frau. Damals, so wie heute, war sie es, die mein Herz in der Hand hielt und es langsam aber sicher zusammen quetschte. Nicht, dass ich romantische Gefühle für sie hegen würde, das meinte ich damit nicht. Es war viel eher, die Tatsache, dass sie vermochte Emotionen in mir hervor zu bringen, die tiefer gingen, als jeglicher Dolch, die stärker waren, als jegliche Angst und die zerstörerischer waren, als jeglicher Sturm. Es fühlte sich an, als hätte sie mir das Herz direkt aus dem Leib gerissen. Sie hatte es immer genossen, diese Art von Macht über andere zu haben - über mich zu haben. Und ich hatte mich nie gewährt. Wie hätte ich auch können? Ihr Vater war ein Arenaleiter, die Dorfbewohner glaubten ihr und zu meiner Mutter wollte ich nicht. Nur Raichu hatte mir immer geglaubt, es war immer für mich da gewesen.
Und doch musste ich gestehen, dass es nicht nur der Hass war, der in all den Erinnerungen mitschwang. Es war auch Neid ...war auch Bewunderung. Wie sehr hatte ich mir gewünscht, so zu sein wie sie? Sie schien so perfekt, so unnahbar. Jeder hatte so sein wollen wie sie, hatte mit ihr Zeit verbringen wollen, ihr Gesellschaft leisten wollen. Ihre ganze Art, ihr Aussehen, ihr Lachen - alles perfekt. Und ihre Augen erst! Ihre magischen Augen, die einen in einen tiefen Bann zogen, einen nicht mehr frei gaben. Wie sehr hatte ich mir gewünscht nur für einen Tag so sein zu können wie sie? Und doch so sehr ich mir wünschte, so zu sein wie sie, so sehr hasste ich sie aber auch. Denn ich würde nie so sein können wie sie. Ich war jämmerlich, schwach, schüchtern - ein Haufen Elend. Ein Nichts - nun ja, zumindest gab sie mir das Gefühl genau das zu sein... Sie war das genaue Gegenstück zu mir. Wir waren wie Feuer und Wasser. Wir konnten nicht zusammen existieren.
Ich hatte mir fest vorgenommen, ihr meinen Hass und meine Abscheu entgegen zu werfen. Und nun? Nun stand ich vor ihr und sie schien nicht einmal zu wissen, wer ich war. Und was empfand ich jetzt? Würde es mir etwas bringen, sie noch mehr dafür zu hassen? Würde es etwas an meiner Situation ändern? Nein. Wieso sollte ich ihr den Triumph gönnen, dass sie nach all den Jahren immer noch meine Gedanken beherrschte? Nein. Dies würde ich ihr nicht gönnen. Wenn ich so wertlos, so unbedeutend für sie war, dass sie mich nicht einmal nach den wenigen Jahren wieder erkannte, dann wollte ich, dass sie das für mich ebenso war. Ich ignorierte ihre Blicke, ihre Haltung, ja all ihre Zeichen und Zuckungen. Mein Blick war starr, richtete sich an einen Baum hinter ihr. Es lag etwas Kaltes in meinen Augen, etwas Stählernes, so als missten sie jede Art von Gefühl, als wären sie tot. Doch hinter dieser Maske verbarg sich tief im Inneren eine zart vibrierende Emotion. Diese Emotion brannte tief verborgen in meinen kastanienbraunen Augen und wartete darauf entlarvt zu werden, entfesselt zu werden - und doch wusste ich sie nicht genau zu benennen. Ich spürte ihre Blicke, die auf mir lagen, als ich mich kommentarlos umdrehte und davon lief und ich spürte sie immer noch, als ich bereits längst tief im Wald verschwunden war.
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