Auf Scherben einer heilen Welt

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  • Auf Scherben einer heilen Welt


    „Die Würfel sind noch nicht gefallen.“


    P16
    In dieser Geschichte wird explizit beschriebener Mord/Tod, sowie Blut/Verletzungen und sexuelle Anspielungen vorkommen. Aufgrund dieser Faktoren empfehle ich ein Mindestalter von 16 Jahren, allerdings steht es jeden frei zu lesen; vor jedem Kapitel wird, insofern nötig, eine weitere Warnung stehen.


    Manchmal geschehen Dinge, die für uns Menschen unerklärlich sind. Dennoch strebt unsere Spezies immer wieder nach Erklärungen und Wissen. Und sie greift zu, sollte sich eine Erklärung anbieten. Gerät Wissen in falsche Hände wird es missbraucht, gerät Wissen in aufrichtige Hände, werden diese vom Wissen missbraucht. Wir leben in einer Welt voller Intrigen, nur den engsten Freunden kann man trauen, als sich eine neue Macht auftut und jeden Menschen des Todes verurteilt, welcher dieser Macht nicht Folge leisten möchte. Grausam und brutal, so nennt man sie. Geführt jedoch, werden sie von einem Wesen, welches diese Begriffe mit einer Leichtigkeit in den Schatten stellt. Manchmal geschehen Dinge, die für uns Menschen unerklärlich sind. Manchmal geschehen Dinge, die wir Menschen nicht wahrhaben wollen. Manchmal glauben wir Menschen. Ist das unsere Erklärung? Der Glaube?


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    [tab='Vorwort']
    Hallo und willkommen zu einer Fanfiction, welche im Grunde die neu veröffentlichte Legende Yveltal und seine Wirkung auf die Welt der Pokémon behandelt. Diese Idee kam mir, als ich mich etwas näher mit den beiden neuen legendären Pokémon befasst habe, und vielleicht kann sich der ein oder andere mit dieser Fanfiction ja auch ein Bild von Yveltal machen.
    Kurz zu mir: Ich bin 14 Jahre alt und schreibe richtig seit etwa einem Jahr. Ich schreibe viel und unglaublich gerne und habe ganz viele Ideen, von denen ich allerdings bei Weitem nicht alles umsetzten kann. Aber weil mich diese Idee einfach nicht loslassen will, musste ich sie einfach niederschreiben.
    Ich wünsche viel Spaß beim Lesen und freue mich natürlich über eure Meinung in Form von Kommentaren (oder auch privat)!

    [tab='Genre']

    Pokémon | Krieg | Religion



    [tab='Danksagung']
    Ich muss einfach allen meinen Freunden danken; die hier. Ihr seid immer für mich da und ich hab euch lieb. Allerdings möchte ich für diese Fanfiction ein paar von ihnen hervorheben: Akatsuki, weil du mich hier von Anfang an unterstützt hast und mir auch allgemein immer mit Rat und Tat zur Seite stehst und ich glaube ich ohne dich nicht das wäre, was ich jetzt bin, beziehungsweise da wäre, wo ich jetzt bin. *zwinker* Lieber Tee, weil du in letzter Zeit immer mehr zu einer super Freundin geworden bist und weil du mir sehr beständig auf Skype jeden meiner Rechtschreib- oder Formulierungsfehler zeigst, was ich dir hoch anrechne. Und zu guter Letzt noch Barney, weil du einfach der (un-)coolste (*:) Kumpel bist, den man sich nur vorstellen kann, du immer zu mir hälst und wir uns einfach mehr als klasse verstehen.


    Außerdem ein Dankeschön an Lupin, der mir gütigerweise erlaubte, seine ursprüngliche Idee legendäre Pokémon anzubeten und daraus etwas wie Religion zu machen, weiter auszubauen. :)
    Und natürlich auch an Vidar der mich mit seinen sehr hilfreichen Kommentaren unterstützt und nun auch mein Beta-Leser ist! Danke dafür. :)

    [tab='Copyright']
    Diese Fanfiction ist mein geistiger Eigentum und darf unter keinen Umständen von jemanden (in Teilen) kopiert oder nur leicht abgewandelt werden. Der Header ist ein Bild dieses Künstlers. Die Pokémon und alle Dinge die mit ihnen zusammenhängen wurden von der Pokémon Company erfunden, und gehören zu Nintendo.
    [tab='Inhaltsverzeichnis']


    [tab='Benachrichtigungen']


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    „Lügen können Kriege in Bewegung setzen, Wahrheiten hingegen können ganze Armeen aufhalten.“


    - Otto von Bismarck

  • Startpost II


    »Dachte man nun daran zurück, dass der Definition nach „finster“ ein Gegenteil hatte, so erschien meine ganze Umgebung mit einem Schlag plötzlich um einiges grausamer. Und wieso? Weil „finster“ in diesem Raum keine Parallele fand, denn hier beherrschte diese Finsternis alles… und jeden, wie ich bald erfahren sollte. «
    - Zitat des Prologs


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    [tab='Kapitelzusammenfassungen']
    [subtab='x']
    Im Folgenden könnt ihr kurze Inhaltsangaben für die einzelnen Kapitel lesen, solltet ihr mal etwas vergessen haben, oder aber ein Kapitel nicht habt lesen können, aufgrund dessen, dass Inhalte darin vorkommen, die ihr nicht lesen wolltet; beispielsweise Mord, Blut oder ähnliches.
    [subtab=Prolog]


    [subtab=Kapitel 1]


    [subtab=Kapitel 2]



    [tab='Charaktervorstellungen']




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  • Prolog
    - Illusion -


    Als ich wohl aufwachte, befand ich mich offenbar im einfachen Nichts, welches tatsächlich endlos war. Ich vermochte es weder zu hören, noch zu sehen oder gar zu fühlen, riechen oder schmecken; jedes meiner Sinnesorgane war gänzlich ausgeschaltet. Nun könnte man meinen, dass dies vollkommen normal sei für einen derartigen Zustand, in dessen Fängen ich mich zweifellos befand, allerdings hatte ich schon seit meiner Ankunft ob des düsteren Ortes eine Vorahnung. Eine Vorahnung, welche sich schon bald verwirklichen sollte. Während ich vermeintlich durch die Steppe der Dunkelheit lief, oder schwebte, ich konnte es nicht an Empfindungen oder ähnlichem ausmachen, da genau diese nicht vorhanden waren, spürte ich doch inständig wie ich mich tatsächlich einen gewissen Ziel nährte, was auch immer dieses Ziel letzten Endes war. Ebenso war es unklar, ob ich es überhaupt in meiner Anwesenheit in diesem leeren, finsteren Raum finden würde.
    Oder war finster nicht ein falscher Begriff dafür? War es hier überhaupt finster? Der Definition nach bedeutet findest einfach ausgedrückt das Gegenteil von hell, oder ähnlichen Wörtern. Gab es hier überhaupt ein Gegenteil von „finster“? Soweit ich offenbar meine Augen öffnen könnte – was völlig subtiler Schwachsinn war, wie ich später feststellen durfte – vermochte ich es nicht viel mehr zu erkennen, als die völlige Schwärze – Finsternis. Dachte man nun daran zurück, dass der Definition nach „finster“ ein Gegenteil hatte, so erschien meine ganze Umgebung mit einem Schlag plötzlich um einiges grausamer. Und wieso? Weil „finster“ in diesem Raum keine Parallele fand, denn hier beherrschte diese Finsternis alles… und jeden, wie ich bald erfahren sollte.
    Ob ich überhaupt in der Lage war einen anderen Farbton als „schwarz“ wahr zu nehmen war mir nicht bewusst, ich suchte aber auch nicht zwingend nach eben diesen anderen. Wozu auch? War es letzten Endes nicht doch egal? Ich machte mir ja auch keinen Kopf, wann ich wieder aufwachen würde… oder einschlafen. In diesem Raum vergaß ich, was ich dachte und es verlor sich so auch mein Wille ihn zu verlassen. Er hatte es tatsächlich geschafft mich zu fangen, ohne zu kämpfen.


    Aber eigentlich wollte dieser Raum das gar nicht. Mit ganz anderer Absicht war ich wohl von höheren Mächten hierher bestimmt worden; Absichten, dessen Inhalt und Ausmaß mir leider nicht zuteil werden durfte. Es fühlte sich mittlerweile auch gar nicht mehr wie ein Lauf durch diesen Raum an, viel mehr schien ich auf eine Aktion oder ein Geschehnis zu warten. Und ich wartete. Und zu guter Letzt fühlte ich langsam, wie sich das finstere Schwarz des Raumes langsam, aber mit deutlicher Tendenz, beginnt aufzulösen und letzten Endes dem Glühen zweier roter, parallel zu einander liegenden, glühenden Punkten weicht. Und ich wache auf.

  • [tabmenu]
    [tab=Jo]
    Hi,
    „Öfter mal was Neues“ scheint wohl dein Motto zu sein.
    Da ich bereits in eine deiner FFs hineinlesen durfte, dachte ich mir, werde ich dies auch bei einer Zweiten tun. Legenden interessieren mich, deshalb hoffe ich doch, dass sich die FF dieses Mal lange hält …
    [tab=Startpost]
    Der Titel gefällt mir, da er dank der Widersprüchlichkeit die Aufmerksamkeit eines Lesers erweckt und Fragen aufwirft. Das Adjektiv „heil“ und die Bezeichnung „Scherben“ bilden eine Antithese, was zum Rätseln darüber anregt, wie dieser Titel gedeutet werden soll. Liegt die heile Welt in Scherben oder wird eine heile Welt kritisiert? Oder wird die heile Welt noch zerstört, der Titel wird folglich erst im Verlauf der Handlung erfüllt?
    Das Artwork wirkt nicht nur mysteriös, sondern auch episch. Die Darstellung von Yveltal, welches aufgrund seiner Farbgebung bereits gefährlich und angsteinflößend aussieht, illustriert für mich Unheil, was zum Titel passt. Die Warnung hast du wirklich vorbildlich hervorgehoben und hoffe mal, dass ich während des Lesens keine regelwidrigen Extrema finde, aber da bin ich guten Mutes bei dir. Der kurze „Klappentext“ (in Anführungszeichen, weil ein Klappentext normalerweise unter anderem den Inhalt eines Werkes wiedergibt, was bei dem Text weniger im Vordergrund steht) erweckt mein Interesse und leitet die Thematik, die du scheinbar behandeln wirst, gut ein. Das Genre ist auch klar erkennbar, nur habe ich einen kleinen Kommafehler entdeckt, den du noch ausbessern könntest:

    Zitat von Chess

    Gerät Wissen in falsche Hände, wird es missbraucht, gerät Wissen in aufrichtige Hände, werden diese vom Wissen missbraucht.


    Ansonsten ist der Startpost aufgrund des Artworks und den Schriftzügen des Titels und des „Klappentextes“ ansprechend gestaltet, auch wenn er aufgrund des Tabs komprimiert vorliegt, was jedoch einen guten Überblick verschafft. Vorwort und Klappentext verraten nicht zu viel, nur fragt man sich als Leser, wie du es mit deinen Charakteren handhaben wirst. Falls du diese im Startpost mit Steckbriefen editierst, könntest du den Tab bereits leer vorbereiten, sodass potentielle „Weiterleser“ schon darauf aufmerksam werden. Sollte dies nicht der Fall sein, könntest du dies im Startpost ggf. unter Vorwort erwähnen.
    Nun aber nach dem gelungenen Startpost zum Prolog …
    [tab=Prolog]
    „Illusion“ mag zunächst sehr allgemein formuliert klingen, jedoch passt dieser Titel sehr gut zum Prolog, welcher einige Fragen aufwirft und, wie der „Klappentext“, das Interesse des Lesers erwecken soll. Es geht dir vermutlich weniger um Informationen oder Inhalte, die Charaktere vorzustellen bzw. Umgebung, Ort, Zeit, etc. dem Leser näherzubringen, dennoch kann man sich dank der ausführlichen Beschreibung der Gefühle oder besser gesagt Nicht-Gefühlen den Zustand näherungsweise vorstellen. Ich habe spekuliert, ob es sich um den Tod handelt oder dem Zustand vor der Geburt, wobei ich eher zu Letzterem tendiere, da der Protagonist aufwacht, was man mit der Geburt gleichsetzen kann. Dennoch wäre ein Traum/der Schlaf ebenfalls denkbar, am Ende des ersten, großen Absatzes wird jedoch eindeutig, dass es sich um den Raum in einem Pokéball handelt. Du illustriert diese Gefangenheit mit den Metaphern gut, jedoch stockt man an einer Stelle, die vom Wortgebrauch her nicht in die sonst verwendete Sprache passt:

    Zitat von Chess

    was völlig subtiler Schwachsinn war, wie ich später feststellen durfte


    Am Anfang verwendest du häufiger Wörter wie wohl, gänzlich, vollkommen, derartig, tatsächlich, zweifellos, was bei dieser Häufung beim Lesen auffällt und den Lesefluss leicht stocken lässt, obwohl diese Begriffe wiederrum zur Sprache passen, aber manchmal ist die Menge zu viel des Guten.
    Besonders gefällt mir jedoch das Ende des Prologs, bei welchem du bereits das Verlassen des Pokéballs beschreibst und dabei auch Spannung erzeugst, besonders mit dem prägnanten Abschlusssatz. Man fragt sich nun, um welches Pokémon es sich handelt und wie der Name des Trainers lautet. Des Weiteren bin ich gespannt, ob ich mit der Vermutung, die mir eigentlich sehr sicher erscheint, überhaupt recht habe und der Raum das Innere eines Pokéballs war.
    Der Prolog ist zwar noch etwas unkonkret und mit weniger Handlung verknüpft, jedoch erfüllt er seine Aufgabe, das Interesse des Lesers zu erhalten und die Gefühle des Protagonisten zu vermitteln. Des Weiteren gefällt mir die angewandte Sprache, wobei du mit den oben genannten Wörtern etwas sparen solltest. Ansonsten kann ich aber nichts an dem Prolog aussetzen und erwarte schon gespannt das erste Kapitel.
    Einen schönen Urlaub noch oder sobald du diesen Kommentar vermutlich liest: Willkommen zurück ;)
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  • Ich möchte auch meien Bewertung abgeben :


    Für mich persönlich ist der Prolog schon mal spannend, man weiß nicht wo und wer man ist, man kann die Welt nicht richtig wahrnehmen und das vermittelt dann so ein Gefühl von Spannung. Auch, dass sich die Hauptperson fragt, was finster überhaupt heißt, oder ,dass es noch eine Nachstufung gibt find eich interessant, offenbar kennt die Person nichts anderes. Die Person fragt sich wo sie ist und es erinnert mich an 'Amnesia'.
    Also,dér Prolog klang für mich interessant, besonders die Stelle mit der Finster-Definiton macht mich nachdenklich.
    Auf jeden Fall bin ich gespannt was noch passiert.


    LG Gin

  • Hallo, Chess! :)


    Ob du's glaubst oder nicht - obwohl ich dir geschrieben habe, dass mir nichts verbesserungswürdiges an deinem Prolog einfällt, bekommt du hiermit doch noch offiziell einen Kommentar von mir. Ich habe mir übrigens die Beiträge der beiden anderen Kommentatoren nicht Wort für Wort durchgelesen, darum wiederholt sich das eine oder andere sicherlich. Außerdem werde ich auch nichts mehr zum Startpost schreiben, das hat ja bereits Vidar übernommen.


    Das erste, das einem ins Auge sticht, ist natürlich der Titel des Prologs. Er gefällt mir ausgesprochen gut; ich bin ein Fan von Ein-Wort-Titeln wie diesem hier, da diese - wurde das eine Wort mit Bedacht ausgewählt - niemals zu viel über den Text verraten können, meistens aber sehr schön klingen und auch zum weiterlesen anregen. "Illusion" passt letztendlich auch zum Prolog, wie ich finde.
    Nun aber zum Inhalt; der erste Satz wurde gut formuliert, das "wohl" im ersten Teil gefällt mir allerdings nicht ganz. Du scheinst zwar damit auszudrücken, dass der Protagonist oder whatever sich nicht sicher ist, ob er tatsächlich aufwachte, was eigentlich nicht schlecht passt. Nur hast du im gleichen Satz noch einmal "offenbar" und einmal "tatsächlich" verwendet. So klingt er ein wenig zu vollgestopft mit Ausdrücken, die zwar schön klingen, auf einem Haufen aber als "zu viel" erscheinen. Oh Gott, wie wirr sich das mal wieder anhört. Ich hoffe, du verstehst, was ich meine? Das ist aber nur meine persönliche Meinung. Im Endeffekt sieht das jeder anders. ;)
    Die darauffolgenden Sätze sind dir allerdings sehr gut gelungen. Du hast sie schön ausformuliert und passende Wörter (größtenteils Verben) verwendet. Besonders gut gefiel mir, dass du schriebst, dass jedes Sinnesorgan der Person ausgeschaltet sei. Damit hast du Spannung in den Prolog gebracht, da der Leser spätestens nach diesem Satz wissen will, wo besagte Person ist. Genau das bleibt auch im restlichen Prolog eher unklar, womit dieser meinen Geschmack aber perfekt getroffen hat. Ich liebe es, wenn diese nicht wie ein 1. Kapitel, sondern eben wie ein Vorspann bzw. wie etwas, dass man der weiteren Handlung anfangs vielleicht nicht zuordnen kann, klingt.
    Ebenso "schön" geworden ist, wie der Protagonist einige Sätze lang darüber nachdenkt, ob man den Ort tatsächlich als "finster" bezeichnen kann. Seine Gedankengänge sind nachvollziehbar, ebenso kann man sich in ihn gut hineinversetzen - trotz der sicher nicht alltäglichen Situation. So etwas ist oftmals schwer darzustellen, dir aber dennoch gelungen.
    Der letzte Absatz des Textes gefällt mir ganz besonders. Der letzte Satz baut Spannung auf, nun möchte wohl jeder wissen, wie es weiter geht. Nur ist mir aufgefallen, dass du in diesem Abschnitt vom Präteritum plötzlich ins Präsens übergegangen bist; Absicht?
    Im Großen und Ganzen hast du hier trotz meiner teils *sehr bösen* Kritik einen wahnsinnig guten Text geschrieben. Diese Stimmung, die durch ihn klar ausgedrückt wird, ist zwar etwas häufiges, wurde von dir aber dennoch besonders interessant beschrieben. Insgesamt habe ich am Prolog also wenig auszusetzen, ebenso an deinem Schreibstil. Wenn ich ehrlich bin, klingt dieser in meinen Ohren wirklich professionell. Das hier ist die erste FF die ich von dir lese, darum kann ich nicht sagen, wie es in anderen ist, aber wenn das erste Kapitel im selben Stil geschrieben wird, hast du eine neue Stammleserin gefunden. :D
    Auch beherrscht du die Rechtschreibung sowie Grammatik um einiges besser als manch anderer in deinem Alter (glaub mir, das sage ich aus Erfahrung). Nur hast du einmal am Anfang des Prolog "nährte" geschrieben, wobei ich mir sicher bin, dass das "näherte" heißen soll. Das sind kleine Tippfehler, die jedem Mal passieren, lies dir deine Texte vor dem Veröffentlichen trotzdem noch einmal besonders gründlich durch.


    Okay, mir fällt nichts mehr ein. :s Im Großen und Ganzen bin ich jedenfalls begeistert von deinem Prolog, auch, wenn das in meiner "Kritik" möglicherweise nicht ganz deutlich wird. Auf deine Benachrichtigungsliste hast du mich ja schon gesetzt, ansonsten wünsche ich dir noch gutes Gelingen. :)
    ~LG

  • [tabmenu]
    [tab=x]
    So, ich dachte eigentlich, dass ich etwas länger brauchen werde, um das erste Kapitel fertigzustellen, aber jetzt ist es mir doch recht schnell gelungen, es zu beenden. Es hat mir sehr Spaß gemacht es zu schreiben, und ich hoffe, ihr werdet auch Spaß haben es zu lesen. Doch zuvor möchte ich noch kurz auf die drei Kommentare eingehen.
    Danke für eure Mühe, Vidar, Gin Black und Yakumo; ich habe mich sehr über eure Kommentare gefreut. :)


    Und für alle die jetzt schon weiterlesen: Viel Spaß mit dem ersten Kapitel von 'Auf Scherben einer heilen Welt'!
    [tab=@Vidar]
    Huhu, danke nochmal, für deinen Kommentar! :)
    Ja, ich denke jetzt nicht unbedingt, dass man es als Motto ansehen kann… Sieh’s einfach so, ich habe einen Kopf, der vor Ideen überquillt, und die ein oder andere muss eben doch umgesetzt werden – ich bin jung und habe noch genug Zeit, muss mich noch nicht mit dem Abi oder so rumschlagen; also habe ich eben die Zeit, auch zu schreiben, was ich so alles schreibe. Mach dir darüber mal keine Sorgen. :3


    Der Titel ist in der Tat ein ziemlicher Widerspruch, das hat aber schon seinen Sinn. Es ist einfach etwas bizarr, wird sich aber glaube/hoffe ich, im Verlauf der Story noch gut erklären, von daher, warte einfach mal ab – gut interpretiert hast du jedenfalls schon mal.
    Nein, etwas Regelwidriges wirst du hoffentlich nicht finden, ich versuche mich zurück zu halten. :D
    Jop, richtig erkannt, der Klappentext ist mal etwas anderes. Ich wüsste auch gar nicht wie ich das Thema meiner Fanfiction anders hätte zusammen fassen können, ohne gleich alles zu verraten und ich bin so eigentlich schon ziemlich zufrieden mit dem Text. :3 Danke für das Aufzeigen des Fehlers.
    Nein, Charaktere habe ich (noch) nicht vor zu beschreiben, vielleicht wenn sie in der Story schon zu Genüge vorgekommen sind; das lasse ich mir erstmal offen.


    Beim Prolog muss ich dich leider enttäuschen, da sind deine Spekulationen nicht wirklich korrekt, aber das ist auch gar nicht schlimm; finde es eher gut, wenn es noch etwas unsicher bleibt; wobei es in Kapitel eins eigentlich ziemlich deutlich wird, was das ist.
    Ja, das mit diesen Wörtern ist mir beim Lesen auch noch aufgefallen, mal gucken, ob ich das an der ein oder anderen Stelle noch etwas verringern kann.
    Wie gesagt, mit einem Pokéball hat das bei weitem nichts zu tun, aber auch das ist eine interessante Idee muss ich sagen. :D
    Und das wars ja eigentlich auch schon, danke für das viele Lob und die Kritik; ich hoffe du bleibst mir als Kommentator erhalten. :)


    & danke für das Willkommen zurück, haha. :3 Anbei: Möchtest du, dass ich dich bei einem neuen Kapitel benachrichtige?
    Liebe Grüße,
    Chess

    [tab= Gin Black]
    Hallo! Und auch dir danke, für deine Meinung. :)
    Ich freue mich, dass dir der Prolog so gut gefallen hat; ich finde es toll, dass du Spaß beim Lesen hattest. Auf das was passiert kannst du definitiv noch gespannt sein, aber das wirst du ja dann selbst lesen können… :D
    Anbei: Möchtest du, dass ich dich bei einem neuen Kapitel benachrichtige?


    Liebe Grüße und bis zum nächsten Mal,
    Chess

    [tab=@Yakumo]
    Danke, Prinzesschen. ♥


    Dass du zum Startpost nichts sagst ist nicht schlimm, da hat Vidar wirklich schon genug gesagt; ich bin froh, dass du überhaupt was geschrieben hast! <3


    In der Tat, Ein-Wort-Titel sind klasse, wa? :D Freut mich, dass dir der Titel gefällt.
    Ja, auf diese Anhäufung dieser Ausdrücke hat mich auch Vidar schon hingewiesen und da ihr beide das so sagt, wird wohl was dran sein. Wie oben schon gesagt werde ich mal gucken, was sich da noch streichen lässt; danke für den Hinweis.
    Na ja, ich muss dich aber leider insofern enttäuschen dass auch im ersten Kapitel noch nicht ganz klar wird, was das alles zu bedeuten hat. Vielleicht der Ort, aber mehr auch nicht. :3
    Oh, das mit der Zeit ist mir gar nicht aufgefallen. Ich denke nicht, dass es Absicht war; das gucke ich mir gleich nochmal an. Danke, für den Hinweis.
    Nun gut, wie das erste Kapitel so ist, kannst du ja jetzt lesen, aber eigentlich schreibe ich immer gleich :$ Haha. Na ja, es würde mich freuen, eine neue Stammleserin gefunden zu haben. :D


    *sigh* Oh man, ja. Nährte bedeutet nämlich nähren, und das kommt von ernähren. :facepalm: Danke für den Hinweis, wird ausgebessert. xD
    Ja, das muss ich wirklich machen. Vielleicht sehe mich auch mal nach einem Betaleser um. ^^


    Danke für deinen Kommentar nochmal. Hdl *:
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  • Kapitel 1
    - Pferdetrab oder Alltag -


    Mit einem verkrampften Gesichtsausdruck fuhr er hoch. Für einen kurzen Moment lang behielt er seine Augen geschlossen und keuchte lediglich vor sich hin, mitten in die Nacht herein. Als er seine Augenlieder dann hochzog offenbarte ihm sich nicht viel mehr, als zuvor; ein endloses Schwarz. Es war dunkel in dem Raum, in dem er bis eben noch geschlafen hatte. Er hatte seine Vorhänge zugezogen, doch in dieser Nacht zeigte sich nicht mal der Mond am klaren Kabinett der Sterne, wobei selbst diese ihre Schönheit versteckten, für Menschenaugen zu weit entfernt. Einen weiteren Moment wartete er, bis sein Puls sich wieder beruhigt hatte, bis er begann darüber nachzudenken, warum er überhaupt erwacht war. Hatte er schlecht geträumt? Zumindest vermochte er nicht, sich an irgendetwas Derartiges zu erinnern. Oder vielleicht doch? Nur noch schleierhaft konnte er sich an einzelne Bilder erinnern, wenngleich diese seine Erinnerung auch nicht weiter stärken oder anregten und ihm selbst auch nicht halfen. Er sah lediglich Schwarz und spürte ein Gefühl. Ein Gefühl der Panik, als würde man ihn beobachten. Und auch mit diesem Gefühl im Körper war er aufgewacht; das begriff er bereits. Sollte er sich nun wieder schlafen legen? Oder wach bleiben?
    Er schob seine Bettdeckte von seinen Beinen zur Seite seiner Schlafstätte und legte seine Beine daraufhin in einer schnellen Bewegung an die Bettkante. Nach einigen Augenschlägen des Abwartens – was auch immer er abwartete – stand er schließlich auf und versuchte sich erneut umzusehen, was aufgrund der Tageszeit unmöglich war. Den Weg zur Tür fand er noch, immerhin schlief er hier schon seit… Wie lange eigentlich schon? Schon als Kleinkind hatte er hier gelebt, erinnerte er sich. Nun lebte er immer noch hier, allerdings ohne die Menschen, mit denen er damals hier gelebt hatte.
    „Tja…“, hauchte er einsam in die Dunkelheit hinein, doch besann er sich schnell wieder dem Hier und Jetzt und tastete nach der Klinke, welche er mit einem einfachen Handgriff herunterdrückte und die Tür aufdrückte. Auf dem Flur war ein kleiner Lichtstrahl zu sehen, denn ein großes Fenster war am Ende des Ganges, durch welches immer Licht schien, sogar diese Nacht. Woher kam es eigentlich? Zwar überraschte es ihn, er interessierte sich jedoch nicht weiter dafür. Wahrscheinlich war nur sein Unterbewusstsein überrascht und er selbst, sein klares Denken, hatte sich überhaupt nicht darum gekümmert; es gar nicht richtig registriert oder als ganz normal abgestempelt.
    Leichtfüßig, aber irgendwie auch noch recht schlaftrunken taumelnd, bewegte er sich also durch den Flur, bis dieser in einen größeren Raum mündete, welchen er sein Wohnzimmer nannte. Nun etwas zügiger durchquerte er auch diesen Raum und öffnete eine kleine Tür in dessen Rücken. Ein weiterer, jedoch viel kleinerer, Raum offenbart sich, welchen er zögerlich betrat. Dort drinnen war kein Licht, lediglich eine fast runter gebrannte Kerze spendete dem Raum minimale Helligkeit. Nur die Umrisse konnte er erkennen. In dessen Mitte stand, neben der Kerze, auf einem Tisch eine kleine Schatulle. Er lief auf diese zu, und legte seine Hand darauf. Er spürte ein leichtes Glühen…


    Und wachte auf. Es war hell, wie er schnell feststellte, nachdem er zuvor seine Augen mit seinen beiden Händen abgedeckt hatte; wahrscheinlich wollte er nicht gleich von dem Licht der Sonne erschlagen werden, aber ebenso hatte er sich gestreckt und seine Arme hatten dabei eine nützliche Position gesucht… Er blinzelte ein paar Mal, doch wie jeden Morgen gewöhnten sich seine Augen nach ein paar Wimpernschlägen an das alltägliche Sonnenlicht und er brauchte sie nichtmehr vor dessen Einfluss zu schützen. Er brummte, als er auf seine Uhr sah. Es war noch nicht allzu spät für ihn, er hatte also noch etwas Zeit, bevor er sich auf zur Schule machen würde.
    Saíji schmunzelte, als er diesen Gedankengang verfolgte. ‚Schule‘, wiederholte er sich. Dieses Wort trag eigentlich gar nicht auf die Lehrstätte zu, auf der er seinen Wissensdurst zu stillen vermochte; vielmehr glich diese einer Universität. Doch trotzdem verwendete er es immer wieder gerne, dadurch fühlte er sich ein klein wenig unwichtiger, was ihm sehr gut tat…
    Er war im Inbegriff der neue Arenaleiter der Stadt zu werden und studierte daher noch sein letztes Semester an der Twindrake-City-Universität zu Ende, um dieser Aufgabe gänzlich gewachsen zu sein. Dann würden er und sein Team aus Drachenpokémon die Nachfolge des Arenaleiters Lysander antreten, welcher gleichzeitig auch noch Bürgermeister der Stadt war. Diesen Posten würde Lysander wohl noch eine Weile behalten, da es weit und breit niemanden gab, der den Aufgaben dieser Arbeit gewachsen zu sein schien. Also musste der alte Mann herhalten, der mittlerweile bestimmt schon um die 65 Jahre auf dem Buckel hatte, was man ihm auch deutlich ansah. Trotzdem stand er, gleich einem Wahrzeichen, für die schon so alte Stadt und auch das bekam man überdeutlich zu spüren, wenn man sich nur in der Nähe des Arenaleiters und Bürgermeisters befand. Immer und überall sprach er von ‚seiner Stadt‘, preiste und lobte sie und berichtete von den neusten Fortschritten, die sie in jeglichen Gebieten gemacht hatten. Tatsächlich war er besonders stolz auf seine Lebenswerke in Twindrake City; der Universität und der Arena. Beides pflegte er soweit er konnte und wahrscheinlich würde er für dessen Erhaltung sogar sein Leben aufs Spiel setzen. Manchmal konnte man nur den Kopf schütteln über die Ansichten des alten Mannes, aber eins ließ sich nicht abstreiten: Sowohl als Bürgermeister als auch als Arenaleiter war er schlicht und ergreifend perfekt – er beherrschte sein Handwerk und so hatten es bisher auch nur knapp eine Handvoll Trainer geschafft ihm seinen Orden zu nehmen. Und trotzdem wollte er noch dieses Jahr zurücktreten und hatte Saíji als Nachfolger erwählt. Manchmal ging das Leben seltsame Wege…
    Doch bevor das Leben seinen Weg weitergehen würde, würde er nun erst einmal aufstehen. Er musste erneut schmunzeln über seine gerissenen Wortspiele, schon so früh am Morgen noch dazu, und richtete sich jedoch schließlich auf. Dabei glitt die Decke von seinem Körper und er hüpfte förmlich aus dem Bett. Mit seinen 22 Jahren würde er nach Cheren der jüngste Arenaleiter Einalls werden, doch das stört ihn nicht; er sah es eher als Bestätigung seiner Arbeit an. Ein wenig schlaftrunken schlurfte er auf seine Zimmertür zu und schloss diese hinter sich, nachdem er den kurzen Gang betreten hatte. Er durchquerte diesen, kam auf der anderen Seite im Wohnzimmer an, bog nach links ab und betrat schlussendlich die Küche. Dort ging er zielstrebig auf die Kaffeemaschine zu und im Handumdrehen hatte er auch schon eine heiß dampfende Tasse voll mit Kaffee in der Hand, aus welcher er genüsslich einen Schluck nahm, während er dabei, den heutigen Tag freudig in Erwartung, aus dem Fenster blickte.
    Die Sonne musste schon vor mindestens einer Stunde aufgegangen sein, vermutet er nachdenklich, doch wollte er damit nicht weiter viele Gedanken verschwenden. Als er einen Kaffee ausgetrunken hatte – erstaunlich wie wach er sich auf einmal fühlte – ging er zurück in sein Schlafzimmer, wo er auch seine Kleider in einem großen Schrank aufbewahrte, und zog sich um. Er trug seine alltägliche Kleidung: Die dunkle, jedoch nicht schwarze, Jeans; ein rotes T-Shirt und darüber eine schwarze Stoffjacke, auf der ein weißen, großen Buchstaben der Spruch geschrieben stand ‚the die is not yet fallen‘, eine Weisheit, die er sich schon oft genug zu Nutzen gemacht hatte; ja, er lebte förmlich danach. Mit anderen Worten: Aufgeben passte Saíji so gar nicht in den Plan.
    Nachdem er auch aus dem Bad wieder aufgetaucht war; es war eine seltsame Angewohnheit von ihm, dass er dort immer etwas länger brauchte, um sich fertig zu machen; war er fertig. Erneut sah er auf die Uhr und stellte fest, dass er erst in einer halben Stunde an der Universität sein müsste; sein Weg dorthin war zu Fuß jedoch nur knappe zehn Minuten lang.


    Er runzelte die Stirn, steckte die Hände in seine Jackentaschen, wodurch der Aufdruck der Jacke leicht verdeckt wurde, und lief in Richtung Haustür. Lässig öffnete er sie, trat hinaus und ließ sie ebenso einfach wieder hinter sich zu fallen. Er drehte sich noch schnell um abzuschließen und lief dann einen kurzen, gepflasterten Weg durch seinen Vorgarten; wobei man die beiden Erdfelder mit Unkraut nicht wirklich als solchen bezeichnen konnte; hinaus auf die Straße. Dort bog er umgehend links ab. Nachdem er einige Meter zurückgelegt hatte bot sich ihm eine Seitengasse nach rechts an, in welche er eintrat. Nach ein paar Schritten stand er vor der Scheune – hier würden seine Pokémon schon auf ihn warten.
    Saíji hielt nicht viel davon, die Pokémon in den für sie vorgesehenen Pokébällen aufzubewahren; für ihn waren sie mehr als nur ‚Taschenmonster‘, mit denen man gegen Freunde ‚spielen‘ konnte. Er öffnete das Tor und trat ein. Sogleich fiel dieses wieder hinter ihm zu, doch durch zwei großzügig gebaute Oberlichter in der aus Holz bestehenden Scheune fiel genügend Licht hinein, damit er sich gut zurecht fand. Auf einem Heuhaufen lag sein neustes, jüngstes Pokémon – es war ein kleines Dratini, aus Johto stammend, welches ihm sein Großvater vor ein paar Monaten zu seinem Geburtstag geschenkt hatte.
    „Guten Morgen, Riku“, begrüßte er das blaue Schlangenpokémon lächelnd und streichelte dem Drachen sanft über die Stirn, sodass er die beiden ‚Federn‘, die aus seinem Hinterkopf ragen – würden sie sich bald zu Flügeln entwickeln? – nicht berührte und das Dratini nicht verletzte.
    Doch er konnte nicht weiter auf das Pokémon eingehen, denn im Nacken spürte er bereits den Atem seines größten Pokémon; hinter ihm stand sein treuster Begleiter, welcher, wenn er noch weiter wachsen würde, bald einen Kopf größer war als Saíji selbst – Lin, sein Maxax, weiblichen Geschlechts. Damals, als Lin noch ein Milza war, hatte er es auf Route 9, nördlich von Twindrake City, auf dem Boden unter einem großen Baum liegen sehen; damals war er gerade mal vierzehn Jahre alt gewesen. Er hatte das Pokémon zu Lysander gebracht um es ihn seine Obhut zu geben, doch dieser hatte damals gesagt: „Saíji, vielleicht war das ein Wink des Schicksal. Vielleicht wollte er, dass du dieses Milza jetzt triffst… Gib ihm einen Namen, Saíji, und behalte es. Wer weiß, wozu dieser Fund gut sein wird.“ Daraufhin hatte er das breiteste Grinsen auf dem Gesicht, dass er jemals bei dem Bürgermeister gesehen hatte. Seitdem war er regelmäßig zu dem Arenaleiter gegangen und hatte ihm berichtet, was alles so mit ihm und Lin, wie er das Milza noch am selben Tag getauft hatte, passiert war; damals war er unglaublich stolz auf sein Pokémon – und auch heute hatte sich das nicht geändert; mit Lin verband den baldigen Arenaleiter etwas ganz besonderes. Sie war nicht umsonst sein stärkstes Pokémon.
    Er begrüßte seine langjährige Freundin fröhlich, drehte sich dann jedoch etwas nach links und erblickte einen weiteren Drachen der Einall-Region. Sein Duodino, Joker hatte er es genannt, lag mit geschlossenen Augen in einer gemütlichen, noch etwas dunkleren Ecke der Scheune und schließ offenbar noch tief und fest. Er lächelte dem Unlicht-Pokémon kurz zu, obwohl er sich bewusst war, dass dieses das gar nicht mitbekommen würde, und wand sich dann wieder seinem jüngsten Teammitglied zu – Riku. Er streichelte dem Dratini erneut etwas über den Kopf, was ihm wirklich gefallen zu schien, bis er sich fragte wo denn sein viertes und letztes Teammitglied abgeblieben war. Knarksel, der Boden-Drache aus Sinnoh, war das letzte Pokémon im Bunde und versteckte sich sicher noch hier irgendwo in der Scheune.
    „Yuvei?“, fragte Saíji in den Raum herein und nach ein paar Sekunden regte sich tatsächlich was. In der Dunkelkeit hatte er das Drachenweibchen gar nicht gesehen, als es regungslos nur einige wenige Meter von Joker entfernt gelegen hatte, allerdings schon wach. Wahrscheinlich nur zu faul, um aufzustehen – das kannte er gut.
    „Na ja…“, brummte er nachdenklich, bevor er sich an alle seine vier Pokémon wandte. „Ich muss jetzt los“, meinte er an Yuvei, Riku und Joker gewandt. Daraufhin drehte er sich um zu Lin. „Bist du bereit?“ Das Pokémon nickte, als hätte es Saíji verstanden. Er erwiderte die Geste, griff nach einem seltsam aussehenden Pokéball an seinem Gürtel, öffnete ihn und rief Lin zurück.
    Ein kurzer roter Lichtblitz hellte auf, umhüllte das Maxax für einen Moment, bildete dieselbe Form wie es und verschlang es schließlich inmitten des Pokéballs, bis nichts mehr von Lin übrig war. Daraufhin schloss sich der Pokéball; von selbst.
    „Bis später, meine Freunde“, meinte er ein letztes Mal an seine anderen drei Pokémon gerichtet und verließ dann mit wenigen Schritten die Scheune. Er lief die Seitengasse wieder hinauf und bog daraufhin links ab; also in die entgegengesetzte Richtung aus der er gekommen war. Es war halb neun; um viertel vor begann sein Tag in der Universität; er hatte die Zeit genau richtig im Auge gehabt.


    Nach einem nicht sehr langen Fußmarsch von knappen zehn Minuten war er an dem riesigen Gebäude angekommen. Es stand direkt neben der Pokémon-Arena; nur ein paar Meter weiter, und man stand vor dem noch viel größerem Gebäude, welches die Form zweier Drachenköpfe hatte. Doch heute verbrachte er seinen Tag nicht dort, sondern musste in der Universität pauken, also betrat er das große Gebäude mit leichten Schritten. Die elektronisch betriebene Glastür öffnete (und schloss) sich von selbst, als er auf diese zulief und als er in der Eingangshalle stand wurde er auf ein Neues, wie jeden Tag, von dem unglaublichen Komfort dieser Lehrstätte überwältigt.
    Direkt gerade aus sah man eine große Rezeption mit mindestens fünf arbeitenden Angestellten, die jedem Besucher, aber auch jedem Lehrling, Auskunft über alle möglichen Fragen zur Universität gaben. Darüber hing das Wappen der Universität an der Wand: Reshiram und Zekrom, ihre Hälse eng verschlungen. Um sie herum, ein Kranz aus Rosen, unter dessen unterstem Stück in schwarzen Lettern geschrieben stand: ‚Twindrake-Universität‘. Links und rechts neben der Rezeption führten große Rolltreppen hinauf auf die erste Etage, welche fast wie eine Galerie wirkte, denn sie war nicht geschlossen und man konnte von der Eingangshalle perfekt zu ihr hoch sehen. Überall standen Töpfe mit großen Pflanzen drinnen; hauptsächlich waren es Palmen aus Abidaya City importiert, von den Bioforschern der Universität – dort wimmelte es aufgrund der abiotischen Umstände nur so von diesen exotischen Pflanzen. Der Boden der Eingangshalle wirkte als wäre er verglast und sah man genau hin, bemerkte man, dass dem sogar so war – es gab genau genommen zwei Bodenschichten: Erst war da eine Schicht von blauem Untergrund, auf dem, einige Zentimeter Abstand jedoch dazwischen, eine weitere Schicht lag; nämlich Glas. Diese Konstruktion war eine ganz besondere, und so wie sie hier aufzufinden war, würde man sie in ganz Einall kein zweites Mal finden. Auf dem blauen Boden unter dem Glas war ziemlich mittig vor der Rezeption das Wappen der Pokémonliga Einall abgebildet, welche mit der Universität kooperierte. Am meisten beeindruckte ihn jedoch immer noch der kleine Sockel, inmitten dieser Eingangshalle, einige Meter vor dem Emblem der Pokémonliga. Auf ihm lag ein roter Stein, welcher von einer eckigen Glaskuppel geschützt war, sodass man ihn nicht berühren konnte. Wenn man auf ihn zu lief glaubte man, so erzählten es zumindest viele, Wärme und gleichzeitig aber auch Kälte zu empfinden. Er selbst, hatte dies noch nie verspürt. Der Stein hatte auf der Oberseite ein gezacktes Muster, was darauf schließen ließ, dass es eine zweite Hälfte zu ihm gab; diese hatten die Untergrundforscher der Universität jedoch noch nie gefunden. Auf diesem Sockel stand auf einem goldenen Schild in schwarzen Buchstaben ‚Der ewige Stein des Gegenteils‘ – nie hatte Saíji verstanden, was genau damit gemeint war; niemand schien dies so genau zu wissen, es hatte auch noch nie jemand gefragt, wer den Stein mit dieser Aufschrift versehen hatte; offenbar akzeptierte es jeder so wie es war…
    War er ehrlich zu sich selbst, musste auch er sich gestehen, dass er nicht wirklich das Verlangen spürte, mehr darüber herauszufinden.
    Ehrfürchtig lief er auf den Stein zu, drehte dann jedoch ein paar Meter zuvor nach links ab und nahm die Rolltreppe nach oben. Die obere Etage war etwas unspektakulärer, ein paar Tische und Stühle, an denen ein paar Stunden saßen und große Wälzer durchlasen oder einfach paukten; ein paar Palmen aus Abidaya und schließlich noch vier Aufzüge an der hinteren Wand – auf dem Boden jedoch erneut das Emblem der Pokémonliga Einall.
    Ohne weiter zu Zögern lief er auf einen der Aufzüge zu, vor dem bereits zwei weitere Leute warteten, die er jedoch nicht kannte – sie waren noch etwas jünger als er, vielleicht gerade achtzehn geworden. Geduldig wartete Saíji auf den Aufzug, bis dieser ankam, seine Türen öffnete und die drei Wartenden hinein traten. Links und rechts waren lediglich normale, beige Wände; rechts war wohlgemerkt noch das Armaturenbrett mit den Knöpfen mit denen man das angesteuerte Stockwerk auswählen konnte. Die gegenüberliegende Front jedoch war mit einem riesigen Spiegel versehen, die komplette Seite des Fahrstuhls abdeckte.
    Kritisch betrachtete Saíji seine Wenigkeit im Spiegel – seine braunen, mittellangen Haare langen gleichmäßig auf seiner Stirn, waren jedoch modisch nach links gekämmt, während die Seiten beide leicht nach vorne zeigten; diese Frisur hatten derzeit viele Menschen, sie schien sehr modern zu sein. Er trug sie jedoch nur, weil sie ihm gefiel, auf die neusten Trends gab er für gewöhnlich nicht viel. Seine leicht gebräunte Haut, an der man erkannte, dass er hin und wieder einen kurzen Strandurlaub in Abidaya City machte, konnte man nur im Gesicht, an den Händen und am Hals sehen, alles andere wurde durch seine, der Jahreszeit angepassten, Kleidung abgedeckt. Nicht mehr lange, dann war der kalte Frühling vorbei, und es würde warm werden. Gestern hatte er im Wetterbericht mitbekommen, dass es im Süden bei Eventura City bereits warm war und die Wärmewelle in den nächsten Tagen auf hoch in den Norden kommen sollte; darauf freute er sich schon. Denn morgen war auch schon Wochenende, dann konnte er zwei schöne Tage mit seinen Pokémon draußen in der Sonne, an der frischen Luft, verbringen und etwas mit ihnen trainieren – er liebte es, Pläne zu schmieden.
    Abwesend drückte er den Knopf für die dritte Etage, die beiden anderen mussten noch vier Stockwerke weiterfahren, direkt in das siebte Stockwerk. Höher ging es auch nicht, danach gab es nur eine kleine, altmodische Treppe auf die Dachetage, wo für gewöhnlich keine Unterrichtsstunden oder ähnliches stattfanden.
    „Dritter Stock – Biologie, Physik und Geschichte“, ertönte eine Frauenstimme aus dem Lautsprecher an der Decke und die Fahrstuhltür schob sich beiseite, sodass Saíji hinaustreten konnte.
    Ein großer Flur offenbarte sich ihm, doch selbstverständlich wusste er genau wo er lang musste; immerhin studierte er hier schon seit mehr als einem Jahr. Er hatte im ersten Tagesblock Geschichte, ein Fach, dass er besonders mochte. Sein Studium war etwas anderes, als die anderen. Aufgrund seiner baldigen Berufung als Arenaleiter spezialisierte er sich nicht auf ein Fachgebiet sondern hatte weiterhin verschiedene Fächer, wie damals in der Schule. Das war auch der Grund, warum er die Universität manchmal in Nostalgie schwelgende als Schule bezeichnete.
    Ein paar Augenblicke war er bereits an seinem Raum angekommen. Er blieb kurz davor stehen, atmete kurz durch, legte sich seine Haare mit einer gekonnten Handbewegung zurecht, griff nochmal kurz nach Lins Pokéball, um zu sehen, ob sie noch da war und trat dann ein. Es waren noch nicht alle Studenten da, die diesen Kurs belegten, aber die Leute die er suchte, fand er unter dem knappen Dutzend Menschen recht schnell. Zielstrebig machte er ein paar Schritte auf seine beiden Freunde zu; Heiji und Yuki, die Beiden warteten scheinbar schon auf ihn.
    „Guten Morgen, Saj“, begrüßte Yuki ihn freundlich mit seinem Spitznamen und öffnete ihre Arme für eine Umarmung, auf die er flüchtig einging.
    „Hey“, meinte auf Heiji beiläufig, er schien mit etwas beschäftigt zu sein, in seiner Hand hielt der Mann mit den blonden, kurzen Haaren einen kleinen Stapel an Papier, dessen oberstes Blatt er scheinbar aufmerksam durchlas.
    „Hallo“, erwiderte Saíji den Gruß der beiden freundlich.
    „Na, Blauauge, wie geht es Lin und Co?“, fragte Yuki neugierig. Sie nannte ihn oft ‚Blauauge‘, weil seine Augen wirklich ungewöhnlich ausgeprägt blau leuchteten, fast schon unheimlich; es war eine seiner bekanntesten und wichtigsten Merkmale, scheinbar. Für seine Pokémon interessierte sich die 21-jährige auch sehr, da sie Pokémon allgemein sehr liebte. Sie selbst hatte leider noch kein Pokémon gefangen, sie hatte bis jetzt einfach noch nicht das Glück gehabt dem richtigen Partner zu begegnen, hatte sie sich dazu geäußert.
    „Ach, denen geht es gut. Ich glaube Joker ist auf dem besten Weg sich bald zu entwickeln, sein Körper sieht unglaublich stark und kräftig; irgendwie habe ich da so eine Vorahnung“, meinte er lächelnd.
    „Wirklich? Na, dann hast du bald einen riesigen, dreiköpfigen Drachen in deiner Scheune rumfliegen – Glückwunsch“, fügte sie letzteres noch scherzhaft hinzu und schon begannen die beiden zu lachen; sie waren wirklich sehr gute Freunde.
    „Und bei dir ist alles klar, Yuki?“, fragte Saíji höflich, obwohl die Frage mehr rhetorisch gemeint war; Yuki konnte sich nicht beschweren. Sie lebte noch bei ihren Eltern, allerdings ging es ihr dort mehr als gut. Das rothaarige Mädchen mit den funkelnden braunen Augen hatte einen sehr reichen Vater, welcher für eine bekannte Firma in Stratos City arbeitet; dementsprechend ging es ihrer Familie immer sehr gut. Sie hatte quasi eine eigene Wohnung für sich, mit eigenem Badezimmer. Lediglich eine Küche fehlte ihr, doch bis zu Mutters Küche waren es nur wenige Schritte; bei ihr raus, in den Keller rein, diesen hoch und schon war sie da; und ihre Mutter kochte jeden Abend für sie. Der einzige Nachteil daran war, wie man es von diesem Familien eben kannte, dass ihr Vater praktisch nie zu Hause war; nur jedes zweite Wochenende war er da, blieb dann allerdings immer bis Mittwochmorgen; dann musste er wieder weg. Es war manchmal nicht einfach gewesen für Yuki, als sie noch ein Kind war, ohne ihren Vater zu leben, aber sie hatte sie damit abgefunden.
    „Natürlich, mir geht’s gut“, meinte sie und setzte sich an ihren Platz. Offenbar hatte sie gerade nicht sonderlich großes Interesse daran, sich weiter mit Saíji zu unterhalten, also wand dieser sich seinem besten Kumpel zu.
    „Hey, Heiji, würdest du den interessanten Wisch da vielleicht nur mal kurz weglegen? Danke“, meinte er lachend und sah seinen Freund an.
    Dieser machte nicht die Anstalt dem nahgelegten Rat seines Sandkastenfreundes zu folgen, jedoch zog er eine Augenbraue hoch um Saíji zu mustern.
    „Kämm dir mal ordentlich deine Haare“, brummte er und wand sich wieder seinem Papier zu. Er versuchte sich sein Lachen zu verkneifen, doch er schaffte es nicht lange, es zu unterdrücken. Nach ein paar Sekunden der Beherrschung huschte ihm erst ein kurzes Lächeln über die Lippen, bis er eine weitere Sekunde darauf lauthals zu Lachen begann.
    „Schon klar, Heiji“, meinte Saíji augenrollend und hob seine Hand. Sie klatschen ihre Hände aneinander und legten kurz den jeweils anderen Arm umeinander, wie sie sich für gewöhnlich immer begrüßten. Heiji war schon seit er drei Jahre alt war mit Saíji befreundet und bisher konnte er auch immer auf den ursprünglich aus Sinnoh stammenden jungen Mann verlassen.
    Die beiden unterhielten sich noch eine Weile über Pokémon und irgendeinen Technikkram, von dem die meisten anderen wahrscheinlich nichts verstehen würden – Heiji und Saíji kannten sich auf diesem Gebiet unglaublich gut aus – bis schließlich der Kursleiter nach einigen Minuten den Saal betrat und die heutige Vorlesung begann. Thematik des Unterrichtblockes waren Terrakium, Viridium und Kobalium.


    „Damals, bei einem Brand im Ewigenwald, wären unter normalen Umständen hunderte von Pokémon und mindestens ebenso viele Menschen ums Leben gekommen; niemand weiß, wie das Feuer damals entstanden ist, doch um die Rettung des Waldes und seiner Umgebung rankt sich eine schon ewig weitererzählte Legende über die drei Musketierpokémon; Terrakium, Viridium und Kobalium.
    Man sagt, dass damals Viridium mit seiner grazilen Geschwindigkeit die im Wald lebenden Pokémon vor dem zerstörerischen Funkenflug gerettet habe.
    Terrakium soll sich hingegen damals seine Stärke zu Nutzen gemacht haben um herabstürzende Felsen wegzureißen, welche den Fluchtweg versperrt hatten.
    Das letzte im Bunde, Kobalium, soll letzten Endes als ältestes der drei Pokémon alle im Wald lebenden Pokémon aus dem Wald und dem Feuer hinausgeführt haben und ihnen einen neuen Lebensraum geschaffen haben.
    Heute wacht Viridium jedoch noch als einziges der drei über den Ewigenwald; was mit Terrakium und Kobalium passierte weiß niemand so genau. Legenden sagen dass das legendäre Pflanzenpokémon noch heute an einem Ort namens ‚Feld der Besinnung‘ aufzufinden sei“, der Kursleiter machte eine kurze Pause in seiner Erzählung. „Wer weiß, vielleicht findet ja irgendwann einer von ihnen den Weg zu ihm?“


    Nach dem Geschichtsblock und zwei Biologieblöcken, wo der Kurs gemeinsam die Lebensweise von in freier Wildbahn existierenden Efoserp besprochen hatte, neigte sich der Tag dem Ende zu und ohne sich noch etwas weiteres vorzunehmen suchte Saíji den Heimweg auf. Dort angekommen klang sein Tag wie üblich aus, er aß zu Abend, besuchte nochmal seine Pokémon und brachte auch Lin zurück in die Scheune und ließ den vier Drachen Futter da. Irgendwann ging Saíji dann wie gewohnt schlafen, mit der Hoffnung auf ein wenig Sonne am morgigen Tag – er freute sich, ihn mit seinen Pokémon verbringen zu können.


    Heute war es anderes. Wie immer warf mich das Erscheinen meines allzu alltäglichen Raumes aus der Bahn, doch es fühlte sich anders an. Ich konnte heute festmachen, dass ich nun eingeschlafen war. Und nicht aufgewacht bin. Tatsache. Könnte ich, hätte ich wohl ein Lächeln sehen lassen, doch so blieb es nur dabei, dass meine Gedanken durch diese unendliche, schwarze Welt reisten und sich von Ort zu Ort begaben, auf der Suche nach Sinn.
    Wider meines Erwarten jedoch lief ein entscheidender Fakt heute überraschend anders… Ich erinnerte mich. Ich erinnerte mich an meinen Willen, diesen Raum zu verlassen. Ich erinnerte mich aber auch an meinen Willen, ihn zu erkunden. Wie man es von meiner Spezies wohl kennt, übertraf die Neugier auch hier meine Vernunft, und ich begann in den Tiefen des Schwarzes nach Antworten für meine Fragen zu suchen.


    Lange noch streifte ich umher, bis mich wieder dieses Gefühl überkam. Nein, dies war gar kein Gefühl; ich fühlte ja nicht. Dieses Mal dachte ich nur.
    Mein Denken, welches wohl bemerkt nicht weiter als in eine Sackgasse und wieder hinaus auf den Weg, wo nur tausende weitere auf meine verlorenen Gedankenfetzen warteten, verließ mich jedoch, als sich das Schwarz wieder aufzulösen begann. Übrig blieb erneut eine an ein Augenpaar erinnernde Erscheinung in Form zweiter rot glühender Lichtpunkte, welche mich fast schon hypnotisierend ansahen.
    „Alleos“, hörte ich es flüstern und zischeln, „Alleos…“
    Und ich wachte auf.


    Atemlos schreckte Saíji hoch. Er blinzelte mit den Augen, bis er feststellte, dass es noch mitten in der Nacht sein musste; alles war finster, nur ganz leicht spendete der Mond etwas Licht in den ansonsten dunklen Raum. Irgendwas hatte ihn aufgeweckt. Er wusste nicht wirklich was es war, er konnte sich nur leicht an ein Gefühl erinnern. Ein Gefühl der Panik. Und plötzlich, seine Sinne waren immer noch wie benebelt, fiel ihm ein einziges Wort ein. Sein ganzer Körper zitterte bei diesem Gedanken, doch ehe er sich versah, hatten seine Lippen eigenes Spiel gemacht, und das Wort ausgesprochen. Schweißgebadet saß er dort, angsterfüllt mit einem starren Blick gerade aus, als würde er etwas außerhalb seines Hauses; außerhalb der Welt suchen. Panisch wiederholte er mit schwacher, belegter Stimme wieder dieses eine Wort.
    „Alleos…“


    -4.458 Wörter

  • Huhu (:
    Endlich bin ich hier angekommen, zusammen mit dem Kommi im Gepäck. *Hinterher zieh* Jetzt hoffe ich mal, dass ich auch etwas Sinnvolles von mir gebe.
    Btw, deinen Startpost werde ich jetzt nicht kommentieren, da a) er sowieso perfekt ist, und b) weil du dafür schon genügend Kommis erhalten hast.


    Titel
    >>Auf Scherben einer heilen Welt<<
    Geiler Titel *_* Er ist ja sehr gegensätzlich, da du einmal sagst >>Scherben<< und dann >>heilen<<, also heben sich die Wörter wieder gegenseitig auf. Erinnert mich an Lynns Story >>Gemeinsam Einsam<<. Aber solche Titel machen neugierig, und ich denke, dass etwas durchaus heil und doch in Scherben liegen kann. Ich personifiziere mich mit diesem Tite - ist das jetzt gut oder schlecht? Egal, ein schöner, nachdenklicher Titel.


    Prolog
    >>Illusion<<
    Ein-Wort-Titel, ja! Ich liebe solche Titel!
    Der Prolog ist.. wow. Verdammt gut, das Beste bisher, was ich von dir lesen durfte. Wie du fremde Wörter, deren Bedeutung man schon fast vergessen hatte, mit alltäglichen kombinierst. Und dein Sprachgefühl hat sich gesteigert, seit ich das letzte Mal etwas von dir lesen durfte. Es besteht ein himmelweiter Unterschied zu >>School Rumble!<<, denn wo du dort manchmal träumerisch und kindlich bist, bist du hier melancholisch und bedeutungsschwer, Chess. Man könnte beinah denken, dass hier hätte jemand anders verfasst.
    Inhaltlich befindet sich der Protagonist in einem leeren Raum, voll mit Finsternis und findet keinen Ausweg. Es erinnert mich an einen Albtraum, aber es wirkt viel düsterer, traurig beinah. Du beschreibst diese Leere, dieses Nichts ins Detail und man kann sich hervorragend hineinfinden. Er ist nicht lang und nicht kurz, was das Lesen echt einfacher macht. Ich war wirklich schnell durch.
    Fehler habe ich keine gefunden.
    Ein guter Einstieg, ich les weiter.


    Kapitel 1
    >>Pferdetrab oder Alltag<<
    Dieser Titel sagt mir jetzt, nur so vom Lesen, nicht allzu sehr zu. Obwohl ich neidlos zugebe, dass er kreativ und ungewöhnlich ist. Und wieder ein Wort.
    Vom Inhalt her lernt man deinen Protagonisten, Saíji, kennen (schöner Name) und dessen Wege kennen. Der jüngste Arenaleiter seit Cheren, also eine Art Wunderkind? Er muss ja eine Menge drauf haben... Und Drachenpokemon passen ganz gut, obwohl ich sie zu mächtig finde. Aber du lieferst ja eine plausible Erklärung, warum er diese Pokemon besitzt. Was ganz gut ist, weil ich nichts mehr hasse als mächtige Pokis und dann kein Grund dafür. Bäh.
    Er studiert also? Diese Legend, die du eingebaut hast, gefällt mir sehr und du hast sie auch schön beschrieben. Hätte mich aber auch verwundert, wenn nicht ^-^ Leider kenne ich die beschriebenen Pokemon kaum, weshalb ich die Legende jetzt auch so hinnehme. In der Hoffnung, sie stimmt.
    Der Traum am Ende war toll, dieses Wort oder Name... Alleos. Was bedeutet es? Ahhh, Cliffhänger, Mist!
    Aber wieder keine Fehler. Ein tolles erstes Kapitel, obwohl es mich mit vielen Fragen zurücklässt, auf die ich hoffentlich bald ein paar Antworten erhalten werde, Chess (:


    Fazit
    Ein absolut gelungener Anfang, mit einem nahezu perfekten Stil. Ich bin positiv überrascht, dass du solche Stories schreiben kannst, die sich so voneinander unterscheiden. Ich weiß, dass du noch einiges ausbauen wirst und bin gespannt, wie es wohl weitergeht. *zu Alleos schiel*
    Bitte eine Benachrichtigung!


    LG, Cassia

    So this is me
    In dieser Rüstung, viel zu schwer
    Ihr wollt einen Helden, doch
    Meine Stärke überschätzt ihr

  • [tabmenu]
    [tab=Jo]
    Hi Chess,
    wie ich es schon quasi versprochen habe, folgt nun der Kommentar, welcher lange auf sich warten ließ. Da dein zweites Kapitel, wie du mir sagtest, schon in Bearbeitung ist, möchte ich keine Zeit mehr verlieren.


    [tab=Kapitel]
    Ich persönlich war von dem Titel "Pferdetrab oder Alltag" schon überzeugt, denn die Bezeichnung für die Gangart, welche nicht nur strengen Auflagen unterliegt, sondern auch "Schwebephasen" enthält, passt nicht nur zu den rätselhaften, traumartigen Parts in deinem neuen Kapitel, sondern auch zum Alltag, welcher strukturiert und beherrscht wirkt. Mir hätte dieser einzelne Begriff schon gereicht, weshalb ich "oder Alltag" weggelassen hätte, zumal im Pferdetrab von der Bedeutung her der Alltag schon hinein interpretierbar wäre, wobei man sicher nicht davon ausgehen kann, dass dies allen Lesern bewusst ist. Der Titel erfüllte demnach bereits seine Aufgabe, nämlich Aufmerksamkeit zu erregen.
    Im ersten Absatz fand ich bereits den Anschluss an den Prolog, nämlich eine ähnliche Szene, welche zunächst schleierhaft erscheint und in der ich, vermutlich mal wieder fälschlicherweise, einen Traum vermute. Du beschreibst du Gefühle und Bewegungen des Charakters sehr deutlich; Atmosphäre kommt durch die Beschreibung der Umgebung und durch seine Gedankenwelt zur Geltung, allerdings ist mir aufgefallen, dass sich dieses "Schwarz" in Kombination mit dem Prolog zu sehr wiederholte. Vielleicht solltest du dort noch übergreifender darauf achten, bei mehreren und/oder aufeinanderfolgenden traumartigen Szenen Schwarz, Dunkelheit und Finsternis abwechselnd zu verwenden. Besonders positiv sprangen mir jedoch die Abwechslung kurzer und langer Sätze von dir auf, da dies durchweg den Text nicht eintönig klingen lässt. Was du jedoch beachten solltest, ist die Regel zu den Auslassungspunkten (...), denn man setzt diese mit einem Leerzeichen zum vorangegangenen Wort, wenn sie ein Wort, mehrere Wörter oder einen Satz ersetzen, während man sie bei Ersetzen eines Buchstabens oder eines Wortteils direkt ohne Leerzeichen anschließt.


    Was ich im ersten Absatz empfand, fand ich im zweiten Absatz anfangs wieder: du verwendest zu häufig im gesamten Kapitel das Personalpronomen "er". Ich vermute, dass du noch keinen Namen zu diesem Zeitpunkt nennen wolltest, aber du solltest versuchen, das Pronomen anderweitig anonymisierend zu ersetzen (der Junge, der Trainer, die Person, der ...haarige, etc.). In dem Absatz enthüllst du jedoch dann den Namen, wobei du ihn im Laufe der Handlung recht selten gebrauchst, sondern erneut auf das Personalpronomen zurückgreifst. Dort kannst und solltest du noch etwas variieren, damit keine Wiederholung auftritt. Was mir gefiel, war jedoch das Unterbringen von Information in diesem Absatz, da diese nach dem unkonkreten Prolog und Anfang des ersten Kapitels zur Greifbarkeit und Vorstellung benötigt wurden. Das Weiterspinnen von Geschichten aus der Edition bzw. die Einführung einer nächsten Generation, wie es hier stattfindet, finde ich immer interessant, denn meist haben die Fans ganz verschiedene Vorstellungen und graduieren die Veränderung sehr unterschiedlich (während manche die bekannte Region um den Haufen werfen, erweitern andere sie nur oder setzen ein neues Zeitalter für diese an). Die Übernahme der Arena von Lysander erscheint mir daher sehr sinnvoll und nachvollziehbar, gerade wenn man auf sein Alter schaut.
    Der Verlauf des morgendlichen Prozess begegnet mir nicht nur realistisch, sondern auch mit den Adjektiven schön umschrieben und perfekt zum Hineinversetzen in diese Stimmung eingeladen. Das Aussehen Saíjis stellst du ebenfalls vorstellbar dar, wobei mir an dieser Stelle die Haarfarbe, welche für Anime-Charakteren von Bedeutung ist, noch fehlte, die du allerdings beim Aufenthalt im Fahrstuhl sinnvoll ergänzt, denn vermutlich wären es anfangs zu viel Informationen auf einmal gewesen (die Haarfarbe passt im Übrigen zu einem Protagonisten/Helden in einem Anime wie Pokémon). Was sein Aussehen angeht, hat mich besonders die Jacke mit ihrem Aufdruck fasziniert, denn auf solche Merkmale, die einen Charakter besonders wirken lassen, kann sich ein Leser fixieren und dafür interessieren.


    Saíjis Weg zur Scheune hast du knapp, aber nachvollziehbar beschrieben, sodass man durch diesen Übergang auch nicht gelangweilt wurde. Mir ist jedoch bei dem Aufeinandertreffen mit seinen Pokémon einiges aufgefallen, was mich irritierte. Zunächst benennst du die Wesen als "Taschenmonster, mit denen man gegen Freunde spielen konnte". Auch wenn "spielen" hier in Anführungszeichen steht, so bin ich der Meinung, dass du dort in den Zwiespalt zwischen Anime und Editionen geraten bist, denn ich würde es in seinem Fall besser "kämpfen" nennen. Des Weiteren war mir nicht bekannt, dass die zwei flügelähnlichen Gebilde Dratinis "Federn" sein könnten. Ich persönlich habe in diesen immer Ohren gesehen, während Dragonir wiederrum Federn trägt, welche jedoch auch ohrenartig aussehen. Was die Beschreibung der Pokémon angeht, so ergibt sich ein klares Bild von deren Position und der Beziehung zu Saíji, jedoch solltest du allgemein diese noch etwas mehr vom Aussehen her beschreiben, denn dies geschah lediglich bei Dratini. Du solltest daher auch vorsichtig damit sein, zu viele Charaktere bzw. Pokémon auf einmal auftreten zu lassen, denn dies ist eine wahre Falle, was geringere Vorstellbarkeit angeht. Des Weiteren fiel mir auf, dass du manchmal die Gestik und Mimik der Pokémon gegenüber derer Saíjis etwas vernachlässigst, z.B.

    Er streichelte dem Dratini erneut etwas über den Kopf, was ihm wirklich gefallen zu schien

    fragt man sich an dieser Stelle, woran Saíji erkennt, dass es dem Dratini gefiel.
    Ebenfalls klang eine Satzkonstruktion etwas unschön, da eine ungewollte, stocken lassende Alliteration entstand, die mit einem alternativen Satzbau oder durch die Verwendung von "es" statt "das" behoben/geschmälert werden könnte:

    Er lächelte dem Unlicht-Pokémon kurz zu, obwohl er sich bewusst war, dass dieses das gar nicht mitbekommen würde, und wand sich dann wieder seinem jüngsten Teammitglied zu – Riku.

    Was mir jedoch gefiel, war die Beschreibung des Prozesses, indem Lin im Pokéball verschwindet. Für Nicht-Kenner ist dieser Prozess ebenso gut vorstellbar, und genauso sollte es auch sein. Im Übrigen fand ich die Pokémonwahl für einen Protagonisten ideal, denn die Drachen waren nicht nur in den jeweiligen Generationen beliebt, sondern strahlen meiner Meinung nach auch Heldencharakter aus.


    Die Universität wurde von dir sehr umfangreich beschrieben, daher gehe ich davon aus, dass sie noch öfter ein Ort von Geschehnissen in deiner Fanfiction sein wird. Den Boden des Gebäudes hast du meiner Meinung nach etwas umständlich und teilweise auch umgangssprachlich (z.B. "erst war da eine Schicht ...") erklärt; des Weiteren fiel mir ein unschöner Teil auf, der das Lesen zum Stocken bringt (ich würde dir raten, "immer noch" zu streichen, damit sich der Satz flüssiger lesen lässt):

    Am meisten beeindruckte ihn jedoch immer noch der kleine Sockel, inmitten dieser Eingangshalle, einige Meter vor dem Emblem der Pokémonliga.

    Das Mysterium um den Stein gefällt mir persönlich und bringt Spannung in den alltäglich geschilderten Rhythmus, wobei ein solches Mysterium zum Pokémon-Fandom wirklich passt, da sich schon des Öfteren Legenden um Steine drehten bzw. in ihnen das Mysterium hauste. In diesem Absatz erfährt man auch mehr über Saíji, was für das "Hineinversetzen" in den Protagonisten von Bedeutung ist und von dir passend in die Handlung eingebaut wurde. Den Dialog mit seinen Freunden hast du realistisch und für deren Alter stimmig verfasst und zwischen den Redeteilen auch Gestik und Mimik einbringst, wobei du dies noch etwas ausbauen kannst, da du dich meist auf den Tonfall "spezialisierst". Am Ende des Gesprächs (kurz bevor es um Yukis Lebensverhältnisse geht) verwendest du häufiger den Begriff Pokémon, wobei du diesen auch durch Wesen oder, wie du es bereits getan hast, durch "Taschenmonster" ersetzen könntest. Zum Schluss des Universitätsaufenthaltes ist mir zusätzlich aufgefallen, dass mir Informationen zum Aussehen der beiden Freunde fehlen. Dies halte ich für sehr wichtig, da man sich sonst die Charaktere nicht optimal vorstellen kann. Ansonsten lieferst du einige hilfreiche Informationen, die im Kontrast mit dem Prolog stehen, der keine lieferte.


    Am Ende hat mich persönlich die kurze Sequenz zum Abschluss des Tages gestört, da sie für mich "gehetzt" herüberkam. Ein Tag muss nicht immer mit dem Schlaf enden, sondern kann auch mittendrin in die Nacht oder den nächsten Morgen übergehen. Besonders der abrupte Übergang zum Traum hätte dessen mysteriösen Grad weiter in die Höhe getrieben. Des Weiteren fiel mir auf, dass du eine Subjunktion falsch bzw. zu umgangssprachlich gewählt hast, da man nur vulgär von "wo" spricht:

    Nach dem Geschichtsblock und zwei Biologieblöcken, woin denen der Kurs gemeinsam die Lebensweise von in freier Wildbahn existierenden Efoserp besprochen hatte, neigte sich der Tag dem Ende zu und ohne sich noch etwas weiteres vorzunehmen suchte Saíji den Heimweg auf.

    Trotz eines ähnlich klingenden Beginns/Prologs hast du dennoch neues Vokabular zur Beschreibung des Traumes gefunden, was diese Wiederholung für mich auch nicht langweilig erscheinen ließ. Ansonsten dienten der Traum und die knappe, anschließende Sequenz als ein optimaler Cliffhanger, denn der Leser stellst sich umgehend viele Fragen, z.B. was die Mysterien "Traum, Stein und Augen" mit dem Protagonisten verbindet oder was es mit "Alleos" auf sich hat.


    [tab=Fazit]
    Das erste Kapitel hat mir insgesamt doch sehr gefallen. Deine Beschreibungen sind meist für die Vorstellbarkeit optimal, während bei einem langen Kapitel immer die Gefahr besteht, etwas zu vernachlässigen, was teilweise bei den Charakteren und Pokémon passiert ist und weshalb ich dir auch empfehlen würde, etwas kürzere Kapitel zu schreiben oder speziell darauf zu achten. Neben der mich faszinierenden Mysterien in dem Kapitel gefällt mir auch der Protagonist mit seiner Persönlichkeit, auch wenn ich noch immer nach Schwächen suche, die vielleicht noch im Laufe dieser Fanfiction auftauchen. Zum Abschluss noch zu einem recht unangenehmen Thema: Rechtschreibung und Grammatik. Dir sind meist nur Kommafehler unterlaufen, aber manchmal auch Flüchtigkeitsfehler, die eine Rechtschreib- und Grammatikprüfung per Programm nicht erkennt; hier ein paar Beispiele:


    Ich würde dir raten, verstärkt auf Temporalsätze zu achten (meistens Grund für deine Kommafehler) und deinen Text auf diese Flüchtigkeitsfehler beim Lesen vor dem Posten zu untersuchen. Wenn es dir hilft, würde ich mich auch als Beta-Leser anbieten, wobei ich dies bei deiner sonstigen Rechtschreibung nicht zwangsläufig für nötig erachte; dort habe ich schon viel Schlimmeres gesehen ... Ob du das Angebot annimmst, bleibt natürlich dir überlassen.
    Ich hoffe weiterhin, dass bald, wie schon angekündigt, das zweite Kapitel erscheinen wird und erwarte in Spannung bereits mehr Informationen zu den Mysterien. Bis dann^^


    P.S.: Eine Benachrichtigung wäre nett, danke.
    [/tabmenu]

  • [tabmenu]
    [tab=x]
    So, und hiermit geht es weiter mit "Auf Scherben einer heilen Welt"! Das Kapitel ist bereits beendet; gerade wird es noch von Vidar, meinem Betaleser :), auf Fehler geprüft; in den nächsten Tagen wird es jedoch auf jeden Fall online kommen! Im Voraus möchte ich schon mal auf die beiden Kommentare eingehen; danke für diese ♥
    [tab='@Cassia']


    [tab='@Rio']


    [/tabmenu]

  • Kapitel 2
    - Wenn aus Schein Wahrheit wird … -


    Vielleicht wäre es gar nicht so angsteinflößend, oder gar verstörend, wären jegliche Geräusche ausgeblendet; seine Ohren verschlossen. Das, was er hörte - das Knistern des Laubes zu seinen Füßen, das leichte, bedrohliche Pfeifen des Windes in dieser sonst so reglosen Gegend, das daraus resultierende schwache Schwenken der Baumkronen, das Aufschreien eines Vogel, dessen Gestalt er nie zu Gesicht bekommen würde – all das machte ihm mehr Angst, als die Tatsache, dass es schon späte, dunkle Nacht war und er ohne den am Himmel so hell strahlenden Mond, welcher ihm Kraft, Mut, vor allem aber Licht spendete, nicht einmal seine eigenen Hände erkennen könnte … oder das an ihm zehrende Gewissen, dass er sich an nichts – wirklich gar nichts – erinnern zu vermochte. Egal wie sehr er sich auch anstrengte; es war vergebens. Weder wo er genau war, noch warum er hier war; geschweige denn wer er eigentlich war, schien ihm offensichtlich und nicht mal einzelne Bruchstücke seiner Memoiren existierten in seinen Gedanken. Er irrte als identitätsloses Etwas durch diesen Wald und war sich noch dazu nicht sicher, was er überhaupt suchte; welches Ziel er verfolgte.
    Ob es nun erst Minuten, Stunden oder gar Tage waren, die er schon verzweifelt durch dieses Schwarz irrte, erschloss sich ihm nicht. Letzteres durfte wohl kaum der Fall sein, zumindest in einer wirklichen Realität, da es, seit sich der Mann erinnern konnte, dunkel war.
    Der Mann, welcher sich nach wie vor nicht selbst identifizieren konnte, fühlte mittlerweile gar nichts. Innerhalb der Zeit , die er damit verbracht hatte, durch diesen dunklen Wald zu laufen; sich alle möglichen Gliedmaßen an Ästen und ähnlichem aufzureißen; hatte er langsam aber sicher die Angst und auch die Verzweiflung verloren. Weiß man selbst nicht einmal, wer man eigentlich ist, kann es einem recht egal sein, was passiert. Genauso gut hätte sich der Mann auch einfach an einen Baum setzen; insofern er einen solchen mit bloßen Augen erkannt hätte; und warten können. Betrachtet man die ganze Situation, so stellt man doch zügig fest, dass ein wahrer Unterschied zwischen dem „Möglichen“ und dem „Wirklichen“ gar nicht bestand. Der Mann wartete einfach nur … Er wusste nicht, auf was er wartete. Vielleicht war es der Tod, vielleicht war es auch alles nur ein Traum. Ein Traum, in dem er selbst seine Identität verloren hatte. Möglicherweise lief er auch erst seit wenigen Minuten herum und war einfach nur voll und ganz reif für eine Behandlung der Psyche.
    „War es nicht schon immer so gewesen?“, raunte der geheimnisvolle Fremde mit einem Mal, als er abrupt stehen blieb. Er wusste nicht, warum. Es war kein besonderer Ort; soweit man es erkennen konnte, stand er einfach nur zwischen ein paar Bäumen; einige Meter von einer Art Beerenstrauch entfernt. Mit wem er sprach, wusste er auch nicht …
    „Wartet man im Leben nicht auch nur … bis man von den Lebenden weicht?“
    Was mit dem Mann geschah, würde wohl niemand je erfahren. Er lief und lief immer weiter, nachdem er seine Erkenntnis erlang hatte, und fand sich letzten Endes nur vor einem riesigen Baum wieder. Er sah in geraumer Entfernung einige Lichter, wie von Häusern, und erwartete eine Stadt. Ein Fünkchen Hoffnung lebte in diesem Moment in ihm auf, doch war es die körperliche Kraft, welche ihm nun einen Strich durch die Rechnung machte. Unter diesem großen Baum blieb er einfach liegen. Einige wenige Meter weiter, dort wo sogar die Strauchschicht ihre Grenze zu einem richtigen Weg fand, stand ein beschriebenes Schild. Während vor seinen Augen schon die klare Wahrnehmung langsam verschwamm und sich seine Augenlieder immer wieder kraftlos schlossen, konnte er mit seinem letzten bisschen Bewusstsein doch noch lesen, was auf dem Schild stand:
    Route 9
    » Twindrake City
    Sein Kopf fiel zur Seite, als er bereits auf dem Bauch lag, sodass er nur noch durch die vereinzelten Lücken in dem endlosen Meer der Grashalme starren konnte. Seine Sicht wechselte zwischen gänzlich unscharf und wenigstens leicht erkennbar. Für den Hauch einer Sekunde schreckte seine Lebensfreunde noch ein letztes Mal hoch, als er glaubte, etwas in den Tiefen der Büsche zu sehen. Rot … nein, blutrot geleuchtet hatte es. Wie Augen … Letzten Endes war es aber doch die Wahrnehmung, welche schwand und mit ihr, in rotem Mantel, sein Bewusstsein.


    ~


    „Los, Lin!“, rief Saíji, als er den Pokéball seines gewählten Pokémons in Richtung des Kampffeldes in die Luft warf. Ein siegessicherer Ausdruck stand ihm auf das Gesicht geschrieben; er schien nicht auch nur einen Moment daran zu zweifeln, seinen Kampf zu gewinnen. Aus den silber glitzernden Strahlen des Pokéballs, den er schon so lange besaß, manifestierten sich zunächst die Umrisse und schließlich der ganze Körper seines Maxax – es hatte die kürzeren Arme nach oben gestreckt und die Zähne gefletscht; wie der Trainer so das Pokémon – beide sahen ihren Sieg offenbar schon.
    Ganz im Kontrast dazu zitterte sich sein Kampfpartner Heíji auf der anderen Seite des Platzes fast die Knie in den Boden. Er hatte sein Irokex bereits in den Kampf geschickt. Seine schwarzen, langen Haare wurden von dem momentan herrschenden, mittelstarken Wind grazil umhergeworfen. Trotz seiner „Angst“ vor dem Kampf sah er aus wie immer – locker und cool. Es war wohl eine besondere Gabe, dass er seine Gefühle, egal welche, gut verstecken konnte. Leider Gottes fühlte er sich in dieser Sekunde nicht auch nur ein bisschen cool … oder locker.
    „Na los, Heíji … Fang an!“
    Einen Moment herrschte Stille. Der hellbraune Sand auf dem Kampffeld mit den weißen Linien wurde, gleich des Grundes der Bewegung Heíjis Haare, leicht aufgewirbelt und so erschien es, als wäre der ganze Platz in eine Staubwolke eingehüllt. Nachdem Saíjis Gegner seine Haare mit seiner linken Hand gekonnt wieder auf den rechten Platz gelegt hatte, streckte er selbige weit nach vorne aus und beschwor eingängig seine erste Attacke.
    „Los geht’s, Irokex! Benutzt deinen Eishieb!“
    Schon in der Sekunde, als Heíji die gewählte Attacke ausgesprochen hatte, begann die linke Handin einem hellen blau – fast schon weiß – zu leuchten. Ein kalter Hauch ging von dieser aus und ehe Saíji sich versah, war das gegnerische Pokémon bereits in die Luft gesprungen und legte jetzt einen beachtlich schnellen Sturzflug auf das Drachenpokémon hin. Doch der baldige Arenaleiter war seinem Freund wie so oft schon einen Schritt voraus.
    „Zu einfach, Heíji!“ Ohne dass er Lin einen Befehl geben musste, machte diese, kurz bevor das Irokex sie hätte treffen können, einen gekonnten Ausfallschritt nach hinten und ließ ihren Gegner in den Staub sausen, wo es einen lauten Schmerzensschrei von sich gab. Aber Saíji zeigte keine Gnade.
    „Du hättest deine beste Waffe gegen Lin nicht gleich am Anfang verwenden sollen, mein Bester“, er wartete noch einen Moment ab, als wollte er Heíji noch eine letzte Chance geben, doch dann nickte er nur leicht mit dem Kopf nach vorne, „Setze Durchbruch ein!“
    Der darauffolgende Schrei des Eidechsen-Pokémons erschien kurz und unterbrochen; als würde ihm kurz die Luft wegbleiben. Tatsächlich war es auch so – nachdem sich die Pupille des Kampfpokémon so geweitete hatte, als wäre es mitten in einem dunklen Raum, der nur durch einen kleinen Türspalt, durch den Licht drang, ausgeleuchtete wurde, sackte das Pokémon mit dem Irokesen zusammen. Kraftlos lag es zu Füßen des mächtigen Drachen.
    „Das ging etwas schnell, findest du nicht?“, fragte Saíji leicht provokant. Dass er seinen Freund nur ärgern wollte, wusste eben dieser auch, aber mit der Niederlage wollte er sich nicht geschlagen geben. Natürlich war Saíji ein starker Trainer und er würde nicht umsonst ab Samstag Arenaleiter der Stadt werden, aber trotzdem musste es doch eine Möglichkeit geben, ihn zu schlagen. Gegen alle seine Pokémon hatte Heíji es bereits – nach wenigeren oder auch mehreren Anläufen – geschafft zu gewinnen; nur nicht gegen Lin. Dieses Pokémon war wirklich ein ganz besonderes.
    „Versuch doch nochmal aufzustehen, Irokex. Na los!“ Zwecklos. Saíji hatte gewonnen.


    ~


    Wie so oft waren es leider nicht die Sonnenstrahlen, welche ihn geweckt hatten, sondern das laute Radio, das Saíji als Wecker verwendete. Es war schon wieder Montag … und er musste schon wieder aufstehen; die Uni rief bereits. Natürlich freute er sich wie immer auch auf seine Kameraden und auch darauf, neues dazuzulernen, allerdings wurde diese Vorfreude oft von den kuscheligen Federn seines Kissens und der dazugehörigen Decke überboten. Im Endeffekt half es jedoch auch nichts – er musste sowieso aufstehen. Nur die Nachrichten würde er noch abwarten.
    „Politoed-Welle – die Nachrichten für sie zusammengefasst von Mikuru Osawa“, ertönte die Stimme eines Mannes. Nach einem kurzen Intro des Radiosenders sprach dann die eben erwähnte Nachrichtensprecherin.
    „Brand in Stratos-City! Das Bürogebäude einer Firma in Einalls Metropole wurde über die Nacht von Sonntag auf Montag bis auf die Grundsteine niedergebrannt – neben zwei Dutzend verletzten überlebten drei Menschen das Feuer nicht. Die Polizei ermittelt noch, doch aktuell geht man von einem tragischen Unfall aus …
    Im Rayono-City-Fußballstadion hat der Nevaio FC gestern Abend mit 2:0 gegen den SV Eventura gewonnen und somit den Abstand auf den Tabellenzweiten Real Marea gestärkt, welche heute im Montagsspiel wieder drei Punkte gutmachen können und somit wieder auf zwei Punkte an den amtierenden Meister aus Nevaio herankämen.
    Nun zum Wetter:
    Im Norden wird es die nächsten Tage etwas wärmer, bis zu 25°; ein Ende der bisher anhaltenden Kältewelle. Dafür zieht die Kälte in den Osten, während sich im Süden vereinzelt und Regen- und Wirbelstürme zeigten. Eine Ursache dafür fand sich noch nicht, doch einige Forscher gehen von den Legenden Voltolos und Boreos aus – Wissenschaftler wissen derzeit noch nicht, diese Theorie zu widerlegen; sicher, dass sie jedoch nicht der Wahrheit entspricht, sind sie laut Aussagen von Professor Esche schon. „Die legendären Voltolos und Boreos wurden schon vor längerer Zeit von Demeteros, dem Gott der Lüfte, aus Einall verbannt – sie können nicht mehr zurückkehren. Alles andere macht keinen Sinn; das ist nur kindischer Aberglaube.“ Ob sie recht hat?
    Und nun hören wir den ‚Swaroness Flamengo‘ von ‚los K(r)appa-loreros‘ exklusiv auf ‚Politoed-Welle‘!“
    Diese Band mochte Saíji nicht wirklich – mürrisch drehte er sich zu seinem Nachttisch, drückte auf einen Knopf an seinem Radiowecker und sofort erlosch der Ton der spanischen Gitarren des Trios. Er stand auf und zog sich an, währenddessen erinnerte sich an den gestrigen Tag – an seinen Trainingskampf mit Heíji (wie schade, dass dieser so schnell entschieden war, nicht wahr). Nach dem Kampf hatten die beiden nicht mehr viel gemacht. Es war schon langsam dunkel geworden und so waren sie mit ihren Pokémon noch gemeinsam ins Pokémon-Center gegangen und hatten sich daraufhin verabschiedet. Heíji hatte noch für eine Klausur lernen müssen, welche er heute schreiben würde. Saíji hingegen hatte heute frei; zumindest was die Universität anging – er hatte eine offizielle Entschuldigung geschrieben bekommen, und das von niemand anderem als Lysander, dem Bürgermeister und Arenaleiter, höchstpersönlich. Er hatte heute ein Treffen mit Saíji verabredet, bei dem sie die letzten wichtigen Dinge für die Übergabe der Arena besprechen würden. Es sollte ein großes Fest werden, Livemusik, viele Gäste, unter anderem alle Arenaleiter der Einall-Region, würden kommen – man erzählte sich sogar, dass der Champ der Pokémonliga höchstpersönlich vorbeischauen wollte. Ob dem so war wusste niemand – nicht einmal Saíji selbst war sich da so sicher.
    Neben dem Treffen mit Lysander hatte der baldige Arenaleiter jedoch noch andere Pläne für heute. Anschließend wollte er auf Route 9 noch einmal nach dem Item suchen, dass er vor einigen Tagen verloren hatte – es war recht teuer und selten, weswegen er auf jeden Fall noch mal nachschauen wollte, ob es nicht doch dort irgendwo war …


    Lysanders Haus war um einiges kleiner und einfacher gehalten als die prachtvolle Arena am anderen Ende der Stadt. Der Bürgermeister und seine Frau besaßen ein kleineres Haus im Süden Twindrake Citys und lebten dort alleine. Kaum ein anderes Haus stand in der Nähe; die Beiden lebten quasi an der Grenze zum Wald – so war es auch schön ruhig hier und niemand störte sie. Das Haus selbst war im Grunde wie jedes andere dieser Stadt:hölzerne Palisaden, ein orangenes Ziegeldach mit einem Schornstein und ein kleiner Vorgarten. Die einzige Besonderheit schien das riesige Schild an der Eingangstür (welche offenbar aus dem feinsten Eichenholz gemacht war) zu sein, „Herr & Frau Lysander Miller“. In einem geschwungenen, altertümlichen Schriftzug war der Name in die Tür eingeritzt. Irgendwie hatte es etwas Bedrohliches, vielleicht war es aber auch einfach nur Einbildung. Er hob seine Hand und klopfte zwei Mal gegen das Holz – Lysander mochte es nicht, wenn man die elektronische Klingel benutzt – er lehnte den neumodischen Flare der Stadt im Allgemeinen sehr ab; wahrscheinlich war auch das einer der Gründe, weshalb er und seine Frau so außerhalb der Gemeinde lebten. Der baldige Arenaleiter hörte ein paar Schritte und einen Wimpernschlag später hatte der Bürgermeister die Tür bereits geöffnet.
    „Ah, Saíji, schön dich zu sehen“, begrüßte ihn Lysander freundlich. Seine zu Anfang mürrisch wirkende Miene veränderte sich zum Positiven, als er den jungen Pokémontrainer erblickt hatte. Seiner Meinung nach war er einer der wenigen würdigen Trainer in Einall und er legte viele Hoffnungen in ihn.
    „Ich hoffe, ich komme nicht zu früh, Lysander“, meinte er der Höflichkeit halber.
    „Nein, nein, alles perfekt“, erwiderte der Bürgermeister knapp und bat seinen Schüler mit einer einfach deutbaren Gestik herein. Hinter ihm schloss er die Tür und Saíji brauchte einen Moment, bis sich seine Pupillen geweitet hatten und an die Lichtverhältnisse gewohnt hatten. Es war sehr dunkel in dem Raum, in dem die beiden standen, nur eine Kerze brannte auf dem Tisch in der Mitte.
    „Setzt dich“, meinte der alte Mann. Seine kurzen grauen Haare lagen fast schon neumodisch auf einer Seite, während sein buschiger Bart wie immer sein ganzes Kinn ummantelte. Er trug seinen gewöhnlichen schwarzen Anzug mit den weißen Ärmeln und den goldenen Knöpfen. Seine dunkelbraunen Augen leuchteten geheimnisvoll, als er Saíji ansah.
    Letzterer setzte sich wortlos auf einen der Stühle, wartete bis sich sein Gastgeber ebenfalls – gegenüber von ihm – niedergelassen hatte, und sah diesen dann geduldig an. Nach einer oder zwei Minuten der Stille sog der Bürgermeister etwas Luft ein und begann daraufhin zu sprechen.
    „Wie fühlt es sich an, wenn man in vier Tagen die Universität abbrechen darf und anstelle dessen Arenaleiter wird?“, fragte er ohne eine Mimik zu machen, geschweige denn ein Gefühl zu zeigen.
    „Es lässt sich damit leben“, brummte Saíji scherzhaft und blickte seinen Meister in die Augen, welche nach wie vor regungslos auf seinem Schüler ruhten. Einige Sekunden blickte er immer noch ernst drein, bis ihn das Lachen übermannte und er freudig losprustete. Er klopfte mit der flachen Hand ein paar Mal auf den Tisch, doch beruhigte er sich auch recht schnell wieder.
    „Ach Saíji, was bist du nur groß geworden. Wir kennen uns nun schon so lange und du hast dich so sehr verändert in dieser Zeit … unglaublich. Am Samstag ist der große Tag, mein Lieber. Bist du bereit, den Titel anzunehmen?“
    Dieses Mal machte er keine Witze mehr; er spürte, dass Lysander nun nicht mehr die Absicht hatte, zu scherzen – jetzt war es tatsächlich ernst. Er nickte nur knapp und sah seinem Mentor dann starr in die Augen.
    „Du wirst viele Interviews geben müssen an diese … Presse. Und du wirst sie alle empfangen müssen – jeden Arenaleiter der Einallregion. Lilia wird übrigens auch da sein …“ Letzteres erwähnte er fast nur beiläufig, doch egal wie gleichgültig es dem Bürgermeister auch zu sein schien, so blieb Saíjis Herz doch einen Moment stehen, ob des Schocks. (Zumindest fühlte es sich so an.)
    „L…l…lilia wird da sein?“, fragte er überrascht, entsetzt, freudig, verwirrt, stotternd – es mischte sich zu viel, um es eindeutig sagen zu können –, „diese Lilia?“
    „Ja, Saíji. Diese Lilia. Und du wirst verdammt nochmal zusehen, dass du dich anständig benimmst. Haben wir uns verstanden?“ Er wartete einen Moment und ergriff dann erneut das Wort: „Habe ich mich deutlich ausgedrückt?“
    Saíji zog eine Augenbraue hoch und erneut begann Lysander herzhaft zu lachen; Ersterer stimmte freudig mit ein. Nachdem sie noch einige Minuten lang besprachen, wie der Tag ablaufen würde, schien das Gespräch beendet; keiner der beiden hatte ein Thema.
    „Wo ist deine Frau?“, fragte Saíji nach einiger Zeit der Ruhe.
    „Einkaufen. Sie dürfte bald wiederkommen; sicher wirst du sie noch sehen“, erwiderte der Bürgermeister.
    „Nein, das glaube ich nicht. Tut mir Leid, Lysander, aber ich muss dich heute etwas früher verlassen …“
    „Oh“, brachte er hervor, „und wo geht es hin?“ Nun war er es, der eine Augenbraue hochzog.
    Saíji holte kurz Luft, bevor er antwortete: „Ich habe vor einigen Tagen ein Item auf der Route 9 verloren und möchte nochmal nachsehen, ob es sich vielleicht nicht doch noch auftreiben lässt.“
    „So, so“, brummte der Bürgermeister nach ein paar Sekunden, „na dann mag ich dich nicht aufhalten.“
    Er rückte seinen Stuhl zurück und stand auf. Er streckte seine Hand aus und bedeutete Saíji damit, er sollte ihm folgen. Er lief zur Tür, wo er jedoch noch einmal kurz stehen blieb und sich umdrehte.
    „Ich wünsche dir alles Gute, Saíji.“ Ohne eine Vorahnung umarmte er seinen Schüler. Er legte seinem linken Armen auf dessen Rücken und drückte seinen Kopf mit der rechten Hand an den seinen. Er schniefte leise und Saíji glaubte zu spüren, wie eine einzige, salzige, kleine Träne auf seiner Schulter zu Bruch ging. Eilig erwiderte der junge Mann die Umarmung. Noch einen Moment lang verharrten die beiden in dieser Position.
    „Versprich mir, dass du auf deinem Weg bleibst, Saíji … Arceus ist mit dir“, flüsterte Lysander ihm ins Ohr, woraufhin ersterer ruckartig von ihm abließ. Der Bürgermeister hatte es geahnt!
    „Ich habe es dir bereits oft genug gesagt, Lysander, und ich verstehe auch keinen Spaß darüber. Ich bin nicht gläubig und werde es auch nie seien; damit hat es sich!“ Wut kam in dem baldigen Arenaleiter hoch, wodurch Lysander in diesem Moment einige strenge, böse Blicke erntete, dabei meinte es der alte Mann doch nur gut. Eine weitere Träne löste sich von seinen Augen und er duckte sich ein bisschen. Eigentlich wirkte der Bürgermeister immer sehr autoritär, doch der Anblick dieser Szene regte in Saíji plötzlich eine Menge an Gefühlen – Mitleid, Zuneigung und Hochachtung gegenüber seinem Meister.
    „Es … es tut mir Leid“, murmelte er und senkte den Kopf.
    „Du solltest jetzt besser gehen, Saíji.“ Lysander öffnete die Tür und deutete mit seiner Hand hinaus. Sein Schüler suchte noch ein letztes Mal einen Blick, doch der Bürgermeister sah nach unten und ignorierte ihn. Der junge Mann seufzte und trat hinaus.
    „Auf Wiedersehen“, sagte er noch knapp, kaum zu hören.
    „Saíji …“, rief ihn der Bürgermeister mit belegter Stimme noch einmal zurück, „ich habe Angst …“
    Verwundert sah sein Schüler ihn an. Möglicherweise lag auch etwas Spott in seinen Augen, doch blickte er vor allem fragend drein.
    „Vielleicht meidest du die Route 9 lieber. Glaube mir, es könnte besser für dich sein.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, geschweige denn eines abzuwarten, schloss er leise die Tür und seufzte.
    Lysander schlich zurück in sein Haus und setzte sich auf den Stuhl, auf dem Saíji vorher gesessen hatte. Er legte seinen Kopf in seine Arme; ob er geweint hatte, ob er erschöpft war, oder was auch immer; das blieb uns verwehrt. Eingebrannt in die Erinnerungen hatte sich jedoch das Bild eines gebrochenen alten Mannes.
    ‚Junge, ich wünsche es dir von ganzem Herzen … Finde zu Arceus!‘


    ~


    Eigentlich hatte Saíji viel Respekt vor seinem Lehrer, aber was er manchmal von sich gab, war echt seltsam … Nicht nur, dass er ihn mal wieder überreden wollte gläubig zu werden, so wollte er ihn jetzt wohl auch daran hindern, sein Item wieder zu finden. Was sollte das denn schon wieder? Ab und zu konnte der baldige Arenaleiter einfach nur den Kopf schütteln über ihn – er schluckte sowas dann herunter, seufzte und lebte sein Leben ganz normal weiter.
    Doch eigentlich … wenn er recht zurückdachte, hatte der Bürgermeister bisher immer recht behalten, egal worum es ging. (Das Beten hatte Saíji zwar nach wie vor nicht übernommen, aber sonst hatte er ausnahmslos immer auf Lysander gehört.) Und Lin hatte er damals ja auch behalten … Vielleicht war an der Warnung ja wirklich etwas dran. Vielleicht baute sich ja wirklich etwas auf? Was auch immer es sein mochte … Er blickte in den Himmel und bemerkte einige graue Wolken – eventuell würde ihm ein kleiner Schauer die Ehre erweisen. Trotzdem, Saíji war entschlossen der Route 9 wenigstens kurz einen Besuch abzustatten; jetzt konnte ihn auch kein Regen mehr aufhalten!


    Tatsächlich; es hatte begonnen zu regnen. Als Saíji das Übergangshäuschen zwischen Twindrake City betreten hatte, war seine Kleidung bereits von vielen Wassertropfen bedeckt; als er aus eben diesem wieder hinaustrat, erblickte er noch weitere graue, fast schwarze Wolken am Himmel. Offenbar musste die angekündigte Wärme noch etwas warten; den heutigen Tag hatten sich der Sturm … und die Kälte gesichert. Letzteres machte sich besonders bemerkbar, als er aus dem warmen Häuschen trat – die Luft draußen war kalt und der Wind wehte so stark und scharf über das Land, dass auch dieser dazu beitrug, dass Saíji sichtlich fror. Die Route 9 war eine standardgemäße Route Einalls. An den Seiten etwas hohes Gras, in dem einige Pokémonarten lebten, in der Mitte der Route ein sandiger, gekennzeichneter Weg, der den Trainer im Zweifelsfall in die richtige Richtung leitete.
    In etwa hundert Metern würde er rechts abbiegen, in Richtung Osten, um die kleine Empore zu erreichen, auf der er kürzlich mit Joker trainiert hatte. Dann würde er auch wieder an dem Ort vorbeigehen, an dem er und Lin sich zum ersten Mal getroffen hatte. Dort, wo die Route einen Knick nach Osten machte, begann im Norden und im Westen der Wald, doch stach ein riesiger Baum unter all diesen besonders vor. Es war an einem regnerischen Tag, als er Lin dort unter dem riesigen Baum gefunden hatte – nicht allzu weit entfernt von dem Wegweiser, der unwissende (oder unvorbereitete) Reisende sicher nach Twindrake City geleiten sollte. Dort würde Saíji kurz Halt machen, um … vielleicht einfach um etwas in Nostalgie zu schwelgen; er war sich nicht sicher. Vielleicht wollte er auch insgeheim gar nicht wegen des Items hierher, sondern wegen des Baumes und seines Symboles.


    Schweigend ging er auf den Baum zu; mittlerweile war er wirklich durchnässt. Aufgrund dessen, dass er die ganze Zeit so nachdenklich gewesen war, hatte er in den paar Minuten die er gelaufen war, gar nicht gemerkt, dass der Regen, welcher eigentlich für den Süden angekündigt wurde, stetig etwas stärker wurde. Wirklich interessieren tat ihn das jedoch trotzdem nicht; er stand direkt vor dem Baum. Der einzige Baum, der „außerhalb“ des Waldes, mitten in den niedrigen Sträuchern und Gräsern, stand.
    Seine starken, großen Wurzeln ragten bedrohlich aus dem Waldboden heraus, überzogen von Moos und besetzt von kleinen Käferpokémon, welche sich jedoch gar nicht um seine Anwesenheit scherten. Die Webarak spannten weitere ihre Netze, während Saíji demütig vor den Baum niederkniete. Er schloss die Augen, entspannte sich und verharrte für einen Moment in dieser Haltung. Er ließ einige Dinge in seinen Gedanken Revue passieren; wie zum Beispiels Lins Entwicklungen zu Sharfax und Maxax, den ersten Kampf gegen Lysander als sie noch ein Milza war, als er Lin seinen Eltern vorgestellt hatte … und seiner Schwester.
    Nach einigen Sekunden stand er auf und drehte sich um in Richtung Osten, wortlos durchquerte er die nasse Grasfläche, bis er den Sandweg fast wieder erreicht hatte, als ihm plötzlich ein Schauder über den Rücken lief. Leise prasselte der Regen auf seinen Körper und seine Umgebung ein; alles andere war wie ausgeblendet. Er hörte nichts anderes, außer den Regen. Der frische, nasse Geruch von Letzterem stieg in seine Nase, doch mit den Augen nahm er dennoch klar wahr, was ihn hatte stocken lassen. Nur aus den Augenwinkeln hatte er es gesehen; wäre auf dem Sandweg geblieben, wäre es ihm wohl gar nicht aufgefallen … Dort lag ein Mann im Gebüsch. Dort, wo die Sträucher ihr Ende fanden und ihn niedrigere Gräser übergingen, ragte der Oberkörper eines Mannes hervor; seine Beine und Füße lagen hinter einem Strauch. Sein Körper lag tief im Gras, sodass er schwer zu erkennen war und bei den schlechten Lichtverhältnissen und dem Regen praktisch nicht sichtbar war. Für einen Moment hielt Saíji die Luft an, schloss dann die Augen, wartete geduldig einen Moment und öffnete sie dann wieder. Nein, das war kein Traum; das war Realität.
    Eilig hechtete er auf den regungslosen Körper des Mannes zu, in der Hoffnung er komme nicht zu spät. In diesem Moment machten sich tausend und ein Gedanke in ihm breit. Wieso lag er dort? Wer hatte ihn dort hingelegt? Oder hatte er sich selbst niedergelassen? Was war passiert? Kaum einen klaren Gedanken konnte Saíji fassen, doch wurden seine Ströme aus Fragen jäh unterbrochen, als der baldige Arenaleiter unmittelbar vor dem Mann stand – das Shirt, das er trug, war zerfetzt und durch die Risse in Ersterem schimmerten blutrote Narben und Schnitte. Seine Haare waren nass vom Regen und zerzaust; seine Augen geschlossen. Er hatte einen ungepflegten Vollbart und einige Kratzer im Gesicht; am schlimmsten hatte es jedoch seine Arme und Hände erwischt. Während seine linke Hand im Grunde gänzlich von klaffenden Wunden überzogen war, war sein rechter Arm von einem tiefen, durchgehenden Schnitt geprägt. Der konnte doch nicht einfach davon kommen, dass jemand etwas durch den Wald gerannt war, oder? Da steckte doch mehr dahinter?
    Saíji bückte sich und fasste dem Mann langsam und vorsichtig an den Hals. Er fühlte nach der Pulsader, fand sie und atmete erleichtert auf, als er realisierte, dass das Herz des Mannes noch nicht den Geist aufgegeben hatte. Unrhythmisch und schwach schlug es zwar nur, aber immerhin lebte er noch. Der Mann hatte auch eine große Wunde an der Stirn, die er erst bei näherem Hinsehen entdeckt hatte. Sie war nicht allzu tief und ihre Ränder waren schon von Grind besetzt. Trotzdem floss noch etwas Blut heraus, es lief über seine Schläfe auf sein Ohr und tropfte von dort aus zäh und langsam auf den Boden. Saíji rüttelte sachte am Oberkörper des Mannes und flüsterte diesem dabei zusprechende Worte ins Ohr:
    „Sie schaffen das. Wachen sie auf. Hallo? Aufwachen!“
    Er regte sich nicht. Und wie der baldige Arenaleiter dem Mann so ins Gesicht sah, verschwamm auf einmal das reale Bild vor seinen Augen und wich einer Erscheinung seiner Gedanken.
    Saíji sah ein Mädchen. Blondes, langes Haar versteckte hinter ihren Schultern; beziehungsweise hinter dem Rücken, auf dem sie lag. Ihre Augen waren geschlossen, aus ihrem Gesicht war jegliche Farbe gewichen; sie sah ganz blass aus. Das dezent hell gehaltene rosa Kleid, das sie trug, war schlammverschmiert und ihre Arme und Beine waren mit Kratzern übersät. Ihr schien jegliche Energie zu fehlen; lauschte man ganz genau in die diabolisch bedrohende Stille herein, merkte man, dass sie nicht mehr atmete. Ihre Seele war dem Körper bereits entwichen, hatte dem irdischen Leben bereits die letzte Ehre erwiesen und war aufgebrochen in den Himmel. Dennoch war auf ihrer Wange eindeutig eine Träne zu erkennen.
    „Ai?“, hauchte Saíji atemlos. Das konnte nicht sein, was er dort sah. Das war nicht so. Nein. Ai war verschwunden, schon vor vielen Jahren; aber man hatte sie nie so gefunden. Niemand hatte sie gefunden. Nie. Sie war nicht tot, das wusste er. Nein. Es durfte nicht so sein; sie musste noch am Leben sein.
    Ein Stöhnen unterbrach seinen Gedankengang und rief ihn sofort in die Wirklichkeit zurück – natürlich hatte sein Verstand ihm einen Streich gespielt. Immer noch kniete er vor dem bewusstlosen Mann, den er eben entdeckt hatte. Panik stieg in Saíji hoch. Was sollte er nun machen? Eilig sah er sich rechts, links und hinter sich um, doch es war niemand da – die Route 9 war vollkommen ausgestorben; außerdem würden die beiden vor den meisten Blicken sowieso geschützt sein; der große Wegweiser verdeckte sie aus den meisten Blickwinkeln. Was sollte er nun machen?
    Während er so panisch nachdachte, bemerkte er gar nicht, was geschehen war. Der Mann hatte seine Augen geöffnet. Mit dem letzten bisschen Kraft, das wohl noch in ihm steckte, hielt er seine Augenlieder oben und griff mit einer Hand nach Saíjis Arm. Sein Griff war schwach und durch seine Haut spürte Saíji deutlich seine Knochen – er schien sehr abgemagert zu sein. Der baldige Arenaleiter fühlte, hörte und sah den Mann zwar, allerdings brauchte er noch ein paar Augenblicke, um zu realisieren, dass er aufgewacht war. Nach ein paar Sekunden machte sein Herz einen Satz, doch beruhigte er sich – oder zwang sich, ruhig zu bleiben, oder wenigstens Ruhe vorzuschieben. Seine Lippen versuchten wohl Wörter zu formen, doch es kamen keine Laute heraus; so schwach schien er schon zu sein. Der Mann brauchte noch ein paar Anläufe, bis er gestückelt einen Satz herausbekam, auf den Saíji nicht antworten konnte; auf keinen Fall. Es war kein typisches „Wer bist du?“, „Wo bin ich?“ oder „Was mache ich hier?“ Nein, für die Frage, die der Mann ihm stellte, wollte Saíji ihn eigentlich schon für verrückt erklären …
    „Wer bin ich?“


    - 4.759 Wörter

  • Achtung, Warnung! P16!
    In diesem Kapitel wird ein Mord (Schusswaffe, explizite Beschreibung des Todes + daraus resultierende Schäden), sowie ein Suizidversuch (expilzite Beschreibungen von Blut und ähnlichem und der Psyche und den Gedanken des Charakteres) beschrieben. Wer derartige Dinge nicht lesen kann/möchte, sollte sich lieber die Kapitelzusammenfassung im zweiten Starpost durchlesen! Diese werde ich nach dem Urlaub editieren. Allen anderen wünsche ich viel Spaß beim Lesen. :)


    Kapitel 3
    - Spiel mir das Lied vom Tod … -


    „… und unser Vater, Arceus; seine Söhne, Palkia und Dialga; und Giratina, der Heilige Geist … Amen. Lasst uns beten.“
    Die große Menge an Menschen, die sich brav und ordentlich in die geschätzten zwanzig Bankreihen rechts und links von dem großen Durchgang inmitten des riesigen Gebäudes geordnet hatte, stand wie mit einem Fingerschnipsen gemeinsam auf, legte den Kopf nach vorne und faltete die Hände. Und all das quasi synchron. Sie taten dies jeden Sonntag und für sie bestand darin bereits eine Routine, für ihn jedoch nicht. Er stand inmitten der Kirchengänger und fühlte sich leicht unwohl. Auch er war ein gläubiger Mensch, allerdings ging er selten in die Kirche, meistens weil er es nie schaffte – er hatte einfach zu viel Stress. Wie all seine Mitmenschen erhob er sich nun also auch, legte seinen Kopf ebenso nach vorne und faltete die Hände zum stillen Gebet.
    Heute war der Gottesdienst extra drei Stunden nach hinten verlegt worden, da eine besondere Feier stattgefunden hatte, welche für die Gemeinde deutlichen Vorrang hatte. Und da für diese Feier auch die Kirche und ihr Pfarrer von Nöten gewesen waren, war es nun schon ein Uhr mittags und nicht erst zehn Uhr morgens, wie sonst immer. Sonntags. In der Kirche.
    „Amen“, sprach der Pfarrer auf dem kleinen Podest an der Front der Bankreihen, neigte seinen Blick wieder nach vorne, ließ seine Hände wieder frei und blickte seine Gemeinde an. Er trug einen beigen Umhang, welcher seinen kompletten Körper bedeckte. Lediglich sein Kopf war frei von dem Umhang, wobei dieser jedoch ebenfalls bedeckt war, von einer kleinen Kopfbedeckung, ebenfalls in beigen Farbton. Er schien schon recht alt zu sein; er hatte einen längeren Bart, etwa zwei Zentimeter abstehend von seinem Kinn und nur noch wenige Haare, insofern dies unter der Kopfbedeckung sichtbar war. Sah man genau hin, erkannte man auch die eine oder andere Falte, welche sein Gesicht prägte.
    Die Gemeinde setzte sich nieder und nach ein paar Sekunden der fast schon melancholisch wirkenden Stille erfasste der Pfarrer erneut das Wort: „Wir hören nun ‚Singt dem König‘ im Gesangsbuch zu finden auf Seite 859.“ Einige weitere Augenblicke verstrichen, bis die großen, hohlen Röhren der Orgel begannen, ihre Aufgabe zu erfüllen – wie durch Magie wirkte all dies, doch eigentlich drückte nur ein Pianist auf ein paar Tasten … Die Töne, die gespielt wurden, waren dunkel, lang und wirkten verheißungsvoll. Ein Schauder lief dem Mann über den Rücken … Er kannte diese Musik! Nun gut, ‚kennen‘ war vielleicht zu viel des Guten, aber auf eine unheimliche, gar unheilvolle Art kam ihm diese Melodie bekannt vor …


    Als einer der letzten der Gemeinde verließ am Ende auch er die Kirche. Vom Tor aus führe eine große, breite Treppe etwa ein Dutzend Stufen hinab, bis man sich wieder auf normaler Höhe befand. Draußen war es heute sehr kalt und das, obwohl es eigentlich schon Ende Frühling war. Es lag ein Nebel über der Stadt und er runzelte nachdenklich die Stirn. Vielleicht ahnte er etwas? Aber was sollte da schon sein? Das war nur eine Stadt, so wie jede andere in Einall auch, und es gab nichts besonders hier …
    Er machte einen Schritt nach unten auf die nächste Stufe und mit diesem Wimpernschlag spürte er wie eine Kugel seine Schläfen durchbohrte, seinen Kopf im Grunde einfach durchquerte, und schließlich auf der anderen Seite wieder herausplatzte. Sie flog noch viele Meter, bis sie endlich den Rest ihrer Abschusskraft verloren hatte und kraftlos zu Boden fiel. Ohne einen Laut von sich zu geben, brach der Mann auf der Treppe zusammen, fiel kopfüber einige Stufen herab und landete schlussendlich mit dem Kopf zuerst auf dem asphaltierten Boden der Straße direkt vor der Kirche. Geschockt drehten sich die Menschen vor ihm um, die den Schuss gehört hatten, und mussten bedauerlicherweise jenes schreckliche Bild mit ansehen, welches sich ihnen in diesem Moment bot. Der Mann mit den grauen Haaren und dem langen Bart lag mit dem Kopf nach vorne auf der Straße. Er war zur Seite gedreht und seine Augen waren noch offen, aber jeder der Anwesenden ahnte es bereits … Eine riesige Blutlache hatte sich unter seinem Kopf gebildet, wozu die etwas kleinere, aber immer noch blutende Wunde an der Schläfe nur einen verhältnismäßig unwichtigen Teil beigetragen hatte. Er war frontal mit der Stirn auf den Asphalt gefallen … Einer der Menschen ging auf ihn zu, legte seine Hand vorsichtig an seinen Hals, darauf bedacht so wenig wie möglich anfassen zu müssen, schüttelte den Kopf, richtete sich wieder auf, sah in die Menge und schloss die Augen.
    „Er ist tot.“


    ~


    Was sollte Saíji denn jetzt tun? Was war das denn überhaupt für eine Frage? Hatte dieser Mann das ernst gemeint? Verzweifelt, gleichzeitig auch etwas fragend, sah er ihm ins Gesicht. Viel sah er dort nicht; der Mann wimmerte vor sich hin und hatte ein leicht wahnsinniges Zucken an den Augen, woher auch immer es kommen mochte.
    „Ich hole jetzt die Polizei und einen Krankenwagen und dann können die sie behan…“
    „Halt die Fresse!“, schrie der Mann. Seine rot unterlaufenen Augen schienen buchstäblich aus seinem Kopf zu quellen, vor Wut. Wo war denn sein Problem?
    „Aber sie werden sterben, wenn sie …“
    „Ich will sterben!“, flüsterte er leise.
    „Was?“, fragte Saíji, ebenso leise. Entsetzen lag in seiner belegten Stimme.
    „Ja verdammt, ich will sterben“, zischte er, „Und jetzt verschwinde hier!“, rief der Unbekannte plötzlich.
    Für einen Moment war völlige Stille. Nicht mal das zuvor kontinuierlich vorhanden gewesene Prasseln des Regens nahm Saíji war. Er ließ sich lediglich den Satz des Mannes, den er gefunden hatte, langsam, gar quälend, auf der Zunge zergehen. So wirklich glauben, was er gesagt hatte, wollte er aber nicht. Diese Meinung jedoch änderte sich schlagartig … Alles was passierte, geschah so unglaublich schnell, dass er überhaupt nichts wirklich mitkam, was darauf hinauslief, dass er am rechten Arm festgehalten wurde und ein Messer einen Hals streifte.
    „Ich sagte … verschwinde!“ Der Mann schien vollkommen wild zu sein! Wo nahm er die Waffe her? Saíjis Herz begann schneller zu schlagen, sein Atem ging unregelmäßig und jeder Muskel in seinem Körper spannte sich an. Als würde Adrenalin durch seinen Körper schießen, machte er einen Ablauf von Bewegungen, welcher das Ergebnis mit sich brachte, dass der Unbekannte wieder auf dem Rücken im Gras landete und der baldige Arenaleiter sich befreit hatte. Mit seiner linken Hand hatte er an das Messer gegriffen, seinen rechten Arm hatte er einfach umgedreht. Der Mann wirkte zwar gefährlich, doch in seinen Armen, und so wohl auch in seinem Körper, steckte kein bisschen Kraft – was auch immer er im Wald gemacht hatte und wie auch immer er sich diese Wunden zugezogen hatte, sie schienen noch frisch zu sein und ihn sehr zu schwächen.
    „Verdammter Bastard!“, schrie der Mann. Flüchtig warf Saíji einen Blick auf die Route, um zu sehen, ob dort jemand lief, der ihn vielleicht hören könnte, doch mit seiner Hoffnung lag er daneben – dort war weit und breit niemand.
    „Ich sagte verpiss dich!“, zischte er ihm zu. Auf einmal war er scheinbar noch um einiges aggressiver als zu vor und tatsächlich machte das Saíji etwas Angst. Ein identitätsloser Mann, der ein Messer bei sich trug und ihn damit bedroht hatte und ihn mit Beschimpfungen um sich warf? Das konnte doch nicht mit rechten Dingen zugehen … Und dann auch noch die Bilder von seiner Schwester. Was sollte das alles?
    Langsam trat der baldige Arenaleiter einige Schritte zurück, wobei er das Messer immer schön im Auge behielt, welches der Unbekannte nach wie vor in seine Richtung hielt. Irgendwann drehte er sich einfach um und rannte weg. Er stolperte, fiel hin, stand wieder auf, drehte sich um und rannte weiter. Dieser Kerl rannte ihm nicht hinter her, er saß einfach nur da, doch als Saíji sich ein letztes Mal umdrehte, als er den Sandweg endlich erreicht hatte, war der Mann bereits aus seinem Blickfeld verschwunden.
    ‚Er wird sich umbringen … Und ich bin daran Schuld‘, erlangte Saíji schweigend, aber geschockt, diese sehr tragische Erkenntnis, an der wohl auch leider nicht mehr zu rütteln war.
    Was sollte er denn jetzt machen?
    ‚Ich muss vergessen‘, fuhr es ihm durch den Kopf, ‚… Vergessen.‘
    Und so wie gewollt geschah es; Saíji vergaß.


    ~


    Nie hätte er gedacht, dass er sowas je tun würde. Schon immer war ihm der Gedanke fremd, aber heute würde daran kein Weg mehr vorbeiführen – es musste so geschehen. Und das würde es auch. Weder wusste er, wer er war, noch wo er war, geschweige denn wer dieser komische Kerl war, der ihn gefunden hatte. Ob er vielleicht doch die Polizei rufen würde? Dann musste der Mann sich etwas beeilen, sonst würde man ihn noch finden, bevor sein Werk vollendet war.
    Vielleicht war es gar nicht so sehr die ganze Situation an sich, dass er im Grunde seine Identität und sein Gedächtnis verloren hatte und es keine Aussicht auf Besserung für ihn gab. Der, der im Schlamm und Dickicht lag, nicht einmal genug Kraft, um sich richtig aufzurichten. Der, der überzogen von Wunden und tiefen Schnitten war. Der, der sterben wollte. Eher war es die Erscheinung, die er hatte, bevor er (ein zweites Mal) sein Bewusstsein verloren hatte. Diese zwei roten Augen …
    Jetzt war es aus. Nichts hatte er mehr zu verlieren und er würde auch nichts verlieren. Er würde in den Himmel kommen. Oder in die Hölle. Das Jüngste Gericht würde über ihn urteilen und ihn dann seinem gerechten Weg zuweisen, ob gut oder schlecht. Er wusste ja nicht mal, wie er gelebt hatte, also konnte er gar nicht beurteilen, ob er ein Himmels- oder ein Höllenkandidat war.
    Aber was ein Glück hatte er das Messer in einer seiner Tasche gefunden, das rettete ihm echt das Leben … Er schmunzelte verbittert. Nein, eigentlich beendete es dieses nur. Wie es sich wohl anfühlte, sich zu ritzen? Einen Schnitt zu setzten, tiefer zu schneiden und das eigene Blut bei vollem Verstand aus dem eigenen Körper fließen sehen, davon überzeugt nichts daran verhindern zu wollen? Wie es wohl war zu sterben?
    Langsam hob der Mann das Messer wieder vom schlammigen Untergrund auf und wischte die Schneide an seinem zerfetzten Oberteil ab. Er wollte sich doch nicht den Arm dreckig machen … Erneut lächelte er verbittert. Eine Gewisse Ironie besaß der Tod, das musste der Identitätslose definitiv zugeben.
    Qualvoll ruhig, ohne ein hastige Bewegung oder einen Drang zur Eile, legte er die scharfe Seite der Messerklinge bedeutend langsam an seinen Arm. Er hatte sie noch weit oberhalb der gewöhnlichen Stelle angesetzt und holte einmal tief Luft. Mit einem abrupten Ruck ritze er sich einen dünnen, nicht allzu tiefen Schnitt in den oberen Teil des Unterarms, völlig unnötiger Weise. Als wäre dem nicht genug gewesen arbeitete er sich nun mit dieser Strategie langsam in Richtung Pulsader vor – als wollte er sich quälen. Viel Blut quellte tatsächlich nicht aus den einzelnen, kleinen Wunden am Unterarm heraus, aber dennoch sah er bereits noch entstellter aus als vorher. Er hatte den Arm gewählt, wo eh schon viele Schnitte, aber nicht der ganz große, waren – warum auch immer.
    Nun war die Zeit aber gekommen. Er war nun an einer Stelle angekommen, wo man bereits deutlich die Adern sah … Jetzt war es soweit. Der Mann sah sich noch einmal seufzend auf dem Arm, bevor er die Klinge an diesen setzte. Daraufhin machte er kurzen Prozess.
    Direkt mit dem ersten Schnitt hatte der Unbekannte tief genug getroffen, er hatte die Pulsader angeritzt und augenblicklich quoll sein rotes Lebenselixier aus ihm heraus. Es dauerte nur wenige Sekunden bis sein ganzer Unterarm, sowie seine Hand, diesen dunkelroten Ton annahmen, dessen Farbe auch die Augen des Wesens hatten, welches er vor seiner Ohnmacht gesehen hatte. Er spürte einen starken Schmerz von der Sekunde an, in der er mit viel Überwindung die scharfe Klinge des Messers in seine Pulsader gestoßen hatte. Es war ein beißender Schmerz, welcher ihn wohl nicht mehr loslassen würde. Die Wunde brannte zwar noch, dies würde jedoch nachlassen. Die wirkliche Pein spürte der Mann viel tiefer in sich drinnen, als wäre er gar nicht real sondern nur eine Vorstellung seines Unterbewusstseins, um ihm selbst zu signalisieren, dass er sein Leben damit beenden konnte. Nein, können war definitiv das falsche Wort. Er würde sein Leben beenden. Sein heutiger Tod war bereits geschrieben und wartete lediglich darauf endlich abgesegnet zu werden. Bald schon würden ihn Engel oder Teufel abholen und in sein verdientes Jenseits tragen.
    Seine Sicht war bereits eingeschränkt, er nahm seine Umgebung nur noch verschwommen war und ebenso hatte man offenbar auch einen Schleier über seine Ohren gelegt, alles klang stumpf und weit entfernt. Das Prasseln des Regens nahm er nur noch sehr leise wahr, das Rascheln der Sträucher und Blattwerke im Wind wirkte für ihn nur noch wie ein leichtes Flüstern. Auch fühlte er kaum noch etwas, seine Hände schienen taub zu sein. Er dachte an nichts mehr, da waren nur noch der Schmerz und ein Licht. Ein grelles Licht am Ende dieses tristen, finsteren Lebens. Dieses Licht wollte er erreichen. Deswegen hatte er sich geritzt … Dieses Licht, es zog ihn zu sich hin. Ein leises, gedämpftes Summen begleitete ihn auf seinem Weg zu dieser Quelle von Helligkeit und gleichzeitig auch Schönheit. Der Mann meinte gespürt zu haben, wie seine Augenlieder zufielen, bemerkt hatte er das aber nicht vor lauter Dunkelheit. Es war sowieso alles dunkel. Bis auf das Ende dieses Tunnels eines schwarzen Lebens. Und so löste sich seine Seele aus seiner irdischen Hülle, machte sich auf den Weg neue Welten zu erkunden und …
    „Kasuo … Willst du dir das wirklich antun?“, fauchte plötzlich eine Stimme, dessen Ausmaß der Mann nicht einmal in seinen kühnsten Vorstellungen zu vernehmen mochte. Sie hatte einen anmutigen, aber dennoch rauen und fordernden Klang und noch dazu hörte man gleichzeitig Hass und Autorität heraus. Ja, diese Stimme tönte wahrlich legendär …
    „Wer ist da?“, stotterte Kasuo schwach. Er hatte kaum noch Kraft, die immer noch blutende Wunde an seiner Pulsader raubte ihm sekündlich ein bisschen seiner Energie. Seine Augen weiterhin geschlossen, seine Gliedmaßen nach wie vor ohne Gefühl und seine Ohren immer noch mit einem unsanften Druck versehen, hatte man ihn doch nochmal zurückgerufen. Das Licht musste warten.
    „Deine Rettung, Kasuo. Was machst du gerade? Warum tust du das? Du, als anmutiger, stattlicher Graf …“
    „Ich bin ein … Graf?“, krächzte die sterbende Gestalt kraftlos. Lag da ein Fünkchen Hoffnung in ihrer Stimme?
    „Kasuo, Graf von Alleos, Herrscher der Mondblume, verkünde die Geburt des schwarzen Vogels, beweise mir deine Treue, deine Loyalität und deine Ehre. Erweise mir deinen Dienst in allen Zeiten, Guten wie Schlechten.
    Kasuo, mein Freund, führe diese Welt in ein besseres Schicksal. Möge der Mond über dich wachen, möge die Nacht dich beschützen und mögest du für deinen erhabenen Meister kämpfen, auf dass Alleos, dein, sein, unser Reich sich über die gesamte Welt ausbreitet.
    Kasuo, loyaler Kämpfer, beweise in Kriegen und Schlachten deinen Mut, deinen Stolz und deine Macht. Verteidige, was du verteidigen sollst, bekämpfe, was du bekämpfen sollst und töte, was du töten sollst.
    Ich schenke dir dein Leben, Kasuo. So schenkest du mir daraufhin dasselbe. Herrscher der Mondblume, in pechschwarzem Abendkleid werde ich auf dich warten, wenn der Mond sein Licht auf Alleos wirft.
    Ich schenke dir dein Leben. Schenke du mir dasselbe.“
    Die Schmerzen wichen aus seinem Körper. Erst nur ein wenig, aber mit jedem Gedanken, den der Mann daran verschwendete, leben zu können, schwand immer mehr des Peines aus ihm. Seine Ohren waren nicht mehr unter jenem Druck, seine Hände fühlten wieder, was sich unter ihnen befand, und schließlich öffnete er seine Augen, um auch dieses Sinnesorgan wieder verwenden zu können.
    Der Regen schränkte seine Sicht ein, doch ließ sich auf keinen Fall abstreiten,n was er doch sah. Was ihm zuvor noch Todesangst eingejagt hatte, füllte seinen Körper nun mit Kraft. Dort, im tiefen Dickicht unter den Regentropfen und der Dunkelheit der einbrechenden Nacht, stachen zwei blutrote Augen aus den Sträuchern hervor. Abwägend schienen sie ihn zu mustern, doch anders als zuvor hielt er ihrem Blick stand. Als hätten sie ihn zuerst gefangen, um ihm etwas mitzuteilen, und würden ihn nun wieder entlassen.
    „Von nun an, tapferer Graf von Alleos, wirst du mein Freund sein, ein treuer Missionar. Dein Name wird nicht mehr Kasuo sein. Nein, dies war deine Wiedergeburt, und so heiße ich dich erneut in meiner Welt willkommen, Kayaso.“
    Er sah an sich hinab und was er sah, konnte er nicht glauben. Die Wunden hatten seinen Körper verlassen … Und selbst von dem tiefen Schnitt an der Pulsader war nichts mehr zu sehen. War das möglich? Fragend sah er wieder auf, in der Hoffnung dass dieses Augenpaar seinen Wissendurst stillen könnte … doch da war es bereits verschwunden.


    ~


    Heute war es soweit. Wie immer mehr in Eile als entspannt machte sich Saíji hektisch im Bad fertig. Viel gab es nicht zu tun, er war ja nicht Yuki, die immer perfekt aussehen musste … Dennoch, seine morgendlichen Minuten vor dem Spiegel hatte auch er. Haare kämmen und in die richtige Position bringen, Hände und Gesicht waschen und gegebenenfalls noch andere Geschäfte verrichten zählte nun mal zu seinem Tagesablauf. Schade, dass dieser Teil seines Tages immer so in Hektik geschah, dass er meistens nur die Hälfte von allem ordentlich zu Ende bringen konnte. So standen, wenn er aus dem Bad heraus hechtete, meistens noch einige Haare von seinem Kopf ab, wo sie definitiv glatt anliegen sollten, oder es hing ihm immer noch der Schlaf in den Augen … Aber niemand war perfekt, dachte er sich standardgemäß in solchen Situationen, ob der Absicht, sich nicht selbst klein zu machen und sich diesen Schönheitsfehler schön zu reden.
    Wie fast jeden Morgen sprang er förmlich aus dem Badezimmer in den Flur, gezielt auf seine Schuhe zu, in welche er blitzschnell einstieg – binden brauchte man diese nicht mehr. Noch einen kurzen Abstecher in die Küche, wo auf der Anrichte sein Rucksack lag, und es konnte losgehen. Heute jedoch würde er diesen nicht brauchen. Nachdem er seine Schuhe angezogen hatte, stand Saíji, ungewöhnlicher Weise ganz anders als sonst, ruhig und entspannt auf und lief langsam in die Küche. Dort griff er nach dem Pokéball von Lin, welcher auf der Anrichte platziert war. Er hatte sie gestern Abend aus der Scheune mitgenommen, um heute Morgen Zeit sparen zu können – das hingegen war wieder Alltag, wobei er seine Pokémon nicht immer mitnahm und erst recht nicht alle gleichzeitig.
    „Heute ist der große Tag, Lin“, flüsterte er, musterte den Pokéball eindringlich und umschloss ihn dann mit einem festeren Griff als zuvor mit seiner Hand. „Lange haben wir auf diesen Tag hingearbeitet, was?“ Für eine Sekunde machte es fast den Anschein, als wollte eine Träne sein Auge erlassen und sich auf die große Reise machen, doch selbst wenn dem so gewesen wäre – Saíji hätte sie rechtzeitig wieder einfangen können. Bloß keine Schwäche zeigen …


    Bis zur Arena war es kein weiter Weg, aber heute kam er dem Drachentrainer um einiges langwieriger als sonst vor. Jeder Schritt schien ihm Mühe zu machen, Sekunden vergingen wie Minuten, Minuten wie Stunden. War er wirklich so aufgeregt? So wichtig war dieser Tag nun auch wieder nicht … Saíji schmunzelte. Doch, natürlich war er das.
    Er atmete leicht auf, als er etwa fünfzig Meter vor dem großen Eingangstor in die legendäre Arena von Twindrake City seinen Lehrmeister Lysander erblickte. Dieser hatte die Arme verschränkt und lief fast etwas nervös kontinuierlich einige Meter auf und ab, wahrscheinlich zur Ablenkung. Ein paar Schritte bevor Saíji ihn richtig erreicht hatte grüßte er den alten Mann bereits freundlich, welcher seinen Kopf sofort aufmerksam aufrichtete und den jungen Trainer erblickte. Ein Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit und er umarmte den Jungen glücklich.
    „Saíji, ich bin stolz auf dich. Ich bin stolz, dass du hier bist, um mein Nachfolger zu werden. Komm, lass uns in meine … nein, deine Arena gehen. Die Zeremonie wird bald anfangen“, sprach er mit kräftigerer Stimme als sonst, „Wir wollen doch nicht, dass sich der baldige Arenaleiter der Twindrake City Arena verspätet, oder? Lilia ist auch schon da, sie hat mir vorhin gesagt, sie möchte nach der Veranstaltung noch mit dir unter fünf Augen reden.“
    „Ach wirklich?“, fragte Saíji rhetorisch und zuckte dabei mit den Schultern. Er lief an Lysander vorbei und winkte ihn mit der Hand hinter sich her, als Aufforderung er solle ihm folgen. Doch der Bürgermeister blieb stehen. Als der junge Trainer dies bemerkt hatte, tat er es ihm gleich und drehte sich um.
    „Ist etwas?“, fragte er, leichte Besorgnis lag in seiner Stimme.
    „Lass uns nicht wieder über sowas streiten, Saíji. Egal was es ist, auch in Sachen Religion, sollte gelten ‚Jedem das Seine‘ und auch für dich gilt das. Es tut mir aufrichtig leid, mein Junge, bitte verzeih mir …“ Nun klang der alte Mann schon gar nicht mehr so stark und selbstbewusst wie zuvor, fast schon etwas eingeschüchtert und gedemütigt. Seine Stimme war gedämpft und er hatte nur sehr leise gesprochen, beinahe hätte Saíji ihn nicht verstanden.
    Letzterer schloss die Augen und nickte dann. „Du hast Recht“, murmelte er, „aber jetzt lass uns gehen.“ Und erneut kehrte Saíji seinem Lehrmeister den Rücken zu und lief in Richtung Arena. Dieser sah seinem Schüler noch einige Sekunden nach, bis auch er sich in Bewegung setzte, die Arme weiterhin verschränkt. Es tönte, als würde er etwas vor sich her murmeln, doch der junge Drachentrainer nahm diese Geräusche gar nicht wahr.


    Die großen Tore der Arena standen bereits offen und in dem breiten Korridor waren zu beiden Seiten Stuhlreihen aufgebaut. Am Ende dieses Korridors, wo man normalerweise auf den Arenawächter traf und das Rätsel bestehend aus zwei sich bewegenden Drachenkörpern, auf denen man den Weg zum Arenaleiter finden musste, stand ein großes Pult, vor dem ein Mikrophon aufgebaut war. Rechts und links davon, wo eigentlich zwei Staturen (eine von Reshiram, eine von Zekrom) standen, waren zwei große Lautsprecher platziert, welche den Ton vom Mikrophon wiedergeben sollten. Neben dem Pult stand ein Mann. Dieser trug einen beigen Umhang, welcher seinen kompletten Körper bedeckte. Lediglich sein Kopf war frei, welcher jedoch ebenfalls bedeckt war, von einer kleinen Kopfbedeckung, ebenfalls in beigen Farbton.
    „Ich wusste gar nicht, dass ich einen Pfarrer brauche um Arenaleiter zu werden“, hauchte Saíji Lysander ins Ohr, während die beiden den Durchgang zwischen den Stuhlreihen passierten, wobei sie von den meisten anwesend interessiert beobachtet wurden. Zwar wohnten die beiden in der Stadt, doch war es trotzdem nicht alltäglich, dass der Bürgermeister und ehemalige Arenaleiter und der neue Arenaleiter, und noch dazu zweitjüngste der ganzen Region, gemeinsam in der Öffentlichkeit auftraten. Das stimmte auch, denn, wenn sich Lysander und Saíji trafen, dann bei Ersterem zu Hause oder außerhalb von Twindrake City, sodass man die beiden selten zu Gesicht bekam.
    „Ich bitte dich, Saíji …“, war die knappe Antwort, die der Bürgermeister zurückflüsterte, nachdem er offenbar einige Sekunden nachgedacht hatte, was er dem Jungen darauf nun antworten sollte, während er dabei mit den Augen rollte.


    „Es war eine wundervolle Zeit als Arenaleiter dieser Stadt. Viele Kämpfe habe ich gewonnen, aber ich sah auch ein, wenn ich verloren hatte. Als Leiter einer Arena kämpft man nicht verbissen um den Sieg. Man kämpft, um das Potenzial seines Gegners zu erforschen. Ist dieses nicht stark genug, so besiegt man ihn, hat er jedoch ein sehr hohes Potenzial, so lässt man ihn gewähren. An irgendeiner Stelle in einem Kampf muss man als Arenaleiter feststellen, dass der Herausforderer den Orden verdient hat – und man soll nicht verbissen weiterkämpfen, am Ende noch über Leichen gehen, nur um zu gewinnen.
    Ich habe viele Trainer niedergeschlagen wieder gehen sehen müssen, aber viele haben es auch geschafft, mich zu bezwingen – oder genauer formuliert, mich von ihrem Potenzial zu überzeugen. Ich glaube mit Stolz sagen zu können, dass ich dieser Arena gute Dienste geleistet habe und sie nun verdient in die Hände eines Jungspunds wie Saíji geben kann, welcher mehr als nur würdig ist.
    Ich danke für die Tage, die ich als Arenaleiter von Twindrake City verbringen durfte und gebe Saíji meinen Segen.“
    Nach einigen Sekunden des stillen Besiegeln des Segens begangen die Anwesenden zu klatschen. Besonders überzeugt von Lysanders kleiner Rede schien wohl Lilia zu sein, Einalls Champ. Sie klatschte sich regelrecht die Handflächen wund. Neben ihr, sowohl rechts als auch links, saßen verteilt die sieben anderen Arenaleiter der Einallregion, sowie die Top-Vier-Mitglieder. So prominente Gäste, und das alles nur wegen Saíji – ein Wenig schmeichelte ihn das tatsächlich.
    „Und nun wollen wir dich, Saíji, offiziell zum Arenaleiter von Twindrake City machen“, begann Lysander erneut zu reden, als wieder etwas Ruhe in die Halle eingekehrt war, „Bist du bereit dich jeder Herausforderung von Trainern zu stellen, denen es gelang, die anderen sieben Orden von Einall zu erkämpfen?“
    „Ja, das werde ich tun“, antwortete Saíji nun knapp, in seiner Stimme waren keinerlei Emotionen zu finden, ebenso wie bei Lysander auch.
    „Bist du bereit jedem Trainer, welchem es gelingt, dich in einem fairen Kampf zu schlagen, den Arenaorden auszuhändigen und selbigen mit vollem Einsatz ehrenvoll zu verteidigen?“
    „Ich werde es niemandem leicht machen, aber den wahren Siegern ihren Gewinn anerkennen.“
    „Bist du bereit Bitten und Aufforderungen der Top-Vier-Mitglieder nach Möglichkeit zu befolgen?“
    „Ja, das bin ich.“
    Nun trat der Pfarrer an das Pult. Nahtlos, ohne auch nur kurz abzuwarten, schloss dieser an die Fragen des Bürgermeisters an. Doch die Frage, die er stellte, ließ Saíji regelrecht zu Eis gefrieren. Als würde sein Herz für einen Bruchteil einer Sekunde stehen bleiben, als würde sein Atmen kurz aussetzen.
    „So lege nun den Schwur ab, rein gewesen zu sein, rein zu sein und immer rein zu bleiben. Dein Gewissen soll dich nicht quälen und für jede Sünde sollst du dich entschuldiget haben. Wenn all dies stimmt, so schwöre nun auf den Vater, seine Söhne und den heiligen Geist.“ Der Pfarrer musterte den baldigen Arenaleiter eindringlich. Neben ihm stand Lysander, welcher ihn erwartungsvoll ansah. Nach ein paar Sekunden jedoch wandelte sich dieser Blick erst zu einem fragenden und dann zu einem leicht wütenden. Währenddessen stand Saíji neben dem Pult, nach wie vor wie eingefroren und gefangen in einer Zeitschleife. Sein Herzschlag schien zurückgekehrt zu sein, doch pochte er nun mehr als nur normal, er tönte tief, aber dennoch keinesfalls melodisch, sondern unregelmäßig und durcheinander. Ein reines Gewissen? Eigentlich war doch alles gut, warum hatte er solche Angst. Wie Lysander es ihm schon vor Wochen aufgetragen hatte, war er vor ein paar Tagen in die Kirche gegangen und hatte all seine (kleinen) Sünden gebeichtet, sein Gewissen könnte nicht reiner sein. Aber da war doch noch etwas … Dieser Mann, er hatte …
    „Saíji“, zischte Lysander plötzlich scharf, „Was ist mit dir los?“
    Antworten konnte der junge Trainer seinem Meister aber auch nicht wirklich, und so beließ er es einfach dabei weiterhin zu schweigen. Ob jetzt erst Sekunden oder schon Minuten, wie viele auch immer, vergangen waren, vermochte er nicht mehr zu sagen. Er konnte einfach nicht schwören … In seinem Kopf machte sich ein hässlicher Druck breit, als wäre er echt. Natürlich wusste er, dass das völliger Quatsch und nur eine Einbildung seines Unterbewusstseins war, aber … Dieser Druck, diese Schmerzen. Dieses Surren in seinen Ohren, welches ihn sogar den auf ihn einredenden Lysander und die langsam verwundert murmelnde Menge ausblenden ließ. Er wusste nicht, wo er hinsehen sollte. Zu Lysander? Das konnte er nicht. In die Menge? Nein, auch das war ihm nicht möglich. In den Himmel? Zu Arceus beten? Er schloss einfach die Augen, vielleicht war das die beste Lösung, auch um seine Ohren, seinen Kopf und sein Unterbewusstsein zu beruhigen. Er versuchte abzuschalten, mit den Gedanken an einen besseren Ort zu kommen, oder einfach gar nichts zu denken. Mehrere Male holt er tief Luft und meinte tatsächlich zu fühlen, wie die Pein langsam weniger wurde. Doch mit dem Öffnen seiner Augen kehrten auch augenblicklich der Druck, die Schmerzen und das Brummen in seinen Ohren zurück. Er fühlte sich, als würde er von Sekunde zu Sekunde immer mehr von etwas Undefinierbarem eingeengt werden, bis ihm nicht einmal mehr Luft zum Atmen bleiben würde. Und mit diesem Gedanken begann auch seine Atemnot. Er schnappte wie verrückt unregelmäßig nach Luft, während er förmlich spürte wie seine Sinnesorgane nach einem langen Kampf gegen sein Unterbewusstsein langsam aufgeben mussten und sich abschalteten. Musste er jetzt sterben? Nein, natürlich war das alles nur Illusion, alles, was hier geschah, war doch nicht real … oder doch? Waren die Schmerzen und der Druck tatsächlich doch vorhanden? Wie viel Zeit war nun schon seit dem Stellen der Frage vergangen? Wie reagierten Lysander, der Pfarrer und die Gäste? Er hatte nicht den blassesten Schimmer, er nahm einfach gar nichts mehr wahr.
    Ein Rauschen begann in seinem Kopf aufzuleben und wurde von Sekunde zu Sekunde stärker. Bald schon mischte sich ein hoher, pfeifender Ton zu dem bereits vorhandenen Geräusch und spielte das Spiel des stetigen Steigens, was Lautstärke und Druck anbelangte, mit. Die Geräuschkulisse dieser beiden, wahrscheinlich nur eingebildeten Tonquellen wurde höher und höher und Saíji ertrug es nicht mehr. Immer noch stand er wie angewurzelt auf der selben Stelle – glaubte er zumindest, er konnte sich nicht daran erinnern sich bewegt zu haben, andererseits fühlte er im jetzigen Moment eh nichts … – wie zuvor. Zu dem bedrohlichen Rauschen und Pfeifen gesellte sich nun noch eine dritte Sequenz. Erst nahm er sie kaum war, doch auch sie wuchs stetig was ihre Lautstärke betraf. Es war ein Flüstern, vielleicht sogar nur ein Hauchen. Die Stimme hat etwas Kolossales, Anmutiges, aber gleichzeitig Eiskaltes an sich. Was sagte sie? War das eventuell ein Hinweis darauf, wie er diesen Wahnsinn beenden konnte?
    ‚Schwöre es. Na los, schwöre es. Dein Gewissen ist rein, Saíji, vergiss, was geschehen ist, und schwöre.‘
    Und als der junge Trainer endlich verstanden hatte, was die schaurige Stimme ihm mitteilen wollte, und sein Kopf dies auch registriert hatte, nahmen das Flüstern, das Rauschen und das Pfeifen augenblicklich ab und waren nach wenigen Sekunden ausgeklungen und auch der Druck ließ nach.
    Die Menge verstummte und atmete mit dem Ende dieses Satzes erleichtert auf und auch die Spannung vorne am Pult, vom Pfarrer, vor allem jedoch von Lysander, ausgehend, sank sofort. Wie von Zauberhand formten Saíjis Lippen die wohl unehrlichste Bestätigung auf eine Aussage die ihn betraft, die er je von sich gegeben hatte: „Ja, ich schwöre auf unseren Vater, Arceus; seine Söhne, Palkia und Dialga; und Giratina, den Heiligen Geist.“