Jeder hat das Recht zu leben. Wenn jemand einem anderen das Leben mutwillig nimmt um sich selbst zu bereichern (materiell oder immateriell, sei es auch nur Lust), der hat somit das Recht auf sein eigenes Leben verworfen, womit es für mich persönlich aus moralisch-ethischer Sicht nicht verwerflich ist, diesen Menschen zu bestrafen. Er hatte nicht das Recht dazu einem anderen das Leben zu nehmen und zu vergewaltigen, warum hat er also jetzt das Recht sein gewohntes Leben weiterzuleben mit dem Blut eines anderen an seinen Händen? Deshalb begibt sich ein Rächer auch nicht auf dasselbe Niveau wie der eigentliche Mörder, weil immer das Motiv eine Rolle spielt.
Du sagst es, jeder hat das Recht zu leben, auch Mörder. Der Witz nämlich am Recht zu leben ist, dass es das grundlegenste Recht ist, was jeder Mensch hat und welches prinzipiell niemals an eine Bedingung geknüpft sein kann. Somit kann ein Mensch sein Recht auf Leben nicht verwirken, er kann lediglich das Recht verwirken, sich frei in der Gesellschaft ohne Einschränkung zu bewegen.
Und ja, der Rächer begibt sich eben doch auf das selbe Niveau, wie ein Mörder oder Vergewaltiger. Ein Mensch, der mordet, handelt aus niederen Beweggründen, die meist die Aufgabe haben, ihm selber Genugtunung oder Vorteile zu verschaffen. Jemand der sich rächt, tut genau das selbe. Jemanden, der sich rächt, geht es nicht darum andere zu schützen, es geht darum, dass seine eigene Vorstellung von Gerechtigkeit durchgeboxt wird, es geht ihm darum, seine Wut zu besänftigen. Jemanden zu töten, um dabei seine eigenen Wünsche und Vorstellung durchzusetzen, ist letztendlich auch nur eine Handlung, die durch Egoismus und eigenen Trieben angetrieben wird und somit vom Motiv her nicht viel anders als ein Mord oder eine Vergewaltigung ist.
Denn genauso ist der Rechtsstaat bis zu einem gewissen Punkt subjektiv und verlässt sich auf seine eigene Einschätzung. Oft werden Menschen zu Unrecht verurteilt, teils zum Tode, oder kommen erst nach Jahrzehnten wieder aus dem Gefängnis raus, weil im nachhinein festgestellt wurde dass die Rechtssprechung falsch war und die Person unschuldig ist. Subjektivität aufgrund fehlender oder falscher Faktenlage ist nichts was sich nur auf Rache projiziert; der Rechtsstaat hat da dieselben Lücken. Und wie oft kommt es vor, dass Menschen zu milde bestraft werden für eine skrupellose Tat, womit den Angehörigen, die ohnehin schon leiden, auch noch ins Gesicht gespuckt wird?
Objektivität hat rein gar nichts mit Fehleranfälligkeit zu tun. Objektivität beschreibt schlichtweg die Unabhängigkeit der Beurteilung eines Sachverhaltes vom jeweiligen Betrachter, sprich, dass ich mein Urteil durch die Betrachtung der vorgelegten Tatsachen fälle und nicht aufgrund meiner eigenen subjektiven Meinung, die ich mir auf Grundlage meiner eigenen Moralvorstellungen gebastelt habe. Gerichte fällen ihre Urteile in einem Gerichtsverfahren, wo Beweise vorgeführt und Zeugen vernommen werden und man beide Seiten der Medaille beleuchtet, die Urteilsfindung beruht nicht auf den Einfluss von Emotionen, sondern schlichtweg auf Grundlage von gesammelten Beweisen. Dass diese Beweise natürlich manchmal fehlerhaft sind und dass man aufgrund dieser, falsche Urteile trifft, ist eben normal und kann passieren. Und genauso, wie Gerichtsurteile falsch sein können, so ist die Urteilsfindung der Person extrem fehleranfällig und das nebenbei noch stärker, weil schlichtweg zu wenige Seiten betrachtet werden und das eigene Empfinden im Vordergrund steht.
Ein Mensch dem direkt geschadet wurde, betrachtet die Sache in der Regel immer subjektiv, da er aufgrund seiner Wut und seiner Trauer selten die Möglichkeit hat, einen so bereiten Raum an Fakten zu sichern, da verlässt man sich zunehmens auf sein eigenes Gefühl und will gerade auch oftmals das Eigenverschulden nicht sehen, man ignoriert somit sogar Fakten. Mein Beispiel verdeutlicht das. Die Fernsehbeispiele dagegen, sind in dieser Diskussion schlichtweg unbrauchbar, weil sie, wie bereits gesagt wurde, genau konstruiert sind und es das klar abgetrennte Böse und Gute gibt, wo die Ursachen und die Beweggründe der Tat eben niemals erläutert wurden. Im echten Leben allerdings sind die Fälle komplexer, der durchschnittstäter wird nicht als Mörder geboren, sondern wird durch Jahrelangen Umgang in der Gesellschaft so, wie er ist, zumal die meisten Tötungsdelikte Affekttaten sind.
Ihr redet hier ständig von einem Teufelskreis.
Wir reden von einem Teufelskreis, weil Rache diesen schafft, wenn wir von der Theorie ausgehen, dass sie erlaubt und gesellschaftlich anerkannt wäre. Sorry, aber wir haben keine Gutmenscheneinstellung, sondern haben anscheinend begriffen, dass, anders als im Fernsehen, selbst Mörder keine vereinsamten Menschen sind, die sozial auf einer verlassenen Insel großgeworden sind, weshalb wir logischerweise Fälle auf der Grundlage der Realität nennen. Auch ein Mörder hat Menschen um sich herum, die eben diesen Menschen lieben und der ihnen nahesteht. Wie gesagt, viele Straftaten sind faktisch Affekttaten, passierten somit nicht geplant, weshalb es eben selten diesen kaltblütigen Obergangster aus dem Fernsehen gibt. Die Menschen haben auch Freunde, Familie, Kinder usw. Und wenn du Rache ausübst, dann fragt sich die Gegenseite eben, warum du dir das Recht rausgenommen hast, jemanden zu töten, da eben, wenn die Schuld nicht einwandfrei vor Gericht feststellbar war, du jemanden getötest hast, der in deren Augen unschuldig gewesen ist. Folglich werden sie sich an dir rächen, und deine Angehörigen werden sich wiederum an deinem Mörder rächen und immer so weiter. Bei Rache geht es nie um Gerechtigkeit, sondern schlichtweg darum, dass man sich selber besser fühlt, somit handelt man aus egoistischen, nicht schützenswerten Motiven, was moralisch ebenfalls verwerflich ist, denn man macht dies nur, um Genugtuung zu erlangen.