Pieces

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Zu der Infoseite von „Die Mo-Mo-Manie“
  • Vorwort:

    Heute eigentlich ohne große Worte. ;) Ein eher kürzeres Zwischenspiel, nicht zuletzt darüber, wie Kinder einem das Leben schwer, schön und schön schwer machen.





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    Zwischenspiel
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    Als Joanne vor dem Haus von Jack und Robert stand, war es bereits früher Nachmittag. Sie hatte die Spur für gute vier Kilometer verfolgt, war aber zur Bank zurückgekehrt, als sie niemanden gesehen hatte. Da sie nicht wusste, mit was sie es zu tun hatte, gab es die Möglichkeit, dass sie der Spur zwanzig Kilometer folgen konnte ohne einem Ziel näher zu kommen. Sie hatte Owen nicht länger mit Blackburn allein lassen wollen.
    Der Filialleiter war nicht glücklich über ihren Plan, die nächste Nacht abzuwarten. Sie war nicht glücklich darüber, eine Erklärung erfinden zu müssen, was „wirklich“ passiert war.
    Jack öffnete die Tür. Haut und Haar verrieten seine persische Abstammung, auch wenn seine Züge erstaunlich fein dafür wirkten. Er hätte wahrscheinlich einen guten Aladdin abgegeben. „Ah, da bist du ja wieder“, meinte er grinsend und umarmte sie kurz. „Du wurdest schmerzlich vermisst.“
    Das schlechte Gewissen stach ihr im Magen. Sie wusste, dass sie ihr Versprechen nicht gehalten hatte. „Ich weiß, ich weiß.“ Sie zog die Schuhe aus, die mit Schneematsch verschmiert waren und drückte Jack dann das Paket mit Kuchen in die Hand.
    „Ich sehe, du versuchst deine Tochter zu bestechen.“
    Sie schlüpfte aus ihrer Jacke und zuckte mit den Schultern. „Ich dachte eher, ihr würdet euch drüber freuen. Ist Robert schon da?“
    „Er kommt sicher nicht vor sechs“, erwiderte Jack.
    Joanne nickte. „Ich sag's dir gleich. Ich muss dich bitten, auf Amy aufzupassen, bis Joachim Feierabend macht.“
    „Wieso?“
    „Ich fahre nachher zur Bank zurück. Ich warte darauf, dass der Einbrecher wiederkommt.“ Sie verdrehte die Augen. „Dir fällt keine gute Begründung für einen grimmigen Filialleiter ein, warum jemand in seinen Tresor einbricht, um Oragami zu falten, oder?“
    Jack lachte. „Das klingt nach einer guten Geschichte.“
    „Oh ja, glorreich“, murmelte sie und folgte ihm in das Wohnzimmer des schmal gebauten Reihenhauses.
    Amy saß vor dem Fernseher. Sie kniete am niedrigen Wohnzimmertisch und malte mit dicken Wachsstiften, während im Fernsehen irgendein Cartoon lief. Als sie die Schritte hörte sah sie auf und für einen Moment zeigte sich ein Strahlen auf ihrem Gesicht, dass jedoch schnell wieder verblasste und einem Schmollmund wich.
    Das blonde Haar der Fünfjährigen war zu einem losen Zopf gebunden, aus dem sich bereits einige Strähnen gelöst hatten. „Du bist wieder da“, murmelte sie und wandte sich demonstrativ wieder ihrer Zeichnung zu.
    Jack schenkte Joanne einen Vielsagenden Blick und ging dann in die Küche, die durch eine halbhohe Wand vom Wohnzimmer abgetrennt war.
    „Ja, ich bin erst mal wieder da, Liebes“, meinte sie und ging zur Sitzecke vor dem Wohnzimmer, um ihrer Tochter über die Schulter sehen zu können.
    „Das heißt du gehst wieder“, stellte Amy missmutig fest.
    „Erst in ein paar Stunden“, erwiderte Joanne.
    Amy erwiderte nichts, sondern zeichnete weiter an einem Bild, dass einen Schneemann, auf dessen Hut ein schwarzer Vogel saß, darstellte.
    „War Murphy hier?“, fragte Joanne.
    „Er sagt, er kommt nachher wieder.“ Amys Stimme ließ keinen Zweifel daran zu, dass sie noch immer schmollte.
    Vielleicht sollte sie nachher Murphy fragen, ob er mitkam. Er wäre zumindest fähig Blackburn von irgendeiner unsinnigen Erklärung für den Vorfall zu überzeugen. Es würde einiges leichter machen. Aber erst einmal musste sie sich um ihre Tochter kümmern.
    „Hör mal, Amy. Es tut mir leid, dass ich schon wieder weg musste, aber die Leute von der Polizei haben meine Hilfe wirklich gebraucht.“
    „Warum?“, kam es wehleidig, während Amy mit blauer Kreide Kreise auf das Bild malte, die wohl Schneeflocken darstellen sollten.
    „Weil jemand den Leuten in der Bank einen Streich gespielt hat und dafür durch den Geisterraum gelaufen ist.“ Das Wort „Astral“ verwirrte Amy immer, weshalb sie es mieden. „Und sie hatten niemanden da, der dort nachsehen konnte, verstehst du?“
    „Warum können sie niemand anderen rufen?“
    Joanne seufzte. „Weil so schnell niemand anderes kommen konnte.“
    Ihr Seufzen wurde von einem schwermütigen Seufzen ihrer Tochter geechot. „Und warum musst du da wieder hin?“
    „Weil ich darauf warte, dass der Einbrecher zurückkommt, und ich ihn fassen kann“, antwortete sie.
    Amy brummte etwas, worauf Joanne sie vorsichtig von hinten nahm und auf ihren Schoss zog. „Es tut mir wirklich leid, ja, Liebes? Morgen bin ich ganz bestimmt tagsüber da.“
    „Das sagst du immer.“ Amy verschränkte ihre Arme.
    „Ich weiß.“ Es tat ihr auch wirklich leid, aber sie wusste, dass ihre Tochter das nicht hören wollte. „Aber ich werde nachher Owen sagen, dass er mich morgen nicht rufen kann, wenn noch etwas da ist. Und über Weihnachten werden Papa und ich beide da sein.“
    Wieder seufzte Amy. „Pfadfinderehrenwort?“
    Joanne lächelte. „Pfadfinderehrenwort.“ Sie lächelte und stand dann – Amy auf dem Arm – auf. „Magst du etwas Kuchen? Ich habe welchen mitgebracht.“
    „Was für Kuchen?“
    „Schokoladenkuchen und Marzipankuchen.“ Sie war auf dem Rückweg an einer Konditorei vorbei gekommen.
    Amy zögerte. „Sollten wir nicht auf Papa und Murphy warten?“
    Es war wirklich bewundernswert, dass Amy zu warten bereit war. Viele Kinder waren es nicht. „Weißt du denn, wann er wiederkommt?“ Was er eigentlich machte fragte sie besser nicht.
    „Er hat gesagt bald, also wird er nicht lange brauchen.“
    Und da sollte man eigentlich meinen, der Junge würde auch arbeiten. War nicht eigentlich gerade auch Saison der Rugby-Spieler? Wobei, es war beinahe Weihnachten und Saisonpause. Vielleicht hatte er deswegen Zeit. Oder er probte einmal wieder, wie wütend er Crash machen konnte, ehe ihm etwaige Gegenstände hinterher geworfen wurden.
    Jack kam zu ihnen hinüber. „Wir könnten etwas spielen. Zu dritt macht es mehr Spaß, oder?“
    „Ja. Lass uns Monopoly spielen“, meinte Amy sofort.
    Joanne seufzte. „Ich weiß nicht, ob ich dafür Zeit habe.“
    Traurige blaue Augen sahen sie an. „Bitte?“
    Jack klopfte ihr lachend auf die Schulter. „Ich glaube nicht, dass man dir eine Wahl lässt.“

  • Vorwort:


    Ich bin heute etwas spät dran, tut mir leid. Heute gibt es dafür ein wenig mehr zu lesen als gestern - morgen gibt es dafür wieder ein Zwischenspiel! ;)





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    Teil 2


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    „Ich möchte an dieser Stelle noch einmal zu Protokoll geben, dass ich weitaus lieber meinen brüderlichen Pflichten nachgekommen wäre, Monopoly zu spielen.“ Murphy marschierte Joanne hinterdrein, als sie – eine frische Tasse warmen Kaffees in der Hand – zum Eingang der Bank ging, wo Owen bereits auf sie wartete.
    Auch wenn Murphy aktuell die Gestalt eines knapp dreißig Jahre alten Mannes mit strohblonden Haar zur Schau trug, erkannte Owen ihn offenbar an der Stimme. „Du hast den Jungen mitgebracht?“
    „Ich sollte mir langsam das Upgrade zum 'jungen Mann' verdient haben“, kommentierte Murphy noncharlant. Es stimmte eigentlich: Er war 25 Jahre alt. Dennoch bevorzugte er es die Gestalt eines Jungen kaum älter als 18 zu tragen.
    Owen beachtete ihn nicht. Stattdessen schenkte er Joanne einen fragenden Blick.
    „Ich dachte, es wäre eventuell praktisch, würden wir Mr. Blackburn von einer etwaigen Erklärung überzeugen müssen“, erwiderte sie.
    „Ich fühle mich benutzt.“
    „Ich weiß, ich weiß“, antwortete sie und tätschelte seine Schulter. Er beschwerte sich gerne – meistens noch immer, um später mit einem großen Becher Schokoladeneis kompensiert zu werden. Etwas, das Amy begann sich abzuschauen.
    Owen seufzte. „Nun, du erklärst es Blackburn. Er ist noch immer nicht begeistert davon, dich allein hier zu lassen.“
    „Habe ich mir gedacht“, erwiderte sie und lächelte. „Na, wo ist den der Herr Oberbanker?“
    „Drin“, meinte Owen. „Wartet. Wenn du so nett wärst: Kümmer du dich doch um ihn.
    „Dann schauen wir mal.“ Sie klopfte dem Mann auf die Schulter und ging an ihm vorbei in den Vorraum der Bank. Natürlich war die Tür zur Haupthalle bereits verschlossen, doch sie klopfte und nach vielleicht zwei Minuten näherte sich eine Gestalt, die als Schatten hinter dem zugezogenen Vorhang zu erkennen war. Ein Schalter wurde betätigt und die Schiebetür öffnete sich.
    „Sie sind da, Mrs. Anderson“, stellte Blackburn griesgrämig und wenig begeistert fest. Sein Blick wanderte zu Murphy, der sich interessiert in der alten Halle umsah.
    „Ganz schön pompös.“
    „Wer ist das?“, fragte Blackburn.
    „Mein Sohn“, antwortete Joanne. „Er wird mich unterstützen.“ Sie stieß Murphy an, damit er seinen Ausweis zeigte, der ihn ebenfalls als Konsutant der Polizei auswies.
    Blackburn sah sich die Karte an und hob eine Augenbraue. „In Ordnung.“ Er seufzte und holte dann widerwillig einen Schlüsselbund aus seiner Tasche hervor. Daran fanden sich gesamt fünf Schlüssel und eine Schlüsselkarte. „Das ist das wichtigste. Seien sie sich nur dessen bewusst, dass normale Sicherheitskräfte weiterhin hier sind.“
    „Davon bin ich ausgegangen“, antwortete Joanne. Glaubte er wirklich, sie würde eine Bank ausrauben wollen?
    Eine ferne Stimme flüsterte in ihr Ohr: „Glaubt der wirklich, du brauchst dafür einen Schlüssel?“ Offenbar hatte er noch immer Langeweile. Oh Gott, das würde eine anstrengende Nacht werden.
    Sie würde zwischen Murphy und Wukong sitzen und sich zulabern lassen. Wahrscheinlich würden die beiden es auch noch schaffen, den vermeintlichen Einbrecher zu vertreiben.
    „Gut.“ Blackburn musterte sie und Murphy.


    Zwanzig Minuten später hatten Blackburn und Owen die Bank verlassen. Sie war mit Murphy gemeinsam, kaum, dass Blackburn sie nicht mehr beobachtet hatte, in den Astralraum gewechselt. Denn wenn würde der Einbrecher wohl hier eindringen.
    So saß sie hier nun, missmutig, da ihr Kaffee noch immer in der physischen Ebene stand. Sie hatte einen Stuhl etwas entfernt von dem kleinen Durchgang, der nur im Astralraum existierte, an der Wand aufgestellt und behielt den Tunnelausgang im Auge.
    Murphy hockte im Schneidersitz auf einem der Schreibtische an einem Beratungsplatz. Er war nackt und trug eine Gestalt, die an seine reale Gestalt – ein afrikanischer, junger Mann, der jedoch ebenfalls zu jung aussah – da er noch immer keinen Sinn darin sah Kleidung an sich zu binden. Zumindest sagte er es so. Was er meinte war, dass er es viel lustiger fand Leute mit seiner Nacktheit aus dem Konzept zu bringen.
    Er wippte mit dem Oberkörper ein wenig vor und zurück.
    Auch Wukong war da, wie sie schon vorher erkannt hatte. Er hing kopfüber von der Balustrade der Galerie, die sich über die Nordseite der Halle erstreckte und beobachtete sie.
    „Weißt du, Jojo, ich verstehe ja wirklich nicht, warum du den Jungen immer mitnimmst“, kommentierte er. „Sicher, er gibt deinem Charakter eine etwas weichere Seite, aber wirklich viel macht er ja nicht.“
    „Weißt du, Mum“, kam es prompt von Murphy, „ich weiß ja nicht, warum du den Affen immer tolerierst. Sicher, er hält sich für einen Gott, aber wirklich viel macht er ja nicht.“
    „Ach, das kleine Vögelchen hält sich für besonders helle“, meinte Wukong.
    „Ach, der große Affe hält sich für wirklich klug“, meinte Murphy.
    Joanne verdrehte die Augen. Wukong hatte normal eigentlich Respekt vor Murphys schneller Zunge. Murphy war immer von Wukong genervt. Wenn sie beide weitermachen lief, würden sie das die ganze Nacht durchziehen. „Es ist nicht so, als wärst du eine besonders große Hilfe, wenn es darum geht, Banker von normalen Erklärungen zu überzeugen, Wu.“ Sie sah zu dem Affengott.
    „Das wäre ja auch nur halb so interessant.“ Der Gott grinste sie Kopfüber an und zeigte dabei seine raubtierhaften Zähne. „Ich fände es viel amüsanter, würdest du dem Herrn Waldbrand deine Kräfte zeigen. Keine Ahnung. Schlag ein Loch in seinen Tresor oder so.“
    „Du weißt, dass das so nicht möglich ist.“
    „Möglich ist es schon“, flötete der Affengott. „Du willst es nur nicht. Du hältst dich noch immer viel zu sehr an die Regeln. Wie langweilig.“
    Noch einmal verdrehte sie die Augen. „Buhu.“
    „Wirklich, Jojo! Ich bin hier, um mich zu amüsieren. Soweit ist diese Sache wirklich sehr, sehr langweilig.“ Auf einmal hellte sein Gesicht sich auf. Er schwang sich nach vorne und katapultierte sich aus dem Sprung heraus auf das Geländer. Dann drehte er sich um. „Oh, ich habe eine tolle Idee.“
    Es war klar, was für eine Idee das war. „Nein, ich habe gerade keine Zeit gegen einen Drachen zu kämpfen.“
    „Aber …“
    „Wukong. Lass mich meine Arbeit machen.“ Das schlimmste war, dass sie ihn am Ende nur bitten konnte. Meistens respektierte er ihre Wünsche, doch technisch gesehen konnte er sie jeder Zeit sonstwohin katapultieren, um sonstwasfürein Monster zu bekämpfen. Es war nervig, doch sie hatte sich damit abgefunden. Sie hatte im Tausch dafür Kräfte bekommen, die ihr halfen, andere Dinge zu vollbringen, Leute zu beschützen. Auch wenn sie ihn nie darum gebeten hatte.
    „Besonders kreativ bist du ja nicht, Affenhirn“, meinte Murphy. „Alles was ich höre sind Drachen hier, Drachen da. Ziemlich langweilig. Findest du nicht?“
    „Murphy!“, rief Joanne aus. Das letzte, was sie gebrauchen konnte, war, dass er Wukong auf neue Ideen brachte. Langsam wusste sie zumindest, wie man mit Drachen umging.
    „Was ist denn?“, fragte er und lehnte sich zurück.
    Sie seufzte. „Du weißt genau was ist.“
    „Es ist halt langweilig“, meinte Murphy. „Hier passiert ja nichts.“
    Wukong nickte. „Da stimme ich ihm zu.“
    „Und es wird auch nichts passieren, wenn ihr mit eurem Gelaber unseren Einbrecher verschreckt!“
    „Aber …“, setzten beide einstimmig an.
    „Kid, ich lad' dich morgen zum Essen ein, wenn du jetzt ruhig bist“, bot sie Murphy an.
    Der Junge sah sie über seine verschränkten Arme hinweg an. Er zog einen Schmollmund, seufzte dann aber schwer. „Oookay.“
    Wukong sah empört auf sie hinab. „Und was bekomm' ich?“
    Sie schenkte ihm einen unbeeindruckten Blick. „Reicht es nicht, dass du mich in regelmäßigen Abständen entführst, um Götter und Monster für dich zu bekämpfen?“
    „Nein.“
    Natürlich nicht. Sie wartete auf eine konkrete Forderung.
    „Aber ich weiß was.“
    „Aha?“
    „Du hilfst mir bei meiner Arbeit.“ Der Affengott grinste breit.
    „Tue ich das nicht, wenn ich deine Monsterchen bekämpfe?“, fragte sie mit einem Seufzen.
    „Nein, nein. Ich meine die langweiligeArbeit.“
    Meinte er Papierkram? Wahrscheinlich meinte er Papierkram. Der thaoistische Pantheon hieß ja nicht umsonst „himmlische Bürokratie“. Sie seufzte. „Du weißt, dass ich kein Chinesisch kann.“
    „Brauchst du nicht. Ich schwöre.“ Der menschengroße Affe machte das Zeichen eines Pfadfinderehrenwortes – und kreuzte dabei fraglos die Finger der linken Hand hinter dem Rücken.
    Ach, zur Hölle. „Von mir aus.“
    „Oookay“, kam es daraufhin vom Affengott, auf dieselbe unenthusiastische Art, wie von Murphy zuvor.
    Stille. Wunderbare Stille senkte sich über den Astralraum, während Murphy demonstrativ Däumchen drehte und Wukong still über die Balustrade turnte, Grimassen schnitt und zwischenzeitlich seinen magischen Stab durch die Gegend schleuderte, nur um ihn in der Luft zu überholen und aufzufangen.
    Kindsköpfe. Alle beide.
    Aber bei Murphy hatte sie gewusst, dass es so sein würde, als sie sich entschlossen hatte, ihn mitzunehmen. Wukong … Mit ihm hatte sie nicht gerechnet. Normal scherte er sich nur um ihren Alltag, wenn sie sich dabei mit einem zu starken Gegner anlegte. Normaler Weise sah sie ihn nur alle paar Wochen einmal. Aber was war schon normal?
    Die Zeit verging. Fünf Minuten, zehn Minuten, elf Minuten, zwölf Minuten …
    Holz schabte über den Boden. Das Trappeln kleiner Füße, die schnell über den Boden huschten, war zu hören.
    Joanne sah sich um. Ihre Augen brauchten einen Moment, um im seltsamen Dämmerlicht, das den Astralraum zu jeder Zeit erfüllte, die kleine Gestalt auszumachen, die von einer Zuflucht zur nächsten huschte, von einer vibrierenden, grünlichen Aura umgeben.
    Das Wesen war, ganz wie sie erwartet hatte, nur knapp zwölf Zentimeter groß. Sein Kopf war unter einem dunklen Umhang versteckt, wie auch der Rest seines Körpers. Doch dem Geräusch nach, das seine Füße auf dem Steinboden erzeugten, besaß es Hufe. Dünne, kleine Hufe.
    Es huschte unter einen der Schreibtische und lugte darunter hervor. Dann huschte es zu einem Regal hinüber und verschwand unter dem untersten Brett. Dann ging es weiter zum nächsten Schreibtisch. Immer und immer näher tastete das Wesen sich so an die hintere Wand und damit der Tür zum Keller heran. Aus jedem Versteck heraus, sah es nach vorne, sah sich um, zögerte, sah dann weiter, den Blick immer in die Richtung seines Ziels gewandt. Und das war sein Fehler.
    Denn so bemerkte der kleine Wicht Joanne nicht, als sie sich vorsichtig von hinten näherte. Gerade flitzte er unter einem Schreibtisch hervor, als sie ihn mit einer einzigen, flinken Bewegung vom Boden aufhob und an seiner Kapuze festhielt. Sie war vorsichtig, ihm nicht zu sehr weh zu tun.
    „He-he-hey!“, rief das Männchen erschrocken auf und strampelte mit seinen winzig kleinen Ziegenfüßen. „L-lass mich runter, du Wicht!“
    „Wicht?“ Sie hielt ihn hoch genug, um ihn genauer beobachten zu können. Er hatte die Gestalt eines winzig kleinen, jungen Mannes mit lockigem Haar, dessen Farbe sie im Astralraum nicht genau ausmachen konnte. Sein Körper war neben dem Umhang von einer Robe verhüllt, die ihm bis über die Knie reichten, die von dicken, zotteligen Fell überzogen waren.
    „Ja! Wicht!“, rief er aus. „Elendiger Wicht! Lass mich runter! Ich bin auf einer wichtigen Mission!“
    „Der Mission eine Bank auszurauben?“ Sie hob fragend eine Augenbraue und betrachtete den Jungen.
    Murphy war aufgestanden und kam zu ihr hinüber, um den kleinen Mann genauer in Augenschein zu nehmen. Er schwieg, wahrscheinlich um einen Punkt daraus zu machen, dass sie ihm zuvor den Mund verboten hatte.
    „Ich habe nichts geraubt!“
    „Du hast nur fremder Leute Eigentum durcheinander gebracht, hmm?“, meinte sie.
    „Eigentum? Eigentum? Wessen Eigentum!“ Der Wicht strampelte noch immer. Wenn sie nicht irrte, hatte sie es hier mit einem Puck zu tun. Einem Feenwesen der Wiesen und Pilze.
    „Das Eigentum der Leute, die die Schließfächer gemietet haben zum Beispiel.“ Sie setzte ihn auf dem nächsten Schreibtisch ab, hielt ihn aber bei seinem Umhang fest, um sicher zu gehen, dass er ihr nicht zu schnell entkam. „Zum Beispiel das Geld, was du zu Kranichen gefaltet hast.“
    Mit vorgeschobener Verständnislosigkeit sah er sie an. „Geld?“ Er war kein guter Lügner.
    „Du weißt, wovon ich spreche.“
    „Und du weißt nicht, wovon du sprichst! Ich bin auf einer wichtigen Mission!“
    „Was für einer Mission denn?“, fragte sie.
    Schnaubend sah das Männchen sie an. Dann verschränkte es demonstrativ die Arme. „Das geht dich nichts an. Wicht!“
    „Dann fürchte ich, dass ich dich den Special Department der MPD überlassen muss.“
    „Dem was?“
    Nun konnte Murphy sich doch nicht beherrschen. „Der Polizei. Das sind gewaltätige Menschen, die nur so darauf warten, einen kleinen Feenmann zu foltern und ihm die Geheimnisse …“
    „Kid.“ Sie sah ihn von der Seite an.
    Murphy kicherte. „Ich sage die Wahrheit“, versicherte er. Anders als der Feenmann war er ein guter Lügner.
    „Nein, sagst du nicht.“ Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Puck zu. „Warum hast du das Geld gefaltet?“
    Verschränkte Arme. Schmollmund. Wie kindisch. „Ich sage nichts.“
    „Dann muss ich dich mitnehmen.“ Sie wartete für einen Moment, hob ihn dann wieder hoch.
    „Nein!“, rief er aus.
    „Aha?“, fragte sie und sah ihn an.
    Stille. Der Schmollmund wurde noch weiter verzogen. Dann: „Ich bin auf einer wichtigen Mission. Ich muss ein heiliges Ritual zu Ende bringen!“
    „Ein Ritual?“
    Der Puck nickte mit ernstem Blick und funkelte sie an. „Ja. Ein Ritual.“
    Natürlich wusste sie, wovon er sprach. Sie hatte es nachgeschaut und ihre eigenen Schlüsse gezogen. Er redete wahrscheinlich von den tausend Kranichen, die man laut japanischer Legende aus Origami faltete, um einen Wunsch erfüllt zu bekommen oder jemanden zu heilen – je nachdem, wen man fragte. Hazel hätte ihr wahrscheinlich mehr dazu erzählen können, doch sie war – wie so oft in letzter Zeit – mit Raksha fort gewesen. Wohin auch immer die beiden verschwunden waren. Joanne hatte nicht mehr wissen müssen.
    „Was für ein Ritual?“, fragte sie.
    „Ein enorm wichtiges!“, meinte der Puck. „Und jetzt lass mich runter!“ Er schrie bei diesen letzten Worten, auch wenn seine Stimme dennoch nicht mehr als ein Piepsen war.
    „Sag mir, was für ein Ritual es ist“, forderte sie grob.
    „Ich rate dir, auf sie zu hören, denn was sie sonst tut …“
    „Murphy!“
    „Was?“
    Unglücklich und mit zitternder Nase sah der Puck sie an. Er holte tief Luft. „Wenn ich das Ritual nicht zu Ende bringe, dann wird ein Freund sterben! Also lass mich runter, du elendiger Wicht!“
    Joanne seufzte. So etwas hatte sie sich schon gedacht. „Du willst also jemanden heilen?“
    Verschränkte Arme. Misstrauischer Blick. „Ja.“
    „Und deswegen willst du tausend Kraniche falten?“
    Ein tiefer Atemzug. „Ja.“
    „Und warum benutzt du dafür Geld?“ Sie musterte den Kleinen.
    „Na, weil der Zauber stärker ist, wenn dem Papier ein größerer Wert beigemessen wird!“ Der Puck sah sie an, als wäre das vollkommen natürlich, was es vielleicht auch war.
    Schließlich wussten viele Feen und auch einige Menschen, dass Gegenstände, denen ein metaphorischer, emotionaler oder symbolischer Wert inne lag, oft bessere Zauberfoki abgaben, als etwaige wertlose Gegenstücke. Es war nicht ungehört und wurde oftmals bedacht – gerade von Schamanen. Was es allerdings dennoch nicht okay machte, fremder Leute Geld dafür zu verwenden.
    „Warum hast du keinen Heiler gesucht?“, fragte sie.
    Noch immer hatte der Puck die Arme verschränkt. Mutlos kickten seine Beine in der Luft. Er hatte schon lange aufgegeben zu entkommen. „Weil ich keinen Heiler kenne.“
    „Du hättest dennoch einen Heiler suchen können, bevor du in die Bank einbrichst.“
    „Wieso? Ich habe doch nichts weggenommen.“
    „Weil du nicht einmal weißt, ob das Ritual so funktioniert“, kommentierte Joanne und musterte ihn. „Und weil du bisher ja nicht erfolgreich warst, oder?“
    Der Blick des kleinen Feenwesens sah aus, als würde es sie persönlich dafür verantwortlich machen, dass seine bisherigen Faltversuche fehlgeschlagen waren. „Erika sagte, dass es funktioniert.“
    „Aber vielleicht funktioniert es nur, wenn du denselben Göttern folgst, wie sie.“
    Die Lippe schon wieder zu einem Schmollmund hochgezogen, wandte der kleine Mann den Blick ab.
    Murphy, der neben ihr stand, verdrehte die Augen. Wahrscheinlich verkniff er sich nur gerade so einen Kommentar zu der Situation.
    Schließlich seufzte Joanne. „Ich kenne einen Heiler.“
    Der kleine Puck sah sie an. Misstrauisch funkelten seine Augen. „Ach ja?“
    „Ja. Mein Mann ist ein Heiler. Also wenn du mir sagen würdest, was eigentlich das Problem ist, können wir sicher schauen, dass wir deinem Freund“ – oder nicht eher Freundin? – „helfen können.“
    Er sah sie an und schien für einen Augenblick wirklich über ihr Angebot nachzudenken, doch dann verschränkte er wieder die Arme. „Nein!“
    Was zur Hölle war sein Problem? „Warum nicht?“
    „Du willst mich sicher nur in eine Falle locken, und dann zusammen mit Erika gefangen nehmen!“
    „Wenn ich dich gefangen nehmen wollte, würde ich es einfach so tun und dann könntest du Erika nicht helfen. Warum sollte ich sie Gefangen nehmen wollen?“
    „Weil du ein Mensch bist und Menschen böse sind.“
    Murphy ließ ein leises Lachen hören, was ihm einen entgeisterten Blick von ihr einbrachte. Auch wenn sie genau wusste, warum er lachte.
    „Magst du das vielleicht übernehmen?“, meinte sie süffisant und sah ihn an.
    „Du hast gesagt, ich soll den Mund halten“, entgegnete Murphy.
    Sie seufzte. „Damit du den Einbrecher nicht verscheuchst und wir ihn fangen können.“
    „Aha!“, rief der Puck aus.
    Sie sah ihn an. „Damit wir ihn befragen können“, fügte sie dann mit Nachdruck hinzu. Dann wandte sie sich wieder Murphy zu. „Jetzt, da wir ja mit ihm reden, könntest du ihn davon überzeugen, zu kooperieren.“
    „Und was bekomme ich dafür?“
    Tat heute denn niemand mehr etwas nur des Helfens willen? „Einen extra großen Schoko-Erdbeer-Becher?“
    Murphy tat, als müsse er länger darüber nachdenken, streckte dann aber die Hand aus. „Deal.“
    Anstatt seine Hand zu ergreifen, setzte sie den Puck, der so leicht seinen Namen wohl nicht verraten würde, darauf ab.
    „Bleib von mir fern!“, protestierte der Puck und machte Anstalten von Murphys Handfläche zu springen.
    „Jetzt mach aber mal Halblang“, meinte Murphy. Er zeigte seine grün leuchtenden Faeaugen. „Wie du siehst, bin ich kein Mensch. Also hör mir einmal zu.“ Als der Puck ansetzte, um zu protestierten, redete Murphy einfach weiter, wie er es so gerne tat. „Wie ich das sehe, hast du keine großartige Wahl. Du warst nicht vorsichtig genug und wurdest aufgespürt und musst daher nun die Konsequenzen tragen. Die Konsequenzen sind, dass du entweder der Polizei ausgehändigt wirst und dieser dann Rede und Antwort stehen musst, ehe sie dich in ein tiefes Loch werfen, wo man dich garantiert verhungern lassen wird und du niemanden mehr helfen kannst.“
    „Murphy“, knurrte Joanne.
    Der Junge fuhr unbeirrt fort. „Oder du zeigst dich Kooperationsbereit und bringst meinen Dad zu deiner Freundin, damit er ihr helfen kann, anstatt ein Ritual zu versuchen, das du ohnehin nicht ganz verstanden hast, und damit auch noch die Menschen auf deine Existenz aufmerksam zu machen, was auf Dauer den Magiern und den Werwölfen fraglos missfallen wird und dir noch ganz andere Probleme einbringen wird. Kurzum hast du eine Wahl, aber ich weiß, welche Möglichkeit ich wählen würde, wenn ich du wäre. Das ist nämlich die zweite, wo du wahrscheinlich ungeschoren davon kommst und deiner Freundin geholfen werden kann. Siehst du das nicht auch so?“
    Der Schwall der Wörter wusch förmlich über den Puck hinweg, der mehrfach Anstalten machte, zu protestieren und auf andere Art zu widersprechen, jedoch nie wirklich dazu kam. Am Ende saß er nur auf Murphys Hand und öffnete mehrfach den Mund, nur um ihn jedes Mal wieder zu schließen. Er brauchte einige Minuten, ehe er sich davon erholt hatte. Schließlich holte er tief Luft. „Woher weiß ich nicht, dass das eine Falle ist?“
    „Das kannst du nicht wissen“, meinte Murphy süffisant und lächelte. „Aber deine Auswahl ist zwischen sicherem Verderben und einer Chance, die eventuell kein Verderben mit sich bringt. Also: Was soll es sein?“
    Der kleine Feenmann verschränkte seine Arme und sah Murphy schmollend an. „Von mir aus. Dann gehen wir halt zu dem Heiler. Aber ich sage euch, wenn das eine Falle ist, dann werde ich euch verfluchen, dass euch Hören und Sehen vergeht. Jawohl.“
    Joanne seufzte. „Ist gut.“ Sie sah Murphy an, der ihr ein selbstüberzeugtes Grinsen schenkte.


  • Nun gut, über dieses Kapitel habe ich ehrlich gesagt nicht so viel zu sagen.

    Danke für den Kommentar, Sunaki!

    Ja, ja, kannst ja dein 1. Kind nach mir benennen. : D

    *hüstel* Ja, so in etwa. Wart's ab!

    Ach ja, es hat sich gelohnt Code Geass zu sehen. Ist also fast genau so wie ich gedacht hatte.
    Das Zitat bezog sich auf die Kraniche.

    Warum sollte Joanne ein Silberspiegel schaden? Sie ist kein Shapechanger.

    Sie nicht aber die Werwölfe in der andere Story. Wobei ich ziemlich sicher bin, dass das Silber erst später dazu erfunden wurde.
    Andererseits so wie deine Welt funktioniert, muss das nichts heißen. Sie scheint sich mit dem Glauben der Leute zu verändern.

    „Aber vielleicht funktioniert es nur, wenn du denselben Göttern folgst, wie sie.“

    Wait for it.

    Schließlich wussten viele Feen und auch einige Menschen, dass Gegenstände, denen ein metaphorischer, emotionaler oder symbolischer Wert inne lag, oft bessere Zauberfoki abgaben, als etwaige wertlose Gegenstücke.

    Das sind beides sehr spannende Details über eure Welt. Ich denke sie decken sich recht gut mit dem Wissen, das wir in Buch 1 erhalten hatten und den Angaben die du über Götter gemacht hast.

  • Antwort:




    Vorwort:


    Ja, eigentlich gibt es nicht viel zu sagen. Wieder ein Zwischenspiel mit Familienspaß. *hüstel*



    [Blockierte Grafik: https://imgur.com/SA4TVtl.jpg]


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    Zwischenspiel

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    [align=justify]Joanne saß im Wagen. Zu ihrer Linken auf dem Beifahrersitz saßen Pukk und der Puck ohne Namen. Denn seinen Namen wollte er ihnen noch immer nicht verraten.
    Der Puck schmollte. Er hatte seine Arme verschränkt und seine Beine zu einem Schneidersitz zusammen gezogen. Er sah starr auf die Fensterscheibe, auf der sich immer wieder Schneeflocken absetzten, ehe sie von den Scheibenwischern zur Seite gewischt wurde.
    Das Wetter war beinahe schon als ein Schneesturm zu beschreiben.
    „Jetzt sag uns endlich deinen Namen“, forderte Pukk nicht zum ersten Mal.
    „Nein“, beharrte der Puck.
    Pukk stupste ihn mit dem Holzende seines kleinen Speers an. „Jetzt sag schon! Damit wir wissen, ob wir dir vertrauen können.“
    „Nein.“
    „Lass gut sein, Pukk“, meinte Joanne.
    „Aber, Chefin.“ Der kleine Kerl sah sie an. „Der Typ vertraut dir nicht, obwohl du seinen undankbaren Hintern gerettet hast. Wo kommen wir denn dahin?“
    „Ich neige dazu, Leuten, die mich gefangen nehmen nicht zu vertrauen!“, warf der Puck ein.
    „Du bist kein Gefangener“, meinte Joanne ruhig.
    „Ich habe sogar einen eigenen Wachmann!“, protestierte der Puck. „Wie bin ich kein Gefangener?“
    In einer Sache musste sie Pukk zustimmen: Der Knirps war Undankbar. Mit einem Seufzen und im Plan, die Streiterei zu unterbinden, stellte sie das Radio an. Eine Entscheidung, die sie keine zwei Sekunden später wieder bereute.
    So kam sie fünfzehn Minuten „Last Christmas“ und anderer, ähnlich penetranter Weihnachtslieder später bei Jack und Robert an, nun in Begleitung eines Pucks, der davon überzeugt war, dass sie eine Folter plante. Ihm Radioprogramm zu erklären, versuchte sie erst gar nicht.
    Sie trug die beiden Feenwesen, da diese kaum durch den frisch gefallenen Schnee kamen. An der Tür wurde sie von einem müde wirkenden Jack empfangen.
    „Da seid ihr ja“, meinte er. „Murphy hat gesagt, du brauchst den Doc?“
    „Ja“, erwiderte sie. Murphy war in Rabengestalt voran geflogen, da er so nicht auf die dank dem Wetter verstopften Straßen angewiesen war. „Es gibt offenbar einen medizinischen Notfall.“
    Jack musterte sie und sein Blick blieb an dem Puck hängen. „Ist das der Einbrecher?“
    „Ich bin kein Einbrecher“, protestierte der Puck.
    „Du bist sehr wohl in die Bank eingebrochen, auch wenn du nichts gestohlen hast!“, entgegnete Pukk.
    Jack schien amüsiert. „Ich verstehe“, meinte er. „Nun, du wirst dich gegen deine Tochter durchsetzen müssen.“
    Unwillkürlich sah Joanne auf die Uhr. Es war kurz nach zehn. „Amy ist noch wach?“
    „Monopoly“, erklärte Jack. „Sie will das Spiel zu Ende spielen. Also haben wir ihr gesagt …“ Er ließ die Worte ausklingen, entlockte Joanne aber nur ein Seufzen.
    Natürlich. Amy konnte sehr dickköpfig sein. Das musste in der Familie liegen.
    „Lass mich mal sehen.“ Sie ging in das Haus hinein, zog ihre Schuhe aus und setzte die Pukk und den Puck auf dem Boden ab, ehe sie zum Wohnzimmer ging, wo Joachim, Robert und Amy noch immer spielten. Joanne vermutete, dass Jack schon ausgeschieden war. Sie kannte sein Glück.
    Ein Lächeln breitete sich auf Joachims Gesicht aus. Er schien – wie so oft – müde zu sein. Mittlerweile war sein Haar wirklich angegraut. Es war ein vertrauter Anblick. Als sie ihn vor sieben Jahren kennen gelernt hatte, hatte er seine Haare schon grau gefärbt, um seine Identität zu verschleiern.
    „Hey.“
    Sie ging zu ihm hinüber, küsste ihn kurz auf die Stirn. „Hey. Was macht ihr hier noch?“
    Er lächelte. „Jemand hat drauf bestanden, das Spiel zu beenden.“
    „Wir haben erst so spät angefangen“, bestätigte Amy und zog das „so“ dabei extra in die Länge.
    Joannes Blick wanderte über das Spielfeld und die Geldreserven, die an den jeweiligen Enden unter dem Spielbrett lagen. Aktuell sah es so aus, als würde Joachim gewinnen und Amy als nächste ausscheiden.
    Sie seufzte. „Was meinst du, Liebling, soll Mama dir beim Spielen helfen?“
    Amy verschränkte die Arme und sah auf ihren Geldvorrat. „Ich kann das allein.“ Den Karten nach zu urteilen, hatte sie die Mayfair und die Parklane gekauft, auf denen jeweils zwei Hotels standen. Kurzum: Sie hatte wie immer darauf gebaut, dass jemand auf einem der zwei Felder landen würde.
    „Das zweifle ich gar nicht. Ich möchte dir nur helfen.“
    Amy schien schwer darüber nachzudenken, während eine Dohle – Murphy – am Rand des Tisches saß und mit einem Auge aufmerksam das Spielfeld beobachtete. „Okay“, meinte Amy schließlich.
    Joanne wusste, dass sie eigentlich direkt mit Joachim auf dem Weg zu „Erika“ – wer auch immer sie war – machen sollte. Es war nur richtig. Doch wollte sie Amys Spiel nicht unterbrechen, indem sie Joachim entführte. Sie hatte ihre Tochter heute schon zu genüge enttäuscht. Zudem: Der Puck hätte die ganze Nacht gebraucht, um die Kraniche zu falten und hätte es dennoch wahrscheinlich nicht geschafft. War es wirklich so schlimm, wenn sie sich ein oder zwei Stunden Verspätung erlaubte?
    Sie hob Amy hoch und nahm sie auf den Schoss, während Jack sich zu Robert setzte.
    „Heißt das, ich bin der einzige ohne Unterstützung?“, fragte Joachim mit gespielter Empörung.
    Murphy krächzte und sprang auf seine Schulter. „Helfe.“ Seine Stimme klang in Dohlengestalt durch den Schnabel seltsam verzerrt.
    „Na, ob du hilfst“, meinte Joachim neckend.
    „Wenn es um Verhandlungen geht“, klackerte die Dohle.

  • Der Zwischenspiel bezieht sich soweit ich sehe mehr auf die Tochter und die Haupthandlung beschäftigt sich dann wiederum mit dem Bankraub. Klingt ganz nett, würde ich mal sagen.


    Schade. Nicht mal zu Wukong und Murphy?

    Murphy ist OK, wer hat nicht gerne einen nackten Schwarzen bei sich rumhocken?
    Ist sehr dekorativ.
    Vom Charakter her, war er noch nicht so beeindruckend, aber man sieht wohin der Charakter geht und ich denke der kann recht sympathisch sein.


    Wukong hingegen, kann ich noch nicht so gut lesen. Er hat diese, ich mache nichts für nichts Mentalität, das ist gut, aber sonnst kann ich noch nicht viel über ihn sagen. Ich hatte eher gedacht, er hätte eine komische Art sich auszudrücken. Er würde besonders altbacken reden, was dann ein Kontrast zu seinem Charakter darstellen würde, oder umgekehrt extrem Hippstermäßig einen auf Modern machen, aber er redet alles in allem doch recht normal. Ich glaube er hat öfters OK gesagt und ich denke ich hätte einfach erwartet dass er etwas stärker heraussticht, immerhin ist er auch der Älteste von ihnen und eine absolute Naturgewalt.
    Das heißt nicht, dass er schlecht ist, nur dass noch nicht ganz weiß woran ich bin.

    Wäre aber ein komischer Mädchenname.

    Ich werde immer mal wieder mit einem Mädchen verwechselt.
    Und ich sehe, du hättest auch lieber ein Mädchen. Ich mag ja die Namen Vanessa und Melissa recht gerne. Sie klingen elegant, aber nicht zu exotisch.

    Linken auf dem Beifahrersitz saßen Pukk und der Puck ohne Name

    Wieder zum Kapitel. Es klingt etwas ungewohnt, wenn der Name eines Charakters an seine Spezies angelehnt ist und beides im selben Satz vorkommt.

    „Wir haben erst so spät angefangen“, bestätigte Amy und zog das „so“ dabei extra in die Länge.

    Hm, ach so. Das ist einen gute Line, vielleicht orientiere ich mich danach.

  • Antwort:


    Wie immer Dank, Sunni ;)




    Vorwort:


    So, der letzte inhaltliche Teil und morgen kommt dann noch das Nachwort. Dieses Mal gibt es Action - weil ich gerne Action schreibe. Und auch so etwas wie Spannung. Also so viel Spannung, wie es gibt, wenn Wukong dem Hauptcharakter die unsterblichen Pfirsiche untergeschoben hat. *hust*


    [Blockierte Grafik: https://imgur.com/SA4TVtl.jpg]


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    Teil 3



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    Irgendwie schafften sie es das Spiel vor Mitternacht zu beenden und danach eine schläfrige Amy Jack und Robert zu übergeben, die versprachen, sie ins Bett zu bringen. Joachim hatte absichtlich verloren, während Jacks Glück oder eher sein Pech am Ende auf Robert abgefärbt hatte.
    „Das war eine enorme Zeitverschwendung“, kommentierte der Puck, dessen Gesicht nun von einem blauen Auge geziert wurde.
    Pukk und der Puck waren, während sie versucht hatte, das Spiel schnellstmöglich zu Ende zu bringen, aneinander geraten. Sie hatten angefangen über besagte Zeitverschwendung zu streiten, Murphy hatte sie angespornt und am Ende war es zu einer Prügelei gekommen. Zumindest hatte keiner von beiden gezaubert.
    „Was ist denn genau das Problem?“, fragte Joachim und sah über die Schulter auf den Rücksitz, wo Dohle, Puck und Pukk saßen. „Also wobei soll ich genau helfen.“
    „Ein Freund von mir ist verletzt“, meinte der Puck. Breitbeining und mit verschränkten Armen lehnte er gegen den Rücksitz.
    „Wie wurde dein Freund denn verletzt?“, fragte Joachim.
    Dankbarerweise hatte es vor einer halben Stunde aufgehört zu schneien und die Straßen waren seither größtenteils geräumt worden.
    „Mit einem von den menschlichen Donnerstäben“, meinte der Puck. Er sah Joachim bitter an. „Bist du überhaupt ein Heiler?“
    Murphy lachte krächzend, während Pukk aufsprang.
    „Er ist ein ganz großer Heiler!“
    „Du siehst nicht aus, wie ein Heiler“, kommentierte der Puck.
    „Wie sieht deiner Meinung nach ein Heiler denn aus?“, fragte Joanne.
    Der Puck sah zum Seitenfenster des Wagens. „Nicht so.“
    „Können wir zu dem Verletzten zurückkommen?“ Joachim drehte sich noch etwas weiter nach hinten. „Er wurde angeschossen?“
    „Nennt ihr das so? Das war so ein lauter Stab und daraus kam etwas geflogen.“
    Joanne seufzte und rückte etwas auf dem Fahrersitz zurecht, um ihre Pistole aus dem Unterholster zu ziehen. „So ein Stab?“
    „Nein. Größer.“
    „Also ein Gewehr“, schloss Joachim.
    Der Puck schien ungeduldig zu werden. „Was weiß ich! Jedenfalls ist Erika verletzt und schwach und es ist nicht besser geworden.“
    „Wie lang ist das jetzt her?“, fragte Joachim.
    „Vier Tage.“
    „Und was genau ist dein Freund, beziehungsweise deine Freundin genau? Also Erika?“
    Wieder antwortete ein langes schweigen. „So etwas wie ein Hund.“
    „Ein Wolf?“
    „Nein.“
    Der Kleine traute ihnen noch immer nicht. Sie konnte nur hoffen, dass er nicht versuchte, sie in eine Falle zu locken. Doch was sollten sie tun? Wahrscheinlich waren sie zu gutmütig. Am Ende würde sie sich am nächsten Tag noch eine Erklärung für Owen und Blackburn ausdenken dürfen. Owen würde es vielleicht verstehen, doch was zur Hölle sollten sie Blackburn erzählen? Doch das war von Anfang an die Frage gewesen.
    „Jetzt links!“, rief der Puck auf einmal aus und zeigte nach links.
    Joanne wusste nicht, woran er es festmachte, doch sie folgte seinen Anweisungen, die sie immer weiter in den Südwesten der Stadt führten. Die Gegend verlor ihr städtisches Aussehen und schließlich ließ der Puck sie rechts abbiegen – in den botanischen Garten, wie sie nun erkannte. Dem nördlichen Ende speziell, das einem Golfclub. Ein typischer Ort, an dem sich reiche Menschen trafen, um im Sommer Tennis oder Golf zu spielen und entsprechend abgesperrt. Hier gab es ein kleines Wäldchen und einen See. Kein Wunder, dass sich zwei Feenwesen hierhin gezogen gefühlt hatten. Warum waren sie eigentlich nicht in die Anderswelt gegangen? Waren sie zu schwach?
    „Hier! Wir sind gleich da!“, rief der Puck und sprang an das Fenster, als sie eine kleine Zufahrsstraße zum Golfplatz entlang fuhren. „Hier, hier. Dahinten.“ Er zeigte geradeaus, wo eine Abdeckung über etwas hing, dass Joanne in der mondlosen Nacht nicht genau erkennen konnte.
    Sie fuhr mit dem Wagen an den Rand der Straße und hielt den Motor an. „Dann zeig uns, wo dein Freund ist.“ Sie öffnete die Fahrertür und stieg vorsichtig aus, da der Schnee hier erstaunlich hoch lag.
    „Ja.“ Der Puck schaffte es das Fenster zu öffnen und sprang hinaus. Da er so klein und damit leicht war, konnte er tatsächlich auf dem Schnee laufen. Anders als Pukk, der als Feuergeist ein Loch in die weiße Decke schmolz und damit unter dem Schnee verschwunden war.
    Joanne hielt an, bückte sich und fischte den Feuergeist aus dem Loch hervor, um ihn auf ihrer Schulter sitzen zu lassen.
    Die kleine, dunkle Gestalt des Fae huschte über den Schnee, während Joachim seinen erste Hilfe Koffer, sowie die kleine Tasche gefüllt mit Notfallmedikamente für Iggy aus dem Kofferraum holte.
    Der Puck lief direkt auf die Plane zu, die offenbar über einen Holzverschlag gezogen war, der über zwei angehäuften Hügeln gebaut war. Als Joanne näher kam und die Plane schließlich zur Seite schlug, konnte sie sehen, dass der Verschlag mit Heuballen gefüllt war, die offenbar im Sommer von den Wiesen eingefahren worden waren.
    „Erika!“, rief der Puck aus und lief in die hinterste Ecke des Verschlags.
    Joanne folgte ihm. Sie hatte es weit einfacher als er, über die Heuballen zu klettern. Als sie die hintere Ecke des Verschlags endlich erreicht hatte fand sie eine pelzige zusammengerollte, weiße Gestalt. Ein weißer Fuchs, wie ihr nach einigen Sekunden bewusst wurde.
    Das Tier hob seinen Kopf und sah den Puck an. Es winselte leise und legte den Kopf dann wieder auf das Heu.
    Joanne konnte Blut an der Flanke des Tieres erkennen. Es war eindeutig verletzt.
    Hinter ihr klappte Joachim die Plane zur Seite und kletterte über die Heuballen, um sich neben dem kleinen Fuchs zum Boden gleiten zu lassen. „Das ist also Erika?“
    Der Puck schluckte und nickte. „Ja. Die Menschen mit dem Donnerstab haben sie verletzt und es geht ihr seither schlecht. Sie ist schwächer geworden.“ Er wandte sich dem Fuchs zu: „Erika. Der Mann sagt, er ist ein Heiler. Er will sich deine Wunde ansehen. Ist das in Ordnung?“
    Der Fuchs gab einen Laut von sich, der nicht ganz wie ein Bellen klang. Es war ein hoher Laut, der etwas menschliches an sich hatte. Dann legte der junge Fuchs seinen Kopf wieder auf den Vorderpfoten ab.
    Selbst Joanne konnte sehen, dass das Tier schwach war. Sie vermutete, dass es entweder zu viel Blut verloren hatte, oder irgendwie vergiftet worden war. Vielleicht hatte sich die Wunde auch entzündet. Wenn sie nicht irrte – und sie ging davon aus, dass dieser Fuchs ein magisches Wesen war – hatte sie es mit einem der japanischen Fuchsgeister zu tun, wie auch immer einer davon hierher gekommen war.
    Vorsichtig hockte sie sich ebenfalls neben den Fuchs, während Joachim sich erst die Hände desinfizierte und dann Handschuhe überzog. Er bereitete eine Betäubungsspritze vor, hielt dann aber inne. „Ich werde dir etwas gegen die Schmerzen geben, ja?“ Er strich dem Tier, das noch fast ein Welpe war, über das Fell.
    Ein leises Wimmern war zu hören, doch auch wenn die goldenen Augen des Tieres auf der Spritze verharrten, als Joachim die Nadel unter seine Haut gleiten ließ, so machte es keine Anstalten sich zu wehren. Einzig der Puck sah die Spritz noch immer misstrauisch an und erntete dafür ebenso misstrauische Blicke von Pukk.
    Murphy war offenbar draußen geblieben. Meinte er Wache halten zu müssen?
    Nach kurzem Warten, um dem Mittel zu erlauben seine Wirkung zu entfalten, nahm Joachim einen Tupfer und tränkte ihn in Alkohollösung, ehe er begann das Fell um die Wunde herum zu säubern. Ab und an reichte er Joanne einen dreckigen Tupfer, den sie in einen kleinen Beutel fallen ließ.
    Die Wunde war nicht besonders groß und wirkte verhältnismäßig sauber. Es war eindeutig eine Schusswunde und sie war an den Rändern bereits verheilt.
    Mit einer Pinzette und einem Skalpell machte er sich daran, die Wunde vorsichtig weit genug zu öffnen, als dass er sich zu der Kugel, die sich tief in das Gewebe des Tiers gefressen hatte, vordringen zu können. Er brauchte etwas, doch schließlich schaffte er es das verformte Stück Metall zu lösen und heraus zu ziehen.
    Ein lauteres Wimmern entrann dem Fuchs, doch noch immer war das Tier ruhig und geduldig.
    „Hier“, meinte Joachim und hielt Joanne das verformte Metall mit der Pinzette entgegen. Schnell nahm sie einen neuen Beutel, um ihm die Kugel darein fallen zu lassen. „Ich hole noch die Splitter raus.“
    Joanne nickte. „Okay.“
    „Ich frage mich nur“, murmelte Joachim, als er sich dem Fuchs zuwandte, „was das genau ist. Haben sie es benutzt, um ihr damit Gift einzuflößen? Oder haben Sie es verzaubert?“
    „Wieso?“, fragte Joanne.
    „Sie ist schwach. Sie hat Anzeichen einer Vergiftung. Aber es gibt keinen Grund für sie vergiftet zu sein, wenn nicht irgendetwas an der Kugel …“ Er ließ des Satz matt ausklingen.
    Joanne betrachtete den Beutel in ihrer Hand, während der Puck die Stimme erhob.
    „Sie sagt, ihr sei schlecht geworden, als sie getroffen worden war. Und es habe alles ganz taub gemacht.“
    Mit einem tiefen Luftzug schloss Joanne die Augen, konzentrierte sich, sammelte ihre Energie und öffnete ihre Augen dann wieder. Zu ihrer Erleichterung stellte sie fest, dass ihr Vorhaben gelungen war: Sie konnte die Auren ihrer Umgebung sehen. Ihr Sichtfeld war mit der Wahrnehmung des Astralraums überlagert.
    So sah sie auf die verformte Kugel, die – wenn sie wirklich vergiftet oder verzaubert war – dies in ihrer Aura zeigen sollte. Die Aura des Metallklumpens war durch den Beutel, aber auch durch die Magie des Fuchses, die noch immer an ihm hing, verzerrt. Doch strahlte die Kugel dunkel – sie war eine Waffe, von ihr ging Gefahr aus. Doch da war noch etwas anderes. Ein violettes Schimmern, das an einigen Stellen von einem giftigen Gelbgrün durchbrochen wurde. „Oh verdammt“, seufzte sie und schluckte.
    Joachim warf ihr einen schnellen Seitenblick zu. „Was ist?“
    „Nichts“, erwiderte sie. Sie wollte ihn nicht verunsichern. Er zog die abgebrochenen Splitter besser schnell aus dem Fuchs heraus.
    Nur was machten sie dann damit? Die Kugel strahlte nur leicht, doch Unsterblichkeit hin oder her, sie wollte das Ding so schnell wie möglich loswerden. Vielleicht sollte sie sich wirklich angewöhnen irgendeinen Bleikasten mit sich zu führen. Doch im Moment tat sie nichts dergleichen. Also was tun? Sie überlegte. Sie konnte es nicht einfach in den Astralraum werfen. Geister waren immun gegen Radioaktivität, sie schadete ihnen nicht. Doch Joanne hatte von Fällen gehört, wo Geister von radioaktiver Strahlung korrumpiert worden waren. Das wollte sie nicht riskieren.
    Also. Was?
    Der erste Splitter landete – von Blut verklebt – im Beutel. Kurz darauf gefolgt von einem zweiten und winzig kleinen dritten.
    „Ich glaube, das war's.“ Joachim atmete auf. „Alles okay?“
    Sie nickte. „Ich gehe kurz raus.“ Was besseres fiel ihr nicht ein. Denn sie wusste eine Person, die ihr helfen konnte, die Kugeln loszuwerfen. Auch wenn diese Person mit ihr verhandeln würde.
    Also ging sie vor den Verschlag – noch immer ihren Blick gen Astralraum gerichtet – und sah sich um. „Wukong?“, fragte sie leise in die Nacht hinein. Wo war der Affengott, wenn man ihn mal brauchte?
    Stille.
    Ihr fiel eine kleine Gruppe von Leuten auf, die über die Wiese lief. Was machten sie um diese Zeit noch hier?
    „Wukong?“, fragte sie erneut.
    Ein Affengesicht erschien von oben in ihrem Blickfeld. Da saß er, auf seiner albernen Wolke reitend oder besser von dieser herunterhängend und grinste sie an. „Buh!“
    Unbeeindruckt sah sie ihn an. „Du bist doch einmal an den Rand des Universums gesprungen, nicht?“
    „Mag sein, ja“, gab er zu bedenken. „Wieso?“ Er ließ sich von der Wolke fallen.
    „Wärst du, rein theoretisch, fähig, etwas an den Rand des Universums zu werfen?“
    Er musterte sie amüsiert und nicht ohne dabei einen Handstand zu machen, da es ganz offenbar zu viel von ihm verlangt war, einfach stehen zu bleiben. „Vielleicht“, meinte er dann und beugte einen seiner Füße herunter, um sich etwas Dreck unter einem Zehnnagel zu entfernen.
    „Könntest du das hier ans Ende des Universums befördern?“, fragte sie und hielt ihm den Beutel mit der Kugel hin.
    Endlich richtete er sich wieder auf. Er nahm den Beutel und musterte ihn. „Könnte ich wohl, ja.“ Er gähnte. „Aber ob ich wirklich Lust dazu habe …“
    Sie seufzte. „Wukong!“
    „Was hast du denn? Es ist nicht so, als könnte so etwas dich noch töten, oder? Also entspann dich!“
    „Nur weil es mich nicht töten kann, heißt es nicht, dass dasselbe für Joachim oder Murphy gilt. Also, bitte …“
    „Bitte?“ Eine buschige Augenbraue hob sich amüsiert.
    „Ja, Wukong. Bitte. Sorg einfach nur dafür, dass das Zeug weg von hier kommt. Bitte.“
    Der Affenkönig ließ ein dramatisches Seufzen hören, verdrehte die Augen und fischte dann das Metall aus dem Beutel hervor. Er war mächtig genug, um es einfach so aus der physischen Ebene in den Astralraum zu holen. Und so knetete er das Metall, inklusive der Splitter, bis er eine Kugel in der Hand hatte. „Nur, um das klar zu machen, Jojo“, meinte er dann, „du schuldest mir was.“
    Nun war sie es, die die Augen verdrehte. „So wie ich das sehe, stehst du eigentlich fünffach in meiner Schuld.“
    Er lachte, warf die murmelgroße Kugel, die gleichzeitig in der physischen und metaphysischen Ebene zu existieren schien, hoch in die Luft, fischte seinen magischen Stab hervor, sprang der Kugel hinterher und schlug sie mit dem Stab wie einen Baseball gen Himmel.
    Ein lauter Knall erklang, ließ den Boden unter ihren Füßen beben, als die Kugel im Bruchteil einer Sekunde auf Schallgeschwindigkeit und noch weiter beschleunigte.
    Sie riss ein Loch in die Wolkendecke und verschwand, jenseits der Atmosphäre – wenn sie nicht in dieser verglühte.
    Wukong landete auf dem Boden und klopfte seine Hände ab. „Na, siehst du, alles kein Drama.“
    „Nicht, wenn man ein Gott ist.“
    „Oh ja, ich bin wirklich göttlich, oder?“ Er lachte. Dann horchte er auf einmal auf und zeigte mit dem Daumen hinter sich, von wo aus die kleine Gruppe, die Joanne zuvor schon bemerkt hatte, auf sie zukam. „Und ich glaube, meine Liebe, da will jemand etwas von dir.“ Er sprang hinter sie, auch wenn es für die Fremden keinen Unterschied machten: Sie konnten ihn nicht sehen, wenn sie nicht in den Astralraum sahen.
    „Hallo?“, rief Joanne ihnen entgegen. Es waren drei. Dem Aussehen nach zwei Männer und eine Frau. Sie trugen Winterkleidung – dicke Mäntel mit Schälen, die teilweise ihre Gesichter verhüllten.
    Einer der Männer, den Augen nach ein älterer Mann, trat auf sie zu. Joanne kam nicht umher, die Pistole, deren Holster unter seinem Mantel hervor lugte zu bemerkten. „Hallo“, meinte er barsch. „Wir haben einen Schuss von hier gehört. Wissen Sie etwas darüber?“
    Joanne stellte sich unwissend. „Es kam von dahinten irgendwo.“ Sie zeigte in Richtung des Wäldchens. „Ganz schön laut, eh?“
    „Wissen Sie etwas darüber?“ Er schien ihr ihre vermeintliche Unwissenheit nicht abzukaufen.
    „Wie? Was sollte ich denn wissen?“ Sie machte sich zum Kampf bereit. Die drei wären kaum eine Herausforderung für sie. Wachsam behielt sie die Hände der Fremden in den Augen, bereit vorzupreschen, wenn einer von ihnen nach einer Waffe griff.
    „Was machen Sie hier?“, fragte der Mann.
    „Ich habe nur einen Abendspaziergang mit meinem Mann gemacht“, meinte sie mit breitem Lächeln. „Dasselbe könnte ich Sie fragen.“
    „Wir sind für die Sicherheit hier Zuständig“, grunzte der Mann.
    Ja, sicher. Die drei sahen auch absolut aus, wie Sicherheitskräfte. Sie trugen ja nicht einmal Uniformen. Andere Leute versuchten zumindest ihre Geschichte glaubwürdig erscheinen zu lassen – diese drei sahen aus, wie Kriminelle. Waren sie es, die Erika angeschossen hatten?
    „Das trifft sich ja wunderbar“, erwiderte Joanne. „Ich arbeite mit der Polizei.“ Nebensächlich fischte sie ihre Karte aus der Tasche, um sie ihnen zu zeigen. „Soll ich Ihnen helfen, die Ursache für diesen Knall zu finden?“
    „Zur Hölle“, grummelte der männliche Begleiter.
    Der ältere Mann grummelte etwas in seinen Schal. „Wissen Sie etwas über einen Fuchs?“
    „Einen Fuchs?“, fragte sie. Sie ließ ihre Stimme ernster werden, bedrohlicher. „Sie sind doch nicht etwa Wilderer, oder? Ich würde gerne ihre Waffenlizenz sehen.“ Sie sah zu dem jüngeren Mann, über dessen Schulter ein Gewehr hing.
    Die drei wechselten Blicke.
    Na, worauf warteten sie denn? Joanne war sauer. Mit radioaktiver Munition auf Kinder – und wenn es Fuchswelpen waren – zu schießen, war weit von allem entfernt, was sie als „unter den richtigen Umständen entschuldbar“ ansehen würde. Davon abgesehen, dass die drei – wenn es wirklich die Jäger waren – allerlei anderer Sachen in Kauf genommen hatten. Warum überhaupt radioaktive Munition? Hatten sie versucht den Fuchs zu korrumpieren? Radioaktivität tötete magische Wesen nicht, wie sie es bei sterblichen tat.
    Und da war es. Der Mann zog seine Waffe. Er war geübt, schaffte es die Sicherung des Holsters in einer fließenden Bewegung zu öffnen und die Waffe zu heben. „Sagen Sie uns, wo der Fuchs ist.“
    Unbeeindruckt sah sie ihn an, während sie ihre nächsten Schritte plante. Sie war knapp fünf Meter von ihm und seinen Kumpanen entfernt. „Oder was?“
    „Ist das ein schlechter Witz?“, brummte er.
    „Oder du schießt?“ Sie ließ ihre Stimme amüsiert klingen.
    „Sag mir, wo der Fuchs ist, Bitch!“, presste er zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.
    Na, er wollte es nicht anders.
    Bevor er überhaupt verstand, was vor sich ging, sprang sie vor. Er schoss, verfehlte aber. Wie die meisten Menschen mit Schusswaffen, hatte er nicht damit gerechnet, von vorne attackiert zu werden.
    Mit einem geübten Griff schlug sie gegen sein Handgelenk, schaffte es damit den zweiten Schuss umzuleiten. Dann griff sie mit der Linken nach, verdrehte seine Hand und entwand ihm so die Waffe. All das in weniger als zwei Sekunden.
    Fassungslos starrte er sie an, als sie seine Waffe vor ihn hob.
    „Also wart ihr es, die die kleine Füchsin angeschossen haben?“, fragte sie. „Wisst ihr nicht, dass es eine ganz dumme Idee ist, sich mit Feen und Geistern anzulegen?“
    „Gib das zurück.“ Wie ein kleiner Junge versuchte er nach der Waffe zu greifen, während sie diese in die Luft hielt.
    „Ich denke, ich behalte die besser“, meinte sie. „Immerhin weiß ich, wie man damit umgeht. Wobei vergiftete Munition eigentlich weniger mein Stil ist.“ Sie behielt die anderen beiden im Auge und sah sehr wohl, wie die Frau ebenfalls eine Pistole gezogen hatte.
    Man sollte meinen, dass die anderen beiden so eingeschüchtert genug waren. Was hatte dieser Fuchs, dass die drei versuchten, sich mit ihr anzulegen?
    Sie trat gegen die Kniescheibe des Mannes – mit ausreichend Kraft um seine Kniescheibe zu brechen. Mit einem Schlag brachte sie ihn aus dem Gleichgewicht und beförderte ihn zu Boden, wo er schreiend und halb betäubt liegen blieb.
    Die Frau zögerte einen Moment zu lang. Joanne war bei ihr, bevor sie schießen konnte und trat ihr die Waffe aus der Hand, die einige Meter weiter im Schnee landete. Sie griff nach der Hand der Frau, zog sie nach vorn, nur um sie so aus dem Gleichgewicht zu bringen und dann mit einem Wurf in den Schnee zu befördern.
    Das warnende Krächzen eines Raben erklang. Flügel flatterten, dann ein überraschter Aufschrei.
    Nummer Drei hatte sein Gewehr bereits gemacht, war aber von Murphy aufgehalten worden, der sich in Rabengestalt auf ihn gestürzt hatte, und auf sein Gesicht einhakte.
    Noch immer schrie der ältere der beiden Typen.
    „Uuuuuh“, kommentierte Wukong auf einmal begeistert.
    Joanne wusste, dass dies nichts gutes zu bedeuten hatte. „Uuuuh“, machte Wukong nicht, weil sie gegen ein paar Menschen mit Waffen gekämpft hatte, die zu keinem Zeitpunkt auch nur eine Chance gehabt hatten.
    Sie drehte sich herum: Die Frau rutschte Rückwärts von ihr fort und hatte dabei etwas aus ihrer Tasche gezogen. Es sah aus, wie ein schwarzer Schlüsselanhänger. Während sie versuchte, wieder auf die Beine zu kommen, nahm sie ihn und warf ihn in Joanne Richtung.
    Joanne war lang genug mit der magischen Welt vertraut, um aus dem Weg zu springen, damit rechnend, dass es sich um einen Zauber handelte. Womit sie nicht rechnete, war, dass die kleine schwarze Statue im Flug wuchs und die Gestalt eines knapp zweieinhalb Meter großem und drei Meter langem Monstrums annahm.
    Das Wesen landete mit einem Krachen im Schnee, die Klauen ausgefahren, und fuhr zu Joanne herum.
    „Was zur Hölle …“, murmelte sie.
    Das Wesen hatte den Körper einer großen Katze – eines Löwen, wenn sie nicht irrte – aber den Kopf eines mit Stoßzähnen bestückten Elefantens mit glühend roten Augen.
    Strahlend saß Wukong auf einem nahe stehenden Baum und klatschte voller Begeisterung in die Hände. „Das, meine Liebe, nennen die Inder einen Yowie.“
    „Oh toll.“ Sie schnaubte und spannte ihre Muskeln an. „Ich weiß, wie das Monstrum heißt.“
    Die beiden magischen Wilderer, die noch stehen konnten, ergriffen ihre Chance. Sie liefen.
    „Chefin?“, fragte Pukk, der noch immer auf Joannes Schulter saß.
    „Hilf Murphy, die beiden zurück zu holen, ja?“, meinte sie, die Augen auf den Yowie gerichtet, der sie seinerseits zu beobachten schien.
    „Geht klar, Chefin!“ Er sprang gen Boden, verwandelte sich dabei jedoch in seine wahre Form: In der Gestalt eines dämonisch aussehenden Kobolds mit rötlicher Haut und flammenden Haar – nicht ganz einen Meter groß – landete er auf den Boden. In dieser Gestalt hatte er, ganz wie der Puck, Tierbeine, auch wenn seine die eines Alpakas waren, und goldene Ohrringe vergrößerten seine Ohren. Er schnaubte und Flammen umgaben ihn, ehe er losrannte und sich dabei einfach einen Weg durch den Schnee schmolz.
    „Das lässt uns beide“, meinte sie und sah zu dem Yowie. Sie sprach, um ihre eigenen Nerven zu beruhigen. Zwar war sie sich recht sicher, dass das Ungeheuer sie nicht würde töten können, doch stellte sie es sich dennoch als äußerst schmerzhaft vor, von der Kreatur zertrampelt oder zerkratzt zu werden und auf engeren Kontakt mit den Stoßzähnen konnte sie ebenso verzichten.
    Sie bewegte sich vorsichtig zur Seite, um etwas weiter vom Schreihals weg zu kommen. Sie fand die Wilderer widerlich, doch wollte sie nicht riskieren, dass das Ungeheuer ihn tötete, wenn es doch mit ihr kämpfte.
    Da stürmte das Untier auf sie zu. Trotz der Katzenpfote ließen seine Schritte den Boden beben.
    Joanne wartete. Erst im letzten Moment sprang sie zur Seite und beobachtete den Körper des Wesens. Was sollte sie tun? Sie wollte das Wesen nicht töten, denn es war wahrscheinlich selbst ein Gefangener der Wilderer.
    Es fuhr herum und ließ ein kehliges Dröhnen hören. In einem Versuch sie einzuschüchtern stellte es die Ohren ab, ließ sie vibrieren und hob den Rüssel in die Höhe, ehe es den Kopf wieder senkte und erneut auf sie zustürmte. Wieder sprang sie zur Seite.
    Das war keine Taktik.
    Was tun?
    Sie holte ihre Pfeilpistole unter der eigenen Jacke hervor und hob sie in die Höhe. Dann zögerte sie und wandte die Waffe in eine andere Richtung. Sie schoss auf den Mann, um ihn vorerst seiner Schmerzen zu erlösen und ihn ruhig werden zu lassen. Das Mittel sollte ihn für eine Weile betäuben. Doch für ein Wesen wie den Yowie würde sie mehr als einen Pfeil brauchen.
    Sie war sich nicht einmal sicher, ob ein ganzes Magazin reichen würde, um das Ungetüm ins Taumeln zu bringen.
    Während die Schreie des Mannes langsam verklungen stürmte der Yowie erneut auf sie zu. Wieder stürzte sie zur Seite, nutzte die Nähe des Tiers aber, um zwei Schüsse auf seine Flanken abzugeben.
    Beide Darts prallten vom goldenen Fell des Löwen ab und landeten im Schnee. Natürlich. Was hatte sie auch erwartet?
    „Oh, das sieht so aus, als hätte er ein Fell wie eine Rüstung“, kommentierte Wukong erheitert. „Wer hätte das nur gedacht!“
    „Oh ja, wunderbar. Was für eine tolle Entwicklung“, schnaufte Joanne.
    Wieder kam der Yowie auf sie zu und dieses Mal entschied sie sich zu einer anderen Taktik. Sie sammelte ihre Kraft und sprang in die Höhe. Ihre „Magie“ erlaubte es ihr hoch genug zu springen, um auf dem Rücken des Fabelwesens zu landen. Doch was jetzt?
    Der Yowie blieb stehen und warf seinen Kopf herum. Mit dem Rüssel versuchte er an sie zu kommen – fraglos, um sie von seinem Rücken zu werfen. Doch ein Elefantenrüssel reichte kaum über den Kopf hinaus und egal wie er es versuchte, er kam nicht an sie heran. So ging er schließlich zur katzenhaften Art den ungebetenen Reiter loszuwerden hinüber. Er machte den Rücken krum, stellte seine Haare auf, Fauchte, sprang in die Höhe und ließ Joanne mit der Frage, was sie als nächstes tun sollte.
    „Weißt du noch, Was Herakles mit dem Nemeischen Löwen gemacht hat?“, kommentierte Wukong.
    Erwürgt. Großartig. Ihre Arme waren bei weitem nicht lang genug, um um den Hals dieses Ungeheuers zu reichen. Sie brauchte eine Schwachstelle, in die sie die Pfeile stecken konnte. Nur wo?
    In der Dokumentation über die Ranger in Afrika hatten sie den Elefanten über das Ohr versorgt. Vielleicht war das eine Idee?
    Wieder sprang der Yowie zur Seite und versuchte dabei sie gegen den Baum, auf dem Wukong saß und – fraglos, weil er sie ärgern wollte – Popcorn aß, zu schleudern.
    Sie rückte weit genug nach vorn, hielt sich an den Ohren fest und zog ihre Beine dann an, ging in die Hocke, während der Yowie weiterrannte. Aus ihrem Gürtel löste sie vorsichtig zwei einzelne Darts und nahm sie in die Hand.
    Wieder änderte der Yowie seine Richtung und beinahe verlor Joanne den Halt, doch sie schaffte es sich am Ohr festzuhalten. Sie wartete, bis der Gang des Tieres sich wieder normalisiert hatte, ehe sie beide Pfeile in die Rückseite des Ohrs schlug.
    Ein Brüllen war zu hören, doch ihr Plan funktionierte: Die Pfeilspitzen drangen durch die hier dünne Haut.
    Dafür reichte es dem Tier nun wirklich mit der ungebetenen Reiterin. Es warf sich auf die Seite und rollte sich auf den Rücken, mit dem Ziel, sie zu zerquetschen. Doch Joanne sprang zur Seite und rollte über den Schnee, während das Tier sich auf den Rücken warf.
    „Bravo!“, kommentierte Wukong mit vollem Mund.
    Der Yowie bemerkte, dass sein Plan nicht geklappt hatte und kam wieder auf die Beine. Er kam zu ihr herüber gelaufen, wollte sie offenbar unter seinen Füßen erwischen, war aber nicht schnell genug. Mit einer Rolle zur Seite kam sie wieder auf die Beine und brachte Abstand zwischen sich und das Ungeheuer.
    Dieses schüttelte wütend und irritiert seinen Kopf.
    Offenbar wirkte das Betäubungsmittel. Als das Wesen zu ihr herumfuhr, brauchte es einen Moment, um wieder festen Halt zu bekommen. Es schwankte, als wäre es betrunken.
    Das war ein Anfang. Mehr, als sie gehofft hätte. Viele Geister- und Feenwesen, die sie in der Vergangenheit getroffen hatte, waren gegen Gifte immun, doch der Yowie augenscheinlich nicht.
    Sie könnte versuchen, ihre verbleibenden vier Darts in seine Ohren zu setzen und darauf hoffen, dass die Menge reichte, um ihn auszuknocken. Oder … Ihr Blick wanderte über die Landschaft.
    Wieder stürmte der Yowie über sie zu. Auch wenn er schwankte hatte er noch immer eine halsbrecherische Geschwindigkeit. Dieses Mal sprang sie einen Moment zu spät.
    Der breite Kopf des Ungeheuers prallte gegen ihre Seite und Schmerz schoss durch ihren Körper: Die Pistole flog aus ihrer Hand und landete etwas entfernt im Schnee. Mühsam klammerte sie sich an dem Tier fest, um nicht in Reichweite seiner Krallen zu kommen, ehe sie es schließlich schaffte, sich von ihm abzustoßen und unsanft auf dem Boden zu landen.
    „Fuck“, zischte sie schwer atmend. Sie hielt sich ihre Seite.
    Sie hatte Recht gehabt. Es tat weh. Doch – da war sie sich halbwegs sicher – sie hatte sich nichts gebrochen. Denn so sehr sie auch Wukong, der auf seinem Ast saß und wie ein enttäuschter Fan beim Wrestling „Ooooooooooh“ brüllte, auch den Hals umdrehen wollte, so schützte seine Magie sie doch vor schwereren Verletzungen. Einmal davon abgesehen, dass die verdammten Pfirsiche ihr mehr Resistenz zugestanden, als ihr lieb gewesen wären.
    Also kam sie wieder auf die Beine. Was zur Hölle sollte sie machen?
    Der Yowie drehte sich mit einem Brüllen herum, stürmte wieder auf sie zu. Und ihre Pistole war ein Stück entfernt.
    Verdammt. Nein, sie würde das anders angehen. Selbst wenn es eine dumme Wette war.
    Sie drehte sich herum und rannte. Da war der See, der von Eis bedeckt hatte. Das kalte Wetter hielt gerade erst seit drei Tagen an. Die Eisschicht sollte nicht zu dick sein. Was sie tragen würde, sollte unter dem Gewicht eines drei Meter großen Ungeheuers nachgeben.
    Sie hörte die schweren Schritte des Yowie direkt hinter sich, keine zwei Meter von ihr entfernt. Wäre sie ein normaler Mensch gewesen, hätte sie es nie geschafft, doch ihre Kräfte und vor allem die Kräfte Wukongs erlaubten es ihr, Dinge zu tun, die unmöglich erschienen. Und so schaffte sie es, vor dem Yowie zu bleiben, auch wenn sie dessen Rüssel beinahe hinter sich spürte.
    Eine Stimme erklang: „Joanne?“ Joachim.
    „Nicht jetzt!“, keuchte sie, die Augen fest auf den See gelegen, der von Lampen erleuchtet war.
    Es waren noch dreißig Meter.
    Der Rüssel schlug nach ihr, doch ein Gefühl warnte sie, erlaubte es ihr zur Seite auszuweichen.
    Noch zwanzig Meter.
    Der Yowie versuchte offenbar, zu beschleunigen, doch sie tat es ihm gleich. Die eisige Winterluft brannte in ihrer Kehle.
    Noch zehn Meter.
    Sie lief etwas seitlicher, hatte das Ungeheuer doch beinahe aufgeholt.
    Noch fünf Meter.
    Innerlich machte sie sich für einen langen Sprung bereich. Der See war etwa zehn mal fünfzehn Meter groß.
    Sie hatte das Ufer erreicht und während der Rüssel des Monsters erneut nach ihr schlug, sprang sie und landete knappe vier Meter weiter nahe der Mitte des Sees, wo sie weiter über das Eis schlitterte.
    Der Yowie hielt nur für einen Augenblick inne, ehe er auf das Eis stürmte, das bereits nach wenigen Schritten bedrohlich zu knarzen begann. Doch noch brach es nicht. Noch hielt es ihn.
    Sie hatte keine Zeit. Sie zog ihre normale Pistole und richtete sie auf das Eis. Ein Schuss. Zwei Schüsse. Drei. Vier.
    Das Knarzen wurde lauter, immer lauter und dann auf einmal brach das Eis.
    Überrascht ruderten die Löwenbeine durch die Luft, als die Eisscholle unter dem Yowie sich drehte, nachgab und er in einem breiten Loch versank.
    Auch um das Loch herum splitterte das Eis und der Boden unter Joannes Füßen schien zu schwanken, als sie sich enger als die breite Eisscholle drückte, die sich unter ihren Füßen gebildet hatte.
    Dann herrschte Stille.
    „Joanne?“, erklang erneut die Stimme Joachims.
    Sie erlaubte sich aufzuatmen und sah zum Rand des Sees, wo er stand. „Alles in Ordnung.“
    Vielleicht sprach sie zu früh. Als sie in das schwarze Wasser unter der Eisscholle sah, hatte der Yowie gerade den Boden des vielleicht vier Meter tiefen Sees erreicht. Er stieß sich vom Boden ab, schnellte auf sie zu und stieß mit der Wassermasse die Eisscholle zur Seite, so dass seine Stoßzähne nur Luft trafen.
    Wieder versank er im Wasser. Erfolglos ruderten seine Beine, trafen die Oberfläche und gingen doch unter. War es eine magische Schwäche des Tieres, nicht schwimmen zu können? Eigentlich war es Elefanten und Löwen möglich zu schwimmen.
    Der Yowie gab dennoch nicht auf und so schnellte er noch einmal in die Höhe – und stieß die Eisscholle bei Seite.
    Für einen Moment hatte Joanne das Gefühl zu rutschen, doch schaffte se es Halt am Rand der Scholle zu finden.
    Noch einmal schnellte der Yowie in die Höhe. Dann noch einmal. Beide Male vergebens. Er half ihr damit sogar, da die Scholle an den Rand des Sees trieb.
    Wieder versuchte er es, doch waren seine Bewegungen lahmer als zuvor. Er kam nur knapp über die Oberfläche und versank dann wie ein Stein.
    „Was zur Hölle ist das?“, fragte Joachim und streckte ihr einen Arm entgegen, um ihr von der Eisscholle zu helfen.
    Sie nahm den Arm. Ihre Hose war mittlerweile durchnässt und klebte eisig an ihrer Haut. „Wokung sagt, das sei ein 'Yowie'“, erklärte sie. „Was auch immer das bedeutet.“
    „Was ist passiert?“ Joachim schlüpfte aus seiner Jacke, um sie ihr zu geben.
    „Da waren Jäger. Wilderer oder so etwas.“ Dankbar nahm sie seinen Mantel entgegen, der dicker und vor allem länger war als der Ihre. „Sie wollten den Fuchs und … Das Vieh da. Sie hatten es in irgendeiner Art Statue gehalten.“ Sie sah ihn an. „Was ist mit dem Fuchs?“
    „Ich habe die Kleine versorgt und geheilt. Sie ist im Wagen und schläft. Sie ist müde und wird wohl ein paar Tage brauchen.“
    Joanne lächelte. „Okay.“
    Wieder sah sie zum See hinüber, der still vor ihr lag.
    Ein unwohles Gefühl beschlich sie. Was, wenn der Yowie nun ertrank? Sie hatte ihn nicht töten wollen.
    „Was ist?“, fragte Joachim.
    Sie seufzte schwer. „Ich glaube, ich werde Schwimmen gehen.“ Manchmal hasste sie ihren eigenen moralischen Codex.

  • Hm, also das Kapitel hat die Story ein ganzes Stück weitergebracht und gleichzeitig Fragen aufgeworfen.
    Das Ende, da habe ich wirklich bedauert dass es geschrieben wurde. Denn es war dunkel, man hat dieses Schneeverwehte Setup und ich kann mir wirklich gut vorstellen, wie das Tier hochgeschossen kommt, immer etwas vom Eis abbricht und die Heldin immer nur knapp verpasst. Solche Szenen sind nichts Neues und deshalb stelle ich mir vor, wie Spannend das aussehen würde on Screen.
    Das Medium wird der Szene nicht ganz gerecht.


    Oh, dabei fällt mir ein, hast du schon Pläne wann Pomaikaí ma ahi weitergehen soll?


    (sollte ich sie benennen können, weil ich wenn adoptieren will und dazu neige ein älteres Kind zu adoptieren)

    Na, mit den Namen brauchst du sicher keine Hilfe von mir.
    Sieht dir ähnlich, dass du eher in Richtung Leihmutterschaft, oder Adoption tendierst. So eine Schwangerschaft ist schon stressig und diese Genderfluid Sache würde die 9 Monate nur nochmal anstrengender machen.


    Dann wünsche ich dir viel Glück dabei.

    Sunni

    Sunni? : D



    wie übrigens Loki, den wir noch nicht gesehen haben

    Den wirst du dann vermutlich wie den Filmloki schreiben, oder? Ich mag jetzt Superheldenmovies und das Franchise allgemein nicht so, aber der Charakter war in dem Fall gut geschrieben. Er war nicht blind evil und schwer zu durchschauen. Außerdem hatte er einen richtigen emotionalen Ark, der nicht extrem Edgy, oder Silly war. Und Loki als Konzept ist definitiv etwas, was ich sehen will als Zuschauer.
    Ein Trickster, nie zu gut, nie zu böse, clever und öfters Funny, das totale Chaos eben.
    Chaos ist allgemein ein guter Charakterzug für einen Gott.

    Joachim hatte absichtlich verloren, während Jacks Glück oder eher sein Pech am Ende auf Robert abgefärbt hatte.

    Beim Monopoly? Das muss man auch erstmal schaffen. Sicher gibt es Gewinnstrategien, mit denen man die Chancen erhöht, aber trotzdem.

    „Mit einem von den menschlichen Donnerstäben“

    Das wiederum weißt darauf hin, dass nicht jeder Teil der magischen Welt gleich hoch entwickelt ist. Ebenfalls eine signifikante Information.

    Wieder antwortete ein langes schweigen. „So etwas wie ein Hund.“
    „Ein Wolf?“

    Ich würde sagen ein Fuchs, wenns kein Wolf ist.
    Kurz dachte ich auch es könnte einer der Wölfe sein, denen Kyra begegnet ist, aber sie hat sich glaube ich, nicht getraut abzudrücken.

    Ein weißer Fuchs, wie ihr nach einigen Sekunden bewusst wurde.

    Habs ja gesagt.

    „Wärst du, rein theoretisch, fähig, etwas an den Rand des Universums zu werfen?“

    Wow, Overkill. Ist das wirklich der leichteste Weg das Teil loszuwerden?

    Offenbar wirkte das Betäubungsmittel.

    Das wundert mich schon. Bei normalen Tieren wie Löwen würde eine einzige Injektion nicht wirken, wenn sie sehr aufgeregt sind.
    Bei einem Tier das noch deutlich größer ist, ist eine Injektion genug um ihn augenblicklich ins Schwanken zu bringen?

    „Wokung sagt, das sei ein 'Yowie'“, erklärte sie. „Was auch immer das bedeutet.“

    „Ich weiß, wie das Monstrum heißt.“

    Ich bin sicher dass sie gelogen hat weil sie von seien Zwischenrufen genervt war, oder?
    Könnte ein kleines Plothole sein, aber ja, bin ziemlich sicher dass es so gemeint war.


  • Vorwort:


    Hier der letzte Teil! :D Ja, ich weiß, das Ende ist sehr offen - aber auch mit Absicht so gehalten. Die Sache ist: Bei der Truppe gibt es praktisch nie eine ruhige Minute. (Nicht, dass sich Joanne drüber beschweren würde. Seit sie wieder in den UK wohnen, lädt Joachim immer seine Eltern über Weihnachten ein! Urghs! Seine Eltern, die übrigens nichts von Magie wissen, weshalb alle so tun müssen, als seien sie normal.)




    [Blockierte Grafik: https://imgur.com/SA4TVtl.jpg]


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    Nachspiel




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    Sie lag in einem warmen Bett. Ihrem Bett. Sie war zuhause. Nur konnte sie sich nicht ganz daran erinnern, wie sie hierher gekommen war.
    Gedanklich ließ sie die Ereignisse der vergangenen Nacht Revue passieren. Sie hatten den Fuchs gefunden, da waren die Wilderer gewesen, sie hatte einen ausgeschaltet und einer der anderen hatte das Monster, das halb Elefant, halb Löwe gewesen war, auf sie losgelassen. Sie hatte gegen das Monster gekämpft, während Murphy und Pukk den beiden fliehenden Wilderern gefolgt waren. Am Ende hatte sie das Monster auf den See gelockt, wo es eingebrochen war. Dann hatte sie es vor dem ertrinken Retten wollen und … Genau, es hatte sich wieder in die kleine Obsidianstatue zurückverwandelt, die sie letzten Endes vom Boden des Sees geborgen hatte.
    Murphy hatte die Wilderer zu ihnen gebracht. Sie hatte Owen rufen wollen und dann … Da endeten ihre Erinnerungen. Was war dann geschehen? Sie konnte sich an Wukong erinnern, der irgendetwas gesagt hatte.
    Ein Schlafzauber? Es musste ein Schlafzauber gewesen sein.
    Sie streckte sich und tastete das Bett neben ihr ab. Joachim war nicht da. Zu schade.
    Blinzelnd öffnete sie die Augen. Mattes Licht fiel an den Vorhängen vorbei in das geräumige, hell eingerichtete Schlafzimmer und auf eine pinke Frucht, die auf dem vollhölznernen Nachttisch stand. Ein Pfirsich.
    Das sah Wukong ähnlich.
    Neben dem Pfirsich stand die Obsidianstatue. Ob sie sich wieder in einen Yowie verwandeln würde?
    „Ziemlich sicher“, kommentierte Wukongs Stimme aus dem Nichts heraus. Er war nicht zu sehen, versteckte sich wohl im Astralraum. „So wie ich das sehe hast du bis Mitternacht Zeit, um eine Lösung zu finden. Denn wenn ich das Ding wäre, ich wäre richtig sauer auf dich.“
    „Ich habe das Vieh aus dem See gefischt“, grummelte sie und richtete sich auf. Sie griff nach dem Pfirsich. Sie ahnte, woher er kam und zögerte für einen Moment. Doch was sollte es? Man konnte ja eh nicht mehr als einmal unsterblich werden.
    Also biss sie hinein.
    Sofort wich sämtliche Müdigkeit aus ihrem Körper. Auch der Schmerz, der noch immer leicht in ihrer linken Seite gepocht hatte, verschwand und – da war sie sich sicher – ebenso jedwede blaue Flecken, die sie gehabt hatte. Ein Hurrah auf magisches, von Göttern angebautes Obst.
    „Tick-Tock“, klang Wukongs Stimme leise, ehe sich die Atmosphäre im Raum änderte. Er war gegangen.
    Joanne seufzte. Sie biss noch ein Stück aus dem Pfirsich ab und stand auf, um zur Tür zu gehen. Sie öffnete sie und sah zu Joachim, der auf dem Sofa saß und versuchte, etwas in seinen Laptop einzugeben. Die Betonung lag bei „versuchen“, da ein Ungetüm von einem Schäferhund seinen gut einen halben Meter großen Kopf auf dem Schoss des Arztes abgelegt hatte.
    „Guten Morgen“, meinte sie lächelnd.
    Joachim sah sie an. „Hey. Guten Morgen, Joanne.“ Er machte Anstalten aufzustehen, doch auch dafür war der Hund – Iggy – im Weg, auch wenn dieser seine Ohren nun aufstellte und zu ihr hinübersah. „Wie geht es dir?“
    „Alles in allem ganz gut“, meinte sie. „Wie komme ich hierher?“
    „Na, wie wohl?“, erwiderte Joachim. „Ich habe dich her gebracht. Was ist gestern passiert? Du bist einfach umgekippt.“
    „Schlafzauber“, murmelte sie und ging zu ihm hinüber.
    Offenbar hatte er sie auch umgezogen, trug sie nun ein weißes Tanktop und frische Unterhosen. Sie setzte sich neben ihn und küsste ihn auf die Wange.
    „Wukong?“, fragte er und legte einen Arm um sie.
    „Wukong.“ Sie seufzte und nutzte ihre freie Hand, um den Kopf des Riesenhundes zu tätscheln, was ihr mit einem Hecheln begolten wurde.
    „Woher hast du den Pfirsich?“, fragte Joachim auf einmal.
    Sie sah drauf. „Oh. Auch Wukong.“
    Erkenntnis zeigte sich in Joachims Augen. „Ist das einer von denPfirsichen?“
    Sie lächelte amüsiert. Das stimmte. Bisher hatte er keinen der Pfirsiche zu Gesicht bekommen. „Ja.“ Sie zögerte. Sie war sich nicht sicher, ob Wukong oder eher der Jadekaiser ihr Schwierigkeiten machen würde. Doch zur Hölle, es war Wukongs eigene Schuld. „Hier.“ Sie reichte ihm den Pfirsich, wohl wissend, dass er nicht davon essen würde. Dann stand sie auf. „Komm her, Iggy.“
    Der Hund sah auf und kam zu ihr gelaufen. Er hechelte, sah zur Treppe, die ins Erdgeschoss führte, hechelte weiter.
    „Ich ziehe mich erst einmal an“, meinte Joanne. „Dann hole ich mir einen Kaffee.“
    „Uhum.“ Mehr sagte Joachim nicht. Er hatte einen Notizblock aus der Tasche hervorgeholt und studierte den halben Pfirsich fraglos mit astraler Sicht.
    Joanne lächelte und streckte sich.
    Zurück im Schlafzimmer – und von Iggy verfolgt – zog sie sich einen dünnen Pulli und eine Jogginghose über, ehe sie zurückging. „Ist Amy wieder daheim?“
    „Jap“, murmelte Joachim.
    „Wo ist sie?“
    „Unten. Sie ist ganz begeistert von der Füchsin.“
    Natürlich war sie das. Es war ein junges Tier und damit süß. Was wollte ein kleines Mädchen denn mehr?
    „Ich muss gleich los und mich um die Statue kümmern“, erklärte Joanne. „Das Ungeheuer muss möglichst wieder in seine Heimat zurück.“
    „Okay. Machen wir.“
    Sie lachte. „Dann lass mich mal nach unserer Tochter schauen.“
    „Uhum.“
    Sie ließ ihn mit dem Pfirsich allein und ging zur Treppe, nur um von Iggy daran gehindert zu werden, diese zu betrieben. Eineinhalb Meter Hund drängten sich zwischen sie und die Treppe. Er gab einen undeutbaren Laut von sich.
    „Iggy. Ich will runter.“ Sie versuchte ihn zur Seite zu schieben, doch er stellte sich vor sie.
    Okay. Dieses Verhalten konnte nur eins bedeuten. Jemand hatte ihn angewiesen, sie oben zu halten. Und da die Liste der Leute, auf die Iggy hörte und die so etwas tun würden, nur sehr kurz war, deutete es darauf hin, dass Murphy etwas im Schilde führte.
    „Murphy!“, rief sie die Treppe herunter, erhielt aber – wie erwartet – keine Antwort.
    Was zur Hölle machte der Junge schon wieder?
    „Murphy!“
    Stille.
    Iggy hechelte.
    „Iggy“, sagte sie mit freundlicher Stimme und brachte den Hund damit, seinen Kopf zur Seite zu legen.
    „Was hältst du davon, wenn ich dir noch etwas Essen gebe, hmm?“, meinte sie.
    Essen verstand der Hund. Seine Ohren stellten sich aufmerksam auf. Sein Hecheln wurde zu einer Art hundischem Lächeln. Er bellte. Sein Schwand begann langsam hin und her zu wedeln.
    „Möchtest du ein leckeres Frühstück haben?“ Sie kraulte seinen Hals. „Möchtest du?“
    Wieder bellte der Hund, nun gänzlich begeistert.
    „Und wo gibt es Frühstück?“, fragte sie.
    Der Hund verstand. Was auch immer Murphy ihm vorher gesagt hatte, war vergessen, denn er sprang die Treppe herunter und rannte unten mit über dem Boden trommelnden Pfoten in die Küche.
    Joanne lächelte. Der Hund mochte ungewöhnlich Intelligent sein, doch wenn es Futter gab, vergaß er alles.
    Und so folgte sie ihm, hielt ihr Versprechen, ihm Futter zu geben, und machte sich die Kaffeemaschine an. Sie brauchte Kaffee zum Tagesbeginn – heilende Pfirsiche hin oder her.
    „Murphy!“, rief sie noch einmal in das vermeintlich leere Haus hinein. „Murphy!“
    Keine Antwort.
    Dann also anders. „Amy! Amy-Schätzchen!“
    Ein Quietschen war aus der Richtung des Gästezimmers zu hören. Ganz wie sie es sich gedacht hatte.
    Zwei Minuten später mit einem vollen Kaffeebecher ausgerüstet ging sie zum Gästezimmer hinüber und klopfte an der Tür. Sie hörte Geraschel, ein helles Bellen, ein vergnügtes Quietschen Amys und dann Schritte. Die Tür wurde einen Spalt geöffnet und Murphys jugendliches Gesicht blickte ihr entgegen. „Ja, Mum?“
    „Was geht darin vor sich?“, fragte sie.
    „Nichts besonderes. Wir spielen nur“, meinte er mit einem Ausdruck vollkommener Unschuld.
    Ein ersticktes Murmeln erklang, gefolgt von einem warnenden „Psst!“
    Sie sah ihren Sohn an. „Murphy?“
    „Ja, Mum?“ Er hielt die Tür fest.
    Sie seufzte und stieß die Tür auf. Zwar versuchte er dagegen zu halten, hatte jedoch keine Chance und musste zur Seite treten, als sie hinein kam.
    Das Gästezimmer war deutlich kleiner als das Schlafzimmer oben. Doch auch hier gab es ein Bett, das frisch bezogen war, und einen kleinen Kleiderschrank, zusammen mit einem Regel, das all die Bücher beherbergte, die weder im Wohn-, noch im Esszimmer Platz gefunden hatten.
    Auf dem Bett lag Amy zusammen mit der wesentlich wacher wirkenden Füchsin, die die Streicheleinheiten überraschender Weise zu genießen schien.
    Und auf dem Nachttisch lag ein Kissen, vor dem wiederum Pukk stand.
    „Guten Morgen, Chefin“, meinte er brav.
    Joanne seufzte. „Wo ist der kleine Puck?“
    „Der ist gegangen“, sagte Murphy. Sein Ton klang ehrlich und sie hätte ihm wohl geglaubt, hätte sie ihn nicht über sieben Jahre hinweg kennen gelernt. „Er hat sich über die Zustände hier beschwert und ist abgehauen.“
    „Ja.“ Joanne machte zwei Schritte auf den Nachttisch zu.
    „Was gibt es, Chefin?“, meinte Pukk, der deutlich unsicherer war.
    „Was ist da hinter dir?“, fragte sie.
    „Ein Kissen!“ Er antwortete viel zu schnell.
    „Und was ist hinter dem Kissen.“ Ihr fiel auf, dass es gegen etwas lehnte, das eindeutig nicht die Nachtlampe sein konnte, da diese auf dem Boden stand.
    „Nichts“, erwiderte der kleine Geist schnell.
    Joanne sagte nichts. Sie griff nach dem Kissen und hob es hoch, nur um ein kleines Gefängnis von gerade einmal fünfzehn Zentimeter Höhe zu zeigen. Es schien aus Metall zu sein, auch wenn sie ahnte, dass es nur eine Illusion war, und hatte ein einzelnes, mit Metallstreben versperrtes Fenster. Aus diesem heraus sah ein wütender Puck.
    „Unverschämtheiten sind das hier! Unverschämt! Wie ich hier behandelt werde …“, zeterte der kleine Wicht.
    Joanne drehte sich zu Murphy um. „Was soll das?“
    Murphy kicherte. „Na ja, unser kleiner Aufschneider da, beschwerte sich trotz allem, dass wir ihn wie einen Gefangenen behandeln, also dachten wir, wir zeigen ihm mal, wie so ein Gefangener …“
    Mit einem leicht wütenden Stöhnen wandte Joanne sich wieder dem Puck zu. „Murphy“, murmelte sie. Nichts, was sie sagen würde, würde den Jungen davon überzeugen, einen Fehler gemacht zu haben. „Kannst du dich nicht einmal beherrschen?“
    „Nö“, erwiderte er fröhlich.
    Sie griff nach dem vermeintlichen Metallblock, der – wie sie es erwartet hatte – nach unten geöffnet war, und hob ihn an. Er knickte unter ihrer Berührung. Gefaltetes Papier. Origami. Murphys Verständnis von Ironie.
    „Unverschämt!“, rief der Puck wieder. „Was der Junge sich erlaubt! So behandelt man keinen Gast.“
    „Da stimme ich dir zu“, sagte sie süffisant. „Es tut mir wirklich leid, dass mein Sohn dich eingesperrt hat. Glaub mir, er wird entsprechende Konsequenzen davon tragen.“
    „Was?“, meinte Murphy.
    Der Puck sah sie an. Offenbar wusste er nicht so Recht, wie er darauf reagieren sollte. „Das werde ich wohl hoffen!“, meinte er schließlich.
    Sie lächelte. „Keine Sorge.“ Dann wandte sie sich der Füchsin zu. „Wie geht es dir?“
    Ein leises Bellen. Was für eine Antwort. Zumindest hatte sich die Wunde an ihrem Oberschenkel geschlossen – fraglos dank Joachims Heilmagie. Die weißen Ohren waren aufgestellt und das Tier sah sie mit goldenen Augen an.
    „Kannst du nicht Sprechen?“, fragte sie.
    Die Antwort war ein etwas tieferes Bellen. Offenbar ein „Nein“.
    „Murphy?“, fragte Joanne. Der Junge war nicht umsonst fähig die Sprache der Tiere zu sprechen.
    Doch Murphy antwortete nicht. Er hatte wieder die Gestalt eines Raben angenommen und saß so aufgeplustert auf dem Boden und warf dem Puck einen bösen Blick zu.
    „Murphy, bitte“, meinte Joanne erneut.
    Die Dohle plusterte sich noch weiter auf.
    „Murphy!“, rief Amy aus und ließ sich auf den Boden fallen. „Murphy, komm. Hilf Mama.“
    Murphy schenkte ihr einen beleidigten Blick. Dann aber sprang er auf das Bett und begann zu bellen.

  • Ich denke Suni ist OK, ich bevorzuge zwar Sunaki no Mikoto, God of rising Artists (ja wirklich) aber hell, Suni ist auch ganz cute. Irgendwie.



    Wukong oder eher der Jadekaiser ihr Schwierigkeiten machen würde.

    Ich fürchte ja eher, dass sich die Smaragdgarde einschalten wird. (Bedeutendes Nicken)
    Das mit den Pfirsichen ist eine nette Idee, jetzt ist sie doppelt unsterblich.


    Allgemein gibt es eh so viele Versionen von Unsterblich.
    Man kann sein Leben künstlich verlängern, z.B. durch Blut, oder ein Notizbuch, man kann nach dem Tod wiedergeboren werden, oder man lebt einfach so lange weiter, bis man eines unnatürlichen Todes stirbt, oder, oder. Man kann also schon mehrfach unsterblich sein, kommt nur darauf an, wie man Unsterblich definiert.


    Und natürlich muss man sich dann auch fragen wie das dann mit der Entropie funktioniert.
    Aber gut, das ist auch nicht der Punkt bei der Story.

    Sein Schwand

    Weißt du, es kommt mir so vor als hätte dieser Part mehr Fehler als sonnst.
    Soll ich dir auflisten, welche ich finde, oder überlässt du das mehr Thrawn? Der findet sicher deutlich mehr als ich.

    Dann wandte sie sich der Füchsin zu

    Hm, wie kommt der Fuchs also hier her? Ich würde sagen, die Wilderer haben ihn ausgesetzt und wollten einen auf Fuchsjagd machen, wie echte Briten.

    Die Dohle plusterte sich noch weiter auf.

    Ja ich weiß, wie das aussieht und es ist cute.



    Deren Tochter nicht groß im Bild und hat auch kaum Charakter zeigen können, aber es wäre sicher sehr interessant mehr über diese Beziehung zwischen den beiden zu sehen und wohin sich das entwickelt.


  • .
    Vorwort:


    Ich dachte, ich poste mal eine der Kurzgeschichten, die ich für die Schreiber-Challenge geschrieben habe, hier. :) Wieder eine Geschichte, die in Manmade Myths spielt. Girls Love mit Fluff, weil ich das ab und an für mein armes Herzchen brauche! :D



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    [Blockierte Grafik: https://imgur.com/1bbYmh0.jpg]

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    Die Nacht war Sternenklar und der Mond, der über dem Horizont stand, schien so nah. Doch Rhona wusste, dass er weit fort war. Zu weit. Unerreichbar. Egal, was die Mythen sagten.
    Die Luft war hier so klar. Das Wasser, das ihren Körper umspülte, warm. Es war anders, als das Wasser der Lochs, anders, als das Wasser der Nordsee. Es war das Meer und doch so anders. Seltsam, waren doch alle Meere der Welt miteinander verbunden. Wie konnte das Wasser hier so warm und klar, das Wasser in ihrer Heimat so dreckig und kalt sein?
    Sie trieb rücklings auf dem Wasser, ließ sich von den Wellen tragen, sah zum Himmel hinauf. Ihr weißes Kleid trieb im Wasser, zog sie aber nicht unter. Auch ohne ihr Fell war sie eine gute Schwimmerin. Auch ohne ihr Fell, hatte sie eine besondere Bindung zum Wasser.
    Doch sie wusste nicht, wo es war, wusste nicht, wer es gestohlen hatte. Ihr Fell. Ihr schönes weißes, weiches Fell.
    Ein Plätschern im Wasser ließ sie aufschrecken. Sie drehte sich auf dem Bauch, um zu schwimmen, richtete sich auf, um sich umzusehen.
    Dann sah sie das weiche, bleiche Gesicht, umrahmt von den schwarzen Haaren. Entstellt von den Tattoos unter ihren Augen. Ja, Rhona wusste, dass diese Teil der Kultur waren, doch sie jagten ihr noch immer Angst ein.
    Das Wesen, das wie Rhona eine menschliche Gestalt trug, kam aus seinem Versteck zwischen zwei im Wasser liegenden Felsen hervor. Es war nackt, hatte den Körper einer hübschen Frau. Der Rücken war mit Tattoos bedeckt, so auch die Arme, die Beine.
    Rhona kannte den Namen des Wesens, das zumindest zum Teil menschlich war, wie sie. „Kaimana“, flüsterte sie.
    Die bläulichen Augen der Frau sahen sie an und sie schwamm an Rhona heran. Die felsige Lagune, die sich zum Norden hin dem Pazifik öffnete, bot ihnen Schutz. Schutz vor Menschen, Schutz vor Blicken.
    Die Frau, Kaimana, streckte ihre Hände nach ihr aus, umfasste die ihren und zog sie an sich heran. Sie roch an Rhonas weißem Haar, das auf der Oberfläche des Sees schwamm.
    Kaimana konnte nicht sprechen, so viel wusste Rhona mittlerweile. Sie konnte nicht sprechen, da sie keine Zunge hatte. Jemand hatte sie ihr rausgeschnitten. Weil man sie fürchtete.
    Rhona wusste vieles nicht über diese Kultur. Ach, sie wusste nicht einmal, warum sie hier war. Sie hatte einen Ort gesucht, an den sie gehörte, an dem sie ohne ihr Fell zuhause sein konnte. Denn die anderen Selkies, die am Grund der Nordsee lebten, konnten nicht länger ihre Familie sein. Denn auch wenn sie länger tauchen konnte, als ein Mensch, auch wenn sie besser schwimmen konnte und den Druck der Tiefe besser widerstand als ein normaler Mensch, so war sie ohne ihr Fell doch kein richtiges Selkie. Sie konnte nicht am Grund des Ozeans leben. Und wie konnte sie ihr Fell wiederfinden?
    Sie hatte so viele Orte besucht und war hier. Hawaii. Am Rand der Insel Kauai.
    Es war anders, als ihre Heimat in Schottland. So fremd. So weit fort. So anders. Sie konnte nicht hier bleiben und doch hatte sie hier das erste Wesen gefunden, das ihr so ähnlich schien.
    Natürlich verstand sie vieles nicht, doch sie wusste, dass Kaimana das Kind einer Mu und eines Mannes von der Insel war. Die Mu waren nicht einmal tief in der Kultur verankert gewesen und doch hatte man sie gefürchtet. Deswegen wohl auch die Tattoos, soviel glaubte Kaimana zu verstehen. Sicher, viele Leute hier trugen ihre Tattoos mit Stolz, doch nur wenige hatten einen Körper, der so mit ihnen bedeckt war, wie der Kaimanas. Sie glaubte, dass sie dazu hatten dienen sollen, ihre übernatürliche Natur zu unterdrücken. Dergleichen hatte sie auch in Asien gesehen.
    Ihre Hände griffen die Kaimanas. „Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.“
    Kaimana entfernte sich genug, als dass sie Rhona ansehen konnte. Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. Ihre Augen glänzten intelligent. Sie machte einen kurzen Laut. Dann schwamm sie etwas zurück.
    Rhona wusste, was sie sagen wollte: „Komm.“
    Und Rhona folgte ihr, als die andere Frau - halb Mensch, halb Mu - sie aufs Meer hinaus führte. Sie hatten es schon öfter gemacht. Ihre Hände griffen einander, verschränkten sich, als Kaimana untertauchte und Rhone folgte.
    Das Meer war hier flach, sieben, acht Meter tief. Und so klar, dass sie selbst im Licht des Mondes den Boden sehen konnte. Einige Fische schwammen hier, beachteten sie nicht. In der ferne schwammen zwei Haie träge in der Strömung. Sie waren keine Gefahr.
    Es war eine andere Welt. Eine fremde Welt. Eine Welt so anders, als ihre Heimat.
    Wie gern wollte sie dahin zurück.
    Die Hand der Mu griff die ihre fester. Kaimana zog sie mit sich, zu einem Felsen, der ein Stück vom Ufer der Insel entfernt aus dem Wasser ragte. Sie tauchten auf, lächelten, tauchten unter, tauchten bis zum Fuße des Felsen, wo ein schwarzes Loch sich als Eingang öffnete.
    Hier lebte Kaimana.
    Sie tauchten aus dem Wasser auf und fanden sich in der Höhle wieder, die Kaimana ihr Zuhause nannte. Die Luft roch salzig, aber nicht abgestanden. Die Höhle war belüftet, da weiter oben sich einige Löcher gen Himmel öffneten. Dunkelheit herrschte, doch ein Plätschern verriet, dass Kaimana sich aus dem Wasser gezogen hatte. Dann ein Zischen, gefolgt von einem flackernden Licht. Dann erhellte das Licht einer Kerze tänzelnd die Höhle.
    Kaimana sah sie erwartungsvoll an.
    Rhona hievte sich selbst aus dem Wasser. Sie ging zu Rhone. Ihre Füße hinterließen Nasse spuren auf dem Boden.
    Irgendwann einmal hatte Kaimana hier Dinge hingebracht: Einen kleinen Tisch, einige Decken, Schmuck und einige Bilder, die - gewellt und leicht verblichen - in Rahmen auf dem Tisch standen. Sie zeigten einen Mann und einen Jungen. Ihr Vater und ihr Bruder.
    Rhona verstand nicht, warum sie die Bilder aufbewahrte. Sie legte eine Hand auf Kaimanas nackte, tattoowierte Schulter, woraufhin sich die junge Frau zu ihr umdrehte, sie küsste.
    Rhona wusste nicht mehr, wann es angefangen hatte. Sie gab sich dem Kuss hin und spürte, wie sich Kaimanas Körper an sie schmiegte. Sie brauchten beide Nähe. Sie brauchten beide Liebe. Sie strich über Kaimanas Rücken, hielt sie für einen Moment. Es war so anders, als die Zukunft, die ihr als junger Selkie versprochen worden war.
    Doch vielleicht war es eine Zukunft.
    Die Wellen rauschten gegen den Felsen und erzeugten eine beruhigende Klangkulisse, als die beiden jungen Frauen aneinander geschmiegt gegen die Wand der Höhle lehnten. Sie hatten einige der Decken fest um sich geschlungen.
    „Du weißt, dass ich irgendwann gehen werden“, meinte Rhona voller Reue.
    Kaimana sah sie an, nickte, schüttelte dann aber den Kopf und lächelte traurig. Sie legte eine Hand auf ihre Wange. Sah sie an. Sie machte einen leisen Laut.
    Rhona verstand: „Warum?“
    Sie konnte die Frage doch selbst nicht beantworten. Eigentlich war das eine Lüge, die sie sich selbst erzählte. Die Wahrheit war viel einfacher: „Vielleicht finde ich irgendwann mein Fell.“
    Kaimana zog sie an sich und küsste ihre Stirn. Dann sah sie sie wieder an, hielt ihr Gesicht nun in beiden Händen. Wieder schüttelte sie den Kopf.
    „Ich kann nicht ewig hier bleiben“, antwortete Rhona.
    Kaimana schüttelte wieder den Kopf. Dann zeigte sie auf sich, sah sie an.
    Rhona seufzte. „Du könntest mit mir kommen.“
    Die großen, blauen Augen Kaimanas sahen sie an. Wieder ein Kopfschütteln, dann griff sie Rhonas Hand und führte es zu ihrer Brust, in der ihr Herz langsam schlug. Noch einmal schüttelte sie den Kopf.
    Rhona verstand und doch … Sie beugte sich vor, küsste Kaimana ihrerseits. „Ich will dich nicht zurücklassen.“
    Und Kaimanas Arme umschlungen sie und zogen sie wieder an ihren Körper heran. Sie machte einen leisen Laut, dessen Bedeutung Rhona nur zu gut verstand: „Dann bleib.“

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  • Vorwort:
    Ich habe mich entschlossen noch einmal Drabble Sammlungen hochzuladen: Idol Love und Android Love. Beides sind Drabble Sammlungen zu Digimon Universe: Appmon, beide mit zentralem Pairing. Beide Drabble Sammlungen sind über das "Kussbingo" entstanden. Einer Challenge, bei der ein Autor eine Bingokarte mit verschiedenen Küssen (z.B. "auf den Bauch", "Französisch" etc.) bekommt und eine Reihe in irgendeiner Form schreiben sollen. ;) Die Pairings sind natürlich Haruujin und Airi.


    Viel Spaß!


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    Neues Leben


    Haru wich vor ihm zurück. Er konnte es so nicht zulassen.
    „Was ist?“, fragte Yuujin, die Stimme viel zu sanft.
    Haru merkte, wie seine Wangen brannten. Er wusste nicht, was er sagen sollte. „Woher weiß ich, dass es nicht wegen deiner Programmierung ist.“ Allein der Gedanke fühlte sich so falsch an.
    „Ich weiß es selbst nicht“, erwiderte Yuujin und machte einen Schritt auf ihn zu.
    Haru sah in seine Augen und schluckte. Was sollte er denn tun?
    Er hielt inne. Er wollte es ja, aber ...
    Yuujin beugte sich vor, seine Lippen berührten die Harus. Es fühlte sich richtig an, und doch …



    Neue Fragen


    „Was machst du, Haru?“, fragte Gatchmon, das in Chipform neben ihm schwebte. „Haru?“
    Er schwieg und sah zu Yuujin, der neben ihm auf der Wiese lag. Schlief er? Schliefen Androiden überhaupt?
    War es in Ordnung ihn zu berühren? Er streckte vorsichtig die Hand aus. Yuujins Haut fühlte sich warm an. Normal.
    „Mann, Haru“, meinte Gatchmon und wandte sich ab. „Du machst es dir schwer.“
    Haru lächelte matt und beugte sich vor. Er küsste Yuujin - auf die Stirn, die Wange, die Augenlider.
    Da spürte er Yuujins Hand auf dem Rücken.
    „Entschuldige“, meinte Haru schnell. Dann küsste Yuujin ihn auf die Lippen.



    Neues Glück


    Yuujin wusste, dass Haru sich Gedanken machte. Auch er dachte darüber nach. Hatte er diese Gefühle, weil es das war, was Haru erwartete, erhoffte? War das überhaupt wichtig? Musste er darüber nachdenken? Er war glücklich so. Es war doch Glück, oder?
    Seine Hand lang in der Harus, während sie durch die Straßen gingen. Noch immer waren überall Baustellen, wo Gebäude neu errichtet wurde. Folgen von Leviathans Angriff auf diese Welt.
    Er drückte Harus Hand, lächelte. Er wollte bei ihm sein.
    „Was machst du?“, fragte Haru, als er anhielt. Doch Yuujin schwieg und führte die Hand seines Freundes zu seinen Lippen.



    Neues Wissen


    Yuujin saß oft neben Haru in der Bibliothek und sah ihm beim Lernen zu. Er wusste nicht, was er einmal werden wollte. Er war ein Android. Er lebte nur, solange man seinen Körper erneuerte. Konnte er ein normales Leben haben?
    „Du arbeitest zu viel“, flüsterte er eine Hand auf Harus Rücken.
    „Vielleicht.“
    Yuujin beugte vor, küsste ihn auf die Wange. „Mach Pause.“
    Haru lächelte. „Okay.“
    Sie teilten einen Kuss.
    Gatchmons Chip erschien. „Nehmt euch ein Zimmer.“
    „Offu“, erklang eine andere leise Stimme.
    Yuujin küsste Haru erneut, auf die Wange, auf die Nase. Dann stand er auf. „Lass uns raus gehen.“



    Neue Zukunft


    Wie schon vor zwei Jahren saßen sie gemeinsam vor der Treppe vor dem Tempel und sahen sich das Feuerwerk an.
    Haru saß vor Yuujin, lehnte sich gegen ihn, während Yuujin die Arme um ihn gelegt hatte. Immer wieder küsste er ihn leicht. In den Nacken, auf die Wange, auf die Spitze des Ohrs.
    „Ihr beide seid süß“, meinte Ai, die im Yukata neben ihnen saß und lächelte.
    Haru errötete, doch dann traf ihn ein seltsamer Gedanke: Früher hatte er einmal Ai süß gefunden.
    Er griff nach Yuujins Händen, hielt sie und lehnte sich weiter an ihn. Sie hatten es versprochen.





    .

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    Erster Schritt


    Leise summte Ai vor sich hin.
    Sie war allein. Fast. Eri saß zusammen mit Dokamon in der Sitzecke und las ein Buch.
    Nun sah sie auf. Ihre Blicke trafen sich. Sie lächelte.
    Dann sah das Idol auf die Uhr. „Ich sollte gleich.“
    „Okay“, meinte Ai und lächelte.
    Eri sprang auf, nahm ihre Jacke und hielt dann inne.
    „Ist etwas?“, fragte Ai.
    Eri zögerte. „Hast du eigentlich einen Freund?“
    Woher kam diese Frage? Ai schüttelte den Kopf. „Nein.“
    Da lächelte Eri. „Gut.“ Damit ging sie auf Ai zu und küsste sie, ehe sie sich auf den Weg die Treppe hoch machte.


    Entschuldigung


    Eri war da. Ein Glück. Oder? Ai zögerte.
    Sie musste es tun. Also ging sie die Treppe hinab.
    „E-Eri?“, begann sie leise.
    „Ah, Ai!“, rief Haru aus und lächelte.
    Jetzt nicht. Sie räusperte sich. „Eri. Kann ich mit dir sprechen?“
    Eri stand auf, lächelte. Ihre Wangen schienen rot. „Klar.“ Bereitwillig ließ sich in den Gang in Richtung Kanal führen. „Sorry, wegen letztens.“
    „Schon gut.“ Ai sah sie an. „Ich ...“
    Eri schien verlegen. „Es war unüberlegt. Entschuldige.“
    „Es ist in Ordnung“, erwiderte Ai und seufzte. „Aber ... Wieso?“
    Eri antwortete nicht. Stattdessen küsste sie Ai auf die Stirn. „Tut mir leid.“


    Versuchung


    „Das sieht lecker aus“, schwärmte Dokamon, als es den Obstteller sah.
    Ai lächelte steif. Sie war unsicher. „Ja, ich habe Erdbeeren geschenkt bekommen“, erklärte sie.
    „Danke, dass du teilst.“ Mit einem Seufzen setzte Eri sich neben sie. Sie begutachtete den Teller, nahm dann ein Stück und aß es. Sie schloss die Augen. „Lecker!“
    Ai lächelte, aß selbst ein Stück. Sie wartete.
    Eri war zu lieb, sie nahm sich nur kleine Stücke. Dennoch ...
    Gerade wollte Eri ein weiteres Fruchtstück essen, als Ai sich vorbeugte, es ihr wegschnappte, wobei ihre Lippen die Eris berührten. „Das ... Das wollte ich.“
    Eri starrte sie an.


    Erfahrungen


    Nie hätte Ai gedacht, dass sie einmal ein Date mit einem Mädchen haben würde. Noch dazu mit einem Idol. Date ... Sie waren im Wald, da es ein Geheimnis bleiben musste. Eri war ein Idol. Man durfte sie nicht mit ihr sehen.
    Und doch lag ihre Hand in Ais.
    Ai lächelte verträumt. Ihr Herz schlug schnell. „Du warst wirklich nie auf einem Date?“
    Eri lachte verlegen und sah sie an. „Nein. Ich bin erst fünfzehn!“
    Der Gedanke beruhige Ai. Sie sah Eri an. „Und?“
    „Was 'und'?“
    „Ich meine, wie ...?“
    Eri lachte leise und küsste sie auf die Lippen. „Soweit? Sehr gut.“


    Experimente


    „Eri?“, fragte Ai nervös und nahm die Hand ihrer Freundin.
    Sie waren allein im geheimen Raum - von Dokamon einmal abgesehen, doch damit musste sie leben.
    Überrascht sah Eri auf. „Ja?“
    Ai holte tief Luft. „Ich will etwas probieren.“
    „Was denn?“ Eri schien verunsichert.
    „Einen richtigen Kuss.“ Ai merkte, wie ihre Stimme schwand. „Wie in den Filmen.“ Sie flüsterte. „Mit Zunge.“
    Tatsächlich errötete Eri.
    „Eri-chan“, meinte Dokamon, doch das Idol hob die Hand.
    „Schau weg!“ Sie sah ernst aus. Dann legte sie eine Hand unter Ais Kinn, beugte sich vor, öffnete ihre Lippen leicht und küsste sie.
    Es war anders.

  • Aber keine Ahnung, ob Thrawn etwas hierzu schreibt!

    Well, you kind of asked for it.

    Okay, ich weiß nicht, ob dir das noch viel hilft, weil es ja spät kommt, aber ich hab's mal für den Fall gemacht, dass du die Fehler noch nicht ausgebügelt hast.

    Ansonsten zur Geschichte selbst: Ich habe die sehr gemocht, sie hatte ein paar Elemente der magischen Welt, die mir nicht so ganz vertraut waren (der Astralraum zum Beispiel und die Geister), aber das Verständnis der Geschichte wurde dadurch nicht erschwert, weil man da halt dann jeweils in der Geschichte ja mitgeteilt/gezeigt bekommen hat, was es damit jeweils auf sich hatte. Hätte ich früher was dazu geschrieben (sorry für die Verspätung) hätte ich mir nach dem Anfang auch etwas in Richtung der Wunscherfüllung durch das Falten von tausend Kranichen gedacht - wenn man das kennt, kommt man da eigentlich ganz schnell drauf. Aber naja, wie es dann weiterging, habe ich nicht voraussehen können.

    Was ich übrigens besonders mochte, waren die Charaktere - von manchen hat man nicht so viel gesehen, aber man bekommt hier und da Einblicke in das Team und die Zusammenarbeit. Murphy fand ich ganz cool und Wukong gefällt mir sehr in der Rolle des Trickster-Gottes, der das Ganze nicht so ernst nimmt (weil er es ja im Grunde auch nicht muss) - ich mag solche Charaktere einfach. Bei Joanne finde ich es gut, wie sie einerseits diese berufliche Professionalität wahrt und dabei doch immer noch menschlich wirkt, gerade auch in den Momenten mit ihrer Tochter. Ihre Actionszene am Ende war packend geschrieben, blieb aber übersichtlich, sodass man dem Geschehen gut folgen konnte.

    Als Anmerkung hätte ich jetzt eigentlich nicht wirklich etwas, also abgesehen von den Spoilern oben. Das Einzige, was mich ein bisschen verwirrt hat, ist die erste Erwähnung von Iggy in Teil 3 - es wird erwähnt, dass Joachim Notfallmedikamente für ihn dabei hat, aber zu dem Zeitpunkt weiß die Leserin noch nicht, wer Iggy ist - das fand ich ein wenig verwirrend an der Stelle, auch wenn ich danach natürlich noch erfahren habe, um wen es sich dabei handelt.

    Ansonsten ... Gratulation übrigens zu dem Vertrag mit dem Verlag. Ich würde mich freuen, auch mehr über Joanne lesen zu können. Außerdem will ich ein Crossover mit A Hare Among Wolves mit meinen Lieblingscharakteren

    Ähm, ja. Fand die Geschichte wie gesagt echt toll, schreib so gut weiter.


    P.S.: Ach, auch wenn ich dazu jetzt nicht viel schreibe, so haben mir die Drabbles zu Appmon sehr gefallen - habe den Anime sehr gemocht und finde die Shippings echt süß.

  • Ich habe hier ewig nicht mehr geupdated (und es immer noch nicht geschafft, die Bilder zu korrigieren *seufz*), aber da heute Halloween ist und ich einmal wieder eine Halloween-Geschichte geschrieben habe, dachte ich, ich könnte diese mit euch teilen.


    Die Geschichte spielt im Jahr 2009 in New Orleans in derselben Welt wie Der Schleier der Welt. Hauptcharakter ist Pakhet(/Joanne) aus Mosaik. Da die Geschichte vor Mosaik spielt, ist Vorkenntnis aber nicht erforderlich. :)


    Gesamt wird die Geschichte 3 "Kapitel" und einen Epilog haben.


    Ich bin so frei und Tagge Thrawn (heute Abend antworte ich auch auf deine PN), Sunaki & Alice





    31. Oktober 2009


    Es sollte nicht überraschend sein, dass die French Quarters wieder restauriert waren. Die alten Balkone waren mit Pflanzen und Deko behangen, die Holzstützen bunt bemalt und auch die Wände verziert.

    Die vielen Farben erinnerten ein wenig an Long Street. Ja, allgemein hatte die Straße eine ähnliche Aura.

    Lichterketten in der Form von Kürbissen hingen direkt über ihr, webten sich durch weiße Tücher und herunterhängende Plastikskelette.

    Es war erst vier Jahre her, dass das meiste hier unter Wasser gestanden hatte. Hurricane Katrina hatte damals die Stadt hart getroffen. In den Außenbezirken konnte man die Folgen bis heute sehen, doch hier? Hier drängten sich die kostümierten Leute um aufgestellte kleine Bars und Tische am Straßenrand. Die Parade war mittlerweile durchgezogen, war dieses Jahr ohnehin nur kurz ausgefallen. Musik spielte von einem Balkon oben und die Leute, die hier feierten, dachten wohl genauso wenig an Katrina, wie an echte Vampire.

    Es war allgemein bekannt, dass Vampire und New Orleans zwei Dinge waren, die Hand in Hand gingen. War es immer schon so gewesen oder hatte es erst mit den Ann Rice Büchern angefangen? Oft imitierte die Realität die Fiktion, weshalb Pakhet nicht überrascht gewesen wäre, wäre es auch hier so gewesen. In ihrem Kreisen war New Orleans bekannt dafür, dass immer wieder wandernde Vampirgruppen herkamen, sich für einen, zwei Monate herumtrieben und weiterzogen.

    Zu dieser Jahreszeit umso mehr.

    Es hatte nach Katrina nachgelassen. Weniger Touristen bedeutete, dass es für Vampire schwerer war. Doch mit dem erholten Tourismus kam offenbar auch wieder Entspannung in die Vampircommunity der Stadt.

    Das war zumindest die naheliegende Annahme. Sie war hier auf der Suche nach einem Vampir. Nach einem bestimmten Vampir. Jedenfalls war das, was sie annahm. In den vergangenen zwei Wochen hatte es drei Morde gegeben. Den Opfern war die Kehle aufgeschnitten worden, doch bei den Leichen war kaum Blut gewesen. Weder im Körper, noch drumherum. Es legte Vampire als Täter deutlich nahe, selbst wenn die Leichen wohl nicht am etwaigen Fundort entstanden waren.

    Die Opfer waren einander ähnlich gewesen. Junge Frauen. Rothaarig. Sommersprossig.

    Vampire hatten oftmals so ein Muster unter ihren Opfern. Angeblich schmeckten die Leute für sie anders, nicht, dass Pakhet daran wirklich glaubte. Unterschiedlicher Geschmack nach Blutgruppe? Okay. Aber nicht nach Haarfarbe.

    Immer wieder schaute sie zu Skyla hinüber, die mit einem Becher Cocktail in der Hand gegen eine halb zur Straße hin geöffnete Bar lehnte.

    Skyla, deren realen Namen Pakhet nicht kannte, war nicht einmal aus ihrer Firma, doch entsprach sie dem Opfertyp. Ihre Haare waren rot und lockig, ihre Haut blass und auch jetzt noch voller Sommersprossen. Selbst auf ihren Oberarmen, die ihr schwazres Hexenkostüm nur teilweise bedeckte, zeichneten sich die Sommersproßen deutlich ab. Ihre Augen waren graublau. Doch natürlich war sie nicht die einzige Rothaarige in der Stadt, weshalb abzuwarten blieb, ob die Falle funktionierte.

    Sie waren hier um den etwaigen Vampir zu erledigen, wofür sie ihn erst einmal finden mussten.

    Dafür, dass die Stadtverwaltung sehr wahrscheinlich genau von dem Vampirproblem wusste, kam es selten vor, dass sie anheuerten, um diese erledigen zu lassen. Fraglos, da Vampire nur selten töteten. Kaum verwunderlich. Sonst gäbe es wohl keine Menschen und damit auch keine Vampire mehr.

    Da dieser Vampir jedoch tötete und sich nicht einmal die Mühe machte, seine Opfer zu verstecken, ja, sie viel mehr präsentierte, musste er sterben. Der Tourismus konnte nicht noch weiter leiden.

    Wieder glitten Pakhets Augen über die Menge. Es wäre praktisch zu wissen, was für eine Art von Vampir es war. Strigoi? Upir? Oder vielleicht etwas in diesen Gegenden eher exotischeres, wie ein Aswang? Wohl eher nicht. Gab es lokale Vampirlegenden? Es könnte auch eine eher lesbisch orientierte Lhiannan Shee oder andere vampirische Fae sein. Bei einer Fae würde zumindest das spezifische Opfermuster mehr Sinn ergeben. Dann wiederum töteten Shee praktisch nie und wechselten ihre Opfer nicht so schnell.

    Solange Pakhet nicht wusste, was für ein Vampir es war, war es nur schwer zu wissen, worauf man achten sollte. Sie hatte zwei Vampire bereits gesehen, das eine fraglos ein Strigoi, aber blieb es eben dabei: Vampire in New Orleans zu finden, war etwa so schwer, wie Schafe in Neuseeland. Rede mit zehn Leuten auf einer Party hier und du konntest dir beinahe sicher sein, dass einer ein Vampir irgendeiner Art war.

    Gerade redete Skyla mit einem Mann, der neben ihr an der Bar lehnte. Er schien ein Normalo zu sein, vielleicht etwas angetrunken. Nichts, mit dem Skyla nicht klarkommen sollte.

    Offenbar war die Magierin auf Jobs wie diesen spezialisiert. Jobs, wo sie lebendiger Köder spielte.

    Pakhet seufzte. Sie strich sich eine Strähne der blonden Perücke aus dem Gesicht und schürzte die Lippen. Sie war selbst für ihre Verhältnisse kaum bekleidet, hatte sich der allgemeinen Partyatmosphäre angepasst, wenngleich man ihre Kleidung kaum als Kostüm bezeichnen konnte. Ihre Hose war knapp, die Stiefel hoch, ihre Lederweste in das Outfit integriert. Zumindest wirkte es dank ihrer ohnehin kleinen Brüste weniger auffällig, dass sie trotz des Outfits kein Dekolletee zeigte. Sie hatte keins.

    Jemand rempelte sie an.

    Sie war so auf Skyla konzentriert gewesen und die bunte Menge zwischen ihnen, dass sie den Mann nicht gesehen hatte. Schon zog warme Flüssigkeit in ihre Bluse.

    Sie fuhr den Typen an. „Passen Sie doch auf!"

    Der Mann war dunkelhaarig, hellhäutig, wie ein Tourist gekleidet, allerdings nicht Halloweenhaft verkleidet. Er war allein, trug eine Sonnenbrille. Bei Nacht. Verdächtig. Nun schob er die Brille herunter, musterte sie, nahm die Brille ganz ab. „Oh, das tut mir leid." Mit der zweiten Hand zog er den Kaffeebecher zur Seite, schaute sich hilflos um. „Oh Gott, entschuldigen Sie, wirklich. Ich war in Gedanken woanders."

    Pakhet schnaubte. Großartig. Sie sah an sich runter. Der Kaffee schimmerte feucht auf der Bluse, die allerdings zu dunkel und durchsichtig war, als dass sich der Fleck anders gezeigt hätte. Missmutig kramte sie in ihrer Handtasche, schob wohlbedacht das Tuch, dass ihre Pistole verbarg, zur Seite und holte stattdessen eine Packung Taschentücher hervor.

    Schon wollte der Mann diese ihr aus der Hand reißen, unterließ es bei ihrem Blick jedoch. „Es tut mir wirklich, wirklich leid."

    Missmutig tupfte sie die Bluse ab. Zum Glück hatte sie sich nicht verbrannt. Dann sah sie den Mann an, der vor ihr stehen geblieben war. „Schon gut", murrte sie.

    Er hatte die Augenbrauen gehoben. Eine Mimik der Vorsicht. „Sicher. Ich ... Es tut mir wirklich leid."

    „Es wird dadurch nicht besser, dass Sie sich wiederholen", erwiderte sie. Sie seufzte, knöpfte ihre Bluse auf. Die Lederweste trug sie wie ein Korsett über dem Top darunter. Suchend blickte sie sich um. Er hatte den Kaffee aus einem Coffeeshop. Vielleicht konnte sie dort die Bluse ausspülen.

    „Dann sagen Sie mir, was ich tun kann, um es wieder gut zu machen", antwortete er.

    „Nicht viel." Ihr Blick glitt zu Skyla hinüber oder viel eher dahin, wo diese eben noch gestanden hatte. Scheiße. Jetzt konnte sie nicht einfach mit ihr sprechen. Es würde auffallen.

    „Kann ich Sie auf etwas einladen? Einen Kaffee oder so?"

    Pakhet stöhnte genervt. „Das ist nicht ..." Sie stoppte mitten im Satz. „Tun Sie, was Sie nicht lassen können." Wenn sie eh zum Coffeeshop ging, konnte er sie genau so gut einladen. Was sollte es sie stören?

    „Danke." Er seufzte. „Wirklich. Ich habe noch ein wenig mit dem Jetlag zu kämpfen und ...„

    Noch immer suchte sie nach Skyla. Wahrscheinlich war sie irgendwo hinein gegangen. „Ich verstehe schon", murmelte sie. „Lassen Sie uns gehen."

    „Suchen Sie jemanden?"

    „Ich war mit einer Freundin hier. Aber ich schreibe ihr eine Nachricht." Sie holte ihr Handy hervor und tippte schnell eine Kurznachricht ein. „Alles okay? Bin kurz im Coffeeshop." Es war unauffälliger, als jetzt über das Ohrstück zu kommunizieren.

    Sie schloss die Augen, atmete tief durch und zählte bis fünf, ehe sie den Mann ansah. „Sie sind Tourist?"

    „Nein."

    „Hätte Sie für einen gehalten", meinte sie und drängte sich durch die Menge, die zu dieser Zeit sich in dieser Gegend ausbreitete. „Das T-Shirt." Es war eins von diesen Dingern, die es im Souveniershop zu kaufen gab.

    Beinahe hätte ein Frankenstein-Monster sie angerempelt, wich ihr aber aus. Da hinten eine Gruppe Superhelden. Was auch immer das mit Halloween zu tun hatte.

    „Nein, bin heute nur von einer Geschäftsreise wiedergekommen", erwiderte ihr Begleiter. „Und ... Es ist nicht mein Tag."

    „Ah." Eine vage Antwort. Eigentlich wollte sie nicht mit ihm reden. Doch was konnte man tun? Wäre sie nicht auf einem Job, hätte sie vielleicht versucht mit ihm zu flirten. Nicht ernsthaft, doch für eine Nacht. Sie war angespannt. Die US fühlten sich für sie immer unangenehm an. Wer wusste schon, auf wen sie traf.

    Natürlich war die Angst unbegründet. Ihre Profile in den Datenbanken waren verfälscht worden und die Wahrscheinlichkeit jemanden, den sie kannte, über den Weg zu laufen, war kaum gegeben. Die USA waren groß. Sie hatte in Ohio gelebt, nicht Louisiana.

    „Was machen Sie hier?", fragte der Mann, als sie die andere Straßenseite erreichten.

    „Ich bin geschäftlich hier", erwiderte sie.

    Sein Blick glitt kurz an ihr hinab. „Deswegen auch kein Kostüm?"

    „Das ist ein Kostüm." Sie lachte übertrieben.

    „Ah, ja, was stellt es denn da?"

    „Moderner Vampirjäger", erwiderte sie und war damit nicht unehrlich.

    Auch er schmunzelte. „Verstehe. Da fehlt ein Pflock."

    Pakhet zuckte mit den Schultern. „Wie gesagt. Geschäftsreise. Da kann man kaum ein Kostüm mitschleppen."

    Sein Zwinkern sagte, dass er verstand. „Was machen Sie denn?"

    Was sollte es sein, dass sie heute tat? „Mythenforschung."

    „Ah. Mythen?"

    „Ja." Sie hätte einfach Finanzwirtschaft sagen sollen. „Für ein Museum."

    „Wo?"

    „UK."

    „Das hört man Ihnen gar nicht an."

    Natürlich nicht. Ihr Dialekt war trotz vier Jahren Südafrika noch immer sehr amerikanisch. Sie zuckte nur mit den Schultern.

    Jetzt hatte sie den Coffeeshop erreicht. Rasch drehte sie sich zu dem Mann um. „Warten Sie kurz auf mich? Ich gehe kurz die Bluse auswaschen."

    Er schaute von ihr zur Theke. „Soll ich Ihnen schon einmal einen Kaffee holen."

    „Nein, danke. Ich will mir nachher das Menü ansehen." Als ob sie sich von jemand fremden unbeobachtet ein Getränk holen lassen würde. Sie hatte damit einschlägige Erfahrungen gemacht. Erfahrungen, die sie nicht wiederholen wollte.

    Auch im Coffeeshop war wie alles andere auch mit massenhaft Halloween-Doku verziert. Selbst die Barristas trugen Kostüme, wie auch diverse der Kunden, die sich in den relativ kleinen Raum drängten. Die meisten Sitze waren besetzt und ein paar Leute lehnten an der Wand direkt vor den Toiletten.

    Mühsam drängte sich Pakhet hindurch, die Bluse in der Hand. Selbst an der Toilettentür hing Deko in der Form eines künstlichen Spinnennests gemeinsam mit gleich mehreren Plastikspinnen.

    Endlich im Badezimmer schloss sie sich zuerst in einer der Kabinen aus. Sie holte ihr Handy hervor, schaute hinauf. Eine Nachricht von Skyla:

    „Aufdränglicher Typ hier. Versuche ihn loszuwerden. Treffen in 20?"

    Schien ein Thema für den Abend zu sein. Den fraglichen Vampir würden sie nicht mehr schnappen. Nicht heute. Da war sie sich sicher. Es war schon ihr dritter, vergeblicher Abend auf der Lauer, doch was erwartete sie? Es war letzten Endes eine Suche nach einer Nadel im Heuhaufen.

    „Ok", tippte sie daher nur.

    Sie drückte die Toilettenspülung, um den Eindruck zu erwecken, tatsächlich auf dem Klo gewesen zu sein und kam heraus.

    Die nächste Frau drängte sich an ihr vorbei hinein, während Pakhet sich an eins der Waschbecken stellte, um die Hand und dann die Bluse auszuwaschen. Kurz überprüfte sie ihr Make-Up im Spiegel. Es war an den Augen etwas verwischt.

    Mit einem Seufzen zog sie ihr Schmink-Kit aus der Tasche, tat ihr bestes, um nachzukorrigieren. Sie kam sich ein wenig albern vor. Nicht wegen dem Make-Up, sondern wegen der blonden, lockigen Perücke.

    Natürlich trug sie meistens eine Perücke bei solchen Aufträgen. Mit ihren kurzen, rotgefärbten Haaren fiel sie sonst auf. Jedenfalls in einem solchen Setting. Es war in Kämpfen praktischer, doch für Undercoverarbeit weniger geeignet.

    Sie verzog das Gesicht, richtete die Perücke und hielt Hand und Prothese unter den Föhn.

    Die Prothese war neu, besser als die letzte doch bei weitem nicht, was sie bevorzugt hätte. Zwar konnte sie einzelne Finger bewegen, doch waren die einzelnen Bewegungen steif und ungelenk. Michael hatte ihr versprochen, eine bessere zu besorgen, eine mit Gefühl in den Fingern. In ein paar Militärlaboren wurde so etwas getestet, aber bisher war er diesem Versprechen nicht nachgekommen.

    Sie trocknete auch die Bluse so gut wie möglich, warf sie dann über und kehrte in den eigentlichen Raum zurück.

    Der ungeschickte Herr stand gegen die Wand gelehnt, wartete offenbar auf sie und tippte auch seinerseits eine Nachricht in ein Blackberry.

    „Ah, da sind Sie ja", meinte er, als sie zu ihm kam. „Konnte der schlimmste Schaden behoben werden?" Sein Blick glitt über ihre Bluse, blieb einen unangenehm langen Blick auf Höhe ihrer Brüste hängen. Ein kurzes Zucken seiner Augenbrauen verriet seine Gedanken.

    „Ja. War ganz schön gedrängt darin", erwiderte sie.

    „Ja. Ja, sicher." Er schien verlegen. „Wie heißen sie eigentlich?"

    „Montgomery", erwiderte sie. Dann zögerte sie, ganz als wäre ihr aufgefallen, dass diese Antwort zu distanziert klang. Rasch ergänzte sie: „Sarah Montgomery."

    „Montgomery, eh?" Er lächelte. „Sind Sie eigentlich aus den US?"

    Sie zuckte mit den Schultern. „Ja. Habe eine Weile in Utah gelebt."

    „In Utah? Mein Onkel lebt da. Von wo sind Sie da genau?"

    Ach Gott, was fragte er für Fragen? Saltlake klang zu konstruiert. „Washington", antwortete sie in der Hoffnung, dass es in Utah wie beinahe jedem Staat ein Washington gab.

    „Ah. Mein Onkel ist aus Provo. Also aus der Nähe."

    „Ah." Wieder eine vage Antwort. „Und wie heißen Sie eigentlich?"

    „Derrick Meyers", erwiderte er. Kurz zögerte er, streckte ihr dann die Hand entgegen. „Entschuldigen Sie, dass ich mich nicht vorgestellt habe."

    Sie nahm seine Hand, drückte sie.

    Als er seine Hand zurückzog wandte er sich zur Theke um. „Darf ich Ihnen jetzt etwas holen?"

    „Ja. Natürlich. Ich ..." Sie sah zur Tafel. Mit diesen Getränken, in diese süßen Sirups gemischt waren, konnte sie wenig anfangen. „Ich nehme einfach einen Kaffee schwarz."

    Er schmunzelte amüsiert. „Und dafür mussten Sie jetzt nachsehen?"

    Sie zuckte mit den Schultern. „Entschuldigen Sie."

    Derrick lächelte und winkte ab. „Kein Problem. Ich schulde Ihnen etwas." Für einen Moment schien es, als würde sein Blick an ihrer Prothese hängen bleiben. Sah er sie für das, was sie war? Wahrscheinlich nicht. Im Armband, das sie trug, steckte ein Glamour, der es vor normalen Menschen verbergen sollte. Sie hasste es Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Mehr Aufmerksamkeit, als sie es durch ihre Größe schon tat.

    Er ging zur Theke vor und sie folgte. Ja, sie war misstrauisch. Doch Misstrauen war meistens besser als Vertrauen.

    „Sie können sich ruhig setzen", meinte er.

    „Ist eh alles voll", antwortete sie. „Passt schon."

    Er lächelte.

    „Was machen Sie eigentlich beruflich?"

    „Ich? Ich bin Pfarrer. Na ja, so etwas in der Art."

    „Pfarrer?" Dafür hatte sie ihn nicht wirklich gehalten. Wobei Pfarrer hier in den USA, wo jeder Dorftrottel seine eigene Kirche gründen konnte, alles heißen konnte. „Dafür hätte ich Sie nicht gehalten."

    Ein Glucksen entwich seiner Kehle. „Was darf ich darunter verstehen?"

    Sie zuckte mit den Schultern. „Weiß ich auch nicht so genau." Naiv stellen, wenn einem nichts besseres einfiel, half.

    Tatsächlich lachte er nur, trat dann vor und bestellte.

    Sie musterte ihn. Es war erstaunlich schwer, sein Alter zu schätzen. Sie hätte ihn auf um die dreißig geschätzt, etwa so alt, wie sie es war. Bei Männern konnte man sich aber nie sicher sein. Vor allem nicht bei reichen Männern.

    Ihr Blick fiel an seiner Hand hängen. Ein Ring zierte seinen linken Ringfinger. „Verlobt oder verheiratet?", fragte sie, als sie ihm die Theke entlang dorthin folgte, wo die Getränke ausgegeben wurden.

    Wieder ein Lachen. „Weder noch."

    Sie sah genauer hin. Tatsächlich war der Ring nicht wie ein Ehering geformt. Das Metall - Silber? - war flach geschlagen und mit Symbolen eingeritzt. Irgendeine Art von Runen oder Keilschrift. „Gilt so etwas nicht irgendwie als ketzerisch?"

    Nun sah er selbst auf den Ring. „Sollte man meinen, nicht?" Das war eine vage Antwort.

    Wie sehr sie sich doch wünschte, Auren sehen zu können. Ein Bauchgefühl warnte sie. Wahrscheinlich nur ihr generelles Misstrauen.

    Zwei Becher wurden auf die Ablage gestellt und Derrick griff danach. „Das ging schnell", meinte er. Fast ließ er einen der Becher los, als er neben den Papphalter, der vor der Hitze schützte, packte. „Autsch."

    Pakhet hob eine Augenbraue. Sie nahm den Becher selbst, während er die Hand schüttelte.

    „Ich habe zwei linke Hände heute", meinte er.

    „Ja." Der Plastikdeckel war nicht ordentlich auf dem Becher. Sie rückte ihn zurecht, doch wie es mit diesen Dingern häufig war, wollte er nicht so ganz drauf sitzen bleiben. Schließlich nahm sie ihn ab und warf ihn in den nächsten Mülleimer. „Dann danke für den Kaffee", meinte sie, während sie daran schnüffelte.

    Wie sehr sie den Geruch doch liebte. Den Geruch von richtigem Kaffee.

    „Kann ich Sie noch irgendwohin bringen?", fragte Derrick.

    „Nein. Wie gesagt. Ich treffe mich noch mit jemanden." Sie sah ihn gar nicht mehr wirklich an, hielt bereits auf die Tür zu.

    „Ganz wie Sie meinen. Und entschuldigen Sie noch einmal."

    Sie verdrehte die Augen. „Schon gut." Damit trat sie in die Straße hinaus.

    Mit dem Becher Kaffee in der Hand konnte sie Skyla nicht anschreiben. Bis ihrem Treffen würden ihr eh noch ein paar Minuten bleiben. Sie musste nur zur Straßenecke kommen.

    Sie nahm einen Schluck des heißen Kaffees und ließ ihn sich genüsslich auf der Zunge zerlaufen. Es gab nichts schöneres als einen heißen Kaffee. Er beruhigte ihre Nerven, selbst wenn so manch ein Mediziner ihr dahingehend widersprochen hätte.

    Dahinten war die Straßenecke, inklusive einer kleinen Mauer, die genau so malerisch wie die ganze Straße war. Nichts, wofür sie wirklich einen Kopf hatte.

    Wann anders hätte sie sich an einem Tag wie diesen hier gut amüsieren können. Vielleicht mit einem Typen wie Derrick, vielleicht mit jemand anderen - solange nicht unbedingt mit einem Vampir. Nekrophil war sie sicher nicht.

    Wieder nippte sie am Kaffee, schob den Becher dann vorsichtig in die Hand ihrer Prothese, um mit dem Zeigefinger der rechten Hand gegen den kleinen Knopf in ihrem Ohr zu drücken. „Skyla?", fragte sie.

    Rauschen. Wahrscheinlich versuchte sie den Typen loszuwerden und war außer Reichweite. Diese Technik war bei weitem nicht so gut, wie Hollywood es gerne vermittelte.

    Sie konnten für die Nacht ausgeben. Wahrscheinlich hatte sich der Vampir von den Menschenmassen abschrecken lassen oder davon, dass die Polizeipräsenz auf der Party zu groß war.

    Ein weiterer Schluck Kaffee. Wenigstens hatte sie kein Kostüm anziehen müssen. Das wäre reichlich albern gewesen.

    Sie nippte weiter am Kaffee, ehe sie inne hielt. Ein seltsamer Nachgeschmack war bei diesem Schluck gewesen. Wahrscheinlich nur ihre Einbildung. Dennoch schnüffelte sie daran.

    Da war eine seltsame Note im Geruch, die sie vorher nicht bemerkt hatte. Es erinnerte an irgendwelche Kräuter ... Beinahe an ... Was?

    Konnte es sein ...

    Weiter kamen ihre Gedanken nicht.

  • Da hinten eine Gruppe Superhelden. Was auch immer das mit Halloween zu tun hatte.

    Danke! Man müsste meinen die Idee hinter dem Tag wäre einfach genug.


    Strigoi? Upir? Oder vielleicht etwas in diesen Gegenden eher exotischeres, wie ein Aswang?

    Ah ja, an das Gespräch erinnerte ich mich einmal.

    Du fandest es schade, dass sich niemand für die Typen von Vampir interessiert und immer nur klassische Filmvampire, oder random Monster designt.

    Als ob sie sich von jemand fremden unbeobachtet ein Getränk holen lassen würde. Sie hatte damit einschlägige Erfahrungen gemacht. Erfahrungen, die sie nicht wiederholen wollte.

    So, so. Jeder fehlt einmal.

    Sarah Montgomery."

    War das nicht ein Charakter aus Prince of Belle Air?

    solange nicht unbedingt mit einem Vampir. Nekrophil war sie sicher nicht.

    Jedem Tierchen sein Pläsierchen.

    Manche nutzen halt die Leichenstarre zu ihrem Vorteil.

    Wenn ichs auch ebenfalls unlogisch finde, vor allem wenn es Vampire sind, die Opfer waren, dass ein Vampir in den meisten Versionen Bluten kann.



    In letzter Zeit hatte ich ziemlich viel Lesestoff und Oktober habe ich immer viel am Hut, deshalb kam ich noch nicht dazu, aber ich kümmere mich so bald wie möglich um deine andere Story.


  • Dann machen wir heute mit Teil 2 weiter. :3



    Die Situation, in der Pakhet erwachte, war nicht ideal.

    Es roch moderig, ihre Hände waren hinter ihrem Rücken gefesselt und sie hing kopfüber. Metallene Ringe lagen um ihre Fußgelenke, hielten sie irgendwodran fest. Fußfesseln.

    Vorsichtig bewegte sie ein Bein, soweit es ihr möglich war. Sie hörte das Klirren von Ketten. Großartig. Folterkeller, eh?

    Es war dunkel, was die Annahme nahelegte, dass sie allein war. Sie schloss ihr rechtes Auge, konzentrierte sich darauf mit ihrem Glasauge zu sehen. Dank dem Zauber, der darauf war, konnte sie im Dunkeln sehen.

    Rasch musste sie ihre Einschätzung von zuvor korrigieren: Kein Folterkeller. Ein Ritualraum. Da war so etwas, wie ein Altar in der Mitte des Raums, dazu aktuell gelöschte Kerzen darum. Drei davon sehr groß und an den Ecken eines Dreiecks aufgestellt.

    Wundervoll. Der Altar schrie nahezu „Menschenopfer“. Würde sie darauf landen? Blutmagie … Blutmagie hieß nie etwas gutes.

    Es musste Derrick gewesen sein, der sie entführt hatte. Doch etwas im Kaffee. Scheiße. Warum war sie darauf eingegangen?

    Dann war er der Vampir oder nur ein anderer Verrückter? Zweiteres war eher unwahrscheinlich. Letzten Endes war es selten, dass sich zwei Serienkiller gleichzeitig rumtrieben und dass hier, dass stank definitiv nach Serienkiller.

    Aber warum sie? Sie entsprach nicht dem Bild.

    Es sei denn natürlich, dass er genau wusste, warum sie hier waren. Dann hatte er sie ausgeschaltet, um sie aus dem Weg zu räumen. Ziemlich dumm.

    Man hatte ihr die Stiefel ausgezogen und ihr dabei auch das versteckte Messer abgenommen, während Handtasche und damit ihre Waffe ebenfalls fehlten.

    Egal. Dann musste sie improvisieren.

    Zumindest hatte sie ihre viel zu kurze Hose noch und ihren Gürtel. Sie tastete danach. Zwar waren ihre Hände fixiert, allerdings in Reichweite ihres Hosenbundes. Sie tastete nach dem Gürtel, speziell nach den Nieten, die darauf saßen.

    Da. Das hatten sie nicht gefunden. Wenn sie in ihrem Job eine Sache genau gelernt hatte, dann war es, auf solche Situationen vorbereitet zu sein.

    Sie fand den kleinen Gegenstand aus Plastik, der vermeintlich zwei lose Nieten zusammenhielt.

    Vorsichtig, dass er nicht fiel, löste sie ihn mit einem Finger, verfluchte ihre Prothese, mit der sie nicht helfen konnte. Sie hatte keine Wahl. Sie musste hier heraus. Der Geruch in diesem Raum gefiel ihr gar nicht.

    Endlich hatte sie das Ding in der Hand. Es war ein Notfallschlüssel aus Plastik, der für die meisten Handschellen passte. Ein Grund, warum Kabelbinder bessere Fesseln abgaben.

    Nun, sie würde sich darüber nicht beschweren. Sie hatte sie eine Chance hier herauszukommen.

    Hinter dem Rücken zu arbeiten, noch dazu mit einer Hand, war schwer. Wenn Derrick tatsächlich magisch war, hatte er ihre Prothese fraglos bemerkt. Natürlich hatte er sie gelassen. Ohne wäre es schwerer gewesen, sie zu fesseln.

    Leise fluchte sie, als der Plastikschlüssel wieder an der Öffnung vorbeirutschte. Sie wusste nicht, wie viel Zeit sie hatte.

    Wo war Skyla? Hatte sie ihre Abwesenheit bemerkt? Wahrscheinlich. Zwar wusste Pakhet nicht, wie lange sie ausgeschaltet gewesen war, doch war es fraglos eine längere Zeit gewesen. Eine Stunde? Zwei? Drei? Ohne einen Blick nach draußen werfen zu können, war es schwer zu sagen.

    Da. Endlich. Der Schlüssel glitt in das Loch. Sie begann ihn zu drehen. Das leicht zu verbiegende Plastik war nicht die beste Methode, ließ sich aber im Vergleich zu einem Universalschlüssel aus Metall leichter verstecken.

    Schritte. Ein Keuchen. Jemand drehte knirschend einen Schlüssel im Schloss der Tür.

    Verdammt. Mit all der Kraft, die sie in ihren Fingern hatte, drehte Joanne den Plastikschlüssel und bekam die Handschelle um ihre Prothese auf. Rasch steckte sie den Schlüssel fort, um keine Aufmerksamkeit darauf zu ziehen.

    Herein in den Raum kam ein Mann, gekleidet in schwarze Roben, die tatsächlich an einen Priester erinnerten, gemeinsam mit einer Frau. Einer nackten Frau.

    „Fick dich, Arschloch“, fluchte Skyla, als der Mann, der nicht Derrick war, sie in den Raum stieß.

    „Dafür sind andere zuständig.“ Seine Stimme klang gelangweilt, während er sie weiter in den Raum, hin zu dem Altar brachte.

    Wie Joanne war Skyla gefesselt, die Hände hinter ihrem Rücken zusammengebunden. Anders als bei Joanne mit Seil, nicht mit Handschellen.

    „Sagt Mal, was wird das hier werden?“, fragte sie, bemüht ihre Stimme ebenso gelangweilt klingen zu lassen, wie er die seine. „Ist das hier … Was genau? Für Voodoo seit ihr zu weiß. Also was? Satanismus?“

    Der Typ sah zu ihr. „Ah. Du bist wach.“ Ein wenig Überraschung war aus seiner Stimme zu hören.

    Der Kerl war eindeutig älter als Derrick es gewesen war. Sein Haar war angegraut und deutliche Falten zeichneten sich in seinem Gesicht ab. Auch sein Bart war ausgewachsen und mit grauen Strähnen durchzogen.

    „Bist du irgendeine Art Obermufti?“, fragte sie.

    Er musterte sie, drückte dann Skyla gegen den Altar und nahm eine Kette, die mit einem in den Stein getriebenen Eisennagel befestigt war und legte diese um Skylas Arm.

    „Uh, wir sind ganz erhaben, was?“ Pakhet übertrieb. Sie hoffte ihn dazu bringen zu können, sie anzugreifen. Er schien nicht trainiert. Eigentlich sollte sie ihn ausschalten können, wenn sie ihm nur nahe genug kam. Wenn sie Glück hatte, hatte er ein Messer oder Vergleichbares dabei.

    Er kam näher. Gut. Weiter. „Du bist ziemlich selbstsicher.“

    „Ich neige dazu, mich von Typen nicht einschüchtern zu lassen.“ Selbst wenn ihr das Blut langsam in den Kopf senkte. Sie musste aus der Situation heraus.

    „Ist das so?“ Er hockte sich vor sie, um auf Augenhöhe mit ihr zu sein. „Magst du mir vielleicht erzählen, wer euch angeheuert hat.“

    „Dann gebt ihr zu, dass ihr die drei Frauen ermordet habt?“ Aktuell war er gerade so aus ihrer Reichweite, um ihm sicher eine Kopfnuss zu verpassen.

    Er musterte sie. „Nicht ermordet“, antwortete er.

    „Ja, sie sind rein zufällig gestorben, nachdem ihr sie entführt und Kopfüber aufgehängt habt, nicht?“ Sie machte ein verächtliches Geräusch. „Sicher. Was mich zur Frage zurück bringt: Satanismus? Oder vielleicht … Was?“ Sie erinnerte sich an Derricks Ring. „Ein missverstandener Odins-Kult vielleicht?“

    Er verzog das Gesicht.

    Volltreffer, also?

    „Ich frage mich, wie du planst hier heraus zu kommen“, meinte er. „Denn du planst so etwas, nicht? Du bist definitiv eine andere Art Weib, als wir normal haben.“

    „Charmant.“ Warum bedrohte er sie nicht.

    „Vielleicht sollten wir dir Manieren beibringen.“ Er streckte eine Hand nach ihrem Gesicht aus, doch sie schnappte daran, schenkte ihm einen vielsagenden Blick.

    „Oh ja, versucht mich zu ficken. Ich werde einem Typen wie dir gerne den Schwanz abbeißen.“

    Er spuckte ihr ins Gesicht. „Eigentlich sollte ich dich gleich töten.“ Damit stand er auf und wandte sich ab.

    Missmutig verkniff sie sich ein Seufzen. Sie konnte kein Messer an seiner Robe erkennen, nichts, was sie ihm abnehmen konnte. Nicht auf die Entfernung. Nicht sicher. Da wäre es einfacher, er ging heraus.

    Noch einmal schaute er zu ihr, dann zu Skyla, ehe er die Tür schloss und sich wieder Dunkelheit über sie senkte.

    Pakhet seufzte. „Er hätte eine Kerze anlassen können.“

    Stille. Es dauerte ein paar Sekunden, ehe Skyla sprach. „Bist du okay?“

    „Ja. Alles bestens.“ Pakhet löste ihre Hand von der Prothese. Dann spannte sie den Körper an, schwang vor, zurück, wieder vor und bekam ihre Beine zu fassen. Sie zog ihren Oberkörper daran hoch, bis sie die Ketten zu fassen bekam. Sie tastete die Fußfesseln ab, um den Mechanismus zu finden, mit dem diese geschlossen waren. Sie keuchte.

    „Was machst du?“, fragte Skyla.

    „Versuchen hier heraus zu kommen“, erwiderte sie.

    Da war ein Schloss daran. Ein älteres, schwergängiges Schloss. Kein moderner Mechanismus. Definitiv nichts auf das ihr Schlüssel passen würde. Mist. Dann die nächste mögliche Schwachstelle.

    Sie zog sich weiter empor. Ihre Prothese konnte sie zumindest halten, während sie mit der rechten Hand nach der Stelle tastete, an der die Kette befestigt war. Da. Ein in die Wand versenkter Ring.

    „Hast du die Hände frei?“, fragte Skyla.

    „Ja. Mehr oder minder.“ Die Handschellen hingen noch immer an ihrer rechten Hand. „Du kannst nicht ein wenig nachhelfen, oder?“

    „Womit?“

    „Ring. In Wand. Ich muss hier herunter.“

    Skyla holte tief Luft. „Ich versuche es.“ Zweifel klang aus ihrer Stimme. Nach allem, was Pakhet über sie wusste, war sie auf weniger physische Magie spezialisiert oder darin begabt.

    Nichts geschah. Sekunden verstrichen, während Pakhets Bauchmuskeln von der Anstrengung zu Schmerzen begannen. Dann begann eine leichte Vibration durch die Wand zu gehen.

    So gut sie konnte ruckelte Pakhet an dem Ring. Er oder viel eher der dicke Nagel, an dem er befestigt war, begann sich zu lösen. Noch ein bisschen. Nur noch etwas.

    Er löste sich.

    Auch wenn sie mit dem Aufprall gerechnet hatte, schlug er für einen Moment die Luft aus ihren Lungen. Sterne tanzten vor ihren Augen, ehe sie sich besann.

    Keine Rippen gebrochen, allerhöchstens die Schultern geprellt. Darum konnten sie sich später kümmern.

    Mühsam richtete sie sich auf und löste ihren Gürtel, um mit dem Dübel der Gürtelschnalle zu versuchen die Fußfesseln aufzubrechen. Kein ideales Werkzeug, aber besser als nichts.

    Da fiel ihr etwas ein. „Danke“, meinte sie.

    Wieder war Stille ihre Antwort, gefolgt von einem leisen, kehligen Laut.

    Skyla war ruhiger, als sonst. Normal war sie vorlaut. Jedenfalls nach dem, wie Pakhet sie in den letzten Tagen erlebt hatte. Die Ärsche hatten nicht … Oder? Erst einmal mussten sie hier heraus.

    Endlich. Das erste Schloss gab nach. Klappernd viel es von ihrem Fuß.

    Pakhet fluchte. Hoffentlich hatte es niemand gehört.

    Rasch wiederholte sie dieselbe Technik am anderen Fuß. Es ging schneller, fühlte sich zumindest so an. Dann ging sie in die Knie und krabbelte zu Skyla hinüber.

    „Ist bei dir alles okay?“, fragte sie. Vorsichtig tastete sie nach den Schultern der anderen Frau.

    „Es geht“, erwiderte Skyla. „Mir ist kalt und was auch immer mir das Arschloch verabreicht hat, macht Kopfschmerzen.“

    „Dann haben sie dir auch etwas untergemischt?“ Pakhet tastete nach der Kette, die der Typ an Skylas Arm festgemacht hatte. Das war ein moderner Mechanismus. Gut. Mit diesen hatte sie wenigstens Übung.

    „Jap. Das vermeintlich betrunkene Arsch“, murrte Skyla. „Ich bin auf einmal umgekippt.“

    „Dasselbe bei mir. Idioten.“ Sie seufzte. „Wären sie klug gewesen, hätten sie uns ignoriert.“

    „Ja.“ Ganz so überzeugt klang Skyla nicht.

    Da. Das Schloss gab nach, selbst wenn ihr Plastikschlüssel dem Gefühl nach langsam aufgab. Ein Glück.

    Die Seile waren das geringere Problem. Rasch löste sie die Knoten und befreite Skyla. Ihre Haut war eisig kalt.

    Unschlüssig schürzte Pakhet die Lippen. Sie wollte es nicht ansprechen. Dennoch tat sie es: „Haben die dich vergewaltigt?“ Der Mangel an Kleidung legte die Vermutung nah.

    Skyla antwortete nicht sofort. „Ich weiß es nicht. Als ich aufgewacht bin, war ich nackt und saß in einer Badewanne.“ Kurz verfiel sie ins Schweigen. „Zwei Typen haben mich gewaschen.“

    Gewaschen, eh? Etwas sagte Pakhet, dass es kein gutes Zeichen war. „Rituelle Waschung?“

    „Vielleicht.“ Offenbar hatte Skyla bereits einen ähnlichen Gedanken gehabt.

    Pakhet zögerte. Nun, zumindest hatten sie ihr die Lederweste und Hose gelassen. Mehr als Skyla. Sie löste die Riemen der Weste, öffnete sie um das Top darunter auszuziehen. Sie reichte es Skyla. „Hier. Zieh das über.“

    „Danke.“ Skyla nahm es ihr ab. „Fuck.“

    „Du sagst es.“

    Pakhet zog die Lederweste wieder über. Das Leder lag unangenehm hart und kalt auf ihrer Haut. Dann bückte sie sich nach den Fußketten. Es war kein Messer, keine Pistole, aber besser als keine Waffe.

    Als der Typ vorhin gegangen war, hatte er keinen Schlüssel umgedreht. Zumindest hatte sie dergleichen nicht gehört. Es bestand also eine Chance, dass sie hier herauskam.

    Sie hielt Skyla die Hand entgegen. Dann fiel ihr ein, dass Skyla kaum würde sehen konnte und packte sie bei der Schulter. „Kannst du stehen.“

    „Ja.“ Skyla griff ihre Hand und zog sich daran hoch.

    „Wie viel siehst du?“

    „Umrisse.“

    Pakhet nickte. Sie ging zur Tür, wandte sich aber noch einmal um. „Hast du irgendwelche offensiven Kräfte?“

    „Ich kann Leute auf Berührung einschlafen lassen“, erwiderte Skyla. „Eventuell kann ich Wasser manipulieren. Alles andere ist schwer. Speziell …“ Sie hielt inne. „Kopfschmerzen“, sagte sie dann einfach.

    „Verstehe.“ Wenigstens war ihr dahingehend das schlimmste erspart geblieben.

    Vorsichtig griff sie nach der alten, gusseisernen Türklinke an der grobschlächtigen Holztür. Das Gebäude musste älter sein. Also so alt, wie Dinge in den USA halt waren. Oder es tat zumindest so, als wär es alt. Auch eine Möglichkeit.

    Das Internat, in das sie einst gegangen war, hatte auch versucht, wie ein altes, europäisches Schloss auszusehen.

    Sie drückte die Türklinke so vorsichtig, wie irgendwie möglich, mit der Hand ihrer Prothese herunter und öffnete die Tür dann.

    Wenigstens brannte draußen Licht. Elektrisches Licht. Doch auch der Flur sprach für ein älteres Gebäude. Die Wand war aus groben Steinen zusammengefügt. Sie waren am Ende des Flurs. Wenn sie sich den runden Aufbau des Zimmers besah, wahrscheinlich unter einem Turm. Unter, da sie keine Fenster gesehen hatte.

    Das oder in einer Krypta. Für solche war New Orleans doch bekannt.

    Sie war immer noch nicht sicher, was genau vor sich ging. Klar, die Typen waren Magier oder ein magischer Kult. Sie hatten das Blut der Frauen wahrscheinlich für ein Ritual genutzt? Und sicher, hier in New Orleans hat man direkt an Vampire gedacht. Aber … Drei Frauen in zwei Wochen? Was zur Hölle taten die hier?

    Sie trat in den Flur. Der Steinboden drückte kalt gegen ihre Füße. Was hätte sie nur für ihre Stiefel gegeben.

    Wenigstens war niemand hier. Vom Gang gingen sechs weitere Türen ab. Da hinten war eine gewundene Treppe nach oben. Sprach für ihre Theorie, dass sie unterirdisch waren.

    Was tun? Direkt fliehen oder hoffen, dass sie ihre Waffen fanden?

    „Wo haben sie dich hergebracht?“, fragte sie Skyla.

    „Von oben“, erwiderte sie.

    „Was ist oben?“

    „Ein … Ich glaube, es ist ein Plantagenhaus.“

    Das hieß weiter außerhalb der Stadt. Eine der besseren Gegenden wahrscheinlich. Jetzt wünschte sie, eine bessere Übersicht der Stadt im Kopf zu haben. Egal. Sie würde sich draußen schon orientieren können.

    „Und du weißt nicht, wo deine Sachen sind?“, fragte Pakhet.

    „Nein.“

    Nun, zumindest konnten sie Glück haben und irgendwelche Kutten oder vergleichbares finden. Etwas, damit Skyla ihre Blöße besser bedecken konnte.

    Leise trat Pakhet zur ersten Tür, legte das Ohr dagegen. Keine Geräusche. Ein gutes Zeichen. Vorsichtig öffnete sie die Tür. Offenbar der Schrank der Kultisten. Neben Eimer und Wischmopp war eine ganze Sammlung schwarzer und roter Kerzen hier zu finden.

    Beinahe hätte sie gelacht.

    Leider keine Ritualmesser oder vergleichbares. Sie hatte kein Glück.

    Sie schloss die Tür, wiederholte den Vorgang auf der gegenüberliegenden Seite. Der Raum war abgeschlossen.

    Die nächsten Türen. Hinter der ersten ein einfaches, unterirdisches Schlafzimmer, dessen Einrichtung irgendwo zwischen Westernhotel und Rotlichtmillieu lag. Das Zimmer war klein, doch es gab einen Schrank.

    Vorsichtig schlich Pakhet hinein, öffnete den Schrank, während Skyla an der Tür wartete. Sie schaute den Gang hinab, hielt Wache.

    Pakhet wusste das zu schätzen. Leute, die ohne, dass man ihnen etwas sagte, sinnvoll handelte.

    Der Schrank beinhaltete tatsächlich Kleidung. Einfache Männerkleidung, aber besser als nichts.

    Sie nahm ein T-Shirt, Unterhosen und eine Hose heraus, die wahrscheinlich zu lang für Skyla war. „Komm“, hauchte sie.

    Noch einmal sah Skyla den Gang hinab, folgte ihr dann in das Zimmer und schob die Tür hinter sich zu. Dann huschte sie zu ihr hinüber. „Danke“, hauchte sie.

    Pakhet sah sich im Raum um. Skyla würde einen Gürtel brauchen und ihren eigenen wollte sie nicht opfern. Selbst wenn ihr Notschlüssel nicht mehr viel bringen würde, wollte sie ihn behalten.

    Da kam ihr eine Idee. „Warte kurz hier.“

    Damit eilte sie in den Altarraum zurück, hob das Seil vom Boden auf und schlich damit zurück. „Es ist nicht ideal, aber besser als nichts.“

    Skyla nickte. Sie war blass. Die Sommersprossen zeichneten sich deutlicher als vorher auf ihrem Gesicht ab. „Ich fühle mich gerade nutzlos.“

    Pakhet zuckte mit den Schultern. „Du hattest Pech.“

    „Du bist erstaunlich entspannt mit der Situation“, erwiderte Skyla.

    Wieder antwortete sie mit einem Schulterzucken. „Hab schlimmeres erlebt.“ Die Bitterkeit klang deutlich in ihren Worten mit.

    Offenbar war Skyla vernünftiger, als nachzufragen.

    Wieder in den Flur zurück. Gegenüber war schon wieder abgeschlossen.

    Scheiße. Sie wollte doch nur ihre Klamotten haben.

    Dann der nächste Raum. Es sah aus, wie eine Art Konferenzraum. Wundervoll. Der letzte Raum war gänzlich antiklimatisch eine Toilette. Ja, sicher. Mysteriöser Kultkeller, aber garantiert nicht ohne Toilette.

    Pakhet trat auf die Treppe. Soweit hatte sie keinen Beweis gesehen, dass irgendjemand hier tatsächlich magisch war. Vielleicht waren es auch einfach nur verrückte Idioten. Gab davon ja genug. Gerade in diesen Weiten.

    Der obere Absatz der Wendeltreppe kam mit einer weiteren Tür. Gut. Dahinter waren Schritte zu hören. Natürlich.

    Sie griff die Kette fester, öffnete die Tür dann.

    Sie war am Rand eines weiteren, zu einem Innenhof offenen Gangs. Der Boden war mit weißem Gestein bedeckt. Und hier waren Typen. Positiv gesehen allerdings: Keine Schusswaffen.

    Zwei Typen liefen in normaler, wenngleich dunkler Kleidung den Gang entlang. Sie redeten, hoben den Blick, sahen zu ihr, fluchten. Dann war Pakhet bei ihnen, hatte die Kette um den Hals des ersten geworfen und zugezogen. Ein unschönes Knacken, das durch Mark und Bein ging, erklang und sein Körper erschlaffte.

    Das war keine Absicht gewesen. Egal.

    Der zweite besaß etwas Überlebenssinn und rannte. Zu seinem Pech in Skylas Richtung. Sie sprang auf ihn zu, griff nach seinem Arm und für einen Moment war er wie erstarrt.

    Dann fiel er zu Boden.

    Ungläubig starrte Skyla zu der Leiche zu Pakhets Füßen. „Du hast ihn getötet.“

    Unnötigerweise bückte Pakhet sich, um nach den Puls zu fühlen. Sie hatte gespürt, wie sein Genick gebrochen war. Die Anspannung hatte dafür gesorgt, dass sie ihre Kraft nicht ganz unter Kontrolle gehabt hatte. „Ja“, gab sie dann zu.

    Für einen Moment war Skylas Blick auf den jungen Mann fixiert, dann schüttelte sie den Kopf.

    Wenn sie meistens Köder spielte, war sie vielleicht nicht daran gewöhnt, dass die Beute getötet wurde. Oder sie hatte sich auf vermeintliche Monster spezialisiert.

    Pakhet sprang über die halbhohe Mauer, die den Gang vom Innenhof trennte und sah zum Dach. Das Gebäude hatte zwei Stockwerke, inklusive des Erdgeschosses, und ein relativ flaches Dach, wie in der Gegend üblich. Sie käme hoch, aber nicht mit Skyla.

    Schade. Es wäre einfacher gewesen über das Dach zu gehen. Aber eigentlich sollten sie leicht herauskommen.

    Wie viele Leute waren hier im Haus? Fünf? Sechs? Wenn es ein Kult war vielleicht zwanzig.

    Pakhet seufzte. Sie würde barfuß rauslaufen dürfen. Und ihre Waffe. Eigentlich wollte sie ihre Pistole wiederhaben.

    Das Gebäude umschloss den Innenhof komplett, in einem nicht untypischen Versuch europäischen, antiken Baustil zu immitieren. Irgendwo sollte eine Doppeltür sein, die in eine Eingangshallte führte. Hier waren auch Fenster zum Innenhof.

    Fenster …

    Hatte sie jemand gesehen?

    Sie war so auf die beiden Typen fixiert gewesen, dass sie nicht darauf geachtet hatte.

    Zumindest schien es ein reiner Männerclub zu sein. Nicht unüblich für solche Vereine.

    Ach, verdammt. Da hinten war eine geschwungene Doppeltür. Solange niemand auf sie Schoss käme sie schon klar.

    Kurz durchsuchte sie die Taschen der Leiche, in der vergeblichen Hoffnung ein Messer oder vergleichbares zu finden. Dann richtete sie sich auf und zeigte zur Doppeltür, die hinter der Biegung an dem nächsten Abschnitt des Rundgangs gelegen war.

    Skyla nickte und hielt sich bei ihr. Unter die Fenster geduckt schlichen sie hin. Hoffentlich war niemand da.

    Pakhet zog die Türklinke herunter, zog die Tür auf. Die Kette lag kalt in ihrer Hand.

    Eine für Plantagen nicht unübliche Eingangshalle lag vor ihnen. Parkettboden. Eine Doppeltreppe, die zu beiden Seiten in den zweiten Stock hinaufführte. Soweit, so Klischee. Wichtiger aber: Da hinten war die Eingangstür. Ihr Weg hier heraus.

    Daneben eine alte Wanduhr. Es war kurz vor zwei.

    Rasch tauschte sie einen Blick mit Skyla, dann schlich sie in Richtung der Tür.

    Sie hatten Glück. Niemand stand hier zu sein. Wahrscheinlich rechnete niemand damit, dass sie entkamen. Es waren eben doch Stümper. Zu ihrem Glück.

    Es sei denn natürlich …

    Nein, hier war kaum richtige Magie im Spiel.

    Da. Noch ein paar Schritte. Jetzt war sie bei der Tür, in die kleine Fenster aus buntem Glas eingelassen waren. Die runden Türknaufe waren schwergängig, knirschten, als Pakhet sie drehte. Das Metall war ungewöhnlich kalt, beinahe eisig.

    Sie warf die Tür auf, trat hindurch und erstarrte im nächsten Moment.

    Ihre Muskeln waren wie erstarrt, verkrampft, schmerzten. Natürlich. Also war es doch reale Magie. Sie hätte es wissen müssen.

    Etwas kaltes legte sich von hinten an ihren Nacken. „Wohin wollt ihr denn gehen?“, fragte Derricks Stimme.

    Pakhets Kehle war zugeschnürrt. Sie konnte nicht antworten. Ihr ganzer Körper war gelähmt. Egal, wie sehr sie es versuchte, konnte sie keinen Muskel bewegen. Selbst ihr Herz kämpfte nur schwerfällig gegen den Zauber an.

    Aber was für ein Zauber?

    „Aber ich gebe zu, dass ich damit nicht gerechnet habe“, meinte er und ging um sie herum. Da war etwas in seinen Augen. Ein violetter Schimmer.

    Ein Feenzeichen. War er ein Wechselbalg?

    „Es tut mir wirklich Leid, euch den Abend verdorben zu haben.“ Seine Stimme klang beinahe aufrichtig. „Aber nachdem tatsächlich Magier beauftragt wurden … Es war zu entgegenkommend.“

    Sein Messer schnitt leicht in Pakhets Haut, ließ etwas Blut tropfen. Im nächsten Moment breitete sich Kälte auf ihrer Haut aus. Ein Sog. Es war, als würde mehr Blut aus ihr gezogen werden. Gleichzeitig festigte sich der unsichtbare Griff, der sie festhielt.

    Sie kannte das Gefühl.

    Blutmagie.

  • Doch etwas im Kaffee. Scheiße. Warum war sie darauf eingegangen?

    Hm, an der Stelle wäre es gut zu wissen, was Magie hier alles kann.

    Ein KO Tropfen Detektor, oder Immunitätszauber wäre nützlich.

    Sie könnte vielleicht auch eine Fähigkeit erlernt haben, die entgiftet, aber da alles sehr schnell ging, hätte sie keine Gelegenheit.

    Wenns denn sowas geben kann.

    Und hatten die Typen nicht eine Toilette? Komisch, dass sie nicht gleich durch den Spiegel gegangen sind, außer wenns wirklich nur ein Klosett war.

    „Fick dich, Arschloch“, fluchte Skyla, als der Mann, der nicht Derrick war, sie in den Raum stieß.

    Ha, dachte die wäre ab da schon tot.

    Nehme mal an, sie schafft es nicht und Pakhet entkommt.

    „Ein missverstandener Odins-Kult vielleicht?“

    Gab es da nicht Menschenopfer bei denen man das Gerippe des noch lebenden Opfers irgendwie aufklappt?

    Würde mich nicht wundern, Odin selbst hat sich mal erhängt und mit seinem Speer aufgespießt.

    „Hast du irgendwelche offensiven Kräfte?“

    Das wäre gut zu wissen gewesen, bevor man loszieht, oder?

    War er ein Wechselbalg?

    Den Mythos kenne ich sogar.


  • So. Letztes Kapitel, morgen kommt noch ein Epilog. Hier mal drauf achten ... Ich habe die Anzahl der Goons später geändert, bin mir aber nicht sicher, ob ich beim Editieren alle Stellen erwischt habe.





    Jemand zerrte Pakhet mit sich, ohne dass sie sich bewegen konnte.

    Noch immer breitete sich Kälte von dem kleinen Schnitt an ihrem Hals aus. Es war noch immer der Zauber, der dazu diente, sie bewegungsunfähig zu machen. Das Arsch nutzte ihre Lebensenergie dafür. Scheiße.

    Wo war Skyla? Sie konnte sie nicht sehen, aber auch nicht ihren Kopf drehen, um eine bessere Übersicht zu bekommen.

    Sie musste hier herauskommen. Noch immer wusste sie nicht, was genau vor sich ging. Aber wenn sie hier nicht rauskam, würde sie sterben. Sie wollte nicht sterben. Also was?

    Etwas Kraft kehrte in ihre Beine zurück. Nur weil Derrick es zuließ.

    Sie versuchte auf die Beine zu kommen. Sie waren vor einer weiteren Zimmertür. Nicht am Gang. Kaum, dass sie stand, wurde sie in das Zimmer hineingestoßen.

    Sie stolperte, schaffte es aber stehen zu bleiben.

    Ein Seufzen. „Du bist widerspenstig, dass muss ich dir lassen. Warst du es oder die Magierin, die euch befreit hat?“

    Pakhet schaffte es sich zu ihm umzudrehen. Ihre Bewegungen steif, doch im Moment möglich. Sie musste es schaffen, seine Konzentration zu brechen, den Zauber loszuwerden. Einen Trick hatte sie noch.

    Sie schloss die Augen, sammelte ihre eigene magische Energie in Kiefer und Kehle. „Du kannst uns hier nicht festhalten. Was ist überhaupt der Plan? Drei Blutsopfer in zwei Wochen ist verschwänderisch, selbst für deinesgleichen.“

    Wie hatte Derrick die Feenzeichen vorher versteckt? Jetzt war es deutlich zu sehen. Seine Augen violett, seine Ohren, wie auch die Zähnen spitz und ein gräuliches Glänzen auf der Haut. War er Fae oder Halb-Fae?

    Kein klassisches Wechselbalg. Bei ihnen zeigte es sich selten so deutlich.

    Wieder drückte sein Wille auf sie. Nahezu konnte sie seine Stimme in ihrem Unterbewusstsein hören, wie er versuchte ihre Muskeln zu kontrollieren. „Knie dich hin. Knie dich hin.“ Oh nein, sie würde nicht vor ihm knien.

    Sie sammelte ihre Energie in den Beinen, um gegen seinen Zauber anzukämpfen. Ihre Muskeln schrien in Protest. Sie konnte ihn sprechen. Sie musste ihn brechen.

    Doch offenbar war Derrick nicht gänzlich physischer Gewalt abgewandt. Seine Faust traf sie am Kinn und warf sie dank ihrer steifen Muskeln und da sie es nicht hatte kommen sehen um.

    Keuchend kam sie auf dem Boden auf, konnte sich nicht einmal abfangen. Ihr Kiefer schmerzte.

    Derrick trat zu und sie konnte nichts tun, um sich zu schützen.

    Ihre Gedanken rasten. Sie musste fortkommen, doch gegen Magie konnte sie sich nicht ankämpfen.

    Wieder trat er zu und es kostete sie einige Beherrschung, keinen Laut von sich zu geben. Die Genugtuung wollte sie ihm nicht geben.

    Sein Zauber saugte ihre Energie ab. Wie lange würde es dauern, bis er sie tötete? Wenn Derrick es nicht vorher selbst übernahm.

    Jetzt kickte er gegen ihre Schulter, drehte sie auf den Rücken und stellte seinen Fuß auf ihren Bauch. Er trat nicht zu. Nein, er kostete den Moment aus. Jämmerlich.

    Sein Blick traf den ihren und ein Grinsen breitete sich auf seinen Lippen aus. Er wusste, wie leicht er sie töten könnte. Es wäre einfach. Sie wussten es beide. Er konnte es langsam tun, schnell, es machte keinen Unterschied. Im Moment war sie ihm ausgeliefert und sie hasste dieses Gefühl. Sie hasste dieses Gefühl mehr als jedes andere.

    „Was genau bist du?“, fragte er.

    Dabei verhinderte sein Zauber, dass sie antwortete.

    Wütend starrte sie ihn an. Ihre Gedanken rasten weiter, versuchten einen Ausweg zu finden. Sie war auf so viel vorbereitet aber nicht Blutmagie. Wie sehr sie Magie hasste. Magier. Sie machten alles so schwer.

    Jetzt kniete er sich vor sie, musterte ihr Gesicht. Er streckte die Hand aus, berührte ihre linke Schläfe. „Das Auge. Woher ist das?“

    Mit einem Mal ließ sein Zauber nach. Er wollte offenbar, dass sie antwortete. Für den Moment hielt sie die Lippen aufeinander gepresst, bis sein Daumen zu dem gläsernen Auge wanderte. Würde er es ihr ausnehmen?

    „Ich habe es als Bezahlung für einen Job bekommen“, erwiderte sie. Keine komplette Wahrheit, was interessierte es.

    „Magische Söldnerin also“, schloss er.

    Volltreffer. „So etwas wie.“ Wenn sie sich jetzt bewegte, konnte sie ihn ausschalten, bevor er einen neuen Zauber sprach?

    „Und schon ziemlich kaputt.“ Seine Hand glitt zum Ansatz ihrer Prothese. „Nichts magisches dafür, eh?“ Er schob die künstliche Haut an ihrer Schulter zurück und verzog beim Anblick des Narbengewebes das Gesicht. „Da sind sicher ein paar interessante Geschichten.“

    Was zur Hölle wollte er?

    „Was jetzt?“, fragte sie.

    „Nun, du bist nur zu so viel zu gebrauchen“, erwiderte er. „Aber du hast magisches Blut. Also …“

    „Also was?“ Würde sie auch als Opfer in dem Ritualkreis enden. Ein Opfer für was?

    Er antwortete nicht. Seine Hand glitt über das Leder ihrer Weste. Gebleichtes Gazellenleder, mit einem Zauber versehen, der diverse Waffen aufhielt. Ohne hätte sie auch jetzt gebrochene Rippen. Dennoch widerte sie die Berührung an, als seine Hände über ihre Brüste glitten.

    Wenn er abgelenkt war, hatte sie eventuell eine Chance. „Also was?“, fragte sie.

    „Du weißt es selbst, oder?“

    Sie machte ein verächtliches Geräusch. Natürlich verstand sie, was er eigentlich meinte. Er wollte ihr Blut. Er brauchte ihr Blut. Sie verstand ihn absichtlich falsch. „Also willst du mich vergewaltigen?“

    Er lachte. „Bitte. Ich kann andere haben. Frauen mit zwei Armen, die auch wie Frauen aussehen.“ Seine Hand wanderte tiefer. Also war er doch beeinflussbar. „Meinesgleichen hat dahingehend besondere Fertigkeiten.“

    „Was? Darin Frauen zu vergewaltigen?“, erwiderte sie. „Glaube ich sofort. Deinesgleichen ist bekannt dafür, nicht?“

    „Wir vergewaltigen nicht. Die Frauen und Männer, die wir nehmen, wollen uns.“

    Sie lachte trocken. „Ja, geistesbeeinflussende Zauber sind in meinem Buch noch immer eine Vergewaltigung.“ Auch wenn ihr nicht viel Energie blieb, sammelte sie diese in ihren Beinen. Sie musste schnell sein. Fae waren schnell.

    „Wie du meinst.“ Es schien ihn nicht zu interessieren, dennoch glitt seine Hand zwischen ihre Beine. „Sag mal, bist du einfach nur eine von diesen Kampflesben oder willst du eigentlich ein Kerl sein?“ Seine Stimme war abfällig. „Du könntest hübsch seien, wenn nicht …“

    In einer raschen Bewegung hob sie das linke Bein, hackte den Fuß an seinem Nacken ein, drückte ihn zu Boden, benutzte seinen Arm als Hebel, um auf ihn zu kommen. Einen Moment später war sie auf ihm, drückte ihr Knie gegen seinen Nacken, während sie versuchte seinen linken Arm zu Greifen zu bekommen. „Arschloch.“

    Sie verlagerte ihr Gewicht, um gegen seine Kehle zu drücken, ihm idealerweise den Adamsapfel einzudrücken, sofern das bei was auch immer er war, eine Möglichkeit war.

    Seine Hände versuchten gegen ihr Bein zu drücken, doch physisch war er schwächer als sie. Gut. Typisches Magierproblem. Wer sich auf Magie verließ, war selten in physischer Optimalverfassung. Magie machte faul.

    Doch ihr Gewinn dauerte nur kurz an, bevor die Tür geöffnet wurde.

    Ehe sie verstand, was geschehen war, wurde sie gegen die Wand geschleudert. Zum zweiten Mal in viel zu kurzer Zeit wurde die Luft aus ihrer Lunge gedrückt, als eine Frauenstimme in einer fremden Sprache sprach. Es klang vage, aber nur vage wie Isländisch, nicht dass sie auch nur ein Wort der Sprache verstand.

    Derrick keuchte. Während eine unsichtbare Hand Pakhet weiterhin gegen die Wand drückte, antwortete er in derselben Sprache. Er sprach beruhigend, rascher und mit anderer Stimme als zuvor.

    Endlich ließ die unsichtbare Macht sie los. Bevor Pakhet sich fangen konnte fiel sie zu Boden, versuchte sich aufzurappeln, als eine Krallenbesetzte Hand nach ihrer Kehle griff.

    Die Hand gehörte einer Frau. Einer alten Frau mit ausgemergelter, gräulicher Haut unter der sich die Adern schwarz abzeichneten. Ihre Augen waren ebenso schwarz, monströs und wirkten doch ausdruckslos. Anders als bei anderen Monstern.

    Auch wenn die Frau zerbrechlich wirkte, machte es ihr keine Mühe, Pakhet an der Kehle empor zu ziehen. Ihre Augen schienen auf ihr Gesicht fixiert, als sie etwas zischte. Ihre Krallen bohrten sich in Pakhets Hals, ehe die Welt zum sie um zweiten Mal in dieser Nacht dunkel wurde.


    Als sie wieder in dem verdammten Ritualkeller zu sich kam, war sie nicht überrascht. Zumindest konnte sie jetzt sagen, dass es nur fünf Typen waren. Nun, vier Typen und die seltsame Frau, die Pakhet bereits oben gesehen hatte.

    Was war sie? Definitiv kein Mensch, doch etwas an ihr sagte Pakhet, dass sie auch kein Fae war. Sie war etwas anderes? Dämon? Nein, Dämon waren letzten Endes nicht viel anders als Fae. Manche sagte sogar, dass Fae und Dämonen dasselbe waren. Zwei Seiten derselben Münze.

    Zumindest war sie mächtig. Was sie zuvor getan hatte … Es war nicht ohne. Mehr, als dass ein normaler Magier hinbekommen hätte, jedenfalls ohne Vorbereitung.

    All das war jedoch nur ein weiteres von vielen Problemen.

    Wer auch immer es gewesen war … Irgendjemand hatte Pakhet gefesselt. Dieses Mal mit Seil. Ihr Arm war hinter ihrem Rücken gefesselt, das Seil so gelegt, dass es den Arm an Brustkorb und Nacken festhielt. Sie ging jede Wette ein, dass es sich enger um ihren Hals legen würde, sollte sie versuchen, zu entkommen.

    Nicht dumm. Sie hatten den Arm nicht wieder an die Prothese gebunden, mit der sie leichter hätte tricksen können. Auch ihre Beine waren gefesselt. Sie waren angewinkelt fixiert. Ja, sie hatten definitiv Angst gehabt, dass sie noch einmal abhaute.

    Ein Knebel schnitt in ihrem Mund. Natürlich.

    Und jetzt?

    Erstickte Laute, die sehr nach den Versuchen von Flüchen klangen, verrieten ihr, dass irgendwo zwischen den Typen Skyla war. Wahrscheinlich auf dem Altar.

    Was würden sie tun?

    Die anderen Frauen waren ohne Blut aufgefunden worden. Also hatte das, was sie taten, in irgendeiner Form mit Blutmagie zu tun. Sie würden Skyla töten. Auf irgendeine Art würden sie sie töten.

    Pakhet drehte den Kopf weiter, bis ihr Nacken schmerzte, in der Hoffnung etwas zu sehen. Da war ein Stück bleiche Haut. Da war der Schimmer eines Messers. Ja, Ritual.

    Anders als bei anderen Ritualen von irgendwelchen wirren Kultisten wurde nicht viel gesungen oder getan. Stattdessen wurden Hände gehalten. Auch mit dem Wissen, dass es Magiern half, ihre Magie zu bündeln, hätte Pakhet wohl Witze gemacht, wäre sie in einer anderen Situation gewesen.

    Okay. Sie musste schnell sein. Was waren ihre Möglichkeiten?

    Sie konnte aus den Fesseln kommen. Irgendwie schaffte sie das. Die Frage war nur, ob sie schnell genug wäre und was sie dann tat. Sie würde ihre Beine extra entfesseln müssen. Dafür hatte sie nicht die Zeit.

    Ja. Sie war wirklich mit ihrem Latein am Ende. Scheiße. Sie würde garantiert nicht hier unten sterben.

    Vorsichtig begann sie ihre rechte Hand leicht, sehr leicht zu bewegen. Ja. Wie gedacht war das Seil mit dem Seil an ihrem Hals verbunden. Dieser schmerzte sowieso. Die dumme Kuh hatte wahrscheinlich einige blaue Flecken und Kratzer hinterlassen. Sie brauchte einen Heiler.

    Weiter. Sie bewegte ihre Hand sehr langsam, sehr vorsichtig, versuchte sich auf die Seite zu drehen, um eine bessere Sicht zu bekommen.

    Jetzt gingen die sechs einfachen Typen, die wohl einmal sieben gewesen waren, in die Knie.

    Derrick, der wahrscheinlich anders hieß, begann leise etwas in derselben Sprache, die sie zuvor gehört hatte, zu murmeln. Er stand zu Skylas Kopf. In seiner Hand war eine Klinge. Ein glattes, doppelschneidiges Ritualmesser. Er hob es.

    Nicht gut. Gar nicht gut. Dann setzte er es an Skylas Hals an.

    Skyla schrie gegen einen Knebel an. Das würde ihr wenig bringen. Was war mit ihrer Magie?

    Doch wahrscheinlich wusste sie genau so gut wie Pakhet, dass es ihr nur so viel bringen würde.

    Verdammt. Pakhet bemühte sich schneller zu arbeiten. Sie zog ihre Hand weiter aus der ersten Schlaufe. Es war schwer. Das Seil schleifte über ihre Haut. Den Schmerz konnte sie ignorieren, solange sie das Seil dafür nicht enger zog.

    Endlich. Ihre Hand glitt durch die erste Schlaufe, gab ihr damit mehr Seil, mit dem sie arbeiten konnte. Der Druck auf ihrem Hals ließ nach.

    Das Messer berührte Skylas Hals, schnitt ein. Blut rann ihren Hals hinab.

    Nein. Verdammt.

    Irgendwie schaffte Pakhet es die Hand durch die zweite Schlinge zu ziehen, wesentlich schneller als bei der ersten, und bekam dadurch genug Freiraum um den Arm gänzlich freizubekommen. Es war dumm, doch sie riss sich den Knebel aus dem Mund. „Hey!“, rief sie, wohl wissend, dass es sie zum Ziel machen würde.

    Derrick und zumindest vier der Typen fuhren zu ihr herum. Im selben Moment hob Skyla ihren Kopf, berührte Derricks Hand. Er sah zu ihr, als würde ihm etwas klar werden.

    Natürlich verstand auch Pakhet: Skyla versuchte ihn zu verzaubern.

    Er nahm das Messer, wollte zustechen, konnte aber erneut nicht ganz Berührung mit ihrer Haut vermeiden. Das Messer schnitt in ihren Hals, ehe er umkippte, während Pakhet versuchte das Seil ganz von ihrem Oberkörper zu reißen.

    „Worauf wartet ihr?“, knurrte die Frau mit einer verzerrten, unmenschlichen Stimme.

    Zwei der Typen liefen zu Pakhet. Da. Endlich. Einer von ihnen hatte ein Messer.

    Der andere griff nach ihren Schultern, drückte sie auf den Boden, während der andere versuchte auf sie einzustechen.

    Derrick hatte einen Fehler gemacht. Er hatte ihre Weste gelassen. Das Messer glitt davon ab.

    Pakhet hatte genug Bewegungsfreiraum mit dem Arm, um ihren Ellenbogen im Solar Plexus des Mannes, der sie hielt, zu versenken. Er beugte sich nach vorne, ließ locker, was ihr erlaubte, den Arm fortzuziehen. Der erste versuchte wieder zuzustechen, lernte nicht, sie bekam seine Hand zu fassen, leitete ihre Energie in die ihre und drückte zu.

    Die dünnen Knochen in seiner Hand gaben nach. Dann hatte sie das Messer.

    So schnell wie sie konnte schnitt sie durch das erste Messer an ihren Beinen. Während Kumpane Nummer 1 noch schrie, versuchte Nummero 2 sie wieder zu tackeln, sie zu Boden zu drücken. Er war ein einfacher Typ, ohne jedwede Ausbildung. Typisch.

    Sie entging ihm. Selbst halb gefesselt konnte sie seinen unüberlegten Angriff umleiten. Dann stach das Messer in seine Schulter, ließ ihn aufschreien. Instinktiv wich er von ihr zurück.

    Die Frau berührte Derrick, nahm ihm das Messer ab, schnitt sich in die Handfläche und hielt es über ihn. Das Blut tropfte auf sein Gesicht, schien ihn wieder zum Leben erwachen zu lassen. Nicht gut. Gar nicht gut.

    Endlich. Pakhet trennte eine dritte Strebe des Seils durch, bekam die Beine frei, sprang auf. Ihre Beine waren kaum durchblutet, schienen sie nicht tragen zu wollen, mussten aber.

    Derrick. Derrick war die Priorität. Bevor er genug bei Bewusstsein war.

    Sie sprintete, warf sich gegen die Frau, die jedoch nicht zur Seite wich. Stattdessen versuchte sie nach ihr zu schlagen.

    Warum benutzte sie nicht wieder Magie?

    Derrick richtete sich auf. „Oh nein“, knurrte er. Sein Blick verhärtete sich. Pakhet wusste, was kommen würde. Ihr Blick glitt zum Altar, traf den Skylas. Diese schloss die Augen.

    Die Luft begann zu schwingen. Wortwörtlich. Ein seltsames Surren. Ein Zauber?

    Derrick hielt inne, nur einen Moment, doch mehr brauchte Pakhet nicht.

    Das Messer schnitt in seine Brust. Anders als sie hatte er keinen magischen Schutz. Es glitt durch seine Haut, seine Muskeln in seinen Brustkorb, ehe sie es hochriss, weiter nach oben schnitt um sicher zu gehen, dass sie sein Herz erwischte.

    Sie zog das Messer heraus, wollte sich zur Frau umwenden, ehe sie - wie schon oben - zurückgeworfen wurde.

    Auch wenn sie vorbereiteter war, traf der Zauber oder was für eine Art Angriff es auch immer war, sie heftig, warf sie zurück.

    „Du kannst meinen Jungen nicht töten.“ Die Frau hatte die Hand ausgestreckt, als würde sie etwas festhalten. Pakhet. Oh, natürlich, in bester Comic-Manier. Aber es brachte sie in ein Problem.

    Derweil griff die Frau mit ihrer Hand das Ritualmesser, schnitt sich selbst. Ihr schwarzes Blut waberte aus ihrer Wunde, wie in Schwerlosigkeit, kroch wie an unsichtbaren Schnüren zu Derrick, ehe es innehielt. Ein Zittern ging durch den Körper der Frau, bevor sie sich zu Skyla umdrehte.

    Obwohl sie sich abgewandt hatte, hielt die unsichtbare Kraft Pakhet noch immer fest, während die Frau zu straucheln begann.

    „Der Junge kann warten“, murmelte sie, ehe sie wieder in die andere Sprache verfiel.

    Das Blut schwebte noch immer in der Luft, teilte sich in einzelne Tropfen. Genau dasselbe passierte mit Skylas Blut. Es begann aus der Wunde an ihrem Hals zu fließen, zu schweben, fand Tropfen des schwarzen Blutes und vermischte sich damit, sammelte sich, während Skylas Wunde stärker zu bluten begann.

    Noch war Skyla bei Bewusstsein. Sie schloss die Augen. Die Bewegung ihres Blutes verlangsamte sich. Konnte sie es auch kontrollieren? Was war es? Kontrollierte sie die Flüssigkeit oder das Blut selbst?

    Derrick regte sich. Seine Wunde blutete nicht. Verdammte Fae.

    Nein.

    Das hier würde so nicht passieren.

    Die Frau murmelte. Ihre Stimme sagte klar, dass sie fluchte. Sie war ebenso unglücklich mit der Situation, wie Pakhet.

    Skylas Blut formte kleine Kristalle. Eis. Was auch immer das Ritual tat, so schien es darauf aufzubauen, das Blut zu vermischen. Etwas das bei gefrorenem Blut schwerer sein würde. Skyla war ruhiger, als Pakhet es erwartet hätte. Vielleicht sogar ruhiger, als sie es gewesen wäre.

    Verdammt. Pakhet kämpfte gegen die unsichtbare Kraft. Egal was die Frau war und wie mächtig sie war, sie konnte sich nur auf so viel gleichzeitig konzentrieren. Noch hatte Pakhet das Messer in der Hand.

    Doch da waren auch die zwei anderen Typen. zwei? Wo war der andere geblieben.

    Die Frau sagte etwas zu ihnen und natürlich gingen sie zu Pakhet.

    Sie hasste Magie. Magie machte alles so unglaublich kompliziert. Hätte es denn kein einfacher Vampir sein können? Einfach nur ein einfacher Strigoi, dessen Herz man herausschnitt und verbrannte? Nein. Es mussten irgendwelche Fae und komplizierte magische Rituale sein.

    Pakhet holte tief Luft. Die Macht hielt sie gegen die Wand gedrückt, aber sie konnte sich etwas bewegen. Irgendwie. Irgendwie.

    Da. Eine Schwäche. Weiter unten. Ihre Beine hatten mehr Bewegungsfreiheit. Machte es Sinn? Nein. Aber es war Magie. Was erwartete sie da?

    Sie verlagerte ihr Gewicht, ließ sich fallen und tatsächlich rutschte sie.

    Einen Moment später verschwand der Druck. Also hatte sie Recht. Die Alte konnte sich nur auf so viel konzentrieren.

    Schnell.

    Pakhet warf zwei der Typen zur Seite und versenkte das Messer im Rücken der Alten. Zumindest war das ihr Plan, doch das Messer schnitt nicht. Also war die alte magisch geschützt.

    Schon fuhr sie herum, während das Blut sich mehr und mehr um Skyla sammelte. Die Kristalle schmolzen, verfärbten sich.

    Und da kam Pakhet ein Gedanke.

    Als die alte ihren Arm hob, trat sie gegen das Knie. Was auch immer es war, war es genug physische Kraft, um ihr Gleichgewicht für einen Moment zu verlagern. Genug, um das Messer in ihrer Hand, das Ritualmesser zu schnappen zu bekommen. Sie nahm es und stach zu, traf den Hals der Alten.

    Im nächsten Moment warf die unsichtbare Macht sie wieder zurück, verschwand im nächsten Moment wieder.

    Die Frau griff sich an den Hals, tastete nach dem Messer, als Pakhet wieder zu ihr sprang, den Griff des Messer nahm und es durch die Kehle der alten zog.

    Das Blut tröpfelte zu Boden, tröpfelte auf Skylas Körper, auf den dunklen Steinboden um den Altar.

    Pakhet zog das Messer zurück und stach dann in die Brust der Alten, dessen Körper unter der Berührung zu zerfließen schien. Wortwörtlich.

    Endlich gaben Pakhets Beine nach, als der Körper der Frau sich in dieselbe schwarze Flüssigkeit auflöste, über den Boden schwappte. Wahrscheinlich war sie nicht einmal tot. Was auch immer sie war, könnte so leicht nicht getötet werden.

    Da waren noch immer Typen. zwei Stück. Da waren noch immer Typen. Und Skyla.

  • Nun, vier Typen und die seltsame Frau, die Pakhet bereits oben gesehen hatte.

    Minus den einen mit gebrochenem Genick, schätze ich.

    Manche sagte sogar, dass Fae und Dämonen dasselbe waren.

    Wenn man sich die Legende von Lucifer ansieht, kann ich mir da eine sehr gute Story um ihn als Sympathieträger vorstellen, der nur die Interessen seines Volkes schützt und keinen Herrschaftsdrang hat, oder eine Abneigung gegen Menschen.

    Da Geschichte von Siegern geschrieben wird und die Welt nicht gerade friedlich ist, wäre es ganz nett.

    Da deine mächtigen Wesen aber abhängig sind von der Popkultur und der Vorstellung der Menschen, sehe ich da aber weniger Hoffnung.

    infach nur ein einfacher Strigoi, dessen Herz man herausschnitt und verbrannte?

    Ist schon interessant, dass Vampirmythen aus Zombie und Geistähnlichen Spukgestalten entstanden sind.

    Pakhet zieht selten ins Land und spricht davon, dass sie außerdem noch gut mit Sprengstoffen ist und alles. Es hat einen Wert so etwas geheim zu halten.

    Das mag zwar sein, aber wenn es darum geht, seine Strategie auszuklügeln, wäre es schon gut alles miteinplanen zu können, was man so kann. Hätte einer von ihnen Teleportation, würde Pakhet einfach einen Handspiegel mitnehmen können.

    Das ist schon mal gute vorbereitung auf Mosaik! :D

    Ja, ich glaube Overly Sarcastic Pro. hat damals einmal erklärt was es mit damaligen Feenmythen auf sich hatte und sie sie sich von heute unterschieden. Glaube zumindest dass es OSP war...


  • Heute kommt dann noch das letzte Kapitel, aka der Epilog der Geschichte.





    Es war vor allem Sorge, die Pakhet hatte kommen lassen. Nicht, dass sie diese Sorge zugegeben hätte. Doch hatte sie Skyla das letzte Mal gesehen, als man sie in den Krankenwagen gebracht hatte. Sie hatte keinen Grund gesehen, die Magierin im Krankenhaus zu besuchen. Wahrscheinlich hatte sie eh dafür gesorgt zu einem Heiler gebracht zu werden.

    Letzten Endes war es nur ein weiterer Job und Skyla jemand, den sie nicht wiedersehen würde. Sie hatte bisher niemanden wiedergesehen, den Michael von außerhalb der Firma angeheuert hatte. Trotzdem fühlte sie eine gewisse Verantwortung für Skylas Zustand. Sie selbst hätte vorher merken sollen, dass etwas nicht stimmte. Sie hätte sich vorher befreien sollen. Wäre Skyla nicht magisch, wäre sie gestorben.

    Jetzt saß Pakhet in einer Brasserie am Rand der French Quarters. Vor ihr eine breite Tasse schwarzen Kaffees.

    Ihr Flug zurück nach Südafrika würde am Abend gehen. Sie würde nach New York fliegen und von dort aus nach Joburg. Wahrscheinlich würde sie von Joburg aus mit einem Transportflieger nach Kapstadt zurück. Abwarten. So oder so würde sie in Joburg übernachten, sich nach all dem Scheiß hier vielleicht etwas amüsieren.

    Für sie war es verhältnismäßig glimpflich ausgegangen. Ein großer blauer Fleck zierte ihr Kinn, ihr Hals sah aus, als hätte eine Raubkatze versucht, sie ihr auszureißen, doch keine der Wunden war tief. Außerdem bedeckten einige große, blaue Flecken ihren Oberkörper. Ihre Weste hatte sowohl Stiche abgefangen, als auch gebrochene Rippen verhindert, hatte aber nicht sämtliche Schläge abfangen können.

    Es war egal. Sie war schmerzen gewohnt. Ja, sie hatte schlimmeres erlebt.

    Da. Skyla betrat das Lokal. Ihr Haar hing offen über die Schultern, die heute mit einem schwarzen Pulli bedeckt waren. Der Pullover hatte einen Rollkragen, um ihren Hals zu verdecken. Der obere Rand eines Pflasters war dennoch zu sehen.

    Kurz ließ sie ihren Blick über die Leute in der Brasserie wandern, ehe sie Pakhet entdeckte.

    Sie lächelte, ging zu ihr hinüber. Sie setzte sich zu ihr. „Hi.“

    „Hi.“ Pakhet war nicht sicher, wie sie reden sollte. Sie redete selten mit Kollegen über etwas anderes als den Job. Eine Frage schien angemessen. „Wie geht es dir?“

    „Nichts was ein wenig Magie nicht heilen kann.“ Sie schüttelte den Kopf. „Zum Glück.“

    Um einer Antwort zu entgehen hob Pakhet den Kaffeebecher an den Mund, trank.

    „Du warst nicht bei einem Heiler?“, fragte Skyla. Ihr Blick war an Pakhets Kinn hängen geblieben.

    „Nein. Nicht hier.“ In Südafrika gab es Heiler, die sie kannte. Dort würde sie sich wohler fühlen.

    Skyla nickte. „Ich wollte mich bedanken.“

    Nun setzt Pakhet den Kaffeebecher ab und sah sie an. „Wofür?“

    „Du hättest mich da drin zurücklassen können.“

    „Ja. Aber es war mein Job den Vampir zu erledigen. Selbst wenn der Vampir eigentlich keiner war.“ Nicht, dass es die Behörden interessiert hätte. Deren Wissen über diese Details war kaum vorhanden. Am Ende war Derrick für sie nur ein anderer Vampir, wenngleich einer Art, die sie nicht kannten, gewesen. Wirklich falsch war es wahrscheinlich nicht, zumal diejenigen seiner Handlanger, die überlebt hatten, seit seinem Tod sich verwirrt und inkohärent gezeigt hatten. Alles sprach für eine Art Glamour, der über ihnen gelegen war.

    Skyla musterte sie für zwei, drei Sekunden. „Ja, wahrscheinlich.“

    „Du hast Derrick ausgeschaltet, während er versucht hat, deine Kehle durchzuschneiden. Das war beeindruckend.“

    Ein Lächeln huschte über das sommersprossige Gesicht. „Meine Talente sind einseitig, aber dahingehend zumindest ausgeprägt.“ Sie senkte den Blick. Ihre Wangen glühten.

    Wie alt war sie eigentlich?

    Eine Kellnerin kam zu ihnen hinüber. „Kann ich Ihnen noch etwas bringen?“, fragte sie Skyla.

    „Ja. Sicher. Ich hätte gerne einen Latte Macchiato. Und …“ Sie sah zur Theke, an der einige Kuchen ausstanden. „Bringen Sie uns doch zwei Stücke von der Mandeltorte.“

    „Sicher.“ Die Kellnerin machte eine Notiz. „Bei Ihnen noch etwas?“, fragte sie dann Pakhet, die nur den Kopf schüttelte.

    Nachdem die Kellnerin gegangen war, seufzte sie. „Ich weiß die Geste zu schätzen, aber ich esse generell wenig Süßes.“

    Skyla lächelte. „Probier es zumindest.“

    Pakhet verkniff sich ein Schulterzucken. „Okay.“

    Damit schien Skyla zufrieden. Für eine Weile schwieg sie, sah aus dem Fenster.

    Draußen regnete es. Der Regen hämmerte in dicken Tropfen gegen die Glasfassade der Brasserie, vor der sie saßen.

    Schließlich gab sich Pakhet einen Ruck. „Was da passiert ist, war meine Schuld. Ich hätte auf dich aufpassen sollen. Aber ich habe mich selbst in eine Falle locken lassen. Das tut mir leid.“

    Skyla zuckte mit den Schultern. „Früher oder später sollte das passieren. Es war halt so. Wir sind rausgekommen.“

    „Ich frage mich nur, wo der Alte abgeblieben ist“, meinte Pakhet. Denn unter den Typen, die die Polizei später festgenommen hatte, war der alte Mann, der Skyla zuerst in den Kerker gebracht und sich nicht hatte provozieren lassen, nicht gewesen. Eine Sache, die Pakhet noch immer beunruhigte. Sie hatte schon so genug Feinde, zumal sie nicht sicher sein konnte, was er gewesen war.

    „Hoffen wir, er war genau so kontrolliert …“ Skyla seufzte.

    Bevor sie das Gespräch fortsetzen konnten, kehrte die Kellnerin mit zwei Tellern und einem hohen Glas für Skyla zurück. Sie stellte alles ab, lächelte dann von der einen zur anderen. „Gibt es sonst noch etwas, das ich Ihnen bringen kann?“

    Pakhet schüttelte den Kopf. „Nein. Vielen Dank.“

    Skyla nahm ihr Glas, nippte daran. „Du arbeitest von Südafrika aus?“

    „Ja.“ Pakhet nickte. Sie beäugte den Kuchen misstrauisch. Ihre Worte von zuvor waren keine Lüge gewesen. Sie mochte nichts Süßes.

    „Dein Dialekt ist aber Amerikanisch“, meinte Skyla und brachte sie damit ironischerweise auf das Thema zurück, auf das Derrick sie vorher angesprochen hatte.

    „Ja. Meine Eltern waren Amerikaner“, erwiderte Pakhet. Mehr musste Skyla nicht wissen. Mehr musste niemand über sie wissen.

    „Verstehe.“ Skyla zog den Teller mit dem Kuchen näher an sich heran. „Und du arbeitest immer allein?“

    „Nun, selten allein. Aber halt … Mit Gelegenheitspartnern.“ Was auch immer es interessierte.

    Skyla lächelte sie an, doch eine Spur von Mitleid lag in ihren Augen. Mit einer Gabel trennte sie ein Stück des Kuchens ab und schob es sich in den Mund, schluckte, ehe sie sprach: „Vielleicht solltest du darüber nachdenken, mit einem Team zu arbeiten. Fest. Ich könnte jemanden wie dich gebrauchen, der mir den Rücken freihalten kann.“

    Pakhet seufzte. „Ich komme so schnell aus Südafrika nicht weg.“ Schon gar nicht in die USA. Sie wäre tot, würde sie sich von Michael trennen und hierher ziehen. „Und … Nun, ich denke nicht, dass ich eine gute Performance abgegeben habe. Oder endest du normalerweise in Gefangenschaft von deinem Target?“

    „Nein“, erwiderte Skyla. „Aber andere, die darin landen kommen ohne SWAT-Team nicht heraus.“

    Pakhet schüttelte den Kopf. „Nein. Ich … Ich gehöre nach Südafrika. Und ich arbeite meistens besser allein.“

    Skyla seufzte. „Verstehe.“ Sie trennte ein weiteres Stück Kuchen ab, um es zu essen, hielt dann inne. Sie lächelte amüsiert. „Der Kuchen ist nicht vergiftet, weißt du?“

    Pakhet verzog die Lippen zu einem kurzen Grinsen, ehe sie ihre Gabel nahm. Vorsichtig trennte auch sie ein kleines Stück ab und schob es sich in den Mund.

    „Und?“ Skyla hob eine Augenbraue.

    Mit einem Schulterzucken nahm Pakhet ein weiteres Stück. „Weniger süß, als erwartet.“

  • Ich mag den Schluss, da man ihn auch doppelt deuten kann, auch wenn ich mir nicht 100% sicher bin auf wen genau.

    Der Odinskult hatte Potenzial, wirkte bisher aber etwas unprofessionell, bis auf die Frau am Schluss und deshalb denke ich, dass es später nochmal in irgendeiner Form aufkommen wird.

    Die Stärken sind definitiv die Charaktere und der Plot. Aber die schwäche liegt im Antagonist, der doch etwas klischeehaft war und bisher nicht viel tiefe gezeigt hat.