Kapitel XIV.: In die Zukunft
Part 3: Die Hoffnung stirbt zuletzt
Xell lag mit seiner Vermutung gar nicht so daneben. Im Grunde genommen machte es überhaupt keinen Unterschied, ob sie sich im Inneren der Höhle oder unter dem freien Himmel befanden: Das Innere der Höhle schien ebenso ausgestorben, wie alles andere was sie bisher gesehen hatten auch. Ob sie nun auf das undurchdringbare Himmelszelt oder auf die nackte und kahle Höhlendecke schauten, es machte keinen Unterschied. Nur eine Sache sonderte sich etwas von der Außenumgebung ab: Es war noch düsterer, was Raven’s Laune nicht gerade steigerte. Auch hatten sie aufgrund der noch stärker eingeschränkten Sehkraft nun das Problem, Reptain’s Spur zu folgen. Erst als Xell eine wärmende Fackel in der Hand hielt, welche die triste Höhle in einem orangefarbenen Glanz erhellte und ihnen eine mollige Wärme spendete, fühlte sich Raven schlagartig wie neugeboren und ließ ihn seit langem die Schmerzen in seinem Bein völlig vergessen. Von dem Flackern des Feuers angeleitet, folgten sie zielstrebig Reptain’s Fußabdrücken. Es machte den Anschein, als wusste er genau, wohin er wollte. Einige male zweigten sich weitere Pfade in der Höhle von seiner Route ab, die er offenbar völlig ignoriert hatte und konsequent seine bisherige Route fortsetzte.
„Ich frage mich...“, murmelte Xell, während sein Blick sich von den Reptain’s Fährte löste und durch die restliche Höhle schweifte, „... vielleicht, aber nur vielleicht...“
„Was denn?“, fragte Raven.
„Erinnerst du dich an den Tag, als uns Zwirrfinst über sich und Reptain aufgeklärt hatte? Und das er von dem ’Ende der Zeit’ sprach? Glaubst du...?“
„... das wir uns eben in genau dieser Zeit befinden?“, beendete Raven den Satz seines Freundes. „Um ehrlich zu sein, ja. Ich hatte schon eine ganze Weile das Gefühl...“
„Du denkst es also auch... Aber wie kann das nur sein? Hatte Zwirrfinst nicht gesagt, das es nur soweit kommen könnte, wenn alle Zahnräder der Zeit von ihren angestammten Plätzen verschwinden würden? Und haben wir nicht genau das verhindert?“
„Genau die selben Gedanken sind mir vorhin auch durch den Kopf geschossen“, antwortete Raven tonlos.
„Zwirrfinst... Hat er uns etwa die ganze Zeit über angelogen? Wo er uns doch sooft gerettet hatte. Uns und unsere Welt... Wo ist da der Zusammenhang?“
Raven schwieg bedächtig.
Einige Minuten vergingen, in denen Raven und Xell erneut stillschweigend Reptain’s Fährte folgten.
Raven stieß auf einmal mit Xell zusammen, der ohne Vorwarnung abrupt stehen geblieben war.
„Xell?“, frage Raven besorgt.
„Jetzt besteht kein Zweifel mehr...“, sagte Xell zittrig und deutete nach vorne. „Das muss das Ende der Zeit sein. Schau dir das mal an...“
Raven’s Blick wanderte langsam an der zitternden Gestalt seines Freundes vorbei und erreichte die Stelle, worauf Xell deutete. Es war ein Naturbrunnen, gespeist von einem kleinen Wasserfall. Für ein normales Wunder der Natur wie dieses, wäre Raven in dieser Stunde sehr dankbar gewesen. Wäre es doch nur normal gewesen. Statt der munter sprudelnden und lebensschöpfenden Wasserquelle, stand der Wasserstrom, wie zur Eissäule erstarrt, still. Es war zwar in ihrer Umgebung nicht gerade warm, jedoch längst noch nicht so arktisch, dass ein solches Schauspiel auf natürlich Art und Weise möglich gewesen wäre.
„Es kann nur so sein: Das Ende der Zeit...“, murmelte Xell mit tonloser Stimme. „Aber wie...?“
Raven schüttelte stumm und ahnungslos den Kopf. Er konnte sich selbst schon keinen Reim daraus machen.
„Zwirrfinst warum...? Hat er uns angelogen? Haben wir nicht alles getan, was er gesagt hatte, nur um eben dies zu verhindern?“, sagte Xell verzweifelt. Sein Blick war nicht weniger starr auf den zur Salzsäule erstarrten Wasserfall geheftet, wie eben dieser selbst. „Was ist die Wahrheit? Wem sollen wir noch glauben? Zwirrfinst? Reptain? Wem...?“
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Xell’s Blick hing nach wie vor an dem von der Zeit zum Stillstand verdammten Wasserfall.
„Die Wahrheit...“, wiederholte er. „Raven!“
Raven schreckte auf.
„Was?“
„Die Wahrheit! Wenn wir niemandem vertauen können, müssen wir eben selbst die Wahrheit herausfinden.“
Raven sah seinen Freund verwirrt an. Es selbst herausfinden? Wie? Hatte er irgendetwas nicht ganz mitbekommen oder auf was wollte sein Freund hinaus?
„Benutze ihn, den Dimensionalen Schrei. Vielleicht erfahren wir so, was hier vorgefallen ist.“
Raven’s Herz kam ins Rasen. Warum war er selbst nicht auf die Idee gekommen? Sofort eilte er zielsicher zu dem erstarrten Wasserfall vor ihm. Was würde er sehen, sobald seine Vision einsetzen würde? Würden sie ihnen Antworten auf ihre Fragen geben? Es gab nur einen Weg, eben dies herauszufinden. Entschlossen berührte er den bewegungslosen Wasserstrom. Raven erschauderte. Er war furchtbar kalt. Jetzt war es gleich soweit. Jeden Moment würde er wieder den Boden unter den Füßen verlieren und in eine endlose Leere stürzen, die ihm hoffentlich alle Fragen beantworten würde. Doch...
„Und?“, fragte Xell neugierig. „Was hast du gesehen?“
Raven schwieg. Nichts passierte. Hatte er etwas falsch gemacht. Verunsichert berührte er eine andere Stelle des Stroms.
„Raven?“
Raven drehte sich langsam um. Er schüttelte den Kopf.
„Nichts?“, fragte Xell geschockt. „Rein gar nichts?“
„Nein, tut mir Leid...“
Xell sackte kraftlos auf die Knie. Mit beiden Händen stützte er sich von dem schmutzigen und kalten Boden ab. Er schien mit den Nerven am Ende zu sein.
„Raven, es tut mir Leid aber ich kann nicht mehr. Ich kann einfach nicht weiter...“
„Xell, du...“
„Ob wir jetzt Reptain in die offenen Arme laufen, der nur zurück in unsere Zeit will, um sich dort wieder auf die Zahnräder zu stürzen oder Zwirrfinst, der uns aus welchen Gründen auch immer loswerden will...“
Tränen kullerten über Xell’s Gesicht. Er vergrub den Kopf unter seinen Armen. Das wärmende Feuer der Fackel längst erloschen, lagen die traurigen Überreste des verkohlten Holzscheits zu seinen Füßen.
Raven hatte seinen Freund schon lange nicht mehr so fertig gesehen. Was sollte er tun? Xell war es, der ihm die ganze Zeit über Mut gemacht hatte und wegen dem er selbst noch nicht die Hoffnung aufgab. Nun war es eben dieser, der jegliches Vertrauen und Zuversicht verloren hatte. Was sollte er ihm sagen? Er stand ja selbst kurz vor dem totalen Nervenzusammenbruch. Doch solange es auch nur das kleinste Fünkchen Hoffnung gibt, würde er nicht kapitulieren. Sie mussten zurück. Selbst wenn dies bedeuten würde, mit Reptain gemeinsame Sache zu tun.
Raven ging entschieden auf das kümmerliche und zitternde Bündel am Boden zu. Xell’s verweintes Gesicht lugte aus einem kleinen Spalt hinter seinen Händen hervor. Seine verquollenen Augen blickten tief in die seines Freundes.
„Es gibt noch Hoffnung“, sagte Raven entschlossen.
„Hoffnung...?“, schniefte Xell.
„Suchen wir Reptain. Wenn er es einmal in unsere Zeit geschafft hat, dann kann er es vielleicht wieder tun.“
„Aber er...“
„Tun wir es einfach. Was jetzt zählt ist, das wir in unsere Zeit zurück kommen. Dann sehen wir weiter...“
„Aber Reptain ist...“
„Überlass Reptain mir“, sagte Raven und zwinkerte seinem Freund zu. „Mit dem werden wir schon fertig. Was meinst du? Wird es nicht langsam Zeit, wieder in unsere Epoche zurückzukehren? Die anderen warten sicher schon.“
Xell schwieg noch eine kurze Zeit. Doch wenige Augenblicke später zeigte sich eine magere Spur eines verkrampften Lächelns in seinem Gesicht..
„Oh Raven... Du...“, stammelte Xell verlegen.
„Ja?“, fragte Raven und half seinem Freund wieder auf die Beine.
„... Danke... Ich wüsste nicht, wo ich was ich ohne dich tun sollte...“
Xell stand, wenn auch etwas schwach, wieder auf eigenen Beinen.
Raven konnte nicht anders. Er lachte.
„Das beruht auf Gegenseitigkeit. Glaub mir.“
„Aber jetzt wo du es erwähnst: Hast du dich eigentlich je gefragt, wie Reptain in unsere Zeit kam? Ich meine, man macht doch nicht einfach so mir nichts dir nichts einen Zeitsprung und gondelt einfach so in der Zeitgeschichte rum“, sagte Xell und wischte sich mit dem Arm sein Gesicht trocken.
„Setz es auf die Liste der Fragen, die wir ihm stellen werden“, antwortete Raven, jedoch nicht ohne sich für einige Sekunden selbst den Kopf darüber zu zerbrechen.
Ein lauter, offenbar schmerzerfüllter Schrei aus den weiteren tiefen der Höhle, ließ Raven und Xell plötzlich aus ihren Gedanken aufschrecken.
„War das gerade Reptain’s Stimme?“, fragte Xell erschrocken.
„Vielleicht bekommen wir ja schon früher als erhofft Antworten. Los komm!“, rief Raven und rannte dem Ursprung der Stimme entgegen.
Vorbei an dem erstarrten Wasserfall, vorbei an nicht weniger bewegungslosen und toten Felsbrocken, drangen sie immer weiter in die Höhle ein. Erneut hallte die leidende Stimme Reptain’s durch die verschlungenen Pfade.
„Da lang“, rief Raven angetrieben von dem Klang Reptain’s und nahm einen schmalen Gang zu seiner rechten. Die Verletzung an seinem Bein pochte heftig unter der Last seines zum äußersten Limit angetriebenen Körpers. Der Verband fing langsam an sich von seiner Wunde am Bein zu lösen und flatterte, wie ein roter Schal, munter hinter ihm her. Ein weiterer Schrei echote durch die Höhle. Raven schlug einen anderen Pfad ein und schaffte es gerade noch, nach einer scharfen Linkskurve das Gleichgewicht zu halten, bevor er, nur wenige Augenblicke, später abrupt stehen blieb. Vor ihm bot sich ein gespenstisches Schauspiel: Der in einem hellvioletten Lichtschein eingehüllte Reptain lag zuckend auf dem Boden und krümmte sich vor Schmerzen.
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Obwohl niemand außer ihm und Reptain schien in der Nähe zu sein schienen, erhallte eine Stimme, eine Stimme, wie sie Raven noch nie zuvor gehört hatte. Als würden Dutzende, nein Hunderte Stimmen nahezu gleichzeitig das ein und selbe sprechen.
„Es ist in unser Reich eingedrungen und dafür muss es jetzt leiden.“, sagten die unsichtbaren Stimmen gehässig. „Aber es soll sich keine Gedanken machen, denn es wird schon bald ein Teil von uns sein. Wir können es gar nicht erwarten, seine Seele bei uns zu begrüßen.“
Raven hätte im Normalfall nicht gezögert zu helfen, selbst wenn es sich hierbei um Reptain handelte, der in Gefahr war. Doch wusste er in diesem Moment einfach nicht weiter. Wer war es, der da sprach? Und vor allem: Wo war er oder es? Weitere Gedanken konnte er sich jedoch nicht machen. Xell, welcher gerade um die scharfe Kurve geeilt war und nicht damit gerechnet hatte, dass sein Freund direkt dahinter wartete, rempelte Raven unbeabsichtigt, aber mit voller Wucht an, sodass sie sich beide plötzlich aufeinander auf dem Boden wiederfanden.
„Autsch. Konntest du dir nicht einen anderen Ort zum Ausruhen suchen?“, maulte Xell, völlig außer Atem.
„Geh von mir runter... Du erdrückst mich...“, japste Raven unter dem Gewicht seines Freundes und ihres Proviants.
„Was? Ihr!“, stöhnte Reptain unter der Last seiner Schmerzen.
Raven und Xell rappelten sich auf.
„Reptain!“, rief Xell erschrocken. „Was zum...“
„Sind sie gekommen, um uns ihre Seele auszuliefern?“, unterbrachen die Stimmen. „Gut, wir sind hocherfreut. Eure Gedanken werden schon bald unsere Gedanken sein.“
„Was zum...? Wer ist da?“, rief Xell und schwenkte seinen Kopf panisch in alle Richtungen.
„Verschwindet ihre beide!“, brüllte Reptain. „Ich komm schon klar...“
„Verschwinden?“, ertönten erneut die unsichtbaren Stimmen. „Aussichtslos. Schon bald werdet ihr Teil von uns sein.“
„Das werden wir ja sehen“, antwortete Raven und ging in Angriffsposition. Xell tat es seinem Freund, mit einem deutlich sichtbaren Schaudern im Gesicht, gleich.
Es war wahrlich leichter gesagt als getan, denn noch immer fehlte von ihren Gegnern jede Spur.
„Widerstand ist zwecklos!“
Wie aus dem Nichts strömte eine violettfarbene Energiewelle direkt auf die Stelle, an der sich Raven und Xell befanden, zu. Mit einem rettenden Satz zur Seite, konnten sie sich noch einmal knapp davor retten, wahrscheinlich das selbe Schicksal wie Reptain zu erleiden. Die ungebremste Macht, welche von dieser Attacke ausgegangen war, war selbst auf meterweite Entfernung noch deutlich spürbar gewesen.
„Was sollen wir tun?“, fragte Xell bebend und rappelte sich wieder auf. „Wir wissen ja nicht einmal, wer sie sind, geschweige denn wo sie sind...“
„Warum wehren sie sich? Wissen sie nicht was es heißt, perfekt zu sein? Wieso wollen sie nicht Teil von Kryppuk sein?“
Erneut schwirrte ein energiegeladener Strom ihnen entgegen. Xell wisch ihm erneut mit einem weiten Satz zur Seite aus. Raven jedoch, der aufgrund seiner Verletzung noch nicht auf seinen Beinen stand, brachte sich im wirklich aller letzten Moment mit einer Seitwärtsrolle in Sicherheit.
Xell warf mit dem blinden Mut der Verzweiflung mit Feuerbällen um sich, die anscheinend alles trafen, nur nicht ihre Gegner. Seine Strafe folgte in Form einer neuen Energiewelle auf dem Fuße. Raven musste hilflos mit ansehen, wie sein Freund verzweifelt vor der Attacke reiß aus nahm.
Xell hatte recht. Ihre Chancen standen alles andere als rosig. Wie sollten sie etwas bekämpfen, was sie nicht einmal sahen? Wenn sie es schaffen würden, ihre Feinde zu enthüllen, hätten sie vielleicht eine Chance. Doch je mehr Zeit verstrich, umso mehr Leben sickerte aus Reptain’s Körper.
Xell hatte inzwischen einmal dich gefolgt von feindlichen Attacke den Raum durchquert und brach schwer atmend und mit laut pochendem Atem in Raven’s unmittelbarer Nähe zusammen.
„Ich kann nicht mehr...“, schnaufte er am Ende seiner Kräfte.
„Werdet eins mit Kryppuk“, hallte die Stimme erneut durch die Höhle. „Begrüßt die Perfektion und werdet gemeinsam mit uns ein vollkommenes Wesen.“
Raven hatte urplötzlich einen Geistesblitz. Zu verlieren hatten sie in diesem Moment nichts mehr.
„Ihr habt recht“, rief Raven laut in den Raum. „Wir verstehen es nicht. Wir wissen nicht was es heißt, perfekt zu sein.“
„Dann schließt euch uns an und leistet keinen Widerstand. Euch sei die Perfektion gewiss.“
Abermals strömte eine Energiewelle Raven entgegen, welche er wieder einmal nur knapp mit einer Seitwärtsrolle ausweichen konnte.
„Alberne Sterbliche. Sie wollen einfach nicht verstehen...“
„Wir müssen erst die Perfektion mit eigenem Auge sehen, bevor wir uns dir anschließen“, rief Raven.
„Bist du von allen guten Geistern verlassen?“, zischte Xell erschrocken. Du kannst doch nicht allen Ernstes...“
„Eure Wünsche sind nicht von Belang. Warum sollten wir uns euch offenbaren. Ihr werdet so oder so Teil von Krppuk. Der Perfektion so nahe. Macht euch bereit!“
„Es stimmt. Wir sind nur einfältige Sterbliche und verstehen es nicht was es heißt, perfekt zu sein“, rief Xell, der offenbar Raven’s Plan mittlerweile durchschaute. „Aber es würde uns den Übergang leichter machen zu wissen, wie einzigartig wir dann sein werden.“
„Nun gut Sterbliche. Ihr wollt also Kryppuk in ihrer einzigartigen Gestalt sehen? So sei es. Erblickt die Manifestation der Vollkommenheit, deren ihr bald schon ein Teil sein werdet.“
„Halt dich bereit“, flüsterte Raven seinem Freund zu. „Egal was passiert: Gib alles was du hast. Eine bessere Chance bekommen wir vielleicht nicht...“
Die stickige Luft schien vor Spannung zu knistern. Raven und Xell warfen sich nervöse Blicke zu. Wer oder was auch immer gleich auftauchen würde: Sie mussten ihm um jeden Preis wiederstehen. Reptain, noch immer hilflos von den Fesseln Kryppuk’s niedergedrückt, schielte, nicht weniger nervös, in die Richtung seiner beiden potenziellen Retter. Raven’s Augen huschten schnell von einer Ecke zur nächsten. Wo war Kryppuk? War sein Plan möglicherweise aufgeflogen? Das wäre ihr sicheres Ende...
„Raven! Da“, flüsterte Xell und deutete zitternd auf eine völlig unscheinbare Stelle im Zentrum des Raums. Etwas auf den ersten Schein so klein und unbedeutend, als das man nicht einmal im Traum daran denken würde, dass es einem Schaden könnte, offenbarte die erste sichtbare Präsenz Kryppuk’s.
Einer der vielen kahlen Felsen im Raum, fing plötzlich wie durch Geisterhand zu schweben an. Hell in ein violettfarbenes Licht gehüllt, schwebte der Stein gut einen halben Meter über dem Boden und verströmte dabei solch ungeheure Macht, dass Raven’s Haare zu Berge standen. Das Leuchten und Pulsieren nahm von Sekunde zu Sekunde immer gewaltigere Intensität an, bis sich schließlich etwas über den Mineral zu materialisieren begann. Die Kreatur, scheinbar aus reiner Energie und ohne wirklich feste Form, nahm immer mehr Gestalt an. Eine giftgrüne Grimasse formte sich im Zentrum des Wesens, dass allem Anschein nach nur aus einer violettfarbenen Wolke zu bestehen schien, und starrte seine beiden Opfer heimtückisch entgegen. Energiegeladene Kugeln in den verschiedensten Größen rotierten unheilvoll am äußeren Rand der Kreatur und schienen leise und in einer fremden Sprache miteinander zu flüstern.
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„Wir sind Kryppuk“, sagte das Wesen. „Seid bereit eins mit uns zu...“
Raven’s Befürchtung, Xell könnte von dem blanken Horror, der sich vor ihm abspielte, völlig die Nerven zu verlieren, blieb unbestätigt. Noch bevor Kryppuk seinen Satz beenden konnte, hatten sie ihm schon eine Salve ihrer mächtigsten Attacken entgegengeschleudert. Die Höhle erschauderte von der Intensität der Explosion und ließ einen Schauer Stalagmiten von der Decke auf den Boden prasseln.
„Haben wir es erwischt?“, flüsterte Xell und starrte unentwegt auf die, von der Detonation verursachte undurchdringliche Staubwolke.
Krachend knallte plötzlich der Felsen, über dem Kryppuk vor wenigen Sekunden Form angenommen hatte auf den Boden. Xell machte erschrocken einen gewaltigen Satz zurück und presste sich bebend an die Wand hinter ihm, ohne jedoch seinen Blick von der Rauchwolke zu lösen. Keine Sekunde später strömten auf einmal die Energiekugeln, die um die Gestalt Kryppuk’s geschwebt hatten, offenbar in ihrer fremden Sprache leise fluchend, in alle Richtungen davon. Die Rauchwolke löste sich auf. Kryppuk war verschwunden. Auch Kryppuk’s Einfluss von Reptain hatte sich buchstäblich in Luft aufgelöst und ließ den schwer atmenden Reptain am Boden zurück. Der Spuk war vorbei.
Xell sackte am Felsrand erschöpft zusammen.
„Ich kündige!“, stöhnte er und griff sich schwer atmend an sein Herz.
Raven wurde es plötzlich schwarz vor Augen. Mit dem Verschwinden Kryppuk’s, hatten sich die Schmerzen seiner Verletzung schlagartig zurückgemeldet, welche mittlerweile höllische Ausmaße angenommen hatten. Unaufhörlich rann mehr und mehr seines Bluts aus der Wunde und überzog seine Gliedmaßen mit einem stechenden rot. Von dem zarten Himmelbau seines Beins, fehlte mittlerweile jede Spur. Von den Strapazen der letzten Stunden völlig ausgemerzt, sackte er zusammen und schlug unsanft auf den harten Boden auf. Wie in Zeitlupe sah erkannte er die schemenhafte Umrisse seines Freundes auf ihn zurennen, bevor er schließlich völlig von der Finsternis verschlungen wurde.