In diesem Thema habt ihr eine bestimmte Anzahl an Punkten zur Verfügung, die ihr den Texten im nächsten Beitrag geben könnt. Achtet jedoch darauf, dass ihr die Punkte, die euch zur Verfügung stehen, komplett ausschöpft. Votes, welche zu wenige oder zu viele Punkte enthalten, können leider nicht gezählt werden. Des Weiteren solltet ihr eure Punkte mindestens auf drei Texte verteilen, eure Wahl ausreichend begründen und natürlich nicht für eure eigenen Texte voten.
Es ist außerdem hilfreich, euch das "How to vote-Topic" anzusehen. Schreibt ihr in dieser Saison besonders viele Votes, habt ihr die Chance auf Medaillen. Weitere Informationen findet ihr hier: Informationen und Regeln zu den Wettbewerben.
Zitat von AufgabenstellungDas Thema dieses Wettbewerbs lautet:
Gegenteiltag!
Bei diesem Wettbewerb ist der Name Programm! Ob ihr die Rollen verschiedener Protagonisten vertauscht, sie sich anders verhalten lasst als normalerweise oder etwas wie das Verhältnis von Trainer und Pokémon komplett auf den Kopf stellt: Alles ist möglich am Gegenteiltag!
Wichtig: Ob ihr in eurer kurzen Geschichte Charaktere, Ereignisse, Sachverhalte oder alles zusammen thematisieren wollt: Es muss erkennbar sein, dass es sich um ein Gegenteil handelt. Beispiel: Wenn ihr über den Helden Ash schreiben wollt, sollte klar werden, dass er dieses Mal der Schurke ist. Wollt ihr über eines der ruchlosen Teams schreiben, sollen sie "die Guten" darstellen - das genaue Gegenteil der 'Realität' zu beschreiben ist euer Ziel!
Ein Pokémonbezug ist bei diesem Wettbewerb verpflichtend.
Ihr könnt 7 Punkte verteilen, maximal 4 an eine Abgabe
ZitatID:
AX:
AX:
AX:
Achtet dabei darauf, bei der Schablone zwischen Doppelpunkt und ID/Punktzahl ein Leerzeichen zu machen, damit die Auswertung über den Voterechner ohne Probleme erfolgen kann. Wenn ihr nicht wissen solltet, wie ihr eure ID herausfindet, könnt ihr dies unter anderem hier nachlesen.
Der Vote läuft bis Sonntag, den 15.05.2016, um 23:59 Uhr.
So oft sich die Sonne mit dem Mond abwechselt und sie sich ab und an sogar vereinen, so viele Pokémon, wenn nicht noch mehr, gibt es auf dieser Welt, seit Arceus sie geschaffen hatte. Pokémon, die unterschiedlicher nicht sein könnten und doch von ihrem Wesen her alle eins sind.
Menschen haben schon immer Gefallen an den Pokémon gefunden. Die Neandertaler hatten Blubella mit auf die Jagd genommen, während Kicklee den Frauen im Dorf bei der Zubereitung von Heilkräutern und der Nahrung half. Menschen und Pokémon waren seit jeher unwiderruflich miteinander verknüpft, und so ist dies auch noch heute so.
So richten wir unser Augenmerk nun auf einen Pokémonwettbewerb, gar nicht weit entfernt. Die zweite Runde hatte begonnen, was bedeutete, dass die Pokémon miteinander kämpfen mussten. Auf der einen Seite der Arena befand sich ein bildhübsches Mädchen mit hellblonden Locken, einem Hauch von Farbe auf den Lippen und einem eng anliegenden, blauen Kleid, welches ihre Augen zur Geltung brachte. Das Mädchen trug den Namen Jolie und war die unangefochtene Favoritin des Wettbewerbs. Das Pokémon, mit welchem sie antrat, wurde von ihr innigst geliebt, galt es doch im Allgemeinen als das schönste Pokémon, das existierte.
"Los, Barschwa, Dreschflegel!", rief die ehrgeizige Koordinatorin. Der Ruf seiner Trainerin schien etwas in dem Pokémon auszulösen, es schnellte nach vorne und griff sein Gegenüber mit harten Attacken seiner Schwanzflosse an. Dabei wirkte es ungemein elegant, seine Schuppen glänzten in dem hellen Scheinwerferlicht, seichte Wassertropfen lösten sich von seiner Haut und machten das Gesamtbild perfekt. Die Menge jubelte. Sie liebten Barschwa. Diese Pokémon waren sehr selten, und jeder, der eines besaß, konnte sich glücklich schätzen, Besitzer des schönsten Pokémon auf Erden zu sein. Es wurden immens hohe Summen für Barschwa geboten. Frauen fielen in Ohnmacht, wenn sie diesen grazilen Fisch auch nur sahen. Doch so wunderschön und begehrt dieses Pokémon auch war, so scheute es einem jeden Besitzer vor seiner Weiterentwicklung - war diese doch von Spott befallen und konnte nirgends ernst genommen werden.
Barschwa kehrte zurück auf seinen anfänglichen Platz, und nun war das gegnerische Pokémon am Zug. Sein Trainer war ein starker Mann, dessen Muskeln bei Weitem sein T-Shirt sprengten. Er hatte einen Bart und doch sehr wenig Haare. Seine Stimme aber ließ den ganzen Saal erzittern.
"Los, Karpador! Jetzt machen wir sie fertig! Platscher!" Eine unangenehme Stille folgte. Das Publikum hielt den Atem an, es fürchtete sich nämlich davor, was jetzt passieren würde. Sein Pokémon war nämlich das Stärkste von allen - Karpador. Jeder fürchtete es und wagte kaum, sich diesem mächtigen Pokémon im Kampf zu stellen. Natürlich wusste Jolie von der Stärke dieses Pokémon, doch sie hatte sich Mut zugesprochen - es würde gewiss für Schlagzeilen sorgen, dass das schönste und das stärkste Pokémon gegeneinander antraten. Doch auch Jolie war nun erstarrt, in ihrem Nacken stellten sich die Härchen auf und alle Farbe wich aus ihrem Gesicht. Es gab nur wenige Pokémon, die die Attacke Platscher beherrschten. Und keines dieser Pokémon konnte sie auch nur im Entferntesten so einsetzen wie Karpador. Ein Kloß machte sich in ihrem Hals breit, und Angst um ihr Pokémon überkam sie.
"Barschwa, Konter mit Tackle!"
Doch es war zu spät. Barschwa wurde schwer von den riesigen, herunterfallenden Wassertropfen getroffen, die es vollends umgaben. Es gab kein Entkommen. Jolie hätte nicht so siegessicher sein sollen. Sie schloss die Augen - Tränen sammelten sich an ihren Wimpern. "Barschwa, es tut mir Leid..." flüsterte sie.
Doch Barschwa war noch nicht besiegt. Das Publikum jubelte erneut aus vollem Herzen und feuerte Barschwa an. Gerade in dem Moment, als Jolie begriff, dass es noch nicht vorbei war, und sie zu der nächsten Attacke ansetzen wollte, geschah es - und abermals blieb Jolie - diesmal jedoch auch Karpadors Trainer - wie angewurzelt stehen.
Beide Pokémon leuchteten hell auf. Das Publikum hielt erneut den Atem an - einen solchen Kampf mit so einer Wendung hatte es gewiss noch nie gegeben. Das Licht wurde heller, blendete Jolie und alle anderen. Die beiden Pokémontrainer schrien, es solle aufhören - so eine Ungerechtigkeit könne es nicht geben. Und dann war es vollbracht. Anstelle des einst so schönen Barschwa befand sich dort nun seine Weiterentwicklung, Milotic. Nun liefen Tränen über Jolies Gesicht. "Nein," hauchte sie. Niemand würde ein Milotic gewinnen lassen. Es hatte gar keine Chance auf weiteren Wettbewerben, Jolie konnte ihre Karriere als Koordinatorin vergessen. Milotic war nicht ansatzweise so schön wie Barschwa und wurde zumeist betitelt als schäbig und zerfetzt. Jolie wusste, dass die meisten Menschen dieses unscheinbare Pokémon ignorieren würden. Es würde verspottet werden - Jolies Herz wurde schwer.
Doch auch der andere Trainer stand mit heruntergefallener Kinnlade da und betrachtete das, was nun vor ihm stand. Sein einst so gefürchtetes Karpador war nun einem Garados gewichen, seiner Weiterentwicklung. Garados galt als unzuverlässig, schwach und man sollte niemals große Hoffnungen in dieses Pokémon setzen. Ja, sogar erbärmlich soll es sein.
Die beiden Pokémon sahen sich verwirrt an. Sie schien ihre Verwandlung nicht im geringsten zu stören. Sie sahen sich gegenseitig an und warteten aufgeregt auf weitere Befehle ihrer Trainer. Doch keiner der beiden brachte auch nur ein Wort heraus, und ehe sie sich versahen, war die Zeit abgelaufen und der Wettbewerb vorbei. Beide Trainer waren so schockiert, dass sie das Ergebnis nicht mehr mitbekamen. Natürlich liebten sie ihre Pokémon weiterhin, doch etwas war doch anders. Es fühlte sich merkwürdig an, Pokémon zu besitzen, die einst so perfekt waren und nun nur noch verspottet würden. Doch so relativ konnte die Schönheit sein. Wer könnte sich auch vorstellen, dass sich das schönste in das hässlichste und das stärkste in das schwächste Pokémon verwandeln würde.
''Papa! Papa, wach auf! PAPA!''
Der langhaarige Mann schreckte aus seinem Sekundenschlaf und sah sich hastig um. Er saß im Wohnzimmer auf einem Sessel. Überall lag Spielzeug. Nichts brannte. Nichts war überschwemmt. So weit so gut. Wie lange hatte er geschlafen? Mehrere Minuten? Im zweistelligen Bereich? Dann war potenziell alles möglich.
''Papa, ich will huckepack!''
Der Mann sah nach unten und entdeckte sein jüngstes Kind. Der kleine Junge stand vor ihm und hatte erwartungsvoll die Arme ausgestreckt. Mit einem Seufzen trennte der Erwachsene sich vom Sessel und richtete sich auf. Als er den Jungen hochhob und auf seine Schultern setzte, knackten seine Halswirbel dabei unüberhörbar laut.
''Papa, dein Hals macht Geräusche.''
Der Mann begann, sich durch den chaotischen Raum vorwärts in Richtung des Zimmerausgangs zu bewegen. Dabei gab er sich alle Mühe, dem Skateboard und dem Basketball auszuweichen, die ihm im Weg standen. Was taten diese Sachen überhaupt innerhalb des Hauses?
''Ja, mein Hals ist wie eine Maschine. Wahrscheinlich muss er mal wieder geschmiert werden. Wollen wir Saft trinken?''
Der Junge patschte mit seinen kleinen Händen fröhlich einen Rhythmus auf dem Kopf des Mannes. ''Au ja'' – Patsch! - ''ich will'' – Patsch! - ''Saft!'' ...Patsch!
Nach wenigen weiteren Metern: ''N, bitte nimm deine Hände von meinen Augen. Papa sieht sonst nichts.''
''Das ist erhöhter Schwierigkeitsgrad, Papa! Du bist auf einem neuen Level! Juhu!''
Trotz Ns Versuchen schaffte das Duo es ohne nennenswerte Katastrophen zum Flur. Gebückt, damit der Junge sich nicht den Kopf am Türrahmen verletzte, trat der Mann auf den Gang hinaus und begab sich an zwei geschlossenen Türen vorbei zur Küche. Wo ihm sofort die Kinnlade herunterfiel.
''N, nimmst du bitte kurz die Hände von Papas Gesicht?''
Der Junge dachte nach und entschied, zumindest eine Hand von den Augen seines Vaters zu nehmen. Welcher das eine Auge am liebsten sofort wieder geschlossen hätte. Der Raum sah aus wie nach einem Tornado. Auf dem Boden lagen Fetzen eines Salatkopfes. Tomatenscheiben waren überall, sogar auf Stühlen und auf den Schränken. Und im Deckenventilator hatte sich irgendwie eine Zwiebel verfangen.
Mit Mühe versuchte der Mann, einen Aufschrei zu verhindern, als sein Blick auf die Messer fiel, welche scheinbar achtlos in einer veralteten Gurke feststeckten wie ein Schwert in einem Stein.
''Minna! Kommst du bitte kurz her?''
Nach wenigen Sekunden wurde eine Tür geöffnet. Ein paar Schritte ertönten, dann erschien eine junge Frau mit exzentrischer Frisur in der Tür. Sie tippte wie gebannt auf ihrem Smartphone herum und warf höchstens für Sekunden einen Blick auf die anwesenden Personen im Raum. ''Was gibt’s, G-Cis?''
''Oh, Elfi. Weißt du, was hier passiert ist?''
Mit einer Hand deutete G-Cis in die allgemeine Richtung der Verwüstung, mit der anderen stütze er N auf seinen Schultern ab.
Die junge Frau blickte kurz in den Raum. ''Na, da hat offensichtlich Minna für ihren Job im Schnellimbiss trainiert. Du weißt ja, die müssen dort das Essen vor den Augen der Kunden zubereiten.''
''Ja, schon, aber,'' er deutete auf die Zwiebel im Ventilator, ''wie konnte das passieren? Das entbehrt jeglicher Logik! Elfriede. Sag bitte etwas.''
Elfriede blickte gar nicht erst hoch.
''Na, dann braucht Minna offensichtlich noch sehr viel mehr Übung, behaupte ich mal.''
''Und wieso hat sie hinterher nicht aufgeräumt?''
''Na, sie musste zu ihrer Arbeit. Im Schnellimbiss. Du weißt, wie streng ihr Chef ist.''
''Ja, schon...''
G-Cis kannte Minnas Chef, Achromas, persönlich und ihm war klar, dass er besessen von Pünktlichkeit war. Der Mann war Wissenschaftler gewesen, bevor ihm die Finanzierung ausgegangen war. Dann hatte er einen Schnellimbiss aufgemacht und verdiente seither damit sein Geld. Dennoch hielt er daran fest, dass seine Mitarbeiter den gleichen Eifer an den Tag legten, wie es einst seine Hiwis im Labor getan hatten.
Elfriede blickte nun tatsächlich von ihrem Smartphone auf.
''Außerdem, ist es nicht löblich, dass sie versucht hat, in ihrer Freizeit für ihren Job zu üben? Das ist doch eine gute Eigenschaft.''
G-Cis seufzte. ''Ja, natürlich ist das eine gute Eigenschaft. Aber!'' Er deutete auf die Zwiebel im Ventilator. ''Wie. Konnte. Das. Passieren?''
Elfriede zuckte nur mit den Schultern und verließ den Raum wieder.
Dafür wollte N, der bisher gebannt zugehört hatte, nun wieder Aufmerksamkeit. Er legte nun auch über G-Cis zweites Auge eine Hand und verlangte lautstark nach seinem Saft.
G-Cis bewegte sich aus dem Gedächtnis zum Kühlschrank, stapfte dabei aber barfuß in die nassen Fetzen des Salatkopfs und konnte sich einen panischen Aufschrei nicht verkneifen. Nachdem er die Saftpackung aus dem Kühlschrank genommen hatte, lies sich N nach einigem Verhandeln dazu überreden, sich von G-Cis Rücken auf einen Stuhl zu setzen, um den Saft zu trinken. Sofern sein Ziehvater sich in ein Trikephalo verwandelte.
Der ältere Mann stand kurz regungslos da, dann hob er beide Hände und formte mit den Fingern zwei weitere Münder und begann, mit ihnen gespielt nach N zu schnappen und kitzelte ihn. Der Junge lachte laut auf, während G-Cis durch die Küche trampelte und dabei weiter mit seinen beiden Händen in die Luft schnappte. Schließlich fand er zwei Gläser, in denen weder Zwiebeln noch Tomaten oder Salat oder Gurken oder Messer steckten und setze sich damit an den Tisch.
In einem kurzen Moment der Stille tranken Vater und Sohn ihren Saft. In Gedanken plante G-Cis bereits sein weiteres Vorgehen. Er würde die Küche aufräumen müssen. Danach wären die Outdoor-Spielsachen im Wohnzimmer dran. Und dann müsste er wohl einkaufen gehen, aber das ließ sich relativ schnell erledigen. Gerade als er sich eingeredet hatte, dass das noch ein verhältnismäßig entspannter Tag war, klingelte es an der Tür.
N blickte sofort auf. ''Papa! Das ist jemand! Besuch, Besuch!''
Dann wurde das Schloss von außen geöffnet. Es musste Minna sein, aber sie war viel zu früh dran. G-Cis ahnte, dass irgendetwas vorgefallen war und erhob sich aus dem Stuhl. Als er den Flur betrat, sah er nur kurz, wie Minna an ihm vorbeirauschte. ''Hi, Dad.''
''Hey, Minna. Was ist denn los?''
Sein Blick fiel auf die Tür. Dort stand Achromas. Er hatte sie scheinbar mit seinem Auto nach Hause gefahren.
Als G-Cis nach draußen zu seinem Freund trat, hatte dieser ihm den Rücken zugedreht.
''Weißt du, wieso ich das tun muss?''
''Was?''
''Ich habe deine Tochter entlassen.''
''Oh, wieso?''
''Zwiebeln. Im Ventilator.''
G-Cis heulte auf.
''Echt?''
Achromas drehte seinen Kopf und warf ihm einen Seitenblick zu.
''Ja, echt. Es gab Augenzeugen, ich selbst war auch dabei und wir haben die Aufzeichnungen der Überwachungskamera. Dennoch bin ich nicht in der Lage, nachzuvollziehen wie die Zwiebeln drei Meter hoch in die Luft geflogen sind und sich im Ventilator verfangen konnten. Ich schwöre, hätte ich die Ressourcen, würde ich die miserablen Kochkünste deiner Tochter einer Langzeitstudie unterziehen, aber ich muss darauf achten, dass mein Restaurant'' – dieses Wort betonte er Silbe für Silbe – ''auch weiterhin finanziell erfolgreich ist. Also habe ich deine Tochter entlassen.''
G-Cis wusste, dass er darauf etwas erwidern sollte, aber ihm fiel beim besten Willen nicht ein, was. Achromas hatte schon Recht. Mit gesenkten Schultern wandte er sich langsam um, als Elfriede, ihr Smartphone in der Hand, an ihm vorbeieilte und sich auf die Straße begab.
''Elfi, wo gehst du hin?''
''Ich muss wohin.''
''Wohin? Wann kommst du wieder?''
Seine Tochter war bereits weg. Als nächstes kam N schreiend angerannt. ''Papa! Minna ist wieder in der Küche! Sie hat noch eine Zwiebel gefunden!''
Achromas zog sein eigenes Handy hervor. ''Dürfte ich vielleicht mitkommen und das Ganze filmen? Für die Nachwelt?''
G-Cis wollte sich gerade in die Küche begeben, als N ihm mit aller Kraft in die Wade biss. ''Aah! N, was soll das?''
Der Junge krallte als nächstes seine Finger in das andere Bein seines Vaters. ''Iff bin eib Tripeffalo, Baba.''
G-Cis gab auf und schrie laut auf. Es war ein verzweifelter, animalischer Laut, welcher die ganze Nachbarschaft erfüllte
und plötzlich
wachte er auf. Schweißgebadet sah G-Cis sich um. Er war in keinem Haus, sondern in seiner vertrauten Gefängniszelle. Da war seine Kloschüssel, dort sein Stuhl. Und er selbst lag auf seiner eigenen Matratze und hatte seine Decke umklammert. Das war alles seins. Er war allein und musste sich um niemanden kümmern.
''Arceus sei Dank,'' murmelte er.
''Es war nur ein Albtraum.''
Es war ein wunderschöner Sommertag im Vertania Wald, die Blumen blühten und die Raupi sonnten sich zwischen den Taubsis. Alles schien so friedlich, so unberührt, so rein… Bis plötzlich mit lauten Klingeln ein Fahrrad zwischen den Bäumen hervorrauschte! Ein altbekanntes Gesicht saß darauf: Ash Ketchum, seines Zeichens Pokémon Trainer, Meister und „der allerbeste, wie es keiner vor ihm war“. Doch heute schien er irgendwie anders zu sein. Sein Gesicht zierte ein fieses Grinsen und er kümmerte sich nicht um all die Pokémon, die verwirrt aus ihren Verstecken schauten. Auch hatte er Pikachu nicht bei sich und was am meisten verwunderte: Anstatt wie jeder normale Bewohner der Pokémon Welt vor kleinen Vorsprüngen verzweifelt stehen zu bleiben, fuhr er sie mit einem Siegesschrei einfach hoch! Was ein Glück, dass Officer Rocky immer sofort zur Stelle war, wenn eine Straftat begangen wurde! Auf ihrem Fukano ritt sie in den Schauplatz des Geschehens ein und merkte schnell, wie dumm das eigentlich aussah. Schnell stieg sie ab und rief: „Ash Ketchum! So geht das aber nicht! Du bist verhaftet! Los Arbok!“ Moment… Arbok? Officer Rocky fiel durch den Rückstoß des Pokeballs die Perücke vom Kopf. Es war James von Team Rocket! Hatte er sich etwa umschulen lassen und war jetzt auf eigene Faust unterwegs? Wieso hatte er Jessies Pokémon? Hatte er sie etwa ermordet undausgeraubt? Dann wäre ein Anschlag von Team Rocket ja endlich mal erfolgreich gewesen! Hatte er vielleicht doch zu seinem wahren Geschlecht gefunden und hieß jetzt Jane? Fragen über Fragen und auch unserem Bösewicht Ash schien das langsam zu seltsam zu werden. Mit geübten Sprüngen sprang er noch die letzten Vorsprünge hoch und rauschte mit Vollgas aus dem Wald. Officer Rocky… Äh, James… Oder Jane? Ach egal, er/sie/es sah ihm verdutzt hinterher und verließ fluchend die Scene, diesmal aber ohne auf Fukano davonzureiten.
Währenddessen in Mamoria City: Ash der Fahrradrowdy ohne Pikachu sorgt für großen Aufruhr durch das Verteilen von Sonderbonbons an alle Dodus der Stadt. Bevor man dieses neue Problem in den Griff kriegen konnte, war er auch schon mit seinem Fahrrad in den Supermarkt gefahren. Alles was man hörte, waren des Professors Worte: „Du kannst hier nicht…“ gefolgt von einem gepeinigten Aufschrei eben jenes, bevor Ash mit den Taschen voller Flegmon-Ruten den Laden auf seinem Fahrrad verließ. Sein nächstes Ziel war die Arena. Der Arenaleiter Rocko und sein bescheidener und gar nicht angeberischer Lebensgefährte Gary Eich waren leider grade nicht da. Welch Unverschämtheit, dass Arenaleiter ein Privatleben haben konnten!Ash fand das natürlich gar nicht Owei und trat eine Tür ein, die eigentlich gar nicht verschlossen war, aber es ging ja ums Prinzip! Zu seiner Überraschung fand er dahinter eine Gruppe Farbeagle, die fleißig Orden am Bemalen waren. Hatte er etwa einen Schwarzmarkt gefunden?War das eine Therapieeinrichtung für künstlerische Pokémon? Gehörte dieses Pokémon überhaupt in diese Region? Solche Fragen hätte Ash sich in diesem Moment stellen können, doch ihn interessierte nur der Fame und die damit einhergehenden Frauen, also nahm er sich einfach von jedem Orden gleich 2 Exemplare mit. Doppelt hält ja bekanntlich besser.
Als er die Arena wieder verließ, diesmal aber ohne Fahrrad, er musste ja unerkannt bleiben, lief er direkt in die Arme von Gary Eich, der ihn erstmal ordentlich herzte. Immerhin war sein allergrößtes Vorbild auch endlich aufgetaucht! Rocko hatte natürlich vollstes Verständnis für die Reaktion seines Lovers, sah die beiden aber trotzdem mit weit aufgerissenen Augen an. Er wurde zum Tee eingeladen, lehnte aber ab, da in der großen weiten Welt schließlich alle Frauen hinter ihm herlaufen sollten, denn Geld, Frauen und Liebe sind ja bekanntlich viel wichtiger als Pokémon. Auf dem Weg aus der Stadt heraus stellte sich ein in die Jahre gekommener Mann in seinen Weg. So hatte Ash sich seinen Fame nicht vorgestellt… „Yo du kleines Kind, ich hoffe doch du find – est meinen Stil sick, auch wenn ich keine Mütter fick“, fing der alte Mann an zu rappen. Ash gab ihm ein freshes ‘Thumbs Up‘, er sprach genau seine Sprache. Aber anstatt ihn nach seiner Rap-Einlage durchzulassen, blockierte der alte Mann immer noch seinen Weg. „Was willst du denn noch du alter Sack“, frage Ash ungehalten und der Mann antwortete: „Junge, hast du denn schon den Arenaorden der Stadt?“ „Natürlich! Ich habe alle Arenaorden! 2 Mal!“, gab Ash stolz zurück und zeigte dem alten Mann seine Orden. Der Alte schnaubte nur ein verächtliches „Cheater“ hervor, bevor er zur Seite trat. Ash konnte seinen Weg also ungehindert fortsetzen. Als er an einem Trainer vorbei lief, tat sich nichts. Das verwirrte auch Ash, und er winkte mit der Hand vor dem Gesicht des Trainers rum. Wieder keine Reaktion. „Sag mal, musst du mich nicht zum Kampf herausfordern?“, fragte er verwirrt und der Trainer schüttelte den Kopf. „Nur Trainer, denen ich nicht in die Augen sehen kann, werden von mir zum Kampf herausgefordert“, antwortete er. „Aber ich besitze 16 Arenaorden!“ „Trotzdem nicht“ und Ash schüttelte auch den Kopf. Wie sollte das denn weitergehen, wenn niemand ihn herausfordern wollte und er so niemandem seinen Fame unter die Nase reiben konnte??? Das deprimierte ihn zutiefst, so dass er sein Leben nicht mehr so weiterführen wollte. Das war doch sicher alles nur ein schlimmer Traum oder eine Verwechslung, ein Paralleluniversum… In Embrionalstellung kauernd verkroch er sich in die nächste Ecke und weinte sich in den Schlaf. Warum ihn sein Leben so zu hassen schien? Einige munkeln, es läge an sadistischen Autoren oder komischen Aufgabenstellungen, aber das ist sicher nur ein fieses Gerücht.
Ende
Mit aufgeregt schlagendem Herzen bahnten sie sich einen Weg durch den dichten Wald. Einer Legende zu Folge herrschte hier ein beeindruckendes Wesen, welches so mächtig war, dass es angeblich Wünsche erfüllen konnte. Doch selbst wenn es dies nicht konnte, wollte Louis unbedingt dieses Wesen sehen. Gemeinsam mit Lucie hatte er sich in diesen Wald gewagt. Zu dieser Jahreszeit blühte es überall. Der Wald wirkte weder unheimlich noch gefährlich. Selbst die Pokémon, denen sie begegneten, waren von friedfertiger Natur. Seien es die zahlreichen Dartiris oder die scheuen Kronjuwilds mit den kleinen Sesokitz an ihrer Seite. Lucie hatte sogar ein paar Hubelupf gesehen.
„Irgendwo muss es sein, da bin ich sicher“, sagte Louis zuversichtlich zu Lucie. Sie waren wie Geschwister aufgewachsen, obwohl sie nicht verwandt waren.
„Es wird bald dunkel“, sagte Lucie und sah zum Himmel hinauf. So schön die Sonne auch war, vor der einbrechenden Nacht hatte sie Angst.
„Sollten wir nicht lieber zurückgehen?“, fragte sie Louis, doch der verneinte. Sie gingen weiter und waren bald so tief im Wald vorgedrungen, dass sie nicht wussten, wie weit sie von Zuhause entfernt waren. Die Nacht brach herein und sie hatten immer noch nichts gefunden.
„Wir sollten zurück, Louis, bitte!“, drängte sie ihn, da die Schatten um sie herum immer größer wurden.
„Aber wir haben es noch nicht gefunden!“, begehrte er auf.
„Egal, ich will nach Hause“, antwortete Lucie und sah sich verängstigt um, als sie knackende Äste hörte.
„Hab keine Angst, die Pokémon tun uns nichts“, versuchte Louis sie zu beruhigen, aber es gelang ihm nicht. Es wurde nicht besser. Die Orientierung fiel zunehmend schwerer, weil ihnen das Licht fehlte. Louis ärgerte sich, dass er nicht daran gedacht hatte eine Lampe mitzunehmen.
„Louis … “, begann Lucie von Neuem und erschrak fürchterlich, als sie ein unheimliches Geräusch hörte.
„Was war das?“, fragte sie, doch Louis konnte ihr keine Antwort geben. Auch er war angespannt und spähte in den Wald. Nichts konnte er erkennen.
„Vielleicht nur ein Chevrumm?“, meinte er.
„Leben die denn hier?“, fragte Lucie skeptisch und er zuckte mit den Schultern. Er wusste es nicht. Dann plötzlich konnten sie zwischen den dicken Stämmen der Bäume unheimliche Lichter aufleuchten sehen.
„Was ist das?“, wollte Lucie verängstigt wissen und klammerte sich an Louis Arm. Kein Wort verließ seine Kehle, denn er war unfähig etwas zu sagen, als sich zwischen den Bäumen Kreaturen hervor stahlen. Ein mächtiger alter Baum gab furchteinflößendes Knarren von sich, als er sich ihnen näherte. Den beiden ging auf, dass es sich um ein Trombork handeln musste. Lucie schrie vor Angst auf und Louis war wie erstarrt. Neben Trombork tauchten auch Flabébés und Floettes auf, deren Blüten schwarz waren. Sie schwebten um die zwei Menschenkinder herum und gaben ein beängstigendes Lachen von sich. Lucie kniff die Augen zusammen, doch Louis sah alles. Die Pokémon griffen sie nicht an, aber sie wollten ihnen Angst machen.
„Was wollt ihr von uns?“, rief er ihnen zu, ohne eine Antwort zu erhalten.
„Geht weg! Lasst uns in Ruhe!“ Auf seine Worte hin hörte er nur wieder das unheimliche Lachen der Pokémon, die nicht verschwanden. Es schien, als machten sie sich über ihn lustig. Paragonis waren ebenfalls anwesend und schwirrten wie die Flabébés und Floettes um sie herum, bis sich eine weitere Gestalt aus dem Dickicht löste.
„Lucie, sieh nur!“, sagte Louis und konnte es kaum glauben. Seine Augen waren weit aufgesperrt, denn das war es, was er hier gesucht hatte. Das Wesen des Waldes, der König dieses Gebiets. Endlich! Louis war so fasziniert von ihm, dass er ein paar Schritte voran machte, ohne auf die anderen Pokémon zu achten. Lucie ließ ihn automatisch los, denn sie hatte Angst dem Waldkönig näher zu kommen.
„Louis, bleib bei mir!“, bat sie ihren Freund, der nicht auf sie hörte.
Von eleganter Schönheit baute sich das Waldwesen zu seiner vollen Größe auf. Sein mächtiges Geweih verlieh ihm eine imposante Gestalt und wirkte wie die Krone von Xerneas. Der untere Leib war ganz in schwarz, so dass es etwas schwierig war ihn in der Dunkelheit zu erkennen, doch Kopf und Hals waren von einem satten Rot.
„Was habt ihr hier zu suchen?“, hörte Louis eine Stimme und war sich sicher, dass es die von Xerneas sein musste. Er wollte zu einer Antwort ansetzen, doch Xerneas kam ihm zuvor.
„Ihr seid unaufgefordert in meinem Wald eingedrungen. Elendes Pack! Ihr dürft hier nicht sein!“ Lucie erschrak sich. Sie fand die Stimme unheimlich und wich ein paar Schritte zurück.
„Aber wir sind doch hier her gekommen, weil wir dich treffen wollten!“, sagte Louis frei heraus und versuchte näher an Xerneas heranzukommen. Ein fataler Fehler, wie er feststellen musste. Das mächtige Pokémon bäumte sich auf die Hinterläufe auf und schrie in die Nacht hinaus.
„Eindringlinge müssen vernichtet werden!“ Es schien, als würde es gar nicht auf Louis hören wollen oder überhaupt den Menschen eine Chance lassen sich zu erklären.
„Xerneas!“, rief Louis aus und wollte mit dem Waldkönig reden, doch dieser ließ es nicht zu. Die Pokémon um sie herum kreischten erbost auf, wirbelten um sie herum und lachten unheimlich, während Xerneas voran stürmte.
„Eindringling!“, hörte Louis noch einmal, danach die kreischende Stimme von Lucie, die seinen Namen brüllte.
„Louis!“ Er bekam einen heftigen Hieb von Xerneas ab, der ihn mehrere Meter fliegen und unsanft auf dem Boden aufprallen ließ. Mit einem Stöhnen stellte Louis die Schmerzen fest. Vielleicht hatte er sich etwas gebrochen, denn er war unfähig sich aufzurichten.
„Louis!“, brüllte Lucie noch einmal auf, hatte aber keine Chance zu ihm zu kommen. Die anderen Pokémon hinderten sie daran während Xerneas sich nahe zu Louis stellte. Sein Geweih leuchtete im glühenden Rot auf und der Schmerz in Louis Brust wurde unerträglich. Der Waldkönig absorbierte seine Energie und so spürte Louis wie mehr und mehr Leben aus ihm wich und es mit ihm zu Ende ging. Irgendwo im Hintergrund hörte er das weinerliche Aufschreien von Lucie. Wäre er doch bloß niemals mit ihr in den Wald gegangen …
„LOUIS!“ Lucie schrie so laut sie konnte und versuchte zu ihrem Freund zu gelangen, doch das große Trombork packte sie mit seinen mächtigen Asthänden. Es schien alles verloren.
„Auch dir werde ich die Energie rauben“, drohte Xerneas dem Mädchen. Bitterlich weinte sie und versuchte sich aus dem festen Griff zu befreien, aber es gelang ihr nicht. Nicht ohne fremde Hilfe. Ein heller Blitz schoss durch die Dunkelheit und traf Trombork, welches durch die elektrische Attacke schweren Schaden nahm. Sie war so effektiv, dass Trombork seinen Griff löste und Lucie frei kam. Diese war erschrocken über die Wendung und stellte fest, dass der Donnerblitz von einem Luxtra gekommen war, was weiter weg stand. Es schnaubte auf und knurrte, so dass seine Mähne wild in jede Richtung ab stand.
„Es ist genug, Xerneas!“ Eine weitere Stimme mischte sich ein, aber sie kam nicht von Luxtra, sondern von einem Pokémon, welches Lucie niemals zuvor gesehen hatte. Mit großen Augen sah sie, wie es vom Himmel hinab glitt und einen dunklen Energieball auf Xerneas abfeuerte. Es musste eine Unlicht-Attacken gewesen sein. Sie sah, wie Xerneas überrascht vor Schmerz aufschrie. Offenbar war diese Attacke effektiv, dass sie Xerneas dazu brachte von Louis zu weichen. Ihm wurde keine weitere Energie mehr abgesaugt, doch er rührte sich nicht und Lucie fürchtete das Schlimmste. Sie wollte nicht, dass es so endete! Während sie aufsprang, um zu ihrem Freund zu laufen, schossen Kapunos und Duodinos hervor und griffen die Flabébés und Floettes an. Sie jagten sie mit ihren Unlicht- und Drachenattacken fort. Die Feen-Pokémon waren nicht in der Lage diese abzuwehren, denn ihre eigenen Attacken waren nicht mal ansatzweise so wirkungsvoll gegen die Angreifer.
Luxtra griff im Gegenzug wieder Trombork an und eine kleine Schar an Sheinux warf sich auf die Paragonis.
„Wie kannst du nur?“, warf Xerneas Yvetel vor, denn niemand sonst war aufgetaucht. Yvetel strahlte in einem satten blau und schwarz. Seine Flügel waren so eindrucksvoll wie Xerneas Geweih.
„Das sollte ich dich fragen! Verschwinde Xerneas, lass die Menschen gehen!“, forderte Yvetel. Obgleich es Xerneas nach einem Kampf dürstete, zog es sich zurück. Es musste sich eingestehen, dass es in dieser Nacht nichts weiter tun konnte, denn seine Anhänger waren bereits zurück geschlagen.
„Louis, nein … bitte“, hörte Yvetel die flehende Stimme des Mädchens und flog zu ihr. Der Junge rührte sich nicht und schien tot zu sein. Ein Umstand, der nicht hätte eintreten müssen und da dieses Opfer so ungerecht erschien, schöpfte Yvetel von seiner Kraft und spendete diese dem Jungen. Mit einem Schnappen nach Luft erwachte Louis und Lucie fiel ihm freudig um die Arme.
„Oh ein Glück, du lebst!“ Sie weinte diesmal vor Glück. Louis verstand nicht recht, was geschehen war, doch als er aufsah und Yvetel erblickte, wurde ihm langsam einiges klar.
„Du hast mich gerettet? Wie kann ich dir dafür danken?“, fragte er das mächtige Pokémon.
„Lebe dein Leben, mehr verlange ich nicht“, antworte es ihm und verschwand in den Weiten des Himmels. Louis war hier her gekommen, um Xerneas zu treffen, doch viel besser war es gewesen Yvetel kennenzulernen. Denn dieses hatte ihn gerettet!
Wortlos schritt N durch das riesige Schloss der Familie Harmonia. Ein richtiges Palais, der sich auch vor dem Magnum-Opus-Palast in Kalos nicht zu verstecken brauchte. Um genau zu sein war es eben diesem ja nachempfunden, nur noch größer, noch prächtiger. Nach ihrem Sieg über den „Helden“ von Einall hatte Team Plasma die Macht an sich gerissen. Jetzt regierten die Harmonias wie absolutistische Kaiser, über ein glückliches Volk, das man beschützte und förderte. Zumindest machte man das eben diesem Volk weiß. Aber N, als aktueller Thronfolger, wusste die Wahrheit. Die Bevölkerung wurde ausgebeutet, bei auch nur einem Verdacht auf Opposition folgte die Todesstrafe. Aber um ehrlich zu sein…es interessierte ihn nicht. Ihn interessierte nicht, dass seine Untergebenen keine Rechte hatten. Ihn interessierte nicht, dass man mit dieser Form der Behandlung gegen sämtliche Menschenrechte verstieß. Aber, um ehrlich zu sein…interessierte ihn das nicht. Ihm ging es gut, seinen wichtigsten Pokémon auch. Wieso also sollte er sich Sorgen um andere machen? Okay, es würde ihm auch ohne seine Pokémon gut gehen. Den Zwang, dass es den Pokémon gut gehen musste, hatte er ja schon lange abgelegt. Er driftete mit den Gedanken ab, als er durch die marmor- und goldgeschmückten Gänge schritt. Vor seinem geistigen Auge erschienen Bilder, Erinnerungen an die Zeit vor ihrer Machtübernahme. Der junge Mann hasste diese Zeit, in der er noch an eine Freundschaft zwischen Mensch und Pokémon geglaubt hatte. Als er sich seinem Vater noch widersetzt hatte. Wie naiv er doch gewesen war. Jetzt wusste er, wo sein Platz in dieser Welt war, nämlich als Thronfolger G-Cis‘. Ebenso hatte er die Pokémon an ihren rechtmäßigen Platz verwiesen, den als Werkzeuge von Team Plasma. Mehr waren sie ohnehin nicht wert. Es hatte gedauert, bis er von seiner falschen Weltanschauung gewichen war. Aber sein Vater hatte nicht geruht, bis er ihn endlich auf den rechten Pfad gebracht hatte. Und es war wirklich besser, seit er sich nicht mehr mit den unwichtigen Problemen niederer Lebewesen herumschlug. Es erleichterte das Leben einfach ungemein. Während er so gedankenverloren durch die Gänge schritt, streifte ihm ein Felilou um die Beine. Anscheinend wollte es gekrault werden. Aber doch nicht von ihm. Ohne jede Gefühlsregung ging der junge Harmonia weiter, wobei er dem Unlichtpokémon ganz „aus Versehen“ auf den Schweif trat. Auch als es begann zu kreischen – keine Regung in seinem Gesicht, er ging unbeirrt weiter. Früher hätte ihn das ziemlich mitgenommen, wenn er so etwas getan hätte. Wie schwach er doch gewesen war. Aber jetzt interessierte es ihn einfach nicht mehr. Immerhin war es doch nicht seine Schuld, wenn das dumme Vieh seinen Schweif direkt unter seine Füße legen musste. Schlussendlich kam er an seinem Ziel an: Vor sich hatte er ein meterhohes Portal, gehalten in reinem Blau, mit goldenen Verzierungen. Ein wirklich prunkvolles Stück. Zwei niedere Handlanger, Namen musste er ohnehin nicht wissen, öffneten ihm das Tor, wobei sie den Kopf gesenkt hielten. Gut so, sie wussten, wo sie standen. Das ersparte ihm den Ärger, ihnen Manieren beibringen zu müssen. Hinter dem Tor erstreckte sich eine gigantische Halle, mehrere Meter hoch und mindestens hundert Meter breit, erbaut aus reinstem, weißen Marmor. Der einzige Ort, der nicht marmorweiß glänzte, war ein purpurner Teppich vom Eingang in die Mitte des Raumes. Dort endete er vor einem Podest, auf dem ein goldverzierter Thron emporragte. Und auf diesem Thron befand sich er. Langsam, respektvoll schritt N auf die Mitte des Raumes zu, kniete vor der Person im Thron nieder und senkte seinen Kopf, um G-Cis‘ Schuhe zu küssen.
----------------------------------------------------------------
Schweißgebadet schreckte N hoch. Sein Puls raste, der Schweiß rann von seiner Stirn. Hektisch sah er sich um. Kein Marmor, kein Schloss. Nur die Nacht, erhellt vom Mondlicht. Um ihn herum lauter schwache Schatten der Bäume, ein Noctuh rief in den Wald hinein. Langsam beruhigte er sich wieder. Er war nicht in diesem Schloss. Und er war noch in der richtigen Zeit, nicht in einer verdrehten Zukunft wie gerade eben. Ein besorgter Laut neben ihm erregte seine Aufmerksamkeit. Sein Zorua. Es machte sich Sorgen um ihn. Auch, wenn es das wahrscheinlich nicht sehen konnte, lächelte N den kleinen Fuchs an und strich ihm sanft über die Stirn. „Keine Angst, Zorua, mir geht’s gut. Das war nur ein böser Traum.“
In einem Keller unterhalb einer gewissen Stadt saß einer der erfolgreichsten und wohltätigsten Menschen, welche die Kanto-Region je gesehen hatte. Er hatte eine durchaus beeindruckende Statur, jedoch auch eine leicht blasse Haut, die ihn irgendwie unscheinbar wirken ließ, während gleichzeitig ein angeborener leicht finsterer Gesichtsausdruck dafür sorgte, dass er vielen Leuten auf den ersten Blick zwangsläufig unfreundlich vorkommen musste – ein Problem, unter dem er schon öfter hatte leiden müssen, doch konnte er nun einmal nichts dafür, dass er so aussah wie er eben aussah. Der Mann saß auf einem Sofa hinter einem Schreibtisch in einem sehr freundlich eingerichteten Büro mit mehreren Topfpflanzen, Gemälden und einem schönen roten Teppich, der den Boden zierte. Jedoch gab es auch einen Computer und diverse größere Maschinen zur Überwachung des Gebäudes an den Wänden, welche den gemütlichen Eindruck des Raumes aber nicht sonderlich störten.
Dem Mann gegenüber saß sein Assistent, mit dem er gerade einen Auftritt im Fernsehen simulierte, da er leider unter fürchterlichem Lampenfieber litt. Anlass des Auftrittes war, dass er mal wieder eine größere Spende für ein soziales Projekt ausgegeben hatte und man ihn deshalb interviewen wollte. Es mochte arrogant erscheinen, dass er mögliche Fragen einübte, doch es war wirklich nur der Tatsache geschuldet, dass er sonst im schlimmsten Fall nur ein unverständliches Gestammel zustande bringen würde.
„Also“, begann sein Assistent, indem er auf übertriebene Art den typischen Tonfall eines Talkshow-Moderators imitierte, „Sie haben soeben ein Projekt aus Lavandia unterstützt, welches Pokémon, die von ihren Trainern verlassen wurden, ein angemessenes Zuhause anbietet sowie die psychologische Betreuung der nicht selten traumatisierten Wesen gewährleistet. Die Frage ist: Warum genau dieses Projekt?“
„Nun, sehen Sie“, antwortete der Mann, „ich war erst letztens in Lavandia und habe gesehen, welch fantastische Arbeit die Leute dort geleistet haben, aber es war leider auch deutlich zu sehen, dass noch viel mehr getan werden könnte, wenn nur die nötigen Mittel zur Verfügung ständen. Und irgendwo muss man zu helfen anfangen, nicht?“
Er machte eine kurze Pause, um dem imaginären Moderator sowie dem Publikum ein wenig Zeit für ein kleines Gelächter zu geben, bevor er fortfuhr: „Sehen Sie – ich bin in der glücklichen Position eines erfolgreichen Spielhallenbesitzers und man muss es vielleicht rundheraus sagen, dass es unserer Branche wirtschaftlich sehr gut geht, da sollte man nach Möglichkeit versuchen, auch denjenigen ein Stück vom Kuchen abzugeben, die weniger Glück hatten. Und wenn man dann noch sieht, wie sich langsam ein Lächeln auf das Gesicht eines bisher immer traurigen Pokémon schleicht, dann ist das doch unendlich mehr wert als alles andere...“
Ein gellendes Alarmsignal ertönte, während gleichzeitig zahlreiche rote Warnlichter auftauchten.
„W-Was…?“, machte der Mann verdattert. „Das ist der Eindringlingsalarm…“
„Jemand muss sich Zutritt zu unserem Hauptquartier verschafft haben“, meinte der Assistent alarmiert.
„Aber wer würde so etwas tun? Und warum?“
„Da bin ich überfragt, Boss, aber wir sollten so schnell wie möglich die Polizei rufen.“
Der Assistent griff nach einem Telefon, doch die Leitung war tot.
„Vielleicht sollten wir am besten versuchen, das Gebäude zu verlassen“, sagte der andere Mann. „Kein Raum in unserem Hauptquartier ist wirklich sicher.“
Der Assistent nickte und sie wandten sich hastig zum Gehen, doch als sie die Tür des Raumes erreichten, wurde sie von außen aufgerissen und ein Mann trat ein. Er war nicht besonders groß, etwas korpulent und hatte einen irgendwie eiförmigen Kopf. Seine Haare bildeten einen weißen Haarkranz, der rundherum um seinen Kopf verlief. Außerdem trug er einen großen Schnurrbart und einen sehr teuren Anzug.
„Ah, sehr gut“, sagte er mit einem süffisanten Grinsen. „Ich war mir nicht sicher, ob ich Sie noch antreffen würde.“
Die beiden Männer wichen vor diesem ungewöhnlichen Neuankömmling zurück, als sie bemerkten, dass ihm ein bedrohlich wirkendes Kangama folgte. Hinter diesem kam außerdem eine junge, blonde Frau mit einem Aktenkoffer in den Raum getreten.
„Erinnern Sie sich noch an mich, Giovanni?“, fragte der dicke Mann. „Wir haben uns mal auf einem Wirtschaftskongress gesehen.“
„Sie… Sie sind der Präsident der Silph Co.“
Giovannis Stimme zitterte ein wenig, wirkte aber gleichzeitig auch unnachgiebig.
„Was wollen Sie von uns?“, fragte sein Assistent zornig.
„Von einem unbedeutenden Lakaien wie Ihnen will ich gar nichts. Aber von Ihrem Boss.“
Der Präsident schnippte mit den Fingern. Die blonde Frau mit dem Aktenkoffer trat vor und entnahm diesem einen Stapel Papiere den sie Giovanni reichte. Dieser nahm ihn gezwungenermaßen entgegen und blätterte ihn kurz durch. Als er vom Papier wieder hochsah, hielt ihm der Präsident einen Kugelschreiber hin.
„Unterschreiben Sie einfach“, sagte er lächelnd. „Es ist bloß das übliche Zeug für eine Übernahme Ihrer sämtlichen Unternehmen. Das Team Rocket wird geschluckt – von uns, der Silph Co.“
Giovanni war fassungslos: „Das… Das ist lächerlich! Das werde ich niemals unterschreiben!“
„Werden wir sehen. Sämtliche Pokémon, die hier im Hauptquartier sind, befinden sich in meiner Gewalt. Ebenso wie alle Ihrer Untergebenen. Wie lange wollen Sie sie leiden sehen, bevor Sie nachgeben?“
„Geben Sie ihm nicht nach, Boss“, sagte der Assistent ernst.
„Sie halten die Schnauze!“, blaffte ihn der Präsident an. Er nickte seinem Kangama zu, welches dem Assistenten einen heftigen Schlag versetzte, der ihn mit einem Schmerzensschrei gegen die Wand des Büros schleuderte und ihn dann gekrümmt in sich zusammensacken ließ.
„Hören Sie auf!“, schrie Giovanni verzweifelt. „Ich…“ Seine Stimme brach ab. Er ließ den Kopf hängen.
„Ich werde unterschreiben“, schloss er niedergeschlagen.
„Sehr gut“, sagte der Präsident. „Wissen Sie, am meisten interessiert mich eigentlich der kleine … Prototyp, den Sie entwickelt haben.“
Giovanni riss erschrocken die Augen auf. „Sie wissen davon?“, fragte er entgeistert.
„Aber gewiss. Er passt übrigens perfekt zu einem Prototyp, den ich entwickelt habe. Ein Pokéball, der jedes Pokémon garantiert fängt. Und welches Pokémon wäre dafür würdigerer als das, welches anscheinend am seltensten und am schwersten zu fangen ist? Mit diesem Pokémon unter der Kontrolle unseres Unternehmens wird es niemand wagen, sich uns in den Weg zu stellen.“
„Es hatte eine Brücke sein sollen. Eine Brücke zwischen Menschen und Pokémon. Ein Wächter des Friedens, ein…“
„Jaja, alles schon gehört“, winkte der Präsident ungeduldig ab. „Unterschreiben Sie endlich.“
Giovanni setzte sich an seinen Schreibtisch und hob den Kugelschreiber. Er sah die Linie, auf die er seinen Namen setzen sollte. Sie wirkte streng, endgültig, wie ein Schlussstrich, den er unter sein Leben zog. Er hob langsam den Stift, seine Hand zitterte.
„Halt! Nicht unterschreiben! Auf keinen Fall irgendetwas tun! Keiner rührt sich!“
Die hohe Stimme eines Kindes hallte durch den Raum. Alle sahen verdutzt zur Tür. Dort stand ein Junge mit dunklem Haar, dass er unter einer roten Kappe verbarg.
„Wer bist du und was willst du hier?“, fragte der Präsident irritiert.
„Mein Name ist Rot, ich bin ein Pokémon-Trainer, der es sich zum Ziel gesetzt hat, den Pokédex zu vervollständigen und sämtliche Arenen zu meistern, um schließlich der Champ der Pokémon-Liga und somit der stärkste Trainer der Welt zu werden. Mein Starter-Pokémon war Glumanda, ich komme aus Alabastia, bisher habe ich 63 verschiedene Pokémon gefangen oder entwickelt, ich bin Träger des Felsordens, des Quellordens, des Donnerordens, des Farbordens und…“
„Ruhe!“, schrie der Präsident zornig. „Ich habe dich nicht nach deiner Lebensgeschichte gefragt, du verdammtes Plappermaul!“
Rot verstummte kurz, um jedoch gleich darauf zu sagen: „Ich werde jedenfalls nicht zulassen, dass Sie Ihre Machenschaften umsetzen werden! Ich werde Sie aufhalten im Namen der Gerechtigkeit und der Pokémon und außerdem will ich…“
„Ruhe, habe ich gesagt! Misch dir hier nicht in die Angelegenheiten von Erwachsenen ein! Aber ich werde dir schon das Maul stopfen, du Wicht!“
Auf sein Kommando sprang das Kangama nach vorne und nahm Kampfhaltung an.
„Ein Kangama?“ meinte Rot und warf seinerseits einen Pokéball, aus dem mit lautem Brüllen ein Glurak erschien.
„Flammenwurf!“, befahl Rot.
„Nicht!“, rief Giovanni dazwischen. „Das Gebäude…“
Doch niemand hörte auf ihn. Das Kangama hüpfte zur Seite, sodass der heiße Flammenstrahl die Wand hinter ihm traf und versengte. Im nächsten Moment sprang das Kangama auf das Glurak zu und ließ in rascher Folge mehrere Kometenhiebe auf es niedergehen, unter deren Wucht das Feuer-Pokémon zu Boden ging und nicht mehr aufstand.
„Mist!“, stieß Rot hervor. „Das war mein einziges noch kampffähiges Pokémon! Ich habe verloren! Wie konnte ich verlieren?“
„Das war schon alles?“, fragte der Präsident verdutzt. „Naja, egal. Giovanni, wenn Sie jetzt bitte endlich unterschreiben würden, damit…“
Doch erneut wurde er unterbrochen, doch nicht von etwas, das gesagt worden war, sondern vielmehr von einem merkwürdigen Gefühl, das ihn befiel. Es war, als wäre plötzlich eine eigenartige Präsenz in dem Raum aufgetaucht. Und als er zur Tür blickte, stand dort ein weiterer Junge, dessen auffälligstes Merkmal seine Haare waren, die seltsam struwwelige Spitzen formten.
„Blau?“, fragte Rot ungläubig. „Was machst du denn hier?“
Blau sagte nichts.
„Ich habe dich was gefragt!“, bellte Rot zornig. „Obwohl, was solls, ist mir eh egal. Ich werde jetzt verschwinden. Du kannst dich ja mit dem Präsidenten rumärgern, wenn du unbedingt willst. Ich hau ab. Ciao!“
Mit diesen Worten verschwand Rot, während der Trainer namens Blau einen Pokéball zückte. Der Präsident ahnte irgendwie, dass dieser Kampf nicht so leicht werden würde.
Das bösartige Caesurio musterte seinen Gegner. Der finster dreinblickende Tintenfisch war fast so groß wie es selbst und lächelte siegessicher. Caesurio jedoch wusste, dass es ihm überlegen war. Seine Angriffe waren zwar nicht die effektivsten, aber immerhin waren sie effektiver als die seines Gegners.
„Ich werde dich zweiteilen!“, verkündete das bösartige Caesurio lautstark.
„Das kannst du nicht machen“, antwortete das Calamanero, „immerhin ist heute Gegenteiltag!“
„Was bitte?“, lachte das Caesurio. Gegenteiltag? Davon hatte es ja noch nie gehört. Dieses Calamanero hatte bestimmt keine Ahnung, wovon es da eigentlich redete. Es wollte bestimmt nur davon ablenken, was es als nächstes plante!
Der Tintenfisch sprang nun hoch und stellte sich auf den Kopf. Er ließ seine violetten Tentakeln wild durch die Luft wabbeln. Caesurio sah sich dieses Schauspiel an und war etwas verwirrt. Was wollte dieses seltsame Pokémon damit nur bezwecken?
„Ich hab keine Zeit für so etwas!“, rief Caesurio nun. „Ich will dich immer noch kuscheln!“
Ein Grinsen, dessen Intention Caesurio nicht verstehen konnte, schlich sich auf das Gesicht des Tintenfischs. „Du Idiot!“, brüllte dieser und feuerte einen bunt leuchtenden Strahl aus Psycho-Energie auf das nichtsahnende Pokémon. Dieses fiel von dem heftigen und unglaublich effektiven Angriff zu Boden. Es wischte sich eine Träne ab.
„Was sollte das?“, fragte das kuschelwütige Caesurio. „Ich will doch nur kuscheln und du greifst mich einfach mit deiner effektivsten Attacke an!“ Schnell rappelte es sich wieder auf und lief davon, in den Wald hinein.
Es konnte sich kaum mehr zurechtfinden, als es mitten im Wald wieder zum Stehen kam. Es hatte nicht darauf geachtet, wo es hingelaufen war, und nun war es an einem Ort, den es noch nie zuvor gesehen hatte. Hier standen Bäume, viele Bäume, und Büsche und Pflanzen und nichts, was ihm die Richtung in ein bekannteres Gebiet weisen würde.
Als das Caesurio sich umsah, konnte es aus einer Richtung einen intensiven, wohligen Geruch vernehmen. Es wusste nicht, was das war, aber es roch so wundervoll, dass es wusste, dass dies die Richtung sein würde, in der es seine Reise fortsetzen würde. Etwas, was so gut roch, konnte nichts Böses sein. Vielleicht war es ja ein Pokémon, das ebenso gerne kuschelte wie es selbst.
In diesem Teil des Waldes gab es viele bunte Blumen und Sträucher mit Beeren, die das Caesurio nicht kannte. Es trat an einen Strauch heran und pflückte sich eine runde, blaue Beere. Die Beere war ziemlich klein und ihre Oberfläche war von Poren übersät.
Das Pokémon biss hinein. Sein Mund füllte sich mit dem Aroma einer aggressiven Süße, aufgrund der es sofort husten musste und die Beere wieder ausspuckte. Es fühlte sich von der kleinen Frucht direkt geschwächt, als hätte sie ihm einen Teil seiner Kraft entzogen. Entmutigt zog es weiter.
Plötzlich vernahm es wieder den wundervollen Geruch, der es überhaupt erst in diese Ecke des Waldes gelockt hatte. Es sah sich erneut um, da erkannte es die Quelle: Wenige Meter von ihm entfernt stand in einem Busch fast versteckt ein Skuntank. Das Caesurio bewegte sich langsam zu dem fremden Pokémon.
„Hallo! Willst du kuscheln?“, fragte es vorsichtig. Das Dufttier kam auf es zugestürmt und hüllte es in eine Wolke des angenehmen Geruchs, die so groß und so dicht war, dass das Caesurio kaum noch atmen konnte. In Panik befreite es sich und rannte davon, so schnell seine Beine es trugen. Das Skuntank sah ihm traurig hinterher. Eigentlich wollte es doch nur seine Zuneigung zum Ausdruck bringen.
Wieder rannte das Caesurio, ohne auf seine Umgebung zu achten, bis es gegen ein weiches Hindernis stieß. Vor ihm stand ein kleines, rosafarbenes Pokémon, ein Pummeluff, das es wütend anblickte.
„Kuscheln?“, fragte Caesurio nervös. Sein Augenlid zuckte. Bestimmt war dieses Pokémon auch feindlich gestimmt, wie alle anderen. Was hatten sie nur für ein Problem? Es wollte doch eigentlich nur kuscheln!
„Mit dir? Niemals!“, zischte das Pummeluff und tackelte das Caesurio zu Boden. Dieser sehr effektive Angriff tat ihm so weh, dass es sich einen Moment lang nicht bewegen konnte. Das rosa Pokémon nutzte diese Chance, um Caesurio etwas vorzusingen, doch seine Stimme war so kratzig und grässlich, dass das am Boden liegende Pokémon sich mit einem Schlag wieder hellwach fühlte, aufsprang und davonlief.
Was hatten heute nur alle Pokémon gegen das arme, unschuldige Caesurio? Es wollte doch nur irgendjemanden finden, mit dem es kuscheln konnte. Aber all die anderen wollten nur kämpfen. Selbst das süße Pummeluff wollte nur kämpfen.
Betrübt trottete das unter dem Kuschelentzug leidende Caesurio weiter, bis es an einer Lichtung ankam. In der Mitte von dieser stand ein großer Baum mit saftig grünen Blättern, in dessen Schatten ein Simsala schwebte. Das Caesurio seufzte. Es ahnte schon Böses, aber ein letztes Mal wollte es auf ein Pokémon zugehen.
„Du, willst du kuscheln?“, fragte es und sah das in der Luft schwebende Pokémon an. Dieses kam langsam auf es zu geschwebt und schloss es in eine Umarmung ein. Das Caesurio fühlte sich endlich willkommen. Es lächelte. „Warum bist du nicht so gemein wie die anderen?“, fragte es, zugleich erleichtert und enttäuscht.
„Ich bin so, weil das meiner Natur entspricht“, sprach das sanftmütige Simsala. „Mein Intellekt ist zu groß, um von den dummen Tricks eines Calamanero beeinflusst zu werden. Für mich ist heute ein Tag wie jeder andere und kein Gegenteiltag.“
Das kuschelwütige Caesurio verstand nicht, wovon dieses Pokémon da genau redete, aber es nahm es so hin. Immerhin hatte es jetzt jemanden gefunden, mit dem es kuscheln konnte, so lange es wollte. Bis die Sonne untergehen würde.
„Hey, Liz, tut mir leid, ich hab verschlafen und jetzt ist auch noch irgendwas an der Magnetbahn kaputt … ich schaff’s nicht rechtzeitig zu meinem Dienst. Macht es dir etwas aus, ein bisschen länger zu arbeiten?“
Man konnte kaum beschreiben, wie erleichtert Elizabeth war, dass ihre Schwester Megan sie nur angerufen hatte und somit das Lächeln auf ihrem Gesicht nicht sehen konnte. „Nein, kein Problem, ich halte hier die Stellung. Die Nacht war ruhig“, erwiderte sie und unterdrückte den Freudenschrei, der sich in ihrem Hals anstaute. Sie wusste, ihr Verhalten ziemte sich nicht für eine der Joy-Schwestern, aber glücklicherweise war der Empfang des Pokémoncenters um kurz vor sechs nicht gerade voll – kurz gesagt: leer. Da brauchte sie wenigstens keine Sorgen haben, dass jemand ihr breites Grinsen für unprofessionell halten würde. Nicht dass sie nicht recht hätten, aber in ihrer ersten Woche als vollwertige Schwester Joy wollte Elizabeth nicht sofort einen schlechten Eindruck hinterlassen.
„Ich verspreche dir, ich komme so schnell wie möglich!“ Nachdem Elizabeth noch einmal betont hatte, dass es ihr nichts ausmachte, länger zu arbeiten, legte Megan auf und ließ ihre Schwester wieder alleine mit ihren Gedanken. Immerhin gab es einen sehr guten Grund, warum sich Liz sogar darüber freute, noch länger arbeiten zu müssen: So bestand zumindest die winzige Möglichkeit, den schönen Fremden wiederzusehen, der gestern Abend ins Pokémoncenter gekommen war. Er hatte sie nur einen kurzen Blick auf sein Moorabel werfen lassen – das sich bester Gesundheit erfreute – und sich dann ein Zimmer für die Nacht genommen. Liz wusste nicht, was es war, aber sie war schon beim ersten Anblick von ihm fasziniert gewesen. Seine ganze Art, wie er hereingekommen war und sie kaum beachtet hatte, aber dennoch freundlich war, hatte sie in den Bann gezogen, sodass sie die ganze Nachtschicht über nur an ihn hatte denken können. Im Nachhinein war sie mehr als glücklich darüber, dass kein schwer verletztes Pokémon ihre Hilfe gebraucht hatte; sie wäre schlicht zu abgelenkt gewesen.
„Guten Morgen?“ Eine weibliche Stimme schreckte Elizabeth aus ihren Gedanken. Soviel zu „zu abgelenkt“ …
Als sie hochsah erkannte Liz ein Mitglied der Rocky-Familie. So wie die meisten Mädchen der Joys in den Pokémoncentern arbeiteten, gingen die meisten Frauen der Rockys zur Polizei. Die vor ihr stehende Officer Rocky war offensichtlich im Dienst, sie trug eine blaue Uniform und auf den zusammengebundenen Haaren eine ebenfalls blaue Kappe, unter der eine Strähne auf ihre Stirn fiel. Auch wenn Liz kein Problem damit hatte, ihre Familienmitglieder auseinander zu halten, bei den Rockys gelang ihr das nicht wirklich und so konnte sie nicht sagen, ob sie der Frau vor sich schon einmal begegnet war oder nicht.
„Entschuldigung“, begann Liz nun und erhob sich von ihrem Stuhl, um sich wieder ordentlich hinter den Tresen zu stellen. „Was kann ich für Sie tun?“
Officer Rocky zog ein Bild aus ihrer Tasche und hielt es Liz unter die Nase: „Ich suche diesen Mann. Haben Sie ihn gesehen? Ist er hier?“ Von dem schon leicht zerknitterten Abzug sah ihr das Gesicht des schönen Fremden entgegen. Seine dunkle Haut, seine noch dunkleren Haare und diese Augen, die eigentlich kaum mehr als Schlitze waren … Liz’ Herz begann zu hämmern. Ja, sie hatte ihn gesehen, ja, er war hier, durch ihn wäre sie auch wach geblieben, wenn sie nicht die Nachtschicht gehabt hätte. Nur warum suchte Officer Rocky nach ihm? War er ein Verbrecher? Hatte er Pokémon gestohlen? Gehörte er wohlmöglich noch zu Team Rocket? Elizabeths Gehirn ging etwa fünfhundert verschiedene Szenarien gleichzeitig durch. „W-wieso?“ war alles, was sie hervorbrachte.
„Das ist dann wohl ein Ja“, schloss Officer Rocky und nahm gemütlich auf einer der Bänke an der Wand Platz. Zumindest schien sie es nicht einig zu haben, ihn festzunehmen. Sie überschlug die Beine und legte ihre Mütze neben sich, ehe sie sich wieder Liz zuwandte und antwortete: „Ich bin die Liebe seines Lebens“ – Liz Herz setzte aus. Klar war ein Teil von ihr immer davon ausgegangen, dass ein so toller Mann sicherlich längst vergeben war, aber seine Freundin jetzt direkt vor sich zu haben, versetzte ihr doch einen Stich. Jetzt fühlte sie sich albern mit ihren Träumereien. Und fast überhörte sie den zweiten Teil der Aussage: „Er weiß es nur noch nicht.“
Verwirrt sah Liz zu der Polizistin. Sollte das etwa heißen, sie war gar nicht seine Freundin? Sollte das etwa heißen, sie verfolgte ihn nur so, nur um ihn davon zu überzeugen? War sie etwa eine Stalkerin?
Liz wusste nicht, wie lange und wie offensichtlich überrascht sie die andere ansah, bis diese ihren Blick wie selbstverständlich erwiderte. „Da ist nichts Schlimmes bei“, sagte sie, doch irgendwie konnte Elizabeth ihr das nicht glauben. Irgendetwas an ihrer Stimme klang falsch. „Ich mache meinen Job, ich sorge überall, wohin ich komme, für Recht und Ordnung. Es liegt nur einfach nicht an mir, wo das ist.“
Liz zwang sich dazu, zu nicken und wegzusehen. Unwillkürlich fragte sie sich, ob der Fremde wusste, dass er verfolgt wurde. Müsste sie ihn warnen? Allein bei dem Gedanken daran, mit ihm zu sprechen, begann ihr Herz zu rasen. Dabei war es nicht einmal ein schönes Gesprächsthema. Wie würde er darauf reagieren? Würde er sie vielleicht sogar für verrückt erklären, wenn sie einer Polizistin Stalking vorwarf? Vermutlich würde sie eh nicht den Mut finden, mit ihm zu sprechen. Zuerst abwarten, entschied sie. Officer Rocky schien hier auf ihn warten zu wollen. Sie sollte einfach warten, was geschah, wenn er herauskam.
In den nächsten Minuten tat Liz so, als sei sie unglaublich beschäftigt damit, die Tränke hinter dem Tresen neu zu ordnen, auch wenn sie am Ende wieder genauso standen wie zu Beginn. Wenn ihre Schwester nicht bald käme, müsste sie eigentlich nach den Pokémon sehen, die in den Behandlungszimmern lagen. Zwar vertraute sie darauf, dass ihr Chaneira ihr sofort Bescheid geben würde, sollte etwas passieren, aber es gehörte zur Pflicht einer jeden Schwester Joy sich regelmäßig nach dem Wohlbefinden der Pokémon in ihrer Obhut zu erkundigen. Doch wenn sie jetzt ginge, könnte sie den Fremden verpassen. Die meisten Trainer reisten früh wieder ab, doch zum Glück war es zu dieser Jahreszeit ziemlich leer, so konnte sie sich mental voll und ganz auf das Auftauchen des Fremden vorbereiten.
Doch noch ehe es dazu kam, öffnete sich die Tür des Pokémoncenters. Herein kam ein gut aussehender Mann mit blonden Haaren und strahlend blauen Augen. Doch egal wie attraktiv er war, er übte nicht die gleiche magische Anziehung aus, wie es der Fremde vom letzten Abend getan hatte. Bei ihm hatte sie nicht das Gefühl, sich ihm direkt vor die Füße werfen zu wollen; auch wenn sie das natürlich nie getan hätte.
Anders als andere Leute, die in ein Pokémoncenter traten, kam der Neuankömmling nicht zu Elizabeth, sondern ging direkt zu der Bank, auf der auch schon Officer Rocky Platz genommen hatte. Als er sie sah, verdrehte er deutlich sichtbar die Augen. Kannte er sie etwa? Sonst täte man so etwas doch nicht vor einer Polizistin. Was also hatten die beiden miteinander zu tun?
Bevor Liz weiter darüber nachdenken konnte, öffnete sich die Tür rechts von ihr, die zu den Zimmern der Trainer führte, und gab den Blick auf den Fremden frei, der selbstsicher aus der Tür trat. Ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht, als sein Blick auf die ihm gegenüberliegende Bank fiel. Ohne Liz auch nur eines Blickes zu würdigen, durchquerte er den Eingangsbereich, was ihrem Herz einen schmerzhaften Stich versetzte. Sie wusste nicht genau, worauf sie gehofft hatte, aber ganz sicher auf mehr als das. So ging der Fremde nun auf Officer Rocky zu, doch zu Elizabeths Erstaunen stand nicht sie, sondern der Neuankömmling auf.
„Rocko!“ Das Lächeln war auf ihn übergegangen und er umarmte den Fremden, der den Namen Rocko trug.
„Viel zu lange“, sagte dieser über die Schulter des Blonden, bevor er sich von ihm löste und ihn küsste; beobachtet von Liz, deren Herz in tausend Stücke zu zerfallen schien, und Officer Rocky, die diese Szene scheinbar nicht gerade als großen Rückschlag betrachtete.
Elizabeth wusste, sie hätte sich keine Hoffnungen machen sollen. Sie hatte Rocko ja gar nicht gekannt, bis vor ein paar Sekunden noch nicht einmal seinen Namen gewusst, aber er hatte einfach diese Ausstrahlung, die in ihr jegliches rationales Denken verhindert hatte. Den Anblick nicht mehr ertragend schloss sie die Augen, atmete tief und zählte bis zehn. Als sie die Augen wieder öffnete, betrat Megan gerade das Pokémoncenter und Elizabeth sah durch die offenen Türen, wie Rocko und sein Freund Arm in Arm den Weg hinuntergingen; dicht gefolgt von Officer Rocky.
„Wow“, sagte Megan und machte eine Geste in Richtung Tür, „für den wäre ich sofort auf die Knie gegangen. Aber du weißt ja, was man sagt: Die Guten sind alle vergeben. Oder schwul.“
Die Ruhe war nahezu erdrückend. Ein äußerst langer und kräftezehrender Kampf stand bevor, die beiden Trainer waren jederzeit dazu bereit, ihr erstes Pokémon in den Kampf zu schicken. Der erste der Beiden, ein braunhaariger in etwa fünfzehn Jahre alter Junge, zückte einen Meisterball. Seinen Namen hatte er daher, dass es ein Meisterwerk war, damit ein Pokémon zu fangen. Der Meisterball war der schlechteste Ball den es auf der weiten Welt gab, auch wenn die Dekoration etwas anderes vermuten ließ. Wenn es um Qualitätsware ging, dann war dies der Pokéball. Sein Name kam daher, dass er der Ball war, der das garantiert Ziel fangen würde. Und damit wäre immer ein Pokémon in dem Ball. Zusammengesetzt hieß er deswegen kurz und einfach Pokéball.
Auch der andere Trainer zückte einen Meisterball, und daraufhin holten beide Trainer ihre Pokémon auf das Kampffeld. Ein Knakrack und ein Knospi standen sich gegenüber. Wie das enden würde, war beiden Trainern schon klar. "Knospi, Giftschock!" Noch bevor das Drachenpokémon auch nur blinzeln konnte, griff die kleine Pflanze an, und besiegte das Drachenpokémon mit der sehr effektiven Attacke in einem Schlag. "Es war klar, dass dein Knospi gewinnt. Aber ich habe immer noch mein Geheimpokémon. Dagegen wirst du keine Chance haben, egal wie stark dein Knospi nun ist." Dieses Mal zückte der Verlierer des ersten Kampfes einen Pokéball. Darin musste sich ein unglaublich starkes Pokénon befinden. Eines, welches mit seiner Kraft vermutlich Berge zerschmettern, Seen trocken legen oder gar Kontinente verschieben konnte. "Gib alles! Los Karpador!" Ein Lichtschein entfachte sich und gab am Ende einen kleinen, roten Fisch zum Vorschein. "Oh nein nein nein nein nein! Bei Arceus, bitte, egal was du jetzt machst, lass es! Das ist nur ein Übungsmatch!" Der Trainer mit dem Karpador lächelte jedoch nur manisch. "Weißt du, ich hatte es satt, andauernd der Schwächere zu sein. Jetzt wendet sich das Blatt endlich zu meinem Gunsten. Los... Platscher!"
Mit einer noch höheren Geschwindigkeit als das Knospi zuvor an den Tag gelegt hatte, sprang der Fisch nun zu seinem Gegner. Es war sogar so schnell, dass niemand sehen konnte, wie es seinen Gegner genau angriff. Jedoch war der Angriff sehr stark gewesen, da das Knospi in Höchstgeschwindigkeit in die Richtung des nächstgelegenen Waldes geschleudert wurde. Dabei zerstörte sein Körper unfreiwilligerweise alle Objekte, die im Weg waren. Ein Schild, ein Felsen und diverse Bäume. Das sah alles unglaublich schmerzhaft aus, und es sah nicht so aus als ob es bald stoppen würde. Oder sich jemals erholen würde. Geschockt sah der Trainer seinem Pokémon nach.
"Was zur Hölle ist das für ein Monster!? Das war nur eine Attacke! Und Knospi ist schon ein sehr starkes Pokémon, stärker als Knackrack!"
"Ich weiß. Du hast verloren, endlich mal. Ich bin zufrieden mit der Leistung."
"Das war geschummelt!"
"Nein, du warst lediglich zu schwach."
"Das ist mir echt zu blöd..."
Wütend stapfte der Verlierer davon, ließ aber den Meisterball, in dem zuvor noch sein Knospi gewesen war, am Boden liegen. Tja, wer als Trainer einen Kampf verlor, musste eben sein Team dem Gegner übergeben. Aber das war auch egal, mit Karpador an seiner Seite würde er niemanden sonst brauchen.
„Ich habe Angst“, flüstert Misty mir mit zitternder Stimme in meine Ohren. Nicht verwunderlich, wenn die Nahtoderfahrung für sie kaum zu verarbeiten ist. Erneut wurde ihr Trauma stärker denn je widerbelebt.
„Und deswegen weiche ich heute nicht mehr von deiner Seite“, gebe ich ihr beruhigend als Antwort und streiche ihr vorsichtig durch die orangenen Haare. Ihre unruhigen Hände streichen über ihre Beine, als würde sie sich warm reiben wollen. Ihr Körper findet seit Stunden keine Entspannung und meine Anwesenheit hat sie nur mäßig in einen ansprechbaren Zustand zurückgeholt.
Ihre müden Augen blicken in die Ferne. Wie ich sie kenne, malt sie sich ihre Reise aus, wenn sie hier endlich fort kann. Noch sind wir zwei Teenager mit Träumen, gerade im letzten Jahr der Trainerschule, aber Misty ist gedanklich wesentlich weiter gegangen. Sie will weg von hier. Nicht mehr in den wundervollen Sonnenaufgang blicken -, den wir beide im Moment vom Azuria-Kap betrachten, weil wir seit Jahren hierher kommen, um zu entspannen -, sondern viel lieber eine Reise antreten, damit sie eines Tages verändert zurückkommen kann.
Meine Misty hatte schon seit frühster Kindheit eine Phobie, die man als Hydrophobie betitelt. Es schien von einem traumatischen Unfall im Meer gekommen zu sein und seit jeher kann sie der Naturgewalt nicht mehr mutig entgegen treten. Gerade heute, wo wir eigentlich ein wenig in den Wäldern stöbern wollten, weil sie ein paar Käferpokémon untersuchen wollte, haben sie einige Nachbarskinder in den See, inmitten der Stadt, geschubst. Dass sie nicht schwimmen kann, sollte sich für die meisten von selbst verstehen, denn ihre panische Angst ist nicht unbekannt in dieser kleinen Stadt, aber sowas ist den Nervensägen schlichtweg egal gewesen. Hauptsache meine engste Freundin in ihr sprichwörtliches Verderben stürzen. Ich habe bis heute nicht ihre Rufe vergessen, die sie in ihrer ersten und letzten Schwimmstunde ausstieß, als sie der Lehrer aus Unwissenheit ins Wasser beförderte, obwohl sie sich vehement dagegen wehrte.
„Worüber denkst du nach?“ Mein Arm schlingt sich nach ihrer Frage um sie und ich kuschle mich fest an ihren Körper
„Ich denke an unser erstes Kennenlernen.“
„Als du mich aus dem Wasser des Schwimmbads rausgefischt hast, obwohl du selbst kaum schwimmen konntest?“
„Ganz genau“, hauche ich ihr ins Ohr und lasse meine Gedanken schweifen, um an die darauffolgenden Bilder von damals zu denken. Seit diesem prägenden Erlebnis sind wir unzertrennlich und doch ähneln wir uns kein bisschen. Ich bin die mutige Freundin und sie die hilflose, zerbrechliche Blume. Sie ist das ruhige Gewissen und ich die temperamentvolle Flamme. Jungs ärgern ist mein Job, sich im Nachhinein bei den nörgelnden Eltern entschuldigen ihr Job.
„Regnet es morgen?“, fragt Misty mit einem Seufzen nach.
„Ja, also lass uns drinnen etwas unternehmen.“
Selbst Regen ist hier nicht geheuer. Sie hat es sich abgewöhnt zu schreien oder in Embryoposition zu verharren, aber der leere Blick ist nie verschwunden. Das Zittern ebenfalls nicht. Auch unter der Dusche fühlt sie sich verloren und versinkt gedanklich in einem Strudel, der sie runterzieht, bis sie erleichtert das Wasser abstellen kann und sich flink abtrocknet.
„Verhaust du diese Idioten morgen?“
„Wie immer“, gebe ich ihr ermutigend zurück.
Ihre Hand legt sich auf meine. Müde lässt sich ihr Kopf auf meiner Schulter nieder und sie schließt die Augen.
„Erzählst du mir eine Geschichte?“
Kurzerhand fällt mir tatsächlich die Geschichte wieder ein, die ich ihr ohnehin darbieten wollte und mit nickend gebe ich ihrer Bitte nach.
„Es war einmal ein Junge aus einer fernen Region, der unter zerrenden Sorgen litt und sich den ganzen Tag an seinem liebsten Ort aufhielt. Auf einem großen Turm, benannt nach einem Pokémon, hielt er sich auf, während sein Blick immer in Richtung des weiten Himmels gerichtet war. Als Kind fiel er vom Tauboga seines Vaters und seither hasste er die geflügelten Wesen. Für ihn waren sie hochnäsige Herrscher der Lüfte und bei jedem jener Art, wenn er sie sah, schimpfte er hochhinaus. Brüllte seinen Frust hinaus, um sich besser zu fühlen. Eine Last wich kurzfristig von seinen Schultern, sobald er dort oben saß und sich den Schimpftiraden widmete.“
Für einen kurzen Moment unterbreche ich die Geschichte.
„Schläfst du schon?“, frage ich sanft.
„Nein! Was ist dann passiert?“
„Was meinst du denn, was passiert ist?“
Misty hält einen Moment inne und hebt den Kopf. Zum ersten Mal heute weichen ihre Augen dem Blick der untergehenden Sonne seit ich hier bin und sie dreht sich zu mir, um mir tief in die Augen zu sehen.
„Ist er irgendwann glücklich geworden? Er soll doch mich darstellen!“
„Ja, ist er, weil ein Mönch vom Turm zu ihm kam und ihn eine andere Aufgabe auftrug, nämlich über bestimmte Worte nachzudenken.“ Meine Antwort schien Misty ins Grübeln zu bringen. Immerhin war sie weniger in Sorge, sondern eher am Nachdenken, was er denn gesagt haben könnte, damit der Junge seiner täglichen Frustaktion entsagt.
Genau das, was ich wollte, nämlich ihre Sorgen in den Hintergrund wandern lassen, damit sie sich etwas anderem hingeben kann. Sie lächelt sowieso zu wenig.
„Ich sag’s dir.“ Ein Grinsen zeichnet sich ab und gespannt wartet sie auf die Auflösung, die recht simpel ist.
„Eines Tages kam der Mönch hinauf und fragte den Jungen, ob er glücklich sei. Er verneinte mit verschränkten Armen und erzählte, dass er die Flugpokémon eines Tages jagen würde, wenn es sein müsse.
Da erzählte der Mönch, dass der Junge und die Flugpokémon eine Gemeinsamkeit hätten: Sie liebten den kühlen Wind in ihrem Gesicht, während sie geistig und physisch am weiten Himmel unterwegs waren. Tagelang ließ ihn diese Unterstellung nicht schlafen und der Junge lachte eines Nachmittags über jene Tatsache, nachdem er sie schlussendlich akzeptierte. Seither kam er immer zurück auf diesen Turm, aber nicht um in den Himmel zu schreien, sondern um zu lachen, während er die vorbeifliegenden Wolken beobachtete und den Wind in seinen Haaren spürte.“
Misty hatte die Geschichte wohl nicht ganz verstanden, denn sie schien sichtlich verwirrt zu sein, wodurch ich mir ein überlegendes Kichern nicht verkneifen konnte.
„Weißt du, ich war damals immer sauer auf mein Fukano, obwohl ich Feuerpokémon schon immer liebte, weil Fukano ständig meine Sachen kaputtmachte, aber irgendwann bemerkte ich, dass ich mit negativer Einstellung sowie Meckern nichts ändern kann, wohingegen ich mit Fukano nach draußen ging. Ich spiele nun täglich mit ihm, damit er ausgelassen ist und seitdem zerstört er keine Sachen mehr. Zumindest meistens nicht“, erzählte ich Misty lachend und legte meine Hände auf ihre Schultern, um den Kern meiner Aussage deutlich für sie zu markieren. Ich versuchte sogar, ernst zu wirken, aber es wollte mir einfach nicht gelingen bei ihrem süßen, verwirrten Gesichtsausdruck.
„Der Regen wird nicht aufhören, auch wenn du es dir noch so sehr wünschst. Und trotz deines Hasses für das Wasser, so weinst du jedes Mal, wenn dir das Element im Alltag begegnet. Wo ist der Unterschied zwischen dem Regen und dir, wenn du häufiger als der Himmel weinst?“
Wortlos vergingen einige Sekunden bis Misty aus ihrer Sprachlosigkeit und Starre ausbrach. Erleichtert nahm sie mich in die Arme und lachte. Sie erdrückte mich gefühlt in ihrem plötzlichen Anflug von Euphorie. Scheinbar war meine Ablenkung und Aufheiterung erfolgreich gewesen, denn die Melancholie schien aus ihrer Stimme endgültig verschwunden zu sein.
Nach einigen Minuten entließ sie mich aus dem Klammergriff und hörte nicht auf sich zu freuen.
„Wir sind Feuer und Flamme, egal was passiert“, flüsterte ich in den Wind. Meine Hand strich über ihre blasse Wange, während sie ihre Augen schloss und sich unsere Lippen berührten.Das war das erste Mal, dass ich ihr so nahe war. In jeder Hinsicht.
„Ich pass auf dich auf“, hauchte ich ihr entgegen nach dem Kuss.
„Du musst mir irgendwann das Schwimmen beibringen“, gab sie mir kichernd zurück und wir ließen uns ins weiche Gras fallen. Die Sonne hatte sich beinahe verabschiedet und nun blickten wir gespannt zu den Wolken hinauf. Ob der Junge im Moment ebenfalls Richtung Himmel sah?
„Ich hab dich lieb, Erika“, flüsterte Misty in mein Ohr.
„Ich dich auch“, erwiderte ich und küsste ihre Wange, womit sie mir mit einem Lächeln ihre Freude darüber signalisierte, bevor sie in einen tiefen Schlaf versank.