Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“
  • [Blockierte Grafik: http://68.media.tumblr.com/8b6…dpdjC7941tiyj7vo1_500.jpg]


    „ I'm like a time bomb, ticking in your head
    Paranoia, clouding your judgment“
    - A Day To Remember


    [b]» Inhaltsverzeichnis
    Heavy
    Funkeln
    Staub
    Von Kurven und Geraden - Stau
    Maskerade
    Stimme(n)
    Von Exponentialfunktionen - Unterschiede
    Ausweglos
    Geradebiegen
    Neubeginn
    Erloschen
    Leer
    Euphoria


  • Externer Inhalt www.youtube.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.


    Heavy


    Seufzend stand er auf, schob den morsch wirkenden Holzstuhl zurück und lief zur Tür. Auf seinem Tisch hinterließ er einige Zettel auf denen in einem chaotischen Wirrwarr aus Buchstaben und Zahlen etliche Formeln und Zeichnungen zu finden waren. Es war kaum einem Menschen auf der Welt möglich zu verstehen, was er zu Papier gebracht hatte, und auch wenn man ihn wahrscheinlich loben und feiern würde, so war es doch nicht das, was er eigentlich wollte.
    Vor drei Jahren hatte Leonardo den Nobelpreis für neue Erkenntnisse auf dem Gebiet der theoretischen Physik erhalten, wirklich interessiert hatte er sich dafür aber nicht. Er hatte genickt, in die Kamera gelächelt, und sich am Abend zurück an seinen alten Schreibtisch mit Holzstuhl gesetzt und bis spät in die Nacht, im Schein einer kleinen Tischlampe, an neuen Ideen und Vorstellungen gearbeitet. Den Nobelpreis hatte er verliehen bekommen, für eine bahnbrechende neue Technologie auf dem Gebiet der Energiegewinnung mit der er im besten Fall sowohl das Klimaproblem als auch das Ressourcenproblem lösen konnte. Aber seit dieser Nacht, in der er von der Verleihung nach Hause kam, betäubt von den vielen Gesprächen die er führen musste, den Fotos, auf denen er zumindest lächeln musste und dem ganzen Lob, hatte ihn die Angst gepackt.


    Leonardo kam zurück in den Raum, eine Tasse Kaffee in der Hand, und setzte sich wieder an seinen Arbeitsplatz. Er trank eilig einen Schluck und stellte sie dann auf den Tisch, möglichst weit weg von seinen Aufzeichnungen. Er warf einen Blick auf eine Art Pinnwand, die ihm direkt gegenüber an der Wand hing. Beinahe ehrfürchtig zuckte Leonardo beim Anblick der Zeile zusammen, die ihn in jener Nacht in ein tiefes Loch aus Angst und Verwirrtheit geworfen hatte.
    Sein Uni-Professor hatte immer gesagt: Der Mensch kann immer weiter und weiter forschen, doch irgendwann wird er auf natürliche Grenzen stoßen. Sei es Gott, sei es Mutter Natur … Er sollte lieber nicht versuchen, gegen Gott anzukämpfen. Leonardo hatte ihn stets für diese Kombination aus globalisiertem, wissenschaftlichem Denken und Religion bewundert und ärgerte sich täglich umso mehr, dass er diese goldene Regel gebrochen hatte.
    Auf dem Zettel, den er seitdem ganz oben an seine Pinnwand gehängt hatte, stand eine Formel, die, anders als die meisten anderen, nicht mit einem Gleichheitszeichen sondern mit einem Ungleichheitszeichen verbunden war. Und das zog fundamentale Konsequenzen nach sich, nur wusste das niemanden. Und es wollte auch niemand wahrhaben.


    „Wenn die Energielevel von Materie und Anti-Materie aus dem Gleichgewicht geraten … das Ausmaß ist unendlich und die Schäden sind höchstwahrscheinlich irreversibel.“
    Oft sprach Leonardo mit sich selbst, manche hatten ihm bereits unterstellt er leide an einer psychischen Krankheit, doch auf diese Weise kam er einfach besser mit dem endlosen Schwall an Gedanken und Ideen in seinem Kopf klar; so konnte er sie sortieren. Häufig versuchte er auch zu zeichnen, auch wenn er künstlerisch relativ unbegabt schien. Die Kritzeleien halfen ihm, das Gedachte zu strukturieren und zu verarbeiten.
    Er senkte seinen Blick wieder auf den Stapel an Papier direkt vor ihm und zog eines mit einer solchen Zeichnung heraus. Es zeigte eine Art Spirale, die eine große Öffnung besaß und dann immer kleiner wurde. Er hatte sie schwarz angemalt und sie mit einem großen Fragezeichen tituliert.


    „Aber nein … Das interessiert niemanden. ‚Gut gemacht, Leonardo‘, sagen sie. ‚Wir sind stolz auf dich‘, sagen sie“. Er schüttelte verachtend den Kopf.
    „Wenn sie wüssten! Sie wollen es gar nicht wissen! Alles schieben sie auf mich, all die Verantwortung und all die Last …“


    Die Sonne schien schon langsam wieder aufzugehen, als Leonardo die Augen zum ersten Mal in dieser Nacht von alleine zufielen. Er schreckte aus Reflex hoch, guckte einen Moment um sich und senkte dann langsam seinen Kopf wieder.
    „Wieso?“, flüsterte er auf einmal.
    Er stand auf, lief hektisch ans Fenster, riss es auf und schrie: „Wieso ich?“
    Sein Kopf sank wieder hinab, seine Augen liefen seinen Körper hinab, bis sei bei seinen Füßen angekommen waren. Er blickte auf seine Hände, hob sie, bewegte und drehte sie.
    „Ich bin doch wie alle anderen. Was habe ich getan, dass ich so anders bin?“ Seine Stimme klang brüchig und ihm Licht der langsam aufgehenden Sonne blitze eine Träne in seinem Auge auf. Er erließ seinen Liedern einen Moment die Arbeit und genoss nur für den Hauch einer Sekunde die Wärme und Energie, die die Sonne ihm spendete. Dann atmete er, sichtlich versuchend sich selbst zu beruhigen, durch und öffnete die Augen schließlich wieder.


    Just in diesem Moment klopfte es an der Tür und eine Krankenschwester betrat den Raum.
    „Guten Morgen, Leonardo“, sagte sie freundlich. „Sind sie schon oder noch wach?“ Sie musterte ihn mit einer Mischung aus Ratlosigkeit und Bewunderung in ihren Augen, schüttelte dann den Kopf und lief auf seinen Schreibtisch zu. Dort füllte sie ein Glas mit Wasser und legte eine kleine Pille neben das Glas.
    „Ihre Morgenmedizin liegt bereit, sagen sie mir nur Bescheid, wenn sie etwas essen wollen.“ Sie nickte ihm zu und machte bereits Anstalten den Raum wieder zu verlassen, als Leonardo plötzlich schnellen Schrittes auf sie zu ging und sie mit sehr hartem Griff am Arm festhielt.
    „Hören sie, gute Frau“, zischte er mit einem bedrohlichen Ton in seiner immer noch brüchigen Stimme, „Sagen sie denen endlich, dass sie das nicht einfach so umsetzen können, wie ich es ihnen vor einiger Zeit vorgelegt habe. Ich werde es noch einmal wiederholen: Es droht der Tod unseres Universums!“
    Sie blickte ihn für einen Augenblick bestürzt an und verharrte in ihrer Position, bis ihr merklich der Arm weh tat und sie ihn ruckartig aus seinem Griff riss. Sie klopfte einmal über ihre Uniform und strich sie wieder glatt, bevor sie ihn erneut, diesmal sehr bestimmt, jedoch mit einer Spur von Mitleid, musterte.
    „Leonardo, sie wissen doch … Sie machen sich immer zu viel Sorgen. Was sie für die Welt tun ist ganz wundervoll!“ In ihrer Stimme lag eine Gleichgültigkeit die ihres gleichen suchte, als sagte sie dieselben Worte Tag ein, Tag aus, um den Wissenschaftler zu beruhigen.
    „Sie verstehen das nicht! Ich mache mir gar nicht genug Sorgen; sie dürfen das nicht tun!“ Leonardo versank beim Aussprechen dieser Worte bereits wieder in seine eigenen Gedanken und anstatt dabei laut zu werden, murmelte er die letzten Fetzen nur noch vor sich hin und kehrte den Frau schließlich den Rücken. Zügigen Schrittes lief er zu seinem Schreibtisch, kramte hektisch nach einem leeren Blatt und begann in unrhythmisch wirkenden Bewegungen neue Formeln aufzuschreiben, sie wieder durchzustreichen, zu optimieren und weiter umzuformen, nur um sich nach einigen Momenten wütend wieder aufzurichten und das Blatt zu zerreißen.
    Ein enttäuschtes Aufseufzen wurde von einem schweren, tiefen Durchatmen begleitet und Leonardo musste sich hinsetzen, den Kopf auf seine Arme abstützend und so sein Gesicht verdeckend.
    „Leonardo, nehmen sie ihre Medizin. Dann geht es ihnen besser“, versicherte die Krankenschwester beschwichtigend, während sie, den Anfall ihres Patienten außer Acht lassend, auf die Zimmertür zuging und den Raum anschließend verließ.


    Nun war er wieder allein, blickte verzweifelt auf die Fetzen des Papiers herab. Wieder eine gute Idee, die durch eine andere Idee zunichte gemacht wurde. Der unendliche Fluss an Ideen, Gedanken, die sich gegenseitig neutralisierten … Er tat weh. Er tat ihm mittlerweile einfach nur noch weh.
    Resignierend griff Leonardo, den Blick bewusst davon abwendend, nach dem Glas Wasser und der Pille. Er legte sie sich auf die Zunge, seufzte noch einmal wehleidig auf, und schluckte die Pille mit einem großen Schluck runter.


    Er lehnte sich in seinen Stuhl zurück und schloss die Augen. Nach einigen Augenblicken machte sich ein warmes Gefühl in seinem Körper breit, plötzlich fühlte er sich so leicht und ließ von all seinen Bedenken und Sorgen los. Dass er eben noch das Schicksal des Universums vermeintlich in der Hand gehalten hatte, hatte er bereits vergessen. Seine Gedanken schienen für einen Augenblick Ruhe zu geben und das schwere, beständige Rauschen des Flusses verlor sich in einem großen, tiefen See.

  • Hallo Avalanche,


    willkommen im Bereich! Für den Anfang hast du auch eine relativ interessante Lektüre vorbereitet. Und doch gibt es einige Dinge, die mich an der Konzeption etwas stören; mit denen möchte ich auch gleich mal anfangen.


    Zum einen ist da dieser Nobelpreis. Du erwähnst, dass es sich dabei um theoretische Physik handelt und Leonardo gar nicht mal so sehr daran interessiert schien. Stattdessen hat er in der Nacht weiter gearbeitet und ist wohl auf diesen einen Fehler gestoßen, der ihm seitdem Angst einjagt. Oder schon davor, als er Zuhause ankam, das geht nicht so recht hervor.
    Jedenfalls: Warum hat er die Theorie überhaupt veröffentlicht, wenn sie offenbar nicht komplett war? Unvorsicht, Neugierde oder einfach dieser Heureka-Moment, der zwischen Wissenschaftlern geteilt werden will, um die Theorie noch weiter zu entwickeln? Letzteres scheint wohl zuzutreffen, ansonsten würde ihn jetzt nicht die Angst jagen. Wobei natürlich die Frage ist, auf welchem technischen Stand wir uns befinden, denn Antimaterie scheint noch immer recht weit weg zu sein. In Bezug auf die Formel ist seine Angst nachvollziehbar, aber mir persönlich fehlt hier der Weg zu dieser Angst. Wie er zu dieser Erkenntnis kam und was an dem Abend passiert ist.
    Davon abgesehen finde ich die Prämisse interessant. Niemand möchte seiner Formel glauben und nun möchte Leonardo einen Ausweg suchen, um mit der Idee doch keinen Schaden verursachen zu können. Gerade dieser Gedanke, dass die ganze Menschheit dadurch ausgelöscht werden könnte, ist ein interessanter Grund dafür, dass er sich selbst zu Höchstleistungen antreibt.
    Irritiert hat mich dann noch die Krankenschwester. Ich nehme mal an, dass er wegen seiner Fantasien und vermutlich auch Gewaltausbrüchen eingeliefert wurde, aber es ist ein merkwürdiger Bruch im Vergleich zum Anfang. Da hat man noch dieses Gefühl eines einzelnen Zimmers in Leonards Wohnung und dann wird offenbart, dass er sich schon an einer ganz anderen Stelle befindet. In so einem Fall wäre es wohl ganz gut, anfangs kurz zu erwähnen, wie die Einrichtung aufgebaut ist (Krankenhäuser arbeiten ja viel mit Weiß, das würde schon mal einen recht sterilen Eindruck vermitteln). Sollte da jedoch ein Zeitsprung dazwischen gewesen sein, dann war dieser nicht ersichtlich.


    Alles in allem interessanter Aufbau, aber auch teils recht wirr. Ich bin auf jeden Fall gespannt, was noch kommt und sage schon mal: Wir lesen uns!

  • willkommen im Bereich! Für den Anfang hast du auch eine relativ interessante Lektüre vorbereitet.

    Hallo Rusakla! Danke dafür und danke natürlich allem voran für deinen Kommentar! :)


    Stattdessen hat er in der Nacht weiter gearbeitet und ist wohl auf diesen einen Fehler gestoßen, der ihm seitdem Angst einjagt. Oder schon davor, als er Zuhause ankam, das geht nicht so recht hervor.

    Das ist eine Information die ich eigentlich eher absichtlich weggelassen habe, weil sie mir nicht wichtig erschien. Ob er das Problem nun vor, während oder nach der Verleihung entedeckt hat ... Ist doch eigentlich egal, oder findest du nicht? Die ganze Nobelpreisverleihungsgeschichte diente nur dem Zweck zu zeigen, dass er für seine Arbeit viel Respekt erhält, er einen "Durchbruch" erreicht hat (d.h. natürlich auch wirtschaftlich gesehen etwas wichtiges gefunden hat), ihn das aber wenig interessiert. Die Inspiration für diese abwehrende Haltung rührt von Grigori Jakowlewitsch Perelman, der ein Millenium Problem löste aber den Preis ablehnte. Ich kenne die genauen Hintergründe nicht, aber auf Heavy projeziert: Leonardo ist unzufrieden mit seiner Arbeit, sie scheint ihm nicht fertig. Für die Wirtschaft (d.h. für den Umsatz und das Geld!) reicht es aber erstmal. Die beachten nämlich dieses Problem nicht, das er noch gefunden hat.


    Warum hat er die Theorie überhaupt veröffentlicht, wenn sie offenbar nicht komplett war?

    Lässt sich nur mutmaßen. Entweder dachte er, sie wäre bereits komplett, bis er den Fehler fand oder er wurde dazu "bewegt" von Konzernen, die die Technologie nutzen wollen um mehr Geld verdienen zu können. Eigentlich wollte ich die Kritik an dem Problem Wirtschaft nutzt Technologie aus noch ausführlicher einbringen, aber irgendwie hat es sich dann so ergeben, dass es doch relativ verschleiert nur enthalten ist ... Ein Beispiel hierzu vielleicht noch: Atomphysik im Allgemeinen wurde schon immer wirtschaftlich ausgenutzt, obwohl es oft warnende Stimmen aus der Wissenschaft gab, die davor gewarnt haben, diese Technologien zu verwenden, bevor man sie ausreichend erforscht hat. Nicht umsonst bereute Einstein später, dass er Präsident Roosevelt damals in einem Brief riet Atombomben zu bauen/verwenden.


    Wobei natürlich die Frage ist, auf welchem technischen Stand wir uns befinden, denn Antimaterie scheint noch immer recht weit weg zu sein.

    Unsere Erkenntnisse steigen exponentiell. ;) Mal ganz abgesehen davon könnte die Geschichte ja auch in ein paar Jahr(zehnt)en spielen.


    Irritiert hat mich dann noch die Krankenschwester. Ich nehme mal an, dass er wegen seiner Fantasien und vermutlich auch Gewaltausbrüchen eingeliefert wurde, aber es ist ein merkwürdiger Bruch im Vergleich zum Anfang. Da hat man noch dieses Gefühl eines einzelnen Zimmers in Leonards Wohnung und dann wird offenbart, dass er sich schon an einer ganz anderen Stelle befindet. In so einem Fall wäre es wohl ganz gut, anfangs kurz zu erwähnen, wie die Einrichtung aufgebaut ist (Krankenhäuser arbeiten ja viel mit Weiß, das würde schon mal einen recht sterilen Eindruck vermitteln). Sollte da jedoch ein Zeitsprung dazwischen gewesen sein, dann war dieser nicht ersichtlich.

    Da muss ich dir auf jeden Fall deutlich recht geben. Ich denke, ich habe schlichtweg die falsche Bezeichnung für die Frau gewählt. Ich habe mir das in etwa so vorgestellt: Leonardo wurde von einem Konzern oder einer Firma dazu beauftragt, diese Technologie weiter voran zu treiben bzw. vielleicht auch noch weitere zu entwickeln und wird aber, aufgrund seiner labilen Psyche unter medizinische Aufsicht gestellt. Er erhält also eine Art persönliches Labor, wird aber überwacht (und zusätzlich mit Psychopharmaka versorgt). Vielleicht kennst du die Serie "Fringe"? Bis auf die medizinische Komponente ist das mit dem Wissenschaftler Walter Bishop ganz ähnlich und daran habe ich mich auch orientiert. Aber du hast vollkommen recht, das habe ich nicht wirklich richtig formuliert. Ein Zeitsprung war nicht dazwischen, tatsächlich ist die erzählte Zeit nur wenige Stunden lang, nämlich vom späten Abend bis zum frühen Morgen.


    Danke nochmal!
    Ich freue mich natürlich über weitere Kommentare :)

  • Ob er das Problem nun vor, während oder nach der Verleihung entedeckt hat ... Ist doch eigentlich egal, oder findest du nicht?

    In meinen Augen ist es schon wichtig zu wissen. Grundsätzlich hast du nämlich nur angesprochen, dass er nach den ermüdenden Interviews und Fotos nach Hause kam und "ab diesem Abend" Angst hatte. Es macht hier durchaus einen Unterschied, wie er selbst mit dem Problem während dieser Verleihung umgegangen ist. Denn wenn er schon vorher von dem Fehler wusste, dann wäre er hier natürlich von Anfang an um einiges angespannter gewesen, da er praktisch für die Wissenschaft lügen musste, um keinen falschen Eindruck zu erwecken. Dadurch wäre die Verleihung für ihn auch nicht von Wert gewesen, da er schon intensiv an einer Lösung gearbeitet hätte. Wenn ihm die Erkenntnis während der Verleihung kam, hätte das für temporäre Unruhe gesorgt, wodurch er vielleicht auch bei den Medien aufgefallen wäre (denn so plötzlich nach der Verleihung einen Fehler zu entdecken gleicht quasi einem Schlag ins Gesicht). War es erst nachher der Fall, dann wäre es für die Verleihung selbst nicht relevant gewesen, aber für ihn selbst, da die Feier nun schon offiziell festgehalten ist und sich die Theorie nicht mehr revidieren lässt. Das heißt, er hatte hier gar keine Zeit, sich überhaupt damit auseinanderzusetzen, was einen Unterschied zum ersten der drei Fälle darstellen würde.
    Sein Blick auf die Nobelpreisverleihung verändert sich je nachdem, wann er auf den Fehler kam und zeigt auch ein Stück seines Charakters. Panik hat er auf jeden Fall, aber damit würde auch gezeigt werden, unter welchen Umständen er selbst in den drei Jahren arbeiten musste und welchen Wert die Verleihung in dem Zusammenhang eigentlich hatte. Und da wäre es dann auch möglich gewesen, die Wirtschaft aktiv einzubinden.


    Ich hoffe jedenfalls, dass das deine Frage beantwortet.

  • Warnung:
    Die Kurzgeschichte behandelt das Thema Drogen.



    Externer Inhalt www.dailymotion.com
    Inhalte von externen Seiten werden ohne Ihre Zustimmung nicht automatisch geladen und angezeigt.
    Durch die Aktivierung der externen Inhalte erklären Sie sich damit einverstanden, dass personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu haben wir in unserer Datenschutzerklärung zur Verfügung gestellt.


    Funkeln


    Das war einer dieser Momente, die ich einfach nutzen musste. Die ich so oft nicht genutzt hatte und von denen ich mir vorgenommen hatte, sie zu nutzen. Noch immer jubelte der ein oder andere über den Ferienbeginn, doch ich war in Gedanken bereits ganz wo anders.
    „Hey, du“, quiekte ich fröhlich. Die Tonhöhe und wie unglaublich kindisch ich dadurch wirkte, war mir so peinlich, dass ich mich, nachdem ich mich zu ihm gedreht hatte, direkt wieder wegdrehte und in meine Haare lachte.
    „Was gibt’s?“, antwortete der Junge neben mir mürrisch. Mit seinen kurzen, braunen Haaren und dem schwarzen T-Shirt über das er eine Jeansweste trug wirkte er vollkommen normal. Normaler Junge, normaler Alltag. Normales Leben.
    Ich zögerte. Überlegte, wie ich formulieren sollte. „Ich wollte dich etwas fragen, Elias“, brachte ich etwas brüchig hervor. Doch langsam fasste ich mich wieder: „Und zwar …“
    Er hob seine Augenbrauen, wandte sich mir nun endgültig zu. Sein Blick wirkte zunächst starr und aussagelos, doch je länger ich seine Augen ansah, desto mehr verlor ich mich in diesen. Wild um mich schlagend wehrte ich mich gegen den Sog der Strömung seines tiefen Blaues und hielt mich an dem Floß meiner Frage fest.
    „Wieso …“, ich stockte. Ein Aufhorchen. Ein Durchatmen. „Wieso erzählst du nicht einfach was von dir?“ Mit einem Mal war es mir einfach rausgerutscht. So direkt, so laut wie es nur möglich war. Peinlich berührt sah ich mich um, suchte nach fragenden, vielleicht sogar bereits verurteilenden Blicken, bis ich bemerkte, dass Elias mir eindringlich in die Augen blickte.
    „Was meinst du?“, fragte er schließlich ruhig, als ich mich augenscheinlich beruhigt hatte. In seiner Stimme lag eine angenehme Tiefe, ich fühlte mich schon beinahe wieder gefasst von der tiefen Strömung seiner Ausstrahlung.
    Dennoch. Ich wusste nicht wirklich, was ich ihm antworten sollte, schließlich kannte ich ihn kaum. Und er mich nicht. Alles, was ich ihn jetzt noch fragen könnte, würde nur seltsam wirken. Ich beschloss schon beinahe aufzugeben, als mein Blick plötzlich auf seinen Unterarm fiel. Er war in diesem Augenblick noch oben gedreht, sodass ich seine stark herausstechenden Adern deutlich sehen konnte. Und direkt an der Pulsader unterhalb seiner Hand stach mir ein kleines Zeichen entgegen. War das japanisch? Oder vielleicht einfach nur ein Symbol? Erst später begriff ich, dass er ein Tattoo hatte und wie ungewöhnlich das in unserem Alter war.
    „Was ist das auf deinem Arm?“
    Nach meiner erneut sehr direkten Frage zögerte er einen Moment.
    „Das ist ein Symbol. Ein Erinnerungsstück“, antwortete er schließlich, offensichtlich bedacht, so wenig wie möglich zu sagen. Er senkte seinen Blick, fuhr sich durch die Haare. Sie schlugen ein wenig in alle Richtungen aus, jedoch fielen sie letztlich perfekt zurück in Form. Er schüttelte angeregt den Kopf, als ich bereits zur Gegenfrage ansetzen wollte.
    „An eine Freundin“, hauchte er.
    Ich sah ihn an. War er traurig? Ich konnte sein Gesicht nicht sehen, seine Haare fielen nun vor seine Augen und verdeckten das tiefe, funkelnde ozeanblaue Meer, in dem ich mich immer wieder zu verlieren drohte.
    „Wer sind die Leute, mit denen du hier immer unterwegs bist?“, schwenkte ich nach einigen Sekunden der Stille um. Es war mir unangenehm ihn auf ein Thema angesprochen zu haben, was ihn offensichtlich verletzte. Aufgeregt redete ich weiter: „Ich sehe euch immer im Park rumsitzen oder durch die Stadt laufen … Ihr scheint immer viel Spaß zu haben!“
    Er nickte und lachte dabei leise aufatmend auf. „Den haben wir“, gab er kaum vernehmbar von sich. Er klang dabei immer noch sehr traurig.


    „Tu es nie“, flüsterte er plötzlich. Er hob eilig seinen Kopf und durchbohrte mich mit einem Blick der an Ernsthaftigkeit und Deutlichkeit nicht zu übertreffen war.
    „Was meinst du?“, entgegnete ich resigniert. Sein Verhalten verwirrte mich, eben noch schien er traurig und verletzt und plötzlich verhielt er sich anders. Er wirkte ernst, als wüsste er mehr als ich, und sah mich eindringlich an.
    „Du fängst damit an, hast Spaß. Hast noch mehr Spaß. Und noch mehr Spaß. Doch irgendwann hast du keinen Spaß mehr ohne. Und sie wollen dich auch nicht ohne“, hauchte er zitternd.
    Mir schossen tausend und ein Gedanke durch den Kopf. Ich glaubte zu wissen, wovon er sprach. Aber ich wollte es nicht glauben. Erneut wollte ich meine Stimme heben, als er mir zuvor kam.
    „Alice, bitte. Versprich es mir.“
    „Ich kann nicht“, antwortete ich ohne zu Zögern. „Ich will noch so viel erleben, so viel sehen.“
    Mittlerweile hatten alle meine Mitschüler den Klassenraum verlassen und nur wir beide waren übrig geblieben. Und ich fragte mich, ob ich sie je wiedersehen würde.


    Einige Tage später traf ich Elias. Wir verbrachten einen ganzen Tag zusammen, aßen, sprangen und rannten. Wir baten sogar eine fremde Frau im Park darum, ein Foto von uns zu schießen. Voller Gleichgültigkeit betrachtete ich unsere dunklen, blutroten Augen auf meinem Handydisplay. Sie standen in deutlichem Kontrast zu dem weißen Schnee vor mir.
    „Diesmal du zuerst“, hörte ich ihn lachend sagen, doch ich zog bereits.



  • Staub


    „Warum husten sie nicht?“
    „Husten?“, entgegnete ich überrascht; warf ihr einen fragenden Blick zu. Ich sah ihr in die Augen, hellblau glitzernd gleich eines Wassertropfens, welcher sich langsam, voller Anmut, sogar beinahe quälend löste. Ich erinnerte mich an den Tag, an dem sie geweint hat, an denen hunderte, tausende, gar abertausende dieser so winzigen und doch so bedeutsamen Tropfen ihre Wange hinabperlten. Während ich in diesem Moment ein wohliges Gefühl der Zuneigung und vielleicht etwas Bewunderung empfand, so hatte ich damals nur tiefen Schmerz gefühlt. Ich konnte meine kleine Schwester einfach nicht weinen sehen. Bäume würde ich ausreißen, all‘ mein Hab und Gut und sogar mein eigenes Leben geben, um sie zu beschützen. Vor dieser dunklen, grauen Welt, in die sich heute auf beinahe abstruse, nicht nachvollziehbare Weise Lichter verirrt hatten. Lichter, die das drückend, kalt und bedrohlich wirkende Firmament erhellten.
    „Ach egal“, seufzte sie abwesend und hob wieder ihren Kopf. Ich folgte ihrem Blick, schärfte meine Sinne und konzentrierte mich vollkommen auf meine Augen. Dabei blendete ich alles aus, was ich hörte, was ich fühlte, was ich dachte, als hing ich an einer Schlucht und nur eine Hand hielt mich noch in der realen Welt. Diese Hand war was ich spürte. Buchstäblich. Ihre noch so kleinen und verletzlichen Finger ruhten sanft auf meinen und hielten mich fern vom Abgrund, ich konnte ganz beruhigt sein: Solange sie bei mir war, konnte ich nicht fallen.
    Eine Weile schwiegen wir beide und genossen die Stille. Ich fühlte mich an kalte Wintermorgen zurück erinnert. Wenn ich das Haus verließ war es noch dunkel und leise, das einzige Geräusch, das ich wahrnahm, war das rhythmische Knirschen des Schnees, den ich unter meinen Stiefeln platt wälzte. Ohne dem Schnee dabei etwas Böses zu wollen! Ich fühlte mich an gerade diesen Morgen meist schuldig, sobald ich auch nur einen einzigen Schritt in die ruhige, so vollendet wirkende Landschaft trat und mit meinen Handlungen – ganz ungewollt – etwas veränderte. Am liebsten würde ich mich beim Schnee für mein grobes Verhalten entschuldigen, die eiskalte Luft, die sich wie ein Messer an meine Wangen schmiegt, um Verzeihung bitten und den fahlen Schein der aufgehende Sonne bitten sich zu beeilen und mich nicht alleine zu lassen. So emphatisch war ich.
    „Lina?“, brach ich das Schweigen letztlich nach einiger Zeit, „Sag mal …“ Ich stockte. In meinem Kopf hatte ich mir diese Worte schon lange zurecht gelegt, war sie wieder und wieder durchgegangen. Hatte sie verändert. Komplett ausgetauscht. Und selbst die vollendete Fassung der Frage, die ich ihr nie stellen wollte, hörte sich in meinen Gedanken immer noch falsch an. Ich fühlte mich grausam, wenn ich daran dachte, wie schwer es mir fiel, über unsere Mutter zu reden.
    „Was ist denn, Großer?“ Sie zwinkerte mir ermutigend zu. Wieder ertappte ich tiefe Schuldgefühle dabei, wie sie sich in mir breit machen wollten. Wie Nebel schienen sie zunächst nur kleine Teile der Landschaft meiner Emotionen zu bedecken, doch wurde dieser Nebel von Atemzug zu Atemzug dichter und immer mehr nahm er mich ein. Ließ mich verwirrt zurück. Orientierungslos. Hilflos.
    Meine kleine Schwester glich dem rettenden Ruf inmitten des Nebels. Der warmen, bekannten Stimme, die mich aus dem Irrgarten herausgeleiten sollte. Sie gab mir Kraft.
    Ich nahm all‘ meinen Mut zusammen und stellte ihr diese Frage. Jene Frage, die niemals richtig klingen würde. Egal wie ich sie formulieren würde, ich würde sie verletzen. Und mit dem Wimpernschlag, in dem ich sie ausgesprochen hatte, sah ich, wie ein Teil von ihr daran zerbrach. Im Nebel versinkend schrie ich um Hilfe, sah sie gar flehend an, bat sie darum nicht zu weinen.
    Sie erzählte mir, dass sie unsere Mutter sogar sehr vermisste und warf mich gedanklich zurück an diesen Tag, an dem sie geweint hatte. Fürchterlich, bitterlich geweint. Ich sah nun jene Tränen vor mir, die sie schon damals vergossen hatte und fühlte mich so schwach. Einmal mehr konnte ich ihr nicht helfen.
    „Ich glaube, dass sie husten“, schluchzte sie schließlich mit brüchiger Stimme. Ihre Mauer aus Kindlichkeit, Niedlichkeit, Freude und Spaß; sie brach zusammen und offenbarte eine Seele voll von Trauer und Angst. Und ich hatte die Mauer niedergerissen.
    Woran dachte sie nur? „Wer hustet?“, fragte ich sie und versuchte dabei so fürsorglich wie möglich zu klingen. Ich legte all‘ meine Liebe an sie und an unsere Mutter in meine Stimme, streichelte ihr dabei sanft über die Wange und fuhr beruhigend durch ihr blondes Haar.
    „Ist doch klar oder? Überall Staub, da muss man doch husten!“ Sie deutete gen Himmel und ich merkte, wie sehr sie versuchte stark zu wirken; sah ich doch deutlich, wie ihr Arm zitterte.
    Erneut warf ich ihr einen fragenden Blick zu, ratlos stand ich vor ihrem Rätsel.
    „Die Sternschnuppen natürlich“, hauchte sie leise. Ihr leerer Blick suchte am Himmel weiterhin verzweifelt nach dem hellen Licht am dunklen Firmament der Nacht, um sich ihren sehnlichsten Wunsch erfüllen zu können. Unseren Wunsch.
    Doch ich verstand! Manchmal dauerte es einen Moment, bis ich nachvollziehen konnte, wovon Lina redete. Sie war einige Jahre jünger als ich und der Kopf eines so kleinen Mädchens, welches vom Schrecken der Welt bisher nur gehört hatte, tickte ganz anders. Das Schuldgefühl umgriff mich härter, als ich mir vor Augen führen musste, dass dieses Bild eines unschuldigen, nichts ahnenden Mädchens nunmehr jedoch Geschichte war. Sie war bereits mit dem Schrecken der Welt konfrontiert worden.
    „Lass uns husten“, flüsterte ich ihr auffordernd zu, „So wie die Sternschuppen!“
    Nun war sie es, die mir nicht folgen konnte. In ihrem Blick steckte so viel mehr, als nur die Frage danach, was ich damit meinte. Ich erkannte Unzähliges: Warum sie? Warum jetzt? Nicht nur ich hatte mich im Nebel verirrt. Doch im Gegensatz zu ihr, war ich groß und erfahren, ich konnte mich im Nebel zurecht finden. Sie hingegen versank immer mehr in der Tiefe dieses grausamen Nebels, welcher sie umschloss und nie wieder gehen lassen wollte. Doch ich war mir sicher: Mit meiner Hilfe würde sie den Schmerz überwinden.
    „Wir müssen nur den Staub in unserer Welt wiederfinden, dann finden wir uns auch wieder zurecht“, erklärte ich in Selbstverständlichkeit getränkt die Metapher, die meine kleine Schwester vor wenigen Sekunden selbst kreiert hatte.
    „Du meinst die Sterne?“ Ihre Augen weiteten sich aufgeregt, ihre Hand umschloss meine nun beinahe vollständig und sie drückte fest, voller Anspannung zu. Für einen Moment schien es mir, als hätte ich geschafft, was ich noch nie geschafft hatte. Was sie für mich schon immer getan hatte, ganz von allein.
    Ich hatte ihr einen Weg aus dem Nebel heraus gedeutet.
    „Richtig, Lina“, entgegnete ich. Seit Tagen, gar Wochen, hatte ich es nicht mehr getan, doch in diesem Moment überkam mich die Freude ihr helfen zu können: Ich lächelte.
    Einen Moment lang blickte sie mich stirnrunzelnd an. Dann hielt sie sich schützend die Hand vor den Mund und begann zu Husten vor lauter Staub. Und der Himmel begann zu leuchten.

  • Hallo Avalanche. (:


    So, dann bin ich auch mal hier, immerhin muss ich mich ja noch für deinen netten Kommi revanchieren!
    Gleich zu Anfang muss ich sagen, dass du dafür verantwortlich bist, dass ich ne ganze Weile von Heavy von Linkin Park nicht mehr loskam. Youtube scheint den Song zwar grundsätzlich zu hassen, aber ich find den ganz gut. ;) Aber nachdem sich dazu bereits @Rusalka geäußert hat, kümmer ich mich mal um die nächste Kurzgeschichte.


    Funkeln
    Drogen, huh? Na, da bin ich mal gespannt, kommt jetzt was gesellschaftskritisches oder der typische YOLO-Vibe der heutigen Jugend? (Yolo ist für mich ja nur ein Ausdruck von mangelndem Verantwortungsbewusstsein für sich selbst und andere, but, well, that’s just me.)


    Okay, weder gesellschaftskritisch noch übermäßig yolo. So ganz weiß ich allerdings trotzdem noch nicht, wie ich das hier einordnen soll. Auf der einen Seite denk ich mir: Macht doch nicht euer Leben kaputt! Denn, srsly, drogenabhängig kommt man nur ganz schwer weiter. Mal ganz davon abgesehen, dass alles auf die ein oder andere Art den Körper zerstört. Und da denke ich mir dann: wie verantwortungslos kann man sein? Aber gut, zurück zum Text.
    Die Identität des Ich-Erzählers bleibt im ersten Teil des Textes unbekannt. Auf der einen Seite dachte ich mir zwar schon, dass es sich bei der „quiekenden“ Person um ein Mädchen handeln könnte — ich erinnere mich noch gut, wie meine Stimme in Anwesenheit meines Schwarms damals in der Schule eine gar grauenhafte Tonhöhe angenommen hat. Good Grief war das peinlich! —, aber ganz sicher war ich mir nicht. Obwohl, als du anfingst die blauen Augen von Elias mit einem Sog zu beschreiben musste ich wieder an ein Mädchen denken, andererseits wäre das vielleicht auch für einen Jungen nicht untypisch gewesen. (Kenn mich bei gleichgeschlechtlichen Romanzen so nicht aus.) War mir beinahe ein bissl zu viel an der Stelle — vielleicht aber auch deshalb, weil ich immer total die Probleme habe Augenkontakt zu halten, wenn ich nervös bin und solche Momente nicht wirklich nachvollziehen kann.
    Ich muss sagen, ich hätte ähnlich seltsam wie Elias reagiert, wenn mich random jemand fragt, ob ich nicht etwas von mir erzählen soll. Das ist definitiv eine noch merkwürdigere Frage als „Wie geht’s?“. Nachdem Ferienbeginn zu sein scheint, hätte es mehr Sinn gemacht, wenn Alice gefragt hätte, was er in den Ferien vorhat. Aber nachdem sie scheinbar auf ihn steht, sei ihr das verziehen: wer handelt schon logisch, wenn er verliebt ist? (Nobody.)
    Mhm … ich versuch herauszufinden, wie alt Alice und Elias sind, wenn sie ein Tattoo ungewöhnlich findet. Ab wann darf man sich das in Schland noch gleich stechen lassen? War das nicht sechzehn mit elterlicher Erlaubnis? Oder galt das nur für Piercings? Obwohl es natürlich nicht heißen muss, dass Elias tatsächlich die Erlaubnis seiner Eltern hatte sich das Tattoo stechen zu lassen, muss man auch mal sagen. An sich hat Elias nämlich so eine … ich weiß nicht, überhaupt keine „normale“ Aura, wie Alice es noch am Anfang beschrieben hatte. Eher so bissl klischeehaft oder vielleicht auch einfach nur blass. Aber gut, wir lesen das alles aus Alice’ Perspektive und sie hat scheinbar Interesse an ihm, deshalb verwunderte auch die Beschreibung seiner Haare nicht, die perfekt zurück in Form fielen. (Rosarote Brille halt, was will man machen?)
    Natürlich bin ich neugierig, warum Elias dieses Tattoo hat und wer die Freundin war, an den es ihn erinnern soll. Was ist mit ihr passiert? Nachdem das Ganze ja von Drogen handeln soll — was später noch deutlich wird — denk ich natürlich gleich: Überdosis von wasauchimmer. Im Grunde ist es wurscht, von was eigentlich genau. Andererseits nach dem darauffolgenden Absatz dachte ich mir auch, vielleicht wollte sie die Drogen nicht mehr und wurde daraufhin von der Clique — denn die scheint es ja wohl irgendwie zu geben — ausgeschlossen?
    Es ist schon bissl paradox: auf der einen Seite warnt Elias Alice davor, mitzumachen, aber er macht nichts dagegen. Also nicht aktiv, außer halt sie zu warnen. Dabei finde ich Alice Aussage, sie will noch viel erleben und sehen, mehr als … deppert? Wofür braucht sie da Drogen? Wofür braucht sie da Menschen, die sich scheinbar nur wohl fühlen, wenn sie irgendwas intus haben? Geht über mein Verständnis, wirklich. (Aber gut, es geht auch über mein Verständnis, dass Raucher einem raten auf keinen Fall damit anzufangen und selbst aber nicht davon loskommen. Niemand sagt, dass Entzug leicht ist, aber sie scheinen es nicht mal zu probieren?)
    Alice’ Frage am Ende des mittleren Abschnitts ist interessant. Meint sie, dass sie nach den Ferien nicht mehr in die Schule gehen wird?
    Der letzte Absatz ist dann so die traurige Zerstörung der Jugend. Ich mein, es geht ja gleich um hartes Zeug, wenn meine Assoziation von „Schnee“ als Kokain hier richtig ist. Fakt ist, dass sie schon einiges intus haben müssen, wenn die Augen bereits dunkel und blutrot sind. Ach Kinder, macht doch nicht so einen Schmarrn!
    Die Kurzgeschichte ist auf jeden Fall recht lebensnah geschrieben, zumindest meine ich das und das ist hier auch die Stärke des Textes. Das könnte tatsächlich so passiert sein, oder passiert vielleicht auch täglich irgendwo, irgendwann. Ich mag auch deine Sprache hier, passt einfach dazu. Wenn auch vielleicht an ein paar Stellen grenzwertig, aber das kann man verzeihen. Die ganze Thematik Drogen ist halt so dargestellt, wie es ist, im Grunde rutschen ja doch viele einfach rein. Die wenigsten werden das wohl eine direkte Entscheidung dafür treffen, eigentlich würd ich sagen, trifft man immer nur eine direkte Entscheidung dagegen. Allein schon deshalb, weil es schwieriger ist „Nein“ zu sagen und dem Gruppenzwang zu entgehen, als einfach mitzumachen. Nein sagen ist übrigens auch etwas, was einem dann die ganze Zeit begleitet. (Unnötige, persönliche Info am Rande, aber mit meinen 23 Jahren werd ich stetig schief angeschaut, wenn ich sag, ich trink keinen Alk. Und zwar aus dem simplen Grund, weil ich das Zeug eklig finde. Zwar sagen mir immer wieder Leute, ich müsse nur den „richtigen“ Alk finden, aber srsly, so scharf bin ich nicht drauf. Den einzigen Alk, den ich zulasse, ist der Amaretto im Tiramisu. ;) )
    Vielleicht regt mich auch gerade das an dem Text so auf, weil er simpel beschreibt, wie es scheinbar ist. Und das ist dann doch grausam zu lesen. Vor allem, weil das Ende sich so nach sozialem Abstieg liest, nach verbauter Zukunft aufgrund von Drogenabhängigkeit. Und da kann man dann nur hoffen, dass da doch noch einer von beiden — am besten beide — die Kurve kriegen. Aber man weiß es halt nicht …


    Okay, also mein Kommentar liest sich jetzt vermutlich etwas negativer als er gemeint ist. Liegt einfach an der von dir angesprochenen Thematik, nicht am Text an sich. Ich find’s ziemlich mutig sich an so ein Thema zu wagen und dabei auch noch so — ich nenne es mal — lebensnah zu bleiben. Gut gemacht, muss ich sagen. Bin mal gespannt, wie sich das Topic thematisch weiterentwickeln wird. (:

  • Hallo Avalanche,


    ich erinnere mich daran, dass du mir Staub mal Ende 2015 zum Lesen geschickt hast. Gerade in Anbetracht der Zeit, die inzwischen vergangen ist, merkt man auch, dass du dich stilistisch verändert hast und nicht mehr so ausführliche und blumige Umschreibungen nutzt.
    Jedenfalls, Staub. Es ist ziemlich abstrakt geschrieben und das macht die Geschichte nicht unbedingt verständlicher. Besonders bei den vielen Adjektiven und der poetischen Ausdrucksweise fallen kleine Hinweise zur Lösung gar nicht mal so leicht auf, weil diese über den ganzen Text hinter einer Metapher versteckt sind. Keine Frage, Metaphern können richtig gut wirken, aber die sollten, wenn überhaupt, eher zur Auflösung eines Problems verwendet werden und nicht schon bei der Frage danach, warum die beiden eigentlich eine Unterhaltung über hustende Sternschnuppen führen.
    Grundsätzlich finde ich die Idee interessant, dass sich die Schwester aufgrund des vermutlichen Ablebens ihrer Mutter in Verzweiflung befindet und durch ihren Bruder ins Leben zurückgeholt wird. Zwar kommt die Einsicht unerwartet flott, da du von einer Gefühlsregung zur nächsten wechselst und die Schwester wieder ruhig ist, aber insgesamt kann man nachvollziehen, dass sie die Andeutung versteht. Und darüber hinaus sind noch einige andere Elemente in der Geschichte zu erkennen: Der Wunsch nach einer glücklichen Zukunft, das Ablegen der Vergangenheit und vor allem die Freundschaft zwischen zwei Geschwistern, die sich gegenseitig unterstützen. Das alles hast du eigentlich gut untergebracht.


    Wir lesen uns!



  • Von Kurven und Geraden - Stau


    In letzter Zeit gibt es immer wieder Momente, in denen ich einen Augenblick inne halten will und mir eine zentrale Frage stelle, die mir schon so lange durch den Kopf schweift, dass ich mich gar nicht daran erinnern kann, woher sie eigentlich kommt oder wann ich sie zum ersten Mal gedacht habe. Ich sitze im Bus und sehe vor mir einen Stau und frage mich, wie unwirklich kann ein einzelnes Ereignis eigentlich sein?


    Ist es nicht vollkommen absurd? Wir sitzen doch im Straßenverkehr letztlich alle in Fortbewegungsmitteln, die eine gewisse Geschwindigkeit fahren können, sind an Regeln und Gesetze gekettet und haben vor allem die gleichen Mittel. Natürlich sind unsere Straßen begrenzt und wenn eine sehr große Anzahl an Menschen die gleiche Route wählt, ist es nur logisch, dass diese voller ist. Aber trotzdem: Rolle ich einen Ball mit 5 km/h los und rolle einen weiteren Ball, eine Sekunde später, mit der gleichen Geschwindigkeit hinterher und lasse sie eine Ebene ohne Erhöhung und Senkung und ohne jeglichen Widerstrand entlang rollen, so können sie sich eigentlich gar nicht treffen. Zwei Gerade die parallel zueinander sind, aber nicht auf der gleichen Höhe starten, können sich doch auch nie treffen. Wie kann es also sein, dass zwei Autos, die beispielsweise innerorts an ein Tempolimit von 50 km/h gebunden sind, im Stau stehen? Ampeln vielleicht? … Wir wollen gar nicht von Ampeln reden. Meine intuitive Antwort auf meine eigentliche Frage beantwortet genauso die Frage nach Ampeln und allen anderen Möglichkeiten der Regulation, weshalb ich meine Antwort zunächst offenbaren möchte.


    Ich bin in der letzten Zeit zu dem Entschluss gekommen, dass die Menschen als Masse, und damit ist explizit nicht der einzelne Mensch gemeint, einfach nicht klug genug sind, um ein solches System ordentlich auszuführen. Der Mensch lebt nicht geradlinig, er lebt kurvig. Und lasse ich eine Kurve eine Gerade entlanglaufen, kann sie diese höchstens mehrmals schneiden, nie aber genau ihren Verlauf annehmen. Für mich verhält es sich genauso im Verkehr: Wir zwingen unserem Straßensystem (sinnvoller und logischer Weise) ein lineares System voller Geraden auf; ich verweise an der Stelle darauf, dass derartige Bemerkung keinesfalls wörtlich zu verstehen sind; obwohl unser Verhalten nicht mal annährend so gerade ist, wie wir es gerne hätten. Annäherung ist übrigens ein Stichwort. In der Mathematik werden Geraden verwendet, um Kurven anzunähern; das heißt, sie skizzieren den Verlauf einer Kurve. In etwa. Sehr grob sogar. Ist es nicht absurd, dass wir Menschen; die mit Sicherheit den kurvigsten Funktionsgraphen darstellen, den man sich vorstellen kann, mit all‘ unseren Charakterzügen, Stärken, Schwächen, Gefühlen und Ideen; versuchen in einem linearen System zu funktionieren? Ich sage deutlich: Kein Wunder, dass wir ständig im Stau stehen.


  • Maskerade


    Auf des Berges Gipfel stehend
    Streift mein Blick des Waldes Kopf
    Flüsse, Bäume, Seen schimmern
    Ziehen silbern ihren Zopf


    Mondeslicht füllt ihren Augen
    Anmut, prächtig' Leben ein
    An des Strauches roter Blüten
    Sollen ihre Lippen sein


    Hörst du auch ihr leises Singen?
    Flüsternd, dunkle Melodie
    Nachts liegt Zauber in den Gipfeln
    Folge ihr hinab und sieh'


    Ihre Schönheit, ihren Zauber
    Ihre Kälte, ihren Schmerz
    Hörst du nicht ihr leises Singen?
    Tränet ihr gebrochen' Herz

  • Nachdem du mir schon zwei meiner Kurzgeschichten kommentiert hast, möchte ich mich einmal dafür revanchieren und kommentiere deswegen dein neustes Werk deine neuste Kurzgeschichte: Von Kurven und Geraden - Stau.
    Doch bevor ich mit dem eigentlichen Kommentieren anfangen werde, komme ich kurz und knapp auf den Titel zurück, da er genauso wie die Geschichte auf den ersten Blick abstrakt wirkt: Wenn ich zu Beginn diese Worte lese und sie in Verbindung mit dem eigentlichen Teil bringen muss, sehe ich einen Stau auf einer Autobahn und ein Auto, in dem ein Mann genervt zwischen die Lücken der anderen Fahrzeuge schaut und sich über etwas aufregt beziehungsweise über etwas nachdenkt. Um ihn aber richtig deuten zu können, muss man den Text dazu erstmal gelesen haben und das ist eine Sache, die ich gut umgesetzt finde, denn zuerst scheint es anders, als es in Wahrheit ist und so baut man gleich an dieser Stelle einen kleinen Wendepunkt auf.
    Von der äußeren Form her erkennt man, dass du dein Werk in drei Teile gliedern möchtest, wobei der erste die Funktion der Einleitung erhält. Diese besteht aus gerade einmal zwei Sätzen, was in Ordnung ist, aber aufgrund der Schwierigkeit des Textes im Lesefluss und -verstehen etwas stört, sodass ich eher dazu geraten hätte, kurze Sätze zu verwenden.
    Im folgenden Spoiler habe ich einmal versucht, zu erklären, wie ich es mir vorgestellt habe, damit es etwas besser klingt und einfacher zu verstehen ist.



    Zu Beginn des zweiten Absatzes hätte ich eigentlich eine Antwort auf die am Ende der Einleitung gestellten Frage erwartet, aber du hast das hier mit einer weiteren Frage begonnen, was mich aber auch nicht verwundert, da du mit Von Kurzen und Gerade - Stau ein mal anderes Werk als sonst geschrieben hast. Besonders gefallen hat es mir, dass du gegen Ende hin noch zu Ampeln zu sprachen kamst und so auch eine Art Humor aufgebaut hast. Vom sprachlichen Teil gefällt mir dieser Abschnitt ebenfalls gut, wobei ich auch hier und mal da ein paar Kleinigkeiten zur Verbesserung für dich hätte, auf die ich im Spoiler genauer eingehe.



    So, aber im letzten Absatz bekomme ich endlich meine Antwort auf die vorher gestellten Fragen! :3
    Zuerst sei gesagt, ich mag die Vergleiche, die du hier mit der Mathematik ziehst - das ist sehr interessant, finde ich.
    Ebenso sind deine Formulierungen gut gereift und zeigen das Ganze meiner Meinung nach von der wissenschaftlichen Seite, was auch mit dem eben angesprochenen Vergleich gut harmoniert. Zum Ende hin stellst du noch einmal eine Frage, die ein weiteres einen selber zum nachdenken anregt - dein Kommentar zum gibt dem Alles noch den richtigen Kick und hat mir, um ehrlich zu sein, ein Schmunzeln auf die Mundwinkel gezaubert.


    Alles in Allem ein sehr interessantes Werk und ich freue mich schon auf mehr*!
    *welchen Wunsch du mir während meines Kommentierens erfüllt hast!

  • Ufff, habe ich doch glatt eines der besten Gedichte, die ich jemals hier im BB gelesen habe, entdeckt :( „Maskerade“ ist dir unfassbar gelungen, wirklich! Hat mir sehr viel Freude bereitet, das Gedicht mehrere Mal durchzulesen :)


    Das hat eigentlich verschiedene Gründe: Zum einen schaffst du durch deine Wortwahl eine extrem zauberhafte und träumerische Szene. Beste Beispiele dafür:

    Flüsse, Bäume, Seen schimmern

    Mondeslicht füllt ihren Augen

    Da entsteht in meinem Kopf einfach das Bild einer hellen Nacht, in der alles gänzt und mystisch wirkt, wie in den Märchen von Disney haha :D Irgendwas Beruhigendes und Schönes, die Natur quasi in ihrer vollen Pracht.


    Dann aber gibt es diesen einen Kontrast:

    Hörst du nicht ihr leises Singen?
    Tränet ihr gebrochen' Herz

    Zwar gibt es keine wirklich klar zu erkennende Stimmung im Gedicht; klar, es ist verträumt, irgendwo schön und vertraut. Durch die beiden letzten Verse aber wird aus dieser natürlichen Schönheit eine Art Wehmut, die das Gedicht nicht nur thematisch beendet, sondern auch gefühlsmäßig beeinflusst. Ich merke einfach: Hier ist ein Cut, und der hat es in sich xd



    Viel mehr habe ich gar nicht dazu zu sagen. Bin einfach baff! :)



  • Stimme(n)


    Manchmal redest du mit mir
    Manchmal bist du leise
    Wo bist du nur?
    Ich will es wissen
    Zwischen mir und dir zerrissen
    Was willst du nur?
    Auf diese Weise
    Krieg' ich nur Angst vor dir


    Ich brauche dich; gestehe
    Doch hasse ich dein Dasein
    Warum bist du hier?
    Ich will nichts hören
    Will nichts verstehen
    Gehörst du nun zu mir?
    Kann nie mehr allein sein
    Wie sehr ich auch flehe


  • Von Exponentialfunktionen - Unterschiede


    Von der Geburt an wird der Mensch bombardiert mit Eindrücken. Geräusche, Bilder, Gerüche. Er spürt Berührungen, empfindet erste Emotionen. Hier lässt sich klar ein Unterschied erkennen. Denn während ein Fötus im Bauch seiner Mutter beinahe ohne Sinneseindrücke „lebt“, verändert sich dieser Zustand mit der Geburt. Der Übergang ist sicherlich nicht abrupt und komplett frei von Eindrücken ist er während seiner Entwicklung auch nicht, aber ein Unterschied besteht auf jeden Fall. Meine Frage hier ist: Wann bildet sich eine erste Form von Charakter, von Identität, von „Ich“? Fragen wir die Geburtsurkunde eines Menschen, gibt diese mit dem Geburtsdatum eine klare Antwort. Das Leben eines Menschen beginnt an seinem Geburtstag. Und mit dem Leben beginnt auch die Existenz eines Geistes, der den Charakter darstellt (ein richtiges Verb hierfür zu finden ist schlicht unmöglich …).
    Einige Sätze zu vor habe ich geschrieben, ein Fötus „lebt“ im Bauch seiner Mutter. Man beachte die Anführungszeichen. Ist man, als Anhänger der Geburtsurkunden-Meinung, also der Ansicht, ein Fötus ist ein nicht lebendiges Wesen? Mit Sicherheit nicht, die Biologie ist mittlerweile so weit, dass man sehr gut zwischen lebendig und nicht lebendig unterscheiden kann. Der Unterschied liegt hier also nicht bei einer biologischen Definition von Lebendigkeit. Was bleibt also übrig, wenn es sich nicht um den Zustand unseres Körpers handelt; was bestimmt dann den Startpunkt unseres „Ichs“ und somit im Grunde die „Geburt unserer Seele“. (An der Stelle bitte ich erneut, verstehen Sie das unbedingt nicht wörtlich) Es bleibt der Geist, die Seele, die Identität. Die Ausbildung eines selbstständig denkenden Gehirns, dessen Vorgänge über die reine (unbewusste!) Steuerung seines Körpers hinausgehen und somit einen Denkprozess ermöglichen, der nicht die Handlung an sich durchdenkt, sondern (im Grunde als eine Art neutraler Beobachter) über genau diese Handlung nachdenkt. Zunächst geht es hierbei vor allem um die eigenen Handlungen, doch je älter der Mensch wird, desto mehr beschäftigt er sich auch mit dem, was andere tun. Was genau ihn interessiert, inwieweit er sich für jene Themen interessiert und was ihn lenkt, das entwickelt sich über sein Leben und hört auch niemals auf.


    Vergleichbar ist das vielleicht mit dem Verlauf einer Exponentialfunktion. Kurze Erklärung: Eine Exponentialfunktion der allgemeinen Form läuft asymptotisch im negativ Unendlichen gegen Null. Ab der Stelle eins steigt sie rasant an und läuft ins positiv Unendliche gegen Unendlich. Einfacher und weniger mathematisch ausgedrückt: Der Wachstumsprozess vor dem Wert eins ist schleichend, während das Wachstum danach „exponentiell“ (also sehr schnell) ansteigt. Man nehme sich Beispielsweise die Stelle eins als Startpunkt. Tag 1. Der Geburtstag. Die Funktion sei nun gleichbedeutend mit der Ausbildung einer Identität und einer Seele. Wenn alles vor dieser Stelle nun die Phase im Bauch der Mutter ist und alles danach das „Leben“, dann erklärt sich auch, warum man erst ab der Geburt von einem „Leben“ im Sinne der Charakterexistenz spricht, denn während der Charakter sich also im Bauch der Mutter nur unglaublich langsam entwickelt, tut er das Gegenteil in der echten Welt, er explodiert förmlich.


    Interessant ist daran eigentlich nur folgendes: Eine solche Exponentialfunktion läuft ins positiv Unendliche (das heißt Richtung „älter werden“) gegen Unendlich. Machen sie sich also keine Sorgen vor dem Tod, in diesem Modell „lebt“ ihre Seele sowieso weiter.

  • Hallo Avalanche!


    Und wieder bin ich hier, um einen Kommentar zu hinterlassen. Bin einfach sehr neugierig, was du hier so alles zeigst. ;)
    Hab mich jetzt mal — untypisch für mich — für das Gedicht entschieden, anstatt für den Prosatext. Mal sehen, was dabei so herauskommt und ob du damit was anfangen kannst.


    Stimme(n)
    Du sagst, es geht um psychische Krankheiten, das find ich im Grunde schon mal gut. Einfach, weil das so ne Sache ist, die glaub ich einige noch nicht ganz umrissen haben. Depression kann genauso im Alltag einschränken, wie ein gebrochenes Bein. Und trotzdem werden — im 21. Jahrhundert! — psychische Krankheiten noch immer irgendwie in eine Ecke gestellt, wo keiner hinschaut. Und die Betroffenen schaut man auch schief an. Insofern, gutes Thema — obwohl ich nicht hoff, dass du hier aus Erfahrung sprichst. (Andererseits … irgendwie kann man so was nur behandeln, wenn man Erfahrungen gemacht hat …)
    So, jetzt muss ich sagen, es gibt so viele psychische Krankheiten, dass ich jetzt so spontan nicht sagen kann, welche es sein könnte. Hab mir zwar gedacht, vielleicht Schizophrenie, andererseits hab ich in dem Gedicht auch so bissl meine Erfahrung mit Depression wiedergefunden. Nun, vielleicht klärst du mich ja noch auf, jetzt geh ich jedenfalls näher auf das Gedicht ein.


    Es wirkt schon mal sehr stark, weil du es aus der Ich-Perspektive verfasst hast und man als Leser das Gefühl hat, sehr nah bei dem Lyrischen Ich zu sein. Dass du — was immer es ist — mit „Du“ ansprichst, ließ mich im ersten Moment an eine wirkliche Person denken. Vermutlich, weil das häufiger ist. Jedenfalls, wendet sich das Lyrische Ich an das geheimnisvolle Du — es sieht nach einem Monolog aus.
    Das Lyrische Ich ist sichtlich verwirrt, weil das Du manchmal redet, aber manchmal auch leise ist. Und da ist die Frage angebracht: wo ist das Du eigentlich? Das würde ich auch gern wissen, wenn da etwas mit mir reden würde, von dem ich nicht weiß, wo es herkommt. Die Frage nach den Beweggründen, was das Du will, find ich interessant. Psychische Krankheiten sind ja irgendwie so der Kampf Selbst gegen … ja, was eigentlich? Ich hab das bei mir festgestellt, dass in meiner depressiven Phase ein Teil meines Kopfes gegen mich war. Oder auch der ganze Kopf, das war manchmal schwer zu sagen. Es ist ja auch erwiesen, dass da irgendwas im Gehirn vonstatten geht, wenn man eine psychische Krankheit hat. Was genau ist vermutlich von Krankheit zu Krankheit unterschiedlich — und so ganz sicher bin ich mir auch nicht, ob wirklich rein der Mangel von irgendeinem Hormon oder wha’eva dafür sorgt, dass mein Kopf anfängt mein „Selbst“ (ich definiere das mal als den ganzen Rest des Menschen) zu erniedrigen.
    Kann das Lyrische Ich auch absolut nachvollziehen: man kriegt Angst, richtig Angst.


    Die zweite Strophe ist interessant. Das Lyrische Ich braucht das Du? Wieso das denn?, denk ich mir, aber wenn psychischen Krankheiten etwas nicht sind, dann rational. Und man handelt unter derem Einfluss auch selten rational. Ich kann den Hass auf das Du im Übrigen gut nachvollziehen und auch die Frage, warum es hier ist. Ich mein, so was braucht man ja nicht — jeder hat doch genug Probleme, da braucht’s nicht auch noch so ein komisches … Ding in seinem Kopf. Dem Lyrischen Ich dämmert in dieser Strophe auch, dass Wehren so leicht nicht geht. (Was nicht heißen soll, dass man psychische Krankheiten nicht inzwischen sehr gut behandeln kann! Bin auch immer der Meinung, dass man sich da professionelle Hilfe holen sollte, wenn man merkt, da läuft was falsch mit mir und in meinem Kopf.) Allein wird das Lyrische Ich also nicht mehr sein, da hilft auch kein Flehen. Flehen wäre ja auch eine passive Haltung, das bringt bei kaum einer Krankheit etwas — man muss aktiv werden und sich Hilfe holen.
    Das ganze Gedicht gefällt mir gerade aufgrund der fehlenden Symmetrie, wie du gesagt hast. Ich finde, das spiegelt den zerrissenen und verwirrten Eindruck des Lyrischen Ichs gleich viel besser wider. Allgemein ist es ja so, dass alles ein bissl aus dem Gleichgewicht gerät, wenn man eine solche Krankheit bekommt — auch deshalb passt es gut.
    Dass Du ist hier sehr passiv — es tut nichts außer manchmal zu reden und „da“ zu sein. Und man merkt, dass allein diese Tatsache, dass Lyrische Ich quält. Ist sehr passend dargestellt und gefällt mir auch rundum.


    Ob du mit meinem Gelaber jetzt was anfangen kannst oder nicht — nachdem ich nicht mal weiß, um welche Krankheit es geht, oh my! — ist dir überlassen, ich wollte jedenfalls meine Gedanken dazu mal äußern.


  • Ausweglos


    Das beständige Brummen des Motors beruhigte ihn heute weitaus weniger als sonst; trotz der gewohnten Ruhe bei hohen Geschwindigkeiten strengte ihn das Fahren auf der linken Spur merklich an, weshalb Ryan sein Auto bei der nächsten Gelegenheit auf die mittlere Spur zog und etwas abbremste.
    Elias lachte: „Was ist denn heute los mit dir? Du fährst so komisch und langsam!“
    Kaum darauf bedacht, was er gesagt hatte, drehte sich der Junge auf dem Beifahrer bereits wieder weg und sah nach rechts aus dem Fenster. In der Dämmerung leuchteten bereits die Lichter der Stadt aus der Ferne und zeichneten die Skyline auf das dunkle Gemälde des auftretenden Nachthimmels. Tatsächlich hatte er damit den Nagel auf den Kopf getroffen und Ryan begann sich genau diese Frage zu stellen. Was war los?
    Die beiden Jungs saßen schon seit einer ganzen Zeit im Auto auf dem Weg zu einem Konzert und die Fahrt lief wie immer bei den beiden Freunden. Es wurde laut Musik gehört, viel gelacht. Es gab kaum stille Momente, in denen nicht einer von beiden etwas erzählte oder beide vollkommen konzentriert den Text des laufenden Songs mitsangen.
    Heute war es zum ersten Mal irgendwie anders gelaufen. Ryan hatte sich ungewöhnlich ruhig verhalten und auch auf seinen Fahrstil färbte dieses Verhaltensmuster ab.
    „Ich bin einfach ein bisschen nachdenklich, glaube ich“, versicherte Ryan beschwichtigend und drehte die Musik anschließend etwas lauter. Als er bemerkte, dass Elias aufhorchte und erstaunt seinen Kopf in die Richtung des Fahrers drehte, wich dieser dem Blick panisch aus und blickte auf die Leitplanke am linken Autobahnrand.
    „Sicher, dass alles okay ist?“
    Ryan nickte schnell. Elias hatte seine Stimme etwas angehoben, weshalb Ryan langsam zum Schluss kam er müsse diese Nachfragerei unterbinden, auch wenn das Lauterwerden wohl eher eine Reaktion auf die Lautstärke der Musik war. Die melodischen Klänge der Gitarren schallten durch das kleine Auto des Teenagers und für einen Moment lag eine verräterisch knisternde Fährte in der Luft. Ryan wurde es plötzlich immer wärmer und angeregt fixierte er seinen Blick nun erst recht auf die Straße, um seinen Freund nicht ansehen zu müssen. Lügen konnte er nicht gut; noch nie.
    Der Junge, der das Auto fuhr, verfiel aufgrund des fehlenden Gesprächthemas langsam zurück in seine Gedanken, wobei er nicht bemerkte, dass Elias ihn immer eindringlicher und besorgter musterte.


    Warum war Ryan heute so drauf? Innerlich raufte er sich in diesem Moment die Haare, schüttelte den Kopf und schrie laut in die Leere. Doch nach außen konnte er davon nichts zeigen. Denn das eigentliche Problem war, dass er sich viel zu sehr für sein Inneres schämte. Für das, was ihm heute immer wieder durch den Kopf ging. Er blickte Elias an und plötzlich sah er ihn und sich selbst vor seinem inneren Auge, sich küssend. Er starrte hinab auf seine Arme und verlor sich entlang seinen stark hervortretenden Adern, bis er sich, kopfschüttelnd um wieder wach zu werden, fragte, was das alles soll. Mit diesen seltsamen Gedanken war er ins Auto gestiegen und die ganze Fahrt über hatten sie ihn nicht mehr losgelassen. In jedem Moment, in dem er nicht etwas sagte oder Elias zuhörte, machten sich seine Gedanken auf und führten ihn immer wieder zurück zum gleichen Bild.
    „Ryan, ich wollte dich mal was fragen“, unterbrach Elias ihn plötzlich. Ryan warf einen flüchtigen Blick auf den Beifahrersitz und sah seinen Freund stirnrunzelnd die Arme verschränken, als würde er angestrengt nachdenken. Zur Antwort nickte er nur kurz und signalisierte ihm so, dass er anfangen solle.
    „Ich hab‘ richtig Stress mit Melanie momentan. Ich weiß auch nicht, irgendwie streiten wir nur noch“ – er hielt einen Moment inne – „ich glaube ich will Schluss machen. Was meinst du?“
    Schlagartig weiteten sich Ryans Pupillen und er sog erschreckt viel Luft auf einmal ein. Dafür erntete er direkt einige verwunderte Blicke, weshalb er sofort versuchte die Fassung zurück zu erlangen und gespielt tief Luft holte, als wäre er sichtlich erschrocken über die Beziehungsprobleme seines Kumpels und wolle ihm nun den bestmöglichen Rat geben. Natürlich war das auch so, doch erschreckt hatte er sich vor etwas anderem.
    Just in diesem Moment ertappte Ryan sich selbst dabei, wie er – und er konnte sich beim besten Willen nicht erklären warum – für einen Moment hoffte, dass sich die beiden trennen würden. Im Anschluss an diesen Gedanken reihte sich wieder das Bild von ihm und Elias ein und ihm lief ein leichter Schauer den Rücken hinab.
    „Ich … Ich weiß nicht, man. Überleg‘ mal wie lange ihr schon zusammen seid“, antwortete Ryan langsam. Mit jedem einzelnen Wort versuchte er etwas mehr zu verdrängen, woran er den ganzen Abend schon dachte. Gewaltsam schob er die Bilder bei Seite, wollte er sie doch am liebsten einen Abgrund herunter schubsen. Um ganz sicher zu gehen fügte er noch schnell hinzu: „Rede lieber erstmal mit ihr richtig darüber.“
    Ryan schluckte. Er spürte, wie sich alles in seinem Körper gegen diese Aussagen wehrte. Er wollte nicht, dass Elias eine Freundin hatte. Und dass sich dieser Gedanke in seinem Kopf gerade manifestierte und nicht mehr verschwinden wollte, brachte ihn wirklich aus der Balance.


    Es war, als würde sich alles um ihn herum drehen. Er spürte den Sitz auf dem er saß oder das Lenkrad das er umgriff nicht mehr. Sein Blick ging starr geradeaus, folgte der Straße, die kein Ende zu nehmen schien. Keine Ausfahrt, keine Kurve weit und breit. Es gab keine Möglichkeit zu entkommen.
    Nach einigen Momenten in denen Ryan vor allem ein schwerer Atmen und schneller Herzschlag begleitete, hatte er sich wieder beruhigt. Langsam verstrich das Geräusch seines pochenden Herzens in seinem Ohr und er wurde wieder ruhiger. Er zögerte noch einen Augenblick, bis er es schließlich nicht mehr aushielt und einen erneuten Blick nach rechts warf. Elias sah ihn ein wenig verwundert an, doch er nickte schließlich.
    „Du hast Recht, das sollte ich wohl tun.“


    Den Rest der Fahrt sprachen die beiden nicht mehr. Elias schien einfach die Musik zu genießen und blickte unentwegt aus dem Fenster in die Dunkelheit, während Ryan sich nicht traute etwas zu sagen. Zu viel Angst hatte er davor, dass seine Stimme versagte oder er stottern würde. Er fühlte sich aufgeregt, panisch und irgendwie eingeengt. Trotzdem versuchte er irgendwie diese verwirrenden Gedanken runterzuschlucken und zu ignorieren. Denn eines veränderte sich die ganze Fahrt über nicht mehr: Die Straße verlief gerade und bot keine Ausfahrten aus ihrer Richtung; alle Autos folgten dem Strom.

  • Heute gibt's gleich wieder etwas Neues; bin gerade in meiner kreativen Phase oder sowas, lol. Während ich gestern einen wirklich eher kitschigen Prosatext geschrieben habe, geht es heute zurück zur guten alten Wissenschaft oder besser noch: Ihrer Sprache. Dieses Mal gibt es einen wirklich sehr mathematischen Text, von dem ich glaube, dass ihn nicht viele hier unbedingt gerne lesen wollen. Da ich darin einige Formeln bzw. mathematische Ausdrücke verwendet habe, und nicht weiß, wie man diese im BB richtig formatieren kann, gibt es den Text diesmal als Dateianhang. Außerdem habe ich mit GeoGebra noch ein Bild zu Veranschaulichung des Problems über das ich schreibe ein Bild erstellt, das man sich ggf. vor bzw. während dem Lesen anschauen sollte. Der Text hat übrigens auch einen Bezug auf die Wirklichkeit, man muss nur ein bisschen suchen! ;)


    Ich garantiere übrigens nicht für 100% richtige mathematische Arbeit, ich glaube im Allgemeinen dass meine Idee da relativ ... unmathematisch ist, im Sinne von: Warum sollte man sich als Mathematiker über dieses Problem Gedanken machen? Grenzwerte begeistern mich allerdings schon seit ich sie kenne und waren wohl mit einer der Hauptgründe, warum ich begann mich für die Mathematik so zu begeistern; also wer weiß: Vielleicht kann ich ja den ein oder anderen mit diesem Text ein bisschen konvertieren? *lach* Ich hoffe jedenfalls, dass es für euch mal interessant ist einen etwas anderen Text zu lesen, ihr merkt ja, hier gibt's nicht nur süße Kurzgeschichten und deepe Gedichte. In diesem Sinne: Viel Spaß beim Lesen und Kopfzerbrechen und an die Mathematiker unter euch: Liebe geht raus ♥



  • Neubeginn


    Hör' von Weitem Flüstern, Rufen
    Wäre gern' so frei wie sie
    Weiß mein Tag wird kommen
    An dem der Käfig weggenommen
    Und ich als ein Gefang'ner flieh'


    Atemzüge gleichbedeutend
    Energie und Lebenskraft
    Spüre wie die Kraft in mir
    Mühelos den Weg zu ihr
    Meines Ausbruch's eben macht


    Sonnenstrahlen, Flügelschlagen
    Anmutig steig ich empor
    Gold'ne Flügel, gold'ne Liebe
    Seht wie ich nun endlich fliege
    Ich erwach' wie nie zuvor

  • Hallo Avalanche!


    Da bin ich wieder mit einem Kommentar -- dieses Mal zu deiner neuesten Kurzgeschichte. (: btw. Gratz zum dritten Platz!


    Ausweglos
    Was stört dich an dem Titel? Ich persönlich find ihn eigentlich ganz gut gewählt, vor allem nachdem er erst nach dem Lesen des Textes einen Sinn macht. Im Grunde ist die Situation in der sich Ryan in dem Moment befindet ja auch ausweglos — er kann buchstäblich nicht weg und im übertragenen Sinne auch nicht, jedenfalls im Moment nicht. Gerade das Ende des Textes fand ich hier interessant, weil es plötzlich auf die Welt außerhalb des Autos Bezug nahm, die bis dahin nicht wirklich viel Bedeutung hatte. Aber darauf komm ich später noch zurück.
    Mir hat der Anfang gefallen: Autos sind ein interessanter Handlungsort. Es ist eine sehr kleine private Sphäre — das macht es sehr interessant, weil es wie ein Zimmer ist, nur sich halt bewegt. (Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, ich hatte einige der besten und aufschlussreichsten Gespräche meines Lebens mit meinem besten Kumpel im Auto — allerdings ist er dabei nicht gefahren.) Ein bisschen war ich übrigens erleichtert, als Ryan sich von der linken Spur wegbewegte, wenn er eh schon nicht gut drauf ist. Autofahren braucht ja doch Konzentration.
    Ryan ist nachdenklich und Elias — seinem Freund und Mitfahrer — fällt das natürlich gleich auf. Das zeigt schon mal auf, dass die beiden sich schon eine Zeit lang kennen müssen. Oder er zumindest den Fahrstil von Ryan gut genug kennt, um zu wissen, dass er heute anders drauf ist. Es sprudelt allerdings aus Ryan nicht gleich heraus. Also bleibt die Sache erstmal offen, jedenfalls für Elias, für den Leser nicht so lang.
    Ich muss sagen, der neue Absatz und der Beginn mit der Frage des Erzählers hat mich erstmal verwirrt. Für einen Moment dachte ich irgendwie, wir wären jetzt in der Perspektive von Elias. Kinda weird, aber ich hab das noch rechtzeitig bemerkt, um wieder auf Ryan umzuschalten.
    In dessen Kopf hat sich nämlich ein merkwürdiges Bild eingeprägt: wie er Elias küsst. Das ist natürlich verwirrend für ihn, kann ich nachvollziehen, mich würde das auch sehr verwirren. Und es ist klar, dass er Elias damit nicht konfrontiert. Also, ich vermute das wäre schon unter Mädchen schwierig — auch wenn man landläufig davon ausgeht, dass wir es leichter haben über unsere Gefühle zu reden, was nicht stimmt — so ist es unter Jungs ja noch mal eine andere Geschichte. Also nehme ich an, ich weiß es nicht genau. ^^“
    Elias bringt allerdings ein anderes Thema auf: Stress mit der Freundin. (Oh well, der Klassiker.) Du nutzt das als Aufhänger, um weiter Ryans Gefühlswelt aufzuzeigen. Denn der gibt seinem Kumpel zwar den Rat, dass er noch mal mit Melanie reden soll, aber eigentlich will er ja, dass Elias keine Freundin mehr hat. Aus offensichtlichen Gründen. Was natürlich immer noch nicht sein Problem löst, immerhin heißt das ja nicht, dass Elias Ryans Gefühle erwidert. Es ist schon echt kompliziert mit den Gefühlen.
    Was ich nicht ganz verstanden hab, ist, dass Elias über Ryans Rat verwundert ist. Was hatte er gedacht, was sein Freund ihm rät? Dass er Melanie einfach fallen lassen soll, um sich Stress zu ersparen? Na, das ist ja wohl etwas kurz gedacht, oder nicht? Außerdem ist es eigentlich ein guter Rat von Ryan, dass Elias versuchen soll die Beziehung zu retten. Oder zumindest „einvernehmlich“ zu beenden. Deshalb hat mich das schon verwundert — andererseits fragt man sich … ob Elias irgendwas ahnt?
    Am Ende find ich interessant, wie du die Tatsache, dass sie auf der Autobahn festsitzen mit dem eingeengten Gefühl von Ryan verbunden hast. Das war ein schöner Zusammenhang von innerer Welt — außer der Gefühlswelt von Ryan und auch der Tatsache, dass so ein Auto doch recht klein ist — und der Außenwelt, der Autobahn, auf der man nichts anderes tun kann, als ihr zu folgen, bis eine Ausfahrt die Möglichkeit bietet sie zu verlassen. Andererseits denk ich mir: die Autos folgen dem Strom. Strom, wie Konformität, wie Normalität. Wenn man das jetzt auf Ryan überträgt, dann folgt er zwar dem Strom, aber ist doch kein Teil davon. Jedenfalls, kam das für mich so rüber, was ich sehr gut gemacht finde.


    Bis demnächst. (: