Lapis Town

Es wummerte. Wo kam das Wummern her? Dumpfe Schläge drangen an das Ohr des Pflanzenpokémons. Das störte. Es sollte aufhören! Aber es hörte nicht auf.
„Was zum … ?“, stöhnte Roserade, quälte sich aus dem Reich der Träume und schließlich auch aus dem kuscheligen Bett. Die Nachmittagssonne fiel durch ein Fenster herein und beschien die etwas zerknautscht wirkende Gestalt der Gärtnerin, die durch den Flur zur Haustür tapste. Sie hatte in der letzten Nacht vor Sorge nicht schlafen können und deshalb sämtliche Bände zu Beerenzucht und -pflege durchgelesen. Erst über dem Kapitel „Die Vielfalt der Düngemittel“ war sie schließlich weggenickt.
Schlaftrunken öffnete sie.

Vor der Tür stand Riolu, das gerade den Arm gehoben hatte, um noch einmal gegen das Holz zu schlagen.
„Mann, wo bleibst du? Warum bist du noch nicht bei der Vollversammlung?“, ereiferte es sich.
„Vollversa.. Was für eine Vollver...“, murmelte Roserade, hielt aber sogleich inne. „Ach du Schreck“, rief es. „Das habe ich ja total vergessen!“
„Na du bist mir eine“, erwiderte das Kampfpokémon und setzte hinzu: „Komm schnell, es warten schon alle.“

Als die beiden Dorfbewohner den großen Platz erreichten, wurden sie Teil einer seltsamen Szene.
@Cavendish stand in einer Traube von anderen Bewohnern und schien sehr heftig mit einem Nidorino zu diskutieren.
„Ich bin aber kein Mörder“, protestierte das Arkani. „Warum glaubt ihr mir nicht?“
„Dir glauben? Ich habe Informationen, dass du gefährlich bist und obendrein schon bei Angriffen gegen unsere Freunde mitgeholfen hast!“
„Lügen, alles Lügen!“, widersprach @Cavendish.
Aus der Menge rief irgendjemand: „Vielleicht ist er wirklich nicht gefährlich.. Seht doch wie flauschig sein Fell ist!“
„Ich könnte doch niemandem etwas zuleide tun!“, jaulte das Feuerpokémon und setzte den niedlichsten Hundeblick auf, den es zustande bringen konnte.
„Seht ihn euch an! Können diese Augen etwa lügen?“, kommentierte irgendjemand zwischen den Umstehenden.

Durch diese Worte scheinbar ermutigt näherte sich ein Myrapla.
„Ha-hallo Myrapla.“ @Cavendish bemühte sich um ein Lächeln und tätschelte das Pflanzenpokémon mit seiner Pfote. Dieses schien wohl besonders offenherzig zu sein und es schmiegte sich an den Feuerhund.
Ein „Awwwwwww“ ging durch die Reihen der ehemals Misstrauischen.

Unglücklicherweise hatten sich ein paar Sporen aus Myraplas Blättern gelöst und gerieten in die Nase des Arkani. Zwei Zehntelsekunden später musste es niesen. Eine Stichflamme schoss aus seiner Schnauze und für das kleine Pflänzchen war das zu viel.
„Er ist doch gefährlich! Lyncht ihn!“, schrien die Pokémon durcheinander.
„Ach Mann“, seufzte Traunfugil, dass mittlerweile neben Junior auf einem nahegelegenen Hausdach Platz genommen hatte.
„Er war wirklich so schön flauschig!“

Während alle anderen noch wie wild über den Lynch von @Cavendish diskutierten, hatte sich das kleine Somniam bereits auf den Heimweg gemacht. Das Psychopokémon war mit seinen Gedanken ganz woanders. Dadurch wäre es beinahe in Trasla hineingerannt.
„Huch?“, entfuhr es dem Gefühlspokémon.
Somniam schreckte aus seinen Überlegungen hoch.


„Oh, entschuldige bitte. Ich war so in Gedanken versunken, dass ich dich gar nicht bemerkt hab.“
„Ach, das ist schon in Ordnung“, säuselte Trasla. „Dich beschäftigt wohl noch der Tag heute, was?“
„Nein, das ist es nicht“, antwortete Somniam. „Ich hatte in der letzten Nacht einen seltsamen Traum und ich weiß einfach nicht, was das bedeuten soll...“

Trasla bemerkte, dass das andere Pokémon etwas verwirrt schien. Es wünschte sich, dass Somniam fröhlich war. Vielleicht konnte es ihm helfen, diesen Traum zu deuten und es so glücklich machen? Einen Versuch war es doch wert.
„Also, wenn es dir nichts ausmacht, kannst du mir ja von deinem Traum erzählen“, meinte es.
Somniam überlegte kurz. Warum eigentlich nicht? Und so schilderte das Pokémon:

„Nun, da war ein Dorf. Nein, es war mehr eine kleine Stadt. Und es gab einen Wald nahe bei der Stadt, so ähnlich wie bei uns. Und dann war da noch … lass mich überlegen.“
Es pausierte kurz. „Da war auch ein Gebirge. Auch so ähnlich wie bei uns. Und plötzlich …
Plötzlich war alles eingefroren. Und in der Mitte, auf dem Dorfplatz stand eine Pokémonstatue, die war ganz aus Eis. Dann bewegte sich auf einmal die Statue und wurde lebendig.“

„Was war das denn für ein Pokémon?“, wollte Trasla neugierig wissen.
„Hm, ich erinnere mich leider nicht mehr so gut“, seufzte Somniam. „Aber ich glaube, es war weiß und hatte glühende Augen.“
„Das klingt alles komisch, aber auch sehr interessant“, meinte Trasla. Dieser Traum schien fast wie eine Vision zu sein und schließlich hatte Somniam gesagt, dass es einige Ähnlichkeiten zu ihrem Dorf gab. Was konnte das nur bedeuten?

Und wenn es hieß, dass schreckliche Dinge passieren würden? Noch schrecklicher als der Überfall dieser Mafia … Trasla wollte seinem Freund keine Angst machen und behielt diese Idee für sich. Stattdessen warf es eine andere Theorie in den Raum:
„Vielleicht … Es könnte ja sein, dass diese Bilder dafür stehen, dass wir uns von irgendetwas befreien. Wie das Pokémon im Eis“, setzte es an.
„Vielleicht von der Mafia?“, folgerte Somniam und lächelte.
Trasla nickte. „Ja, das klingt doch logisch.“

Während sich die beiden Psychopokémon nach dieser Analyse beruhigt auf den Heimweg machten, stahl Flunkifer sich wieder einmal durch die Straßen von Lapis Town...