Ich finde es auch nicht schlimm, wenn ich nur gefragt werde "Hast du einen Freund?" statt "Bist du in einer Beziehung?" oder so. Das ist dann wirklich Erbsenzählerei, wenn man sich an jedem Wort oder an jeder Phrase so sehr aufhängt wie es manche tun, dass sie regelrechte Rants im Internet loslassen.
Ich greife das mal auf, weil das Beispiel tatsächlich etwas ist, was mich in den letzten Monaten beschäftigt hat. Zwar stimme ich zu, dass man keine kriege im Internet oder auch im RL wegen der Formulierung starten sollte, weil nicht hinter jeder Phrase gleich bewusste Diskriminierung steckt, aber ich sehe es nicht als Erbsenzählerei, wenn solche heterosexuell geprägten Aussagen einen stören.
Das Problem ist nämlich, dass du durch solche Fragen durchaus plötzlich gezwungen wirst, deine sexuelle Orientierung zu betonen. Selbst wenn du diese als ganz normal und alltäglich leben willst. Das ist mir persönlich erst vor ein paar Monaten bewusst geworden, als ich in einem Büro angefangen habe zu arbeiten und diese Frage von Kollegen aus der eigenen und aus fremden Abteilungen öfters gehört habe, weil man eben irgendwie auf das Thema zu sprechen kam.
Vorher war das immer entweder ein Thema im näheren Freundeskreis, wo man sowieso offen weiß, dass es bei mir nicht zwangsläufig ein "Freund" sein muss, oder innerhalb des Verwandtenkreises, wo ich nicht mal mehr einen Gedanken daran verschwende den konservativen Großtanten und -onkeln irgendetwas näher zu erklären. Ich war vorher aber nicht wirklich in der Situation, dass ich tagtäglich mit Menschen zu tun hatte, die ich weder "belügen" möchte (und bewusst verschweigen fällt jetzt mal in diesem Kontext für mich darunter), noch aber mich groß erklären will, weil sie nun mal alle auch aus völlig verschiedenen Kreisen stammen (nicht wie ein Freundeskreis, der doch immer selektiv ist). Nun bin ich aktuell in keiner Beziehung, weswegen es einfach bei einem "Nein" als Antwort blieb. Aber, das erste mal bin ich mir bewusst geworden, dass ich nicht wüsste, wie ich antworten soll, wenn zum Zeitpunkt der Frage mein Partner weiblich ist. Folgende Szenarien habe ich da im Kopf:
a) Entweder ich sage Nein, weil ich ja keinen Freund (m) habe, wodurch aber die Frage nicht wahrheitsgemäß beantwortet wird, weil mir ja eigentlich bewusst ist, dass der Gegenüber wissen will, ob ich in einer Beziehung bin.
b) Ich sage Ja, gehe aber nicht näher darauf ein. Beantworte somit die eigentliche Frage, ob ich eine Beziehung habe, verschweige aber, dass es kein Freund ist. Persönlich fühlt sich das für mich seltsam an, weil ich ja auf der Sachebene die Frage nicht richtig beantwortet habe.
c) Ich sage "Ja, ich habe aktuell eine Freundin" (oder Ähnliches), womit ich die Frage des Gegenüber subtil korrigiere und meine Situation klar stelle. An dieser Option gefällt mir aber nicht, dass ich das Geschlecht meines Partners betonen muss. Ich weiß nicht, wie viele von euch schon mal in der Situation waren, dass sie sich ganz nebensächlich geoutet haben (nebensächlich = nicht unbedingt mit dem Ziel sich zu outen, sondern einfach weil man ganz natürlich in einem Gespräch eine Formulierung genutzt hat, die deutlich macht, dass man nicht hetero ist), aber Menschen reagieren drauf. Und gerne wird mal aus einer Nebensächlichkeit plötzlich DAS Thema. Und als Betroffener will man das nun mal nicht immer.
d) Ich antworte mit einer neutralen Formulierung "Ja, bin aktuell in einer Beziehung" (oder Ähnliches). Für mich persönlich noch die angenehmste Vorgehensweise. Den einzigen Nachteil, den ich hier sehe ist, dass mein Gegenüber vielleicht in Zukunft, wenn er/sie dann genaueres erfährt, sich fragt, wieso ich das nicht gleich klar gestellt habe.
So, mir geht es jetzt nicht um die einzelnen Situationen. Letztendlich weiß jeder für sich am besten, wie er was wahrnimmt. Ich persönlich hasse es aber floskelhaft oder oberflächlich zu antworten. Gleichzeitig bin ich aber auch sehr selektiv, wenn es darum geht mein Privatleben etwas genauer zu beleuchten. Wenn man da also mit so fünf Leuten in der Pause quatscht und zwei davon kennst du nur flüchtig und einen hast du gerade eben kennen gelernt, dann ist das keine Situation, wo man sich tiefere Gedanken machen möchte, wie man jetzt zu antworten hat. Es ist auch schade, dass man das überhaupt muss. Deswegen bin ich jemand, der eben eher fragt "Bist du in einer Beziehung", weil ich niemanden in die Situation bringen möchte, dass er/sie wegen einer simplen Frage bei der es völlig egal ist, welche Orientierung man hat, sich trotzdem bewusst werden muss, dass er/sie von der "Mehrheit" abweicht. Unabhängig davon, ob ich persönlich diesen Gedankengang als Erbsenzählerei empfinde oder nicht. Es war definitiv einfacher für mich, mir geschlechts-unspezifische Formulierungen anzugewöhnen, als auf geschlechtsspezifische Fragen zu antworten. Wenn ich also nur einer handvoll Menschen den Kontakt mit mir angenehmer gestalten kann, indem ich so eine Kleinigkeit an meinem Wortschatz anpasse, dann tue ich das sehr gerne.
Und nochmal zur Klarstellung; mir geht es nicht darum, dass man sich darüber erbost, dass jemand eine geschlechts-spezifische Formulierung nutzt, obwohl das Geschlecht bei der Frage keine Rolle spielt. Ich finde nur die Einstellung mancher (das ist btw. nicht jetzt auf dich direkt bezogen Bastet, dein Zitat diente jetzt nur als Aufhänger) nicht in Ordnung, wenn sie mit "stell dich nicht so an" ankommen, wenn sachlich erklärt wird, wieso eine andere Formulierung angemessener wäre. Noch schlimmer wird es, wenn man aus Prinzip an alten Gewohnheiten fest hält. Ich werde es wohl nie nachvollziehen können, wieso manch einer nicht bereit ist, einen so kleinen Aufwand zu betreiben, um das Miteinander für jeden positiv zu gestalten.