In diesem Thema habt ihr eine bestimmte Anzahl an Punkten zur Verfügung, die ihr den Texten im nächsten Beitrag geben könnt. Achtet jedoch darauf, dass ihr die Punkte, die euch zur Verfügung stehen, komplett ausschöpft. Votes, welche zu wenige oder zu viele Punkte enthalten, können leider nicht gezählt werden. Des Weiteren solltet ihr eure Punkte mindestens auf drei Texte verteilen, eure Wahl ausreichend begründen und natürlich nicht für eure eigenen Texte voten.Es ist außerdem hilfreich, euch das "How to vote-Topic" anzusehen. Schreibt ihr in dieser Saison besonders viele Votes, habt ihr die Chance auf Medaillen. Weitere Informationen findet ihr hier: Informationen und Regeln zu den Wettbewerben.
Zitat von AufgabenstellungWährend uns ein neues Jahr voller neuer Ziele, Hoffnungen und Träume erwartet, wollen wir einen Moment (oder halt ein paar Wochen) innehalten, um uns mit dem zu beschäftigen, was hinter uns liegt. Erinnerungen gehören vermutlich zu den kostbarsten Dingen, die wir besitzen und sie können dazu noch sehr vielfältig sein: Wir erinnern uns an schöne Ereignisse, aber auch an traurige Begebenheiten, an lustige Geschichten, jedoch auch an schmerzhafte Augenblicke. Wie nehmen wir all das wahr, was vergangen ist und was können wir daraus vielleicht für die Zukunft mitnehmen?
Eure Aufgabe in diesem Wettbewerb ist es, sich genau mit diesen oder ähnlichen Dingen in einer kurzen Geschichte auseinanderzusetzen. Schreibt über Unvergessliches und lasst die Leser nostalgisch werden!
Ihr könnt 10 Punkte verteilen, maximal 5 an eine Abgabe.
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Achtet dabei darauf, bei der Schablone zwischen Doppelpunkt und ID/Punktzahl ein Leerzeichen zu machen, damit die Auswertung über den Voterechner ohne Probleme erfolgen kann. Wenn ihr nicht wissen solltet, wie ihr eure ID herausfindet, könnt ihr dies unter anderem hier nachlesen.
Der Vote läuft bis Sonntag, den 05.02.2017, um 23:59 Uhr.
„Wo bin ich?“
„Du, mein werter Freund, stehst vor den Pforten des Himmels.“
„Äh bitte was? Pforte des Himmels? Is'n Scherz.“
Ori schaute den Wächter vor dem riesigen, goldenen Tor an. Himmel. Konnt's doch nicht geben. Er war nicht sonderlich gläubig. Eigentlich überhaupt nicht. Und wenn man von Himmel sprach, meinte man womöglich den, der in den verschiedenen Glaubensrichtungen der Welt angepriesen wurde. Religion halt.
„Und was mache ich hier?“
„Nun, lieber Ori. Du bist tot. Zumindest deine menschlichen Überreste.“
Stille.
Tot sein? Ori überlegte. Wann soll er gestorben sein? Und was war er überhaupt?
„Tut mir leid, ich stehe voll auf'm Schlauch.“
„Das ist normal, Ori. Milliarden von Seelen waren bereits in deiner Situation: Erscheinen hier vor dem Tor zum Himmel, völlig verwundert und unwissend, wie ihnen geschieht. Naja, beziehungsweise vor allem: Wie ihnen geschah. Denn klar ist: Der Tod ist die erste Erinnerung, die unwiederruflich erlischt.“
Ori konnte nicht wirklich glauben, was der Herr an der Pforte sprach. Tod sein? Niemals. Sich nicht dran erinnern können? Auch schon komisch. Vielleicht träumte er nur. Allerdings fühlte es sich so real an.
„Nun gut: Was mache ich hier nun?“
„Du, mein Lieber, hast nun die Wahl. Ja, auch vor der Pforte des Himmels hat man die Möglichkeit, noch einmal eine Entscheidung zu treffen. Diese Entscheidung ist jedoch elementar. Und du hast keine Möglichkeit, auf Erinnerungen zurückzugreifen.“
„Du sprichst mir in Rätseln.“
„Verzeih. Also: Du hast nun die Wahl. Entweder, du durchschreitest die Pforten zum Himmel und wirst ewig im Paradies leben. Einziger Knackpunkt: All deine Erinnerungen zu deinem Leben bleiben erloschen.“
Plötzlich riss Ori die Augen weit auf. Tatsache! Er konnte sich an nichts aus seinem Leben erinnern. Weder wusste er, dass er tot war, noch was davor war, wer er war, wie er hieß. War er wirklich Ori? Wo kam er her? Was trieb ihn durch sein Leben.
„Ich kann mich tatsächlich nicht erinnern.“
„Richtig. Du darfst allerdings wählen: Entweder, wie bereits gesagt, darfst du in den Himmel eintreten. Du hast allerdings die Möglichkeit, ein letztes Mal all deine Erinnerungen abzurufen, sie dir anzuschauen, sie erneut zu spüren.“
„Und danach?“
„Das darf ich dir nicht verraten.“
Eine seltsame Wahl, die Ori dort treffen durfte. In den Himmel eintreten und keine Erinnerungen mehr besitzen oder aber alle Erinnerungen durchleben dürfen und dafür in etwas Ungewisses geraten.
„Es gibt kein zurück?“
„Kein zurück. Es ist eine einmalige Entscheidung, eine einmalige Chance.“
Die Wahl war nicht einfach. Hinter der Pforte zum Himmel waren zwar viele Sonnenstrahlen zu erkennen, einige Engel, die umherschwebten, und selbst deren Haare waren so goldig wie die gigantische und riesige Pforte selbst. Aber ob dieser Ort hielt, was er versprach?
„Ich will meine Erinnerungen sehen.“
„Interessante Wahl. Keine Angst vor dem Ungewissen?“
„Doch. Aber ich will wissen, wie ich hier herkam. Und alles, was danach kommt, kann nicht so schlimm sein - sonst hätte ich nicht die Möglichkeit, den Himmel zu betreten. Glaube ich.“
„So sei es.“
Der Wächter nahm sein riesiges Zepter, schlug damit drei Mal auf den aus Wolken bestehenden Boden auf. Plötzlich kamen von überall grelle Lichter, sie wurden heller und heller, es wurde lauter. Ein Lärm, ähnlich wie in einer Fabrik. Doch angenehm. Es kam Engelsgesang auf, das Licht wurde stärker. Auf einmal fing Ori an, zu schweben und sich zu drehen, schneller und schneller. Die Engel flogen um ihn herum, singend beschworen sie etwas lateinisch klingendes, während Ori in einem immer greller werdenden Strudel umherflog, nun begleitet von kleinen Feen, die winzige Zettel bei sich hatten. Auf einmal wechselten die Engel die Sprache:
„Du hast das Verlangen, zurückzusehen, hab keine Bangen, die Feen lassen's geschehen. Nimm ihre Botschaft, lass sie dich begleiten, lebe die Kundschaft, lass dich verleiten!“
„WOW. Das war ich? Ich sehe dort so jung aus. Das müssen meine Eltern gewesen sein. Und das mein kleiner Bruder. Sie scheinen mich sehr geliebt zu haben.
Und was ist das? Ich bin offenbar verliebt. Ich spüre, wie es war, meinen ersten Kuss zu erleben. Es war klasse. Und Händchenhaltend durch die Straßen zu ziehen. Nur... was passiert da? Wir trennen uns.“
Eine Träne floss durch Oris Gesicht.
„Wer sind diese Leute dort? Etwa neue Freunde? Und wir unternehmen immer und immer mehr miteinander. Toll. Und wir lernen uns immer mehr kennen. Ich höre gar nicht mehr auf zu lachen. Wie warm mir um's Herz wird.
Doch wir sehen uns immer seltener. Offenbar nimmt uns der Alltag ziemlich ein. Und das Erwachsensein. Doch umso schöner sind die Momente, in denen wir uns sehen. Und etwas unternehmen. Das sind wohl diese Freundschaften für's Leben.
Doch was... oh... Wir werden wohl wirklich immer älter. Und der Tod hat sich am ersten vergangen. Der Schmerz in meinem Herzen jetzt gerade ist kaum zu beschreiben.
Und was ist das?... bin das ich? HALT!“
Ori sah direkt zu, wie er als 85-Jähriger über die Straße läuft. Und von einem Auto erfasst wird. Er hörte es nicht.
„So endete es also...“
Schlagartig wurde alles still. Und alles um Ori herum schwarz. Er schlief langsam ein. Er hatte keinerlei Bewusstsein mehr.
Kindergeschrei ertönte durch das Geburtszimmer.
„Es ist ein Junge!“
Die Krankenschwester wickelte das frisch geborene Baby in einem Handtuch ein und gab es seiner Mutter in die Arme. Diese hatte mit den Tränen zu kämpfen.
„Ori. Das wird dein Name sein.“
"Ich geh schonmal nach unten..", rief ich durch die geschlossene Badezimmertür, während ich das Wasser prasseln hörte. Ich steckte mein Handy ein und verließ das Zimmer. Anstatt ewig auf den Aufzug zu warten entschied ich mich die Treppe zu nehmen und nach wenigen Minuten war ich im Erdgeschoss und ging aus dem Gebäude. Ich konnte immer noch nicht glauben wieder hier zu sein. Alles, was in den letzten Monaten passiert war, war einfach zu unglaublich, um wahr zu sein. Vielleicht war dies alles auch nur ein Traum, aus dem ich bald erwachen würde. Langsam bekam ich Kopfschmerzen vom vielen Nachdenken. Ich atmete die frische Luft ein und schloss die Augen.
Alles war wieder da..direkt vor meinen Augen, als wäre es gestern gewesen. Ich war wieder am Flughafen umringt von vielen anderen Menschen, die sich aus dem gleichen Grund wie ich hier befanden. Warten auf ihn..warten auf seine 5 anderen Freunde..einen Blick auf sie werfen können..ihn sehen können. Viele Leute können nicht verstehen, wie dir eine Person so unglaublich viel bedeuten kann..eine Person, die nicht weiß, dass es dich gibt und sich dies auch nie ändern wird und doch stand ich nun hier. Wenn man einmal schon fast mit seinem eigenen Leben abgeschlossen hat und auf einmal eine Person in dein Leben kommt, die dich aus dieser Dunkelheit zurück ins Licht bringt, dann war man es dieser Person zumindest schuldig hier zu stehen, auch wenn diese Person aktiv nichts gemacht hat. Und auf einmal war es soweit..die Menschenmenge wurde lauter..das Chaos wuchs und auf einmal sah ich den Ersten. Es ging alles so schnell..ich begriff kaum, wer hier wirklich an mir vorbeilief..und dann kam er. Cool..lässig..genau wie auf all den Fotos, die ich von ihm gesehen hatte. Fotos, die andere Menschen von ihm gemacht hatten. Viel zu schnell war es vorbei und er war wieder weg..und doch fühlte ich ein Glücksgefühl in mir, wie ich es seit Jahren nicht mehr gekannt hatte.
Er hat dieses Gefühl ausgelöst und es war stärker als irgendwas, was ich je gespürt hatte. Die Menge löste sich auf..doch ich stand noch vollkommen überwältigt an dem selben Platz..
"Ist er noch oben?" Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich bemerkte, dass diese Frage nicht an mich gerichtet war. Ich beobachtete die beiden Personen, wie sie Richtung Parkplatz gingen und ihr Gespräch fortsetzten. Ich zuckte mit den Schultern, schloss meine Augen wieder und war zurück.
Ich war nun in der Halle..umringt von vielen Fans..wir sangen gemeinsam zu unseren Lieblingsliedern mit. Er stand auf der Bühne und gab wie immer sein Bestes und ich konnte meine Augen nicht von ihm nehmen. Während einer kleinen Verschnaufpause schaute er in die Menge und ich formte ein Herz mit meinen Händen. Ich wiederholte dies jedes Mal, wenn er in meine Richtung blickte..und auf einmal sah er es auch. Sein Blick in meine Richtung verweilte ein wenig länger als sonst und meine Knie fingen an zu zittern. Konnte es wirklich möglich sein, dass er mich bemerkt hatte oder war es nur Einbildung? Ein Wunschdenken? Die Show ging weiter..ich formte weiter Herzen und dann kam das Ende. Der letzte Song und die Band rannte auf der Bühne herum. Auf einmal kam er an die Stelle, an der ich stand. Er ging in die Hocke, sah mich an und mein Herz drohte wirklich aus meinem Brustkorb zu springen..so nah und doch so fern..
Mein Handy vibrierte und ich war wieder in der Realität zurück. 'Wo bist du?', las ich auf dem Display. Scheint als wären meine Worte vorher doch nicht bis ins Badezimmer vorgedrungen. Ich tippte meine Antwort schnell ein und öffnete eine zweite Nachricht auf meinem Handy. 'Hallo mein Schatz. Ich hoffe euch geht es gut und du bist nicht zu müde nach der langen Reise. Papa und ich vermissen dich und freuen uns auf deinen nächsten Besuch. In Liebe, Mama.' Für meine Eltern war meine Entscheidung anfangs der Weltuntergang aber inzwischen unterstützten sie mich komplett. Ohne ihn hätte ich dies alles wahrscheinlich nie durchgezogen. Ohne ihn..beziehungsweise ohne diesen einen Moment..
Es war soweit. Der letzte Teil des Konzertes sollte nun beginnen und wir Fans stellten uns in einer Schlange auf. Jetzt würde der Moment kommen, an dem man jedem der Jungs ein High-Five geben durfte und dementsprechend groß war die Aufregung. Fans, die es schon hinter sich hatten, sah man die Freude und Unglaubwürdigkeit an. Einige weinten vor Nervosität..andere wirkten apathisch..und jeder von uns anderen in der Schlange konnte mit ihnen fühlen. Wie würde es mir danach gehen? Wie würde ich mich danach fühlen? Was würde passieren, wenn ich vor ihm stolpern würde oder komplett hinfalle? Meine Hände wurden immer schwitziger und mein Herzschlag war nun schneller als je zuvor. Es war soweit und dann sah ich ihn. Er war als Erstes dran..ich hatte zumindest gehofft, dass er weiter hinten stehen würde, damit ich mehr Zeit hatte, um mich darauf vorzubereiten. Aber es sollte wohl nicht so sein und vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend ging ich auf ihn zu. Ich gab ihm nicht mal ein richtiges High-Five..ich berührte seine Hand ganz vorsichtig und dann nahm ich all meinen Mut zusammen, beugte meinen Kopf zu ihm vor und sagte ihm das, was ich die ganze Zeit über fühlte..die ganze Zeit gefühlt hatte: "Ich liebe dich." Ich betonte jede einzelne Silbe und diese drei Worte kamen tief aus meinem Herzen. Ich wurde von einem Bodyguard weiter geschoben und berührte schon die Hand von dem Nächsten, als ich seine Verwirrung bemerkte. Er schaute erstaunt und irritiert und auf einmal ging sein Kopf mir nach und schaute mich fragend an. Er wirkte, als wäre er gerade tief in seinen Gedanken gewesen und erstaunt darüber, dass ich etwas zu ihm gesagt hatte. Er hatte mich von vorher wieder erkannt. Er musste es einfach hören und so wiederholte ich meine Worte noch einmal und hoffte, dass er sie noch gehört hatte, weil ich wieder weiter geschoben wurde von diesem Bodyguard. Ich konnte es nicht glauben. Er wollte wissen, was ich gesagt hatte. Meine Hände zitterten und nun sollte der allerletzte Teil stattfinden. Immer 10 Fans durften ein Gruppenfoto mit der Band machen. Wir stellten uns wieder alle in einer Reihe auf und warteten. Ein Foto..das letzte Mal, dass ich ihn sehen würde..aber auch eine Erinnerung für die Ewigkeit. Gemeinsam auf einem Foto mit ihm. Wir wurden auf die Bühne geholt und ich hatte das Glück, dass ich vor ihm sitzen durfte. 3 Fotos wurden geschossen..ich lächelte in die Kamera und wusste, dass dies der letzte Moment war, an dem ich ihm so nah war. Die Fotos waren gemacht und wir durften gehen. Ich stand auf, trat ein paar Schritte nach vorne, drehte mich um und sah ihn noch einmal an. Ich wollte ihn zumindest ein letztes Mal noch sehen. Als hätte er meinen Blick gespürt, drehte er seinen Kopf auf einmal in meine Richtung und wir sahen uns in die Augen. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht..er ist eine Person, die fast nie lächelt..und doch lächelte er mich an. Er hat mich angesehen und gelächelt..mich. Ich verließ die Bühne und spürte aber seinen Blick in meinem Rücken. Ich bemühte mich ohne zu stolpern von der Bühne zu gehen. Es war vorbei..
Ich hörte Schritte hinter mir. Ich war wieder hier vor dem Hotel..zurück aus meiner Erinnerung. Ich sah ihn und ging auf ihn zu. Er lächelte, als er mich sah. Sein Lächeln war für mich immer noch das Schönste, was es auf dieser Welt gab. Ein Lächeln, das er mir damals geschenkt hatte und das mir die Kraft gab, alles aufzugeben für ihn, um für immer an seiner Seite zu sein. Er hatte mich schon davor wieder ins Leben zurück geholt aber die Erinnerung an diesen einen Moment, als er mich bemerkt und angelächelt hatte..diese eine Erinnerung hatte mich stärker gemacht. Jedes Mal, wenn ich wieder vor einer neuen Herausforderung stand, dachte ich daran zurück..an diesen Moment. Erinnerungen sind das einzige Paradies, aus dem wir nicht vertrieben werden können. Erinnerungen..ob Gute oder Schlechte..sie prägen uns und begleiten uns ein Leben lang. Wir sollten uns öfters die Zeit nehmen und eine kleine Reise zurück zu diesen Momenten machen..Momente, die unser Leben verändert haben. Er legte seine Hand an meinen Rücken und gemeinsam gingen auch wir Richtung Parkplatz. Wie er und ich ein Paar geworden sind, nachdem ich die Bühne verlassen hatte? Nun, das ist eine andere schöne Erinnerung, von der ich ein anderes Mal erzählen werde.
An manchen Tagen, an Tagen wie heute, wenn der Regen leise an die Scheiben klopft, die Sonne bereits wieder untergeht, bevor sie richtig aufgegangen ist und ich in meine Decke - wie in einen Kokon - gehüllt auf dem Sofa sitze, überkommt mich diese süße Melancholie. Keine traurige, dunkle und böse Melancholie. Eher jene Form des Melancholischen, die dich in alten, vergangenen Zeiten schwelgen lässt, dich entführt in eine Welt, die du längst vergessen glaubtest und dich sie dennoch nicht fassen lässt.
Es ist wie Fernweh. Fernweh nach Früher.
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Sanft streiche ich mit meiner Hand über die Wand der nun leeren Wohnung. Vier Jahre sind vergangen, seitdem ich mit meinen Freunden hier eingezogen bin. Vier Jahre in denen diese Wohnung nicht nur eine Wohnung war, sondern eine Heimat. Meine Heimat. Vier Jahre voller Auf und Ab, voller Lachen und Glück, Spiele- und Trinkabenden und auch mit ein wenig Schmerz und Trauer. Diese Zeit werde ich in guter Erinnerung behalten. Sie ist auf meinem Weg durchs Leben wie ein besonders schönes Mosaik im Pflaster. Eines, bei dem man innehält, das dich zum Betrachten des Kunstwerkes zwingt und erahnen lässt, welche Geschichten dahinterstecken.
Ich habe ein bisschen Angst. Angst, dass mit der Vollendung dieses Mosaiks nun nur noch Kopfsteinpflaster folgt. Grober Untergrund, der letztendlich in einen Feldweg mündet, der sich im Nichts verliert. Mein – nun früherer – Mitbewohner tippt mich an. „Also dann: Wir wollen los. Hast du alles?“
Ich blicke auf die Sachen in meiner Hand, nicke, und zu viert verlassen wir die Wohnung.
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An manchen Tagen, an Tagen wie heue, wenn mich dieses Fernweh nach früher überkommt, kommt es bisweilen vor, dass ich aus meiner Schublade der Erinnerungen eine Uhr hervorhole. Eine kleine, äußerlich schlichte Taschenuhr. Sie macht auf den ersten Eindruck nicht viel her, doch für mich bedeutet sie mein Leben. Wortwörtlich. Ich ziehe die Uhr auf und drehe am Zeiger. Rückwärts. Die Uhr tickt und „Tick, Tack. Tick, Tack“, bin ich im Früher, bin ich im Sommer in der Eisdiele, bin ich im Kino, mit Herzklopfen die Hand meine Begleitung haltend, bin ich am Strand, rieche und schmecke die salzige Meeresluft.
Meine Uhr bringt mich überall hin, sie ist mein Ticket nach Früher.
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Es ist nur ein kurzer Weg. Die Haustür raus, um das Haus herum, eine kleine Seitenstraße mündet in einem Park. Zu unserem Einzug vor vier Jahren, schenkten unsere Freunde uns einen Bonsai. Eine kleine Zimmerpflanze, die wir liebevoll – anfangs scherzend – Erna nannten. Die Jahre verstrichen, Erna wuchs und wurde mehrfach umgetopft. Sie reicht mir mittlerweile bis zum Kinn. Zum Abschluss unserer gemeinsamen Zeit hatten wir beschlossen, Erna in diesem Park einzupflanzen. Sie sollte für immer in dieser Stadt bleiben, in ihr wachsen und gedeihen und allen sage: „Wir waren hier und wir hatten eine unvergessliche Zeit.“ Gemeinsam heben wir ein kleines Loch aus, was bei der leicht angetrockneten Erde gar nicht so leichtfällt. Vorsichtig entnehmen wir Erna mitsamt den Wurzeln aus ihrem Topf und setzen sie in ihr neues Heim. Die mitgebrachte Blumenerde füllt das Loch wieder auf. Nun steht sie da. Unsere Erna. Mir kommt wieder das Bild des Mosaiks in den Sinn. Dieses Einpflanzen nun hat den letzten Stein gesetzt und mit einem Mal wird mir klar: Als wir vor vier Jahren eingezogen sind, standen wir ebenfalls nur auf einem Feldweg, der sich im Nichts verlor. Zu dem großen Kunstwerk, das heute zu unseren Füßen liegt, haben wir ihn gemacht. Das gibt mir Mut. Ich bestimme, wie der Boden beschaffen ist, auf dem ich mein Leben bestreiten will. Wenn wir es aus eigener Kraft geschafft haben, solch ein Gebilde zu errichten, dann werde ich das auch in Zukunft schaffen. Die Erinnerungen an die vergangene Zeit werden mir dabei ein Leitwert sein, die Erfahrungen, die ich gesammelt haben, wie ein Wegweiser sein, um mir die Wahl des richtigen Pfades an der nächsten Weggabelung zu erleichtern. Und wenn ich eines Tages nicht weiterweiß, werde ich hierher zurückkommen und Rat in der Vergangenheit suchen.
Wir treten den Rückweg an.
Als wir an unserer alten Wohnung ankommen, treffen wir den Makler von damals. Er führt gerade eine Truppe von vier jungen Menschen ins Treppenhaus.
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Ich erwache dann immer wie aus meiner Trance. Getrocknete Tränen der Freude und Wehmut auf meinen Wangen lassen mich erahnen, wie lang ich bereits so gesessen habe. Ich lege die Uhr zurück in die Schublade der Erinnerungen und dort verweilt sie, bis es mich das nächste Mal ereilt. Das Fernweh nach früher.
Sie saß am Rande des Flusses, umgeben nur von grauem Schilf, der im sanften Wind schaukelte und ihre nackten Arme streifte. Das Wasser umspülte ihre Waden, gerade so berührten ihre Zehen die glatten Steine im Flussbett. Kleine Wellen auf der Oberfläche schienen beweisen zu wollen, dass sich der Fluss tatsächlich bewegte, doch in Wirklichkeit stand er still. Alles hier stand still.
Sie brach einen der Halme neben sich ab und drehte den starren, grauen Stängel direkt vor ihrem Gesicht hin und her. Er war kalt, so wie alles hier, so kalt wie der Boden, so kalt wie das sprudelnde, glasklare Wasser. Egal wie sehr die Welt es auch versuchte, Zeit und Wärme konnte sie ihr nicht vorgaukeln.
Die junge Frau drehte den Halm noch ein letztes Mal zwischen ihren Fingern, dann schnippte sie ihn von sich und sah zu, wie er durch die Luft segelte. Als er auf dem Wasser auftraf, da ging er einfach unter. Sie beobachtete, wie der Halm stetig zu Boden sank, doch kurz bevor er ihn erreichte, verschwand er im Nichts. Ihr Blick fiel auf ihre verschwommene Reflektion im Wasser, eine schmale, seltsam nichtssagende Silhouette, dünn und karg, wie ein schwacher Schatten, der verfiel, sollte ein Lichtstrahl ihn berühren. Alles an ihr war blass und ausgewaschen, ihre nassen, weißblonden Haare, die silbernen Augen, so matt wie die Steine im Flussbett, die dunkle Haut, wie alter Marmor…
Für einen Moment nur schloss sie die Lider. Ein Windstoß fegte über das karge Land und ließ sie kurz zittern. Als sie die Augen wieder öffnete, hatte sich zu ihrer Silhouette im Flusswasser noch eine zweite gesellt. Die junge Frau zog die Füße aus dem Wasser und kämpfte sich mühsam auf die Beine.
Inmitten von grauem und beigem Nichts, von trockenem, gerissenen Boden und ausgewaschenem Himmel stand ein junger Mann. Sein Blick war seltsam verklärt und sein Mund stand leicht offen, die blassen, fast schon blauen Lippen glänzten feucht und rot, wo Blut von der Platzwunde auf seiner Stirn darüber lief. Mit jeder vergangenen Sekunde schien das Bewusstsein zurück in seinen Körper zu sickern. Er blinzelte und fasste sich an seine Stirnwunde. Schwarzes, kinnlanges Haar klebte vor Nässe in seinem bleichen Gesicht. Sie wartete eine kurze Weile. Hier aufzuwachen brachte die meisten durcheinander.
Der Junge schien sie gar nicht zu bemerken. Seine Blicke schweiften durch die Gegend, die stumm und kalt vor ihm lag. Ödland, so weit das Auge reichte, und ein Fluss, der rechts und links bis zum Horizont floss, ganz gerade und starr. Seine Miene wurde angestrengt, nachdenklich.
„Hallo.“
Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, doch es war, als bräche es einen Bann. Seine Augen flogen zu der jungen Frau vor ihm und er sprang vor lauter Schreck zurück. Er brabbelte einen Moment unzusammenhängende Worte und Fragen, die sie schon viel zu oft gehört hatte. Wer bist du. Wo bin ich. Was ist passiert. Er gestikulierte wild, Wassertropfen flogen durch die Luft, dichte, weiße Wolken stiegen in den Himmel mit jedem Wort, das er sprach. Er wurde nicht ruhiger, begann hin und her zu laufen, wie ein Tier in einem Käfig.
Sie beobachtete ihn für eine Weile stumm. Dann öffnete sie den Mund.
„Du bist gestorben.“
Wieder kaum mehr als ein Flüstern, kaum hörbar, sofort vergangen. Er blieb stehen, mitten in seiner Bewegung, erstarrt zu einer Statue, die grünen Augen weit aufgerissen. Sie hatte selten so leuchtend grüne Augen gesehen. In seinem totenbleichen Gesicht stachen sie hervor wie neue Knospen im Winter.
„Was?“, fragte er, doch seine Stimme klang weit entfernt und tonlos.
„Du bist tot“, widerholte sie. Für eine Weile jagten seine Blicken von einem ihrer Augen ins andere als fände er es schwer, sich auf sie zu konzentrieren. Er suchte nach dem „Es war nur ein Scherz“, von dem er hoffte, das es noch kommen würde.
Sie seufzte, ging auf ihn zu, nahm seine Hände in ihre.
„Wie heißt du?“
„Amir“, antwortete er, vermutlich mehr aus Reflex als bewusst.
„Amir“, wiederholte sie. Er hatte der R gerollt, sie schaffte das nicht. „Es tut mir Leid, Amir. Du bist tot.“
„Aber-“, begann er ungehalten und riss seine Hände zurück. Er fuhr sich durch die nassen, schwarzen Haare, schüttelte den Kopf, biss sich auf die Lippen, suchte verzweifelt nach einem Punkt, auf den er sich fixieren konnte, doch da war keiner. Nur die Frau vor ihm. Und sie wollte er nicht ansehen. Er konnte nicht.
Sie streckte ihre dunklen Hände nach ihm aus, umschloss das kantige, kalte Gesicht des Jungen damit und zwang ihn, sie anzusehen. Amir wehrte sich nicht, erstarrte nur erneut, ein Wirbelwind an Gefühlen in seinen Augen.
„Wie? Warum?“, raunte er und seine Stimme verflog im Nichts.
„Das weiß ich nicht“, antwortete sie und das war die Wahrheit. Sie verstand nichts vom Tod. Auch nichts vom Leben, denn keines von beidem hatte sie erlebt. Sie existierte einfach, ein Wesen zwischen Leben und Tod.
„Hab keine Angst“, sprach sie dann weiter. „Sobald du diesen Fluss durchquerst, kommst du an einen schönen Ort.“
Er schien unsicher, doch als sie erneut seine Hände nahm und ihn langsam, aber stetig zum Ufer zog, ließ sich Amir von ihr leiten. Sie ging voraus, spürte die Kälte des Flusses an ihren Oberschenkeln als sie ins Wasser trat, die Glätte der Steine unter ihren Sohlen. Das weiße Kleid waberte auf der Oberfläche wie ausgewaschene Wolken. Amir stand am Ufer, deutlich unsicher. Er wollte nicht in dieses Wasser treten. Etwas in ihm wehrte sich dagegen. Und doch folgte er.
Sie sah wie er schauderte, als sein Fuß die Wasseroberfläche berührte. Für einen Moment zögerte er. Dann entspannte sich sein Gesicht. Die dichten, weißen Wolken wurden weniger, je ruhiger er atmete.
Es waren mehrere Meter bis zum anderen Ufer. Sie zog ihn vorwärts.
Die junge Frau schloss die Augen. Sie spürte seine Hände in ihren. Spürte den Fluss seiner Gedanken in sie übergehen, als würde sie darin ertrinken.
Sie stand in einem Zimmer mit niedriger Decke, rot gestrichenen Wänden und einer alten, schwarzen Ledercouch. In der Ecke plärrte ein Fernseher, überall standen Menschen, alle sehr viel größer als sie selbst. Sie roch den vertrauten Geruch von Kerzen und Lavendel und schmeckte Zuckerguss. Ihre Mutter beugte sich über sie. Mein kleines Geburtstagskind sagte sie und lächelte breit und warm.
Sie saß am Strand auf einer Mauer, spürte die Kälte der Nacht und hörte das Rauschen der Wellen. Neben ihr saß ein Mädchen und schmiegte sich an sie, den Blick aufs Meer gerichtet. Salz kitzelte ihre Nase. Sie war müde, aber glücklich. Als das Mädchen sie ansah, beugte sie sich vor. Ihre Lippen schmeckten nach Kirschen.
Sie saß in einer riesigen Halle, umringt von Menschen, die schrien und sangen. Bunte Lichter flackerten überall, Musik dröhnte in ihren Ohren, der Boden vibrierte und ihr Körper auch. Sie jubelte und sprang auf und ab, sah die Bühne nur für einen kurzen Moment, dann ihre Freunde neben sich, die euphorisch brüllten, spürte das Klopfen in ihrer Brust.
Sie stand auf einer Tribüne, seltsam angespannt, spürte das unangenehme Kratzen des Hemdkragens an ihrem Hals. Scheinwerfer blendeten sie und sie trat unruhig von einem Bein auf das andere, fingerte nervös an dem Umschlag in ihren Händen, zwang sich zu einem Lächeln und entdeckte dann in der Menge ihre Eltern, festlich gekleidet und stolz strahlend. Sie richtete sich auf und hörte, wie der Direktor die nächste Person aufrief.
Sie spürte Kälte und das Stechen von Eisflocken auf ihrer Haut. Der Boden unter ihr war rutschig, doch sie lachte. Ihr Herz pochte. Sie nahm Anlauf und sprang, hörte die Rufe ihrer Freunde. Erkannte zu spät, dass es Warnrufe waren. Spürte das Knacken des Eises unter ihren Füßen, die Panik in ihrer Brust. Rannte los, stolperte und sah, wie der Boden brach und-
Der Griff um ihre Finger wurde schmerzhaft. Als sie die Augen öffnete krümmte sich Amir vor ihr zusammen. Tränen brannten in seinen Augen, das Blut aus seiner Platzwunde vermischte sich mit dem Wasser des Flusses.
„Es ist okay, Amir“, hörte sie sich selbst sagen. „Bald sind wir da.“
Sie zog ihn weiter. Er wehrte sich nicht. Watete durch das Wasser. Versank darin, Stück für Stück. Es umspülte seine Taille. Der Druck um ihre Hände ließ nach. Die Tränen versiegten. Die Bilder verschwanden, der Geruch, der Geschmack, die Geräusche, alles wurde verwaschen und fern, vermischte sich mit dem Wasser, das kalt und klar weiterfloss. Der Kummer bleichte aus. Die Freude versank. Die Aufregung verstummte.
Und dann war Amir verschwunden.
Zurück blieb nur sie, inmitten des Wassers. Ein Schatten bloß. Ewig und unendlich. Für einen kurzen Moment verharrte die Frau, träumte sich zurück in seine Erinnerungen, in sein Leben. Sie würde es in ihrem Geiste aufbewahren.
Das Wasser umfloss ihre Beine, als sie zurück zum Ufer watete und sich ins Schilf setzte. Sie beobachtete, wie alle Bewegung im Fluss zum Erliegen kam. Er hatte vergessen, wie er vorgab, dass an diesem Ort die Zeit verging.
Wer bist du fragten sie alle. Doch sie antwortete nie, denn am Ende vergaßen sie es sowieso.
„Styx“, sagte sie.
Aber ihr Flüstern verklang ungehört.
„Mach‘ mehr Sport!“ „Ernähre dich gesünder!“ „Gehe nicht zu deinem Ex zurück!“ „Lerne mehr für deine Prüfungen!“ „Helfe deinen Eltern mehr!“ „Mache endlich deinen Trainerschein!“ „Lerne endlich Ordnung zu halten!“
Alle diese Sachen konnte ich auf meiner Vorsatzliste für die Jahre 2013 bis 2016 finden, einige durchgestrichen und in anderen Schriftfarben wieder hinzugefügt, einige geändert und viele neu aufgeschrieben. Als hätte ich nicht genau gewusst, dass ich mich niemals an die Vorsätze halten würde. Es fing in meinem 14. Lebensjahr an, als alle meine Freunde anfingen ihre guten Vorsätze aufzuschreiben und viele sie, zumindest am Anfang des neuen Jahres, tatsächlich einhielten. Auch ich hatte es jedes Jahr aufs Neue versucht, war jedoch spätestens nach zwei Wochen wieder in die alten Verhaltensmuster zurückgefallen. Das war es auch, was mich Ende 2016 zum Nachdenken angeregt hatte.
Ich hatte die Liste aus der zugemüllten Kiste unter meinem Bett gekramt und war dabei auf Fotos und andere Erinnerungsstücke gestoßen, von denen ich vergessen hatte, dass sie existent waren. Da waren Fotos mit meinem Großvater, den mir das Jahr 2014 leider genommen hatte, da waren CDs und Kassetten von Bands, die ich geliebt hatte, die ich im Laufe der Jahre jedoch vergessen hatte, da waren Fotos meines Ex-Freundes, der es vorgezogen hatte mich zu betrügen, statt vernünftig mit mir zu reden…
Nach diesen Fotos hatte ich meine Vorsatzliste gefunden und war kurz davor die Kiste wieder wegzupacken, als mein Blick auf ein altes Foto fiel. Auf diesem sah ich zuerst auf ein großes dünnes Mädchen, das auf dem Bild neben meinem jüngeren Selbst stand und leider kurz nach meinem Großvater ihren Weg ins Jenseits hatte antreten müssen. Sie war mit nur 17 Jahren unverschuldet das Opfer eines Autounfalls geworden. Auf meiner anderen Seite auf dem Bild stand ihr Zwillingsbruder, mit dem gleichen breiten Grinsen, das auch sie zur Schau trug. Die beiden hatten jeweils einen Arm um mich gelegt, alle drei waren mit Schlamm übersäht und ich erinnerte mich.
Es war mein erstes Jahr im Kindergarten, als ich von einem der älteren Jungen aufgrund meiner Frisur gehänselt wurde. Ich trug immer einen Zopf, und, da ich Locken hatte, sah es so aus, wie das Ringelschwänzchen eines Schweines.
Der ältere Junge hatte mich an diesem regnerischen Tag in den tiefen Schlamm hinter dem Klettergerüst geworfen und war dann mit dem Kommentar „Das kleine Schweinchen, wo es hingehört“ weggelaufen. Ich wusste nicht was ich machen sollte, denn so verdreckt wollte ich auf keinen Fall zurück zum Gruppenraum, hatte ich doch Angst weiter ausgelacht zu werden.
Nach kurzer Zeit kamen jedoch die Zwillinge zu mir und warfen sich ohne eine Erklärung zu mir in den Schlamm, bevor sie mich mit zu unserer Erzieherin nahmen und breit grinsend sagten: „Wir gehören jetzt in die Rosa-Gruppe! Wir sind die drei kleinen Schweinchen!“
Nachdem unsere Erzieherin uns verdutzt angesehen hatte, lachte sie herzhaft und schoss das Foto von uns.
Ohne es zu wollen bereitete sich ein Lächeln auf meinem Gesicht aus und ich nahm den Fotostapel zur Hand. Dieser beinhaltete weitere Fotos meiner Kindergartenzeit und begann mit einem Gruppenfoto von mir und meinen Freunden vor einem selbst gebauten Tipi, an einem unserer Waldtage. Die Zwillinge, die größer waren, als die anderen, weil sie ein Jahr älter waren, standen jeweils am Rand der kleinen Gruppe, die aus meiner heutigen besten Freundin Sarah, einem kleinen Jungen mit rabenschwarzem Haar, den ich 2015 wieder getroffen hatte und einem Jungen mit orangem Haar, welcher in der Realschule wieder in meiner Klasse war, bestand.
Darauf folgte ein Foto, das an Karneval geschossen wurde, auf dem wieder die gleichen Leute waren. Ich war als Pipi Langstrumpf verkleidet, wie jedes Jahr, wie ich mich schmunzelnd erinnerte. Meine Mutter wollte mich immer als Prinzessin verkleiden, aber ich hatte mich mit allem was ich besaß gewehrt, worauf sie jedes Jahr aufs Neue mit dem Kommentar „Du stures Kind!“ aufgegeben hatte.
Darauf folgten Bilder meiner Schulzeit, unter anderem meine Einschulung. Dort stand ich mit relativ grimmigem Blick vor meiner Grundschule, das Pink-Rosane Ungetüm von einer Schultüte (dieses Mal hatte sich meine Mutter durchgesetzt), das sich wunderschön mit meinem orangenen Lieblingspullover biss.
Lächelnd legte ich jetzt auch meine alte „Juli“ CD in den CD-Player und musste feststellen, dass ich die Texte noch immer mitsingen konnte.
Dazu nahm ich den Schuhkarton mit den Sachen aus meiner Realschulzeit aus der verstaubten Kiste. Der Deckel des Schuhkartons war mit alten Klassenfotos gepflastert, von denen mir viele bekannte und auch unbekannte Gesichter entgegenblickten.
Auf vielen der Fotos erkannte ich mich nicht wieder, die Realschulzeit war bis zu diesem Zeitpunkt meine größte Selbstfindungsphase gewesen. Es gab Fotos von mir, mit extrem langen Haaren und Jungsklamotten, mit raspelkurzen Haaren, meine Mutter hatte fast geweint, als ich mir eines Tages einfach eine Schere durch meine Haare gezogen hatte, weil sie mir verbot zum Friseur zu gehen. Das war der längste Hausarrest meines Lebens gewesen, wie ich lachend feststellte. Es gab Fotos der siebten und achten Klasse, auf denen ich nicht besonders glücklich aussah, was wohl an Geschehnissen innerhalb der Klassengemeinschaft und etlichen Klassenkonferenzen lag.
Und schließlich, gab es Fotos aus den zwei besten Jahren meines Lebens, der neunten und zehnten Klasse. Das erste Mal seit langem war ich zufrieden mit meinem Äußerem gewesen, etwa schulterlange Haare, rotbraun gefärbt und einen relativ dunklen Kleidungsstil, der auch ein dezentes Make-Up beinhaltete. Außerdem hatte ich das erste Mal wirkliche Freunde in meiner Klasse, die zu mir hielten. Dazu kamen die Jungs von der Hauptschule, die ich über meine beste Freundin Sarah kennenlernte, die mit einem von ihnen zusammen war.
Auf keinen Fall wollte ich auch nur einen von ihnen missen, das gilt auch gegenwärtig.
Als nächstes bemerkte ich die Fotos unserer Abschlussfahrt an den Gardasee nach Italien. Ein Foto zeigte mich, Sarah den männlichen Zwilling (der nach dem Tod seiner Schwester eine Klasse wiederholen musste) und den rothaarigen Jungen, wie wir durch einen Wald liefen, alle vier klitschnass. Dieses Bild brachte mich zum Lachen.
Unsere Lehrerin hatte uns los geschickt, um einen Supermarkt suchen zu gehen (oder: sie hatte mich und den männlichen Zwilling losgeschickt, aber die anderen wollten unbedingt mit). Sie wusste allerdings nicht genau, wo sich dieser befinden sollte.
Der Fotograf des Fotos behauptete jedoch zu wissen, wo sich der Supermarkt befinden sollte und so folgten wir ihm. Wie sich herausstellte hatte er keine Ahnung und wir liefen fast zwei Stunden in die falsche Richtung, bis es anfing zu regnen, oder besser; bis es begann zu gießen wie aus Eimern. Und so liefen wir den gesamten Weg zurück und erstatteten unserer, schon besorgten Lehrerin Bericht. (Falls es jemanden interessiert: der Supermarkt befand sich einen zehn Minütigen Fußmarsch in die entgegen gesetzte Richtung.)
Das sorgte für einen neuen Insider in unserer Klasse; neben „Der männliche Zwilling kommt grundsätzlich 5 Minuten zu spät zur ersten Stunde“ gab es jetzt auch noch „Niemals dem Fotografen folgen!“ Dieser nahm es mit Humor und brachte ab und zu selbst Kommentare dies bezogen.
Ein Foto folgte, auf welchem die komplette Klasse in Italien beim Public Viewing des WM-Spiels Deutschland gegen Brasilien zu sehen war. Nach dem unglaublichen Sieg hatten wir die ganze Nacht durchgefeiert und die Italiener hatten mitgemacht. Am nächsten Morgen waren alle heiser gewesen, aber das war es wert gewesen.
Auch die Fotos unseres Abschlussballs folgten, so wie die vermasselten Gruppenfoto-Versuche. Wir hatten es nicht hinbekommen ein Vernünftiges zu machen, da immer irgendwer noch redete oder einfach komisch aussah. Schließlich hatte unsere Klassenlehrerin resigniert vorgeschlagen wir sollten doch einfach ein Quatsch-Foto machen und so passierte es. (Ratet mal, welches Foto jetzt an der Ehemaligen-Wand der Schule hängt…) Es war ein wundervoller Abend gewesen, an dem es jedoch nostalgische Momente gegeben hatte, wie zum Beispiel die zwanzig Minütige Dia-Show, mit den Kommentaren unserer Klassenlehrer dazu. Mir schossen Tränen in die Augen, als ich daran dachte, wie sich unsere Klassenlehrerin an diesem Abend von uns verabschiedet hatte. Passend dazu lief das Lied „Geile Zeit“ an.
Es dauerte mehrere Minuten, bis ich mich wieder beruhigt hatte und realisierte, dass unser Abschlussball schon mehrere Jahre her war, genau wie die Abschlussfahrt. Ich war kurz davor mein Abitur zu machen, war alleine in einer neuen Klasse, in der ich mich nie so gut fühlte, wie in meiner alten (Versteht mich nicht falsch, ich habe tolle neue Freunde gefunden, aber es war nie so…Echt) und wusste nicht mehr wer ich war. Seit Monaten hatte ich das komische Gefühl einsam zu sein, einsam unter Menschen. Ich hatte vergessen, was mich ausmacht, hatte mir ein neues Ich geschaffen, das ich in meiner neuen Klasse aufrechterhielt, ein neues, „cooles“ Ich, das ich nicht war, allein, um mich aufgenommen zu fühlen. Dabei hatte ich allerdings meine Vergangenheit außer Acht gelassen, hatte meine alten Freund vernachlässigt, um bei neuen anzukommen.
Mit dieser Erkenntnis nahm ich meine Vorsatzliste wieder zur Hand und strich jeden einzelnen der Vorsätze durch, um zwei neue aufzuschreiben.
„Erinnere dich!“
„Finde dich!“
Mit diesen Vorsätzen startete ich an Silvester ins neue Jahr, indem ich den Zettel an eine Rakete band und in den Himmel jagte.
„Es ist seltsam, welche Wirkung manche Orte doch haben können“, dachte Liora, als sie durch die Gänge des alten Hauses schritt. Ihr Blick fiel gelegentlich auf die alten Gemälde, die in verwitterten und ausgeblichenen Rahmen an den Wänden hingen. An manchen ging sie zu schnell vorbei, als dass sie hätte erkennen können, was auf ihnen zu sehen war. Bei anderen erhaschte sie einen Blick auf verschiedene Szenen, auf ein Lagerfeuer, das durch nächtliche Finsternis schien; auf ein weites und glitzerndes Meer, an dessen Horizont die Sonne versank; auf einen nebelverhangenen Wald aus grünen Tannen; und schließlich auf ein freundlich lächelndes Pärchen. Liora hielt inne, um die beiden Frauen anzusehen. Sie schienen glücklich und zufrieden, auch wenn etwas Unergründliches in ihrem Blick lag, das Liora irgendwie einen Schauer über den Rücken jagte. Plötzlich fühlte sie sich ein wenig unwohl. Doch sie wusste, was in dieser Situation zu tun war – und so ging sie weiter den Gang hinunter. Einen Augenblick später hatte sie auch schon vergessen, dass da überhaupt jemals ein Gemälde gewesen war.
Nachdenklich betrachtete Sina noch einmal die Bilder aus der Akte, die man ihr gereicht hatte. Die junge Frau darauf wirkte nicht unglücklich, aber seltsam abwesend. Sie seufzte und sah hoch zu der Leiterin, die sie von ihrem Stuhl hinter dem Schreibtisch aus wachen Augen prüfend ansah.
„Nun“, sagte Sina gedehnt, „ich kann sie mir ja auf jeden Fall einmal ansehen.“
Die Leiterin nickte knapp.
„Danke“, sagte sie. „Wir haben es ja nun wirklich schon seit Jahren versucht, aber…“
Liora bog um eine Ecke und erschrak heftig, als vor ihr plötzlich eine ältere Frau mit weißen Haaren stand, deren aufmerksame Augen sie förmlich zu durchbohren schienen.
„Kein Grund, sich so zu erschrecken“, meinte die Frau kühl. Irgendwie kam sie Liora vage bekannt vor. Doch ihr wollte nicht einfallen, woher.
„Ähm… Kenne ich Sie zufällig?“, fragte Liora.
„Nicht mehr so gut, wie Sie sollten“, erwiderte die Frau kühl.
„Heißt das ‚ja‘?“
„Ich dachte, das hätte ich mit meiner Antwort impliziert. Wenn Sie mich nicht mehr so gut kennen, wie Sie sollten, kennen Sie mich ja wohl trotzdem immer noch ein wenig. Folglich war ein ‚ja‘ in meiner Antwort enthalten.“
Liora zuckte die Achseln.
„Mag sein“, antwortete sie. „Aber ich mag Sie nicht. Sie sind unfreundlich.“
„Ja, das höre ich öfter. Kalt, emotionslos und allzu oft unmenschlich, das zu sein wirft man mir vor. Aber wenn man mich braucht, dann kommt man natürlich zurückgekrochen… Nun, das ist irrelevant. Sie wissen aber schon, was sie zu tun haben, oder?“
Liora war für einen Moment verwirrt.
„Nein“, sagte sie aufrichtig. „Was denn?“
Die alte Frau verdrehte die Augen und stöhnte.
„Ach herrje“, seufzte sie. „Verstehen Sie, das Traurige ist ja, dass ich nicht mitkommen kann… Ich habe da unten im Keller weder etwas zu suchen noch kann ich da irgendwas finden. Da ist alles so … widersprüchlich.“
Sie klang angeekelt.
„Und doch“, fuhr sie traurig fort, „müssen Sie doch begreifen: Es ist von allerhöchster Wichtigkeit für uns alle, dass sie nach da unten gehen. Haben Sie verstanden?“
„Ja“, erwiderte Liora, „aber wo ist unten?“
Die Frau zeigte mit dem Finger den Gang runter.
„Dort“, sagte sie. „Aber nur, wenn Sie es auch wollen.“
Sina schritt durch die kahlen Korridore, begleitet nur von dem Mann in der weißen Kleidung.
„Die bekommt ja alles, was Sie braucht“, sagte dieser gerade. „Stifte und Papier und Farben und Ton und Leinwände und was weiß ich nicht noch alles.“
„Ja, ich weiß“, sagte Sina geistesabwesend. „Ich habe ihre Arbeiten gesehen. Beziehungsweise gehört.“
„Ich frag mich ja, woher die das alles nimmt“, meinte der Mann kopfschüttelnd. „So viel an kreativem Zeug kann doch nicht in einem einzelnen Menschen stecken.“
„Nun“, sagte Sina, „jedenfalls nicht, ohne einen Preis dafür zu bezahlen.“
Liora war sehr befremdlich zumute. Sie hatte diese unhöfliche alte Frau mit den wachen Augen einfach vergessen wollen, doch irgendwie gelang es ihr nicht. Stattdessen geisterten ihre Worte beständig in ihrem Kopf herum. Vielleicht sollte sie doch diesen Keller suchen, einfach nur um den Gedanken daran loswerden zu können. Kaum dass sie darüber nachgedacht hatte, erschien vor ihr eine große hölzerne Tür, die äußerst stabil wirkte. Ein Schlüsselloch verriet, dass nicht einfach jeder sie durchschreiten konnte. Doch Liora kümmerte das nicht. Sie griff nach der Kette um ihren Hals, an welcher der Schlüssel hing, der in diesem Haus noch jede Tür hatte öffnen können. Und tatsächlich schwang auch diese Tür auf, nachdem sie ihren Schlüssel einmal im Schloss herumgedreht hatte. Hinter der Tür lag eine Treppe, die nach unten führte. Das musste also tatsächlich der Keller sein. Vorsichtig setzte Liora einen Fuß auf die erste Stufe, wobei sie ein seltsames Gefühl der Entspannung verspürte. Es war eine angenehme und sanfte Empfindung. Sorglos hüpfte sie auch die anderen Stufen hinunter, um schließlich am Ende der Treppe vor einer weiteren Tür zu stehen. Sie drehte sich einmal kurz um, doch nun war die Treppe nach oben verschwunden. Doch das kümmerte Liora nicht, denn im Moment wollte sie ja auch gar nicht zurück.
Diese zweite Tür jedenfalls schien nicht so stabil wie die erste. Tatsächlich schien sie sogar ein wenig zerbrechlich und Liora glaubte, dass sie leicht dazu imstande wäre, sie einzuschlagen. Aber das war natürlich nicht ihre Absicht und so zog sie erneut den Schlüssel hervor und entriegelte mit dessen Hilfe die Tür.
Dahinter kam ein großer Raum zum Vorschein, bei dessen Anblick Liora kurz der Atem stockte. Er schien gigantisch zu sein, wie der Innenraum einer Kathedrale. Nein, tatsächlich war er noch größer, sogar sehr viel größer – sie konnte weder eine Decke noch die anderen Wände sehen. Allerdings bemerkte sie nach einigen Schritten in den Raum hinein, dass an der Wand, in der sich ihre Tür befand, hoch aufragende Regale standen, in denen Bücher mit losen Blättern dazwischen, bemalte Leinwände und sogar mannshohe Statuen standen. Sie hätte noch stundenlang betrachten können, was sie da sah, doch ein Kratzen ließ sie sich umdrehen. Für einen Moment war sie überrascht, dass sie beim Betreten des Raumes die kleine Gestalt nicht gesehen hatte, die da hockte und deren schwarzes Haar so lang war, dass es ihr Gesicht verdeckte.
„Hier, bitte“, sagte der Mann und hielt Sina die Tür auf.
„Danke“, sagte sie und trat in das Zimmer. Kurz darauf hörte sie, wie sich hinter ihr die Tür wieder schloss. Ihr Blick fiel auf die seltsame Gestalt inmitten eines Chaos von Blättern, kleinen Skulpturen und bemalten Leinwänden. Ein leises Murmeln ging von diesem Menschen aus, der da hockte und dessen Hand einen Stift hielt, der hastig über ein Blatt Papier auf dem Boden flog. Als Sina näher kam, konnte sie das Geflüster der Person allmählich verstehen.
„Tiefer… Tiefer hinunter…“
„Hallo?“, fragte Liora.
Die Gestalt richtete sich ruckartig auf und stürzte plötzlich auf Liora zu, die zurückwich und gegen das Regal stieß. Im nächsten Moment sah sie vor sich zwei wild rollende Augen, unter denen dunkle Ringe lagen.
„Du bist da!“, rief eine heisere Mädchenstimme. „Endlich! Ich dachte schon…“
Das Mädchen sank in sich zusammen. Erst jetzt fiel Liora auf, wie merkwürdig sie aussah. Sie trug graue Kleidung, die jedoch über und über mit Farbe beschmiert war und an der Ton klebte. Mit ihren Haaren und ihrem Gesicht war es nicht anders und als Liora genau hinsah, fiel ihr auf, dass die Hände des Mädchens sowie ihre nackten Unterarme beschrieben waren.
„Bitte, Liora“, flüsterte das Mädchen. „Ich weiß, Logica konnte dir das nicht erklären… Das ist einfach nicht ihr Gebiet hier… Aber ich kann nicht mehr, weißt du? Ich habe es so lange versucht… Doch ich kann sie nicht ersetzen… Du musst sie wieder befreien, hörst du?“
„I-ich verstehe nicht“, stammelte Liora. „Wen befreien?“
Das Mädchen trat einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf etwas frei, das wie ein Sarg in Menschengröße aussah, fast wie eine eiserne Jungfrau.
„Liora?“, fragte Sina die zusammengekauerte Gestalt. „Können Sie sich erinnern, warum Sie hier sind?“
Liora sah sie mit trüben Augen an.
„Erinnern?“, fragte sie leise. „Aber ich erinnere mich doch an alles. An alles, was ich will… Das hier sind meine Erinnerungen…“
Sie wies auf die Blätter und die kleinen Skulpturen.
„Liora“, setzte Sina an, „das sind keine Erinnerungen, das ist…
„… nichts als Phantasie!“, rief das Mädchen verzweifelt. „Mehr mache ich nicht! Nie! Nur Phantasie! Aber dann… Dann hast du Memoria eingesperrt! Und nun muss die arme Phantasia alles machen! Nicht nur die Vorstellungen, sondern auch die Erinnerungen! Aber ich kann nicht mehr!“
Sie weinte jetzt heftig, und die Tränen ließen die Farbe in ihrem Gesicht verlaufen.
„Warum hast du das überhaupt gemacht?“, fragte sie.
Liora durchzuckte es plötzlich wie ein Blitz. Die beiden Frauen auf dem Gemälde…
„Meine Eltern“, hauchte sie. „Da war…“
„Hören Sie, Liora“, flüsterte Sina eindringlich. „Sie müssen sich doch gar nicht so schützen. Das mit dem Feuer war nicht ihre Schuld. Kinder wissen nun einmal nicht immer, was…“
„Bitte, Liora!“, flehte Phantasia. „Du musst Memoria wieder freilassen!“
Liora sah in die tränenden Augen des Mädchens und umfasste den Schlüssel an ihrer Kette, zögerte aber noch.
Mein Name ist Alexandra und ich absolviere momentan mein Praktisches Jahr im Medizin-Studium. Um Genau zu sein, hatte ich vor vier Wochen, an einem verregneten Montag, meinen ersten Tag im Krankenhaus. In den Vorlesungen lernt man eine ganze Menge; die korrekte Blutabnahme, das fachlich richtige Wechseln von Verbänden und natürlich noch vieles mehr. Doch ich kann auch sagen, dass man auf eine bestimmte Sache im Studium nicht vorbereitet wird.
Auf das wirkliche Leben.
Ich schreibe diese Zeilen, weil mich ein Schicksal nicht mehr loslässt. Es hat mich eiskalt getroffen, verschwindet nie länger als ein paar Stunden aus meinem Kopf. Ich werde nachts wach, weil ich von dem Erlebten träume. Es bedrückte mich so sehr, dass ich mit diesem Brief nun versuche, es aus meinem Kopf heraus zu schreiben.
Wie man sich vielleicht denken kann, geht es um eine Patientin. Die genaue Vorgeschichte tut nicht sehr viel zur Sache, weshalb ich versuchen werde, mich diesbezüglich kurz zu fassen. Nennen wir die Patientin Frau Gerber. Sie, um die siebzig Jahre alt, graues, gelocktes Haar, immer wieder ein freundliches Lächeln auf dem Gesicht, kam lediglich mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus. Sie erzählte gerne von ihrem Leben und war allen Personen, die sich um sie kümmerten und ihr Zeit schenkten, dankbar. Frau Gerber benötigte rund um die Uhr Sauerstoff und man merkte, dass sie mit jedem Tag etwas schwächer wurde. Dennoch ging man erst einmal nicht davon aus, dass ihr Aufenthalt tödlich enden könnte, man dachte, dass sie sich wieder aufraffen würde. Doch die Krankheit zerrte sehr an ihr. Das Gesicht wurde schmaler, ihre Haut blasser und sie hatte nicht mehr viel Appetit.
Eines Nachts fiel Frau Gerber mit ihrer Sauerstoffsättigung drastisch in den Keller, die Umstände führten dazu, dass sie beatmet werden musste und dafür erst einmal auf die Intensivstation kam, da die Pflege dort intensiver durchgeführt werden konnte. Ein paar Tage vergingen und auch obwohl ich in dieser Zeit keine neuen Informationen zu ihr bekam, waren meine Gedanken ständig bei ihr.
Man kann so schnell unerwartet in eine lebensbedrohliche Situation kommen, daran denkt man die meiste Zeit über nicht. Und das ist im Grunde auch nichts Schlechtes. Dauerhaft Angst um sein Leben zu haben, hält kein Mensch durch und deswegen schiebt man den Gedanken, dass man am nächsten Tag bereits tot sein könnte, weit von sich weg.
Und weitere Tage vergingen, in denen ich nichts über ihre aktuelle Lage erfuhr.
Bis sie schließlich auf die ursprüngliche Station rückverlegt wurde. Auf der Intensivstation konnte man nun auch nicht viel mehr machen, als auf einer gewöhnlichen Station. Ihr Zustand sah nun wie folgt aus: eine kontinuierliche Sauerstoffgabe war weiterhin nötig. Sie konnte nur noch Nährstoffe über die Vene erhalten, also nicht mehr selbstständig essen oder trinken. Der Versuch ihr einen Bissen Brot zu geben, endete darin, dass sie sich verschluckte und daran zu ersticken drohte. Sprechen war ihr nicht mehr möglich. Hin und wieder schüttelte sie den Kopf, für mehr reichten ihre Ressourcen scheinbar nicht aus.
Ich glaube Frau G. hatte an diesem Punkt bereits mit dem Leben abgeschlossen. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass sie bereits aufgehört hatte zu leben, so hart das auch klingen mag.
Ihre Ausscheidung erfolgte über einen eingeführten Katheter, da sie keine Kontrolle mehr über das Wasserlassen hatte.
Ich glaube an dieser Stelle sind das genug Informationen für Sie, um sich ein Bild von Frau Gerbers Situation zu machen.
Als Begleitperson wurde eine ihrer Töchter mit aufgenommen. Ihre Tochter, Marie, schlief bei ihr im Zimmer und versuchte ihr Beistand zu leisten. Hielt ihre Hand, kämmte ihr Haar, ja, las ihr sogar aus Büchern vor, die Frau G. einmal geliebt hatte, wer weiß, vor wie vielen Jahren. Und Marie weinte.
Weinte viel. Die anderen Angehörigen kamen nur hin und wieder vorbei, hielten die beklemmende Situation im Krankenhaus wohl nicht länger aus. Zu ihrem Sohn schien sie kein gutes Verhältnis gehabt zu haben, da er nicht ein einziges Mal zu besuch kam.
Uns Ärzten war schnell klar, dass sich der Zustand von Frau Gerber nicht mehr bessern würde und das versuchten wir in einigen Gesprächen den Angehörigen klar zu machen.
Sie sollten sich darauf einstellen, dass sie Frau G. verlieren würden. Nur wann, konnten wir natürlich nicht sicher sagen.
Bis man damit begonnen hatte ihr starke Medikamente zu geben, welche den Übergang erleichtern sollten. Mit der Gabe der Nährstoffe hörte man irgendwann auf. Im Regelfall, wenn man es so nennen möchte, dauerte es so höchstens eine Woche, bis die Patienten versterben.
Was als nächstes passierte, grenzt zwar nicht an ein Wunder, dennoch überraschte es alle Beteiligten im Krankenhaus.
Die einzige Schwester von Frau G. erlitt einen Schlaganfall. Dabei wird die Blutversorgung des Gehirns gestört und das zentrale Nervensystem funktioniert dadurch nicht mehr richtig. Dieser Schlaganfall war bei ihrer Schwester so schwer, dass diese nun ebenfalls im Sterben lag.
Man entschied sich dafür, ihre Schwester zu Frau Gerber ins Zimmer zu legen, weil es die Angehörigen so wünschten. Die beiden konnten zwar nicht für uns ersichtlich miteinander kommunizieren, aber Frau Gerber schien trotzdem bewusst gewesen zu sein, dass ihre Schwester nun bei ihr war.
Einen Tag, nachdem man die beiden im Krankenhaus zusammengelegt hatte, verstarb Frau G.
Vielleicht ist es nicht für jeden einzelnen von Ihnen verständlich, wieso mich diese Geschichte nicht mehr loslässt. Immerhin bin, beziehungsweise werde, ich Ärztin. Dass man da mit dem Tod konfrontiert wird, kann ich mir doch denken, aber ich kann Ihnen dennoch versichern, dass mich das Ganze sehr getroffen hat. Mehr als man sich vorstellen kann. Ich werde diesen Fall für immer in meiner Erinnerung behalten. Möglicherweise beeinflusst mich das Ganze auch deshalb so stark, weil ich ebenfalls nur eine Schwester habe und wir beide unzertrennlich sind. Doch im Prinzip tut das nicht viel zur Sache.
Abschließend möchte ich sagen, Nichts auf dieser Welt hätte mich darauf vorbereiten können.
"Du musst endlich damit abschließen.", flüstert mir eine leise Stimme zu. "Aber wie? Sie war die wichtigste Person in meinem Leben. Ich kann nicht einfach so vergessen, was passiert ist.", antworte ich ihr. "Von vergessen war nie die Rede."
Ich lege die rote Rose, die ich krampfhaft in meiner rechten Hand halte und deren Dornen sich in meiner Handfläche verfangen haben, sachte auf das Grab nieder und kehre es den Rücken. So gerne wäre ich noch länger geblieben, am liebsten für allezeit, aber irgendetwas konnte mich schließlich davon überzeugen, jetzt zu gehen. Am großen Friedhoftor schaue ich noch ein letztes Mal zu ihr rüber und halte meine Tränen zurück. Ich muss stark bleiben; für sie, denn sie war es immer.
Auf dem Nachhauseweg erinnert mich alles an meinen verlorenen Schatz. Ich höre ihre zarte Stimme; rieche ihr unverkennliches Parfüm und sehe in jedem Gesicht das ihrer. Irgendwann muss ich damit abschließen, aber bis dahin, in dieser Tatsache bin ich mir sicher, würde es noch lange dauern, denn sie war nicht nur irgendetwas Unbedeutendes, sie war für mich etwas ganz Besonderes, nein, sie war ein Privileg, das diese schreckliche Welt um einiges bunter machte, als es je jemand anderes hätte machen können. Ich vermisse diese Person, die immer an meiner Seite stand, ja so sehr.
Nachdem ich die Haustür aufgeschlossen habe, gehe ich wortlos in das Schlafzimmer, um mich auszuruhen. Ich lege mich auf die linke Bettseite und blicke auf die mir gegenüber. Dort schlief sie und sprach auf mich ein, wenn ich einmal aufgab oder gestresst von der Arbeit war. Seitdem beobachte ich jeden Tag diese Stelle aufs neue, denn, wenn man sie mit etwas Fantasie betrachtet, erkennt man einen leichten Abdruck, der mich denken lässt, dass sie immer noch dort liegt. Das gibt mir für den Moment wieder neue Lebensengerie, doch dann werde ich mir wieder bewusst, dass ich mir jenes nur einbilde und sie nie wieder dort liegen wird.
Ich kneife meine Augen zusammen und versuche, meinen Geist von all dem Leid, das man mir das Schicksal antat, zu befreien und um endlich wieder Unbesorgtheit zu erfahren. Doch es klappt nicht. Es klappt nie. Immer und immer wieder werde ich von Albträumen geplagt und gebe mir selbst die Schuld, dass es dazu kommen musste.
Ich stehe wieder auf, gehe in die Küche und nehme mir eine Kaffeetasse aus dem Schrank heraus. Zuerst beachte ich meine Wahl nicht besonders, doch als ich sehe, dass es die Tasse ist, die sie immer genommen hat, um ihren Kaffee jeden Morgen zu schlürfen, um wach zu werden, betrachte ich sie prüfend und stelle sie wieder zurück, greife mir eine andere und stelle diese unter die Kaffeemaschine. Ich setze mich an den langen leeren Esstisch im Nebenraum. Es herrscht Totenstille. Mein Herz pocht. Die Uhr tickt. Ich atme ein. Ich atme aus. Ich stütze meinen Ellenbogen auf dem Tisch ab und fasse mich an die warme Stirn. "Manchmal wünschte ich mir, ich würde aufhören, zu atmen, um bei dir sein zu können.", flüstere ich leise vor mich hin, während ich auf meinen Kaffee warte.
"Sag so etwas nicht.", ertönt es plötzlich. Überrascht reiße ich meine Augen auf und schaue nach oben. Und dann sitzt sie mir gegenüber, charmant wie immer und mit ihren wunderschönen offenen blonden Haaren zu mir blickend. "Du solltest dein Leben genießen und hier nicht mutterseelenallein sitzen." Ich strecke meine rechte Hand nach ihr aus, doch ehe ich zärtlich ihre Wange streicheln kann, zieht sie sich zurück. "Das geht nicht. Ich würde alles geben, um dich ein letztes Mal umarmen zu können, aber es ist weitaus schwieriger, als du es dir vorstellen kannst." Ich schaue sie faziniert an. "Ich wusste, dass du zurückkommen würdest. Ich wusste es einfach." "Aber…", unterbricht man mich, "Ich bin nur zu Besuch. Ich bleibe nicht lange." "Wieso?" "Ich gehöre nicht hierher."
Sie steht auf einmal von ihrem Platz auf und winkt mich zu sich. "Komm!" "Wohin?" Doch ich bekomme keine Antwort. Sie geht den langen Flur entlang und bleibt vor einer großen Tür stehen. Ich kann mir bereits ausmalen, was man nun von mir erwartet, aber ich kann es nicht. Es ist noch zu früh, mich dem entgegenzustellen. Viel zu früh. Meine kalten Hände zittern. "Du musst es mit deiner Angst aufnehmen können.", spricht sie mir neuen Mut zu, "Lass uns gemeinsam gehen." Sie schaut mir tief in die Augen. Mein Blick wendet sich ab und ich starre auf die Türklinke. Ich schließe meine Augen und atme tief ein und aus, bevor ich meine Hand erst zögerlich auf den Griff lege und ihn schließlich rasch hinunter drücke. Ein kühler Luftzug kommt mir entgegen.
Ich kehre kurz in meine Gedanken zurück, werde ein weiteres von schrecklichen Visionen geplagt und überlege, ob ich diesen Schritt nun wirklich wagen soll. "Kommst du?", ruft mich ihre beruhigende Stimme zu sich und plötzlich sind all meine Sorgen vergessen. Selbstsicher trete ich in den Raum. Lange ist es her, als ich ihn zuletzt betreten habe. Dies war ihr Reich, indem sie sich ausleben konnte, wann und wie sie es wollte. Die Luft ist stickig und staubig. Man merkt, dass es lange Zeit unter dem Mantel der Zeit verborgen war. Während ich zum Fenster auf der anderen Seite des Zimmers gehe, um es zu öffnen, schwelgt sie in Erinnerungen. "Erinnerst du dich noch…?" Ihr blasser Körper steht vor einer weißen Wand, in der sich ein Loch mit ungefähr vier Centimetern Durchmesser befindet. "Als wir gerade hier eingezogen sind…", flüstere ich leise vor mich hin, "Du wolltest unbedingt eine Jalousiene für das Fenster haben, da das Sonnenlicht zu grell in den Raum strahlte." Ein Grinsen schleicht sich unabsichtlich über meine Lippen. "Und die ganzen Jahren, die wir hier schon wohnen, haben wir es nicht geschafft, es zu stopfen.", scherzt sie und beginnt, zu lachen. "Ich wünschte, ich könnte diese Zeit mit dir nochmal erleben." Plötzlich ist es still. Sie schaut betrübt auf den Boden. "Du weißt, dass das nicht geht." "Ich weiß… ich weiß."
Ruhe. Schweigen. Stille. Zumindest so lange, bis eine leise Melodie ertönt. Ich drehe mich um und sehe, dass sie vor ihrem altmodischen Radio steht. "Unser Lied.", sagt sie und lächelt mich an. Ich nicke. "Unser Lied." Sie ahmt Tanzschritten nach, während ich ihr dabei zusehe. "Wie gerne ich ein letztes Mal meine Arme sanft auf deine Hüfte legen und gemeinsam mit dir tanzen würde." Sie beendet ihren Tanz, bleibt direkt vor mir stehen und sagt mit einer traurigen Stimme: "Das geht nicht. Es ist schwieriger, als du denkst." Unsere Blicke wenden sich voneinander ab. "Es geht nicht. Es ist ist schwieriger, als ich denke. Es geht einfach nicht.", flüstere ich leise vor mich hin, während ich innerlich völlig aufgewühlt bin.
Als ich meinen Kopf sanft anhebe, sehe ich unsere Fotowand, die die Form eines Herzens hat, vor mir und begutachte die gemeinsamen Erinnerungen. Ein kalter Luftzug schleicht sich von hinten an mich heran. Auf einem Bild stehen wir beisammen, glücklich wie nie und küssen uns leidenschaftlich unter einem weißen Marmorbogen. Es entstand während unserer ersten Reise als Paar in Paris, der Stadt der Liebe. Ein weiteres zeigt die Momentaufnahme, die uns während unseres Einzuges in unsere erste gemeinsame Wohnung ablichtet und wie im Hintergrund meinem Bruder meine schöne blaue Glaslampe aus den Händen fällt. Bei diesem Anblick beginne ich, leicht zu schmunzeln. Ich schaue mich weiter um und werde in die Vergangenheit zurückversetzt. Es war eine schönes Leben mir ihr an meiner Seite, das nun nie wieder so sein wird, wie es war. Doch dieses eine Foto, das sich in der Mitte der Collage befindet, bewegt mich am meisten. Wir, ich im schwarzen Anzug und mit weißer Krawatte; sie in ihrem wunderschönen Hochzeitskleid unter einem Vorhang aus bunten Blütenblättern und hinter uns die beeindruckende Schönheit der Natur - unser Hochzeitsfoto. Eine leichte Träne fließt mir flüchtig die rechte Wange hinunter. Ich wische sie rasch weg. "Es ist okay, zu weinen.", muntert sie mich auf. Nachdem ich neuen Mut gesammelt habe, schaue ich ihr direkt in die Augen. "Ich werde dich nie vergessen können, doch ich werde ab diesen Tag versuchen, ohne dich weiterleben zu können; für dich." Sie lächelt mich an.
Plötzlich erstrahlt hinter ihr ein helles Licht. Sie kehrt mir den Rücken. "Nun habe ich Gewissheit. Ich muss nun gehen." "Wohin?" Meine Neugier überkommt mich, doch dann erinnere ich mich an ihre Worte. "Es ist schwieriger, als du denkst.", sagen wir im Chor und grinsen uns darauf glücklich gegenseitig an. Sie ist kurz davor, in das Licht zu gehen, als ich sie zurückrufe: "Warte!" Überrascht dreht sie sich um. "Ich liebe dich." Sie kommt zu mir rüber. "Ich liebe dich auch." Und gibt mir einen zärtlichen Kuss auf die trockenen Lippen, ehe sie im Schimmer allmählich verschwindet.
Und so konnte ich nun endlich mit der Vergangenheit abschließen, doch vergessen habe ich sie nie. Sie lebt und liebt mit meinen Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit tief in meinem Herzen weiter. Das tat sie schon immer und nicht erst nach ihrem Besuch.
Vor uns hat sich eine pechschwarze, brennende Urgewalt aufgebaut. Aus Maul und Nüstern zischen blaue Flammen, während es mein Quajutsu mit seinen Krallen attackiert.
Als ich damals zu meiner Reise aufgebrochen bin, hätte ich niemals erwartet, dass so etwas wie ein Mega-Glurak überhaupt existiert, geschweige denn, dass es das letzte Hindernis zwischen mir und dem Titel des Champs sein würde. Damals war die Welt viel unkomplizierter. Wir dachten sogar tatsächlich, dass es auf der ganzen Welt nur 150 verschiedene Pokémon gibt.
Mit brachialer Geschwindigkeit rammt die meterlange steinerne Schlange in den Boden. Eine Staubwolke verfinstert das Bild, während die Kamera versucht, das Geschehen komplett einzufangen.
''Kaum zu fassen, Onix' Trainer setzt das gesamte Gewicht seines Pokémon gegen den Gegner ein! Konnte das Gengar der Herausforderin noch ausweichen, oder ist dies das Ende des Kampfes?''
Die Stimmte des Kommentators im Fernsehen überschlägt sich fast und die Zuschauer im Stadion brüllen vor Aufregung. Im Bild sind nur die massiven Umrisse von Onix zu sehen, die sich dunkel vor der sich langsam legenden Staubwolke abzeichnen.
Es klart auf, während die Kamera, ebenso wie der Trainer des Gesteins-Pokémon, suchend übers Stadion blickt. Direkt hinter Onix wird die schemenhafte, stachlige Silhouette von Gengar sichtbar. Es hat das Maul zu einem unnatürlich großen Grinsen, das sein gesamtes Gesicht überzieht, verzerrt, seiner lächelnden Trainerin nicht unähnlich.
Das Stadion tobt, während sie ihrem Pokémon einen Gegenangriff befiehlt.
''Mama, ich will das auch!''
''Was möchtest du denn, Satoshi?''
''Ich will auch so kämpfen wie sie! Die Trainerin ist so stark und cool!''
Meine Mutter drückt mich fest an sich.
''Das wirst du, ganz bestimmt!''
Alain starrt mich an. Sein Pokémon und er ähneln sich sehr. Seit ich ihn kennengelernt habe, hat er nie an den Dingen, für die er sich entschieden hat, gezweifelt, sondern sie kompromisslos durchgestanden. Während Quajutsu mit seinen flinken Sprüngen den Attacken ausweicht, setzt sein Glurak mit seinen langen Klauen nach. Immer wieder rammen sie ins Leere, mitunter sogar in den Boden. Nichts hält es auf.
Doch, er und sein Pokémon sind nicht die einzigen, die sich ähneln und erst recht nicht die verbissensten Kämpfer auf dem Feld.
''Los, Quajutsu! Benutz' das Wasser-Shuriken!''
Mit seinen langen Gliedmaßen springt es in die Höhe und feuert in schneller Folge Geschosse aus Wasser auf den Drachen unter sich ab. Sie sind zwar nicht ganz so effektiv wie gegen ein reguläres Glurak, aber niemand, dem konstant Wasser in die Augen gespritzt wird, kann sich allzu gut umsehen, nicht einmal ein Drache.
Während die große Echse noch versucht, nach der Attacke die Orientierung wiederzufinden, landet mein Quajutsu lautlos hinter ihm.
''Perfekt! Jetzt setz' nach mit einer Hydropumpe!'
Es ist der nächste Morgen. Ich habe verschlafen, aber das macht nichts. Wenn ich erst Mal ein richtiger Pokémon-Trainer bin, kann ich mich auf die Reise machen. Da steht der alte Professor und da ist meine Mutter. Sie sieht mich an. Ein wenig traurig, aber auch stolz.
''Jetzt geht dein Traum in Erfüllung. Du kannst endlich auf die Reise gehen und selbst Pokémon fangen!''
Ich gehe zu ihr hin und umarme sie ganz fest. ''Ich werde ein Pokémon-Meister! Das ist mein größter Traum! Egal, wie lange es dauert, ich werde ein Meister. Versprochen!''
Sie erwidert die Umarmung. Eine Träne kullert von ihrem Gesicht auf meine Wange. Trotzdem lächelt sie. ''Ich weiß, dass du es schaffen kannst, Satoshi! Du wirst der beste Pokémon-Trainer auf der Welt!''
Quajutsu steht im perfekten Winkel hinter Glurak und entfesselt eine wahre Springflut, zu einem dünnen aber extrem starken Strahl komprimiert. Es trifft den Drachen im Rücken, so dass er aufbrüllt und vornüber auf die Knie fällt.
Ich sehe, dass Alain überlegt, was zu tun ist. Sein ganzes Ich ist darauf ausgelegt, Entscheidungen zu treffen und diese durchzusetzen, egal, was dafür nötig ist. Er weiß nicht, wie man sich verteidigt, sein Pokémon und er haben bisher meist durch pure, brachiale Kraft gewonnen. Er weiß nicht, wie es ist, zu verlieren, damit umzugehen, dass der eigene Gegner zumindest körperlich stärker sein könnte als man selbst.
Die Hydropumpe ist so stark, dass Quajutsu den perfekten Punkt nicht konstant halten kann. Der Strahl wandert weiter, bis er den Boden trifft, wo er einen kleinen Krater hineinsprengt, bevor die Attacke versiegt.
Das Glurak keucht, richtet sich aber langsam wieder auf. Es starrt zu seinem Trainer, wartet auf einen Befehl. Zum ersten Mal ist ein Riss in der Gewissheit, die aus den Augen der beiden gestrahlt hat, zu erahnen. Allerdings ist das Spektakel noch nicht vorbei. Mit der letzten Attacke hätte jedes reguläre Quajutsu seine gesamte Kraft verbraucht. Und das würde Alain ausnutzen wollen. Ich muss ihm zeigen, dass nicht nur er und sein Pokémon sich ähnlich sind. Quajutsu und ich sind auch bereit, alles zu geben.
Ich spüre, dass Quajutsu das gleiche fühlt wie ich. Wir sehen uns kurz in die Augen, und es beginnt aufzuleuchten. Da es taghell ist, ist die einsetzende Biolumineszenz nicht so gut zu erkennen, aber alle im Stadion sehen, wie sich die Farbe im Gesicht meines Pokémon verändert. Als ich in diese Region gekommen bin, wusste ich nicht, dass so etwas wie Mega-Pokémon überhaupt existieren. Und niemals hätte ich mir träumen lassen, dass sich mir und meinem Partner eine noch ältere Art der Entwicklung erschließen könnte. Das ist die Verbindung zwischen Quajutsu und mir, das ist unsere eigene Kraft.
Zeit, den Kampf zu Ende zu bringen.
Es ist der Abend nach meiner ersten Pokémon-Liga. Ich sitze auf dem Dach des Pokémon-Centers. Die Abschlusszeremonie ist weiter unten in der Arena in vollem Gange. Die strahlenden Sieger werden bejubelt und von den Medien belagert. Alle, die dieses Jahr hier auf dem Indigo-Plateau teilgenommen haben, sind stolz auf ihre Leistungen. Alle außer mir.
Ich war nicht stark genug und mein stärkstes Pokémon, ebenfalls ein Glurak, hat mir nicht gehorcht.
Ich starre von hier oben auf das Geschehen dort unten.
''Willst du nicht auch dorthin gehen? Und dir deine Teilnahme-Medaille abholen?''
Meine Mutter hat mich gefunden.
''Ich weiß nicht. Ich dachte, ich würde es schaffen zu gewinnen. Am Anfang hat alles so klar ausgesehen, aber dann bin ich bereits vor den Finalrunden ausgeschieden. Ich schäme mich!''
Sie lächelt. ''Das ist doch nicht so schlimm. Manche der Trainer dort unten sind doppelt so alt wie du und haben es noch nie in ihrem Leben so weit geschafft! Du hast Talent! Solange du immer dein Bestes gibst, wirst du es auf jeden Fall eines Tages schaffen!'' Jetzt grinst sie. ''Und ich werde immer da sein, um dich anzufeuern, egal wohin es dich verschlägt.''
Mit ist schwindelig. Die Energie, die Quajutsus ultimative Form uns beiden abverlangt, ist gewaltig. Es ist schon zu spät, um überhaupt noch richtige Attacken einzusetzen. Gluraks innere Vorräte sind verbraucht und Quajutsus Körper schafft maximal noch eine starke Wasser-Attacke. Mit wahnwitziger Geschwindigkeit prasseln Quajutsus Fäuste und Füße auf Glurak ein, welches sich einfach nicht unterkriegen lässt. Es sinkt keinen Zentimeter näher zum Boden, während ich am liebsten in Ohnmacht fallen würde.
Quajutsu attackiert immer weiter, doch kommt es unmerklich aus dem Takt.
''Jetzt, Glurak!''
Verdammt, Alain hat es auch bemerkt! Glurak reißt den Rachen weit auf und bekommt Quajutsus Arm zu packen. Es schleudert in einer rasanten Bewegung meinen Partner mehrere Meter entfernt zu Boden.
Ich spüre den dumpfen Aufprall genau so sehr wie Quajutsu. Ich gerate ins Wanken, aber kann mich gerade noch fangen. Schweiß rinnt mir in die Augen.
Ich versuche mich wieder zu fangen. Quajutsu keucht laut. Es kommt langsam wieder hoch. Alles pocht in meinem Kopf. Ich sehe mich irritiert zu den Zuschauertribünen um. Ist meine Mutter da? Ich bin mir sicher, aber ich kann sie gerade nicht erkennen. Das macht mich nervös.
Ich spüre, dass Quajutsu auf einen Befehl wartet. Es kann sich kaum auf den Beinen halten.
Ich reiße mich zusammen. So nah war ich meinem Ziel noch nie! ''Ein letztes Mal, Wasser-Shuriken!''
Quajutsu pumpt alles heraus, was es noch hat. In einem gewaltigen, die Schwerkraft missachtenden Strudel baut sich die größte Attacke auf, zu der es in dieser Form fähig ist.
Ich sehe, wie Gluraks und Alains Augen sich weiten. Sie wissen, genau wie ich, dass diese Attacke die letzte des Kampfes sein wird.
Mein Herz rast. Ich habe es versprochen. Wir müssen nur diese eine Attacke abfeuern!
Quajutsu kann seinen Arm mit der Attacke nicht mehr oben halten. Es lenkt den Strudel in Richtung von Glurak. Ich starre nur noch darauf, alles andere wird unsichtbar. Der Strudel schießt los, ich sehe ihn, doch etwas stimmt nicht. Quajutsu kippt zur Seite um – nein, ich bin es, Quajutsu steht noch – der Strudel verliert an Kraft.
Ich habe es versprochen!
Quajutsu fällt ebenfalls um.
Der Kampf ist zu Ende.
Im Leben eines jeden Menschen gibt es nur einen einzigen schönsten Moment. Ein Moment so randvoll gefüllt mit Wunder und Freude, dass man ihn, wenn man ihn als solchen erkennen würde, schon gar nicht mehr richtig genießen könnte. Der schönste Moment im Leben eines jeden Menschen offenbart sich immer erst im Nachhinein. Eine kurze Erkenntnis am Ende des Tages, eine wehmütige Erinnerung nach einem Jahr, ein sanftes Lächeln auf dem Sterbebett. Der schönste Moment im Leben eines Menschen, das wertvollste Erlebnis – und Craig musste sich erinnern.
Nervös am Kragen seines Hemds zupfend, wartete Craig darauf, dass die schwere Eichentür sich öffnen würde. Dreimal war er mit seinem klapprigen Kleinwagen an der Einfahrt vorbeigefahren, die ihn schließlich durch eine perfekt gepflegte Parkanlage zu dem mächtigen Anwesen geführt hatte, vor dessen Tür er nun stand. Die wuchtige Tür und die imposanten Säulen wuchsen über ihn hinaus und verstärkten das Gefühl, klein und unbedeutend zu sein. Seine Kleidung aus zweiter Hand und der billig erworbene, geflochtene Korb voller Essen, der noch auf dem Beifahrersitz stand, schienen auf einmal nur noch lächerlich. Alles in Craig schrie danach, auf dem Absatz kehrt zu machen und das Weite zu suchen und wäre die Tür noch einen Augenblick länger verschlossen geblieben, hätte er seinem Instinkt wahrscheinlich Folge geleistet. Doch jetzt stand sie vor ihm und strahlte ihn an wie vergangene Woche, als sich in der Stadtbibliothek ihre Blicke das erste Mal getroffen hatten. Ganz entgegen seiner Art hatte Craig da sein Buch niedergelegt und war zu ihr herübergegangen. Nicht zu langsam, um nicht merkwürdig zu wirken und nicht zu schnell, um seine Nervosität etwas zu verbergen. Er war davon überzeugt gewesen, sie hätte sein Herz hören müssen, so stark und schnell warf es sich wieder und wieder von innen gegen seine Brust, während er sich vorstellte und sie um ein Date bat. Und nun stand er hier und war ein wenig schäbig und unglaublich nervös und sie stand dort und war reich und wunderschön mit ihrem großen Hut und dem weißen Sommerkleid, in dem sie sich einmal drehte und dann zu ihm nach draußen trat.
„Du hast mir noch gar nicht verraten, was du vorhast“, begrüßte sie ihn und grinste ihn schelmisch an. Zwei Reihen perfekt weißer Zähne blitzten ihm im Licht der Sommersonne entgegen.
„Ich habe… einen Picknickkorb dabei, wenn du magst“, druckste Craig herum, der sich seiner Sache auf einmal überhaupt nicht mehr sicher war. Wenn man in so einem Anwesen wohnte, dann hatte man doch sicherlich andere Ansprüche an Verabredungen, geschweige denn erste Dates. Doch wieder einmal überraschte sie ihn, denn sie nickte heftig mit dem Kopf, sodass ihre blonden Locken auf und nieder wippten. Mit vier Schritten war sie an ihm vorbei und an seinem alten Auto, wo sie bereits neugierig durch die Scheiben spähte.
„Ich kenne den perfekten Ort“, bestimmte sie dann und stieg ein, den Picknickkorb auf ihren Schoß nehmend. Perplex schaute Craig sie noch einen Moment lang an und beeilte sich dann, selbst einzusteigen, den Motor zu starten und ihren Anweisungen Folge zu leisten. Die gesamte Fahrt aus der Stadt hinaus, hörte sie nicht auf zu reden. Alles begeisterte sie und füllte sie mit Lebensfreude: „Siehst du das alte Haus da drüben? Ich liebe es ja, wenn Hauswände komplett mit Efeu bedeckt sind, klar, dass ist nicht so gut für die Steine, aber es sieht einfach so süß aus – hier vorne musst du übrigens rechts. Und schau mal, im Garten haben sie ein Baumhaus gebaut, das wollte ich schon immer mal machen, aber irgendwie bin ich inzwischen zu alt dafür, vielleicht, wenn ich selbst mal Kinder haben sollte.“ In diesem Moment verliebte sich Craig in sie.
Eine gute halbe Stunde außerhalb der Stadt, am Rande eines kleinen Waldes, bedeutet sie ihm, den Wagen anzuhalten und noch bevor der Motor sein letztes Geräusch gemacht hatte, war sie schon mit dem Korb im Arm herausgesprungen und ein paar Meter vorausgelaufen. Noch einmal zehn Minuten führte sie Craig durch die Natur, zeigte ihm Pflanzen und Vögel und brachte ihn wieder und wieder zum Lächeln.
„Jetzt mach mal die Augen zu“, befahl sie ihm, „dann wirkt das besser!“ Und weil Craig sich bereits verliebt hatte, folgte er ihrer Anweisung, schloss die Augen und fühlte Sekunden später ihre zarte Hand in seiner. Zunächst zögerlich, dann schneller ließ er sich den letzten Rest des Weges führen. Das Blätterdach wich und die Sonne drang rot durch seine Augenlider.
„Und jetzt wieder öffnen“, die kindliche Aufregung in ihrer Stimme schwang unverfälscht mit. Es bot sich Craig ein wunderschöner Anblick. Sie waren aus dem Wald herausgetreten und vor ihnen erhob sich ein Hügel mit einem einzigen, großen Baum, von dessen mächtigen Ästen an langen Seilen eine Schaukel hing. Das warme Sonnenlicht beleuchtete die Szenerie und eine angenehme Brise brachte Gras und Blätter zum Tanzen.
„Perfekt“, hauchte Craig und gemeinsam bestiegen sie den Hügel und schwiegen zum ersten Mal, seit sie das Anwesen verlassen hatten, genossen einfach die Nähe des jeweils anderen. Der Wald hinter ihnen wurde klein, an die Stadt war schon lange nicht mehr zu denken, als Craig die rote Decke neben der Schaukel ausbreitete, auf die sie sich gesetzt hatte. Den dicken Schal enger um sich ziehend trat er zitternd zu ihr herüber und der Schnee peitschte ihm in sein Gesicht. Aber er hätte sich in diesem Moment keinen besseren Ort vorstellen können. Und noch in der Bewegung hätte er schwören können, sie wusste bereits, was er vorhatte, denn sie schlug die Hände vor dem Mund zusammen und in ihre großen, blauen Augen wurden feucht, noch bevor sein linkes Knie im Schnee versank und er ihr den Ring präsentierte, für den er das gesamte letzte Jahr lang endlose Überstunden erduldet hatte.
„Ja“, sagte sie. Und er war der glücklichste Mensch der Welt, als sich seine Hand um ihre Schloss und seine Tochter ihn das erste Mal anblickte. Noch so winzig und so verloren in dieser großen Welt, doch behütet hier im Krankenhaus an der Brust ihrer Mutter, die so stolz aussah, denn schließlich war das da vorne ihre Kleine, die gerade eingeschult worden war und Craig traten die Tränen in die Augen, als er sie in der Kirche zum Altar führte.
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„Schalt‘ es ab, wir haben kaum noch Speicher und sowieso schon mehr als genug.“
„Meinst du? Der Alte hat doch sicher noch mehr gute Erinnerungen.“
„Der Kunde ist… Moment… der Kunde ist 46 Jahre alt, dem können wir keine Erinnerungen verkaufen, in denen er älter wäre. Das überfordert das Gehirn. Wir hätten eigentlich schon nach dem Date abbrechen können, das gibt schon gutes Geld.“
Toni drehte sich von dem großen Bildschirm und seinem Partner weg und trat an das Bett auf dem Craig lag. Die Haut des alten Mannes war faltig und die wenigen Haare auf seinem Kopf grau und spröde. Methodisch koppelte Toni die Anschlüsse an Craigs Kopf ab und klopfte dem Bewusstlosen noch einmal anerkennend auf die Brust.
„Kein schlechtes Leben, alter Knabe“, sagte Toni, „Immerhin bleibt die Erinnerung für irgendeinen einsamen reichen Sack da draußen bestehen.“ Mit diesen Worten drehte er sich zu dem jungen Mitarbeiter um, der ein wenig ratlos zurückgeblieben war.
„Du kannst Janine Bescheid geben, damit der Abtransport vorbereitet wird. Wir sind fertig mit dem Alten. Und stell schon mal die Maschine ab, wir haben die Erinnerungen, kein Grund mehr, ihn am Leben zu behalten.
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Im Leben eines jeden Menschen gibt es nur einen schönsten Moment. Ich selbst warte noch darauf, dass er sich mir offenbart, denn ich habe so viel erlebt, an das ich mich gerne erinnere:
Nervös am Kragen seines Hemds zupfend, wartete Thomas darauf, dass die schwere Eichentür sich öffnen würde. Dreimal war er mit seinem klapprigen Kleinwagen an der Einfahrt vorbeigefahren, die ihn schließlich durch eine perfekt gepflegte Parkanlage zu dem mächtigen Anwesen geführt hatte, vor dessen Tür er nun stand.
Kennt ihr das, wenn euch erst im Nachhinein die schlagfertigste Antwort auf den dummen Spruch des Kollegen einfällt? Wenn ihr es bereut, zu einem Freund etwas Verletzendes gesagt zu haben? Wenn ihr erst viel zu spät merkt, wem ihr eigentlich nicht hättet vertrauen sollen? Und kennt ihr es auch, wenn ihr dann noch Tage, Wochen, gar Monate überlegt, was ihr in einer gewissen Situation hättet tun sollen, damit sie besser ausgegangen wäre, oder auch nur, um einem besonders dummen Exemplar Mensch die Meinung zu sagen?
Nun, natürlich kennt ihr das. Jeder von uns tut das. Ich bin da natürlich keine Ausnahme. Nur habe ich vor einiger Zeit etwas sehr Interessantes festgestellt: Ich bin tatsächlich in der Lage, dadurch die Vergangenheit zu ändern. Je lebendiger ich mir meine alternative Vergangenheit ausgemalt habe, umso öfter merkte ich, dass die Leute plötzlich anfingen, so zu handeln, als hätte ich das Vorgestellte wirklich getan. Und so fing ich an, es für mich zu nutzen.
Anfangs nutzte ich es nur für kleine Streiche. Ich ließ mein Gegenüber vergessen, dass er mir gegenüber etwas erwähnt hatte, nur um es dann später zu erwähnen und sein verwirrtes Gesicht zu sehen. Mit der Zeit veränderte ich dann auch größere Dinge. Ich beendete sogenannte Freundschaften schon vor der Entstehung. Ich vermied Fehler in Prüfungen. Und an dieser Stelle merkte ich etwas Praktisches: Die Erinnerungen aus der dazwischenliegenden Zeit, die ich selbst nie sammeln konnte, da ich ja zuerst auf einer anderen Zeitlinie war, kamen irgendwann in mein Gedächtnis. Ich konnte mich an etwas erinnern, was ich nie erlebt hatte.
Die Sache hat nur einen Haken. Ich nenne es Erinnerungsjetlag. Die Erinnerungen an die inzwischen verstrichene Zeit kommen nie direkt. Je nachdem, wie lange die veränderte Erinnerung her ist, dauert es Minuten bis zu einem Tag, bis ich mich an alles erinnern kann. Das brachte mich schon so manches Mal in Situationen, in denen ich dann einfach völlig planlos dastand und nicht mehr durchblickte, was eigentlich vor sich ging. Aber zum Glück habe ich dann ja die Fähigkeit, dafür zu sorgen, dass sich niemand mehr daran erinnert, was zu diesem Zeitpunkt vorfiel.
Leise seufzend erhebe ich mich aus meinem Bett. Halb sieben. Schon wieder um eine Stunde verschlafen. Wenn ich nur vorhin gleich aufgestanden wäre, statt mich noch einmal umzudrehen ... Und schon sitze ich im Auto. Es ist alles so schön einfach, wenn man sich noch nicht einmal umziehen oder ein Frühstück machen muss. Zumindest nicht direkt.
Gähnend fahre ich auf den vollkommen überfüllten Parkplatz und suche verzweifelt nach einer Parklücke. Die Zeit ist knapp, mein Zug fährt schon in fünf Minuten. Aber alle Parklücken, die ich finde, sind entweder zu schmal für mein Auto oder dadurch entstanden, dass jemand zwei Plätze für sich allein beansprucht hat. Seufzend fahre ich bis ans andere Ende des Parkplatzes, wo ich mein Auto tatsächlich noch auf einer freie Stelle parken kann. Ich besorge noch schnell ein Parkticket und renne dann zum Bahnsteig.
Gerade rechtzeitig komme ich an, als der Zug schon steht. Er ist so gut wie leer, nur ein paar Menschen scheinen um diese Zeit schon reisen zu wollen. Ich setze mich an einen freien Platz, einen, an dem eine Vierergruppe sitzen könnte. Hier gibt es sogar eine Steckdose, sodass ich mein Handy aufladen kann, das anscheinend nur noch ein Drittel Akku hat. Ich habe keine Ahnung, warum. Nicht, weil ich mich nicht erinnern könnte. Ich erinnere mich stattdessen daran, wie ich es heute in der Früh ausgesteckt habe, nur, um zu merken, dass der Akku nur auf fünfzig Prozent stand. Vielleicht ist es einfach Zeit für ein neues Handy.
Ein gut gekleideter Mann setzt sich mir gegenüber. Direkt ist er mir unangenehm, wo doch das ganze Zugabteil leer ist. Warum setzt man sich ausgerechnet zu der einzigen anderen Person? Ich merke, wie der Kerl mich anstarrt. Hätte ich mich nur irgendwo anders hingesetzt ...
Ich finde mich in einem anderen Zugabteil wieder. Außer mir ist niemand hier, bis ich eine Tür höre. Derselbe Mann wie gerade eben kommt herein und setzt sich wieder mir gegenüber. Ich lasse meinen Blick über ihn schweifen. Weißer Anzug, weiße Hose, weiße Schuhe. Es ist fast unglaublich, wie viel Weiß dieser Mann an sich trägt. Im extremen Gegensatz dazu stehen sein schwarzer Aktenkoffer, seine schwarzen Haare und die schwarzen Augen, die mich geradezu durchbohren. Er ist mir unheimlich. Jetzt noch mehr als zuvor. Zögerlich wage ich es, seinen Blick zu erwidern.
"Was wollen Sie von mir?"
Keine Reaktion seinerseits. Sein Blick scheint sich nicht eine Sekunde von mir zu lösen, als er anfängt zu lächeln.
"Es ist ein wunderschöner Tag, finden Sie nicht auch?"
Ich verstehe nicht ganz, was diese plötzliche Frage soll. Ich nicke langsam.
"Ich finde es schön, mit der Bahn zu reisen. Man sieht so viele Landschaften. So viele Menschen", fängt er an zu reden. Ich nicke erneut. "Übrigens, mein Name ist Alexander", stellt er sich vor.
"Sebastian", antworte ich kurz. Der Mann lächelt, als hätte er eine wertvolle Information gewonnen. Ich bereue es sogleich, ihm meinen Namen mitgeteilt zu haben. Ich muss es rückgängig machen.
Ich befinde mich in derselben Situation wie eben. Ein Mann, der mich grinsend anstarrt.
"Nicht sehr gesprächig heute, wie?", sagt er. "Wie unhöflich, auf so eine freundliche Konversation nicht einzugehen. Und schauen Sie mich doch nicht so an, als wäre ich ein Monster, Sebastian." Ich erstarre. Meine Erinnerung ist schon da. Ich habe ihm nie mitgeteilt, wie ich heiße.
"W-woher kennen Sie meinen Namen?" Doch der Mann grinst nur. Ich versuche, ihn zu ignorieren. Mir fällt nur eine Möglichkeit ein, wie er meinen Namen hätte erfahren können. Aber das kann doch kaum sein, oder? Er kann doch nicht dieselbe Fähigkeit haben wie ich, oder? Vor allem, wie hätte er mich finden sollen, mich, von allen Menschen? Ich wage es kaum, ihn anzuschauen. Er weiß etwas über mich. Mehr, als mir lieb wäre, nehme ich an.
Die Situation wird mir zunehmends unangenehm. Ich will mit diesem Mann nichts zu tun haben. Vielleicht hätte ich den Weg mit dem Auto fahren sollen, auch, wenn es deutlich teurer sein wird. Aber das ist mir inzwischen egal. Ich will nur weg von hier.
Ich befinde mich auf der Autobahn. Es hat nicht viel Verkehr, ich werde also vermutlich pünktlich ankommen. Im Rückspiegel sehe ich die Sonne zwischen den Bergen aufgehen. Ich schalte das Radio an, um mich etwas von den Geschehnissen des Tages abzulenken. Es funktioniert. Erleichtert atme ich auf, als ich feststelle, dass die Fahrt bisher ohne seltsame Vorkommnisse vonstatten gegangen ist.
Mit einem Signalton teilt mir mein Auto mit, dass ich tanken sollte. Auf einem Schild sehe ich, dass schon in wenigen hundert Metern eine Raststätte mit Tankstelle ist.
Nachdem ich getankt habe, stelle ich mein Auto auf den Parkplatz und gehe in die Raststätte hinein. Ich bestelle mir einen Kaffee und setze mich an einen Tisch. An meinem Getränk nippend schaue ich auf mein Handy. Es hat nur noch zehn Prozent Akku. Fluchend schalte ich den Flugzeugmodus ein, in der Hoffnung, dass es so wenigstens noch lange genug hält, falls es einen Notfall gibt.
"Hallo, Sebastian."
Erschrocken sehe ich auf. Da steht er schon wieder.
"Wie oft haben wir uns nun schon getroffen? Ist dies nicht das dritte Mal?" Grinsend setzt er sich mir gegenüber.
"Wer sind Sie? Was wollen Sie von mir?", frage ich mit zitternder Stimme.
"Ich will nur freundlich plaudern", antwortet er. "Und ich bin Alexander. Aber das habe ich doch in der Bahn bereits gesagt. Wie vergesslich von Ihnen."
"Woher wissen Sie von Dingen, die nie passiert sind?", frage ich vorsichtig. Ich weiß nicht, ob ich die Antwort kennen will. Ich weiß nicht, ob diese unangenehme Stille nicht besser ist als die Antwort.
"Woher wissen Sie, dass diese Dinge nie passiert sind?"
Erneut herrscht Stille. Der Mann grinst mich an, und ich starre zurück.
Das Stadion ist bis auf den letzten Platz gefüllt, die Menge tobt und die Die Sonne steht heute so hoch wie noch nie. Die Tradition schreibt vor das heute der erste Titelkampf der Saison stattfindet. , keiner kennt den Grund dafür, Außer dem Champion
Der Herausforderer betritt das Stadion, in seinen Augen ist Entschlossenheit zu erkennen. er dreht sich um und mustert das Stadium es ähneln stark einem Kolosseum, was dem Herausforderer sofort auffällt ist der leere steinerne Thron auf der andere Seite vor dem Tunnel.
“Du hast es also endlich geschafft“, Flüstert er sich selbst zu.
Plötzlich ändert sich die Atmosphäre des Stadions von einer Sekunde auf die andere das Publikum ist von einer erdrückenden Stille gehüllt.
„ Was ist hier los?“ Fragt sich der Herausforderer Innerlich.
durch den Tunnel auf der anderen Seite sind Schritte zu hören,
eine Silhouette ist zu erkennen, daneben scheint auch ein kleinerer Schatten zu sein.man erkennt den Umriss eines Weinroten Umhangs über seiner Schulter.
Der Champion betritt das Stadion, keiner Jubelt ,das Publikum schweigt.
er ist der einzige Champion der es je geschafft hat seinen Titel über 10 Jahre lang zu verteidigen,als er sich auf seinen Thron setzt fängt die Menge plötzlich an zu toben.
„Du bist unschlagbar Ketchum“ ,Schreit die Menge heraus.
„ Mach ihn fertig Pikachu“, brüllt der nächste.
Auf der Schulter des Champs lächelt die kleine Elektromaus das Publikum an.
„Pikaa pi“ ,antwortet Pikachu zurück.
der Herausforderer lächelt selbstzufrieden zum Champion, der erst jetzt realisiert gegen wen er antreten muss sein Blick scheint voller leere zu sein, er lächelt nicht mal zu Pikachu rüber, der ihn oft mit einem Traurigen Blick ansieht.
„ Du bist es“, Flüstert er sodass nur Pikachu ihn hören kann
„es ist lange her“ , Sagt er schließlich emotionslos zu ihm
„Ash Ketchum ich fordere dich heraus!“ , Antwortet er ihm.
Der Champion hat seine Herausforderung angenommen, sie kämpfen beide mit nur einem Pokemon.
„Gary!, nein Professor Eich!, ich werde dich wie jeden anderen fertig machen ich kann nicht besiegt werden, viele haben es versucht, doch keiner hat auch nur eins meiner Pokemon besiegt“,sagt er ohne jedes Gefühl zu ihm.
„ Das werden wir ja sehen“, antwortet Gary ihm.
Er wirft den Pokeball und Turtok erscheint in einem Wimpernschlag erkannte Gary ein kleines lächeln ,auch wenn es nur sehr kurz war. Ash wirft seinen Pokeball, heraus kommt sein stärkstes Feuerpokemon Glurak.
„Wieso schickst du Pikachu nicht rein“, wundert Gary sich.
„ich habe Pikachu in den 10 Jahren nicht einmal eingesetzt, weil es nie notwendig war. Der Schiedsrichter hat den Kampf eröffnet, doch gerade nachdem Gary seinem Turtok eine Attacke zu rufen will, schießt ein übermächtiger Solarstrahl über das Feld direkt auf Turtok zu. er wird gegen die Wand der Tribüne geschleudert und ist auf der Stelle Kampfunfähig.
„Turtok kann nicht mehr weiterkämpfen, Ash Ketchum hat seinen Titel erneut verteidigt!“, beendete der Schiedsrichter das Spiel.
Die Menge schweigt, der Champ hat sich nicht einmal während das Kampfes die Mühe gemacht aufzustehen, Pikachu liegt auf seiner Schulter seelenruhig und ruht sich aus, in seiner Miene lässt sich ein Hauch von Traurigkeit erkennen. Gary starrt fassungslos zu Turtok rüber, er kann es einfach nicht glauben wie stark Ash geworden
aus dem Naiven verspielten Trainer von früher, wurde ein Monster das keine Emotionen beim Siegen hat.
„Wie konntest du Turtok mit nur einer Attacke besiegen?, es war zwar eine der stärksten Pflanzenattacken, trotzdem hätte ich nicht so schnell verlieren dürfen“sagte Gary fassungslos.
„schau zur Sonne und denk nach“, antwortet Ash in einem leicht verwunderten Ton.
Das Publikum schaut erhaben zu Glurak runter, sie scheinen auch nicht zu glauben wie Glurak, Turtok so schnell besiegen konnte.
„doch nicht etwa?, dein Glurak hat die Fähigkeit Solarkraft nicht wahr?“ schlussfolgert Gary.
„das sollten Basiskenntnisse für einen Professor sein, und jetzt geh aus meinem Stadion, das nächste Opfer wartet“ antwortet Ash in einem abwertenden Ton.
Mit diesen Worten verlässt Gary das Stadion ohne auch nur zurückzublicken. Er kann es nicht glauben das sein ältester Rivale und gleichzeitig bester Freund zu so einer Person geworden ist.
„Da war noch was in seinen Augen, sagt Gary sich in Gedanken, er hat oft zur Sonne geschaut, als wenn er auf etwas wartet, Ash, was hast du Bloß am Horizont gesucht?, Gluraks Solarkraft war purer Zufall, diesen Angriff von Glurak hast du selbst nicht kommen sehen,nicht wahr?“.
Ash Blickt seinem alten Freund hinterher.
„Wer hätte gedacht, dass mein Glurak noch stärker ist, als es sowieso schon war“.
Pikachu ist in der Zwischenzeit aufgewacht es wirkt so, als wenn es sich innerlich auf einen großen Kampf vorbereitet und Kräfte sammelt. Ash krault Pikachu am Kopf, es freut sich über diese Streicheleinheit.
„Pikachu?“, fragt er schließlich seinen Kumpel.
„Piika?“, antwortet er fröhlich während er gekrault wird.
Ash schaut zum Publikum.
„ Das was wir suchen wird nie auftauchen“, sagt er mit hoffnungsloser Stimme.
Als Ash diese Worte ausspricht, hört er Schritte, sie scheinen aus dem Tunnel, auf der anderen Seite zu kommen. Ash zeigt keine Reaktion, von den immer näher kommenden Schritten.
„Mein Nächstes Opfer ist wohl gleich dran“, Bringt er als einzige Reaktion hervor.
Die Schritte werden immer Ohren betäubender, als sich schließlich die Person zeigt.
Ash hat zum ersten Mal einen Hauch, von Verwunderung in seinem Blick gezeigt.
„ heute sehe ich wirklich viele bekannte Gesichter, was willst du in Kanto?“ fragt er in einem leicht arroganten Ton.
Der Herausforderer hebt seinen Meisterball, blickt zu Ash und sagt:
„Ich der ehemalige Champ von Sinnoh, fordere dich heraus Ash Ketchum“.
Ash schaut zu ihr rüber, seine Aufmerksamkeit richtet sich jedoch an den Meisterball in ihrer Hand.
„ ein interessanter Ball den du da hast, was hast du damit gefangen, ein Karpador?“.
Der Herausforderer schweigt doch der Blick in ihren Augen ist konzentriert, mit ihren gelben Haaren und ihrem schwarzen Outfit wirkt sie sehr selbstbewusst.
„Du sollst deinen Kampf haben Cynthia, ich hoffe du hast dich von deiner letzten Niederlage erholt, ich mach dich nämlich fertig“, bringt er schließlich hervor.
Cynthia schaut plötzlich schmerzerfüllt zu Ash rüber und denkt kurz über die Worte, des Jungen nach, der früher noch Träume und Hoffnungen hatte.
„ ich werde dich befreien Ash, du musst den Geschmack, der Niederlage kosten den du so sehr vergessen hast und wieder auferstehen,wie ein Phönix aus der Asche“, beschließt Cynthia in Gedanken.
„ wirf endlich deinen Ball“ sagt er ungeduldig.
Cynthia wirft ihren Meisterball, als er sich öffnet und das Pokemon herauskommt, gab es ein lautes Dröhnen von sich. Die Menge staunt mit offenen Mündern über dieses Pokemon. Ashs Augen waren von Unglaubwürdigkeit gefüllt, zum ersten Mal steht er von seinem Thron auf, mit Pikachu auf seiner Schulter.
„warst du in Johto unterwegs?“fragt er voller staunen.
„die Strudel Inseln dort waren sehr interessant, in einer Höhle hab ich dieses Lugia entdeckt und es erkannte mich nach einem erbitterten Kampf als seinen Trainer an, ich wollte es nicht mit meinem Meisterball erzwungen fangen, es musste es von sich aus wollen“ ,antwortet sie mit leicht stolzer Stimme.
„ Pikachu wird Zeit das du dich mal austobst“, sagt Ash zu seinem Freund.
Gerade als Pikachu anfangen wollte zu kämpfen schauen beide Pokemon hoch zur Sonne
Ein Regenbogen hat sich gebildet und hoch an der Sonne kam etwas auf das Stadion zu geflogen
Ashs Blick hat sich plötzlich geändert diesen Moment wird Pikachu nie vergessen, Ash wird von Tränen am Ganzen Gesicht überrannt, denn er weiß ganz genau was da auf sie zugeflogen kommt, er hat auf diesen Moment schon seid 10 Jahren, mit Pikachu hin trainiert.
„Pikachu mein Freund“, sagt Ash während er seine Kappe in sein Gesicht runter zieht, „ es ist endlich soweit der Kampf gegen Ho-Oh beginnt“.
Cynthia schaut zu Ash rüber und versteht sofort das er auf diesen Tag gewartet hat dieser Kampf ist sein Schicksal.
„Ash was verbindet dich mit Ho-Oh?“, fragt sie ihn voller Neugier.
„er ist das Symbol ,von Pikachus und meiner Freundschaft, damals lagen wir beide nebeneinander, als die Habitak uns angegriffen haben und da sah ich es zum ersten Mal, diesem Pokemon bin ich soviel dankbar und diese Dankbarkeit will ich ihm durch einen Kampf beweisen“, antwortet er nostalgisch.
Ho-Oh landet im Stadion und Blickt in Ashs Augen aber nicht nur in seine, Lugia und Ho-Oh schauen einander konzentriert an, sie brennen förmlich darauf gegeneinander zu kämpfen.
„Ho-Oh kämpfe mit mir ich brauche diesen Kampf“fragt Ash dieses Majestätische von Farben geprägte Pokemon.
Ho-Oh nickt und bringt sich in Kampfstellung genau wie Pikachu. der Kampf begann so schnell wie er endete einen Läuterfeuer mache Pikachu Kampfunfähig doch Ho-Oh erkannte Ash an, denn er zeigte auf seinen Meisterball den Ash bei sich am Gürtel Trägt, Ash verstand sofort und warf ihn Ho-Oh war gefangen und der eigentlich Kampf begann erst jetzt. Ash ist ist wieder von neuem entfacht und dieser Kampf gegen Cynthia und ihr Lugia wird mein neues Abenteuer prägen
beide warfen ihre Meisterbälle und der Kampf begann.
Von der allerersten Sekunde an hatte Sophie diese wunderschöne massive Tür aus dunklem Walnussholz geliebt. Trotz ihrer Größe und dem vergoldeten Griff wirkte sie niemals ausladend oder dekadent, im Gegenteil; sie strahlte eine Wärme und Anziehungskraft aus, der sich Sophie nicht entziehen konnte. Vielleicht lag es aber auch an dem kleinen Fenster, dass in die Eingangstür des kleinen Ladens ihrer Tante eingelassen war, und das gerade so groß war, dass man erahnen konnte, was sich dahinter verbarg. Die Holztür würde von zwei Fenstern flankiert, doch beide waren zu weit oben angebracht und zu dunkel, um etwas erkennen zu können. Selbst wenn Sophie sich streckte so weit sie konnte – es war unmöglich alles zu sehen. Also bettelte und drängte sie ihre Tante Amélie schon fast dazu, sie möge doch nun endlich die Türe aufschließen und ihr den Laden zeigen, von dem sie schon so oft Geschichten gehört hatte.
Das Schloss öffnete mit einem leisen Klacken und sogleich ertönte der sanfte Klang eines Glöckchens, als Amélie die Tür aufschob und Sophie hineinließ. Diese fand sich in einem dunklen Raum wieder, so dunkel, dass sie nicht mehr als Lichtreflexe und etwas Grau erkennen konnte. Sie gab sich Mühe, ihre Enttäuschung zu verbergen; das hier war garantiert nicht das kleine Wunder, das ihre Tante ihr versprochen hatte.
Sie schmunzelte bei dieser Erinnerung. Wie jung sie noch gewesen war, als Amélie sie das erste Mal mitgenommen hatte. Ob es die kribbelnde Neugier oder doch nur die Einsamkeit war, die sie ihre Tante bedrängen ließ, ihr zu zeigen wohin sie die meiste Zeit des Tages verschwand, vermochte sie jetzt, gut zwanzig Jahre später, nicht mehr zu sagen. Obwohl eher letzteres der Grund war, denn einsam war sie zu dieser Zeit auf jeden Fall gewesen. Noch zu jung, um in die Schule zu gehen, und gerade erst mit dem Verlust ihrer Eltern gezeichnet.
Noch immer war es viel zu dunkel, um auch nur eine winzige Kleinigkeit zu erkennen, und langsam wurde Sophie ungeduldig. Was war denn nun hier so besonders? Warum verbrachte ihre Tante so viel ihrer Zeit hier, anstatt sich um sie zu kümmern und mit ihr zu spielen?
Schmollend drehte sie sich um, zurück zu der Tür, die mittlerweile zurück ins Schloss gefallen war. Sie wollte hinaus, auf die Straße, wo es nach süßem Gebäck und Frühlingsblumen duftete. Sophies Hand lag schon auf der Tür, fuhr tastend und suchend über das weiche Holz, als sie inne hielt. Irgendetwas hielt sie davon ab, noch länger nach dem Türgriff zu suchen, etwas, das ihr sanft und weich und beinahe liebkosend in die Nase stieg. Ein Geruch, der so viel schöner war als das, was sie draußen erwartete. Vielleicht sogar besser als der Duft von frisch aufgebackenen Croissants.
Sophie bemerkte erst, dass sie die Augen geschlossen hatte, als sie sie öffnete und der Laden auf einmal in ein warmes Licht getaucht war. Staunend sah sie sich um – der Raum war klein und verwinkelt und voll gestellt; überall waren Tische mit mindestens hunderten von Schubladen und Regale, die bis unter die Decke ragten, mindestens fünf mal so hoch wie Sophie groß war. Es war vollkommen still, nicht einmal der Lärm der Leute vor der Tür kam bis zu ihnen durch. Das kleine Mädchen hatte das Gefühl, sich wahrhaftig in einer vollkommen anderen Welt zu befinden.
Lavendel. Damals hatte sie den Geruch von Lavendel in der Nase gehabt, als sie kurz davor war, dieses Wunder zu verlassen ohne auch nur einen Blick darauf geworfen zu haben. Wäre sie damals nicht zu überwältigt und überrascht gewesen, hätte sie noch so viele andere Düfte wahrnehmen können – denn während es für manche kaum möglich war, auch nur einen der Gerüche wahrzunehmen oder auch nur zu benennen, hatte Sophie schon immer eine besonders sensible Nase gehabt. Und Lavendel hatte sie schon immer am meisten geliebt.
Gedankenverloren betrachtete sie die sorgfältig aufgereihten Flacons und Fläschen auf dem Tisch vor ihr. Die verschiedenen Glasgefäße waren mit Amélies Handschrift versehen: auf der einen Seite reihten sich Jasmin-, Lavendel- und Rosenessenzen aneinander, aber auch exotischere Blüten wie Nachthyazinthe und Neroli. Daneben waren die Gewürze beinahe penibel angeordnet; Ingwer, Vanille, Nelken, Zimtrindenöl und viele weitere, die Sophie allerdings bei weitem nicht so häufig für ihre Parfums verwendete. Auch wenn sie es liebte, immer wieder vollkommen neue Düfte zu entdecken, indem sie die verschiedensten Öle und Essenzen miteinander verband und kombinierte, so griff sie doch immer wieder auf ähnliches zurück. Bei ihrem ersten Besuch als Kind hatte sie wohl kaum erfassen können, was für ein Wunderwerk Amélie Tag für Tag in ihrem Laden immer wieder aufs neue vollbrachte.
Der Tag war schon lange der Nacht gewichen, und die schwachen Lampen beleuchteten nur spärlich den Raum. Sophie wusste nicht, ob es der Kummer und die Trauer war, die sie immer wieder zurück in den Laden führten, oder die Macht der Gewohnheit. Wie viele Tage, Stunden, Sekunden hatte sie hier in ihrem Leben schon verbracht?
Vorsichtig, aber routiniert öffnete sie eines der vorderen Gefäße, wohl eine der letzten Düfte, an denen ihre Tante gearbeitet hatte, und ließ mithilfe einer Pipette einen einzigen Tropfen auf ihr Handgelenk fallen. Sanft und bedacht hob sie die Hand zu ihrer Nase – sie war sprachlos. Dieses Parfum war schlichtweg überwältigend. Fließend ging ein Geruch in den anderen über, überlagerte den nächsten und wie aus dem Nichts kam ein weiterer, vollkommen neuer hinzu, der sich wunderbar harmonisch zu den anderen fügte. Sophie vermochte nicht zu sagen, welche Bestandteile dieser Duft enthielt, und es war ihr unmöglich, jeden einzelnen herauszufiltern, so sehr sie sich auch konzentrierte. Auf der Suche nach Hinweisen drehte sie das Gefäß, und was sie dort las trieb ihr die Tränen in die Augen. Nur zwei Worte standen auf dem Aufkleber, in einer vertraut geschwungenen Handschrift: » Für dich. «
Sie konnte nicht sagen, was ihr Leben mehr verändert hatte; war es das erste Mal, als sie Amélies Laden betreten hatte, oder doch der Moment, als Sophie den Flacon gefunden hatte, der eigens für sie bestimmt war – lange nachdem Amélie gestorben war? Mit den Jahren war der Wunsch in ihr, eines Tages das Lebenswerk ihrer Tante vorzuführen, immer weiter gewachsen, doch nur Sekunden nach diesem einen Augenblick war sie sich in ihrem Entschluss sicher; obwohl sie wusste, dass sie niemals an Amélies Kreationen herankommen würde, so blieb es doch an Sophie, ihr Vermächtnis in Ehren zu halten.
Ihre zarte Hand, mittlerweile gezeichnet vom Alter, zitterte leicht, doch sie zögerte nicht, als sie zum letzten Mal die schwere Holztür zuzog und den schmalen Messingschlüssel im Schloss herumdrehte. Mit leisem Kummer im Herzen setzte sie einen langsamem Schritt hinaus in die kühle Herbstluft. Als sie den Blick hob, um noch einmal den Anblick des Ortes, den sie so sehr liebte, in sich aufzunehmen, seufzte sie vernehmlich und ihr Atem tanzte vor ihr in der Luft. Dunkelrote und strahlend orangene Herbstblätter wirbelten um Sophie herum, als sie sich mit einer Hand auf auf ihren Stock gestützt auf den Weg machte; in der anderen Hand hielt sie einen Flacon wie eine kleine Kostbarkeit. Ein leises Lächeln umspielte ihre schmalen Lippen, während sie erneut tief in Gedanken versank, getragen von diesem einen Duft, der unendlich viele Erinnerungen zurückzubringen vermochte. Zurück zu unzählbar vielen glücklichen Sekunden in Amélies Gesellschaft, eingehüllt in den Geruch von Zimt, Vanille und Lavendel.
Stumm sah ich zum Meer hinaus. Der Vollmond stand bereits hoch am wolkenlosen Himmel, als ich meinen starren Blick in Richtung Horizont richtete und von der Klippe sah. Fast kniend saß ich im weichen Gras und fühlte die sanfte Brise auf meiner Haut, die mich frösteln ließ und mein hellblaues Kleid umspielte. Ich schlang die Arme um meinen Körper und haschte nach Wärme, als sich neben mir ein leuchtender Schein in der Luft ausbreitete. Das Wesen, von dem das Licht ausging, schlug mit seinen kleinen Flügeln, um mit mir auf Augenhöhe zu sein und ich drehte meinen Kopf langsam nach.
„Hallo Nana“, begrüßte ich die Fee, die sich daraufhin verbeugte und mich sanft anlächelte.
„Wie geht’s dir, Siri?“, fragte mich Nana, die mir ihren kleinen Zauberstab mit dem Stern vorne drauf entgegenhielt. „Du wirkst schon wieder so abwesend.“
Ich seufzte unmerklich und sah wieder in Richtung des Meeres. „Weißt du, ich hab Heimweh. Es ist schon so elend lange her, seit ich das letzte Mal Zuhause war und ich frage mich, wie es den anderen geht.“
„Das ist aber kein Grund, dass du die letzten Wochen abends immer hier draußen bist. Deine Eltern machen sich Sorgen.“
Bedächtig schüttelte ich den Kopf. „Du weißt, dass sie nicht meine richtigen Eltern sind. Ich bin ihnen dankbar, dass sie mich vor einem Jahr aufgenommen haben, aber …“
„Ist schon gut.“ Nana bedachte mich darauf, still zu sein und verschränkte die Arme vor ihrer Brust. „Aber es ändert nichts daran, dass sie sich Sorgen machen.“
Zwischen uns breitete sich Stille aus. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte, denn Nana hatte natürlich recht damit. Sie hatten sich jederzeit hervorragend um mich gekümmert und mir ihre ganze Liebe geschenkt, als ob ich ihr eigenes Kind gewesen wäre. Und dabei hatten sie mich doch gar nicht gekannt!
Nana flatterte mehrere Male um mich herum und verteilte glitzernden Staub. Ich lächelte, da ich mich immer gefragt hatte, woher dieser kam. Ihre kleinen Flügel machten nämlich nicht den Eindruck, als ob sie ihn bewusst zaubern würde, um damit eleganter zu wirken. Schließlich stoppte sie in meinem Sichtfeld und sah mich durchdringend an, während sie den kleinen Stab in beiden Händen hielt.
„Siri, hast du dich eigentlich entschieden, was du tun möchtest?“
„Du meinst …?“
Nana nickte. „Ja. Dein Wunsch von vor einem Jahr. Heute ist nämlich der Tag, an dem sich deine Zukunft entfalten wird.“
Ich erinnerte mich, als ob es gestern gewesen wäre. Damals hatte ich diesen einen Wunsch, ein fremdes Land kennenzulernen, aber es hatte keine Möglichkeit gegeben, dass er sich irgendwie erfüllen konnte. Bis ich Nana getroffen und ihr davon erzählt hatte; von meinen Vorstellungen und auch von meinen Zweifeln, ob ich damit am Ende glücklich werden würde. Sie hatte so geduldig zugehört und ich hatte schon fast gedacht, sie würde mir nicht glauben. Aber Nana war sehr gütig gewesen und hatte mir versprochen, dass sie mich nach einem Jahr wieder nach meiner Entscheidung fragen würde. Und heute war es so weit.
Ich atmete tief ein und wieder aus. Nach all der Zeit, in der ich über beide Seiten nachdenken konnte, war mir bewusst, was ich wollte. Ich sah Nana mit entschlossenem Ausdruck in den Augen an, der sie wohl auch sofort überzeugte.
„Das weiß ich. Und ich will zurück. Zurück in meine Heimat und zu meinen richtigen Eltern.“
Nana schenkte mir daraufhin ein warmes Lächeln und flitzte wieder einige Male um mich herum. Ich versuchte ihr nachzusehen, schaffte das aber natürlich nicht und begnügte mich allein mit ihrer Anwesenheit.
Schließlich spürte ich tatsächlich eine Veränderung. Ich sah auf meine Hände und bemerkte, wie sich dort der glitzernde Staub festlegte. Immer mehr breitete sich in der Luft aus und ich erinnerte mich wieder, als Nana bereits einmal dieses Kunststück vollführt hatte. Damals war ich ebenso überrascht gewesen und ich wusste nicht, wie mir geschah. Aber es war eine lehrreiche Erfahrung, die ich gemacht hatte.
Nach einigen weiteren Sekunden flatterte Nana wieder zu mir und sie zeigte mit ihrem Stab in meine Richtung.
„Also gut, Siri. Die Vorbereitungen sind abgeschlossen. Möchtest du dich vorher noch von deinen Eltern verabschieden?“
Langsam drehte ich mich um. Auch wenn ich weit und breit nicht mehr sah als den großen Wald, wusste ich, dass in dieser Richtung mein Zuhause lag. Der Ort, an dem ich das letzte Jahr verbracht hatte und an dem mir so viel Liebe geschenkt wurde. Mit meiner rechten Hand berührte ich die Brust an der Stelle, an der sich das Herz befand. Ich spürte, wie es gleichmäßig schlug und ich fühlte mich mit einem Mal wieder ruhig und besonnen. All die Wärme, die mir zuteil wurde; ich würde sie nicht vergessen.
Nach wenigen Momenten sah ich Nana wieder an und schüttelte den Kopf. „Nein. Ich denke, sie werden es verstehen, wenn ich weg bin. Aber ich möchte für sie singen, damit sie wissen, dass ich da bin.“
„Gut. Ich hätte auch nichts anderes von dir erwartet“, meinte Nana tadelnd und ich musste lachen. Sie hatte mich immer genauestens beobachtet und wusste einfach, wie ich tickte.
„Dann heißt es jetzt wohl … Abschied nehmen, nicht wahr?“, sagte sie daraufhin leise und ließ den Kopf hängen. Ich lehnte mich zu ihr hin und bedeutete ihr mit einem Finger, mich anzusehen. Sie offenbarte mir Tränen, die sie nicht mehr zurückhalten konnte und unaufhaltsam ihr kleines Gesicht runter kullerten.
„Aber Nana, es ist doch alles gut“, beschwichtigte ich sie, worauf sie nun ihren Kopf schüttelte.
„Nein, ist es nicht! Ich hatte schon so vielen Wesen geholfen, aber bisher war keines davon so außergewöhnlich wie du. Dieses eine Jahr … Es war so kostbar.“ Sie schniefte einmal kurz. „Ich werde dich vermissen!“
Ich strich ihr über den Kopf und bedeutete ihr, sich zu beruhigen. „Nana, es ist okay. Kein Abschied ist für immer und auch wir werden uns wieder sehen. Wie sagten meine Eltern doch so schön: Man sieht sich immer zweimal im Leben.“
Sie flatterte daraufhin zu mir und umarmte, so gut es ging, mein Kleid. „Das hast du doch von den Menschen, nicht wahr?“
Ich kniff die Augen zusammen und nickte daraufhin stumm. Ob Nana es gesehen hatte oder nicht, wusste ich nicht, aber sie entfernte sich wieder etwas von mir.
„Gut. Dann will ich dich nicht länger aufhalten“, sagte sie unter Einsatz all ihrer Kräfte und sie schenkte mir ihr wärmstes Lächeln, das ich je gesehen hatte.
„Du hältst mich nicht auf. Aber ich wollte die letzten Momente hier mit dir genießen und mir die Zeit nehmen. Und du sollst wissen, dass ich dieses eine Jahr nicht vergessen werde. Auch dich nicht, Nana.“
„Siri“, antwortete sie schwach und schniefte noch einmal. „Mach’s gut.“
„Du auch, Nana“, verabschiedete ich mich von ihr und stand auf. Eine weitere kühle Brise umspielte mich und schien mich nach vorne zum Klippenrand drängen zu wollen. Ich schloss die Augen.
Schließlich rannte ich los und stieß mich kopfüber von der Klippe. Im Flug öffnete ich die Augen und ich sah unter mir im Schein des Mondlichts das rauschende Meer, welches mit jeder Sekunde näher kam. Selbst der Vollmond spiegelte sich im Wasser direkt unter mir und schien mich empfangen zu wollen. Der Wind blies mir um die Ohren und ich glaubte taub zu werden, bis schließlich die Erlösung kam. Ich tauchte durch den sich spiegelnden Mond ins Wasser ein und schwamm einige Züge. Mit einem Blick nach hinten sah ich, dass sich meine Beine zu einem Fischschweif verändert hatten. Die Lebensfreude kehrte in mich zurück und ich wusste:
Hier gehörte ich hin. Das Heimweh war endlich zu Ende.
Traumartisten
Tosender Applaus füllte die aufgestaute Luft über den Rängen und dem sandigen Rund der Manege. Wieder und wieder traten die Künstler vor, um sich zu verneigen und ihren jüngsten Bewunderern zuzublinzeln. Nach und nach wurde es unruhiger im Publikum und die ersten Besucher kämpften sich bepackt mit Kindern und Kameras durch die Enge zum Ausgang des gestreiften Zelts. Einzig ein älterer Mann, dessen klassischer Anzug nicht so recht zu seiner bunten Umgebung passen wollte, blieb sitzen bis der letzte Lärm verflogen wahr. Dann erhob er sich und trat hinaus in die grelle Sonne. Für einen Moment erstarrte er und es war als trennte ihn von dem Trubel auf dem Vorplatz mehr als nur seine Garderobe. Dennoch beachtete ihn niemand, als er in einem günstigen Augenblick den Weg zu den Privatbereichen suchte.
Etwas pikiert rümpfte er die Nase, als er sich den ersten Käfigen näherte und die Vorstellung hier als kleiner Junge gespielt zu haben, kam ihm absurd vor. Darian war ergraut. Nicht nur sein Anzug spiegelte wieder, wie wenig er noch dazugehörte, auch der Dienstwagenschlüssel in dessen Tasche war höchstens ein zusätzliches Indiz dafür, nein, es war als hätte der Staub der Zeit den bunten Glanz der Vergangenheit schon längst unter sich begraben. Er hoffte, dass keiner ihn erkannte, als er etwas ziellos an den Wohnwägen vorbeistrich, bis er vor einem eierschalfarbenen Wagen mit blauen Sternen erneut innehielt.
Wie die meisten Zirkuskinder erlebte auch Darian die Distanz, die ihn als Angehörigen des Künstlervolks von seinen Mitschülern trennte. Freundschaften zu Außenstehenden waren selten, denn mit zunehmender Distanz ließ die Frequenz aller Briefe und Telefonate mehr und mehr nach, bis am Ende oftmals nicht viel mehr verblieb als ein fahler Beigeschmack.
Doch wie jede Regel hatte auch diese ihre Ausnahmen und Darians Ausnahme war Sophia.
Unendliche Wochen hatte er in einem Sommer in einem ihm sonst bedeutungslosen Gymnasium gesessen und den sanften Fall ihrer braunen Haare beobachtet, wie besessen von der Vorstellung sie mit seinen festen Händen zu berühren und zu zwirbeln, während er die Wärme ihres Körpers an seiner nackten Brust fühlte. Aus praktischen Gründen hatten die meisten Artisten ihrer Gruppe Kurzhaarfrisuren oder trugen Kunsthaarperücken die längst verklebt wahren von Unmengen an Haarspray.
Auch als sie ihn das erste Mal ansprach, außerhalb der Schule in der Stadtbibliothek, hielt er seine Hände geballt in seinen Taschen und konzentrierte sich auf ihre leuchtend blauen Augen.
"Du bist Darian, nicht? Ich erinnere mich an dich aus Physik. Stimmt es, dass du Artist bist?"
Ihr Interesse war nicht aufgesetzt oder oberflächlich, wie er es so oft erlebte und so kam es, dass sie nur wenige Stunden später beide unter dem grünen Vordach des Wohnwagens saßen, in dem er zur damaligen Zeit noch mit seiner Familie lebte.
"Hatte ich mir irgendwie ... auffälliger vorgestellt!", waren ihre Worte gewesen, als sie an den vielen bunten und schrillen Mobilhäusern vorbei gegangen waren und vor seinem unscheinbaren Zuhause standen. Auch wenn sie dabei, versetzten ihre Worte ihm einen Stich und nur wenige Tage später saß er schwitzend in der heißen Sonne, um unter dem kritischen Blick seines Vaters die Schablonen mit dem Blau zu füllen, das ihn an ihre Augen erinnerte.
Die Last der Jahre pressten gegen seine Brust, als Darian tief einatmete und den Kopf abwandte. Er schwitzte und es schien ihm als würde die flirrende Luft sich um ihn drehen als stünde er im Zentrum einer Windhose. Für einen Moment lehnte er sich gegen einen Holzmasten, der eines der vielen Vordächer trug und widerstand dem Drang auf dem Absatz kehrt zu machen und zu seinem schwarzen Dienstwagen zurückzukehren, der verlassen in der prallen Sonne auf dem Vorplatz stand. Dann fiel sein Blick zurück auf sein altes Zuhause und er fragte sich, wer dort mittlerweile lebte und ob man von ihm erzählt hatte. Alles hatte er damals zurückgelassen, als er fortgegangen war, denn nichts sollte ihn mehr mit seinem früheren Leben verbinden. Doch Gedanken ließen sich nicht wegsperren, sie blieben. Quälten ihn über die Jahre. Er war zu stolz geblieben sich Hilfe zu suchen, so sagte er es sich. Im Grunde war es aber vor allem die Angst gewesen, sich der Wahrheit zu stellen: Es war nicht das Licht, das sie geblendet hatte, bei einer ihrer Aufführungen. Er hatte sein Wort gebrochen.
Oft saß sie unten am Rand der Manege, für ihn plötzlich wieder in unerreichbarer Ferne, während er am Zenit des Zelts seine neuste Performance probte. Sie neugierig und offen und er spürte, dass sie seine Übungen viel lieber ergänzen als beobachten würde. Zuerst sorgte er sich, da er wusste, wie Eltern reagieren konnten, sollten sich ihre Kinder für das Vagabundenleben entscheiden, zudem war sie noch nicht volljährig, doch als er nach quälenden Monaten der Trennung in die Stadt zurückkehrte und sie wiedertraf, dauerte es nicht mehr lange bis sie sie eines Abends in seinen Armen lag und ihm erzählte, worüber sie zuvor geschwiegen hatte. Zäh verging von da ab die Zeit bis zu ihrem Abschluss, doch noch in der Nacht ihrer Zeugnisverleihung stand sie mit einer dunkelblauen Reisetasche vor der Tür des gesternten Wohnwagens, den Darians Eltern ihm zur Volljährigkeit überlassen hatten. Und sie beide begannen mit dem Training um ihre verlorenen Jahre nachzuholen. Sie hatte Turnerfahrung und lernte schnell. Doch vor allem war sie beliebt und die misstrauischen Schausteller und Artisten akzeptierten sie in ihrer Mitte. Sie lachte viel und ihre Geschichten erhellten die Stimmung am Abend. Nur Darian kannte eine andere Seite an ihr, die sie sonst verbarg. Wenn ihre Stimme zitterte und brach und er ihren warmen Atem spürte, während er durch ihr weiches Haar fuhr.
Ihre Worte würde er nie vergessen, doch ihr Klang hatte sich über die Jahre verändert. Blechern hallten sie wieder und wieder in seinem Kopf, brachten ihn nachts um den Schlaf und am Tage um seine Konzentration. Manchmal ergriff ihn die Furcht bei dem Gedanken, ihre wahre Stimmfarbe womöglich schon längst vergessen zu haben und er versuchte die Möglichkeit zu verdrängen.
Seine Finger suchten den Schlüssel, der ihn erdete und von seinem alten Leben trennte. Ihm war übel und er hatte genug. Es war selten, dass Zirkuskinder die Gemeinschaft verließen und sein Neustart war hart gewesen. Doch nur mit der Illusion eines anderen Lebens konnte er seines fortführen nachdem er ihres genommen hatte. Tief in Gedanken versunken schlurfte er zurück zu seinem Wagen, vorbei an dem großen Plakat am Eingang, das er bei seiner Ankunft gar nicht bemerkt hatte. Wie erstarrt blickte er in sein junges Ebenbild und die zerbrechlich wirkende Frau mit dem glänzenden braunen Haar.
"In Erinnerung an Darius und Sophia - Großartige Künstler, die immer ein Teil unserer Familie bleiben werden."
Tränen füllten seine Augen und er spürte, wie die Last auf seinen Schultern ihn zu Boden drückte. Die Gewissheit, die er verdrängt hatte, traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht: Er hatte die Wahl zwischen einem Leben voller Bedeutungslosigkeit, dass er sich selbst vorspielte, oder er konnte sich seiner Vergangenheit stellen und zurückkehren zu all jenen, die er zurückgelassen hatte, als er vor Verantwortung geflohen war, vor den Urteilen derer, die ihn womöglich als Mörder ansahen, als unfähig seine Partnerin zu schützen.
Er wollte nicht länger weglaufen. Er wollte leben. Langsam richtete er sich auf und ging den Weg zurück, den er hergekommen war. Doch dieses Mal zog er sein Sakko aus und sein weißes Hemd leuchtete in der grellen Sonne. Unter einigen wachsamen Blicken schritt er zu dem Wohnwagen mit dem inversiven Himmelszelt und klopfte an die Tür.
Es war das erste Mal, dass sie in der Höhe probten. Das Netz würde sie schützen, aber das machte den Fall kaum minder furchtsam.
Ungeschickt nestelte sie an dem Gummi an ihrem Handgelenk, bevor sie ihre Haare zusammenband. Sie trat einen Schritt zurück und hielt inne, schüttelte dann den Kopf und lächelte ihn direkt an.
"Ich bin soweit!"
Er nickte ruhig und griff nach ihrer Hand. Warm lag sie in seiner und er spürte ihre weiche Haut trotz des schützenden Magnesias. Dann begegnete sich ihr Blick und er nahm die Nervosität wahr, die sie krampfhaft zu verstecken versuchte.
"Versprichst du mir, dass du mich immer auffangen wirst?"
"Ich verspreche es."