Es gibt zwar einen Thread zum Ansehen der Manga in Deutschland, doch das Thema, worüber ich in diesem Thread reden möchte, ist etwas spezieller. Und zwar geht es darum, wie "Comic Kritiker", die deutsche Comic Förderung und auch die Feuilleton Manga ansehen und von vorn herein Verurteilen. Insbesondere natürlich auch deutsche Manga.
Deutlich wurde das schon, auf dem Comicsalon in Erlangen letztes Jahr. Dort werden Jahr für Jahr Preise für verschiedene Comics, die innerhalb des Jahres erschienen sind, vergeben. Beste Handlung, beste Zeichnungen, beste Graphic Novel, bester Comic Strip... Das Manga eigentlich nie dabei waren, vor allem nicht unter den einheimischen Titeln, war eh klar. Doch letztes Jahr entschloss man sich, dass man neben den ganzen supertollen Jurypreisen auch einen Publikumspreis vergeben will, über den dann Online abgestimmt wurde. Und diesen gewann - mit Abstand - dann was? Korrekt. Ein Manga. Und zwar der Manga "Grablicht" von Daniela Winkler.
Und schon waren die Exkremente am Dampfen, denn nicht nur einige der Kritiker und hohen Künstler pikierten sich darüber und warfen Daniela vor, dass sie ja nur Gewonnen hatte, weil sie alle Leute online belabert hat, damit sie für sie stimmen (einige warfen ihr sogar vor, sich stimmen gekauft zu haben) und dass das ja total voll nicht objektiv sei. Doch am lautesten pikierte sich die FAZ in der Feuilleton. Hier war es Thomas Vorwerk, der sich darüber pikierte, dass so "grober Unfug" ja rein qualitativ keinen Preis rechtfertige und dass eine Abstimmung via Internet ja ohnehin Blödsinn sei, weil ja Zeichner, die im Internet aktiv seien, einen total unfairen Vorteil hätten.
Und ich möchte hier noch einmal betonen: Das war ein Publikumspreis. Und was wird mit einem Publikumspreis ausgezeichnet? Korrekt, ein Werk, dass dem Publikum gefällt (und das ein breites Publikum hat, das sich auch dafür interessiert, ob das Werk einen Preis gewinnt). Natürlich hat Daniela dafür auch Werbung gemacht - aber das ist ihr gutes Recht. Sie hat letzten Endes einfach ihr Publikum darauf hingewiesen, dass es dort eine Abstimmung gibt. Sie hat niemanden dazu gezwungen, dort für sie abzustimmen. Sie hatte einfach nur das größte oder das aktivste Publikum und damit den Preis verdient. Publikumspreise zeichnen keine Qualität aus, sondern nur, dass es gefällt.
Doch lustiger noch wurde es, als man nun vor einigen Monaten auf dem deutschen Literaturfestival das deutsche Comic-Manifest verabschiedete. Dank diesem Comic Manifest sollen in zukunft deutsche Comiczeichner finanziell unterstützt werden und es soll ihnen geholfen werden, ihre Werke zu veröffentlichen.
Alle deutschen Comic-Zeichnern? Na ja, nicht so wirklich. Denn wenn man sich durchliest, was da gefördert werden soll, so lässt sich das ganze recht einfach zusammenfassen: "Stilistisch ausgereifte Cartoons/Comic Strips" und "anspruchsvolle Graphic Novels". Keine "Action" oder "Romance" Comics und gaaaaaanz sicher keine Manga. Denn Manga sind ja weder stilistisch ausgereift, noch sind sie in irgendeiner Form anspruchsvoll. Da geht es natürlich an, dass man diese auch noch finanziell unterstützt.
Nun, neu ist das Problem natürlich in Deutschland ohnehin nicht. Wenn wir an die deutsche Filmförderung denken, dann wissen wir, dass in Deutschland ohnehin keine Filme gefördert werden, die nicht entweder psychodelisch sind, auf wahren Begegebenheiten beruhen oder sich mit sozialer Ausgrenzung bestimmer Bevölkerungsgruppen beschäftigen. Ein Film der Spaß macht und einfach nur unterhält? Nein, das käme uns sicher nicht in die Tüte!
Und ja, so sieht es nun auch bei den Comics aus. Ich meine, es ist gut und schön, dass es überhaupt einmal eine deutsche Förderung für so etwas gibt, doch dass Manga praktisch von vorn herein ausgeschlossen wurden, weil sie ja sowieso niemals den qualitativen Anforderungen gerecht werden (und dann auch noch eventuell unterhalten) sollte, so denke ich, eigentlich nicht der Sinn einer solchen Förderung sein.
Zwei der Erstunterzeichner des Comic-Manifest wurden so letzten Endes auch in Interviews darauf angesprochen, dass sich das Manifest so liest, als wolle man deutsche Manga davon klar ausschließen, und mehr oder minder bestätigten beide das.
Die beiden sind Ulli Lust und Simon Schwartz, beide mehr oder minder renomierte Graphic Novel Zeichner. Die beiden sagten so im Rahmen der Interviews zu den deutschen Manga.
Zitat von Ulli LustNicht die großen Augen sind das Problem, sondern das extreme Nachmachen. Wenn einfach nur das nachgezeichnet wird, das woanders bereits erfolgreich wird, dann kann dabei nichts Gutes, oder zumindest nichts Neues herumkommen. Wenn sie dann deutsche Mädchen in einer japanischen Uniform zeichnen und ihnen japanische Namen geben, dann wirkt das so wie das Nachgehechel eines kleinen Kindes, das gut nachahmen kann. Interessant wäre aber die Weiterentwicklung. Wenn daraus eigene Geschichten entstehen, die vielleicht auch auf eigenen Erfahrungen basieren. Oder auf Beobachtungen, die in unserer Realität spielen. Die großen Augen sind dabei überhaupt kein Problem. Diese Ästhetik kann man ja trotzdem mögen. Es geht nur darum: wie platt oder wie vielschichtig ist die Geschichte?
Zitat von Simon SchwartzComics sind eher ein Jungs-Medium. Wir haben alle Batman oder Asterix gelesen. Und das haben die Mädchen nicht unbedingt. Somit fangen sie quasi bei Null an und somit etwas frischer und unbelasteter von Klischees und Stereotypen. Allerdings gibt's auch wieder einen Wechsel. Ich unterrichte ja auch. Da merke ich, dass jetzt viele Mädchen aus dieser Mangaecke kommen. Das ist eine Generation die nochmal um eins jünger ist als ich. Da merke ich dann, wie sehr sie Mega-Scheuklappen haben. Jetzt wiederum kippt es und die Jungs machen die interessanteren Comics, denn in ihrer Kindheit gab es keine Comics, sondern nur Mangas für Mädchen, die sie nicht interessiert haben. [...] diese Sorte Mangas war dominierend, während bei meiner Generation Asterix oder so dominiert hat. Bei diesen Mangazeichnern erinnert mich das an Ikonenmalerei. Es muss immer alles exakt gleich aussehen. In den Handlungen finden sich viele Stereotypen. Weil die Mangas, die sie früher gelesen haben ... das waren die Mädchen, die früher Wendy gelesen haben. Oder die Gartenlaube. Die richtig innovativen Meister haben sie nicht unbedingt gelesen. Was auch hängengeblieben ist: Was zählt, ist eher die Optik und weniger die Handlung. [...] Das meiste, was in Deutschland an Mangas veröffentlicht wird, ist wie eine Daily Soap.
Kurz zusammengefasst: Deutsche Manga sind dumm. Deutsche Manga machen nur Japaner nach. Deutsche Manga haben keinen Inhalt.
Tja, und dummerweise gehen viele "Kritiker" und Comic-Journalisten damit d'accord.
Allgemein nehmen auch immer weniger deutsche Comicverlage Mangazeichner an. Diese sind meistens dazu gezwungen, sich an kleine Verlage zu wenden, die sich aber aufgrund der Größe und aufgrund dessen, dass ihnen so Werbegelder und Verträge mit verschiedenen Verteilern fehlen, oft nicht lange über Wasser halten können und so schnell pleite gehen. Was dabei interessant ist: Die deutschen Manga verkaufen sich meist weit besser, als Comics und Graphic Novells von deutschen Künstlern (allein, weil die deutsche "Mangaszene" viel größer ist, als die deutsche "Comicszene"), welche aber weiterhin von ihren Verlagen gesponsort werden.
Kommen wir nun zu den Fragen:
- Wie denkt ihr über die Entrüstung darüber, dass eine Mangazeichnerin einen Publikumspreis gewonnen hat?
- Wie findet ihr es, dass Manga (besonders deutsche Manga) gerade von den deutschen Medien "gebasht" werden?
- Was haltet ihr von den Aussagen der Graphic Novel Zeichner?
- Wie findet ihr es, dass Mangazeichner von Fördergeldern ausgeschlossen werden?
- Wie denkt ihr darüber, dass immer weniger Verlage sich deutschen Mangaka annehmen - obwohl sich deutsche Manga meist besser verkaufen, als deutsche Comics?