Die Flammen meiner Stärke

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  • Kapitel XII


    Meine Dummheit war unermesslich. Zwar mochte ich es selbst kaum glauben, aber es war so! Da brauchte ich fast eine Dreiviertelstunde, um beim Kampfschloss anzukommen und mir fiel erst jetzt auf, das mir etwas Entscheidendes fehlte: Geld. Ich hatte zwar Sachen an, aber nicht meine persönlichen Sachen zurück bekommen. Denn die hatte die Polizei meiner Mutter überreicht, als ich verschwunden war. Dementsprechend hatte ich auch kein Portemonnaie mit meiner Monatskarte für den Busverkehr, genauso wie mir einfache Münzen fehlten, um mir auf diese Weise ein Ticket zu besorgen.
    Ich fand es schon schlimm genug, dass zu dieser Zeit beim Kampfschloss immer noch einiges los war. Verstehen konnte ich es. Wenn ich mich recht erinnerte, gab es heute Abend ein Eventturnier. So was fand immer wieder hier statt, war also gar nicht so ungewöhnlich. Dementsprechend gab es dann aber natürlich auch etliche Trainer, die hier herum wuselten. Zu meinem Glück war ich bisher niemand Bekanntem über den Weg gelaufen. Weder sah ich Victor – der hätte mir noch gefehlt – noch Hugo! Ich wollte den beiden am aller wenigsten begegnen, aber es gab auch andere vereinzelte Trainer, um die ich gerne einen großen Bogen mache würde. Selbst wenn diese gerade nicht in der Nähe waren, so konnte ich manche Augenpaare auf mich gerichtet sehen. Jene, die hier vor dem Schloss unterwegs waren, anstatt drinnen zu kämpfen oder sich die Kämpfe anzusehen, sahen mich, wie ich die Straße entlang gekommen war und nun vor der Bushaltestelle am Fahrplan stand. Ich versuchte die Augenpaare einfach zu ignorieren. Sie kannten mich nicht, das redete ich mir ein. Fakt war allerdings, dass ich mir im Kampfschloss in den letzten Jahren einen Namen gemacht hatte und dadurch, dass ich immer wieder meinen Titel verbessert hatte, daher auch berühmter geworden war. Nur gefiel mir diese Berühmtheit im Augenblick überhaupt nicht. Ja, sie war mir sogar fehl am Platz. Also ignorierte ich alle um mich herum. Ignorierte, wie manche die Köpfe zusammen steckten und tuschelten und einige auch ihre Mobiltelefone zückten, um Nachrichten auszutauschen. Das taten sie nicht wegen mir, nein, nicht wegen mir …
    Okay, zurück zum Wesentlichen! Der Busplan! Ach ja, das ging ja nicht. Ich besaß kein Geld, um mir ein Ticket zu kaufen.
    »Verdammt!«, fluchte ich leise vor mich hin. Rico neben mir winselte einmal auf, ehe er wieder ruhig war. Ich ärgerte mich, dass ich nicht daran gedacht hatte, Khyron darum zu bitten mir ein Ticket auszugeben. Ich hätte es ihm auch später zurückgezahlt! Schließlich war das nicht zu teuer. Jetzt sah es leider so aus, als würde ich tatsächlich zu Fuß nach Relievera City gehen müssen. Normalerweise hätte ich nicht das Problem damit, wenn es Tag wäre. Wenn ich früh morgens los gelaufen wäre, um irgendwann abends anzukommen. Denn ich würde nicht mehr vor Morgengrauen dort ankommen, dafür war der Weg viel zu weit. Allein mit dem Bus brauchte man gut zwei Stunden, um zwischen Relievera City und dem Kampfschloss hin und her zu fahren. Zu Fuß war das in dieser Zeit absolut unmöglich.
    »Mist!« Ich ärgerte mich immer noch und überlegte ebenfalls, ob ich nicht einfach zur Pension zurückgehen sollte. Geld ausleihen oder vielleicht darum bitten dort übernachten zu dürfen. Doch irgendwie gefiel mir der Gedanke nicht. Es war mir schlichtweg peinlich nach so kurzer Zeit wieder dorthin zurückzukehren. Khyron würde sicher über mich lachen, wenn auch nicht verachtend, sondern auf seine freundliche Art. Die Verlegenheit würde trotzdem bleiben. Was sollte ich tun? Den ganzen Weg nach Hause laufen und ewig unterwegs sein oder lieber die Peinlichkeit in Kauf nehmen, dafür aber den Marsch nach Relievera City vermeiden und angenehmer nach Hause kommen?
    »Zoé? Zoé Lefevre?« Ich hörte meinen Namen und drehte mich erschrocken um. Da es keine männliche Stimme war, konnte es nicht Khyron sein. Was seltsam war, dass ich im ersten Moment an ihn gedacht hatte, ja, regelrecht gehofft, dass er mir nachgelaufen war. Das war er aber nicht. Es war auch nicht Victor oder Hugo, was mich erleichterte, denn ich erkannte ein Mädchen vor mir. Sie hatte langes dunkelbraunes Haar, hübsche hellblaue Augen und war durch ihren Rock und ihrer Bluse sehr feminin angezogen. Ihre Haare hatte sie aufwendig zusammen geflochten. Ami hatte früher immer versucht, meine Haare ebenso zu flechten. Es hatte lange gedauert, bis sie den Dreh raus gehabt hatte, aber heute trug ich meine schwarzen Haare oftmals offen, da ich keine Geduld für derlei Frisuren hatte. Ich blinzelte die Erinnerungen weg und sah das Mädchen an. Irgendwie kam sie mir bekannt vor, aber weder kam ich auf ihren Namen, noch konnte ich mich erinnern, woher ich sie kennen könnte. Ich glaubte, dass sie nur ein Jahr jünger als ich war, konnte aber nicht recht zuordnen, woher ich diese Information hatte. Vielleicht war es auch nur meine Einbildung.
    Da ich bislang nichts gesagt hatte und sie nur anstarrte, räusperte sie sich. Sie wirkte sogar ein wenig verlegen oder schüchtern. Hatte sie Angst vor mir? Nein, bestimmt nicht … Oder?
    »Zoé?«, fragte sie noch einmal nach, so dass ich endlich auch mal was von mir gab.
    »Ja?« Ich sah sie skeptisch an. Was wollte sie von mir? Woher kannte sie mich überhaupt? Okay, diese Frage konnte ich mir vermutlich sparen. Da ich sie so ansah, als kenne ich sie nicht, was sie wohl etwas verwunderte, stellte sie sich mir einfach direkt vor.
    »Ich bin's, Chloé Chevalier. Ich war nur eine Klasse unter dir in der Schule.« Sie sagte das so, als müsste ich mich daran erinnern, doch ehrlich gesagt fiel es mir schwer. Ich hatte nicht wirklich viel Zeit damit verbracht mir Mitschüler vom Gesicht, geschweige denn vom Namen zu merken. Im Nachhinein war das ganz schön arrogant von mir gewesen, oder? Da Chloé sah, wie ich immer noch mit meinem Gedächtnis zu kämpfen hatte, fuhr sie einfach fort:
    »Wir hatten vor circa einem Monat gegeneinander gekämpft. Ich hatte mein Psiaugon eingesetzt, aber leider gegen dich verloren«, sagte sie und deutete dann auf Rico. Da fiel es mir tatsächlich ein.
    »Oh, äh, ja, ich erinnere mich«, gab ich zu. Ihr Psiaugon war eine harte Nuss gewesen, aber am Ende hatte es keine Chance gegen Rico gehabt. Sämtliche Psychoattacken hatten ihn nicht gejuckt, weil Unlicht-Pokémon immun dagegen waren. Das hatte zur Chloés Niederlage geführt. Ja, an so etwas erinnerte ich mich. An Gegner, die sich gut geschlagen hatten oder die mich fast besiegt hätten oder eine geniale Strategie eingesetzt hatten, auch wenn sie am Ende gegen mich verloren hatten. Dann verknüpfte mein Gedächtnis die Pokémon mit den Trainern und ich merkte mir ein paar Namen. Meistens allerdings fielen mir die lästigen Typen eher ein, als stinknormale Trainer gegen die ich gekämpft hatte. Chloé war nicht lästig gewesen. Sie hatte damals ihre Niederlage recht gefasst hingenommen, aber zu meinem Bedauern erinnerte ich mich daran, dass ich mich ihr gegenüber nicht besonders freundlich verhalten hatte. Ein guter Grund jetzt zu gehen.
    »Ich muss los«, sagte ich und verließ die Bushaltestelle. Chloé starrte mir nach und schien noch nicht fertig zu sein, denn sie rief mir hinterher.
    »Warte Zoé, willst du gar nicht beim Turnier mitmachen?« Da ich in die falsche Richtung ging, nämlich nicht zum Kampfschloss, fiel ihr dieses Detail auf. Kurz blieb ich nur stehen und gab ein einfaches »Nein« von mir, ehe ich weiter ging. Für mich war die Sache bereits erledigt, für Chloé aber noch lange nicht. Ehrlich, ich verstand nicht, warum sie sich so hartnäckig an mich klammerte. Warum lief sie mir nach?
    »D-dann willst du also zurück nach Relievera City?«, wollte sie von mir wissen und kam mir nachgelaufen, um mich einzuholen und neben mir her zu gehen. Ich öffnete zwar die Lippen, sagte aber nichts. Stattdessen sah ich sie von der Seite an. Ob sie meinen Blick richtig deutete oder ob es etwas anderes war, wusste ich nicht. Mich würde schon interessieren, was sie von mir wollte, anstatt mich in Ruhe zu lassen. Ich wollte keinen Smaltalk mit irgendwem führen, sondern musste mir überlegen, wie ich nach Hause kam!
    »Also, wenn du willst, kann ich dich mitnehmen«, sagte sie auf einmal und ich blieb schlagartig stehen.
    »Was?« Ich hatte mich doch gerade verhört! Auch Chloé blieb stehen und lächelte mich schüchtern an.
    »Na ja, ich muss ja auch nach Relievera City und ich bin mit dem Auto da. Da könnte ich dich mitnehmen und du musst nicht den Bus nehmen.« Noch immer starrte ich sie an, jetzt mehr fassungslos als überrascht. Warum sollte Chloé mir so ein Angebot machen?
    »Warum … ?« Ich schaffte es nicht, die Frage vernünftig zu stellen, zu perplex war ich.
    »Oh? Willst du gar nicht nach Hause? Ich dachte, weil du den Fahrplan … also … « Sie kam selbst ins Stocken und schüttelte den Kopf.
    »Ja, ich will nach Hause, aber warum solltest du mich mitnehmen?«, stellte ich nun besser meine Frage.
    »Warum sollte ich nicht?«, begegnete sie mir mit einer Gegenfrage und runzelte die Stirn. Die meinte das wirklich ernst, nicht? Ich konnte es kaum glauben!
    »Das … ist wirklich kein Problem«, versuchte sie mich sogar noch zu überzeugen. Instinktiv sah ich mich um, ob ich irgendwo Victor oder jemand anderen sehen konnte, der mir eine rein würgen wollte und Chloé nur als Lockmittel nutzte. Aber da war niemand. Bot mir Chloé also das alles nur an, weil sie schlicht und ergreifend nett zu mir sein wollte? Welchen Sinn ergab das?
    Bevor das Angebot verstrich und Chloé es sich anders überlegte, ging ich am Ende darauf ein. Zwar verstand ich den Zweck dahinter nicht, aber wenn ich so einfach nach Hause kam, wollte ich es nutzen. Wird schon nichts schief gehen und wenn doch … mir würde schon irgendwas einfallen!
    Chloé sah wirklich so aus, als würde sie sich darüber freuen, dass ich ihr Angebot annahm. Echt seltsam. Ich folgte ihr zum Parkplatz des Kampfschlosses und zu ihrem blauen Auto. Keine Ahnung was das für eines war, weil ich mich mit Autos im Allgemeinen nicht wirklich auskannte. Es war jedenfalls keines von der Spitzensorte, mit dem man angeben konnte. Es diente mehr der Praxis, weniger dafür, um aufzufallen. Manche Trainer hatten so eine Eigenart, die sich selbst auf stylten, die tollsten Autos fuhren, die beste Technik besaßen und erst zum Schluss mit ihren eigenen Pokémon angaben, bei denen sich aber auch oftmals heraus stellte, dass die nicht besonders gut trainiert waren. Gerade diese Trainer stampfte ich sehr gerne in Grund und Boden. Chloé gehörte nicht dazu.
    Rico durfte nach hinten auf die Rückbank, wo er sich brav hinlegte und abwartete, wie es weiter ging. Ich selbst setzte mich auf den Beifahrersitz. Selber konnte ich so oder so nicht fahren. Irgendwann wollte ich mir auch ein Auto zulegen, benötigte dafür aber auch noch einen Führerschein. Ich sparte schon dafür, aber das war trotz allem nicht einfach. Chloé, auf der Fahrerseite, startete den Motor und schon ging es los. Wir ließen das Kampfschloss hinter uns, was schon bald in der zunehmenden Dunkelheit verschwand. Ohne die Scheinwerfer ihres Autos würden wir gar nichts mehr draußen erkennen können. Der meiste Teil der Strecke bis nach Relievera City war nur mäßig ausgeleuchtet, weil es zwischendurch auch keinerlei Dörfer oder Städte gab. Nur beim Kampfschloss gab es genug Licht, was wir aber längst verlassen hatten. Eine ganze Weile schwiegen wir auch, bis Chloé das Gespräch wieder suchte. Ich machte mir Sorgen, ob das wirklich so eine gute Idee gewesen war mit einzusteigen. Hier saß ich quasi in der Falle und konnte Chloé nicht ausweichen, falls es notwendig wurde.
    »Darf … ich dir eine Frage stellen?«, wollte sie wissen.
    »War das nicht schon eine?«, gab ich zu bedenken. Ich habe es schon immer komisch gefunden, wenn jemand so begann. Man konnte eh nicht vorher einschätzen, ob man die Frage mochte oder nicht, wenn man nicht wusste, was auf einem zu kam. Chloé ließ sich nicht abhalten, auch wenn sie immer noch einen schüchternen Eindruck bei mir hinterließ. Ich hatte das Gefühl, dass sie nichts Falsches machen wollte. Wollte sie nicht riskieren, dass ich wütend werden könnte? Oder irgendwie so etwas? Aber auch das ergab keinen Sinn. Warum sollte sie sich darum scheren, was ich von ihr hielt?
    »Es hieß, du warst in den letzten Wochen verschwunden und … Ähm, na ja, das hatte für einigen Trubel gesorgt. D-darf ich fragen … also, was … geschehen ist?« Daher wehte der Wind. Chloé war neugierig zu erfahren, was mit mir passiert war. Sollte es mich überraschen, dass sie davon wusste? Hugo hatte es auch gewusst und so wie ich ihn einschätzte, war er eine Tratschtante. Er hatte bestimmt dazu beigetragen, dass es etliche Leute erfuhren. Da ich noch nicht sofort antwortete, redete Chloé weiter und berichtete mir, was für Gerüchte aufgekommen waren.
    »Manch einer behauptet, du seist überfallen und entführt worden oder … äh … « Manche glaubten, ich hätte das alles nur vorgetäuscht, um viel Wirbel um meine Person auszulösen. Andere wiederum glaubten, es wäre wirklich ein böses Verbrechen geschehen, denn dass man meine Sachen gefunden hatte, ließ so manche Spekulation zu. Viel Lächerliches, aber auch viel Dramatisches. Ich wollte gar nicht sämtliche Details darüber wissen, worüber sich die Leute das Maul zerrissen hatten. Es interessierte mich einfach nicht. Aber Chloé wollte ich nicht so im Unklaren lassen, auch wenn ich ihr nicht die Wahrheit sagen konnte.
    »Ich weiß es nicht«, gestand ich ihr also. Sie sah mich kurz fragend an, ehe sie sich wieder auf die Straße konzentrierte.
    »Ich habe einen völligen Blackout«, fügte ich hinzu. Niemandem würde ich erzählen können, was tatsächlich passiert war, deswegen würde ich bei dieser Ausrede bleiben. Es war besser, als mir irgendein Verbrechen aus den Fingern zu saugen oder irgendeine Geschichte zu erfinden, bei der ich mich nur verhaspeln könnte. Das hier war der einfachste Weg für alle. Ein großes Rätsel, was mit mir in den letzten Wochen geschehen war.
    »Ach so«, meinte Chloé nur. Sie wirkte etwas enttäuscht, da sie auf mehr Informationen gehofft hatte, die ich ihr jedoch nicht bieten konnte.
    »Ich wollte damit keinen Trubel um mich auslösen«, redete ich leise weiter. Mir war dieser Fakt sogar sehr unangenehm. Lieber wäre es mir, wenn die Leute gar nicht darauf eingingen, dass ich verschwunden war.
    »Das hast du aber, wenn auch unabsichtlich, hm? Na, wie dem auch sei, du bist jetzt wieder da und dir geht es gut. Oder? D-dir geht es doch gut?« Erneut schwappte Chloés Stimme in Unsicherheit über. Nur weil ich mich auf zwei Beinen halten konnte, musste das nicht bedeuten, dass es mir wirklich gut ging. Besonders dann nicht, falls man mir wirklich ein schreckliches Verbrechen angetan hatte. Aber auch diese Befürchtung milderte ich ab, indem ich ihr versicherte, dass es mir gut ging und ich nicht verletzt war. Sie schien ehrlich erleichtert darüber zu sein, als hätte sie sich ernsthafte Sorgen um mich gemacht. Das erstaunte mich. Ich hatte zu Chloé zuvor keinerlei Beziehung geführt. Ich war mit ihr nicht befreundet gewesen und auch so hatte ich nie großartig Worte mit ihr ausgetauscht. Und trotzdem wirkte es so, als würde sie sich den Kopf darüber zerbrechen, was mit mir sein könnte und all das. Das verstand ich nicht.
    »Darf ich dir noch eine Frage stellen?«, kam es dann auch prompt von ihr. Die auftretende Stille hatte keine Chance gehabt. Mittlerweile hatten wir das freie Gelände der Route 7 hinter uns gelassen und tauchten in die Gebirgslandschaft von Route 8 ein. Viel konnte man nicht erkennen, aber gerade dort, wo die Straßen etwas schmaler waren und es einen gefährlichen Abhang gab, war die Straße besser ausgeleuchtet. Chloé fuhr nicht sonderlich schnell und achtete sehr genau darauf nicht zu nahe an den Rand der Klippen zu fahren. Gerade solche Strecken waren im Dunkeln gefährlich. Schon am Tage konnte hier einiges passieren. Es gab kaum eine Woche, wo nicht in den Zeitungen von einem Unfall die Rede war.
    »Also, es gibt im Kampfschloss doch auch Doppelkämpfe«, begann Chloé zu erzählen.
    »Ich wollte an denen schon immer mal teilnehmen. Hättest … du vielleicht Lust mit mir anzutreten?«, fragte sie mich. Nachdenklich betrachtete ich sie von der Seite. Da sie sich auf die Straße konzentrieren musste, konnte sie meinen Blick nicht erwidern, wusste aber, dass ich sie ansah.
    »Du kannst auch ablehnen, wenn du nicht willst«, sagte sie schnell. »Ich würde mich aber echt darüber freuen.« Noch nie hatte mich jemand gefragt, ob ich gemeinsam mit ihm kämpfen wollte. Meine Doppelkämpfe hatte ich stets alleine bestritten. Auch Dreierkämpfe hatte ich schon ausgeführt, aber die waren noch um einiges schwieriger zu händeln als Doppelkämpfe, weswegen ich mich meistens lieber auf Einzelkämpfe einließ, um dort die ganze Power raus zu lassen, die ich aufbringen konnte.
    »Wieso fragst du das ausgerechnet mich?«, wollte ich von Chloé wissen.
    »Nun ja, du … bist eine echt starke Trainerin und … «, begann sie zu erzählen und mein Misstrauen wurde geweckt. Wollte sie mich nur an ihrer Seite haben, weil ich stark war?
    »Also, ich wollte schon immer so stark sein wie du.« Chloé war eindeutig nervös. Über die ganze Zeit hatte ich ihre Unsicherheit bemerkt, aber jetzt war es extrem.
    »Wie ich? Gibt es da keine besseren Vorbilder?«, warf ich dazwischen. Sie hörte mein Misstrauen und meine Skepsis aus meiner Stimme heraus. Ich sah aus dem Fenster in die dunkle Landschaft, aber konnte nur mein eigenes Spiegelbild im Fenster erkennen. Draußen sah ich einfach nichts.
    »Vielleicht, aber ich war ehrlich gesagt schon immer von dir beeindruckt, wie stark du geworden bist. In so kurzer Zeit! Ich habe dich mehrere Male kämpfen sehen. Gut, einige sind vielleicht nicht mit deinem Kampfstil zufrieden, aber du bist allgemein auch eine anerkannte Trainerin. Jeder respektiert dich, das ist beeindruckend.« Ich legte meine Stirn in Falten, als ich Chloé so reden hörte. Irgendwie konnte ich das kaum glauben. Nach all der Zeit, in der ich als Zoé Lefevre aufgetreten war, die starke Trainerin, die sich vor nichts zurückschrecken ließ, konnte ich mir einfach nicht vorstellen, dass die anderen zu mir aufsahen oder mich auf diese Weise respektierten. Wenn ich zurückdachte, wie ich mich manchmal benommen hatte, erschien mir das unvorstellbar. Aber vielleicht war es nicht diese freundliche Anerkennung und Begeisterung mir gegenüber, sondern mehr die respektierende Angst. Angst davor, dass ich sie als nächstes platt machen könnte? Oh man, meine Gedanken drehten sich im Kreise, dass ich langsam Kopfschmerzen bekam.
    »Ich habe nie ein Doppelmatch mit jemand anderen ausgefochten«, sagte ich und gab Chloé zu verstehen, dass ich weder die Erfahrung darin besaß mit einem Partner zu kämpfen, noch dazu wirklich geeignet war.
    »Ich weiß«, gestand sie und überraschte mich erneut. Wenn sie das wusste, warum … ? Es gab einen guten Grund, warum ich nie mit einem Partner gekämpft hatte: Unberechenbarkeit. Ich konnte meinen Partner und dessen Pokémon nicht komplett kontrollieren. Das würde niemand mit sich machen lassen und selbst wenn, könnte ich am Ende wieder für mich alleine kämpfen. Da brauchte ich keine Marionette an meiner Seite, der ich alles sagte, was zu tun war. Ein Partner birgt für mich stets ein Risiko. Waren seine Pokémon stark genug, verfolgte er die richtige Strategie im Kampf? All so was musste berücksichtigt werden, weshalb ich lieber allein gekämpft hatte. Ich wollte einfach nie riskieren, dass ein solcher Partner mir vielleicht den Sieg zunichte machen konnte, weil er seine Pokémon nicht gut genug im Kampf einsetzen konnte oder sich irgendeinen Fehler erlaubte, der nicht sein durfte. Stets hatte ich den Siegen hinterher gejagt und hatte jedes Risiko diesbezüglich ausgemerzt oder so klein wie möglich gehalten.
    »Aber das macht mir nichts«, hörte ich Chloé weiter reden. »Ich meine, man könnte das ja üben. So ein Doppelkampf ist ja schon eine Herausforderung, weil so viele Faktoren aufeinander treffen. Mich würde es einfach mal reizen mit jemand anderem gemeinsam in der Arena zu stehen und zu kämpfen. Das ist sicher sehr aufregend! Und wenn es nicht so gut klappt, dann kann man sich danach immer noch einigen, dass man es lieber sein lässt und was anderes probiert.« Ich hörte Chloé aufmerksam zu. Während ich immer nur den Siegen nachgejagt war, vertrat sie ein ganz anderes Motiv und Konzept. Sie wollte sich ausprobieren, egal ob sie verlor oder gewann. Sie wollte es einfach mal machen und dabei ihre Erfahrungen sammeln, egal ob sie positiv oder negativ ausfielen. Es ging ihr mehr um die Freude an sich, an den Spaß des Kampfes und der Herausforderung.
    Herausforderung, ja! Genau das war es. Wenn ich mit einem Partner kämpfen würde, musste ich mich der Herausforderung stellen, dass wir im Kampf auch gemeinsam harmonierten, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Wie auch immer das aussehen würde. Darauf kam es doch eigentlich an, nicht wahr? Der Sieg am Ende wäre nur das Sahnehäubchen oben drauf.
    »Ich überlege es mir«, ließ ich Chloé wissen, die sich darüber offensichtlich sehr freute.


    Es brauchte keine zwei Stunden, um Relievera City zu erreichen, aber die Fahrt hatte dennoch gedauert, obwohl das Gespräch mit Chloé dafür gesorgt hatte, dass es nicht so sehr aufgefallen war. Tatsächlich war die Fahrt angenehmer gewesen, als ich erwartet hatte. Chloé war mir nicht auf die Pelle gerückt und hatte auch nicht irgendwas von mir gefordert. Ja, sie hatte Fragen gestellt, aber schlussendlich hatte sie mir die Möglichkeit immer offen gelassen, abzulehnen oder mich anderweitig von der Frage zu distanzieren. Das war nicht notwendig gewesen und ich musste mir eingestehen, dass ich sogar Glück gehabt hatte, dass Chloé mich mitgenommen hatte.
    »Danke, dass du mich gefahren hast«, sagte ich, als ich ausgestiegen war und Rico ebenfalls aus dem Auto steigen ließ. Chloé lächelte mich freundlich an.
    »Keine Ursache! Oh, aber … soll ich dir noch meine Nummer geben?«, schlug sie vor. Da ich mir das mit dem Doppelkampf überlegen wollte, war es so am besten, damit ich ihr Bescheid geben konnte. Auch hier zeigte sie, wie viel Geduld sie mir entgegen bringen wollte. Ich sollte mich einfach melden, wenn ich eine Entscheidung gefällt hatte, selbst wenn ich ablehnte. Das war erstaunlich. Sie war so gut, dass ich es nicht glauben wollte, es aber trotzdem akzeptierte.
    »Also dann, mach's gut. Wir sehen uns, ja?«, sagte sie, als sie sich verabschiedete und zurück in ihr Auto stieg. Sie hatte mich direkt vor der Haustür meines Zuhauses abgesetzt, aber sie musste selbst noch ein paar Straßen weiter fahren. Ich nickte ihr zum Schluss zu und sah, wie sie davon fuhr. Dann drehte ich mich um und betrachtete die Eingangstür. Im dritten Stockwerk lag die Wohnung, wo meine Mom auf mich wartete. Oder auch nicht. Ich wusste nicht, wie sie reagieren würde, wenn ich vor der Haustür stand. Nervosität machte sich in mir breit und Rico spürte sie sofort. Er winselte auf und sah mich verunsichert an. Damit er selbst nicht zu nervös wurde, strich ich ihm über den Kopf und beruhigte ihn. Gleichzeitig versuchte ich mein inneres Wesen zu beruhigen, damit Rico nicht zu sehr davon beeinflusst wurde. Ich ging zur Eingangstür, die glücklicherweise offen und nicht abgeschlossen war. Einen Schlüssel besaß ich nicht. Ich besaß so ziemlich gar nichts. Kein Geld, kein Schlüssel, nicht mal einen Ausweis. Das alles hatte die Polizei mitgenommen, als sie meine Sachen gefunden hatten.
    Gemeinsam mit Rico stieg ich die Treppen nach oben. Dabei fiel mir auf, dass ich mein Magnayen noch kein einziges Mal auf diese Weise mit nach Hause genommen hatte. Ich hatte weder ihn noch meine anderen Pokémon in der Wohnung herum laufen lassen. Die meisten waren auch einfach zu groß, Rico hingegen würde mit seiner Größe keine Probleme haben. Andererseits wusste ich nicht, ob meine Mom etwas dagegen haben könnte. Nie hatte ich mit ihr darüber geredet, denn die Pokémon hatte ich immer nur draußen im Freien aus ihren Bällen gelassen. Irgendwie fühlte ich mich schlecht deswegen. Was war ich nur für eine kaltherzige Trainerin?
    Nun, da ich im dritten Stockwerk war und vor der Haustür stand, nahm meine Nervosität wieder zu. Schlief meine Mom schon? War sie überhaupt Zuhause? Ich hatte keine Ahnung wie spät es war. Vielleicht gegen Mitternacht, vielleicht auch erst gegen zehn oder elf. Wann genau bin ich überhaupt los gelaufen? Puh, ich wusste es wirklich nicht und hob meinen Arm, um die Klingel zu drücken. Trotzdem zögerte ich einen Augenblick. Ich hatte Angst davor, was gleich passieren könnte, aber ich wollte auch nicht hier draußen im Treppenhaus bleiben. Denn ehrlich gesagt fröstelte ich auch ein wenig. Ich drückte also die Klingel und wartete ab, was passierte. Leider tat sich nicht viel, weswegen ich es noch einmal versuchte. Meine Befürchtung nahm zu, dass meine Mom gar nicht Zuhause war, bis ich endlich von drinnen doch Geräusche vernahm. Ich wartete und verschränkte meine Hände ineinander, die leicht zu zittern begannen. Außerdem zog sich mein Magen zusammen, was mir gar nicht gut tat.
    Dann öffnete sich die Haustür und tatsächlich stand meine Mom da. Sie starrte mich schweigend an, ich erwiderte ihren Blick, wusste aber auch nicht, was ich sagen sollte. Meine Kehle war auf einmal zugeschnürt. Tatsache war nämlich, dass ich vergessen hatte anzurufen. Obwohl ich mir das vorgenommen hatte, war ich irgendwie nicht dazu gekommen. Ja, ich war ziemlich blöd. Demzufolge stand ich jetzt wie ein Überraschungspaket vor der Haustür. Die Frage war nur, ob sich meine Mom darüber freute oder mich lieber davon jagen wollte. Ich räusperte mich, um den Kloß im Hals los zu werden.
    »T-tut mir leid, dass ich erst so spät nach Hause komme«, entschuldigte ich mich, da ich es einfach nicht besser wusste. Na ja, es war draußen dunkel … Nacht! Meine Mom hatte es noch nie leiden können, wenn ich so spät kam, jedenfalls, wenn ich keinen Schlüssel dabei hatte. Sie mochte es nicht aus ihrem Schlaf gerissen zu werden, weswegen ich immer bemüht gewesen war, niemals meinen Schlüssel zu vergessen oder zu verlieren und beim Nachhausekommen mich auch immer herein geschlichen hatte, anstatt laut herum zu posaunen, dass ich wieder da war.
    »Zoé?«, fragte sie, als könnte sie nicht glauben, dass ich vor ihr stand. Als würde sie nur einen Geist sehen. Ich war aber kein Geist, sondern wirklich real.
    »Ja«, bestätigte ich ihr. Im nächsten Moment war ich überwältigt, denn noch bevor ich darauf reagieren konnte, was sie tat, passierte es auch schon. Meine Mutter schlang ihre Arme um mich und fing hemmungslos an zu weinen. Schon sehr lange hatte ich sie nicht mehr weinen gesehen. Das letzte Mal war gewesen, als Ami gestorben war und da unsere Beziehung in den letzten Jahren immer kühler geworden war, hatte es zwischen uns beiden auch kaum noch eine herzliche Umarmung oder Ähnliches gegeben. Dass sie mir nun jetzt um den Hals fiel, überwältigte mich. Mir stiegen selbst die Tränen in die Augen, aber ich versuchte sie zurückzuhalten.
    »Schon gut, ich bin wieder da«, sagte ich und versuchte meine Mutter zu trösten.
    »Wo warst du nur?«, wollte sie von mir wissen. Ihre Stimme brach sich in einem Schluchzer.
    Kurze Zeit später saßen wir drinnen im Wohnzimmer auf der Couch und ich versuchte ihr zu erklären, was passiert war. Na ja, auch ihr sagte ich nicht die Wahrheit, da sie zu absurd war. Aber ich versuchte ihr klar zu machen, dass ich mich an nichts mehr erinnern konnte, es mir dennoch gut ging. Sie war nicht ganz überzeugt davon, weil sie sich einfach Sorgen machte, wie es eine Mutter eben tat. Dafür war ich dankbar, trotzdem wollte ich nicht, dass sie sich weiter unnötig den Kopf zerbrach.
    »Es tut mir wirklich leid. Ich wäre schon früher zurück gekommen, aber … « Sie verzieh mir und war nur froh, dass ich unverletzt nach Hause zurückgekehrt war. Dass mein Verschwinden sehr an ihren Nerven gerüttelt hatte, konnte ich in ihrem Gesicht erkennen. Es wirkte faltiger, als ich es in Erinnerung hatte. Sie musste oft geweint haben, denn auch ihre Tränensäcke waren ziemlich angeschwollen. Außerdem war ihr schwarzes Haar, was ich von ihr geerbt hatte, nicht nur durcheinander, sondern wies die ersten grauen Haare auf. Mir war das bisher nie aufgefallen. Vielleicht, weil ich nicht darauf geachtet hatte oder, weil sie erst in den letzten Wochen ergraut waren. Wer weiß … Ich versprach ihr jedenfalls, dass ich zukünftig besser auf mich aufpassen und mich regelmäßig melden würde, vor allem wenn ich vorhatte länger weg zu bleiben, also über mehrere Tage hinweg. Sie wollte einfach nur sicher gehen, dass es mir gut ging, denn ein weiteres Kind wollte sie nicht verlieren. Es war schon schlimm genug, dass Ami nicht mehr bei uns war. Der Verlust ihrer zweiten Tochter würde sie nicht verkraften. Zum ersten Mal wurde mir so richtig bewusst, wie sehr mich meine Mutter eigentlich liebte. Es war ein schönes Gefühl, aber gleichzeitig bekam ich ein ungeheuer schlechtes Gewissen, weil ich mich in den letzten Jahren so sehr von ihr distanziert hatte. Es tat mir schrecklich leid. Ich würde es irgendwie wieder gut machen und begann damit, ihr Rico vorzustellen. Sie kannte mein Fiffyen, aber nur aus wenigen Begegnungen. Sie hatte Rico noch kein einziges Mal in seiner Entwicklung gesehen, obwohl diese schon sehr lange zurücklag. Allgemein hatte ich ihr nie meine Pokémon richtig vorgestellt. Mit Rico fing ich an und er mochte sie auf Anhieb, so wie meine Mutter Rico auf Anhieb mochte. Es war ein schönes Bild und gab mir ein gutes Gefühl. Da ich jedoch müde war und auch meine Mom nicht mehr lange aufbleiben wollte, beendeten wir unsere Unterhaltung mit einer herzlichen Umarmung. Es war schön zu meiner Mutter wiedergefunden zu haben. Ich würde zukünftig mehr darauf achten, dass unsere Beziehung nicht mehr so erkaltete.


    In der selben Nacht, nachdem ich mich mit meiner Mutter ausgesprochen hatte, wollte ich noch ein Bad nehmen. Ich brauchte das einfach, bevor ich mich ins Bett legen würde, denn müde war ich auch. Doch als ich da so im Bad stand und auf die gefüllte Badewanne sah, auf das Wasser darin, da wurde mir eines klar: Ich hatte Angst. Schreckliche Angst, um nicht zu sagen Todesangst. So lächerlich es auch war, aber ich fürchtete mich vor dem Wasser. Mein Verstand sagte mir zwar, dass mir nichts geschehen konnte, doch meine Emotionen waren aufgewühlt. Ich wollte ein Bad nehmen, wollte mich waschen und stand daher nackt vor der Wanne. Aber die Angst, die von mir Besitz ergriffen hatte, war einfach zu erklären. Ich konnte mich sehr gut an den Regen im Wald erinnern. Die zahllosen Regentropfen, die auf mich eingeprasselt waren und mir Schmerzen verursacht hatten. Am schlimmsten war aber der Sprung in den Fluss. Ich sah mich als Flamara vor meinem inneren Auge, wie ich ins Wasser sprang. In Zeitlupe sah ich das nahe Unheil, konnte nichts dagegen tun, bis ich ins Wasser tauchte und mich schlagartig der Schmerz quälte. Er war so heftig gewesen, dass ich nach kurzer Zeit das Bewusstsein verloren hatte. Wie ich aus dem Fluss heraus gekommen war, wusste ich nicht. Ich hatte unterbewusst das Gefühl, dass mich irgendwas gepackt und aus dem Fluss gezerrt hatte. Wer oder was jedoch dafür verantwortlich gewesen war, konnte ich nicht sagen. Vielleicht sollte ich Khyron darüber fragen, doch allein der Gedanke mit ihm über mein Leben als Flamara zu reden, ließ die Verlegenheit in mir hochkommen. Genauer darüber nachzudenken, wie manche Situationen im Nachhinein wirkten, wenn man wusste, dass ich das Flamara gewesen war … Die vielen Male, wo Khyron mich gekrault und gekuschelt hatte oder ganz am Anfang, als er nur mit einem Handtuch begleitet in das Zimmer gekommen war. Allein diese Erinnerung trieb mir die Schamröte ins Gesicht und ich schüttelte den Kopf, um diese Erinnerungen zu vertreiben.
    Ich sah wieder auf das Wasser vor mir und streckte meine Hand langsam danach aus. Sehr, sehr langsam näherten sich meine Fingerspitzen dem warmen Wasser, bis sie wenige Millimeter untertauchten. Innerlich bereitete ich mich auf den Schmerz vor, doch da war keiner. Er kam auch nicht, als ich meine Hand komplett untertauchte. In mir löste sich eine Steinlawine der Erleichterung. Kein Schmerz, ich war sicher. Erst als mir das auf diese Weise richtig klar war, konnte ich danach mein Bad genießen. Ich lag bestimmt mindestens eine halbe Stunde darin, bis das Wasser irgendwann zu kalt wurde, weswegen ich aus der Wanne stieg.
    Auch als ich mich später ins Bett legte, war das ein seltsames, aber auch ein erleichterndes Gefühl. Es war schön wieder im eigenen Bett zu liegen, es sich gemütlich zu machen und darüber froh zu sein, wieder ein Mensch zu sein. Allerdings vermisste ich den Khyrons Duft, der stets an seinen Sachen und auch an seinem Bett gehaftet und mich umgeben hatte. Es war beruhigend gewesen und von der Kraulerei brauchte ich wohl gar nicht anzufangen. Das waren Kleinigkeiten, die ich wirklich vermissen würde. Daher griff ich nach meinem Kissen und kuschelte mich, so gut wie es eben ging, ein. Als ich die Augen schloss, konnte ich Khyron wieder vor meinem geistigen Auge sehen. Er verschwand auch nicht, als ich langsam in den Schlaf dämmerte. Rico hatte ich eine Decke in meinem Zimmer hingelegt, worauf er schlafen durfte. Das war auch für ihn das erste Mal, aber mein Magnayen arrangierte sich sehr schnell damit und schien mehr als zufrieden darüber zu sein. Zufrieden war ich auch. Bis auf manche Dinge, die ich mir wünschen würde, aber mir noch nicht eingestehen wollte. Dennoch lächelte ich, als ich einschlief.

  • Hey Lexi,


    das letzte Kapitel bietet eigentlich den perfekten Ausklang aus dieser ganzen Situation, die du bisher beschrieben hast. Vorbei ist die Zeit als Flamara und zurück ist die gute Zoé im Hier und Jetzt und so nebenbei muss sie sich auch gleich wieder behaupten. Dass sie noch neben der Spur ist und ihr Geld vergisst, ist nachvollziehbar. Man muss sich hier halt auch bewusst sein, welchen Trubel sie in den Tagen davor hatte und was da so alles passiert. Dass da die Welt quasi Kopf steht, lässt sich leicht ableiten und trotz ihrer Verpeiltheit ist es interessant, dass sie gegenüber Chloé wieder teilweise in ihre alten Muster verfällt. Distanz, Stärke, Ruhe; all das, was sie ausgemacht hat und eben das Wissen, dass das Gegenüber etwas von ihr möchte. Das ist durchaus interessant, da du somit einen neuen Ton in ihrem Charakter angeschlagen hast, den sie durch diese ganze Geschichte erhalten hat und das führt schließlich auch zur neuen Bekanntschaft. Es macht Zoé menschlicher, weil sie nun nicht mehr nur ihrem Traum hinterherhängt und alles andere aus den Augen verliert, sondern auch ihre Umgebung genauestens beobachtet und dementsprechend handelt. Der Höhepunkt bei dieser Zusammenkunft war aber wohl, dass sie miteinander redeten und ihre Nummern tauschten. Es ist also anzunehmen, dass es nicht nur bei der flüchtigen Bekanntschaft bleibt, sondern dass hier wesentlich mehr entstehen kann und wohl auch wird und das gibt eine schöne Vorausschau auf das, was kommen wird (auch wenn es nicht direkt erzählt werden sollte).
    Der beste Part an dem Kapitel war aber wohl das Ende, als Zoé wieder Zuhause angekommen ist. Es ist nach dieser Geschichte dieser eine Moment, den man praktisch herbeigesehnt hat, nachdem sie lange Zeit als verschwunden galt. Und ganz egal, wie das Verhältnis nun zwischen ihr und ihrer Mutter war, ein Gefühlsausbruch war abzusehen. Er wirkt zu jeder Zeit ehrlich und nachvollziehbar und das macht diese Szene im Endeffekt auch so besonders. Hoffen wir, dass es nicht ein Einzelfall bleibt.


    Wir lesen uns!

  • Kapitel XIII


    Es war sehr dunkel, wo ich war. Kaum ein Licht brannte. Nur in der Ferne sah ich kleine aufblitzende Lichter, die aber nicht ausreichten, um meine Umgebung zu erhellen.
    Wo war ich? Nichts kam mir bekannt vor und die Kälte um mich herum förderte nicht gerade mein Wohlsein. Ich fröstelte, fühlte mich einsam und verlassen. Irgendwie verloren.
    Hallo? Ist da jemand?
    Ich rief, aber niemand antwortete mir. Das bereitete mir Sorgen und löste Angst in mir aus. Langsam begann ich los zu gehen, suchte einen Weg aus dieser Dunkelheit, die um mich war. Wie war ich hier her gekommen? Keinerlei Erinnerungen besaß ich dazu und konnte auch keinen richtigen Ausgang aus der Dunkelheit finden. Die einzige Orientierung, die ich besaß, waren die Lichter, die weit weg von mir waren. Aber egal wie lange ich auch lief, wie sehr ich mich beeilte und rannte, ich erreichte sie nie. Nur sehr langsam dämmerte es in meinem Unterbewusstsein, dass das hier nicht real sein konnte und obwohl ich allmählich zu dieser Erkenntnis kam, konnte ich mich nicht dagegen wehren. Die Dunkelheit griff nach meinem Herz, verängstigte mich immer mehr und ließ Panik in mir ausbrechen. Sie hielt mich gefangen, wo auch immer ich war.
    Geh weg! Ich schrie es, brüllte die Dunkelheit an, als wäre sie ein Monster und damit etwas Greifbares. Aber je mehr ich schrie, desto mehr Angst bekam ich. Irgendwo in der bisherigen Stille konnte ich Stimmen hören. Oder irgendetwas in dieser Art. Keine richtigen Worte waren zu hören. Nur so etwas wie ein tiefes Stöhnen, vielleicht auch ein Schnauben und Scharren. Es war schwer, es vernünftig zu identifizieren. Ähnlich wie in einem Horrorfilm, bei dem man unheimliche Hintergrundgeräusche einblendete, ohne wirklich erkennbar zu machen, worum es sich genau handelte. So fühlte ich mich. Wie in einem Horrorfilm voller Dunkelheit gefangen.
    Verzweifelt drehte ich mich im Kreis, versuchte irgendetwas zu sehen, zu erkennen, zu finden, was mich rettete. Nichts war da. Nur die Schatten, die nach mir greifen wollten. Ich schwöre, wenn das so weiter ging, würde mein Herz stehen bleiben. Ob das nun real war oder nicht, wenn einen die Angst einmal befallen hatte, war es unheimlich schwer sie wieder los zu werden.
    Da die Rotierungen um mich selbst herum langsam ein Schwindelgefühl auslösten, stoppte ich mit meinen Drehungen. Genau in diesem Moment tauchte etwas aus der Finsternis auf. Es war menschlich und dennoch wirkte der Körper, als würde er sich langziehen wie Kaugummi. Oder eine andere zähe Flüssigkeit. Die Gestalt, die sich aus der Dunkelheit löste, sah aus wie Victor. Das helle, zerzauste Haar und die stechenden grünen Augen, die mich fixierten. Es mochte vielleicht Einbildung sein. Vielleicht interpretierte mein Gehirn die Gestalt nur als eine Abart von Victor, weil ich ihn nicht leiden konnte. Da sich sein Gesicht verzog, als wäre er ein Sleimok, was bekanntermaßen keine richtige feste Form besaß, war es eher schwierig genau zu sagen, dass es sich hierbei wirklich um Victor handelte. Fakt war jedoch, dass ich tierische Angst hatte und mich daher umdrehte und weg rannte. So schnell ich konnte, egal wohin. Hauptsache ich kam weg von diesem unheimlichen Ding. Es machte zudem diese schrecklichen Stöhngeräusche, als könne es nicht richtig sprechen. Von seinem seltsamen zähflüssigen Körper hörte ich die Schmatzgeräusche immer wieder, so als würde man mit nassen Turnschuhen laufen. Die schmatzten auch so seltsam. Es jagte mir einen kalten Schauer über den Rücken und obwohl ich nicht zurück sehen wollte, tat ich es. Ich musste mich vergewissern, dass ich Abstand zu diesem Ding aufbaute. Das tat ich tatsächlich, weswegen ich ein wenig erleichtert war. Doch als ich wieder nach vorne sah, prallte ich auch schon gegen einen fremden Körper. Ich kreischte laut auf, weil ich dachte, dass dieses Ding mich eingeholt hatte, wie auch immer es das geschafft hatte. Aber nicht das Ding war vor mir.
    »K-Khyron?« Meine Stimme bebte, als ich seinen Namen leise sagte. Er legte den Kopf zur Seite, lächelte mich sogar an. Ich war erleichtert ihn zu sehen, denn bei ihm fühlte ich mich sicher. Trotzdem hatte ich immer noch Angst und sah wieder zurück. Von diesem unheimlichen Victorverschnitt konnte ich allerdings nichts mehr erkennen. Nur die Dunkelheit war hinter mir, weshalb ich sofort wieder Khyron ansah. Bei ihm war es nicht so dunkel. Dachte ich jedenfalls.
    Meine Augen trafen erneut seine und ich bemerkte, dass etwas nicht zu stimmen schien. Die Freundlichkeit und Sanftheit, die sonst aus seinen Bernsteinaugen sprachen, waren nicht zu sehen. Stattdessen flammte etwas Dunkleres darin auf. Ich erschrak davor und machte einen Satz zurück. Dann erkannte ich, wie sich seine Lippen zu einer bösartigen Fratze verzogen, seine Augen unheimlich aufleuchteten und er anfing grauenvoll zu lachen. Mir standen alle Haare zu Berge.
    »Nicht … bitte … «, jammerte und flehte ich leise, kurz davor durchzudrehen. Khyron durfte nicht zu einer Schreckensgestalt mutieren! Alle, aber nicht er! Doch genau das passierte vor meinen Augen. Sein Lachen verhöhnte mich und obwohl ich keine ausformulierten Worte hören konnte, trafen mich die Vorwürfe dennoch. Als würde mich meine Vergangenheit der letzten Jahre einholen. Alles prasselte auf mich ein. Verachtung, Vorwürfe, böse Verwünschungen und Hass.
    Sie hassten mich alle und versuchten mich zu vertreiben. Es gelang ihnen gut, denn ich rannte wieder. Tränen rannen mir über die Wangen, die von Verzweiflung und Angst sprachen. Hatte sich also Khyron auch gegen mich gewandt? Hasste er mich möglicherweise auch und hatte es nur nicht zeigen wollen? Nein, das konnte nicht sein … Das durfte einfach nicht sein!
    »Khyron!«


    Mit einem lauten Schrei fiel ich sehr weit nach unten. Okay, so weit war es auch nicht, aber der Aufprall war schmerzhaft gewesen. Allerdings rettete er mich, denn die Dunkelheit um mich herum löste sich auf, als ich schlagartig meine Augen öffnete. Mein Herz raste immer noch stark in meiner Brust und ich brauchte einige Atemzüge, um zu begreifen, dass das nur ein fürchterlicher Alptraum gewesen war. Dann wurde es ziemlich nass.
    »Ah!« Es war mir unmöglich mich zu wehren. Die feuchte Zunge schleckte über mein ganzes Gesicht und ich musste Rico erst von mir schieben, damit ich befreit wurde. So hatte ich mir mein morgendliches Bad nicht vorgestellt. Als ich mich aufgesetzt hatte, sah mich Rico mit diesen treuen Augen an, die kein Wässerchen trügen konnte. Er wirkte so harmlos und unschuldig, dass ich fast vergessen könnte, dass er auch ganz anders sein konnte. Rico provozierte man besser nicht, denn sonst bekam man es mit seinen Zähnen und Klauen zu tun. Und wenn das nicht reichte, besaß er noch ein paar raffinierte und angsteinflößende Unlicht-Attacken.
    Ich schob meine Hände zu ihm in sein Fell, zog ihn wieder an mich und kuschelte mit ihm, was ihn sichtlich erfreute. Rico war bei mir. Auf ihn konnte ich mich verlassen. Das beruhigte mich innerlich, denn der Traum ging mir noch immer nicht aus dem Kopf. Ich verstand, dass mein schlechtes Gewissen zu mir gesprochen hatte, was mich nun einholte. Aber genauso war es die unterschwellige Angst davor, von Khyron früher oder später abgewiesen zu werden. Was ist, wenn er wirklich einfach nur nett zu mir hatte sein wollen, weil es eben seine Art war, er aber im Grunde genommen sehr froh darüber war, dass ich endlich weg war?
    Ich ließ meine Stirn auf Ricos Rücken sinken und atmete seinen Duft ein. Dabei wünschte ich mir insgeheim, es wäre Khyron gewesen. Wie albern war denn das? Deswegen stand ich auf und begann meinen neuen Tag. Da heute Sonntag war, brauchte meine Mom nicht zu arbeiten. Ich selbst war trotz der letzten zwei Wochen in meiner normalen Gewohnheit drin. Wie jeden Morgen auch ging ich zuerst ins Bad, um mich frisch zu machen. Danach kehrte ich in mein Zimmer zurück und zog mich an. Es störte mich nicht, dass Rico dabei war, allerdings wurde er schon kurz darauf von einem leckeren Geruch aus der Küche angelockt. Ich lächelte darüber, vor allem weil mein Magen ebenfalls auf den Duft reagierte und knurrte. Bevor ich jedoch angezogen mein Zimmer verließ, ging ich zu meiner Kommode. Wie ich es immer tat, streckte ich meinen rechten Arm aus und wollte aus der dortigen Schale meine Pokébälle heraus nehmen. Das tat ich immer, weil ich jeden Abend vorm Einschlafen meine Bälle dort ablegte. Doch sie waren dieses Mal nicht da.
    Es dauerte mehrere Sekunden, in denen mein Gehirn angestrengt ratterte und versuchte das falsche Bild richtig zu interpretieren. Meine Bälle waren nicht da. Hatte ich sie in meiner Tasche gelassen? Aber das konnte nicht sein, weil ich diese auch nicht bei mir gehabt hatte. Erst langsam wurde mir klar, wie blöd ich wirklich war. Ich seufzte auf und hätte mir gerne selbst in den Hintern getreten, wenn das so einfach wäre. Dass meine Bälle nicht hier waren, hatte einen einfachen Grund: Sie waren noch in der Pension. Rico hatte ich zwar mitgenommen, aber auch sein Ball dürfte noch bei Khyron sein.
    Wieso um alles in der Welt hatte ich sie vergessen? Gott, ich war eine fürchterliche Person, oder? Wie hatte ich meine eigenen Pokémon nur vergessen können? Gut, ich musste mir eingestehen, dass ich ziemliche Angst davor hatte Chess, Kawari und vor allem Zero wieder gegenüber zu treten. Gerade Zero war sehr schwierig. Wenn er nur ein bisschen Schwäche an mir riechen konnte, würde ich seinen Respekt verlieren. Als Drachen-Pokémon machte er es mir niemals einfach und mit seiner Persönlichkeit noch weniger. Er war schwer zu händeln und zu trainieren und nur einmal nicht konzentriert genug, nahm er es einem übel. Dann verlor ich die Kontrolle über ihn.
    Trotzdem konnte ich nicht einfach meine Pokémon in der Pension lassen, obwohl ich eine Sekunde lang darüber ernsthaft nachdachte. Würden sie es nicht dort bei Khyron besser haben? Wenn ich sie schon vergaß, was sagte das über mich aus? In meinem Kopf hörte ich das verächtliche Lachen aus meinem Traum. Es war schrecklich und half mir nicht dabei, mich gut zu fühlen. Im Gegenteil!
    Angestrengt versuchte ich den Traum zurückzudrängen und ging in die Küche, wo meine Mom das Frühstück vorbereitet hatte. Sie lächelte mir zu, ich erwiderte es und versuchte weiterhin alle negativen Gedanken und Gefühle von mir zu schieben. Das war verflucht schwer …


    »Ich muss noch einmal zur Pension«, kündete ich meiner Mutter am Frühstückstisch an und biss kurz danach in meine beschmierte Brötchenhälfte. Seit Ewigkeiten, so fühlte es sich an, hatte ich keinen Schokoladenaufstrich mehr essen können. Ich fühlte mich gerade wie im siebten Himmel! Man konnte von mir sagen, was man wollte, aber dass ich in gewisser Weise ein Naschmauzi bin, das stimmte absolut. Ich liebte diesen Aufstrich und bereitete mir deswegen schon die nächste Brötchenhälfte vor.
    »Musst du?«, fragte meine Mom nach und ich nickte ihr zu.
    »Ja, ich … hab meine Pokémon noch dort gelassen«, sagte ich ihr, ohne dabei zu erwähnen, dass ich sie tatsächlich vergessen hatte. Sie verstand, dass ich deswegen zur Pension zurück wollte, denn sie hatte in den letzten Jahren gemerkt, wie wichtig mir Pokémon mittlerweile waren. Na ja, vor allem dass ich mit ihnen siegte, war mir wichtig gewesen. Heute sah ich ein paar Dinge anders, aber nichtsdestotrotz ertappte ich mich immer wieder, wie ich versuchte in alten Mustern zu denken. Ich weiß nicht, ob das was Schlechtes war, aber ich versuchte das zu vermeiden. War gar nicht so einfach …
    »Wann willst du los?«, wollte meine Mom von mir wissen. Ich sah sie an. Sie hatte ihr Haar zurückgebunden. Vom Aussehen her glich ich ihr sehr, wirkte nur jünger – verständlicherweise. Im Gegensatz zu ihr trug ich meine schwarzen Haare aber offen. Ich band sie nur sehr selten zu einem Zopf zusammen.
    »Gleich nach dem Frühstück, denke ich«, antwortete ich ihr und sah auf die Uhr. Es war jetzt gegen zehn Uhr. Das war eigentlich eine ganz gute Zeit. Der Bus in Richtung Relievera City fuhr jede halbe Stunde. Das nächste Mal also gegen halb elf. Genug Zeit hatte ich noch, um mein Frühstück zu beenden und meine Tasche zu packen. Ich brauchte mein Geld und vor allem meinen Fahrausweis. Rico würde mich ebenfalls begleiten, das war klar.
    »Und wann, denkst du, bist du zurück?« Als ich diese Frage von meiner Mom hörte, ahnte ich, dass sie sich Sorgen darüber machte, dass mir irgendwas passieren könnte. Ich verstand sie und wollte sie deswegen beruhigen.
    »Zum Abendessen spätestens? Hoffe ich. Falls es doch etwas länger dauert, rufe ich auf jeden Fall an!«, versprach ich ihr, womit sie sich arrangieren konnte. Bis ich bei der Pension mit dem Bus angekommen war, vergingen zwei Stunden. Dann wäre es schon nach Mittag, dann würde ich Khyron aufsuchen und meine Pokémon abholen. Alles in allem würde das nicht lange dauern. So die Theorie. Ich wusste jedoch nicht, wie das Gespräch mit Khyron ablaufen würde, falls überhaupt eines zustande kam. Wenn alles schnell abgehandelt wurde, würde ich zum Abendessen wieder daheim sein. Möglicherweise sogar schon früher.
    Dann war es auch schon so weit. Obwohl ich meiner Mom noch beim Abwasch helfen wollte, ließ sie mich gehen, da sie meinte, sie schaffe das schon alleine. Ich zögerte zwar erst, dankte ihr dann aber und ging in mein Zimmer. Dort nahm ich meine Tasche an mich und überprüfte sie. Falls ich beklaut worden war, als man meine Sachen gefunden hatte, dann konnte ich das jetzt nicht mehr nachvollziehen. Wichtige Karten oder Papiere waren nicht weg gekommen, aber ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, wie viel Geld ich genau in meinem Portemonnaie gehabt hatte. Demzufolge zuckte ich nur mit meinen Schultern. Das einzige, was ich brauchte, war mein Ausweis. Geld war eigentlich nicht nötig, aber es war trotzdem gut alles beisammen zu haben.
    So, meine Tasche war gepackt und ich sah auch halbwegs vorzeigefähig aus. Oder? An meinem Kleiderschrank war ein Spiegel, in den ich nun hinein sah. Es war seltsam mich so zu betrachten. Kein rötliches, flauschiges Fell mehr, keine langen Ohren. Ich war einfach nur ein Mensch. Ich war einfach nur Zoé. Die Temperaturen waren noch nicht kühl genug, weswegen ich meinen schwarz-weiß karierten Rock trug mit dem schwarzen Ledergürtel. Trotzdem hatte ich schwarze Feinstrumpfhosen an, weil komplett nackte Beine mir heute doch zu viel gewesen wären. Mein weißes Shirt, mit dem schwarz-roten Print darauf, gab noch ein bisschen Farbe in mein ansonsten schwarz-weißes Outfit. Die meisten Klamotten, die ich besaß, waren schwarz-weiß oder halt einfarbig. Wenige hatten Akzentfarben, aber dann auch verschiedene. Ich beschränkte mich nicht nur auf rot. Es gab auch grün, mal gelb oder pink. Ich schüttelte den Kopf über mich. So viel Zeit hatte ich jetzt auch nicht, um über Modefragen nachzudenken. Ich ging zur Tür, wo ich in meine flachen Boots hinein schlüpfte, rief noch ein »Tschüss, Mom!« und verließ danach mit Rico unsere Wohnung. Meine Mom rief mir ebenfalls zu, wünschte mir dabei viel Spaß. Ob ich den haben würde, wusste ich nicht. Ich würde es einfach sehen und auf mich zukommen lassen.


    Eine halbe Stunde später saß ich bereits mit Rico im Bus ganzen hinten drin und würde noch über eineinhalb Stunden Fahrt vor mir haben. Im Bus waren neben mir noch drei andere Mitfahrer dabei, die sich alle einzeln hingesetzt hatten. Es war also ziemlich leer. Das wunderte mich. Klar, es war Sonntag, aber gerade diese freie Zeit war doch perfekt, um zum Kampfschloss zu fahren! Es schien nur so, als wenn heute nicht viel los sein würde. Oder waren die meisten schon dort? Was weiß ich, es sollte mich nicht interessieren. Schließlich hatte ich nicht vor zum Kampfschloss zu fahren. Okay, das hatte ich schon vor, weil dort die Haltestelle war, wo ich raus musste. Bei der Pension gab es leider immer noch keine und die nächste wäre Vanitéa gewesen. Der Ort lag allerdings noch weiter von der Pension weg, als das Kampfschloss.
    Rico legte während der Fahrt über seinen Kopf auf meinen Schoß, da er neben mir auf dem Sitz saß. Der Busfahrer hatte nichts dagegen gesagt, deswegen erlaubte ich das Rico auch. Viele Busfahrer mochten das nicht, wenn die Pokémon frei herum liefen, noch weniger, wenn sie auf den Sitzen waren. Aber dieser hier schien besonders gnädig zu sein. Oder er hatte es einfach nicht mitbekommen. Die meiste Fahrtzeit über sah ich nach draußen aus dem Fenster, sah die Landschaft an mir vorbei rasen und wurde dabei auch ein wenig schläfrig. Eingeschlafen war ich dennoch nicht, denn ich hatte Angst davor dem Traum von letzter Nacht erneut zu begegnen. Es war so schon schwer genug nicht die ganze Zeit daran zu denken und mich mit anderen Dingen abzulenken. Mit anderen Gedanken, denn hier im Bus konnte ich nicht viel machen. Ich hatte zwar meinen Musikplayer dabei, aber den nutzte ich nicht. Irgendwie war mir einfach nicht danach.
    Im Nachhinein kam es mir so vor, als hätte sich die zweistündige Fahrt wie Kaugummi hingezogen, aber je näher wir dem Kampfschloss gekommen waren, desto nervöser wurde ich. Mit einem nicht so guten Gefühl stieg ich aus dem Bus aus. Wie ich erwartet hatte, war hier beim Schloss schon einiges los. Auf einer der Wiesen weiter weg konnte ich zwei Trainer miteinander kämpfen sehen. Sie schickten ein Eguana und ein Pam-Pam gegeneinander in den Kampf. Ich hielt mich nicht lange damit auf und ging sofort los. Die anderen Trainer, die sich auf dem Parkplatz, an der Haltestelle oder einfach vor dem Eingang des Kampfschlosses aufhielten, ignorierte ich so gut ich konnte. Ich sah niemanden direkt an, ging erhobenen Hauptes an ihnen vorbei, versuchte selbstbewusst und unerschütterlich zu wirken. Von niemandem wollte ich mich einschüchtern lassen. Dennoch spürte ich die Blicke, die man mir hinterher warf.
    »Zoé?« Hier und da konnte ich sogar meinen Namen hören und ich war erstaunt, wie viele Menschen mich tatsächlich kannten. Da ich mich immer nur mit mir selbst und meinen Siegen beschäftigt hatte, habe ich weniger darauf geachtet, wie bekannt ich unter den Trainern geworden war. Dabei war das ganz normal je weiter man aufstieg. Ich stand kurz davor den Titel einer Herzogin zu bekommen, was schon eine enorme Leistung war. Allein schon den Titel der Marquise inne zu haben, war etwas besonderes. Dennoch kam mir auf einmal diese »Berühmtheit« unangenehm vor. Mir wäre es lieber gewesen, wenn man mich nicht kennen würde. Ob ich wollte oder nicht, aber damit musste ich nun leben. Also ging ich weiter, ließ mich von niemandem aufhalten. Es versuchte auch niemand mich anzusprechen. Manche gingen mir sogar aus dem Weg. Rico folgte mir dabei auf Schritt und Tritt.
    Erst als ich das Kampfschloss weit hinter mir gelassen hatte und keine weiteren Trainer mehr in meiner Nähe standen, die über mich tuschelten, atmete ich auf. Ich war ganz schön angespannt gewesen. Auch, weil die Befürchtung groß gewesen war, irgendwem zu begegnen, den ich kannte. Victor … Hugo … ein paar andere Trainer, die ich lieber vermeiden wollte … Wenn man in dieser Szene unterwegs war, dann bildeten sich automatisch Rivalitäten. Das war normal. Der einzige Unterschied, der darin bestand, war nur der, wie man damit umging. Ob es eine freundschaftliche Rivalität war oder eine, wo man sich bis aufs Blut sogar hasste. Natürlich gab es auch etliche Stufen dazwischen. Doch in meinem Fall … Ich wusste es nicht einmal so genau. Ich konnte nur sagen, dass ich Victor einfach nicht ausstehen konnte. Er tat auch nichts, um daran was zu ändern. Er war schlicht und ergreifend ein Ekelpaket. Was Hugo betraf, konnte ich ihn nur schwerlich ernst nehmen und ich ging prinzipiell davon aus, dass es ihm mit mir so ging, wie es mir mit Victor ergeht. Hugo dürfte mich nicht besonders gut leiden können, das war klar. Also war es für mich, wie auch ihn, das Beste, wenn ich versuchte ihm so weit es ging aus dem Weg zu gehen. Es war ganz schön anstrengend sich über solcherlei Dinge den Kopf zu zerbrechen. Ich schob es vorerst beiseite und folgte dem Weg weiter. Etwa eine Dreiviertelstunde dauerte es wieder, bis ich das Gelände der Pension erreichte. Ich sah einige Pokémon schon auf der Wiese draußen frei herum laufen, aber Chess konnte ich dabei nirgendwo entdecken. Auch fiel mir weder Kawari noch Zero auf, was mir sagte, dass sie nicht draußen waren.
    Ich ging am Zaun entlang und näherte mich dem Tor und damit dem Eingang der Pension immer mehr. Doch je näher ich kam, desto langsamer und nervöser wurde ich. Was sollte ich sagen, wenn ich erst einmal drin war? Einfach ein fröhliches Hallo hinaus posaunen? Wie würde Khyron reagieren? Während ich mir so Gedanken darüber machte, begann ich vor dem Zauntor auf und ab zu gehen. Ich hatte keine Ahnung, ob ich mich ganz normal verhalten sollte, doch dabei kam auch die Frage auf: Was war eigentlich normal? Da hatte ich nun zwei Stunden im Bus Zeit gehabt mir über solche Dinge den Kopf zu zerbrechen und dann besaß ich trotzdem keine Antwort! Das war ziemlich blöd.
    »Zoé?« Als ich auf einmal meinen Namen hinter mir hörte, zuckte ich zusammen, sah aus meinen Überlegungen hoch und drehte mich um. Khyron stand direkt hinter dem Tor. In einer Hand hielt er einen Eimer am Henkel, der bereits leer war. Es war der Eimer, den er sonst auch immer nutzte, um das Futter zu seinen Schützlingen zu bringen. Mir rutschte das Herz in die Hose und ich wusste vor lauter Aufregung nicht, was ich sagen sollte. Rico rettete mich aus dieser peinlichen Situation, die aufkam, weil ich nichts sagte. Denn mein Magnayen lief sogleich zum Zaun, stellte sich auf die Hinterläufe und zeigte deutlich seine Freude darüber Khyron wiederzusehen. Dadurch wurde auch Khyron von mir abgelenkt. Er öffnete das Tor, damit Rico die Chance hatte zu ihm zu kommen und sich von ihm begrüßen zu lassen. Das Bild gefiel mir sehr. Wie Khyron lächelnd den Eimer abstellte, um sich hinzuknien und Rico begrüßte und streichelte. Meine Knie wurden weich. Blöd daran war nur, dass ich immer noch nicht genau wusste, was ich sagen sollte. Dafür half Khyron mir ein wenig auf die Sprünge.
    »Was macht ihr denn hier?«, fragte er und sah auf, die Frage direkt an mich gestellt. Als er mich wieder mit seinen Bernsteinaugen ansah, hatte ich erst recht das Gefühl, meine Knie bestünden aus Wackelpudding. Ich versuchte mich innerlich zusammenzureißen und räusperte mich, ehe ich zu meiner Stimme fand.
    »Du … hast gesagt, ich kann wieder kommen«, meinte ich und ja, ich klang verflucht kleinlaut, als traute ich mich kaum die Worte auszusprechen. Ich fühlte, wie meine Wangen glühten und wäre gerne im Erdboden versunken. Wo war mein Selbstbewusstsein abgeblieben? Khyron lächelte mich an, was nicht dazu beitrug, dass meine Knie wieder fester wurden. Im Gegenteil … Was war nur los mit mir?
    »Ja, das stimmt«, bestätigte Khyron mir und stand auf, um sich mir zu nähern. Rico folgte ihm und sah zwischen uns beiden hin und her. Ich selbst starrte nur in Khyrons Augen. Ich konnte mich nicht von ihm abwenden, obwohl ich das gerne getan hätte. Es war verdammt schwer …
    »Du hast was vergessen«, sagte Khyron. Mein Hirn hatte sich mittlerweile auch in Zuckerwatte verwandelt und war dementsprechend nicht mehr in der Lage richtig zu denken.
    »Was … vergessen … «, wiederholte ich. So gut ich konnte, versuchte ich meine restliche mentale Intelligenz zusammenzukratzen und mich von Khyrons Augen zu lösen. Außerdem wollte ich nicht mehr wie ein dummes, kleines Mädchen wirken und räusperte mich erneut.
    »Vergessen?«, fragte ich noch einmal nach und sah, wie Khyron schmunzelte.
    »Etwa nicht?« Statt mir zu antworten, versuchte er wohl mich selbst auf den richtigen Gedanken zu bringen. Das half, auch wenn ich das nicht erwartet hatte, aber mir fiel es wie Schuppen von den Augen, worauf er anspielte.
    »M-meine Pokémon … « Als ich die Antwort gab, grinste er mich an. Mir war das unglaublich peinlich, weswegen ich zu Boden sah. Oh man …
    »Ich bin so doof«, murmelte ich. Wegen meiner Pokémon bin ich doch extra hier her gekommen! Und vielleicht auch, weil ich insgeheim Khyron wiedersehen wollte, aber die Pokémon waren immerhin ein sehr guter Grund gewesen. Und natürlich auch der wichtigste! Mein Gott, Zoé, reiß dich endlich zusammen!
    »Ach was«, hörte ich Khyron sagen, der meine gemurmelte Aussage wohl auch verstanden hatte. Er winkte das Thema weg und als ich ihn direkt wieder ansah, lächelte er mich an, was ich erwiderte. Der Traum von letzter Nacht wurde nicht wahr. Noch nicht. Bisher gab es kein Anzeichen dafür, dass mich Khyron auf und davon jagen wollte oder mich anderweitig verhöhnen wollte. Alles war gut!
    »Wollt ihr nicht rein kommen?«, fragte Khyron und mein Herz machte einen kleinen Sprung in die Höhe. Alles war gut! Gerade setzte ich an, ihm antworten zu wollen und damit sein Angebot anzunehmen, als meine kleine schöne heile Welt doch noch durch ein Erdbeben erschüttert wurde. Das Erdbeben bestand allerdings nicht aus dem Beben der Erde – oh Wunder – sondern in Form eines nicht gewollten Besuchers.
    »Zoé Lefevre, also ist es wahr? Du bist tatsächlich wieder aufgetaucht!« Diese Stimme kannte ich leider nur zu gut und ich fragte mich, warum er ausgerechnet hier aufkreuzte. Ich brauchte mich nicht umzudrehen, auch wenn ich es tat, um zu wissen, dass Victor hinter mir stand. Knapp drei Meter war er von mir entfernt, verschränkte die Arme vor der Brust und besaß sein süffisantes Lächeln auf den Lippen. Er war von sich und seiner Stärke überzeugt und stand daher ganz selbstbewusst da. Als hätte er die Niederlage gegenüber Khyron völlig ausgeblendet, ja, als wäre diese nie passiert.
    Meine Beine zitterten, aber sie waren nicht aus dem Grund so weich, wie sie es wegen Khyron gewesen waren. Ich hatte Angst vor Victor, auch wenn ich das kaum zugeben wollte. Er war schon immer derjenige gewesen, der mir die meiste Angst eingejagt hatte. Er war stark gewesen, von Anfang an, seit ich ihn kannte. Und er machte sich nur allzu gern über andere, vor allem schwächere Trainer lustig. Dazu hatte ich am Anfang auch gehört. Zwar hatte ich viele andere Trainer besiegt, aber das eine Match, was ich mal gegen Victor geführt hatte, war meine Niederlage gewesen. Seitdem zog mich Victor erst recht immer auf, wenn er mich sah. War das nun der Grund, weshalb er mir gefolgt war? Denn er musste wohl aus der Richtung des Kampfschlosses gekommen sein, wo er mich entweder gesehen oder ihn irgendwer darüber informiert hatte, dass ich wieder da und auf dem Weg zur Pension war. Welchen Grund auch immer Victor dafür hatte mir auf diese Weise aufzulauern, er würde sicher nicht gehen, bis er seinen Kampf bekommen hatte. Doch genau davor fürchtete ich mich am aller meisten.
    Ich sah hinab auf Rico und wusste sofort, dass mein Lieblings-Unlicht-Pokémon keine Chance gegen Viscogon besaß. So traurig es auch war, aber es würde Rico äußerst schwer fallen im Kampf zu gewinnen. Nur wie könnte ich Victor sonst abschütteln können?
    »Was ist Zoé? Dir werden doch nicht die Knie zittern? Ich dachte, du wärst endlich mal stärker geworden. Oder bist du immer noch das kleine schwächliche Mädchen?« Victor lachte. Es war eindeutig, dass er sich über mich lustig machen wollte. Warum? Ich hatte nie verstanden, warum er eigentlich auf mir herum hackte. War es, weil ich mich nach und nach hinauf kämpfte und immer besser wurde? Hatte ich mal irgendwas gesagt, weshalb er sauer auf mich war und seitdem mich unbedingt piesacken musste?
    »Was willst du, Victor?«, fragte ich ihn, aber ich ärgerte mich darüber, dass in meiner Stimme eine Unsicherheit mit heraus schwang, die auch Victor mitbekam.
    »Das weißt du doch ganz genau«, meinte er und hatte bereits seinen Pokéball heraus geholt, den er auf seinen Zeigefinger balancierte. Er gab an. Ich wusste sofort, dass das der Ball von Viscogon war.
    »Lass mich in Ruhe. Heute kämpfe ich nicht!«, versuchte ich ihn abzuschütteln, genauso wie ich versuchte meine Stimme fester wirken zu lassen. Keine Schwäche zeigen, Zoé, das darfst du nicht.
    »Ich fürchte, ein Nein akzeptiere ich nicht!«, gab mir Victor unmissverständlich zu verstehen. Ich schnappte nach Luft. Mir musste irgendwas einfallen, um Victor davon zu treiben, ohne dass ich Rico gefährdete!
    »Zoé«, sprach mich Khyron leise an. Ich drehte mich zu ihm. Wahrscheinlich konnte er die Unsicherheit, die in mir tobte, erkennen. Ich schämte mich dafür, wusste aber nicht, wie ich sie bekämpfen konnte. Khyron hielt mir einen Pokéball hin. Da ich nun mit dem Rücken zu Victor stand, konnte dieser nicht erkennen, was zwischen Khyron und mir vorfiel.
    Meine dunkelblauen Augen starrten den Hyperball an, den Khyron hielt. Hatte er ihn die ganze Zeit bei sich getragen? Ich wusste, wessen Ball das war. Darin befand sich niemand anderes als Zero, mein Brutalanda. Khyron hielt mir den Ball hin, damit ich Zero in den Kampf schicken konnte. Normalerweise hätte ich zugegriffen und mich in den Kampf gestürzt. Aber ich war nicht mehr die alte Zoé, oder? Ich konnte es einfach nicht. Mein Zögern war für Khyron deutlich zu sehen. Ich fürchtete mich davor Zero aus dem Ball zu lassen. Denn noch mehr Angst, als vor Victor, hatte ich vor Zero, der möglicherweise nicht mehr auf mich hören würde. Es war über zwei Wochen her, dass ich ihn gesehen hatte. Wie würde mein Drachen-Pokémon auf mich reagieren?
    »Nimm, Zoé, und besiege Victor«, forderte mich Khyron auf.
    »Aber … « Meine Augen lagen nur auf dem Ball, mein Finger zitterten, obwohl ich schon meine Hand ausgestreckt hatte. Sollte ich wirklich Zero in den Kampf schicken oder es nicht auf eine andere Weise versuchen Victor davon zu jagen?


  • Hättest du geglaubt, dass Zoé so eine Entwicklung macht?

    Ich wage mal zu behaupten: Ja, habe ich. Grundsätzlich ist es ja so, dass einem Hauptcharakter etwas fehlen muss, da er ja sonst nicht der Hauptcharakter wäre. Immerhin dreht sich die Geschichte hauptsächlich um ihn und da muss er natürlich eine gewisse Entwicklung durchmachen, damit man am Ende sagen kann, hey, der oder die hat sich merklich verändert. Und gerade bei einer Person, die eher aneckt, ist es wahrscheinlich, dass sie das gegen Ende nicht mehr tut. Das soll aber nicht die Regel sein, weil man auch in dieser Hinsicht überraschen kann.


    Auf jeden Fall, hallo Lexi! Das Kapitel fand ich nach dem Ausklang des letzten Kapitels sehr entspannend und ungezwungen zu lesen. Vorbei waren die Sorgen und die Probleme (trotz des Albtraums am Anfang, der wohl noch einige Nachwirken mit sich zog) und nach dieser anstrengenden Zeit als Pokémon ist das für Zoé sicher auch gut, einfach dem Alltag nachgehen zu können. Der Clou daran ist, dass es eben nicht mehr nur um sie geht, sondern dass sie auch alle anderen in der Nähe des Kampfschlosses sieht und sich erst einmal den Blicken stellen muss. Gerade in diesem Moment ist das sicher erst einmal einschüchternd, von allen als starke Person angesehen zu werden. Auf der anderen Seite weiß sie ja, dass sie stark ist; sie muss es nur noch zeigen. Was gäbe es da nun also Besseres als einen Kampf gegen ihren größten Rivalen und gleichzeitig auch gegen ihre größte Angst, nämlich von Zero akzeptiert zu werden. Auch wenn ich mir nicht vorstellen kann, dass die Art der Kommunikation zwischen beiden abgekappt ist, nur weil sich Zoés Art nach außen etwas verändert hat, aber das wird sich dann zeigen.


    Wir lesen uns!

  • Kapitel XIV


    Kleine Voltilammwölkchen zogen am Himmel vorbei und hielten die Sonne nicht auf zu strahlen. Es war verhältnismäßig warm, auch wenn nicht mehr Hochsommer war. Es hätte ein so schöner Tag heute werden können, gäbe es da nicht eine Sache, die mich immens störte.
    »Was ist nun, Zoé? Oder hast du Angst?«, provozierte mich Victor, der immer noch darauf wartete, dass ich endlich für den Kampf bereit war. Am liebsten hätte ich ihn ignoriert und wäre dem Kampf aus dem Weg gegangen. Doch es würde nicht den Effekt erzielen, den ich mir wünschen würde. Man würde mich als feige darstellen. Als Angsthase, der davon gehoppelt war. Victor würde mich dadurch später nur noch mehr aufziehen. Wenn ich verhindern wollte, dass er mich zukünftig weiter schikanierte, musste ich gegen ihn gewinnen! Oder wenigstens einen Kampf bestreiten, der es in sich hatte, selbst wenn ich am Ende eine Niederlage einheimste. Aber wenn ich einen guten Kampf ausfocht, konnte ich zumindest so viel Respekt gewinnen, um nicht als Feigling dazustehen.
    Warum es nicht einfach sein lassen? Es wäre einfach zu sagen, dass es mir egal sein konnte, was andere dann von mir hielten. Na und? Dann wäre ich eben ein Feigling! Doch wenn ich tief in mir ehrlich war, wollte ich das nicht. Ich wollte meine Fassung, meinen Respekt und meine Anerkennung bewahren. Meinen Stolz als Trainerin, auch wenn ich derzeit nicht in der besten Verfassung war und ziemlich viel Unsicherheit mit mir schleppte. Wenn ich jetzt gegenüber Victor klein beigab, würde ich mir das später niemals verzeihen. Das war der Grund, weswegen ich nach den Ball in Khyrons Hand griff. Er gehörte sowieso mir. Khyron nickte mir zu und ich drehte mich zu Victor um. Dabei brauchte ich nichts sagen, denn er sah meinen Hyperball in meiner rechten Hand und ging davon aus, dass ich bereit zum Kampf war. Ehrlich gesagt war ich das nicht, aber ich hatte keine Wahl. Ich musste kämpfen.
    Victor warf seinen Ball nach vorn, bis dieser auf dem Boden aufkam und sein Viscogon heraus kam. Ich hatte nie verstanden, warum Trainer ihre Bälle weg warfen, denn so mussten sie diese wieder einsammeln. Victor ebenfalls, aber die Aufmerksamkeit lag ganz auf dem Drachen-Pokémon. Es erschien in seiner massigen Gestalt und brüllte in den blauen Himmel hinauf. Dann stampfte es einmal mit seinem rechten Bein auf und brüllte in meine Richtung. Es war bereit zu kämpfen und würde sich dabei auch nicht zurückhalten. Ja, Rico würde gegen Viscogon nicht viel ausrichten können, Zero hingegen hatte auf jeden Fall das Zeug dazu es zu schlagen.
    Nun war ich an der Reihe und warf meinen Ball in die Höhe und rief »Zero!« Der Ball öffnete sich in der Luft und entließ das mächtige Drachen-Pokémon Brutalanda. Da er so in der Luft entlassen wurde, breitete Zero seine Flügel aus und flog. Es gab nichts Schöneres für ihn. Er liebte es. In Kindwurms Adern fließt bereits der Wunsch nach dem Fliegen. Das hatte die Art so an sich. Als Brutalanda war es ihm möglich diesen Wunsch zu erfüllen. Er war dabei so majestätisch, dass mir kurz der Atem stockte. Ich liebte Zero. Er war mir wichtig und ich wollte mich nicht von ihm trennen. Ich hatte ihn schließlich auch groß gezogen und jede seiner Entwicklungen miterlebt. Aber er war eine starke Persönlichkeit, was den Umgang mit ihm immer wieder zu einer Herausforderung machte. Den Ball, nachdem Zero frei war, fing ich auf und steckte ihn in meine Tasche, damit ich meine Hände frei hatte.
    Zero flog derweil eine Runde über uns hinweg, bis er sich vor mir niederließ. Er brüllte drohend Viscogon an, was sich jedoch nicht einschüchtern ließ und selbst aufheulte. Doch Zeros Aufmerksamkeit blieb nicht lange bei dem Gegner, sondern wanderte direkt zu mir. Zwei Wochen hatten wir uns nicht direkt gesehen gehabt, was sich nun änderte. Zero sah mir direkt in meine Augen. Ich erwiderte den Blick, aber nicht so, wie ich es hätte tun sollen. Stattdessen löste der Anblick von Zero in mir Furcht aus. Sein herausforderndes Starren ließ mich einen Schritt zurückweichen und ich fühlte innerlich die Angst, dass Zero mich nicht akzeptieren könnte. Leider war genau das das Problem. Weil ich nicht positiv dachte und negative Gefühle in mir hochkamen, spürte es auch mein Drachen-Pokémon. Pokémon sind allgemein recht sensibel und vor allem wenn man eine engere Bindung zu ihnen aufgebaut hatte, dann spürten sie, was in einem vorging. Zero roch vermutlich auch meine Angst. Er kreischte auf, breitete die Flügel aus und stieß sich erneut vom Boden ab, um zu fliegen.
    »Zero!«, rief ich nach ihm, aber egal wie oft ich das tat, damit er wieder vom Himmel hinab kam, so tat er es nicht. Er hörte nicht auf mich. Das war ein absolutes Desaster! Ich konnte ihn nur dabei beobachten wie ungehalten er in der Luft seine Bahnen zog und erbost über mich, als seine Trainerin, immer wieder brüllte und hin und wieder sogar Flammen in den Himmel ausstieß.
    Victor verstand die Situation. Er konnte es sich zusammenreimen und begann zu lachen.
    »Oh was? Hast du etwa dein Pokémon nicht unter Kontrolle, Zoé? Wie armselig!« Als ich ihn so abfällig reden hörte, ballten sich meine Hände zu Fäusten. Doch ich besaß nicht die Kraft ihm etwas entgegen zu halten. Ich schämte mich und wäre lieber im Erdboden verschwunden. Zero hörte nicht auf mich, was eine noch viel größere Niederlage war, als wenn Victor mich im Kampf besiegt hätte. Ich hatte mein Drachen-Pokémon verloren. Verzweifelte Tränen sammelten sich bereits in meinen Augenwinkel und ich versuchte sie angestrengt zurückzuhalten. Wenn ich jetzt auch noch los flennte, hätte ich den Rest meiner Würde, sofern ich davon noch etwas besaß, auch verloren. Besonders gegenüber Victor. Dann würde ich der schlimmsten Peinlichkeit gar nicht mehr entkommen. Doch verloren hatte ich schon eh und das, obwohl der Kampf noch nicht einmal begonnen hatte. Im Hintergrund hörte ich das verächtliche Lachen, dass sich mit der Erinnerung meines Traumes vermischte …


    »Zoé? Z!« Ich blickte auf, als Khyron mich mit nachdrücklicher Stimme ansprach. Er stand vor mir, so dass ich keine Chance hatte Victor zu sehen. Ich wusste, dass er irgendwo hinter Khyron war, wo auch Viscogon noch stand und eigentlich darauf wartete, dass der Kampf begann. Doch Zero befand sich in der Luft und so würde es zu keinem Kampf kommen. Denn Viscogon waren zwar Drachen, aber keine flugfähigen. Sie besaßen keine Flügel, um sich wie Brutalandas oder Dragorans in die Luft zu erheben.
    »Z«, sprach mich Khyron wieder an, um sicher zu gehen, dass meine Aufmerksamkeit auf ihm lag. Jedoch senkte ich den Blick wieder, da ich nicht stark genug war seinem zu begegnen.
    »Hör mir zu«, verlangte er von mir. Ich wusste nicht, was er mir sagen wollte. Meine Hände zitterten, die ich noch immer zu Fäusten geballt hatte. Ich hatte aufgegeben …
    »Z, vergiss nicht, wer du bist!«, sagte Khyron und versuchte mich daran zu erinnern. Ich sah wieder auf und ihn an, aber meine Zweifel standen sicherlich sehr gut in meinem Gesicht geschrieben. Ich fühlte mich schwach und hilflos und alles andere als stark.
    »Wer bin ich denn schon?«, murmelte ich die Frage. Ich erwartete darauf keine ernsthafte Antwort, denn was könnte man darauf schon sagen? Dennoch lauschte ich Khyrons Worte, die er an mich richtete.
    »Du bist Zoé, eine der stärksten Trainerinnen in dieser Umgebung«, sagte er. Ich hätte am liebsten aufgelacht, war aber dazu nicht in der Lage. Stattdessen kam ein jämmerliches Aufschnauben von mir und ich senkte meinen Blick erneut.
    »Stark? Eher rücksichtslos, die kein Halten davor macht, andere niederzutrampeln.« Als ich diese Worte tatsächlich selbst aussprach, gab ich zum ersten Mal mir gegenüber selber zu, wie unpassend bisher mein Kampfstil gewesen war. Wie schrecklich ich in den letzten Jahren gewesen war. Selbst wenn ein Gegner schon am Boden gelegen hatte, habe ich meine Pokémon immer noch auf diesen gehetzt, um ihn unbedingt unschädlich zu machen. Damit er nicht wieder aufstand und meinem Sieg in die Quere kam. Ich war furchtbar gewesen, nicht nur im Kampf, sondern auch gegenüber anderen Trainern. Ich hatte über sie gelacht, sie verhöhnt und sie gedemütigt. Genauso wie es Victor immer tat. Statt stark zu werden und eines Tages Victor in seine Schranken zu weisen, weil er immer auf mir herum gehackt hatte, habe ich es zugelassen genauso wie er zu werden. Denn ich war nie besser als er gewesen. Ohne es zu wollen, hatte ich ihn als mein Vorbild angenommen und ihm nachgeeifert. Dass war mir in den letzten Jahren gar nicht bewusst gewesen, doch jetzt schlug diese Erkenntnis so sehr ein, dass ich erschüttert darüber war.
    Ich wollte nicht so sein. Das wurde mir jetzt klar. Nur was sollte ich dagegen tun? Ich konnte nicht stark sein und wusste nicht, wie ich mich sonst verhalten sollte. Da ich auf den Boden starrte, legte Khyron seine Finger unter mein Kinn. Er zwang mich dazu ihn anzusehen. Ich wollte mich dagegen wehren, aber selbst das schaffte ich nicht einmal.
    »Stärke muss nichts mit Rücksichtslosigkeit zusammenhängen!«, ermahnte er mich. Ich wollte ihm widersprechen, was er verhinderte, weil er weiter redete.
    »Du bist stark, Zoé, das hast du die letzten Jahre über bewiesen. Du bist eine gute Trainerin, das sieht man an deinen Pokémon. Sieh dir nur Rico an!«, wollte er mir begreiflich machen. Ich schüttelte widersprechend den Kopf.
    »Aber ich … !«
    »Nichts aber!«, unterbrach mich Khyron.
    »Wird‘s heute noch was oder was tuschelt ihr da herum?«, mischte sich Victor im Hintergrund ein, der unser Gespräch nicht hörte, aber allmählich die Geduld verlor. Khyron ignorierte ihn komplett, was mich verwirrte.
    »Du kannst genau die starke Trainerin sein, die du sein willst. Du kannst allen zeigen, wie man es richtig macht. Sei stark, Zoé, denn genau das macht dich aus. Du warst immer selbstbewusst und nur darauf wartet Zero.« War es wirklich so? War ich stark und konnte ich einfach so einen neuen, besseren Weg einschlagen? Ich war verunsichert darüber und blickte in den Himmel, wo Zero noch immer seine Runden drehte. Als er ein wenig tiefer flog, konnte ich seine Augen erhaschen, denn unsere Blicken trafen sich. Es war, als würde er tatsächlich auf mich warten. Oder war das nur Einbildung? Obwohl ich immer noch die Unsicherheit in mir trug und ehrlich gesagt Angst vor dem Kommenden hatte, versuchte ich diese Angst hinunter zu schlucken. Ich atmete tief ein und ging an Khyron vorbei, straffte meine Schultern und stand so aufrecht und stolz da, wie ich nur konnte. Nicht klein bei geben, nicht aufgeben, keine Schwäche zeigen … Das sagte ich mir und versuchte es auch in die Tat umzusetzen.
    Es war richtig. Ich war in den letzten Jahren nicht besonders sympathisch gewesen und hatte viele Trainer verstimmt. Aber ich war dennoch stark gewesen oder besser gesagt, waren es meine Pokémon. Ich hatte sie aber trainiert und zu dem gemacht, was sie heute waren. Sie konnten vielleicht noch nicht jeden Trainer auf dieser Welt schlagen, aber ich war nicht umsonst eine Marquise, die kurz davor stand zu einer Herzogin aufzusteigen! Ich hatte hart mit meinen Pokémon trainiert, um so weit zu kommen. Sollte ich mich etwa nur wegen Victor von diesem Pfad abbringen lassen? War es nicht auch der Wunsch meiner Schwester gewesen die stärkste Trainerin aller Zeiten zu werden, der später zu meinen eigenen Wunsch geworden war?
    Ich wollte diesen Wunsch nicht aufgeben. Nicht ohne vernünftigen Grund. Mich von Victor einschüchtern zu lassen, sollte kein Grund sein einfach aufzugeben! In meinem Inneren spürte ich, wie ich langsam wieder mein Selbstbewusstsein dazu gewann. Doch dieses Mal würde ich es nicht dafür einsetzen, um andere Trainer zu schikanieren. Ich würde es dafür nutzen, um endlich der Herausforderung standzuhalten, vor der ich mich all die Jahre über gefürchtet hatte!
    »Du wirst mich nicht besiegen, Victor!«, sagte ich selbstbewusst. Zugegeben, es war vielleicht ein wenig großspurig, denn solange der Kampf nicht stattgefunden hatte, konnte alles passieren. Doch ich wollte selbstbewusst sein, positiv denken und mich nicht einschüchtern lassen. Wenn ich daran glaubte zu gewinnen, dann würde ich es auch schaffen. Und das mit Hilfe meiner Pokémon! Schließlich wusste ich am besten wie stark sie waren. Ich hatte sie trainiert und niemand sonst!
    »Allmählich bin ich deine Schikane leid«, sprach ich weiter zu Victor, der nur verächtlich aufschnaubte. Er glaubte nicht daran, dass ich ihn schlagen konnte.
    »Schon vergessen, Schätzchen? Ich bin ein Herzog, während du nur eine kleine Marquise bist!« Er versuchte über den Titelweg mich einzuschüchtern. Nur weil ich offiziell noch nicht eine Herzogin im Kampfschloss war, wollte ich mich davon aber nicht beirren lassen.
    »Nenn mich nicht Schätzchen, Victor. Dieses Recht hast du dir nicht verdient!« Ich knallte ihm die Worte nur so entgegen und machte einen weiteren Schritt auf ihn zu.
    »Es wird Zeit, dass dich jemand von deinem hohen Ross herunter holt!«, schob ich noch hinten dran. Gleichzeitig erinnerte ich mich daran, dass Khyron bereits einen Sieg gegen Victor eingeholt hatte. Die alte Zoé hätte sich dieses Wissen zunutze gemacht und es Victor entgegen geschleudert, um sich über ihn lustig zu machen und ihn damit zu demütigen. Doch die neue Zoé hatte es nicht nötig auf solche Gemeinheiten zurückzugreifen. Ich werde Victor so besiegen und ihm zeigen, dass er sich nicht alles erlauben konnte.


    Meine Augen wanderten hinauf in den Himmel, wo noch immer Zero flog. Wenigstens war er nicht komplett abgehauen, sondern hielt sich in der Nähe auf. Auch das war ein Zeichen dafür, dass er mich nicht einfach aufgeben wollte. Ich war sehr froh darüber. Mit fester Stimme versuchte ich erneut ihn zu rufen. Ich dachte nicht daran, was passieren könnte, wenn er wieder nicht auf mich hörte, sondern ging selbstbewusst davon aus, dass er zu mir kam. Wir waren schließlich ein Team! Schon viele Kämpfe hatten wir bestritten und oft gesiegt. Auch einige Niederlagen waren darunter, aber die waren immer weniger, je stärker wir geworden waren.
    »Zero, komm! Zeit für einen Kampf!«, rief ich in den Himmel hinauf. Es war, als würde jeder den Atem anhalten, nur um zu beobachten, was das Drachen-Pokémon tun würde. Es sah immerhin hinab zu mir, obwohl es noch über uns hinweg flog. Dann machte Zero einen weit ausholenden Bogen, bis er sich in einen halsbrecherischen Sturzflug begab. Er war auf den Weg nach unten zu mir, um meinem Ruf zu folgen. Ich war glücklich darüber, dass ich lächeln musste. Egal wie der Kampf ausging, am aller wichtigsten war, dass Zero und ich als Team zusammen arbeiteten!
    Noch bevor mein Drache den Boden erreicht hatte, spürte ich das warme Pulsieren meines Armreifes am linken Handgelenk. Daran war nach wie vor mein Schlüsselstein befestigt, der nun begann hell zu leuchten. Ich war überrascht davon, denn eine Mega-Entwicklung hatte ich nicht erwartet oder auslösen wollen. Genau das passierte allerdings. Mein Schlüsselstein harmonisierte mit dem Megastein, den mein Brutalanda um den Hals trug und der nun ebenfalls begann zu leuchten. Das gesamte Leuchten breitete sich über mein Pokémon aus. Noch während es sich im Sturzflug befand, verwandelte es sich zu Mega-Brutalanda.
    Im Hintergrund hörte ich Victor nach Luft schnappen. Als ich zu ihm sah, erkannte ich Wut in seinem Gesicht. Er ärgerte sich über diese Entwicklung. Jeder wusste bereits, dass durch die Mega-Entwicklung das jeweilige Pokémon für eine bestimmte Dauer sehr viel mehr Energie in sich trug und dadurch stärker war als zuvor. Genau das war jetzt auch bei meinem Brutalanda so. Zero kam als Mega-Pokémon auf den Boden auf, der dabei bebte. Er brüllte in den Himmel und sah mich danach an. Dieses Mal wich ich keinen Millimeter zurück. Stattdessen nickte ich und lächelte ihn an. Ich war stolz auf ihn und würde niemals wieder Angst davor haben, dass Zero mich nicht akzeptieren und respektieren würde. Niemals! Diese Zuversicht übertrug sich auch auf mein Pokémon. Zero drehte sich um und fixierte Viscogon herausfordernd. Dieses knurrte auf und im nächsten Augenblick befahl Victor wie auch ich unseren Pokémon gegeneinander zu kämpfen.
    Sie stürzten sich aufeinander. Der Kampf zwischen zwei Drachen-Pokémon konnte sehr heftig und brutal stattfinden. Zähne und Klauen wurden dazu genutzt dem Konkurrenten Schaden zuzufügen.
    Mein Brutalanda besaß eine harte Schuppenhaut, die nicht so ohne Weiteres zu durchschlagen war. Im Gegensatz dazu hatte Viscogon eher eine ledrige, wenn auch sehr feuchte Haut. Es besaß daher nicht den Schutz, den viele Drachen durch ihre Schuppen besaßen, doch dadurch, dass durch die Feuchtigkeit sein Körper glitschiger wurde, war es oftmals ein wenig schwieriger Halt daran zu finden. Klauen konnten dadurch am Körper abrutschen ohne Schaden zu hinterlassen. Beide Pokémon besaßen ihre Vor- und Nachteile, das war klar.
    »Du wirst nicht gewinnen!«, brüllte Victor mich an und befahl seinem Pokémon den Wutanfall. Gerade diese Attacke war beim letzten Mal sein Untergang gewesen. Victor steigerte sich viel zu sehr in den Kampf hinein. Ich wusste gar nicht mehr, warum ich immer so viel Angst vor ihm gehabt hatte. Er war innerhalb eines Kampfes so temperamentvoll, dass er lieber mit brutaler Gewalt seine Pokémon kämpfen ließ, als selbst die Ruhe zu bewahren, um strategisch wie auch taktisch den Kampf zu beeinflussen. Vermutlich hatte ich mich all die Jahre über nur vom Anblick der starken Pokémon gefürchtet und deswegen nie auf Victor selbst geachtet. Er verlor schnell den Kopf und bellte einen Befehl nach dem anderen.
    Ich hingegen blieb ruhig, denn ich wusste, dass Zero auch allein kämpfen konnte. Natürlich gab ich auch Kommandos, gebot ihm auszuweichen, wenn es notwendig war oder sorgte dafür, dass er die richtige Attacke im richtigen Moment einsetzte. Aber ich verlor nicht meinen Kampf, brüllte nicht wie versessen los und behielt so gut es ging die Gesamtsituation im Auge.
    Ja, wovor hatte ich eigentlich immer Angst gehabt? Jetzt im Nachhinein betrachtet, erschien es lächerlich. Ich schüttelte über mich den Kopf und konzentrierte mich voll und ganz auf den Kampf.
    »Zero«, rief ich meinen Drachen. Er war gerade dabei dem Nassschweif des Viscogons auszuweichen. Das war gar nicht so einfach, denn Viscogon befand sich immer noch in einem Wutanfall, der allerdings schon jetzt zur Verwirrung der Sinne führte. Es würde nicht mehr lange dauern und Viscogon stand vollends unter dem Verwirrtzustand. Wie lange dieser anhielt, war immer unterschiedlich und abhängig vom jeweiligen Pokémon. Wie gut es war eine Verwirrung selbst abzuschütteln.
    »Drachenrute!«, wies ich Zero an, gerade als Zero sich unter dem Nassschweif von Viscogon hinweg duckte und dieser entging. Die Drehung konnte mein Pokémon nutzen, um selbst mit seinem Schwanz zuzuschlagen. Wenn ich gegen Viscogon gewinnen wollte, war es von Vorteil, wenn ich Drachenattacken einsetzte. Diese waren stets effektiv gegen die eigene Art.
    Viscogon war im Gegensatz zu Zero nicht in der Lage schnell genug zu reagieren. Weil es noch vom Schwung seiner eigenen Attacke beeinflusst war, traf Zeros Rute es frontal und schleuderte es von den Füßen. Victor musste ausweichen, damit er nicht unter seinem eigenen Pokémon begraben wurde. Die Erde bebte, als das massige Pokémon aufkam. Es knurrte und fauchte, aber kämpfte auch mit der Verwirrung seines Wutanfalls. Jetzt mehr denn je. Es schien dadurch Koordinationsprobleme mit seinen Gliedmaßen zu haben und dadurch nicht sofort auf die Beine zu kommen. Diese Schwäche wollte ich ausnutzen, denn Viscogon war noch nicht besiegt. Es war immer noch in der Lage zu kämpfen und Victor wollte noch nicht aufgeben.
    »Zero, nutze deinen Flammenwurf!«, rief ich und sah dabei zu, wie Zero tief Luft holte, um einen feuerheißen Atem auszuspeien. Victor war schlau genug, um dagegen anzuhalten. Er befahl seinem Drachen die Aquawelle einzusetzen. Es war klar, dass Wasser das Feuer löschen konnte, je nach Stärke und Intensität. Trotz der Verwirrung unter der Viscogon litt, schaffte es sich so weit aufzurichten und so weit bei Sinnen zu sein, um die Wasserattacke einzusetzen. Feuer traf auf Wasser. Mich überraschte es nicht, dass der Flammenwurf dadurch keinen Schaden anrichtete. Die Flammen wurden als heißer Dampf neutralisiert. Viscogon war stark, das war klar gewesen. So ohne Weiteres ließ es sich nicht unterkriegen. Es stand auch mittlerweile auf und setzte erneut eine Aquawelle ein. Diesmal war Zero nicht schnell genug und wurde davon getroffen. Da ich wusste, dass diese Attacke manches Mal den Nebeneffekt besaß Verwirrung auszulösen, war ich nun angespannt. Ich fürchtete, dass genau das passieren würde. Zero taumelte ein paar Schritte zurück, hatte die Augen zusammengekniffen und schüttelte mehrmals den Kopf. War es davon betroffen? Selbst wenn nicht war die Aquawelle nicht von schlechten Eltern gewesen und daher stark. Das hatte sicherlich auch so schon weh getan. Doch davon ließ sich Zero ebenfalls nicht aufhalten. Erleichtert sah ich, wie er die Augen wieder öffnete und Viscogon anschrie. Er war nicht verwirrt, so dass ich aufatmen konnte.
    »In die Luft mit dir!«, rief ich meinem Pokémon zu. Zero reagierte rechtzeitig, denn kurz darauf prallte ein Feuerodem an der Stelle ein, wo Zero bis eben noch gestanden hatte. Ich sah ein wenig zur Seite und machte mir Sorgen um die Pension. Das Gelände war schließlich direkt daneben und ich wollte nur ungern, dass etwas zu Schaden kam. Mein Plan den Draco Meteor einzusetzen, verwarf ich deswegen. Es war eine mächtige Drachenattacke, die weiträumig einiges anrichten konnte, besonders gegen den Gegner. Aber wenn davon auch nur eine Drachenflamme daneben ging, könnte ich Gefahr laufen die naheliegende Pension in Brand zu setzen. Das wollte ich unbedingt vermeiden! Ich entschied mich lieber für etwas weniger gefährliches, wenn auch für eine starke Attacke.
    »Zero, sammle deine Energie!« Mein Drachen-Pokémon ahnte vermutlich, worauf das hinaus laufen würde. Solange er in der Luft war, konnte er gut den Attacken seines Gegners ausweichen. Egal wie oft Viscogon auch seinen Feuerodem in die Luft schleuderte, Zero verhöhnte es, indem es immer wieder auswich. Seine Flugkünste hatte es sehr gut trainiert und war dadurch ziemlich flexibel. Victor ärgerte sich immens und trieb sein Pokémon zu noch mehr Höchstleistung an. Während Zero sich darauf konzentrierte seine Energie auf einen Punkt zu sammeln, schaffte es Viscogon doch noch einen Feuerodem gegen mein Pokémon einzusetzen. Die Drachenflammen umhüllten mein Brutalanda, was vor Schmerz aufbrüllte. Sie waren effektiv und so stürzte Zero vom Himmel ab. Es konnte sich nicht abfangen und ich war enorm besorgt darüber.
    »Zero!« Hinzu kam, dass es direkt in den naheliegenden Fluss stürzte und unterging. Ich war mir nicht sicher, wie tief der Fluss war. Sowohl ich, als auch Khyron und Rico liefen zum Fluss, um in die Fluten zu sehen. Der Rivière-Fluss war kein kleines Wässerchen, sondern auch sehr breit. Daher vermutete ich, dass vor allem in seiner Mitte mehr Tiefe vorhanden war. Wenn mein Drachen-Pokémo darin untergehen konnte, dann bestätigte das meine Vermutung nur. Auch wenn mein Pokémon keine Schmerzen vom puren Wasser erleiden würde, wie Feuer-Pokémon, so machte ich mir Sorgen um Zero. Ging es ihm gut? Warum tauchte er nicht wieder auf? Ich hörte Victor bereits aufjubeln. Er war sich sicher, dass er gewonnen hatte. Auch Viscogon brüllte triumphierend auf. Seine Verwirrung war bereits beseitigt. Dieses Mal hatte es weniger damit Probleme gehabt, als bei dem Kampf gegen Louis und Khyron.
    »Zero!«, schrie ich und suchte die Wasseroberfläche nach meinem Pokémon ab. War der Feuerodem vielleicht noch stärker gewesen, als ich vermutet hatte? Ich war kurz und drauf einfach mich in die Fluten zu stürzen, um nach meinem Pokémon zu tauchen, aber Khyron hielt mich zum Glück davon ab. Er machte mich auf eine Stelle aufmerksam, wo mehrere Luftblasen aus dem Wasser stiegen. War das Zero? Meine Ungeduld wurde damit belohnt, dass bald darauf das Wasser in die Höhe spritzte und mein Drache wieder auftauchte. Ich war erleichtert Zero wiederzusehen. Victor war weniger positiv überrascht und viel zu langsam, um noch zu reagieren. Auch ich konnte und brauchte keinerlei Kommando zu sagen. Die gesammelte Energie von Zero spie er als einen Energiestrahl aus, den er direkt auf Viscogon warf. Es war der Hyperstrahl, den ich Zero einsetzen lassen wollte und der nun das andere Drachen-Pokémon frontal traf.
    Der getroffene Drache brüllte vor Schmerz auf und ging wieder zu Boden. Auch Victor schrie, aber darauf achtete ich nicht. Ich sah nur, wie Zero erschöpft neben mir am Ufer des Flusses landete und heftig schnaufte. Er hatte viel Energie verbraucht, weswegen seine Megaform nachließ und er sich zurück entwickelte. In diesem Augenblick interessierte es mich nicht, ob Viscogon besiegt war und ich gewonnen hatte oder ob der Kampf vielleicht noch weiter ging. Ich überwand den Abstand zu meinem Pokémon, legte meine Hände auf den langen Hals meines Brutalandas und suchte mit den Augen nach offensichtlichen Wunden ab. Ich konnte keine erkennen. Nirgendwo war Blut oder eine offene Wunde zu sehen. Ein paar Schuppen waren durch den Feuerodem in Mitleidenschaft geraten, aber sie waren nicht so stark verletzt, dass es etwas Ernsthaftes war. Erleichtert atmete ich auf.
    »Zum Glück bist du unversehrt, mein Freund«, sagte ich und umarmte den Kopf von Zero, den er zu mir geneigt hatte. Die Nähe zu meinem Drachen tat mir gut und ich konnte die Zuneigung in mir spüren, die ich für Zero empfand, aber ebenfalls die Erwiderung von seiner Seite. Glücklicher hätte ich in diesem Moment gar nicht sein können! Als ich mich wieder von Zero löste und einen Schritt zurück machte, sah ich voller Zuneigung und Stolz meinen Drachen an. Er erwiderte meinen Blick und ließ sich von mir seine Nüstern kraulen, was er mochte. Ich grinste.
    »Du hast gut gekämpft!«, lobte ich ihn und drehte mich langsam um. Meine Augen entdeckten Khyron, der mit etwas Abstand zu mir stand und mich sanft anlächelte. Mein Herz hüpfte mal wieder ein paar Tackte schneller. Rico, der bisher neben Khyron gesessen hatte, lief auf mich zu und wollte sich auch eine Portion Zuwendung abholen. Ich grinste auch ihn an und gab ihm ein paar Streicheleinheiten, worüber er sich freute. Erst dann richtete ich mein Augenmerk weiter hinten auf Victor und sein Pokémon. Eben jenes lag noch immer am Boden während Victor ungehalten darüber schimpfte, was für ein nutzloses Pokémon es war. Er rief es in seinen Ball zurück und sah dann in meine Richtung. Erst wirkte es so, als wollte Victor noch etwas sagen, doch dann verkniff er es sich. Das lag vielleicht auch an den Menschen, die in der Nähe standen und die mir erst jetzt richtig ins Bewusstsein kamen. Ich hatte vorhin nicht bemerkt, wie sie sich alle genähert hatten.
    Um sich nicht noch mehr lächerlich zu machen – so schlau war dann sogar Victor selbst – drehte er sich um und stapfte davon. Er hatte verloren und zog von dannen, um den Ort seiner Niederlage schnell hinter sich zu lassen. Bestimmt würde ich ihn irgendwann wiedersehen, aber dann, so hoffte ich, würde er nicht mehr so prahlerisch sein.
    Die Menschen, die noch immer hier waren, begannen zu applaudieren. Ich verstand erst gar nicht wieso, doch sie schienen den Kampf verfolgt und für als gut empfunden zu haben. Die Siegerin wurde geehrt, welche, wenn ich das mal erwähnen durfte, ich war. Ehrlich gesagt war ich davon ziemlich perplex. Ich wusste gar nicht wie ich reagieren sollte. Khyron kam auf mich zu.
    »Herzlichen Glückwunsch, du hast es geschafft und Victor besiegt!«, sagte er feierlich.
    »Ich äh … « … besaß einfach keine Worte dafür und brauchte ein paar Minuten um mich zu sammeln. Am Ende war es mir egal gewesen, ob ich gewann oder verlor, vor allem weil ich kurzzeitig mir Sorgen um Zero gemacht hatte, als er in den Fluss gefallen war. Doch jetzt durfte ich mich freuen, oder? Ich lächelte und sah mein Pokémon erneut an.
    »Das habe ich alles Zero zu verdanken!« Noch nie war ich so stolz und froh über meine Pokémon gewesen. Und vermutlich hatte ich noch nie so offensichtlich meine Pokémon gelobt. Das würde ich zukünftig nachholen und ihnen den Respekt und den Lob entgegen bringen, den sie verdient hatten. Ich hatte das Gefühl, dass Zeros Brust anschwoll und gleich vor Stolz platzen würde, weswegen ich lachen musste.
    »Gut gemacht«, wiederholte ich und rief ihn danach in seinen Ball zurück. Fakt war nämlich, dass er viel Energie verloren hatte und daher auch ziemlich erschöpft war. Er hatte sich seine Pause redlich verdient! Aber es war nicht nur Zero, dem ich dankbar war. Ich sammelte all meinen Mut zusammen und ging zu Khyron, um vor ihm stehen zu bleiben. Er neigte seinen Kopf leicht zur Seite und sah mich fragend an, weil ich mich räusperte. Es war mir ein wenig peinlich, aber ich wollte das unbedingt los werden!
    »Ich … möchte mich auch bei dir bedanken«, sagte ich.
    »Was? Wieso?«, fragte Khyron, dabei lag es für mich auf der Hand.
    »Ohne dich … hätte ich es nicht geschafft.« Gut, jetzt war ich doch wieder ein wenig kleinlaut und traute mich kaum ihn anzusehen. Meine Wangen glühten schon wieder, was ich ätzend fand, aber da musste ich jetzt durch. Denn ohne Khyron hätte ich es nicht geschafft mein Selbstbewusstsein zusammenzuklauben, um mit Zero zu kämpfen. Ich war ihm also echt was schuldig!
    »Wenn du mir nicht zugesprochen hättest, würde sich Victor vermutlich jetzt über mich lustig machen, was für ein Feigling ich bin«, sagte ich und sah Khyron an. Ich versuchte zu lächeln, was mir noch einfacher fiel, als er es auf seine sanfte Art erwiderte.
    »Unsinn, das hast du ganz allein geschafft, Z«, widersprach er mir.
    »Nein, hab ich nicht«, beharrte ich darauf und sah ihn mit festem Blick an.
    »Wenn du nicht gewesen wärst, dann wäre ich untergegangen. Nicht … nur heute. Ich bin dir für das, was du für mich getan hast sehr, sehr dankbar. Und … und es tut mir leid, dass ich dir solche Umstände bereitet habe!« Es war schwer für mich die Worte auszusprechen. Ich hatte mich noch nie bei jemanden so bedankt oder mich bei jemanden entschuldigt oder Ähnliches. Das war hier das erste Mal und ich hoffte, dass Khyron es so annehmen konnte. Leider wusste ich nicht genau, wie ich das alles wieder gut machen konnte.
    »Wow, hey, mal ganz langsam, das klingt beinahe wie ein Abschied«, sagte er und hob die Hände. Wo er Recht hat, hat er Recht. Ich bin nämlich nicht wirklich davon ausgegangen, dass ich – nachdem ich meine Pokémon wieder habe – noch großartig mit Khyron in Kontakt sein würde. Warum auch? Was sollte uns noch weiter verbinden? Das hieß nicht, dass ich nicht daran interessiert wäre ihn öfters zu sehen, aber … Nun ja, ich wusste einfach nicht, wie es war Freunde zu haben. All die Jahre war ich allein gewesen und ich konnte mir nicht vorstellen, dass jemand interessiert sein könnte mit mir längerfristig zusammen zu bleiben.
    »Also, es gibt im Kampfschloss doch auch Doppelkämpfe. Ich wollte an denen schon immer mal teilnehmen. Hättest … du vielleicht Lust mit mir anzutreten?«
    Chloé. Ich erinnerte mich an ihre Worte. Ihre Frage, die darauf hinaus lief, dass wir uns öfters treffen würden, da wir erst einmal eine gemeinsame Kampfstrategie ausprobieren mussten. Denn bevor man gemeinsam in einen Doppelkampf antrat, sollte man sich soweit kennen und auch miteinander trainiert haben, damit die eingesetzten Pokémon auch wussten, dass sie zusammenarbeiten sollten. Wollte Chloé wirklich nur mit mir kämpfen oder war sie vielleicht an eine Freundschaft interessiert?
    »Z?« Khyron riss mich aus meinen Gedanken und ich sah ihn verlegen und mit erröteten Wangen an. Ich wusste nicht so recht, was ich sagen sollte. Khyron wohl auch nicht. Deswegen versuchte ich es erneut.
    »Ich … würde es gerne wieder gut machen … irgendwie … «, gab ich zu und meinte es auch so. Ich war ihm was schuldig und falls er mir die Chance dazu gab, würde ich mir was einfallen lassen, wie ich das alles ausgleichen konnte. Vor allem weil wegen mir ja auch das eine Gebäude abgebrannt war!
    »Huh, bin ich erleichtert. Ich dachte schon, du wolltest dich auf und davon machen!«, hörte ich ihn und sah ihn verdutzt an.
    »Wie meinen?« Er erwartete wohl von mir, dass ich Verantwortung übernahm, oder?
    »Na, ich fände es schon schade, wenn du nicht wieder vorbei kommen würdest«, gestand er mir. Meine Perplexität nahm zu. Hatte ich ihn falsch verstanden oder was genau wollte er mir damit sagen?
    »Ich … hä?« Mein Gehirn war noch nicht so weit die Worte so anzunehmen, wie sie tatsächlich gemeint waren. Es fiel mir schwer die Vorstellungskraft dafür aufzubringen. Deswegen wirkte ich ziemlich verwirrt darüber.
    »Ich meine, wenn du Lust dazu hast, würde ich mich freuen, wenn du ab und an vorbei kommen würdest«, sagte er. Dass er nicht so oft von der Pension weg konnte, war mir klar. Deswegen lud er mich ein. Mich!
    »W-wirklich?«, fragte ich nach, nur um ganz sicher zu gehen, ob er tatsächlich damit einverstanden war, wenn er mich öfters zu Gesicht bekam.
    »Klar! Außerdem wäre es doch schade, Rico nicht mal wiederzusehen.« Als Khyron das sagte, hockte er sich hin und kraulte mein Magnayen, dass noch immer bei uns saß. Rico genoss die Zuwendung sofort, doch ich kam mir veralbert vor. Daher verschränkte ich meine Arme vor der Brust und wirkte pikiert.
    »Ja klar, natürlich Rico, wer auch sonst!?« Ich verzog eine Schnute und wusste selbst nicht einmal, ob ich nur scherzte oder vielleicht doch enttäuscht war, dass es Khyron wohl nur um die Pokémon ging und nicht direkt um mich. Er stand wieder auf und sah mich mit seinen sanften Augen an.
    »Seine Trainerin ist herzlich dazu eingeladen stets wiederzukommen«, sagte er zu mir und hielt mir seine Hand auffordernd hin. Ich sah ihn an, musterte seine Hand und löste meine verschränkten Arme. Vielleicht ging es ihm doch nicht nur um die Pokémon. Vielleicht freute er sich wirklich, wenn ich wieder kam. Ich hoffte es. Nein, ich wünschte es mir. Die Vorstellung, dass Khyron sich meinetwegen freuen könnte, ließ mein Herz schneller schlagen. Ich nahm seine Hand an und ließ mich von ihm zu der Pension führen. Rico folgte uns und auch Louis tauchte auf und sprang um uns herum. In dem Augenblick war ich glücklich und hatte das Gefühl am richtigen Ort zu sein.


    Am Anfang mochte ich ziemlich erbost darüber gewesen sein, dass mich ein kleines Flabébé einfach so in ein Pokémon verwandelt hatte. Aber wäre all das nicht passiert, würde ich jetzt nicht hier sein, Khyrons Hand halten und mich darüber freuen, dass er mich zu sich einlud. Dann hätte ich vermutlich niemals eine Zuneigung zu ihm entwickelt und würde irgendwo in mich gekehrt alleine herum sitzen und immer noch Victor nacheifern.
    Die Umstände, wie das alles zusammen gekommen war, mochten seltsam sein und viele würden mich für verrückt erklären, würde ich es ihnen erzählen. Aber ich war froh, dass es so gekommen war. Es hat mein Leben drastisch verändert und ganz ehrlich: In mein altes Leben wollte ich definitiv nicht zurück.
    Ich war glücklich, wie es sich entwickelte!



    Ende?


  • Wenn du einen Wunsch frei hättest, den dir Alexia Drael erfüllen kann, was würdest du dir wünschen? (Im Bezug auf die Geschichte!)

    Mehr Louis bitte. Er hatte schon seine Momente, aber irgendwie dann doch zu wenige und ich steh einfach drauf, wenn Pokémon aktiv und regelmäßig in die Geschichte miteingebunden werden, als wären sie menschliche Charaktere.


    Hallo Lexi! Da steht sie nun also endlich und eigentlich ist von den Flammen am Ende gar nicht mehr so viel übrig geblieben ist. Eigentlich wäre der perfekte Abschluss für die Geschichte gewesen, wenn Viscogon von einem Flammenwurf umgeworfen worden wäre, mit Bezug zu dem Feuer, das Zoé und Zero umgibt. Aber ein Hyperstrahl tut's in dem Fall auch, solange es weh tut.
    So, nun haben wir also die Bestätigung, dass sich Zoé deutlich seit Beginn der Geschichte verändert hat und trotzdem ihr Feuer und ihren Willen behalten hat, in Kämpfen zu gewinnen. Nur eben nicht mehr ganz so rücksichtslos. Besonders gut ist dabei auch, dass sie trotz dieser Änderung keine Angst davor hatte, ihr Pokémon einzusetzen, das doch erst mit fortwährendem Kampf auf sie hörte. Im Endeffekt ist es halt auch so, dass sie ja nicht einfach aufhören, auf jemanden zu hören, aber ich kann mir vorstellen, Zero hat das schon absichtlich so gemacht, um ihr zum Selbstvertrauen zu verhelfen. Pokémon denken schließlich im Kampf auch mit. Ein netter Nebeneffekt ist dabei, dass Zoé es endlich geschafft hat, ihren großen Rivalen zu besiegen. Wollen wir mal hoffen, dass das auch offiziell im Kampfschloss einmal der Fall sein wird.
    Zu guter letzt bleibt einfach ein gutes Gefühl bestehen. Sie hat neue Freunde gefunden und die Gewissheit, dass sich einiges ändern wird. Da freue ich mich schon umso mehr auf das Sequel und worum es dabei wohl gehen wird.


    In diesem Sinn: Danke und wir lesen uns!

  • Soo… nun kommt auch mal hier ein „kleines Abschlussreview“. Wollte es eigentlich schon viele eher machen, aber ich sag mal da ist was dazwischengekommen. Na ja, hier ist es also endlich.
    Ich werde erst einmal die Fragen beantworten und dann sehen, was sie noch nicht abgedeckt haben und ich dir noch sagen wollte. Das schreibe ich dann extra darunter.




    Wie hat dir die Idee hinter der Geschichte gefallen?
    Hier muss ich sagen, dass die Idee an sich nicht neu ist. Sie ist sogar sehr verbreitet, dass ein Mensch ein Pokémon wird und auf einem anderen Forum hab ich sowas schon tausendmal gesehen. Die Idee hatte bestimmt jeder mal, einfach weil man sie ja sehr schön gestalten kann. Aber was ich bei dir besonders fand: Du hast die Idee für dich selbst abgewandelt. Du hast sie realistisch gemacht und das ist es, was sie herausstechen lässt. Zoé findet sich eben nicht gleich im Pokémon-Körper zurecht, braucht ihre Zeit. Und du hast dem ganzen auch einen Sinn gegeben. Sie hat sich verwandelt, damit sie lernt, dass sie sich nicht immer richtig verhalten hat. Außerdem hast du auch die anderen Pokémon mit ihr kommunizieren lassen, etwas das ich sonst nur selten gesehen habe. Allgemein also: Idee nicht neu, aber auf deine Weise umgestaltet und zu etwas tollem gemacht.



    - Wie hat dir die Geschichte insgesamt gefallen und deren Entwicklung?


    Schwer zu sagen. Insgesamt habe ich sie wirklich sehr, sehr gerne gelesen, also hat sie mir wirklich gut gefallen. Die Entwicklung an sich, vor allem die von Zoé hat mir wirklich gefallen. Einfach weil man den Unterschied deutlich merkt. Vorher war sie ziemlich rücksichtslos, aber das hat sich mit der Zeit geändert auch dank Khyron. Sie ist noch immer sie und selbstbewusst, hat aber eben so viel gelernt. Gerade diese Charakterentwicklung fand ich in dieser Geschichte mitunter am besten.



    -> War es spannend genug? Langweilig?


    Klar, durch das Thema war weniger Action und Kämpfe drinne, als bei anderen Geschichten. Aber darum ist sie noch lange nicht langweilig. Die Geschichte an sich drehte sich eben um Zoés Entwicklung, da konnte man sowas nicht so viel einbringen. Und dennoch hattest du sehr viele spannende und lustige Szenen drinne. Erst einmal, was diese kleine Fee mit ihr getan hat und wieso. Die Szene des Kampfes von Louis, wo Z die Kappe des Wasserkopfes (Schlag mich ich weiß den Namen nicht mehr) klaut ect. Du hast zwar auch viele ihrer Gedanken eingebracht, aber gerade diese Mischung hat es für mich ausgemacht. Die Geschichte hat gefesselt.



    - Würdest du gerne noch mehr Kapitel und Abenteuer rund um Zoé lesen wollen?


    Die Frage ist schnell beantwortet: Ja, aber dann bitte wieder mit Khyron und Louis! Aber ich denke das versteht sich von selbst, was?



    - Was würdest du gerne zu "Die Flammen meiner Stärke" noch lesen wollen? Welche Situation/Szene/Entwicklung etc. würde dich speziell interessieren?


    Hm ich denke ich würde mir noch einmal eine Konfrontation mit Flabebe wünschen. Eventuell rausfinden, wer diese Pokémon wirklich war. Wenn es Menschen verwandeln kann, dann kann es kein normales Pokémon sein. Aber wenn diese Frage ungeklärt bleibt, dann ist es eben so und das ist dann eine der Fragen, die der Leser sich selbst beantworten muss.


    Sonst na ja… die Beziehung von Khyron und Zoé ist irgendwie…eindeutig. Darüber eine kleine Szene, wie es mit den beiden wirklich weitergeht (auch nach dem ersten Kuss) wäre echt interessant.



    - Wenn du einen Wunsch frei hättest, den dir Alexia Drael erfüllen kann, was würdest du dir wünschen? (Im Bezug auf die Geschichte!)


    Das ist nicht leicht. Ich weiß ja nicht, was du geplant hast. In jedem Fall würde ich mir wünschen, dass man noch was von Louis zu lesen bekommt. Ob Zoé erneut ein Pokémon wird, das weiß ich eben nicht. Aber selbst wenn nicht (Wieso sollte sie es auch erneut?) würde ich mir wünschen, dass du diese Kommunikation zwischen den Pokémon dennoch irgendwie noch mit einbringst. Der Blickwinkel aus Sicht der Pokémon ist wirklich interessant. So könnte man auch Zoé Pokémon noch genauer zeigen, mehr von ihnen. Das wäre auch etwas, das ich gutfinden würde. Dass die Pokémon weiter so dargestellt werden. Evtl. das man auch etwas über Zoés andere Pokémon erfährt. Bisher hat man nur Zero und Rico wirklich gesehen, aber ich meine mich zu erinnern, dass sie mehr Pokebälle hatte.


    Außerdem (bitte nicht böse sein, das sind ja nur so die Dinge, die bestimmt noch interessant wäre. Sorry, dass das so viel ist, denn auch ohne das ist die Geschichte der Wahnsinn.) Der Doppelkampf mit Chloé, den würde ich mir wünschen. Oder allgemein eben, dass dieser Charakter nicht völlig von der Bildfläche verschwindet.



    - Was war dein großes Highlight aus der Geschichte? Welche Szene hat dir am besten gefallen?


    Vieles. Am meisten das „große Finale“ mit Zero gegen Victor. Damit gesehen auch, dass Zoé das, was sie gelernt hat, umsetzt.


    Sonst auch gut gefallen haben mir ihre Einsicht, das sie ihre Pokémon nicht immer richtig behandelt hat und diese ihr dennoch so vertrauen. Gut, das gehört irgendwie auch noch zur Szene oben. Der Kampf von Louis war auch richtig genial und das Eingreifen von Rico. Aber hier soll man sicher nicht alles von der Geschichte aufzählen, was? ;)



    - Worüber hast du dich am meisten geärgert, falls das vorgekommen sein sollte?


    Geärgert habe ich mich über vieles. So zum Beispiel Zoé anfängliche Uneinsichtigkeit oder Victors Verhalten. Und dennoch waren das alles Dinge, die zur Geschichte gepasst haben und über die ein Leser sich, in meinen Augen, auch ärgern darf und soll. Weil es reinpasst und dazugehört.



    - Worüber hast du dich am meisten gefreut?


    Die Kommunikation zwischen den Pokémon, dass Zoé es nicht von Anfang an hinnimmt, versteht und damit zurechtkommt. Also ihre Verwandlung. Praktisch alles, was ich oben beschrieben habe. Etwas, das bei dir in Feurige Leidenschaft auch immer von mir geliebt wurde. Du hast eben nicht nur gesagt, dass seine Eltern die Pension leiten, sondern auch wie es dort genauer aussieht, wie es abläuft und man sich um die Pokémon kümmert.

  • @Alexia
    Ein kleines Review zum Bonuskapitel aus dem Buch von "Die Flammen meiner Stärke", dass ich nun richtig in den Händen halten kann. ;)


    Ich habe es wirklich getan! Ich MUSSTE einfach das Bonuskapitel lesen und vorher einfach das ganze Buch nochmal. Ich muss sagen es ist wirklich ein ganz anderes Gefühl das als richtiges Buch in der Hand zu haben, als es nur am Bildschirm zu lesen! Und von der Länge war ich übrigens auch ziemlich begeistert!
    Zum Bonuskapitel kann ich nur sagen, dass ich schlichtweg begeistert war.
    Es kamen wirklich viele von den Dingen vor die ich mir für dieses Kapitel gewünscht hätte. Der Anfang hat so ein wenig alles zusammengefasst, was Zoé so alles an Veränderungen durchgemacht hat, aber blieb dennoch spannend.


    Ohne hier zu viel zu sagen, du wirst es sicher verstehen was ich meine, das Anfangssettig. Und vor allem die Situation die Zoé am Anfang mitbekommt. Mit sowas hätte ich wirklich nicht gerechnet. Aber es passt und ihre Reaktion später war auch einfach nur nachvollziehbar. Und menschlich, besonders in ihrer Situation.
    Ich finde auch ziemlich schön, dass auch andere Charaktere, sowohl menschlich als auch Pokémon, außer unseren beiden Protas noch einmal einen Auftritt bekommen haben. Schön, dass diese wirklich noch aufgegriffen wurden. Wäre ja auch langweilig, wenn es in dem Kapitel nur 2 handelnde Charaktere gibt, was?


    Ach ja, kann es sein, dass Zoé ein wenig lebensmüde ist, ja? Kommt mir jedenfalls ein wenig so vor. Dafür war das Ende einfach nur niedlich! Ich bin ja ein Fan von solchen Situationen, wenn sie in die Story passen. Und das tut es hier auf jeden Fall. Ich freu mich echt über das Ende und darüber, dass ich das Kapitel lesen konnte, genauso das ich das Buch nun jederzeit wieder richtig zur Hand nehmen kann!