Licht im Dunkel - Buxis Kurzgeschichten und Gedichte

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  • GedichtBuxi
    Buxi hasst die Abschaffung von Tabmenus


    Einsam


    Schwarze Leere trieft hinab
    in die Nacht
    meiner Brust
    Gellende Schreie und
    lautlose Stille fragen
    wo
    ist die Wärme
    so schmerzlich vermisst
    Sand rieselt an den Glaswänden durchs
    Nadelöhr
    Ein Korn
    ums andere
    Und Lichter der Hoffnung sind
    stets nur Irrlichter die
    von der Nacht
    meiner Brust
    in schwarze Leere schweben und
    verpuffen


    Buxi hasst die Abschaffung von Tabmenus

    Gestern, 03:00.


    [background=#993300]Buxi hasst die Abschaffung von Tabmenus

  • Hey @Jason!


    Ich habe das historisch inspirierte "Unser Leben gleicht der Reise eines Wanderers durch die Nacht" gesehen bzw. wiederentdeckt und möchte dir ein wenig Feedback dalassen :3



    Ich habe diese Geschichte unheimlich genossen. Deine Beschreibungen und dein Storytelling sind exquisit, sodass man wunderbar ins Geschehen eintauchen und sich von deinen Worten führen lassen kann. Das Ende ist zwar verdammt tragisch, aber das tut der Güte der Erzählung keinen Abbruch. Wirklich hervorragende Arbeit, mein Lieber, auch damals schon!


    Ich hoffe, du wirst uns weiter mit schönen Werken erfreuen!


    ~ Deine Sheo

  • Hey Buxi!
    Wir erinnern uns? Ich hatte diesen Kommentar angekündigt. Eigentlich mehrfach, also sollte er langsam auch mal kommen. Und ich bin gerade in der Stimmung, zu kommentieren. Die muss man ja ausnutzen!


    Am himmelhohen Zelt die Sterne strahlen
    Frag mich nicht warum (das mache ich schon genug), aber ich hatte den Titel irgendwie immer mit "prangen" im Kopf. Keine Ahnung, vielleicht, weil das altertümlicher klingt, so wie "Der Mond ist aufgegangen, die gold'nen Sternlein prangen" oder so. Ansonsten lässt sich zu diesem Titel gar nicht viel mehr sagen. Er ist halt die erste Zeile deines Gedichts, was nicht unbedingt kreativ ist, aber dennoch zu deinem Gedicht passt (und zu denen, an die es mich erinnert, vgl. Der Mond ist aufgegangen ;3).


    Am himmelhohen Zelt die Sterne strahlen,
    Ihr Lichtschein küsst der dunklen Erde Hand.
    Im weissen Schimmer goldne Ähren prahlen
    Mit göttergleich behangnem Blütenstand.

    Also wir haben in dieser ersten Strophe zwei Teile. Der erste Teil bezieht sich auf die Nacht. Diese erwähnst du zwar konkret mit keinem Wort, aber alles, was dort steht, ist eine Beschreibung dieser. Die Sterne strahlen, die Erde ist dunkel. Wann ist das der Fall, wenn nicht nachts? Wohl gemerkt allerdings ist der zweite Vers. Wir haben hier eine Personifikation und dann auch noch "Ein Teil des Ganzen" (es gab dazu einen Fachausdruck, der mir nicht mehr einfällt, aber irgendwann hatte ich das in der Schule). Die Erde wird als Person dargestellt das der Lichtschein (welcher eigentlich auch nicht küssen kann, also haben wir hier eigentlich sogar zwei Personifikationen) küsst nur die Hand. Das ist irgendwie interessant. Schön ist auch, dass die Artikel wunderbar passen: der Lichtschein küsst die Erde. Bei einem Handkuss ist es ja so, dass die Frau ihre Hand dem Mann entgegen hält. Zumindest haben mich das Filme so gelehrt (und schon falle ich in eine gehobenere Sprache). Auf jeden Fall stelle ich mir jetzt eher Berge vor, die der Lichtschein küsst. Das passt nicht ganz zu den Feldern, die im zweiten Teil der Strophe erwähnt werden, vielleicht aber zu den Wäldern aus der nächsten. Denn die (wie wir gleich feststellen werden) voll belaubten Bäume lassen das Licht vermutlich nicht ganz zur Erde, weshalb sie an vielen Stellen eben nicht vom Lichtschein geküsst wird.
    Kommen wir nun zum zweiten Teil der Strophe. Auch hier erfahren wir etwas, was nicht erwähnt wird. Es ist Sommer, denn die Ähren sind voll behangen. "Blüten" könnte natürlich auch Richtung Frühling deuten, aber ich denke, zu der Zeit sind sie noch nicht so voll, sondern beginnen gerade erst, auszuwachsen. Ich weiß allerdnigs recht wenig von Landwirtschaft, also sind das hier eher Spekulationen. (Übrigens bei "göttergleich behangenem Blütenstand" muss ich spontan an Weinreben denken, weil griechische Götter so gerne Wein trinken.) Also meine Theorie ist, dass dieser Teil aussagen soll, dass es Sommer ist. Außerdem interessant zu erwähnen finde ich, dass "weißer Schimmer" (ss ist wie immer schade) für mich eher den Mond repräsentiert, welcher bisher noch nicht genannt wurde. Natürlich können auch Sterne einen weißen Schimmer haben, aber ich kenne sie irgendwie eher als gold. Das auch nur nebenbei.
    Also im Grunde ist diese Strophe eine gewöhnliche Einleitung. Wir erfahren, in etwa wo und vor allem wann wir uns befinden. Dennoch ist sie auf den ersten Blick mitnichten als solche zu erkennen, sondern scheint eher wie eine überaus poetische Beschreibung. Den Inhalt nimmt man dabei eher unterbewusst wahr, was ich definitiv positiv anrechnen möchte.


    Ein süsser Wind erfrischt des Waldes Leben,
    Rauscht er so leis‘ durchs dichte Blätterdach.
    Ein Vöglein klein will seine Stimm‘ erheben,
    Es klingt gar leicht die Melodie am Bach.

    Ein "süßer" Wind. Ob er den Duft der Ähren mitgenommen hat? Irgendwoher muss er ja kommen, denn Wind ist von sich aus ja nicht süß. Mal wieder haben wir in dieser Strophe zwei Teile. Dem ersten entnehme ich zum einen eine Untermauerung der These, dass Sommer ist. Im Winter ist der Wind nicht süß, nur im Frühling und im Sommer. Auch das Leben im Wald kommt frühestens im Frühling, allerdings (wie schon angemerkt) haben wir hier ein "dichtes Blätterdach", was im Frühling noch nicht so weit ist. Zum anderen reihst du dich mit diesen Versen erneut an alte Vorgänger an. Ist dir mal aufgefallen, wie oft in solchen Gedichten ein Wald direkt neben dem Feld zu finden ist? Wirklich sehr oft. Hauptsächlich hat das den Grund, dass sich "Felder" auf "Wälder" reimt. Das "Problem" hast du nicht, du hast diese beiden Umgebungen ganz unabhängig von deiner Reimkultur nebeneinander gestellt. War das Absicht oder ist dir gar nicht in den Sinn gekommen, dass du damit quasi nebenbei ein Klischee erfüllst? Das darfst du nicht falsch verstehen, ich finde es nicht schlecht, es ist einfach nur schon auffallend oft.
    Der zweite Teil ist dann der obligatorische Vogel, der die schönsten Lieder singt. Eine junge Nachtigall nehme ich an? Noch mal, ich habe kein Problem mit solchen Klischees, ich finde es eher beeidruckend, dass man noch immer so schöne Gedichte daraus fertigen kann. Und natürlich ist der Bach auch noch da. Ich komme mir etwas blöd vor, hauptsächlich Dinge aufzuzeigen, die man schon in so vielen Gedichten lesen konnte, aber das war nun mal mit ein Grund, warum ich dieses Gedicht für den letztjährigen Award nominiert habe. Anders als man es erwarten würde, ist allerdings die Tatsache, dass die Melodie "leicht" klingt. Ich hätte eher mit "süß" gerechnet, aber das hatte ja nun schon der Wind. Stattdessen klingt eine leichte Melodie an dem Bach, der Wald und Feld voneinander trennt. Zumindest trennt er sie in dem Bild in meinem Kopf. Und im Hintergrund sieht man die Berge, welche zum Himmel streben - nein, halt, das war ein anderes Gedicht. Aber ich sehe trotzdem einen Berg im Hintergrund. Und das Bild ist irgendwie eine Mischung aus "Mondnacht", "La Luna Luna" und der ersten Strophe "Bunt sind schon die Wälder". (Zweiteres musst du nicht kennen, das Lied kenne ich aus dem Chor und es ist wunderschön, nur leider nicht im Internet zu finden.) Ich frag mich nur gerade, ob ich einfach immer das gleiche Feld vor mir sehe, denn wenn ich so darüber nachdenke, sieht das bei "Hier bin ich" in meinem Kopf auch so aus ... Aber um zurückzukommen, ist das der gleiche Bach, an dem auch die nicht weinende Trauerweide steht?
    Du bleibst bei den Beschreibungen und malst weiter an deinem wunderschönen Bild (falls du das irgendwie noch nicht mitbekommen haben solltest, ich liebe es, wenn jemand mit Wörtern malt), aber hier passiert auch tatsächlich etwas. Der Wind weht wirklich und der Vogel singt selbstständig; während in der ersten Strophe noch alles eher starr war und Aktion nur die Personifikationen enstand, ist das hier nicht mehr notwendig.


    Wie möcht‘ mein Herz an dieser Schönheit laben,
    Geschwind zum fernen Sternenreich empor.
    So müsst‘ ich doch der Engel Schwingen haben,
    Ach, versagt bleibt mir das Himmelstor.

    Zu guter Letzt, bzw. im ersten Teil der letzten Strophe haben wir nun den Wechsel vom unbeteiligten Erzähler hin zum Individuum, das sich nach alldem sehnt. Das wiederum erinnert mich (neben Mondnacht, an das mich aber das ganze Gedicht durchgängig erinnert) an die letzte Strophe von "Geh aus mein Herz". Wie man am Titel unschwer erkennt, beginnt dieses Gedicht/Lied gleich damit, den Erzähler "einzuspannen", aber dann geht er doch in die Beschreibungen der lieben Sommerszeit über, um dann in der letzten Strophe plötzlich voller Tatendrang einzustimmen. Ich habe gerade erstmal "laben" nachgeschlagen, da es doch relativ selten verwendet wird. Ich hatte nämlich das Gefühl, dass es ein reflexives Verb. Der Online-Duden half mir dabei nur bedingt weiter. Ich weiß nun zwar, dass man sich auch mit Getränken oder der schönen Aussicht laben kann und dabei kein "sich" benötigt, wenn ich es aber richtig interpretiere, benötigt man das Reflexivpronomen, wenn man sich an etwas labt. (Gleichzeitig kann man sich auch mit etwas laben, aber das ist an dieser Stelle irrelevant.) Das bedeutete also, dass mich mein Gefühl nicht trüge und im ersten Vers ein "sich" fehlt. Oder man macht "Wie möcht' mein Herze dieser Schönheit laben". Nein, dann ist die Schönheit diejenige, die das Herz genießt. Oder? Und "Wie möcht mein Herz mit dieser Schönheit laben"? Nein, dann müsste man fragen, wem es laben will. Oder? Mann, ist dieses Wort kompliziert. Also wenn da noch irgendwie ein "sich" reinpassen würde, könnte es alle Probleme lösen. Blöd nur, dass dafür kein Platz ist. Allerdings ist das (abgesehen vion den fehlenden ß) die einzige Stelle im gesamten Gedicht, an der ich irgendwas auszusetzen habe, also passt das schon.
    Um zurück zum Inhalt zu kommen nun ein neuer Absatz. Also verstehe ich das richtig, dass das Herz sich zum Sternenreich empor laben möchte? Nein, Blödsinn, dass sind zwei Teile und der zweite bezieht sich nur auf das "möcht'". Mein Fehler. Also es möchte sowohl laben, als auch zum Sternenreich empor. Okay. Interessant finde ich hierbei, dass du "Sternenreich" nicht "Himmelszelt" sagst. Das ist im ersten Moment ungewohnt, aber dann doch sehr logisch, nachdem du so im ersten Vers (und eigentlich ja schon im Titel) die Sterne eingeführt hast. Man könnte diese beiden Worte also aktuell auch synnonym verwenden. Jetzt stellt sich nur die Frage, warum der Erzähler dorthin möchte. Vielleicht ja, weil man von dort oben einen besseren Blick hat. Vielleicht auch weil man dort eher die Freiheit spürt. Das ist dieses Flügel-Ausspannen, was ja von Eichendorff in seinem Gedicht macht (entschuldige, aber die Ähnlichkeiten sind schon überwältigend). Allerdings funktioniert es bei dir nicht. Der Erzähler hat keine Engelsschwingen. Noch nicht einmal metaphorisch. Hierbei ist schon wieder dieser Punkt, an dem du ein anderes Wort nutzt, als man (oder ich) erwarten würde. "Schwingen", nicht "Flügel". "Schwingen" klingt irgendwie stärker, kräftiger, mächtiger. Mit Schwingen braucht man weniger Aufwand, um mehr Kraft zu erzeugen. Dartiri hat Flügel, Fiaro hat Schwingen. (Keine Ahnung, wie ich gerade auf dieses Beispiel komme, aber ich finde, es passt ganz gut.) Die Engel stellen dadurch eher weniger die sanften, sondern sehr starke Kreaturen dar. Und nur ihre Schwingen tragen einen zum Himmeltor. Ich frage mich an dieser Stelle, ob die Zeichensetzung so ist, weil sie in den anderen Strophen bereits genauso war, oder ob sie noch etwas Bestimmtes aussagen soll, denn auf mich wirkt ein Komma vor dem letzten Vers fast ein wenig zu schwach. Aber gut, zurück zum Himmeltor. Das lässt mich spontan an den Tod denken. Ich bezweifle allerdings stark, dass der Erzähler tot ist oder gerade im Sterben liegt. Dennoch könnte ich in diese Richtung weiterdenken und die letzte Strophe so interpretieren, dass ihm das Paradies verwehrt bleibt. Aber reicht ihm die Schönheit nicht, die er in den letzten zwei Strophen beschrieben hat? Warum möchte er noch mehr? Ich mag Flugmetaphern sehr gerne, nur wenn man genauer darüber nachdenkt, verstehe ich sie an dieser Stelle nicht. Okay, ich verstehe das Gefühl, sich in die Luft schwingen zu wollen. Sowohl die "Mondnacht-Variannte" als auch nur, um die Schönheit in ihrer Gesamtheit zu erfassen, aber hier scheint es um mehr zu gehen, was ich nicht mehr begreife. Vielleicht ist es nur das "-tor", was mich so verwirrt, denn ich verstehe die Resignation darüber, nicht der Engel Schwingen zu haben. Es klingt einfach so, als wollte er noch weiter, noch wo anders hin und das verstehe ich eben weniger. Na super, jetzt finde ich im letzten Vers doch noch etwas an diesem tollen Gedicht zu kritisieren ... Vielleicht hätte ich mir weniger Gedanken machen sollen. Langsam fange ich nämlich an, es zu zerdenken, also sollte ich jetzt wohl mal aufhören.


    Also, lass dich nicht vom Ende täuschen, ich finde dieses Gedicht unglaublich schön (vielleicht sollte ich nochmal überdenken, ob ich die literarische Romantik nicht doch lieber mag als ich dachte) und stehe auch immer noch hinter meiner Nominierung vom letzten Jahr. Ganz besonders deine Beschreibungen sind einfach wunderschön, da kann man gar nicht mehr zu sagen.
    Okay, das war's auch schon wieder von mir. Ach, ich wollte noch sagen, wie ich das Gedicht kommentiere: Ganz normal. Das dauert dann auch etwa doppelt so lang, als wenn ich mich an einem kurzen Kommentar versuche, aber gibt mir dennoch ein gutes Gefühl. Und es macht Spaß, Gedichte so zu kommentieren, ich gehe gerne auf Kleinigkeiten ein. Es war definitiv die richtige Entscheidung, heute herzukommen! Bis zum nächsten Mal!
    ~ShiraSeelentau


  • GedichtBuxi

    Buxi hasst die Abschaffung von Tabmenus


    Hoch hinaus


    Es singen helle Sommerwellen
    Hinfort! Ins Weite, aus dem Haus!
    Die alten Kirchenglocken schellen
    Sie zerren meine Seel' hinaus.


    Auf Wanderschafte will ich ziehen
    Kein Mutterbitten hält zurück;
    Es soll vor mir der Morgen blühen
    Ein rosenrotes Himmelsglück.


    Die Sinne lass' ich frei entschweben
    Ich kreuze Feld und Waldesland;
    Weit weg das alte Spiesserleben
    ich treibe in des Herren Hand.


    Hinauf, hinauf! Die Berge rufen
    Die Freiheit süss ins Ohr mir singt;
    Erklimme schroffe Felsenstufen
    Das Alphorn in der Fern' erklingt.


    Doch plötzlich will die Angst mich packen
    Am Rand vom schwindelhohen Schlund;
    Seh' über mir die Felsenzacken
    Brechen, hin zum fernen Grund.


    Ein Schauer überkommt mein Herzen
    Die arme Seel' gefüllt mit Graus;
    Die Beine stöhnen laut vor Schmerzen
    Da wünscht' ich mir, ich wär zuhaus.


    Buxi hasst die Abschaffung von Tabmenus

    Für die BBO 2017. Das Thema war Wanderlust. Lange Zeit auf Platz 1 oder 2 schloss ich schlussendlich mit dem sehr enttäuschenden vierten Rang ab.


    Buxi hasst die Abschaffung von Tabmenus

    @Sheogorath


    [background=#993300]Buxi hasst die Abschaffung von Tabmenus

  • Hallo. Also, ich muss vorausschicken: Es ist immer ein bisschen schwierig für mich, Gedichte zu kommentieren. Ich bin nicht gut mit Gedichten und manch ausführlicher Kommentar hier schüchtert ja fast schon ein, haha. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass gerade eine daraus resultierende derartige Form von Angst als zu überwinden gelten muss, wage ich mich mal ein bisschen an die Sache heran. Ich meine, ich kann ja nicht ständig nur still mitlesen, oder?


    Jedenfalls ist da zuerst Erinnerung: Eigentlich fängt es hier schon an, dass ich nicht genau weiß, was ich sagen soll ... Das liegt wohl auch daran, dass ich es vielleicht nicht vollkommen verstehe (also zum Beispiel in Bezug auf eine eventuelle Geschichte, die in der Bedeutung des Gedichts enthalten sein mag und Interpretationssache ist), wobei ich oft genug den Eindruck habe, dass das auch nicht immer notwendig ist, um sich davon auf einer emotionalen Ebene berühren zu lassen. Und genau so einen Fall haben wir hier, würde ich meinen. Es ist einfach sehr schön geschrieben und lässt sich gut lesen; ich mag insbesondere den Reim von "Sinnesfluten" auf "Herzensgluten" - ich höre beide Worte nicht so oft, aber sie machen sich hier sehr schön. Zusätzlich vermittelt mir das Gedicht insgesamt eben so ein bisschen eine sowohl nostalgische als auch romantische Atmosphäre, was ich persönlich auch immer ganz gerne mag, wenn es wie hier gut gemacht ist; der bittersüße Abschluss gefällt mir dann noch einmal besonders.


    Außerdem ... Ich habe es ja im Rahmen des Votes damals schon kurz kommentiert, glaube ich, aber vielleicht kann ich ja auch noch einmal kurz etwas zu Hoch hinaus sagen. Ich muss sagen, auch dieses Gedicht finde ich einfach wunderschön geschrieben; außerdem fand ich es damals beim Wettbewerb irgendwie schon fast ein wenig ironisch, dass das Thema auf so viele verschiedene Arten umgesetzt wurde, dass eigentlich kaum einer über "tatsächliches" Wandern geschrieben hat, haha. Hier war das aber natürlich ohne Frage der Fall und damit war das Thema auch direkt erfüllt. Nun, jedenfalls erinnert mich das Gedicht mit dem Auszug von Zuhause und dem späteren Bereuen ein bisschen an ein gewisses Kinderlied (wahrscheinlich unnötig zu erwähnen, welches), auch wenn hier ein paar Dinge anders abzulaufen scheinen; dennoch frage ich mich ein bisschen, ob daher vielleicht die Inspiration kam. Sei es, wie es sei, die ersten vier Strophen stellen jedenfalls wirklich gut auf eine geradezu romantische (im Sinne der Epoche) Art die schönen Facetten des Wanderns dar. Dann folgt eine Wende, die fast schon radikal ist, mir persönlich aber sehr gefallen hat und die die romantische Idealisierung ein wenig durch Angst und Strapazen aufhebt und damit vielleicht auch ein bisschen das Gedicht selbst wieder ein Stück von der Romantik entfernt, wenngleich die Motive trotzdem erkennbar bleiben.


    Insgesamt ... Nun, mir haben beide Gedichte sehr gut gefallen und ich habe auch immer gerne deine anderen Werke gelesen. Bleib am Ball, denn du schreibst wirklich gut. Ich freue mich auch schon auf alles, was noch kommen mag.

  • Der Weg


    Die Schwade kriecht am Waldesrand
    Wie eine Schlange übers Land.
    Die Wipfel ruhen geistergleich
    Nur schemenhaft im grauen Reich.


    Ich gleiche einem kleinen Schiff
    Auf weiter Fahrt durchs Nebelriff.
    Im Ozean der milchig Sicht
    Das Holz am Felsen rasch zerbricht.


    Des Phobos dünne, kalte Hand
    Schon lange um mein Herz sich wand.
    Halt an, halt an!, es in mir schreit!
    Doch ewig weiter fliesst die Zeit.

  • Hallöchen, ich bin gerade ganz zufällig hier hin geraten und jetzt schon total begeistert von deinen Schreibkünsten. Da ich selbst auch Texte verfasse, kann ich es wertschätzen, wie viel Herz (und auch Arbeit) in so etwas steckt.


    Du hast ein einfaches Versmaß gewählt - was mir gefällt, da ich den Klang von Jamben total liebe; was hier (für mich jedenfalls) auch den Gedanken der Rastlosigkeit beziehungsweise der nicht anhaltenden Zeit unterstreicht, da es regelmäßig und wiederholend klingt.
    Die Umschreibung des "Weges" mit einer Schifffahrt durch das "Nebelriff" (ich liebe diese Wortwahl) finde ich sehr treffend.
    Ganz besonders gut gefällt mir die dritte Strophe; die Einbindung des Phobos als Sagengestalt, der mit "kalter Hand" das Herz des lyrischen Ichs umfasst, welchen ich als Symbol für die Angst deute.
    Für mich spiegelt das Gedicht wirklich sehr schön die Unsicherheit auf dem Weg des Lebens wider. Das lyrische Ich, das den Drang verspürt, sich zu entfalten, aber es dennoch nicht schafft, da eben diese Unsicherheit sein Herz eingenommen hat. Es sieht seine Ziele, die "geistergleichen", "schemenhaften" Wipfel in weiter Ferne hinter der "Schlange" aus Nebel - das ist zumindest meine Interpretation.


    Wie ich merke, schreibst du bereits sehr lange, daher wirst du das vermutlich nicht zum ersten Mal hören, aber ich werde definitiv auf weitere Texte warten und hoffe, dass du auch weiterhin am Schreiben bleibst, da du wirklich über ein dichterisches Talent verfügst und mich soeben dazu inspiriert hast, auch mal wieder etwas zu schreiben.
    Ich hoffe, dieser etwas knappe Kommentar geht für dich in Ordnung. Beim nächsten Text werde ich definitiv wieder einen Kommentar schreiben.


    Bis dann hoffentlich! =3

  • Rekommis kommen, wenn ich nicht bei -5 Grad auf dem Pass klebe.





    Ich und mein Freund Johann


    Ich war heute seit langem wieder einmal auf einer grossen Party. Es war ein sechzigster Geburtstag, der Gastgeber hat mit dem Wein und ich habe mit dem Durst nicht gegeizt. Meine Zeit als Partylöwe ist schon länger vorbei, und mein Kopf surrt schneller und mein Magen brennt unangenehmer wie damals mit zwanzig Jahren. So auch jetzt, wie ich an meinem Schreibtisch sitze, den Stift in der Hand und vor mir das Notizpapier, auf das ich diese Worte verfasse, fegt der Alkohol wie Feuerameisen durch meinen Körper. Trotzdem möchte ich noch kurz die Geschichte zu Papier bringen, die vor rund vierzig Jahren auf einer solchen Party wie heute begonnen hat und mir heute wieder eingefallen ist.
    Vor vierzig Jahren war ich auf einem dem Geburtstagsfest eines Freundes. Und auf diesem Fest lernte ich meinen Jugendfreund Johann kennen. Wir wechselten kurz einige Worte, als wir das gleiche Mädchen um einen Tanz bitten wollten, doch sie ergriff schon bald seine Hand und zog ihn auf die Tanzfläche. Nach dem Tanz, während dem ich etwas genervt die sich drehenden und schwingenden Paare von meinem Platz an der Seitenlinie aus beobachtete, kam Johann zu mir und entschuldigte sich für seinen "Damenklau", wie er es damals ausdrückte. Ich winkte ab, gab mein Bestes, meine Enttäuschung zu verbergen und sagte, das sei mir komplett egal, worauf er mich auf ein Glas Wein einlud. Schon nach kurzer Zeit hatten wir in der deutschen Literatur eine gemeinsame Leidenschaft entdeckt, und so wurden aus einem Glas zwei und aus zwei Gläsern drei. Johann war ein Hobbyschriftsteller, der seinem grossen Vorbild Kafka nacheiferte. Doch auch Shakespeares Romeo und Julia und Werther zählten zu seinen Lieblingsgeschichten. Seine eigenen Kurzgeschichtenentwürfe, die er mir auf dem Handy zeigte, waren wirre, aber durchaus fesselnde Geschichten. Da war zum Beispiel eine, in der sich ein Mann in einem japanischen Fischrestaurant, der sich aus purem Unwohlsein in einen Fugu verwandelte, oder auch Geschichte eines erfolgreichen Anwalts, der eines Tages plötzlich beschloss, nach Madagaskar zu fliegen, um seinem Leben zu entfliehen und Käfer zu erforschen. Nie im Leben wäre ich auf solche Ideen gekommen. Als ich ihn nach seiner Inspirationsquelle fragte, sagte er mir: "In erster Linie sind es meine Wünsche, meine Lebensträume. Ich will schon lange einmal nach Madagaskar gehen, um Käfer zu erforschen. Dazu habe ich mich sogar an der ETH für Biologie eingeschrieben. Und indem ich meine Figuren meine Träume leben lasse, so kommt mir die Zeit bis zur tatsächlichen Umsetzung gerade etwas kürzer vor."
    "Willst du denn etwa nach Madagaskar gehen, um Käfer zu erforschen?", fragte ich ihn scherzhaft.
    "Warum nicht", meinte er völlig ernst. "Käfer und auch Frösche sind höchst faszinierende Wesen. Und im madagassischen Dschungel gibt es die interessantesten Exemplare. Wenn es dich interessiert, kann ich dir ein Buch ausleihen."
    "Das ist doch unrealistisch. Wirklich Madagaskar?"
    "Ich bin jung und junge Leute ohne Träume sind nur leere Hüllen, wie Feuerstellen ohne Feuer. Ich will keine Feuerstelle ohne Feuer sein, ich will brennen vor Leidenschaft und Sehnsucht, ich will meine Träume verfolgen, seien sie noch so unrealistisch. Sonst hätte ich ja gar nie wirklich gelebt, oder nicht?"
    Kurz darauf kam sein "Damenklau" wieder und er entschuldigte sich. An diesem Abend sah ich ihn nicht mehr.


    Der Herbst zog ins Land und Johann und ich trafen uns immer öfter in Kaffees zur Diskussion oder an rauschenden Festen an den Wochenenden. Johann war ein leidenschaftlicher Trinker, nur selten ging ein Abend über die Bühne, ohne dass er einmal die Toilette zweckentfremden musste. Die Mädchen mochten ihn und wenn ich ehrlich bin, war ich ein wenig eifersüchtig auf sein Aussehen. Seine halblangen Haare standen ihm gut und gaben ihm einen intellektuellen Touch, auch seine Kleidung war modisch unmodisch. So ziemlich alles an ihm war ein Statement, und zwar, dass ihm alles komplett egal wäre. Aber Johann war eigentlich nicht alles egal. Ganz im Gegenteil, er dachte sehr oft über sein Leben nach. Er studierte jede Ecke und jeden Winkel des Erlebten, er analysiere seine Reaktionen von einem kalten, distanzierten, ja beinahe wissenschaftlichen Standpunkt aus. Er schien mir manchmal so, als ob er seine eigene Persönlichkeit aus der Warte eines anderen betrachten würde. Zum Kaffeetreff würde er mir dann jeweils alle Einzelheiten seiner Schlüsse erklären, die er aus seinen Überlegungen gezogen hatte. Er konnte stundenlang über sein Leben referieren, in völlig abgehobene Sphären seiner selbst eintauchen und sich seinen Kopf über Dinge zerbrechen, die ich nicht einmal wahrgenommen habe. Er erzählte mir von seinen innersten Wünschen, seinen verstecktesten Sehnsüchten und wie sehr er alles vermisste.
    Obwohl mir Johann ein lieber Freund war, war es nach ein paar Wochen doch sehr anstrengend, ihm immer zuzuhören. Auch seinen Mädchen, die er auf den Parties aufgabelte, breitete er mittlerweile sein ganzes Leben aus und zu meiner stillen Genugtuung waren die meisten davon ebenso genervt wie ich.
    Johann konnte das nicht verstehen. Immer öfter klagte er mir an den regelmässigen Kaffeetreffs sein Leid, dass sich niemand wirklich für ihn interessiere, dass niemand ihn ernst nehme. Besonders ein Nachmittag blieb mir da in Erinnerung.
    Es regnete und wir trafen uns in einem kleinen Art Déco-Kaffee. Nach den üblichen Begrüssungsworten beugte er sich plötzlich über das kleine Teetischchen zwischen uns und flüsterte mir in einem überraschend energischen Ton zu: "Weisst du was, Friedrich? Ich bin allein auf dieser Welt. Allein."
    "Du hast ja mich", erwiderte ich.
    "Aber du bist so locker, du hast keine Sorgen! Du hast keine Wünsche! Du strebst nach nichts!", sagte er.
    "Nach was strebst du dann?", fragte ich ihn.
    "Nach der Jugend, Friedrich."
    "Und das heisst konkret?"
    "Ich will leben! Ich will erleben, wie Romeo oder Werther erleben!"
    "Aber Johann, Romeo und Werther sterben beide am Schluss, nicht? Da wird gar nichts mehr erlebt, Licht aus und tot", lachte ich.
    "Du verstehst mich nicht! Gar nicht!
    "Dann erzähl es doch dem Schirmständer. Vielleicht versteht der mehr als ich", sagte ich und versuchte, ernst zu bleiben. Dennoch schlich sich ein leises Grinsen über mein Gesicht. Johann verzog keine Miene und starrte mich mit seinen ernsten, grünen Augen an. Plötzlich sprang er auf und schlug mit der Faust aufs Tischchen, dass alle Tassen klapperten.
    "Genau das ist es, Friedrich, genau das. Du findest alles lustig. Grins du nur! Du verstehst mich nicht!", schrie er und verliess sturmartig das Kaffee. Nicht einmal seinen geliebten Regeschirm nahm er mit. Ich starrte ganz verdutzt auf die Türe und schaute ihm nach durchs Milchglasfenster nach, bis seine Silhouette in den Regenstrichen verschwamm. Dann bezahlte ich und ging ebenfalls. Die Einheit zwischen Himmel und Stadt war erdrückend. Graue Wolken trafen auf grauen Beton, ihre Trennlinie löste sich im starken Regen auf. Ich war wie in einer massiven Kugel gefangen, und um mich herum toste das Wasser in Bächen auf den nächsten Gully zu. Mit schnellen Schritten begab ich mich nach Hause. Auch Stunden später regnete es noch immer unablässig, als wollte es nie mehr aufhören.


    Seit diesem Tag sah ich Johann immer seltener. Er kam nicht mehr auf die Parties am Wochenende und auch unter der Woche war es immer schwieriger, eine gemeinsame Zeit zum Kaffeetrinken zu finden. Und wenn es einmal zustande kam, war es stets Johann, der mir seine neusten Leiden vorklagte. Lieber als mit mir ins Kaffee zu gehen sass er zu Hause an seinem Computer und generierte Musik mit einem Programm, das er sich vor Jahren einmal heruntergeladen hatte. Ganze Wochenenden würde er nicht von seinem Schreibtisch aufstehen, sondern nur den sphärischen Klängen lauschen, die er sich zusammengemixt hat. Er zog sich immer mehr in sein Loch zurück.
    Wenn Johann in einem Punkt recht hatte, dann darin, dass ich ihn nicht verstand. Sein Leben war ein Musterleben gewesen. Gut aussehend, intelligent, charaktervoll - es gab wenige Menschen, die ich so bewunderte wie ihn. Und jetzt warf er all sein Talent wie Perlen vor die Säue, aus dem fadenscheinigen Grund, dass er "leben" wollte. Von allen, die ich kannte, lebte er am meisten! Ich war richtig wütend auf ihn.


    Monate später kam Johann wieder aus seiner Höhle heraus. Erst nur vorsichtig, in geordnetem Rahmen. Bei der Organisation einer Podiumsdiskussion an seiner Universität fand er eine Freundin, die ihm bei seinen Lebensanalysen zuhörte, und mit ihr erkundete er nach dem gemeinsamen Abschluss die Welt. Auch sein alter Traum einer Reise nach Madagaskar ging in Erfüllung, obwohl er sein Biologiestudium zugunsten eines Psychologiestudiums schon längst abgebrochen hatte. Nach einer Weile begann er wieder, mit uns Dinge zu unternehmen, auf Parties zu kommen, Kaffee zu trinken. Doch ganz anders als früher war er nie mehr der Mittelpunkt dieser Veranstaltungen. Er beobachtete lieber aus der Distanz und analysierte. Zwar erzählte er noch immer sehr gerne von den Resultaten seiner Analysen, doch waren diese nicht mehr nur auf seine eigene Person bezogen, er hatte seinen Blick für seine Umwelt geöffnet. Er war wie gereinigt aus seinem Loch zurückgekehrt.


    Erst Jahre später begriff ich, was passiert war. Ich verstand, was Johann erleben wollte, ihm, dem immer alles in den Schoss gefallen war. Er sehnte sich nach Klippen, nach Abgründen, in die er sich stürzen könnte, in der Hoffnung, endlich etwas zu spüren. Sich endlich zu entwickeln. Endlich erwachsen zu werden.

  • War lange nicht mehr aktiv. Hatte viel Militär und sonst auch dies und das um die Ohren, und Pokémon ist wohl das Letzte, womit ich mich beschäftige. Trotzdem will ich wieder eine kleine Geschichte posten. Das Kreative ist in meinem Leben in letzter Zeit massiv zu kurz gekommen und ich merke, wie das an mir nagt. Wie auch immer, hier ist eine eher one-shot-artige Geschichte, die ich vor bald einem Jahr in Peking geschrieben habe.






    From Facebook with Love


    „Komm mal her, Schatz, ja?”

    Ihre Stimme klang hell durch das Kolosseum, oder das, was von ihm noch übrig war.

    „Schatz, stell dich dahin, so”, meinte sie und wies ihrem Freund wild gestikulierend seinen Platz neben einer Statue, die wohl seit hunderten von Jahren kopflos auf Rom niederschaute.

    „Weisst du, Schatz, ich finde solche Statuen wie diese hier so romantisch. Diese hier zum Beispiel, sie ist fast wie...”, sie hielt inne und suchte nach den passenden Worten, „fast wie Venus. Vielleicht ist es ja sogar Venus, wer weiss! Auf jeden Fall, ich fühle mich irgendwie mit ihr verbunden, auf Herzesebene sozusagen, von Frau zu Frau. Ich muss einfach ein Foto davon haben. He, nicht rühren, Schatz! Noch ein wenig nach links, noch ein wenig... ja, perfekt! Excuse me, excuse me! Could you take a picture, please?”

    Das angesprochene, ältere Ehepaar blieb überrascht stehen. Sie eilte sofort hin.

    „You press this button here”, sagte sie mit einem triefenden amerikanischen Akzent, dem man die übertriebene Artikulierung eines Nichtmuttersprachlers sofort anhörte, und zeigte dem Herrn den Abzug auf dem Screen ihres in Louis Vuitton gehüllten Smartphones.

    „Yes, here. I'll give you a sign when we are ready, okay?”, sagte sie und setzte ihr charmantestes Lächeln auf. Ohne ernsthaft eine Antwort abzuwarten, liess sie den leicht überforderten Rentner stehen und eilte zurück zu ihrem Freund.

    „Ach Schatz, du hast dich schon wieder bewegt! Nach links... noch ein wenig, excuse me, we are almost ready, noch ein wenig... ja, so ist gut, we are ready."

    Mit einem breiten Lächeln, das zwei schneeweisse Zahnreihen entblösste (selbstverständlich gebleicht), stellte sie sich neben ihren Freund. Im Hintergrund strahlte der abgewetzte Marmor der kopflosen Statue im Licht der italienischen Sommersonne, die aus dem stahlblauen Himmel gnadenlos auf Rom niederbrannte.

    Der Rentner machte einige langsame Schritte auf das Paar zu, während er, das Handy schon in Fotografierposition, mit unsicherer Miene den Bildschirm betrachtete. Dann tippte er einmal mit dem abgespreizten Zeigfinger und schaute noch unsicherer als zuvor auf das Gerät in seinen Händen.

    „Did it work?”, fragte sie mit aufgeregter Stimme und sprang neben den Fotografen. „Let me see!”

    Er reichte ihr das Telefon. Sie inspizierte das Foto, zoomte hinein und wieder hinaus und legte zur genaueren Betrachtung den Kopf schräg, während bei jeder Berührung die langen, aufwändig lackierten Nägel auf dem Glas klackten.

    „Could you take another one, please?”, fragte sie schliesslich und drückte dem Rentner das Gerät wieder in die Finger. Der Rentner seufzte und seine Frau warf einen kurzen Blick auf ihre Armbanduhr (nicht von Louis Vuitton), während ihr Fuss leise, aber hörbar auf dem antiken Stein auf und nieder tappte.

    „Schatz, du hast dich schon wieder bewegt! Nach links... noch ein wenig... perfekt.”

    Noch einmal strahlten ihre Zähne in der unerbittlichen Julisonne mit der kopflosen Statue um die Wette, der Rentner tippte noch einmal mit dem Finger, die Augen hinter den Brillengläsern zu Schlitzen zusammengekniffen, so dass er den „Button” auch sicher träfe.

    Diesmal genügte das Foto offenbar ihren Qualitätskriterien.

    „How kind of you, thank you so, so much!”, sülzte sie. Der Rentner winkte ab, nahm seine Frau an der Hand und ging eilig weiter. Dabei tupfte er sich mit einem zerknitterten Papiernastuch einige Schweissperlen von der Stirn. Roms Sonne war unnachgiebig.

    „Schau mal, Schatz! Ist es nicht umwerfend?”

    Er schaute nicht und nickte. Wieder klackten die Nägel auf dem Glas, als sie verschiedenste Apps sozialer Medien öffnete, um das Bild von ihr, der kopflosen Statue und ihrem Freund genug weit links mit der Welt zu teilen.


    Zwei Stunden später meinte sie mit konzentriertem Blick auf den Bildschirm: „Schatz, schau mal, wie viele Likes wir haben! Ist das nicht toll?”

    Er schaute nicht und nickte.