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Willkommen zum Vote des Fanfiction- und RPG-Collabs!
Mit leider einer leichten Verzögerung können wir euch nun die vier wunderbaren Texte dieses Collabs präsentieren.
Bei diesem Collab ist es eure Aufgabe, ein Team bestehend aus einem RPG-Spieler und einem FFler zu bilden und euch zusammen einer kurzen Geschichte zu widmen, die nach dem Motto "Autor und Protagonist kommunizieren" umgesetzt werden soll. Das bedeutet, dass derjenige User, der für den RPG-Bereich antritt, einen Charakter entwickelt, über den der Teilnehmer des FF-Bereichs eine kurze Geschichte schreiben soll. Doch wie gut kennt dieser den Charakter schon? Weiß ein Autor wirklich, wie seine Protagonisten ticken? Hierbei kommt wieder der RPGler ins Spiel, dessen Aufgabe es ist, das Geschehen aus Sicht des Charakters zu kommentieren, die vierte Wand zu durchbrechen und mit dem Autoren zu kommunizieren. Auf welche Art ihr dieses umsetzt, bleibt euch überlassen. Die Geschichte sollte einen Bezug zur Geschichte von Pokémon haben. Denn früher war ja bekanntlich alles besser. Aber stimmt das wirklich? Es steht euch frei, auf die Vergangenheit, die Entwicklung, die Gegenwart und/oder sogar die Zukunft von Pokémon einzugehen, doch in Anbetracht Jubiläums ist ein Pokémonbezug Pflicht.
Ihr könnt 3 Punkte verteilen.
Regeln:
- Sympathievotes und Eigenvotes sind verboten.
- Schöpft die euch zur Verfügung stehenden Punkte komplett aus.
- Verteilt eure Punkte an mindestens zwei der Abgaben.
- Eure Votes sollten mit wenigstens ein oder zwei Sätzen begründet sein, vergesst dabei nicht, auf beide Teile des Collabs einzugehen.
- Eine angemessene Wortwahl ist verpflichtend.
- Nutzt für die Punktevergabe bitte die unten stehende Schablone:
ZitatID:
AX:
AX:
AX:
Achtet dabei darauf, bei der Schablone zwischen Doppelpunkt und ID/Punktzahl ein Leerzeichen zu machen, damit die Auswertung über den Voterechner ohne Probleme erfolgen kann. Wenn ihr nicht wissen solltet, wie ihr eure ID herausfindet, könnt ihr dies unter anderem hier nachlesen.
Der Vote läuft bis Montag, den 26.09.2016, um 23:59 Uhr.
„Herzlich willkommen in der Welt der Pokémon.“
Absolute Schwärze. Es ist schwer einzuordnen, von wo genau die Stimme kommt. Sie schallt quer durch den ganzen Raum, den Echos nach zu urteilen muss dieser aber sehr groß sein.
Mit einen Klicken durchdringt ein einzelner Strahl Licht die Finsternis, und inmitten dieses Lichtes steht ein Mann höheren Alters, gekleidet in einen abgetragenen, zerknitterten Laborkittel, in der Hand ein undefinierbares Buch und auf dem Gesicht einen mürrischen, ernsten Ausdruck.
Er setzt zu einem langen Monolog an, die tiefe, raue Stimme erzählt von Wesen, die man Pokémon nennt, und dass er, Professor Eich, diese Wesen erforscht. Und dabei braucht er Hilfe.
Ein erneutes Klicken, und das Licht über ihm verschwindet, nur um eine Sekunde später an anderer Stelle wieder aufzutauchen. Die neue Silhouette, die darunter steht, ist kleiner, schmaler. Ein Junge im Alter von zehn Jahren, mit entschlossenem Gesichtsausdruck und-
„Hey, Moment mal.“
…
Äh.
…
Was?
„In welchem Universum sehe ich aus wie ein zehnjähriger Junge?“
Die Silhouette bewegt sich. Sie stemmt die Hände in die Hüften und setzt einen deutlich kühlen Blick auf. Sie schaut sich um, wandert unter dem Spotlight hin und her, als würde sie etwas suchen.
…
Halt. Stopp.
So geht das nicht!
Die Silhouette hält inne und hebt eine Augenbraue.
„Was geht so nicht?“, fragt sie langgezogen.
Das hier. Das alles. Du solltest dich zum jetzigen Zeitpunkt nicht bewegen. Du solltest nicht einmal sprechen können!
Sie legt eine Hand an die Kappe auf ihrem Kopf und zieht diese ab. Kinnlange, braune Haare fliegen wild durch die Luft, als das Mädchen, das mit Sicherheit einige Jahre älter ist als 10-
„Ich bin 16“, informiert sie mich und die Kappe fliegt mit einer kurzen Handbewegung aus dem Spotlight.
Hey! Die ist wichtig für das Charakterdesign!
„Sie ist viel zu klein für meinen Kopf“, gibt sie zurück und verdreht die dunkelblauen Augen. „Reicht ja schon, dass ich diese komischen Klamotten tragen muss. Generischer geht’s kaum. Ich sehe aus wie der Protagonist eines Shonen-Anime.“
Äh. Ja.
Knapp daneben.
„Wo bin ich hier überhaupt?“ Sie sieht sich suchend um. Vermutlich fragt sie sich, woher meine Stimme kommt. Sie nickt.
Du bist der Protagonist eines Spiels. Ein stummer Protagonist, um ganz genau zu sein. Stumm. Das bedeutet, dass du nicht redest.
„Ich fühle mich aber nicht wirklich stumm.“
Das ist mir auch schon aufgefallen. Mir entkommt ein Seufzer. Okay. Irgendetwas ist hier schief gelaufen. Bestimmt irgendein bescheuerter Bug. Aber ich krieg das wieder hin. Bestimmt. Wenn ich weiter mache wie bisher, wird sich das schon irgendwie wieder richten. Ganz sicher.
Hoffentlich.
„Ich bezweifle es.“
Danke, das gibt mir viel Hoffnung.
Das Mädchen zuckt nur mit den Schultern und spielt dann desinteressiert an ihren Fingernägeln herum.
Okay. Hrchm. Wo waren wir?
Ah, genau.
„Wie heißt du?“, schallt Professor Eichs Stimme durch den Raum. Neben der Silhouette des Jungen-
„Mädchen“, wirft sie ein. Urgh.
Neben der Silhouette des Mädchens- Zufrieden? Sie nickt- taucht in der Dunkelheit ein weißes Quadrat auf. Darauf stehen eine Reihe Namen, angefangen von Rot über Ash und Jack. Ein Pfeil gleitet herunter auf die Option „Ash“.
„Habe ich überhaupt kein Mitspracherecht?“ Das Mädchen marschiert vor das Textfeld und schaut mit gerunzelter Stirn darauf. Ihr Blick fliegt über die Auswahlmöglichkeiten und sie verzieht das Gesicht mit deutlichem Unmut. „Ash? Ist das dein Ernst?“
Ja. Ja, ist es.
„Ash ist ein bescheuerter Name.“
Du wirst dich dran gewöhnen.
„Werde ich nicht.“
Uuuuurgh. Okay. Okay! Wie willst du dann heißen?
„Ich habe schon einen Namen“, informiert sie mich. „Ich heiße Mary.“
Okay. Tief ein und ausatmen. Ich kriege das hin. Es ist nur ein Name. Mary springt an der Textbox hoch und berührt die Option „Neuer Name“. Das Textfeld wird breiter, sie springt hin und her und spielt Hau-den-Lukas mit den neu aufgetauchten Buchstaben, bis oben in der Zeile „Mary“ steht.
Zufrieden schaut sie hoch.
„Und jetzt?“
Der Name muss noch bestätigt werden. Drück den Button rechts unten.
Mary schaut sich kurz stirnrunzelnd um. Als sie „Enter“ drückt, verschwindet die große Eingabebox und aus der Ferne erschallt wieder Professor Eichs raue Stimme.
„Mary? Ist das dein Name?“
„Ja“, antwortet Mary.
Mit einem weiteren Klicken erlischt das Licht über ihr- „Hey!“- und taucht kurz darauf an anderer Stelle auf. Die nächste Silhouette ist- dieses Mal ganz sicher!- die eines zehnjährigen Jungen. Er grinst frech und-
„Wow. Und ich dachte, mein Design wäre generisch.“
Gottverdammt Mary! Ich versuche hier, einen Plot aufzubauen! Wir sind noch nicht einmal mit dem Einstieg fertig!
„Wie heißt mein Enkel noch gleich?“ Der Rest von Professor Eichs Monolog ist untergegangen. Mary taucht unter dem Lichtstrahl auf und wandert um die bewegungslose Gestalt herum. Sie beäugt den Jungen kritisch. Dann drückt sie ihm ihren Finger in die Wange.
Würdest du bitte damit aufhören?
„Der bewegt sich ja wirklich nicht“, stößt sie nüchtern aus.
Such dir einfach einen Namen aus!
Mary beugt sich zu ihrem Rivalen herunter. Sie stößt ein langgezogenes „Hm“ aus.
„Ich bin für Trottel.“
…
Bitte was?
„Für mich sieht er aus wie ein Trottel. Also nenne ich ihn Trottel.“
Das kann doch nicht dein Ernst sein.
„Es ist mein voller Ernst.“
Einatmen.
Ausatmen.
Uuuuuuurgh.
OKAY. Meinetwegen! Dann heißt er ab sofort eben Trottel! Können wir jetzt bitte weiter machen?
„Lass dich von mir nicht abhalten.“
Verdammt noch mal. Dieser Einstieg ist sowieso ruiniert. Überspringen wir den Rest einfach.
Mary erwacht in ihrem Zimmer in Alabastia. Heute ist der Tag, an dem sie ihre Reise durch Kanto beginnt. Ein Wendepunkt in ihrem Leben, der Start eines ganz neuen Abenteuers und-
„Mein Zimmer ist ganz schön hässlich.“
MARY.
Du bist eine stumme Protagonistin! Du. Redest. Nicht!
„Und wer will mich davon abhalten?“ Mary schaut hoch an die Decke, wo natürlich nichts weiter ist als… die Decke eben. Sie wandert durch ihr Zimmer, bleibt an dem Fernseher in der Mitte stehen, an dem eine alte Spielekonsole angebracht ist- „Wie will das Ding funktionieren, hier ist weit und breit keine Steckdose“-, dann herüber zum PC in der Ecke.
„Warum ist hier eigentlich alles so eckig?“
Na, weil-
Äh.
…
Darum. Akzeptier es einfach. Und jetzt geh nach unten und treib die Story voran!
„Okay“, stößt sie gedehnt aus und rollt mit den Augen. „Ist ja gut. Zicke.“
Unten wartet Marys Mutter auf sie. Sie sitzt am Tisch, den Blick andächtig auf einen Punkt in der Ferne gerichtet. Mary nähert sich ihr leise, und als sie neben ihr steht, dreht sich ihre Mutter zur ihr.
„Richtig. Irgendwann gehen alle Jungen fort, um ein Abenteuer zu erleben. Prof. Eich von nebenan hat nach dir gefragt.“
„Was wollte er denn?“, fragt Mary. Ihre Mutter schaut sie für einen Moment stumm an. Sie dreht sich zurück zum Tisch. Erst als Mary sie antippt, wendet sich ihre Mutter ihr wieder zu und öffnet den Mund.
„Richtig. Irgendwann gehen alle Jungen fort, um-“
„Nicht dein Ernst“, stöhnt Mary und unterbricht den Monolog ihrer Mutter, indem sie ihr den Mund zuhält. Es dringen nur noch gedämpfte Wortfetzen hervor. „Wiederholende NPC Dialoge?“
…
Ja?
Marys Blick ist halb genervt, halb resignierend. Sie dreht sich ohne ein weiteres Wort um und geht zur Tür.
Das Labor ist riesig. Bücherregale reihen sich aneinander, gefühlt bis zum letzten Zentimeter. Einige Forscher, den Blick konzentriert nach vorn gerichtet, laufen umher, tief in ihre Forschung versunken.
„Die haben ein festgelegtes Lauf-Pattern, das sie niemals verlassen. So beschäftigt können die gar nicht sein, immerhin arbeiten sie nicht.“
Mary.
„Jaja.“
Hrchm.
Mary wandert durch das Labor, bis sie im hinteren Teil angekommen ist. Sie entdeckt zahlreiche Maschinen, deren Nutzen sie nicht kennt, Bücher, deren Titel zu kompliziert für sie sind. Nur Professor Eich ist nicht hier. Mary dreht also um und begibt sich auf die Suche nach-
„Hey, was sind das hier für Bälle?“
Mary steht vor einem Tisch mit rot-weißen Bällen. Darin sind die Pokémon aufbewahrt, von denen sie sich heute eines aussuchen darf. Doch zuerst muss sie Professor Eich finden und-
...Mary! Leg den Ball zurück.
„Warum? Ich bekomme doch sowieso später eines geschenkt.“ Sie zuckt mit den Schultern.
Mary!
Für einen Moment verharrt sie, dann gleitet ihre Hand wieder zum Tisch und sie legt den Ball dorthin, wo sie-
MARY. Du sollst den Ball zurücknehmen und nicht noch einen zweiten nehmen!
„Warum?“
Na weil… Weil das die Regeln sind! Du kannst nicht einfach zwei Pokémon nehmen! Und schon gar nicht, wenn Professor Eich noch nicht da ist!
„Ach komm schon. Wer so geringe Sicherheitsvorkehrungen hat, ist selbst schuld. Davon abgesehen soll ich doch sowieso bei diesem Pokédex-Ding mithelfen, da ist ein bisschen Unterstützung doch echt nicht zu viel verlangt.“
Natürlich Mary. Brech einfach alle Regeln. Weißt du was? Nimm dir den dritten Ball doch gleich auch noch! Und den Pokédex dahinten bekommt man zwar erst nach einem Fetch-Quest, aber warum sollten wir uns an so etwas Dummes halten wie-
MARY! DAS WAR SARKASMUS! LEG DIE BÄLLE ZURÜCK.
„Das war alles deine Idee.“ Mary zuckt mit den Schultern, steckt einen der Pokédex in ihre Tasche und verlässt mit einem zufriedenen Gesichtsausdruck das Labor.
Du gehst sofort zurück und legst diese Bälle da hin, wo sie hingehören!
„Ach wirklich.“
Ja. Ja, wirklich.
„Was passiert, wenn ich es nicht tue?“
Oh, ich weiß nicht. Du hast gerade ja nur einen eins a Sequence-Break hingelegt. Die komplette Story auf den Kopf gestellt. Was kann bei sowas bloß schief gehen?
Mary zuckt nur mit den Schultern und watet ins hohe Gras.
Zwei Schritte kann sie gehen. Dann bleibt sie mitten in der Bewegung stehen. Alles um sie herum wird schwarz, eine seltsame Melodie ertönt.
Als sie wieder klar sehen kann, steht vor ihr eine kleine, violette Ratte. Instinktiv greift Mary an ihren Gürtel, an dem die Pokébälle, die sie eigentlich noch gar nicht besitzen sollte, hängen und wählt den ersten davon. Ihre Finger gleiten auf den Button in der Mitte. Ein roter Strahl zischt hervor, als sich die Kapsel öffnet, und explodiert direkt vor ihr auf dem Boden. Eine kleine, blaue Schildkröte erscheint und stößt einen kurzen, hohen Ton aus.
Mary muss entscheiden, was sie tut. Sie kann das gegnerische Pokémon angreifen, ihr Pokémon auswechseln, ein Item benutzen oder fliehen.
„Oooooder“, beginnt sie und greift erneut an ihren Gürtel. „Ich benutze alle meine Pokémon zur gleichen Zeit.“
Mary. Bitte. Bitte nicht.
„Komm schon, was ist bitte die Logik dahinter?“ Sie wirft die Hände in die Luft und rollt mit den Augen. „Eins gegen eins Kämpfe? In welchem Universum ist das bitte realistisch?“
Mary. Bitte. Kannst du nicht einmal das tun, was das Spiel von dir will?
„Nicht, wenn es absolut keinen Sinn macht.“
Nur ein kurzer Augenblick und neben Schiggy sind auch Glumanda und Bisasam aufgetaucht.
„Greift an“, befiehlt Mary, doch die Pokémon bewegen sich nicht. „Was ist denn jetzt schon wieder?“, stößt sie entnervt aus.
Du musst ihre Attacken benennen. Nur dann können sie angreifen.
Mary stöhnt. „Okay, was können die denn so?“
Tackle und Kratzer.
„Was zur Hölle ist bitte Tackle für-“
Probier es einfach aus.
Mary verharrt für einen Moment, dann rollt sie mit den Augen. „Was auch immer. Tackle und Kratzer, los geht’s.“
Drei Pokémon springen voran und attackieren das gegnerische Rattfratz. Es gibt einen gequälten Laut von sich. Die Attacken verletzten es schwer, doch noch ist es nicht besiegt. Ein lauter, mit kurzen Pausen unterbrochener Piepston verkündet das nahe Ende. Doch noch gibt es nicht auf. Rattfratz sammelt seine Kräfte und macht sich bereit, einen letzten, verzweifelten Angriff-
„Kratzer und Tackle!“
Bisasam, Glumanda und Schiggy attackieren erneut. Rattfratz geht zu Boden.
…
Nein. Nein, das war‘s. Jetzt reicht‘s.
„Was ist denn jetzt schon wieder los“, stöhnt Mary.
Das geht so einfach nicht!
„Ach komm schon! Rundenbasierte Kampfsysteme sind total sinnlos und-“
Nein. Sei ruhig. Es ist mir egal. Ich hör auf. Ich habe keine Lust mehr. Schau, dass du alleine zurecht kommst!
Ich gehe!
Für einen kurzen Moment bleibt es ruhig. Mary schaut hoch in den Himmel und wartet, doch die Stimme ist verstummt. Sie zuckt mit den Schultern.
„Na dann.“ Ihre Lippen sind zu einem Lächeln verzogen. „Zeit, der Champ zu werden.“
Ich bin doch kein Anfänger!
Und vor ihm öffnete sich ein riesiger, leerer Gang. Luca sah die Tür am anderen Ende und begann vor Aufregung zu zittern.
Ich und vor Aufregung zittern? Pah, also wirklich!
Jetzt war es so weit. Sein wichtigster Kampf stand bevor. Natürlich war er aufgeregt! Beinahe andächtig überwand der junge Mann die letzten Meter, die ihn noch vom Champ trennten. Nur noch ein paar Schritte, dann würde der entscheidende Kampf beginnen. Luca erinnerte sich noch genau daran, wie er damals seine Pokémonreise begonnen hatte. Er war zehn Jahre alt und beinahe genauso aufgeregt gewesen, wie er es nun war. Die ganze Nacht über hatte er überlegt, welches Pokémon er wohl nehmen sollte
Kinder mit 10 in die Welt schicken? Verantwortunsvolle Eltern ... wie dem auch sei, mein Starter war natürlich Glumanda!
Heute war er sehr zufrieden mit seinem Turtok. Sie hatten bereits viele Kämpfe zusammen absolviert und waren ein gutes Team geworden.
Sagte ich nicht gerade Glumanda? Ach, auch egal.
Er hatte sich damals für Schiggy entschieden, weil es so klein und hilflos wirkte. Er hatte schon immer ein Herz für schwache Pokémon gehabt.
Um genau zu sein, kann ich schwache Pokémon nicht wirklich gut leiden ...
Er wusste eben, dass in jedem Pokémon viel Potential steckte! Und mit viel Training war Turtok zu einem starken Partner geworden.
Jetzt reicht es aber langsam mit der Schleimerei.
Turtok war sein bester Freund und Luca wusste, dass sie alles zusammen durchstehen könnten. Jetzt hieß es nur noch, den Champ zu besiegen! Und kein Zerschneiderbusch der Welt, würde ihn jetzt noch aufhalten!
Diese dämlichen Zauberbüsche, die man aus irgendeinem Grund nicht umgehen und nicht ausreißen kann ...
Seitdem er seinem Dragoran Zerschneider, Zertrümmerer, Stärke und Surfer beigebracht hatte, hielt ihn nichts mehr auf! Für jedes Gelände waren sie bestens gerüstet.
Außer für Kämpfe, denn dafür kann man es mit diesen Attacken, die sich ja nicht verlernen lassen, nicht mehr gebrauchen. Da hat sich das Training definitiv gelohnt!
Luca wusste, was für ein wertvoller Partner sein Dragoran war. Und im Kampf gegen den Champ würde es das mit Sicherheit wieder einmal unter Beweis stellen. Zusammen mit seinem Smettbo bildeten seine drei Pokémon ein gefährliches Trio.
Ja, weil ein Schmetterling auch so viel ausrichten kann! Ohne das Schlafpuder wäre es nutzlos!
Mit diesen drei Pokémon würde er also endlich den Champ besiegen, nachdem sein viertes und letztes Pokémon, Chaneira, leider im vorherigen Kampf kampfunfähig geworden war.
Ein Chaneira? Wieso unbedingt ein Chaneira? Es ist so ... rosa.
Er hätte es so gerne wiederbelebt, da ihn das Rosa immer an seine erste große Liebe, Schwester Joy erinnerte, aber Beleber waren so teuer, dass er sich keinen hatte leisten können.
Schwester Joy? Echt jetzt? Es gibt so viele, gutaussehende Mädels da draußen und dann Schwester Joy?! Mit ihren 20, gruseligen Schwestern, die alle gleich aussehen.
Er erinnerte sich noch genau, wie er ihr das erste Mal begegnet war. Ihre rosafarbenen Haare im Wind wehend, während sie versucht hatte, sein scheues Schiggy zu untersuchen. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen. Leider hatte sie nicht so empfunden. Das hatte Luca das Herz gebrochen und er war losgezogen, um der beste Pokémontrainer zu werden! Also zog er durch die Kanto-Region und sammelte Arenaorden. Dann zog er durch Johto. Er bereiste auch viele andere Regionen - Alola hatte ihm sehr gefallen - aber nun war er endlich in der Indigoliga angekommen und bereit, den Champ zu besiegen!
Warum auch immer ich erst die Regionen ohne Grund gewechselt habe, nur um am Ende dann doch bei der Indigoliga zu landen und wie auch immer ich nicht geschafft habe, bessere Pokémon zu fangen ...
Kaum ein Pokémon hatte es in dieser Zeit geschafft, sein Herz zu erobern, und er war nach Hause zurückgekehrt, weil - und das sah er wirklich so - es Zuhause immer noch am schönsten ist. Außerdem war es immer sein Traum gewesen, Champ Kantos zu werden. Oder zumindest seit diesem Vorfall mit Schwester Joy.
Also entweder ist das ein verdammt langer Gang oder ich bin langsam wie ein Pottrott.
Während er noch in Erinnerungen schwelgte, öffnete sich plötzlich die Tür, vor der er bis jetzt gestanden hatte. Dahinter eröffnete sich ein riesiger Raum, der fast komplett durch das Kampffeld eingenommen wurde.
Draußen kämpfen ist ja keine Option.
Am anderen Ende stand Siegfried. Entschlossen sah er dem jungen Trainer entgegen. „Du also bist mein neuer Herausforderer“, begrüßte er Luca mit forschendem Blick.
Steht der eigentlich den ganzen Tag nur hier rum und wartet auf Herausforderer?
„Ich habe schon den ganzen Tag auf dich gewartet, seit ich hörte, dass du begonnen hast, gegen die Top Vier zu kämpfen.“
Sollte ich jetzt ein schlechtes Gewissen haben?
„Tut mir leid, dass du so lange hast warten müssen“, erwiderte Luca.
Ach, jetzt bin ich das also Schuld?
„Ist schon okay, ich hatte nichts anderes zu tun. Meine Pokémon sind schon seit Jahren gut trainiert und können nichts mehr verlernen. Also, wenn du bereit bist, können wir sofort mit dem Kampf beginnen.“
Ich bin ja nicht hier, um zu kämpfen oder so ...
„Ja, ich bin bereit“, sagte Luca und ballte siegessicher die Faust.
„Genau das wollte ich doch hören“, entgegnete Siegfried lächelnd und zog seinen ersten Pokéball: „Garados, du bist dran!“
„Gut, Smettbo, los!“ Auch Luca warf seinen Pokéball und die beiden Wesen erschienen auf dem Kampffeld.
Ein Smettbo gegen ein Garados? Schon mal was von Typenwechselwirkung gehört?
Auch wenn Smettbo im Nachteil war, Luca war sich sicher, dass es diesen Kampf gewinnen würde!
„Los, Garados, setz Hyperstrahl ein!“, eröffnete Siegfried den Kampf.
„Schnell, Smettbo, Schlafpuder!“ Flink verstreute Smettbo sein helles Puder und noch ehe sich die Energie in Garados‘ Maul zu einem Ball geformt hatte, war die riesige Wasserschlange eingeschlafen. „Sehr gut, Smettbo, jetzt Psystrahl!“, befahl Luca seinem Pokémon und dieses schickte einen funkelnden Strahl auf seinen schlafenden Gegner.
Egal, wie sehr Siegfried sich auch bemühte, sein Garados aufzuwecken, es verschlief jede einzelne Attacke, die Smettbo einsetzte, bis es schließlich besiegt war.
Warum auch immer es nach einem Treffer nicht aufwacht, dieses Schlafpuder muss ja echt ein Wundermittel sein ...
Manchmal hat man das Glück eben auf seiner Seite.
Luca war überrascht, als ein Schiedsrichter am Kampffeldrand Smettbo zum Sieger dieses Matches ernannte. Er war wie aus dem Nichts aufgetaucht.
Plötzlich auftauchende Schiedsrichter also. Sonst noch was?
Dann wandte er sich an Luca: „Dein Smettbo hat jetzt Level 34 erreicht und möchte Wutpulver erlernen, aber es kann nur höchstens vier Attacken erlernen. Möchtest du, dass es eine Attacke vergisst?“
34? Hast du mich alle Trainer umgehen lassen oder wieso ist das so niedrig? Und überhaupt: Nur vier Attacken? Was soll der Mist denn?
Luca war stolz, dass seine Pokémon schon so weit gekommen waren, aber dies war wie immer keine leichte Entscheidung. „Hm, Wutpulver klingt nach einer wirklich tollen Attacke. Die ist sicher um Längen besser als Schlafpuder“, überlegte er. „Also, Smettbo, los, vergiss Schlafpuder!“
Waaaaas? Wie konntest du mir das antun?! Jetzt stehe ich nicht nur wie der totale Volldepp da, sondern werde diesen Kampf auch noch ziemlich sicher verlieren!
„Okay, dann können wir ja weiter machen“, mischte sich nun wieder Siegfried ein. „Los, Dragoran, du bist dran!“
„Gut, Smettbo“, wandte sich Luca an sein Pokémon, „den besiegen wir auch! Wutpulver, los!“
Weißt du überhaupt, was Wutpulver bewirkt?
Ein rotes Pulver verteilte sich auf dem Kampffeld. Kaum hatte es sich gelegt, fixierten Dragorans Augen Smettbo, es beobachtete jede seiner Bewegungen und wollte nichts anderes, als auf das Schmetterlingspokémon zielen.
„Was ...?“ Ungläubig starrte Luca auf sein Pokémon. „Das hat doch gar nichts gebracht!“
„Doch, diese Attacke hatte natürlich einen Effekt“, klärte Siegfried ihn auf, „dein Smettbo hat Dragorans Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Los Dragoran, setz Donner ein!“ Über dem Kampffeld türmten sich dichte, dunkle Wolken auf, ehe eine riesige Blitzsalve auf Smettbo niederstürzte.
„Smettbo! Nein!“, schrie Luca, doch es war zu spät, sein Pokémon war besiegt, was auch der Schiedsrichter feststellte.
Donner trifft natürlich auch!
„So genau, wie Dragoran auf dein Smettbo gezielt hatte, war es kein Wunder, dass Donner so stark getroffen hat“, erklärte Siegfried, ehe er seinem Pokémon anerkennend zunickte.
„Na gut“, meinte Luca, „was du kannst, kann ich schon lange: Dragoran, du bist dran!“
Oh je, jetzt wirds peinlich.
„Oh, ein Kampf Dragoran gegen Dragoran, das verspricht sehr interessant zu werden.“ Siegfried betrachtete interessiert seinen neuen Gegner. „Und wie ich sehe, hatte dein Dragoran auch ein gutes Training.“
Nur keine guten Attacken ...
„Dragoran, setz Zerschneider ein!“ Luca wollte seinen Gegner treffen, bevor dieser bereit war und nutzte deshalb sofort die Attacke, die ihm schon so oft geholfen hatte.
„Das ist eine interessante Wahl ...“, entgegnete Siegfried, ehe er seinem Pokémon befahl, Blizzard einzusetzen.
Ich kann mir das nicht mit ansehen ...
Gebannt starrte Luca auf das Schlachtfeld. Sein Dragoran stürmte vorwärts, ehe es in einem dichten Schneesturm verschwand. Die Sekunden, die vergingen, bis sich das Schneegestöber legte, kamen dem Jungen wie Stunden vor. Dann endlich konnte er die Pokémon wieder sehen. Ein Dragoran lag am Boden und eines sah triumphierend auf es hinab.
„Lucas Dragoran kann nicht mehr weiterkämpfen, Siegfrieds Dragoran gewinnt!“, verkündete der Schiedsrichter.
„Moment mal!“, rief Luca. „Wie könnt ihr euch denn sicher sein, welches welches ist?“
Also so dumm, dass ich mein eigenes Pokémon nicht erkennen würde, bin ich jetzt aber wirklich nicht.
Dann seufzte er resignierend. „Na gut, schon kapiert, ich hab verloren ... Aber ich habe noch ein Pokémon! Turtok, du bist dran!“ Sein erster Partner, das einst so schüchternde Schiggy, erschien nun als mächtige Wasserschildkröte auf dem Schlachtfeld.
„Dann beginnen wir mit dem letzten Kampf!“, entschied Siegfried. „Dragoran, Hyperstrahl!“
„Turtok, setz dagegen mit Hydropumpe!“
Die zwei Strahlen rasten mit hoher Geschwindigkeit aufeinander zu, in der Mitte des Feldes trafen sie aufeinander und verursachten eine starke Druckwelle, die die beiden Kontrahenten nach hinten schleuderte. Beide Pokémon waren getroffen, aber keines ging zu Boden.
„Das ist die richtige Zeit für einen Trank!“ Siegessicher griff Luca in seine Tasche, nur um festzustellen, dass sie leer war. „Verdammt!“
„Alles in Ordnung bei dir?“, fragte Siegfried
„Äh...“
Ach komm, wie kann man sowas denn vergessen?
Luca war zu sehr in den Kämpfen ausgegangen, um auf die Anzahl seiner Tränke zu achten.
Während Luca nach der Medizin gesucht hatte, hatte sich der gegnerische Drache vom Rückstoß seiner Attacke erholt und stand wieder kampfbereit auf der anderen Hälfte des Feldes. „Also gut, Dragoran, beende es mit Donner!“ Erneut türmten sich dunkle Wolken auf
„Turtok schnell, weich aus und setzt noch mal Hydropumpe ein!“ Turtok schaffte es zwar, den direkten Blitzen auszuweichen, aber der Einschlag war so heftig, dass es zur Seite geschleudert wurde und seine Hydropumpe nicht einsetzen konnte. Schwer atmend blieb es am Boden liegen.
„Turtok, komm schon, steh wieder auf!“ Luca versuchte, sein Pokémon anzufeuern, aber es blieb am Boden und verlor das Bewusstsein.
„Turtok kann nicht mehr weiterkämpfen, Siegfried gewinnt den Kampf!“, sagte der Schiedsrichter, doch Luca bekam schon kaum noch etwas mit. Ihm wurde schwarz vor Augen. So schnell er konnte lief er in das nächste Pokémoncenter.
Als ob ich dann direkt bewusstlos werde, nur weil alle meine Pokémon K.O. sind und plötzlich kann ich rennen, bin ich jetzt bewusstlos oder nicht?
So oder so, auf diese Weise würde er Schwester Joy niemals beeindrucken.
Ach komm schon!
Ein Rascheln in den Büschen, zwei leuchtend gelbe Augen, dann streckt das Mauzi vorsichtig den Kopf aus dem Blattwerk und beschaut noch einmal das kleine Einfamilienhaus. Die Operation ist perfekt durchgeplant. Wochenlanges Warten und Beobachten wird heute Früchte tragen. Geduldig lässt das Katzenpokémon die raue Zunge über das seidige Fell gleiten, während die letzten Minuten vergehen. Mauzis Ohren zucken und nehmen alle Geräusche aus der Umgebung auf. Die Schwalbinis, die hinten im Garten um die Wette singen, der leichte Wind, der durch das hohe Gras fährt und dann endlich die Haustür. Reflexartig in den Busch zurückgezogen beobachtet das Mauzi mit großen Augen, wie die Dame des Hauses die Auffahrt hinunter und die Straße entlang geht – das Fukano im Schlepptau. Ein erleichterter Seufzer, alles verläuft nach Plan – jetzt heißt es schnell sein!
Ich ahne, dass das in einer Katastrophe enden wird...
Ein letztes Mal geht Mauzi alle Stationen im Kopf durch, dann schießt das Pokémon wie ein geölter Blitz aus dem Busch, rast über die Straße und springt die große Weide an der Ostseite des Hauses hoch. Scharfe Krallen schlagen sich in die weiche Baumrinde und geben genug Halt, um das kleine Pokémon Stück für Stück nach oben zu katapultieren. Die vorher sorgsam ausgewählten Äste wanken etwas im Wind, halten das Gewicht der Katze jedoch mit Leichtigkeit. Dann sieht sich Mauzi seinem Ziel gegenüber: Ein immer offenstehendes Fenster im ersten Obergeschoss – wie jeden Mittwoch, wenn das Schlafzimmer durchgelüftet wird. Gierig fährt Mauzi sich mit der Zunge über die gebleckten Zähne und muss einen Jauchzer der Vorfreude unterdrücken. Hier draußen hat alles geklappt, aber jetzt kommt der härteste Teil. Am Ende der Straße biegen Hausbesitzerin und ihr Fukano gerade ab und verschwinden aus dem Sichtfeld, als Mauzi sich von dem sich im Wind wiegenden Ast abfedert und schnurgerade durch das offene Fenster fliegt.
Ich bin ja richtig sportlich, Mensch. Aber scheinbar ist das eine weit verbereitete Annahme von Zweibeinern: Katzen, egal wie auch ihre körperlichen Eigenschaften aussehen, sind flink und landen darüber hinaus auch immer auf den Pfoten, wenn sie irgendwo runter springen. Immerhin hast du Letzteres nicht erwähnt, ich hätte dir sonst dieses Geschreibsel um die Ohren gehauen. Welcher Vollidiot springt bitte aus 'nem vierten Stock und landet auf den Beinen? Davon abgesehen, dass man ohnehin selten dämlich sein muss, überhaupt zu springen... aber scheinbar hat man dann auch noch ungeahnte Kräfte. Hn, wie auch immer. Kann ich eben durch ein offenes Fenster fliegen wie ... - wie nennt ihr ihn doch gleich? Superman? Kann immerhin nicht jedes Mauzi von sich behaupten; gibt sicher Pluspunkte bei den Weibern.
Mit einem dumpfen Aufprall trifft Mauzi im Haus auf den Boden, schüttelt sich kurz und beginnt dann die Umgebung zu observieren. Ab jetzt ist alles unbekanntes Terrain, bloß nichts übersehen, was die Operation gefährden könnte. Die Katzenohren richten sich auf und lauschen in das Haus hinein. Das schwere Ticken einer Uhr, irgendwo tropft ein Wasserhahn. Ansonsten Stille. Der Duft von Tee und Brötchen steigt aus dem Erdgeschoss auf, offensichtlich ist das Frühstück noch nicht lange her.
Na immerhin hast du wenigstens mein perfektes Gehör und meinen unverkennlichen Geruchssinn recht akzeptabel dargestellt. Vielleicht taugt deine Erzählung doch zu was.
Das Schlafzimmer, in dem Mauzi gelandet ist, ist geradezu überschwänglich gemütlich eingerichtet. Eine Unmenge an Kissen ziert das Bett, auf dem eine dicke, rote Tagesdecke aus Wolle liegt. Die Kommode und die beiden Nachttische sind mit Blumen und Bildern vollgestellt, die allesamt das hier heimische Fukano oder Menschen zeigen, die Mauzi noch nie gesehen hat. Aber das eigentliche Ziel dieser Operation verbirgt sich im Erdgeschoss. Auf leisen Pfoten wagt es sich aus dem Zimmer und hinaus in den Flur. Drei verschlossene Türen führen von hier aus in weitere Zimmer, aber die Treppe, die sich rechterhand nach unten windet ist am wichtigsten. Ohne einen Laut zu verursachen, gleitet Mauzi die Stufen hinab und findet sich in einem weiteren Flur wieder. Ein Blick nach links zeigt die Haustür, durch deren Glasfenster warmes Sonnenlicht hereinströmt. Instinktiv hätte das Katzenpokémon gern eine Pause gemacht und sich in den wohltuenden Strahlen auf dem Boden gebadet. Mühsam wendet Mauzi den Kopf vom Lichtspiel ab und setzt seinen Weg nach rechts fort, wo sich hinter einer offenstehenden Holztür das große Wohnzimmer eröffnet. Das kleine Katzenherz schlägt aufgeregt, jetzt ist Mauzi schon ganz nah dran. Ein paar Meter noch, dann –
Lass mich raten: Ist das hier dieser heroische Moment, wo bei Geschichten immer ein Wendung ins Negative geschieht? Ein Noctuh hat mir mal davon stundenlang die armen Ohren vollgeträllert, als es mir begeistert von euren Geschichten berichtet hat.
„Hallo“, tönt es aus einer Ecke und Mauzi macht einen erschrockenen Satz nach hinten. Das geht gegen den Plan, die Frau lebt alleine, niemand sonst sollte hier sein. Panischer Blick zum Sprecher, dann erleichtertes Zusammensacken. In einem großen Käfig auf einer Anrichte aus hellem Holz sitzt ein Plaudagei auf einer Stange. Den Kopf schief gelegt schaut es den Eindringling neugierig an. „Hallo“, krächzt es dann erneut.
„... und dann frass das Mauzi es einfach auf.“
Die alte Selbstsicherheit wiederfindend stolziert Mauzi auf den Käfig zu, schaut dem Vogelpokémon tief in die Augen und hebt verschwörerisch eine Pfote an die eigenen Lippen. Keinen Laut, gibt er zu verstehen und lässt drohend die Krallen blitzen. Plaudagei beginnt aufgeregt im Käfig hin und her zu flattern, sehr zur Belustigung des pelzigen Einbrechers. Mauzi überlegt gerade noch, ob es den eingesperrten Vogel noch ein wenig ärgern soll, da fällt sein Blick auf die offene Küche, in die das Wohnzimmer übergeht und es hätte beinah einen freudigen Salto vollführt. Endlich am Ziel. Nach Wochen der Planung, der Geduld, der Sehnsucht! Ohne Plaudagei eines weiteren Blickes zu würdigen -
Nicht? Schade.
- sprintet Mauzi herüber und springt mit einem Satz auf die Küchenzeile. Durch ein Fenster sieht es den Ast,von dem aus es selbst vor einigen Wochen das erste Mal in die helle Küche gespäht hatte. Auf einem Streifzug durch die Nachbarschaft hatte ein ominöses Glitzern das Mauzi in der Bewegung erstarren lassen. Da hatte sie gestanden und singend in einer Schüssel gerührt, ein hechelndes Fukano zu ihren Füßen. Doch Mauzi hatte nur Augen für den Löffel gehabt. Einen goldenen Löffel, der in der warmen Sommersonne zu tanzen und zu locken schien. Mauzi hatte gewusst, dass der Löffel sein werden musste. So hatte alles begonnen.
Ein Löffel? Ernsthaft? Ich bitte dich! Glänzende Dinge mögen schön sein - in den meisten Fällen sogar sehr schön - aber ein goldener Löffel gehört mit Sicherheit nicht in das Arsenal eines Mauzi - und schon gar nicht in meines! Ich bin eine Katze und kein dummes Kramurx, was selbst bei einem Stück glänzenden Drecks völlig aus dem Häuschen ist. Und was soll ich mit Besteck? Sehe ich vielleicht so aus, als wenn ich gepflegt essen würde und mein goldenes Karpador mit einem goldenen Löffel tot haue? Nachdenken, Autor! Warum nicht gleich sämtliche goldene Gegenstände in meinen nicht vorhandenen Haushalt einfügen?
Und jetzt ist Mauzi so nah dran. So. Nah. Dran. Natürlich weiß es genau, in welcher der Schubladen der Löffel versteckt liegt. Von der Ablage auf der der Einbrecher sitzt, ist es ein leichtes, die obere Schublade mit der Pfote aufzuziehen. Kurz die Augen schließen und tief durchatmen. Auf diesen Moment hat Mauzi lange hingearbeitet. Ein kurzer Ruck an dem Griff und die Lade gleitet auf. Licht fällt auf ihren Inhalt und die resultierende Reflektion blendet Mauzi für einen kurzen Moment. Da liegt er, greifbar nah. Das Wasser läuft dem Pokémon im Mund zusammen, als die Pfoten in der Schublade verschwinden und zum ersten Mal die Beute berühren.
Das Wasser läuft mir nur bei gebratenen Taubsis im Maul zusammen. So klingt klingt das grauenvoll, Mensch!
Vor Freude erschaudernd hebt Mauzi den Löffel heraus. Aus der Nähe ist er noch viel schöner. Fasziniert beschaut der Dieb die feinen Gravuren, die den Löffel zieren, die perfekt geschwungene Form des Griffes und den perfekt polierten Glanz.
Dann öffnet sich die Haustür und Mauzi zuckt zusammen. Es hat die Zeit vergessen. Wütend auf sich selbst springt es von der Küchenzeile auf den gefliesten Boden. Das warme Licht auf dem Flur, das Plaudagei und der Löffel selbst haben es viel zu lange abgelenkt, das hier hatte eine rein-und-raus Aktion sein sollen. Die Beute zwischen den Zähnen – auf vier Pfoten läuft es sich schneller – bereitet sich Mauzi auf die Konfrontation mit dem Feind vor. Es zählt auf den Überraschungsmoment.
„So mein Großer, jetzt gibt es erst Mal was Feines“, klingt die Frauenstimme auf dem Flur, beantwortet von einem fröhlichen Hecheln. Die Haustür ist noch nicht wieder ins Schloss gefallen.
Oh bitte, lass es mich bekämpfen! Das wäre ein Spaß! Dann hätte sogar die Geschichte einen viel besseren Namen: „Mutiges Mauzi besiegt treudoofes Fukano.“
Geduld.
Geduld.
Jetzt.
So schnell es kann sprintet Mauzi um die Ecke und in den Flur. In einem Sekundenbruchteil erfasst es die Szene. Die Tür noch halb geöffnet, die Dame des Hauses, die Hand auf dem Kopf des Fukanos, das Mauzi mit offenen Augen anstarrt. Ohne langsamer zu werden sucht Mauzi sich den idealen Pfad aus, duckt sich unter einen Beistelltisch, hält sich dann nah an der Wand, springt zwischen Fukano und Frau und erreicht die frische Luft, kurz bevor die Tür krachend zufliegt. Das ganze Manöver hat nicht einmal eine Sekunde gedauert. Noch bevor der spitze Schrei der Überraschung und das aufgebrachte Bellen durch das Glas der Haustür nach draußen - schnell ist der Dieb bereits in den Büschen auf der anderen Straßenseite verschwunden.
Langweilig!
Viel zu knapp, befindet Mauzi, als es sich wieder zu Denken erlaubt und sich nicht länger nur von Instinkten treiben lässt. Dann grinst es selbstzufrieden, den Löffel sicher zwischen den Zähnen.
Ein weiterer gelungener Coup.
... und eine weitere, seltsame Geschichte von euch Zweibeinern. Lest ihr sowas echt gerne? Nicht mal das treudoofe Fukano hat etwas abbekommen. Kein hysterisches Kreischen der Frau, kein Kampf, in dem ich meine Fähigkeiten zur Schau stellen konnte ... nur ein goldener Löffel. Ich kann noch immer nicht glauben, dass es die letzten 1000 Worte darum ging. Wie ... dämlich.
Für einen kurzen Moment hielt Ray inne und lauschte in die Nacht. Das Rauschen des Regens übertönte fast alles andere. Der Siebzehnjährige war klatschnass und übermüdet, doch an eine Pause war nicht zu denken. Er konnte von Glück reden, dass er ausgesprochen gut darin war, in der freien Wildbahn zurechtzukommen. Trotzdem brachte ihn dieser Horror-Trip in dem urzeitlichen Sumpf hart an seine Grenzen. Ein lautes Krachen hinter ihm ließ Ray herumfahren. Sein Verfolger - ein riesiges Karippas - pflügte mit seinen gewaltigen Flossen gerade einige junge Magoroven um. Einen Fluch unterdrückend hetzte der Kundschafter weiter durch das knöcheltiefe Wasser - so schnell das eben möglich war. Lange würde er das jedenfalls nicht mehr durchhalten, aber was dann? Sollte er den Eingeborenen etwa nur entkommen sein, um jetzt als Beute dieses Urpokémon zu enden? Das konnte doch nicht wahr sein!
Während er sich mit seinen letzten Kräften vorwärts kämpfte, wurden Wut und Verzweiflung in ihm immer stärker. Eigentlich war Ray von Natur aus keine pessimistische Person. Als er noch gedacht hatte, sein Leben hinge vom Zufall oder Schicksal ab, da hatte er stets mit schwierigen Situationen umzugehen gewusst. Sein Sarkasmus hatte ihm oft geholfen, die Fassung zu bewahren. Doch mittlerweile hatte sich alles geändert. Alles, was ihm in den letzten Wochen passiert war, ging auf das Konto einer Person.
Mit einem Mal war der Boden weg. Ray verlor den Halt und stürzte. Der überraschte Aufschrei blieb ihm mehr oder weniger im Hals stecken, nur ein besonders lautes Platschen kündete von dem Fall. Der Teenager versuchte erst gar nicht, sich aufzurappeln. Wenn, dann war seine einzige verbleibende Chance sowieso, sich jetzt still zu verhalten und zu hoffen, dass das Karippas ihn in der Dunkelheit nicht erkennen würde. So lag er flach im Wasser und hörte das Ungetüm von Pokémon nahen, am ganzen Körper zitternd.
Gibst du etwa auf?
Ray musste an sich halten, um keinen Fehler zu machen. Doch dieser Kommentar, der wie ein sachtes Echo durch seinen Kopf hallte, hatte gerade das Fass zum Überlaufen gebracht.
"Als ob du mir das Ganze nicht eingebrockt hättest!", presste er zwischen den Zähnen hervor. "Warum kannst du nicht aufhören, mich zu quälen?" Neben ihm sannten die Schritte des Urzeitgiganten kleine Beben aus. Und wenn sie es vielleicht wirklich erwog?
Was, wenn er ihr nicht mehr interessant genug war? Vielleicht wollte sie es jetzt mit einem spektakulären Tod beenden?
Ray verzog das Gesicht zu einer bitteren Grimasse. In ihm kämpften so viele Emotionen miteinander - Angst, Wut, Verzweiflung und eine gewisse Resignation. Wenn sie es so haben wollte, konnte er ohnehin nichts tun. Sie bestimmte alles. Und wenn sie wollte, dass er starb, dann würde das so eintreten. Immerhin hatte dieser Wahnsinn dann endlich ein Ende. Lieber jetzt sterben als weiter von jemand anderem in solch ein Leben gezwungen zu werden. Gerne hätte er sich nun aufgerichtet und wäre dem Karippas in die Arme gelaufen. Aber eine unsichtbare Kraft hielt ihn am Boden, unfähig, sich zu bewegen.
"Was soll das? Hör auf damit!", verlangte er. Rays Stimme war nur noch ein sachtes Stöhnen. Der Junge hatte nicht einmal mehr die Kraft, laut zu werden.
"Du könntest wenigstens einmal gnädig zu mir sein und es schnell beenden. Dann kannst du dir einen neuen Charakter machen und dich an dem armen Spoink austoben. Oder willst du einfach eine supertolle Rettung aus dem Ärmel holen? Ja genau. Du möchtest wahrscheinlich nur mal wieder Lob von den anderen einheimsen. Für diese ach so tolle Szene. Hey, wie wäre es mit einem Raumschiff? Das würde hier noch super reinpass..."
Hey!, fuhr Becky dazwischen, bevor Ray sich so richtig in Rage reden konnte. Jetzt mach aber mal halblang. Ok, die Situation ist beschissen für dich.
"Ach."
Aber du tust ja so als ob ich geradezu grausam wäre!
"Du bist grausam!", empörte der Junge sich. "Du hast mich in diese ganze Sache mit Dialga reingeritten, du lässt mich von irgendwelchen Urmenschen und aggressiven Pokémon durch diesen Sumpf jagen, nur zu deiner Unterhaltung! Dir muss es ja eine Riesenfreude bereiten, aber ich hab hier definitiv keinen Spaß!"
Er holte tief Luft und wartete auf einen Einwurf seiner Schöpferin. Der kam aber nicht. Hatte es ihr die Sprache verschlagen? Sie war doch sonst so keck. "Man müsste meinen, du würdest anders mit mir umgehen, wo du doch genau weißt, wie ich mich fühle."
Erschrocken fuhr er zusammen, als das Karippas ein Grollen ausstieß.
Ich ... warum siehst du immer nur das Negative? Ok, in letzter Zeit war es alles ein wenig turbulenter ...
"Ein wenig?"
Aber was du nicht siehst, ist die Tatsache, dass ich so viel Gutes geschrieben habe. So viele schöne Momente, die Partner an deiner Seite ... !
Rays Stimmung hob sich nicht im Geringsten.
"Ich würde alles akzeptieren. Pech, Schicksal. Das Leben läuft nicht immer glatt und das weiß ich. Aber kannst du nicht verstehen, dass es mich ankotzt, dass ich nur von dir abhängig bin? Was ich bin hast alles du dir ausgedacht. Wenn ich mich umschaue, sehe ich nur, wie du alles bestimmst. Weißt du eigentlich, wie frustrierend das ist?" Gefangener ihrer Fiktion zu sein. Nichts konnte er tun, ohne dass sie es nicht wollte! "Ich halte das nicht mehr aus!" Im wahrsten Sinne des Wortes. Mittlerweile fühlte der Trainer sich nur noch wie ein gefühlloser Eisklumpen. Seine Glieder waren taub von dem Wasser und der Kälte. Seine Kleidung aufgeweicht. Die Tarnfarben waren ein Witz, wenn man bedachte, wie viel Dreck und Schlamm schon an den Klamottenklebte.
Ich bestimme auch nicht alles, ok? Den ganzen Quatsch mit Dialga hat sich eh unser Spielleiter ausgedacht. Damit habe ich ja nichtmal was zu tun!, verteidigte Becky sich.
Ich kann nur schreiben, was du tust. Ok, was heißt "nur". Ray hörte die junge Frau in seinen Gedanken aufseufzen. Die monströse Schildkröte wütete mittlerweile wie ein Berserker, weil sie ihre Beute einfach nicht mehr finden konnte.
Hör zu ... Es ist nicht gerade schön, von anderen bestimmt zu werden. Das sehe ich ja ein, setzte Becky wieder an. Ich möchte aber, dass du weißt, dass ich dich nicht aus Spaß quälen wollte. Vielleicht habe ich tatsächlich zu wenig wahrgenommen, dass wir irgendwie ... miteinander verbunden sind. Ich glaube, in dir steckt viel von mir drin, auch wenn dir das vermutlich nicht gefällt. Sie machte eine kurze Pause. Jedenfalls ... bist du mir wichtig und ich wollte nie dein Gegner sein. Du bist für mich mehr als nur irgendeine Figur, du bedeutest mir sehr viel. Und ich ... ich werde dich nicht einfach so im Stich lassen.
Bevor Ray fragen konnte, was sie damit meinte, erhellte ein strahlendes Licht die Umgebung. Gefolgt wurde das Leuchten von einem niedlichen Quieken. Dem Jungen blieb der Mund offen stehen und fast tonlos wisperte er:
"Celebi?"
Kein Kommentar, es hätte dir auch so geholfen. Selbst wenn es mich nicht gäbe - du bist von Natur aus so. Erinnerst du dich, wie du die Leute verjagt hast, die Giftmüll in den Wäldern nicht weit von Jubelstadt deponieren wollten? Damals, als du dich allein vom Großmoor zurück nach Hause durchgeschlagen hast.
Natürlich! Ray erinnerte sich. Damals hatte er Celebi getroffen und nun war es hier, um ihm zu helfen? Ehe er es sich versah, kam die kleine, zarte Gestalt auf ihn zugeschwirrt und ergriff seine matschverschmierte Hand.
"Cebi-Celebi", piepste es. Keine Sekunde später befanden die beiden sich im Wirbel der Zeit. Pulsierendes Licht und kreisende Schwingungen überwältigten den von Erschöpfung geplagten Trainer. Doch mittendrin wurde der Strom abrupt abgerissen.
"Becky? Was passiert da? Becky!"
Mit einem sehr unsanften Ruck kam alles um Ray herum wieder zum Stehen. Er taumelte und konnte die Umgebung erst kaum wahrnehmen. Tageslicht blendete ihn.
"Was ... was ist passiert?"
Sorry, Dialga fand Celebis Eingreifen nicht so toll...
"War ja klar", maulte der Zeitreisende. Er blinzelte und sah sich mit großen Augen um. Die Sumpflandschaft war einer modernen Großstadt gewichen. Hohe Wolkenkratzer mit Glasfronten erhoben sich gen Himmel. Von überall her drangen der Lärm der City auf den Teenager ein. Das war zuviel. Ray musste sich erst einmal an der Wand des Hauses hinter ihm abstützen.
"Zukunft? Oder Gegenwart?", murmelte er. Statt einer Antwort von Becky drang eine andere, deutlich rauere Stimme an sein Ohr:
"Maaaaaann, aus welchem Loch bist du denn gekrochen?"
Als Ray seinen Blick aufrichtete, sah er einen ziemlich bulligen Typen mit - was ihm überhaupt nicht gefiel - einer Pistole.
"Ernsthaft?!", entfuhr es ihm, weniger an den Fremden vor ihm gerichtet. Dieser war seinerseits etwas verwirrt.
"Ja, das ist ein Überfall, Mann. Wo kommst du her, hä? So und jetzt Klappe halten und her mit deinen Sinnoh-Credits."
Credits? Aha, es war also die Zukunft.
Sorry, war Beckys Kommentar.
"Ich hätte es ja wissen müssen", erwiderte Ray. Da er mittlerweile ziemlich entnervt war, ging ihm dieser Ganove gerade einfach nur gehörig auf den Senkel. Den Lauf der Waffe, der auf ihn gerichtet war, ignorierte er.
"Ok, also ich hab auf sowas jetzt echt keine Lust mehr. Ich finde, für heute habe ich schon genug gelitten..."
"Was interessiert mich dein Leben, du Labertasche", unterbrach der Räuber ihn. "Los, her mit den Moneten."
Ray verdrehte die Augen.
Ja, ich weiß. Aber manche Dinge, die ich schreibe, haben auch ihren Zweck.
In diesem Augenblick ertönte ein sehr vertrautes: "Meta-gross!" Ray und der Fremde fuhren beide gleichzeitig herum.
"Verdammt!", fluchte der Räuber.
"Kata!", stammelte Ray. Da stand doch tatsächlich seine Schicksalsgefährtin, die im Sumpf von ihm getrennt worden war, leibhaftig vor ihm - genauso abgerissen wie er.
Ja, so siehst du gerade auch aus, kam Becky ihrem Schützling zuvor. Vielleicht sogar schlimmer.
Der Kundschafter fuhr sich durch sein kurzes, schwarzes Haar, dessen blonde Strähnen durch den ganzen Dreck nicht mehr erkennbar waren. Er richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die junge, dunkelhäutige Frau mit der wilden, nassen Lockenmähne. Diese hatte ihr Metagross gerufen und erklärte gerade völlig ruhig:
"Ok, mein Freund. Ich werde nicht die Polizei rufen, aber du wirst jetzt sofort verschwinden. Denk nicht, du kannst dir hier irgendwelche Manöver erlauben. Mein Partner Metagross findet das ganz bestimmt nicht lustig!"
So schnell, wie der Straßenräuber um die Ecke verschwunden war, konnte man meinen, er wäre nie dagewesen.
"Ray!" Kata kam auf ihn zugerannt und fiel ihm um den Hals. "Oh, meine Güte! Ich hab schon gedacht, dir wäre sonstwas passiert! Komm, wir müssen erstmal irgendwo was Trockenes auftreiben."
Ray musste sich arg konzentrieren, um den gesamten Inhalt ihrer Aussage bis zu seinem Gehirn durchzubekommen.
"Ein Glück, ich kann mich auf andere Leute verlassen", murmelte er, wohlwissend, dass ein gewisser Jemand diesen Kommentar sehr wohl gehört hatte. Dann fügte er schwach hinzu. "Mir geht's beschissen, aber ich bin noch in einem Stück. Meinen Pokémon geht's auch gut. Ich hätte mir nicht verzeihen können, wenn ihnen was passiert wäre."
"Typisch für dich." Katarina schüttelte den Kopf. "Du wärst lieber selber draufgegangen, als sie in Gefahr zu bringen. Und das, obwohl ihr in Kämpfen einfach ein geniales Team seid. Aber wie auch immer." Die ebenfalls etwas abgekämpfte Technikerin holte ihren Navigator aus der Gürteltasche und erklärte: "Wir sind bei mir gelandet - also zeittechnisch. Ich lasse uns die Koordinaten vom nächsten Inn geben. Habe noch ein paar Credits übrig. Du hast den Spirit-Kern?"
Mit einem kaum sichtbaren Nicken beugte Ray sich vor und holte einen nicht besonders bedeutungsvoll erscheinenden Felsbrocken aus seinem Rucksack hervor. Kurz dachte er, ein seltsames Schimmern auf dessen Oberfläche zu sehen. Doch das hatte er sich bestimmt nur eingebildet.
Es reicht wohl erstmal.
"Ich hab dich auch lieb."
"Oha, du brauchst wohl sehr bald ein Bett und medizinische Grundversorgung. Was zur Hölle ist dir da passiert?", kommentierte Kata Rays Einwurf.
Es gibt Dinge, die du nicht ändern kannst, mein Freund. Ich werde sie dir in Zukunft so erträglich wie möglich gestalten, aber man muss auch etwas realistisch bleiben.
"Jaja", war das Letzte, was Ray darauf sagte.