Gedankensplitter

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“
  • In letzter Zeit gab es viel Routine und damit wenig Außergewöhnliches, somit also keine besondere Berichtigung, hier veröffentlicht zu werden. Weil ich zurzeit außerdem in meiner Freizeit hauptsächlich in einer Spielwelt versunken bin, gehe ich außer meiner redaktionellen Arbeit kam anderen Schreibprojekten nach, was sich hoffentlich bald wieder ändert. Meinen letzten Artikel möchte ich dennoch hier veröffentlichen. Lediglich ein Wort dazu: "Titelseite."

  • Wow. Große Worte sind da unangebracht.
    Ein dickes Lob, denn wer stellt schon außer
    dir hier selbstverfasste Zeitungsartikel rein?


    Einfach nur top! Über die minimalen Recht-
    schreibfehlerchen sehe ich geflissentlich
    hinweg. Ich schreibe selbst nie zu 100% nach
    der Rectschreibreform von 2006 und später.

  • Safronia Kurier: Kurznachrichtenticker



    Aktuelle Nachrichten:


    - Nach Psychoduell: Meloetta singt nur noch Country-Rock.


    - Farbblindes Farbeagle malt bunte Ampel.


    - Neun von zehn Teenagern sind überzeugt: „Mein Rattfratz ist das beste!“


    - Kokuna fällt vom Baum - niemanden interessiert’s.


    - Ehemann getäuscht - zwei Jahre mit Zoroark verheiratet: „Ich dachte, sie sei nur schüchtern!“


    - Verwirrter Trainer schwört: „Mein Guardevoir ist ein Junge!“


    - Organisation für Pokémon-Rechte fordert Abschaffung von Kicklee-Tischkickern.


    - Stau im Pokémon-Center - diensthabende Schwester versteht Buchstabe A nicht.


    - Härtner-Duell im Vertania-Wald - Safcon-Krise erreicht 72. Stunde.


    - 62-jähriger Pensionsleiter wird noch einmal Vater. „Ich weiß nicht, wo das hergekommen ist.“


    - Ende der Ungewissheit - Gentest bestätigt Professor Eich: „Enkel ist tatsächlich ein Junge!“


    - Sturm-, Wasser-, Hagelversicherung deckt keine Blitzeinschläge - Team Rocket kündigt Versicherung.


    - Karpador beißt anstelle schillernden Dratinis an - Köder verschluckt.


    - Neue Limonadenfabrik in Prismania City eröffnet - Absatz für Tränke und Supertränke bricht ein.



    Richtigstellungen:


    - Arenaleiter Rockos neuer Roman heißt nicht „Professor Ivy - mein Leben mit ihr“, sondern „Professor Ivy - ihr Leben mit mir.“


    - Team Rockets letzter Schuss in den Ofen ging nicht auf Pikachus Konto, sondern Pichus.


    - Ein neues Fahrrad kostet im Radladen von Azuria City 999.999,99 Pokédollar und nicht 999.999 Pokédollar.



    Wir bitten, die Fehler zu entschuldigen.



  • Safronia Kurier: Kurznachrichtenticker



    Aktuelle Nachrichten:


    - Professor Eich fordert Wiederholung von Gentest für Enkel.


    - Trainerin verdurstet in Wüstenresort - trainiertes Wasserpokémon überlebt quietschfidel.


    - Baum blockiert Weg - Trainer geht vorbei - Klage vor Oberlandesgericht.


    - Annäherung von Team Magma und Aqua - Pokémon Enton zum gemeinsamen Todfeind erklärt.


    - Teenager-Treffen in Mamoria City - Kurze-Hosen-Pflicht


    - Vorjahres-Liga-Champion Tobias sagt Teilnahme ab und gewinnt trotzdem Meisterschaft.


    - Veranstalter versprechen Bombenspaß - Voltobal-Kegeln in Malvenfroh City.


    - Zu viel Make-Up - Cosplayer von Trainer gefangen.


    - Jury kürt Alola-Kokowei zum Drachenpokémon des Jahrhunderts.


    - Mewtu überholt: Manguspektor legt sich Twitteraccount zu - 52 Millionen Follower nach nur einer Woche.


    - Pokémon-Professor findet: „Nicht der richtige Ort dafür“ - Fahrradhallenturnier abgesagt.

    - Radarfalle blitzt Raikou - Strafe wegen Geschwindigkeitsübertretung und schlafen am Steuer.


    - Müllabfuhr kam zu früh - Arenaleiter Major Bob muss Nacht in Arena verbringen.


    - Karpador erfolgreich mit Wailord gekreuzt - Platscher verursacht noch immer keinen Schaden.



    Richtigstellungen:


    - Nicht neun von zehn Teenagern sind überzeugt, ihr Rattfratz sei das beste, sondern neun von zehn Rattfratz finden, ihr Teenie-Trainer sei unfähig.


    - Das Ampel malende Farbeagle ist nicht blind, sondern hat eine Grau-blau-Schwäche.


    Wir bitten, die Fehler zu entschuldigen.

  • Safronia Kurier: Kurznachrichtenticker


    Aktuelle Nachrichten:


    - Zubat erfolgreich in Sinnohs Untergrund ausgewildert.


    - Forscher beheben Gen-Defekt - Fuegro jetzt Typ Feuer-Kampf.


    - Navi aus „The Legend of Zelda“ ersetzt Rotom-Pokédex in Generation 8.


    - 10-Jährige löst antikes Schieberätsel - Forschung kann nach acht Jahren Pause fortgesetzt werden.


    - Anglerzeitung titelt: „Die Karpador beißen!“ - Trainer antworten: „No shit, Sherlock!“


    - Jetzt auch Spätschicht: Silph Co. verdoppelt Wachpersonal auf zwei.


    - Nach Protesten gegen Plastikmüll: Ballons im Supertraining durch Botogel ersetzt.


    - „Gelatroppo und der Schlecker des Grauens“ Sommerblockbuster 2018.


    - A-Promi Vulnona zum 218-mal Mutter - „Es wird ein Shiny!“


    - Dodri eröffnet Flugschule auf Route 229.


    - Choreografie-Wettbewerb ersetzt Hoenn-Pokémon-Liga.


    - Interview mit Champion Rot - Schlagzeile: „…“


    - Neuer Rekord: Abschluss der Pokémon-Trainerschule von Viola City in 52 Sekunden.


    - Studie besagt: „Neun von zehn Nasgnet haben Schnupfen. Eines schnüffelt nur gern an roter Farbe.“



    Richtigstellungen:


    - Manguspektors Twitteraccount folgen 52.000.002 Personen - Beschwerde wegen Fake News.


    - Kein Baum blockierte den Weg des Trainers, sondern ein Mogelbaum.

  • Hallöchen Eagle !


    Siehs mir nach, dass ich deine 'realen' Zeitungsartikel beiseite lasse - ich möchte mich einfach lieber Werken widmen, die noch fiktiver sind. Allerdings muss ich sagen, dass ich es echt stark finde, wie viel du einem größeren Publikum präsentieren kannst - Glückwunsch! (auch, wenn du das vielleicht schon länger tust, aber es schadet ja nicht, das loszuwerden, nicht?)


    Sooo, zu deinem Safronia-Kurier-Kurznachrichtenticker. Kurz gesagt: Ich liebe ihn. Du haust kreative Schlagzeilen raus, das ist unglaublich, und sie bringen einen in bester Postillon-Manier zum Schmunzeln.

    Als neuer begeisterter Leser dieser Reihe muss ich aber leider ein paar Anmerkungen loswerden:

    Zitat

    - Anglerzeitung titelt: „Die Karpador beißen!“ - Trainer antworten: „No shit, Sherlock!“

    Der Verleger Angler Amadeus, der die betreffende Anglerzeitung auch herausgibt, möchte meinen Quellen zufolge klarstellen, dass das Zitat korrekt "Die Karpador beißen an!" lauten müsste und empört sich über die Darstellung der friedliebenden Fische als sogenannte "Listenpokémon".


    - A-Promi Vulnona zum 218-mal Mutter - „Es wird ein Shiny!“

    Liegen Ihnen auch Informationen zu den Inzestvorwürfen vor, die sich in der Pension abgespielt haben sollen?


    - Studie besagt: „Neun von zehn Nasgnet haben Schnupfen. Eines schnüffelt nur gern an roter Farbe.“

    Leider hat der Safronia-Kurier es versäumt, auf die alarmierende Quote alkoholsüchtiger Pokémon dieser Spezies einzugehen.



    In freudiger Erwartung der nächsten Ausgabe,


    Leserin S.

  • Mit diesem Werk nahm ich vor zig Jahren an einem FF-Wettbewerb hier im Forum teil und erzielte - wenn ich mich recht erinnere - den zweiten Platz. Ich habe ihn vor Kurzem entstaubt und deutlich rausgeputzt. An einem kürzlichen Wettbewerb konnte ich leider damit nicht teilnehmen, da ich ihn - wie erwähnt - bereits zuvor verwendet hatte.



    Grimm’sche Rechtsprechung


    Akt I: Die Anklage


    »Sehr geehrte Damen und Herren, ich bitte Sie, sich zu erheben. Seine Lordschaft, der ehrenwerte Richter, Rumpelstilzchen betritt den Gerichtssaal.«

    Demütig erhob sich die Gemeinde im Saal, während der kleine Mützenwicht Position am Richtertisch neben Staatsanwalt und Protokollführer nahm. Die unnatürlich grünen Augen züngelten den Staatsanwalt giftig an.

    »Das hat dir der Teufel gesagt …!«, knurrte Richter Rumpelstilzchen zu dem Staatsdiener. Dann wandte er sich dem versammelten Saal zu. »Die Angeklagten mögen vortreten.«

    Zwei Kinder, ungefähr im Alter von zehn Jahren, bezogen Stellung an einem kleinen Tisch in der Mitte des Raumes. Männlein und Weiblein. Bruder und Schwester. Der eine beständig, die andere eingeschüchtert.

    »Staatsanwalt, lesen Sie die Anklage vor!«

    Derselbe erhob sich, kaum als der Gerichtsvorsitzende ihn dazu aufgefordert hatte.

    »Im Fall ›Böse Hexe gegen Hänsel und Gretel‹ wird den hier vor eingefundenen Angeklagten die folgenden Straftaten zur Last gelegt: Vandalismus, versuchter Mord in Verbindung mit gefährlicher Körperverletzung, Hausfriedensbruch in Verbindung mit Sachbeschädigung, schwerer Diebstahl und an einem Gründonnerstag mit blauen Hosenträgern unterwegs zu sein, strafbar gemäß den Paragrafen 25 Absatz 2 Satz 5, 15 Absatz 1 Nummer 2, 14 Absatz 1 Nummer 1, 28 Absatz 1 Nummer 1 und 232 Absatz 4 fortfolgende Märchenstrafgesetzbuch (MStGB).« Kurz nachdem er seine Ausführungen beendet hatte, nahm der Ankläger wieder Platz.

    »Danke, Herr Staatsanwalt«, sagte der Richter und musterte von seinem hohen Platz aus die beiden Angeklagten scharf. »Das Aufnehmen der Personalien können wir uns ebenso gut sparen, ihr würdet meinen Namen ohnehin nicht erraten.«

    Die versammelte Gemeinde sah es ab, den Richter über das übliche Vorgehen, nämlich das Abfragen der Personalien der Angeklagten, nicht der es Richters, zu belehren. Zu sehr fürchtete man einen seiner berüchtigten Tobsuchtsanfälle. Stecknadelstille regierte den Saal, was Rumpelstilzchen mit einem zufriedenen Nicken quittierte.

    »Kommen wir zur Befragung der Angeklagten. Aber zack, zack, wenn ich bitten darf! Ich habe einen Kuchen im Backofen. Die Staatsanwaltschaft hat das Wort.«

    Ein weiteres Mal erhob sich der Staatsanwalt.

    »Angeklagter, Angeklagte: Bitte schildern Sie uns aus ihrer Sicht, was an den Tagen zum 21.04. und 22.04. vorgefallen ist.«



    Akt II: Verstoßene, kleine Kinder …


    »Es war der Tag des 21. April, als meine Schwester und ich in dem Wald in der Nähe unseres Zuhauses unterwegs waren. Draußen war es finster und ach so bitterkalt und …«

    »Warum waren Sie beide um diese Uhrzeit und ohne elterliche Aufsicht in besagtem Wald unterwegs?«, unterbrach der Staatsanwalt die Ausführungen des Knaben.

    »Wir hatten uns verlaufen. Vögel hatten unsere auf den Boden ausgelegten Brotkrumen, mit denen wir nach Hause finden wollten, aufgefressen«, schilderte Hänsel sachlich. Im Gegensatz zu seiner Schwester, die mit glasigem Blick auf die Tischkante starrte, erwiderte der ältere Bruder die kalten, schwarzen Augen des Staatsanwaltes unbeeindruckt. Der Staatsdiener musterte die Angeklagten mit skeptisch gekräuselter Stirn.

    »Verlaufen? Brotkrumen?« Zu den Furchen auf seiner Stirn gesellte sich eine haarspalterisch gespitzte Lippe. Nach wenigen ereignislosen Sekunden ergänzte er: »Verschweigen Sie uns nicht gerade wichtige Einzelheiten, Herr Angeklagter? Ist es nicht viel eher so, dass Sie beide ihren hart arbeitenden Eltern nichts als Kummer bereitet haben, ihnen die Haare vom Kopf fraßen«, für jeden weiteren Punkt fügte der Staatsanwalt seiner geballten Faust einen weiteren Finger hinzu, »sie belogen und eine schlechte Mathezensur vor ihnen verheimlicht haben? Und als Resultat«, anklagend lehnte sich der Staatsanwalt über seinen Tisch hinweg Richtung der Angeklagten, »wurden Sie beide von Ihren Eltern verstoßen. Suchten Sie vielleicht nur einen neuen Ort, an dem Sie beide Unruhe stiften und jemand anderem zur Last fallen konnten?«

    »Einspruch!«, brüllte der Verteidiger der Angeklagten. »Diese Angaben sind nicht Gegenstand des Verfahrens!«

    »Einspruch abgelehnt«, donnerte der Richter dem Verteidiger entgegen. »Außerdem: Brotkrumen gehören – wenn überhaupt – in die Suppe. Salat lasse ich mir vielleicht noch gefallen. Nicht aber Brotkrumen, und schon gar nicht auf den Boden. Notieren Sie das!«

    »Ins Protokoll aufgenommen«, sagte der Schriftführer zu seiner Linken und rückte die eckige Brille zurecht. Er nickte und deklamierte laut: »Nicht auf den Boden.«

    »Angeklagter, fahren Sie fort«, ordnete der Staatsanwalt an.

    Hänsels Blick hatte etwas seines Resoluten eingebüßt. Er schluckte und fuhr mit etwas leiser gewordener Stimme fort: »Nach langer und ermüdender Reise kamen wir an einsames Häuschen mitten im Wald. Natürlich wollten wir uns dort nach dem Weg erkundigen und klopften an die Türe. Und dann kam sie!« Hänsel deutete drohend und mit bebendem Zeigefinger auf die düstere und bislang stillschweigende Gestalt mit krummer Hakennase, auf deren Ende eine dicke Warze thronte.

    »Mein Kind«, sagte sie mit krächzender, alter Stimme, »niemals habe ich dir auch nur ein Haar gekrümmt. Womit also hat eine arme, alte Frau wie ich deine tiefe Abneigung verdient?«

    »Wer’s glaubt, du scheinheilige, alte Vettel«, höhnte Hänsel.

    »Ich glaube«, begann sie mit jetzt deutlich hörbarer abfälligem Unterton, »du bist einfach nur ein rotzfreches Balg. Nichts, was eine deftige Tracht Prügel nicht kurieren könnte«, entgegnete die alte Frau kühl und schenkte dem Jungen einen ebenso kühlen Blick.

    »Ruhe im Zeugenstand! Fahren Sie fort, Angeklagter!«, ordnete der Richter an.

    »Das vermeintliche Opfer lud uns also in ihr Haus ein und begann – kaum hatte sie die Türe geschlossen –, uns fürstlich zu bewirten. Ja, es machte sogar den Eindruck, als würde sie uns mästen wollen. Nach dem vierten Nachschlag schließlich bot die Klägerin uns an, die Nacht in ihrem Haus verbringen zu dürfen. Wir nahmen ihr Angebot dankend an, denn es war auch bereits recht spät. Am darauffolgenden Morgen – es war der 22. April – änderte sich die Persönlichkeit unserer Gastgeberin auf dramatische Weise: Von ihrer Herzlichkeit fehlte auf einmal jede Spur. Spätestens zu dem Zeitpunkt, als meine Schwester plötzlich die Katze der Hexe entlausen sollte, und ich hinter schwedischen Gardinen gesiebte Luft atmete, wurde uns plötzlich klar, dass sie nicht mehr alle Tassen im Schrank haben konnte. Als mich die Klägerin plötzlich bei lebendigem Leibe in ihrem Ofen braten wollte, hörte der Spaß für uns endgültig auf. Im wirklich allerletzten Moment konnte meine Schwester mich aus den kalten Händen der Hexe befreien. Bei dem Handgemenge verlor die Klägerin offenbar das Gleichgewicht und fiel dabei selbst in ihren Ofen.«

    »Sie sagen also, Sie beide handelten aus Notwehr?«, rekonstruierte der Staatsanwalt mit skeptisch hochgezogenen Augenbrauen.

    »Korrekt«, antwortete Hänsel.

    »Notwehr!« Die Klägerin war schlagartig auf ihren spindeldürren Beinen. Ihr Hexenbuckel drückte sich wie ein eitriges Geschwür aus dem schwarzen Gewand. Die knochigen Zeigefinger waren drohend auf die Kinder gerichtet. »Schamlos ausgenutzt habt ihr mich. Eine arme, alte Frau kaltblütig versucht zu ermorden, und am Ende sogar noch ausgeraubt!«

    Gretel vergrub schluchzend ihr Gesicht in ihre Hände. Auch Hänsel war auf seinen Beinen und wollte gerade zum verbalen Gegenschlag ausholen, als der Richter ein weiteres Mal eingriff.

    »Ruhe!«, donnerte seine Stimme mehrfach durch den Raum, bis auch der letzte der Geschworenen und Zuschauer endlich schwieg. »Doch wenn Sie schon einmal auf den Beinen sind, wollen wir uns Ihre Variante des Tathergangs anhören.«

    »Keine weiteren Fragen an die Angeklagten - für den Moment …«, sagte der Staatsanwalt und nahm wieder Platz. »Die Verteidigung hat das Wort.«



    Akt III: Arme, alte Frau …


    »Es war der Abend des 21. April. Ich war gerade dabei, meine kleine Katze zu verwöhnen, als es an meine Türe klopfte. Zwei kleine, halb erfrorene Kinder – der Junge übrigens mitsamt seiner blauen Hosenträger – standen vor der Schwelle meines Pfefferkuchenhäuschens und …«

    »Pfefferkuchenhäuschen? Um diese Jahreszeit?«, unterbrach Richter Rumpelstilzchen die Ausfertigungen der Hexe. »Liebe Frau Klägerin«, fuhr er mit süßsaurer, tadelnder Stimme fort, »um diese Jahreszeit müssten Sie eigentlich in einem Osterei wohnen, schließlich ist Weihnachten schon längst passé. Notieren Sie das, Herr Schriftführer.«

    »… Osterei wohnen«, murmelte der Schriftführer, während sein Füller über das Papier kratzte.

    »Fahren Sie fort, Frau Klägerin.«

    »Ich lud also die beiden Kinder in mein Haus ein, ungeachtet der Tatsache, dass sie bereits angefangen hatten, die Fassade aufzuessen. Aber ich bin ja schließlich nicht nachtragend und schon gar kein Unmensch. Also …«

    »Kein Unmensch?« Diesmal war es der Verteidiger, der die alte Frau unterbrach. Er kratzte sich theatralisch an seinem Drei-Tage-Bart und fragte im gleichen Moment spitzfindig: »Können Sie uns dann vielleicht erklären, warum Sie den Beinamen ›Böse‹ tragen? Und wo wir gerade dabei sind: Wie lautet eigentlich Ihr richtiger Name?«

    Die Hexe grinste verschmitzt. »Dreimal dürfen Sie raten, Herr Verteidiger.«

    »Jetzt reicht es aber!« Nun war es der Richter persönlich, der auf seinen kleinen Stummelbeinen stand. Die grünen Schlangen, die zuvor aus seinen Augen gezüngelt waren, waren nun zu feuerspeienden Drachen geworden. Ihr lodernder Odem fauchte der Klägerin angriffslustig entgegen, willens und fähig, den Gerichtssaal einzuäschern. »Ich erachte diese Aussage als grobe Missachtung des Gerichts. Notieren Sie das, Herr Protokollführer! Und Sie …«, er deutete mit bebendem Zeigefinger auf die Hexe »fahren Sie fort! Und keine weiteren Mätzchen mehr!«, presste er zwischen malmenden Kiefern hervor.

    »Wie der Angeklagte richtig geschildert hat, tischte ich den beiden hungrigen Kindern alles auf, was meine Küche hergab. Doch wollten sich die Kinder einfach nicht mit meinen mildtätigen Gaben zufriedengeben, sondern verlangten immer mehr von mir armen, alten Frau. Endlich, nach dem vierten Nachschlag schließlich, waren sie endlich gesättigt. Doch es war bereits zu recht später Stunde, und so lud ich meine Gäste dazu ein, die Nacht in meinem Haus zu verbringen. Am nächsten Tag wollte ich den beiden noch ein paar Butterbrote auf ihren Nachhauseweg mitgeben. Folglich war ich fleißig am Brot Backen. In dem Schweiße meines Angesichts und betört von dem wohlriechenden Duft meines frisch gebackenen Brotes bemerkte ich leider nicht, wie sich die beiden Kinder heimtückisch an mich heranschlichen. Ehe ich es mir versah, hatte das Geschwisterpaar mich überrumpelt und … und …« Ihre zuletzt immer heißer gewordene Stimme brach ein. Zwischen knochigen Fingern, mit denen sie nun ihr Gesicht bedeckte (nur die krumme Warzennase schaute daraus hervor), begann sie, heiser zu schluchzen. »Mit der Kraft ihrer Jugend steckten sie mich in meinen eigenen Backofen.« Sie schüttelte sich und schnäuzte einmal, zweimal, gleich dreimal tief in ihr rot-weiß getupftes Taschentuch. Hänsel, einen Tisch weiter, steckte sich vielsagend den Zeigefinger in den weit geöffneten Mund mit heraushängender Zunge. Kurz darauf fuhr die Angeklagte mit brüchiger Stimme fort: »Mit letzter Kraft gelang es mir glücklicherweise, aus dem feurigen Verderben meines Backofens zu entrinnen. Von den Missetätern fehlte natürlich jede Spur. Wie ich im Nachhinein allerdings feststellen musste, hatten die Täter zudem meine missliche Situation schamlos ausgenutzt, um mein Hab und Gut unter ihre klebrigen Finger zu reißen. Und das ist die Wahrheit und nichts als die Wahrheit. Und jetzt, ja jetzt verlange ich Gerechtigkeit!«, donnerte sie abschließend, untermauert von dem Zorn ihrer knochigen Faust, die sie auf den Tisch schmetterte.

    »Lügen! Nichts als Lügen!«, brüllte Hänsel. »Die flunkert doch, wenn sie den Mund aufmacht!«

    »Still, du vorlautes, kleines Balg!«

    »Hässliche, alte Krähe!«

    »Rotzlöffel!«

    »Spinatwachtel!«

    »Ruhe! Ruhe im Saal!« Holzsplitter flogen durch die Luft, als der Richter seinen Fuß durch den Dielenboden hämmerte. Durch die Wucht des Richters vibrierten die eckigen Brillengläser des Schriftführers selbst nach zehn Sekunden Stecknadelruhe noch unheilvoll. Einzig und allein das Rascheln eines Taschentuchs, mit dem sich Rumpelstilzchen den Schaum vom Mund wusch, durchbrach das Schweigen. Am Ende dann atmete der Gerichtsführer einige Male tief und schwer durch, bevor er verkündete: »Das Gericht wird sich nun zur Beratung zurückziehen.«



    Akt IV: Rechtsprechung

    »Im Namen des Volkes ergeht im Fall ›Böse Hexe gegen Hänsel und Gretel‹ folgendes Urteil«, verkündete Rumpelstilzchen nach einstündiger Beratung mit den Geschworenen. »In den Anklagepunkten versuchter Mord, Körperverletzung, schwerer Diebstahl und dem Tragen blauer Hosenträger an einem Gründonnerstag werden die Angeklagten wegen mangelnder Beweislage freigesprochen. Aufgrund der Bissspuren an dem Haus der Klägerin und dem Fund einiger Habseligkeiten im Besitz der Angeklagten sehen wir die Angeklagten in den Punkten Vandalismus, Hausfriedensbruch in Verbindung mit Sachbeschädigung und schweren Diebstahls als schuldig an. Wir verurteilen sie daher zu fünfzig Tagessätzen rohem Blumenkohl. Ferner verurteilen wir wegen Missachtung des Gerichts und des Auftischens von Pfefferkuchen zur falschen Jahreszeit Frau Böse Hexe zu dreißig Tagen Wellness-Urlaub in Schneewittchens und Dornröschens 7-Zwerge-Schöhnheitsklinik. Gegen das Urteil besteht das Recht auf Berufung. Die Verurteilten haben das Recht, sich gegenseitig mit Popeln zu beschießen. Die Sitzung ist geschlossen.«