Vote
Arrr, me Mateys, es ist so weit. Endlich gibt es feucht-fröhliches Seemannsgarn zu lesen! In diesem Thema habt ihr eine bestimmte Anzahl an Punkten zur Verfügung, die ihr den Texten im nächsten Beitrag geben könnt. Achtet jedoch darauf, dass ihr die Punkte, die euch zur Verfügung stehen, komplett ausschöpft. Votes, welche zu wenige oder zu viele Punkte enthalten, können leider nicht gezählt werden. Des Weiteren solltet ihr eure Punkte mindestens auf drei Texte verteilen, eure Wahl ausreichend begründen und natürlich nicht für eure eigenen Texte voten.
Es ist außerdem hilfreich, euch das "How to vote-Topic" anzusehen. Schreibt ihr in dieser Saison besonders viele Votes, habt ihr die Chance auf einen gewaltigen Schatz voller Golddublonen Medaillen. Weitere Informationen findet ihr hier: Informationen und Regeln zu den Wettbewerben.
Zitat von AufgabenstellungDer Captain geht mit seinem Schiff unter, und darum ist es wohl nur passend, wenn sich mein letzter Wettbewerb um die freisten Freibeuter der sieben Weltmeere dreht. Wofür stehen Piraten? Für Seeräuberei, Brandschatzungen, Plündereien, Schatzsuchen, oder wollen sie einfach nur frei sein und Rum saufen? In diesem Wettbewerb ist es eure Aufgabe, eine kurze Erzählung zum Thema Piraten zu schreiben. Dabei gilt nicht nur die klassische Variante, wie man sie aus Geschichten und Filmen kennt - moderne Piraterie ist ein weit gefasster Begriff. Tobt euch aus. Ein Pokémonbezug ist nicht verpflichtend.
Ihr könnt 5 Punkte verteilen, maximal 3 an eine Abgabe.
ZitatID:
AX:
AX:
AX:
Schreibt in die Schablone bitte ausschließlich die Zahlen eurer ID und der Punkte ohne zusätzliche Begriffe. Achtet dabei darauf, bei der Schablone zwischen Doppelpunkt und ID/Punktzahl ein Leerzeichen zu machen, damit die Auswertung über den Voterechner ohne Probleme erfolgen kann. Wenn ihr nicht wissen solltet, wie ihr eure ID herausfindet, könnt ihr dies unter anderem hier nachlesen.
Der Vote läuft bis Sonntag, den 1.10.2017, um 23:59 Uhr.
Star Trek
„Captain, bitte behalten Sie den Kurs bei! Ich bin mir ganz sicher, dass es hier in der Nähe war!“ Die junge Frau stand vor Captain Kirk und sah ihn flehend an.
„Es tut mir leid, Lieutenant Chase“, erwiderte dieser, „aber wir sind schon zu lange von unserem eigentlichen Kurs abgekommen. Wir müssen in zehn Stunden auf Zentaurus VI sein, um mit den Einwohnern über die Nutzungsrechte ihrer Rohstoffe zu verhandeln. Wir haben keine Zeit für persönliche Angelegenheiten.“
„Aber Captain, wir schaffen es doch sicher rechtzeitig“, versuchte Chase es weiter. „Ich muss wissen, was es war, das mein Schiff damals attackiert hat. Bestimmt treibt es sich immer noch in diesem Sektor herum.“
„Lieutenant, es geht nicht“, beteuerte Kirk erneut. Die Frau sah ihn enttäuscht an.
„Captain, wir empfangen einen Notruf“, wurden die beiden plötzlich von Uhura unterbrochen. „Er ist sehr schwach, aber er kommt eindeutig aus der Richtung, in die wir gerade steuern.“
Kirk sah die junge Frau an, die noch immer vor ihm stand, und seufzte. „Also gut, dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig.“
„Captain, sehen Sie doch!“, sagte Sulu und sah auf den großen Bildschirm. „Da ist ein Raumschiff. Vermutlich ging von ihm der Notruf aus.“
„Das vermute ich ebenfalls, Captain“, sagte Spock. „Es ist ein Föderationsschiff der Constitution-Klasse. Aber es bewegt sich nicht aus eigenem Antrieb, es treibt. Möglicherweise war es in ein Gefecht verwickelt.“
„Können Sie erkennen, ob sich noch eine Crew an Bord befindet?“, fragte der Captain.
„In der Tat, Sir“, antwortete Spock. „Es befinden sich etwa fünfzig Humanoiden auf dem Schiff.“
Der Captain sah sich das Schiff nun genauer an. Auf einmal traf es ihn wie ein Blitz. „Ist es etwa möglich, dass das –“
„Ja, das ist sie“, antwortete Lieutenant Chase auf die nicht gestellte Frage. „Das ist die USS Explorer. Das Schiff, auf dem ich vor einem Jahr gedient habe und von dem mir nur knapp die Flucht gelang.“
Der Captain sah die Frau einen Moment lang an, dann wandte er sich an Lieutenant Uhura. „Versuchen Sie, Funkkontakt herzustellen.“
„Sehr wohl, Sir.“
Wenige Momente später war der fremde Captain auf dem Bildschirm zu sehen. Er war ein großer Mann, breit gebaut, er trug einen Vollbart und seine Kleidung wirkte schmuddelig und zerrissen. Ein Tier, das wie ein fremdartiger Papagei aussah, flog im Kreis um ihn herum und landete auf seiner Schulter.
„Ich bin Captain Kirk von der Enterprise“, sagte Kirk. „Wer sind Sie?“
„Man nennt mich Captain Blanford Clayton“, antwortete der Fremde.
„Wie kommen Sie an dieses Schiff?“, fragte Kirk weiter. „Ihrer Uniform nach gehören Sie nicht zur Sternflotte.“
„Aye, da haben Sie recht“, lachte Clayton. „Sagen wir, dieses Schiff wurde mir freundlicherweise von seiner früheren Besatzung übergeben.“
„Was?“, fragte Kirk und sah die junge Frau neben ihm an.
„Das ist eine Lüge“, rief diese. „Er und seine Männer haben sich an Bord gebeamt und unsere Leute überwältigt. Sie haben das Schiff gestohlen!“
„Es handelt sich bei ihnen anscheinend um so etwas wie Piraten“, bemerkte Spock.
„Sulu, fahren Sie sofort alle Schutzschilde hoch, bevor sich einer von ihnen auf die Enterprise beamen kann!“, befahl Kirk.
„Zu spät, Captain Kirk“, sagte der fremde Captain. „Unsere Leute haben sich schon auf Ihr Schiff gebeamt, während wir diese nette Unterhaltung führten.“
„Captain!“, sagte Uhura bestürzt. „Eine Meldung aus dem Maschinenraum! Jemand ist ins Schiff eingedrungen und hat einige Männer überwältigt!“
Kirk drückte auf einige Knöpfe, sodass überall im Schiff rote Lichter zu leuchten begannen. „Alarmstufe Rot an alle Decks“, gab er durch. „Wir haben Eindringlinge an Bord. Es ist höchste Vorsicht geboten!“ Dann wandte er sich wieder dem fremden Captain zu. „Was wollen Sie von uns?“
„Wissen Sie, Captain Kirk, die Vorräte dieses Schiffes reichen leider nicht für immer“, sagte dieser. „Wir wollen nur ein paar Kleinigkeiten. Vorräte. Technischen Schnickschnack. Waffen.“
„Das könnt ihr vergessen“, sagte Kirk und unterbrach die Verbindung. In diesem Moment betrat Dr. McCoy die Brücke.
„Jim, was ist hier los?“, fragte er. „Da kamen gerade ein paar bewaffnete Männer in hässlichen Uniformen auf die Krankenstation und haben sich mitsamt meiner medizinischen Ausrüstung wegbeamen lassen.“
„Was?“ Kirk war geschockt. „Sulu, was ist mit den Schutzschilden?“
„Ich habe alles versucht, aber sie werden irgendwie blockiert, Captain“, antwortete dieser.
Kirk gab nun schnell erneut eine Durchsage durch. „Maschinenraum, seien Sie vorsichtig. Rüsten Sie sich mit Phasern aus. Unsere Gäste werden möglicherweise versuchen, Geräte zu stehlen.“
„Zu spät, Sir“, antwortete eine Stimme. „Das ist soeben passiert.“
„Captain, unsere Lebenserhaltungssysteme wurden unterbrochen“, meldete Spock. „Wir haben höchstens vier Stunden, um unsere Ausrüstung zurückzubekommen.“
„Wie können wir das anstellen?“, fragte Kirk und sah Spock an.
„Ich habe leider auch noch keinen Plan“, antwortete dieser.
„Wie sind wir überhaupt hierher gekommen?“, fragte McCoy.
Kirk sah ihn einen Moment lang an. „Lieutenant Chase berichtete von der USS Explorer, die vor einem Jahr hier überfallen worden sei. Dann bekamen wir einen Notruf und jetzt … sitzen wir hier.“
„Captain, vielleicht weiß der Lieutenant mehr, als sie zugibt“, warf Spock ein.
Kirk sah ihn kurz an, dann stand er auf.
„Jim, glaubst du denn wirklich, dass sie uns etwas verschweigen würde?“, fragte McCoy.
„Nein, Pille, aber sie ist aktuell unsere einzige Spur. Oder hast du eine bessere Idee?“ Mit diesen Worten verschwand der Captain von der Brücke.
Etwas verwundert darüber, dass Chase überhaupt so plötzlich verschwunden war, ging Kirk zielstrebig zu ihrer Kabine. Diese erschien ihm als der sinnvollste Ort für einen Rückzug. Einen Moment blieb er draußen stehen, als er merkte, dass sie mit jemandem zu reden schien. „Ja, Blanford“, sagte sie, „du kannst mich gleich zurückholen. Ich will mir nur noch einige Dinge einpacken. Ich gebe dir Bescheid, wenn ich so weit bin.“
Schockiert trat er einen Schritt zurück. Blanford? Das war doch unmöglich! Das hieß doch, dass sie auf der Seite des feindlichen Schiffes stand! Dieser junge, vielversprechende Lieutenant … eine Verräterin? Jetzt war wohl Fingerspitzengefühl verlangt.
Als Kirk sich sicher war, dass das Gespräch zwischen Chase und dem feindlichen Captain beendet war, trat er ein. Die junge Frau sah ihn erschrocken an.
„Lieutenant, Sie scheinen unser Gegenüber bereits zu kennen“, sagte er. Die Frau wurde blass. „Sie waren immerhin anwesend, als die Explorer attackiert wurde.“ Er hielt sie an den Armen fest. „Wissen Sie etwas, was uns in dieser Situation helfen könnte?“
„N-nein, Captain“, stotterte sie. „Ich bin damals ja sofort in einem Shuttle geflohen.“
„Wenn Sie irgendetwas wissen, dann sagen Sie es bitte“, sagte Kirk und hielt sie fester. „Der kleinste Hinweis könnte uns das Leben retten.“
„Captain, ich … ich …“, stotterte sie und sah ihm in die Augen, „ich kann nicht.“
Langsam küsste Kirk die Frau.
„Captain, es fühlt sich so falsch an“, sagte sie dann. „Ich … ich …“
„Sie arbeiten mit Captain Clayton zusammen, ist es das?“, fragte Kirk.
„Es tut mir so leid, Captain“, sagte sie. „Ich weiß, was wir tun können. Clayton hat sich zwar unser Schiff genommen, aber er kennt sich nicht sehr gut damit aus.“
„Lieutenant Uhura, stellen Sie erneut Kontakt zur Explorer her“, befahl Kirk. Auf dem großen Bildschirm erschien wieder das Bild von Clayton und seinem Papageien.
„Captain Clayton, wir haben die Geräte, die Ihre Männer gestohlen haben, ferngezündet. In zwei Minuten werden sie mitsamt ihrem Schiff explodieren“, sagte Kirk.
„Ist so etwas überhaupt möglich?“, fragte der feindliche Captain.
„Ja, Blanford, er sagt die Wahrheit“, sagte Chase. „Nachdem die Explorer entführt wurde, wurde das bei allen Schiffen der Föderation zum Sicherheitsstandard.“
Clayton sah Kirk wütend an.
„Beamen Sie alles zurück, was Sie mitgenommen haben“, befahl dieser.
„Aye, Sie haben gewonnen“, brummte Clayton und kam der Aufforderung nach.
„Scotty, im Transporterraum wartet Arbeit auf Sie“, gab Kirk über Funk durch. „Bringen Sie so bald wie möglich den Traktorstrahl zum Laufen, wir haben hier jemanden abzuschleppen.“ Dann wandte er sich an Uhura. „Geben sie einen Notruf raus, Stufe 1. Jemand soll kommen und uns dieses Schiff abnehmen. Jemand mit mehr Zeit als wir sie haben.“
Why is the rum always gone?
Das friedliche Rauschen der stillen See weckte mich auf – anders als an anderen Tagen waren keine pöbelnde Möwen zu hören, die über das gehisste Segel hinweg flogen und den nächstbesten Moment abwarteten, um etwas vom Schiffsdeck zu stehlen, wo meine Mannschaft normalerweise früh am morgen die Kübel und Fässer hinstellte, in denen wir unsere Lebensmittel lagerten. Doch nun war niemand zu sehen – keine Mannschaft und nicht ein Mal die Möwen – nur noch ich alleine, der dort mitten auf den alten Holzbrettern lag und sein Gesicht zur prallen Sonne richtete. Ich war müde, sehr müde, obwohl ich doch gerade erst aufgestanden war.
Meine Lider waren schwer – sie wären zugefallen, hätte ich mir nicht einen starken Willen die ganzen letzten fünfzehn Jahre angeeignet. Ich wurde als Bastard geboren; meinen Vater sah ich kein einziges Mal, denn er verließ Mutter noch vor meiner Geburt. Mutter war jung, als sie mich bekam. Ihre Eltern waren zu diesem Zeitpunkt schon lange tot, gestorben durch Krankheit und Hunger, und andere Verwandte gab es auch nicht mehr. Sie hatte mich. Nur mich. Sie ging nicht arbeiten und hatte kein Geld. Sie klaute, um mich am Leben zu halten. Sie tat alles für mich. Sie liebte mich. Doch ich verstand damals nicht. Ich lief im Alter von zwölf fort – könnte ich die Zeit zurückdrehen, würde ich anders handeln. Danach sah ich sie nie wieder. Manchmal frage ich mich, wie es ihr wohl geht. Ob sie noch lebt. Was aus ihr wurde. Ich war das Einzige, was sie noch hatte und sie war das Einzige, was ich noch hatte. Und nun hatten wie beide nichts mehr. Nur noch uns selbst.
Ich versuchte, aufzustehen. Meine Kraft in meinen Beine war schwach, doch es gelang mir schließlich, mich aufzustützen. Ich streckte mich. Ein sanfter Wind pustete mir in das Gesicht. Und plötzlich war ich nicht mehr müde – nein, ich war hellwach. Ich schaute mich um und musste feststellen, dass kein Land in Sichtweite war. Nur Wasser. Der Himmel war wolkenfrei – ich verlor mich in seinem magischen himmelsblau. Keine Möwen. Auf dem Schiffsdeck war keine Spur von meiner Mannschaft. Nur ich. Ich war allein.
Irgendwann traf ich auf eine Gruppe von Männern. Sie hatten ein Schiff. Ich fragte nach Arbeit und sie nahmen mich auf. Ich war einer von ihnen. Ich hatte Arbeit. Ich bekam Geld. Ich war ein Familienmitglied. Mit den Jahren verwandelte ich mich von einem einfachen Knaben zu einem echten Kameraden. In dieser Zeit kamen Neue dazu, doch es gingen auch viele gute Menschen, bis ich als Letzter von ihnen übrig war. Die Neuen ernannten mich, nachdem der letzte Alte im Alter von Dreißig starb, zu ihrem Anführer. Sie schenkten mir den alten Lederhut meines Vorgängers, doch ich trug ihn nie. Ich wollte dieses Erbe nicht antreten – um Gottes Willen – doch sie akzeptierten kein Nein, sodass ich aufgeben musste und mich fügte.
Nun stand ich dort. Der alte Lederhut lag neben mir. Wieso eigentlich. Ich trug ihn nie. Nicht ein Mal jetzt und auch nicht davor. Ich trug ihn einfach nicht. Ich wollte es nicht. Und doch trug ich ihn immer dabei, obwohl ich ihn nie trug. Wieso nur. Ich setzte meine Suche fort – ich ging zum Ruder und starrte auf die leere Schiffsoberfläche. Was tat ich hier.
Ich war kein besonders guter Anführer. Ich tat nie das, was man von mir verlangte oder besser gesagt verlangt hätte. Ich trug nie den alten Lederhut, hatte noch je beide Augen, Beine und Hände. Ich schickte niemanden über die Planke, denn ich sah immer das Gute im Menschen. Jeder macht schließlic Fehler. Mich begleitete auch nie ein Papagei – das hätte ich nicht ertragen. Ich wollte nicht höher gestellt sein als die Anderen, sondern ein Freund sein. Auch kein Vater, der über seine Kinder wacht. Ich trank mit ihnen zusammen Bier, sang mit ihnen. Wir waren Brüder und keine Plünderer. Und nun waren sie alle fort. Nur noch ich war da. Dort am Ruder und starrte auf das Deck.
Das Segel war gehisst. Wer hat es gehisst. Ich nicht. Vermutlich meine Mannschaft. Gerade dachte ich noch gerade nach, dass es nichts brachte, da kein Wind wehte, als plötzlich eine starke Böe auftauchte. Sie bewegte uns fort.
Wieso ich nun Captain bin. Um meinen Traum zu folgen. Atlantis zu finden. Schätze zu finden und reich zu werden. Meine Mutter erzählte mir früher davon. Das weiß ich noch. Sie sagte zu mir, dass ich eines Tages in die weite Welt hinausgehen würde und einen Schatz finde. Ich versuchte, ihn zu finden, doch ich fand ihn nicht. Ich nahm an, sie meinte den Schatz von Atlantis, doch heute bin ich mir sicher, dass sie damit wohl einen anderen meinte.
Plötzlich wurde das Meer unruhig. Der Himmel wurde dunkel und es wurde windig. Möwen flogen um das Segel. Ich hätte meinen können, sie riefen die Namen meiner Kameraden. Meine Hände krallten sich an das wilde Ruder. Nun hörte ich ihre Namen klar. Was war das für ein Hexenwerk. Das Meer wurde wilder. Der Regen prasselte auf den Holzboden. Es stank nach Schimmel. Ich sah eine Mauer aus dem Meer ragen; gefolgt von einer wunderschönen Stadt. Atlantis? Vom Anblick faziniert achtete ich auf nichts anderes – ich steuerte direkt auf die Stadtmauern zu. Mein Schiff kenterte.
Nun hatte ich den Schatz endlich gefunden.
'Egal', überlegte Karrhen nachdenklich, 'über welchem Meer man dahinsegelt – man fühlt sich klein und schwach, geradezu bedeutungslos.'
Sanft dahin rollende Wellen kräuselten die unstete Oberfläche des Ozeans, der sich um sie herum erstreckte, während ein allgegenwärtiges Rauschen eine kaum hörbare Melodie von Weite und gefährlicher Verheißung summte. Immer wieder brach sich das schräg einfallende Licht auf den Kämmen der unsteten Wellen und ließ die gleiche Stelle von Augenblick zu Augenblick in einem anderen Ton funkeln. Die ständig in Bewegung befindlichen Wipfel schienen ihr lockend zuzuwinken und zum Verweilen einzuladen, doch Karrhen wusste, dass der Schein trog: Nicht umsonst bezahlte man sie für diesen Job, anstatt berittene Boten auszusenden – unter dem undurchdringlich scheinenden Nadel- und Blättermeer des Waldes lauerten Gefahren, von denen man ehrfurchtsvoll flüsternd am sicheren und behaglichen Tisch einer Taverne erzählte.
Der graubraune Greif, der sie über die gewaltige Fläche des Weißenhains trug, schlug etwas kräftiger mit den Schwingen, um ein Luftloch zu umfliegen und wieder eine geeignete Strömung zu finden. Lächelnd tätschelte die Kurierin den Hals ihres ungewöhnlichen Reittieres. Es war zwar entgegen ihrer Überzeugung, ein Nutztier mit einem Namen zu versehen, doch sie hatte das zuverlässige Mischwesen aus Löwe und Adler schon nach kurzer Zeit in ihr Herz geschlossen. Vielleicht würde sie ihre Ansichten doch überdenken.
Zuversichtlich drehte sich das brünette Leichtgewicht leicht im Sattel und überprüfte zum wiederholten mal den festen Sitz der Taschen, die zu beiden Seiten des Greifs festgeschnallt waren.
Sie wusste nicht genau, aus was ihre Lieferung bestand. Es wäre gelogen, zu behaupten, dass sie nicht neugierig gewesen wäre. Doch es gehörte zu ihrem Geschäftscredo, dass das nicht ihre Angelegenheit war, und die Kunden schätzten das. Zumindest nahm sie das an. Gut, es würde wohl niemand etwas ahnen, wenn sie einen kurzen Blick in die Beutel warf, doch sie stand erst am Anfang ihrer geschäftlichen Unternehmungen und war gerade dabei, sich einen Ruf aufzubauen. Warum also ein unnötiges Risiko eingehen?
Karrhen rückte den ledernen, mit geschliffenen Glasscheiben ausgestatteten Sichtschutz zurecht, der sie vor dem bisweilen scharfen Zugwind schützen sollte, und konzentrierte sich wieder voll und ganz auf den Weg, der noch vor ihr lag.
In der Ferne konnte sie bereits die Flanken der Amolleberge erahnen, die wie eine steile Inselgruppe aus dem Grünen Meer herausragten. Dort hinter lag das Ziel ihrer Reise - das Königreich Revlan, in dessen Hauptstadt sie die Eilsendung bringen sollte.
Plötzlich ließ der Greif unter ihr ein heiseres, warnendes Kreischen ertönen und schlug unsicher mit den Flügeln. Karrhen zischte und krallte sich an der Haltestange ihres Sattels fest.
Sie hatte sie auch gesehen.
Von Westen, mit Blut des untergehenden Tages im Rücken, hielten ein paar diffuse Schatten zielsicher auf sie zu.
Die junge Frau fluchte saftig. Sie konnte die Zahl der rasch näher kommenden Gruppe wegen des Gegenlichts nur schwer einschätzen. Der Richtung zufolge, aus der sie kamen, war es jedoch wahrscheinlich, dass es sich um eine der Banden handelte, die Luftkuriere auf dem Weg über das unwegsame Meer aus Grün überfielen und um ihre Beute erleichterten.
„Verdammte Krötensöhne!“, krächzte Karrhen mit wild galoppierendem Herzen. Rasch lehnte sie sich über den Hals ihres Greifs und gab ihm mit den kurzen Lenkstangen das Signal, schneller zu fliegen. Insgeheim verfluche sie ihren Übermut und ihren entsetzlichen Geiz, dass sie alle Warnungen und Ratschläge in den Wind geschlagen hatte.
Sie hoffte, dass ihr erster größerer Auftrag nicht der letzte sein würde.
Liszt zischte triumphierend und schmiegte sich noch enger an den schlanken, wendigen Körper seines Flugwarans. Hitzig glühten seine Wangen vor Aufregung und das Blut rauschte mit atemberaubender Geschwindigkeit in seinen Ohren. Den anderen, laut brüllenden Mitgliedern seiner Mannschaft schien es ähnlich zu gehen: Die erste Beute seit dem letzten Halbmond, und noch dazu allein und schutzlos unterwegs!
Mit einem immer breiter werdenden Grinsen brachten er und seine Kameraden sich in Formation. Die dünnhäutigen, ledrigen Flügel des Reptils zwischen seinen Schenkeln schlugen weich, aber kräftig durch die Luft und brachten ihn dem einsamen Flieger mit schlängelnden Bewegungen immer näher. Geschickt flog Liszt eine Schleife, um sich auf die anderen Seite der Beute zu bringen, während der Rest auf anderen Wegen versuchte, die sie zu umzingeln. Er war mittlerweile nahe genug, um zu erkennen, dass das das vor ihm befindliche Wesen ein Greif war, dem schmalen Körperbau und den ruckartigen, nervösen Bewegungen nach zu Urteilen ein noch junges, unerfahreneres Tier.
Liszt leckte sich mit einem bösen, erwartungsvollen Grinsen die spröden Lippen, als er den wild umherflatternden Zopf des Reiters und die wohlgeformten Rundungen bemerkte.
'Soso, ein Weib', dachte er. 'Das verspricht noch größeres Vergnügen, als ich erwartet hatte ...'
Von wegen Galopp. Die wilde Pferdeherde rannte nun irre und panisch durch ihren Brustkorb und versuchte verzweifelt, ihr knöchernes Gefängnis zu sprengen.
Karrhen bemerkte, wie die bedrohlich aussehenden Gestalten auf ihren fliegenden Echsen sie langsam umkreisten und zu umzingeln begannen. Erstickt keuchte sie auf, als sie aus dem Augenwinkel etwas aufblitzen sah. Hastig schlug sie gegen den gefiederten Hals des Greifen, der die Flügel einklappte und sofort ein paar Meter in die Tiefe fiel. Gerade noch rechtzeitig, um dem geübt geworfenen Handbeil zu entgehen, das auf der anderen Seite sogleich von einem weiteren der laut grölenden Angreifer aufgefangen wurde.
Der Greif breitete erneut die Flügel aus und bremste den Sturz auf einer unsichtbaren Luftströmung ab, doch von unten schraubte sich bereits das nächste Mitglied der Bande empor. Ein lautes Kreischen zerriss die Luft, als das Reptil des Marodeurs die Löwenschwinge hart an der Seite traf.
Karrhens Beine waren zwar fest mit Schnallen am Sattel verschnürt, doch der Stoß hatte ihren Reitgefährten genug aus dem Gleichgewicht gebracht, vielleicht sogar verletzt.
Eher taumelte als flog das Tier über der lebendigen Ebene aus Zweigen und Blättern und schien sich nur noch mit Mühe in der Luft halten zu können.
Ein erstickter Schrei setzte sich in ihrer Kehle fest, die junge Frau konnte sich nur noch wie von Sinnen an den kräftigen Hals des Greifen klammern.
Und zu all den Göttern beten, an die sie nie geglaubt hatte.
Entschlossen kniff Liszt die Augen zusammen, den Blick unbeirrbar auf seine Beute fixiert, die sich nicht einmal großartig wehrte. Schade. Aber vielleicht würde sich die Kleine dafür bei anderer Gelegenheit als feuriger erweisen …
Mit präzisen Pfiffen signalisierte Liszt seinem Waran, den Greif noch einmal zu rammen. Elegant beschrieb das schwarz geschuppte Tier einen gedrehten Bogen, während seine Kameraden das gefiederte und pelzbewehrte Wesen auf andere Weise zu schwächen versuchten.
Mit einem kräftigen Stoß schraubte sich das Reptil erneut empor, der jehe Ruck verursachte ein erregendes Kribbeln in der Magengegend des Lufträubers. Mit einem freudigen Knurren erwartete Liszt den Aufprall.
Karrhen fiel.
Sie wusste nicht, was genau passiert war, doch wo vor einem Moment noch der warme, beruhigende Körper ihres Partners gewesen war, befand sich nur noch der nutzlose Ledersattel zwischen ihren Beinen. Mit lähmendem Schrecken erkannte sie, während die rauschenden Wipfel immer näher kamen, dass sie nichts tun konnte. Tausend Nadeln des Entsetzens stachen in ihren Körper, während die Schwerkraft sie unerbittlich weiter nach unten riss.
Plötzlich streifte irgendetwas ihren Schädel – dann erbarmte sich die Finsternis ihrer.
Die Wolken zogen immer dichter zusammen und es würde nicht mehr lange dauern, bis der Sturm über sie hinwegfegte. Wäre die Lage ein wenig anders, hätten sie den Sturm sogar zu ihrem Vorteil genutzt, doch so wie es gerade aussah, würde es ihnen noch zum Nachteil gereichen.
„Käpt’n!“, schrie ihr erster Offizier gegen den Wind und deutete zurück zum Heck. Der Wind blies stark und sie musste ihren Dreieckshut gut festhalten, damit er nicht in die See flog. Dunkelbraune Strähnen lugten darunter hervor und fielen ihr immer wieder in die Augen. Sie würde, wenn sie das hier überstanden haben, Sam darum bitten, ihre Mähne zu kürzen. Sie nervte sie schon jetzt, obwohl sie kein besonders langes Haar trug.
Mit ihren blau-grünen Augen sah sie zurück und über ihre Mannschaft hinweg. Sie eilten, um Seile und Segel besser zu befestigen, doch unheimlicher war der Klang der Kanonenschüsse im Hintergrund. Männer schrien auf und einige von ihnen deuteten auf die anfliegenden Kugeln.
„Achtung!“, schrie jemand. Die Erschütterung folgte nur wenige Sekunden danach, als die See noch mehr aufgewühlt wurde, als die Kanonenkugel nur knapp neben dem Steuerbord im Meer eintauchte. Knapp vorbei am Rumpf, aber durchgeschüttelt wurden sie trotzdem alle. Shira griff nach dem Steuerrad, einerseits sich festhaltend, andererseits versuchend das Schiff wegzudrehen.
Wenn sie dem Marineschiff nicht entkamen, wäre das hier ihr letztes Abenteuer. Dazu durfte es nicht kommen! Sie war nicht ohne Grund Käpt’n dieser Mannschaft! Frauen an der Spitze sah man nur selten und bei allen Ozeanen, es hatte verflucht viel Anstrengungen gekostet, diese Bastarde auf ihre Seite zu ziehen! Sie würde keineswegs zulassen, ihre Mannschaft zu verlieren, geschweige denn ihr eigenes Leben!
„Marios, übernimm das Steuer“, brüllte sie gegen den Wind an und wartete, dass der Riese zu ihr trat. Er war ein guter Mann, wenn auch sehr temperamentvoll. Man nannte ihn nicht ohne Grund „Streithahn Marios“. Wenn er einmal los legte, dann gab es keine heilen Knochen mehr. Besonders, wenn er sich gemeinsam mit Bruchfaust Cyndric ins Getümmel stürzte. Beide Männer besaßen in etwa die gleiche Körperstatur und -größe und beide waren sie streitlustig. Doch sie besaßen auch ihre Unterschiede, selbst wenn man das kaum glauben wollte.
Mit seinen riesigen Pranken griff Marios nach dem Steuerbord. Er war ein guter Steuermann, weswegen Shira ihm völlig vertraute. Sie selbst eilte ihren anderen Männern zu Hilfe und befestigte eines der Hauptseile am Mast.
„Käpt’n, der Wind dreht“, rief ihr Smutje, der durch das ganze Gerüttel im Schiffsrumpf nach oben gescheucht worden war.
„Dammisch!“, war alles, was sie dazu zu sagen hatte. Wenn der Wind drehte, würde es schwieriger werden dem Marineschiff zu entkommen. Viel schlimmer noch: Sie würden an Fahrt verlieren und eingeholt werden. Was nun? Versuchen weiter zu fliehen oder sich dem scheinbar unausweichlichem Kampf stellen? Sie wusste, dass ihre Männer müde waren und ihr geliebtes Schiff schon einiges abbekommen hatte. Würden sie einen Kampf überleben? Andererseits … Wenn es sich nicht vermeiden ließ, dann sollten sie wenigstens mit einem großen Knall untergehen, aye?
„Hart Steuerbord“, brüllte sie Marios entgegen.
„Was?“ Ihr Smutje und einige andere Männer hinter ihr, schienen darüber entsetzt zu sein. Wenn sie das Schiff wendeten, würden sie dem Feind noch entgegen segeln! Konnten sie sich das leisten?
„Mach schon!“, geiferte Shira den Einwürfen zum Trotz, ihrem Steuermann entgegen. Dieser verzog seine Lippen zu einem grimmigen Lächeln und folgte ihrem Befehl. Wenn sein Käpt’n darauf aus war sich mit der Marine anzulegen, dann würde er der Letzte sein, der was dagegen sagen würde.
„Festhalten!“, brüllte er mit seiner tiefen Stimme und lachte gehässig auf. Auf dem Deck kullerten einige Männer umher. Shiras Smutje verlor dabei den Boden unter den Füßen, denn die Holzplanken waren wegen dem Meer rutschig. Er bekam den Mast nicht mehr zum Greifen und prallte gegen die andere Seite der Reling, wodurch ihm die Luft aus den Lungen gepresst wurde.
„Damian, alles gut?“, wollte Shira wissen, die sich Sorgen um den jungen Piraten machte, und trat auf ihn zu. Er war wie eine Art Bruder für sie in der Zeit geworden, die sie mit all den Bastarden hier verbracht hatte.
„Geht schon, Käpt’n“, stöhnte er und rieb sich über die Rippen. Offenbar hatte er Schmerzen, doch er biss die Zähne zusammen und rappelte sich wieder auf.
„Kanonen bereit machen“, bellte sie weitere Befehle. Da die Kanoniere schon vorhin unter Deck in Stellung gegangen waren, vertrödelten sie keine kostbare Zeit, um schussbereit zu sein.
„Sollen sie nur kommen“, knurrte Shira und blickte über das Meer zur Marine.
Aron der Schlächter, wie er auf dem Meer genannt wurde, verfolgte sie schon seit drei Tagen und drei Nächten. Shira wäre diese Hetzjagd niemals eingegangen, wenn sie nicht wüsste, wie gefährlich Aron war. Dieser Mann besaß nicht ohne Grund seinen Beinamen. Er würde keine Gnade gewähren. Mit keinem einzigen Piraten, besonders mit ihr nicht. Er hasste sie, so wie sie ihn hasste. Sie verbanden seit über zwei Jahren eine Feindschaft, die mit einer kleinen Lappalie in einer alten Schenke begonnen hatte. Während Aron der Meinung war, dass er alles bekommen konnte, was er wollte, demonstrierte Shira ihm, dass bei ihr nichts zu holen war. Es war irrsinnig sich so einem gefährlichen Mann zu widersetzen, doch schon immer war sie anders gewesen. Statt als sittsame kleine Ehefrau hinterm Herdfeuer zu stehen, suchte sie ihre grenzenlose Freiheit auf dem Meer. Nur zu gut erinnerte sie sich noch an die Anfangszeit, als sie eine Mannschaft gesucht hatte, mit der sie segeln konnte. Nicht als Mitglied, sondern als Kapitän eines Schiffes.
„Bereit machen!“, riss sich Shira selbst aus ihren Gedanken und ließ die Kanoniere feuern. Die ersten Schüsse knallten durch die Luft und stoben das Meerwasser auf. Währenddessen nahm der Wind immer mehr zu, so dass es schwieriger wurde sich überhaupt auf den Beinen zu halten.
„Käpt’n, da kommt ein weit’res Schiff!“, rief Cyndric ihr zu, der an einem Seil nach unten rutschte. Bis gerade eben war er im Ausguck gewesen, doch allmählich wurde es da oben zu gefährlich. Außerdem wollte er sich den Spaß nicht entgehen lassen, sollten sie auf Tuchfühlung mit der feindlichen Marine gehen.
„Hast du die Flagge gesehen?“, wollte sie von ihm wissen, als der beinahe zwei Meter große Kerl neben ihr stehen blieb.
„Aye“, antwortete er ihr und grinste breit, so dass sie seine Zahnlücke bewundern konnte.
„Gut.“ Sie selbst musste lächeln, denn sie hatte seinen Blick richtig gedeutet. Sie wusste, welches Schiff da auf sie zu kam und drehte sich deshalb zu ihrer Mannschaft. Ihren Säbel zog sie dabei aus der Scheide und hielt ihn weit nach oben.
„Es ist soweit! Schluss mit der Flucht, Schluss mit der Jagd! Wir werden diesen verdammten Landratten zeigen, was ihnen blüht, wenn sie sich mit UNS anlegen!“ Sie musste gegen den Wind schreien, doch noch lauter war das Getose ihrer Männer, die dem Kampf entgegen fieberten. Egal wie müde sie waren, wie hungrig ihre Mägen knurrten, sie würden kämpfen. Dafür liebte sie jeden einzelnen von ihnen. Es war schwer gewesen, sie auf ihre Seite zu ziehen, doch gerade das und das vergangene Erlebte hatte sie alle zusammen geschweißt.
Weitere Kanonenschüsse waren zu hören. Holz ächzte und zerbrach in Tausende Splitter, die durch die Luft flogen. Die ersten Männer schrien vor Schmerzen auf und Shira wusste, auch Blut floss bereits in die tiefe See.
„Bereit machen zum Entern!“, rief sie, als nur noch wenige Meter zwischen ihrem und Arons Schiff waren. Die ersten Piraten schwangen sich an Seilen über die Reling zu der Marine, die sie willkommen hießen. Schreie wurden lauter, während der Wind um ihre Ohren pfiff. Klingen trafen aufeinander und schnitten tiefe Wunden ins Fleisch des Gegners.
Shira hielt sich selbst nicht zurück. Sie würde Aron entgegen treten müssen, damit dieser Spuk endlich ein Ende fand. Es wurde Zeit, dass der Schlächter selbst zur Schlachtbank geführt wurde. Kein weiterer Pirat sollte durch seine Hand mehr sterben!
Während sie sich auf das andere Marineschiff schwang, kam das dritte Schiff immer näher. Die schwarze Flagge mit dem Totenkopf war ein schlechtes Zeichen für die Hüter des Gesetzes. Für Shira war es die Rettung. Sie hätte sich nicht in den Kampf gestürzt, wenn sie nicht gewusst hätte, dass dort Tyron angesegelt kam. Ein Mann, der noch länger Pirat war als sie, obgleich er nur wenige Jahre älter war. Er war einer der wenigen Außenstehenden, der sie akzeptierte. Als Frau wie auch als Kapt’n einer Piratenmannschaft. Man konnte sagen, dass sie beide unabhängige Verbündete waren. Sie trafen sich hier und dort und segelten dennoch stets mit ihren eigenen Schiffen weiter - getrennt.
Mit einer Drehung wandte sich Shira um und blickte direkt in die stechenden Augen Arons. Es war soweit, der Kampf würde beginnen. Es würde sein Untergang werden, das schwor sie sich und hob die Arme mit dem Säbel und stürzte sich auf ihren Erzfeind.
„STIRB!“
„Ich fürchte, ich verstehe nicht ganz, Captain“, sagte Caleb, während er die Papiere und Karten auf dem Schreibtisch betrachtete. „Was genau bezwecken Sie mit dem Überfall auf diesen kleinen Marinestützpunkt? Dort befindet sich nichts von Wert.“
Lacurrs rote Augen funkelten, während sie fast mitleidig lächelte; es war dieses Lächeln, das Caleb immer ein wenig über sich selbst ärgern ließ. Es bedeutete, dass Lacurr ihm zugetraut hatte, etwas selbst herauszufinden, und dass er dabei versagt hatte. Er biss sich auf die Lippe und hielt dem Blick des Lucario stand.
„Es gibt viele Arten von Schätzen, mein lieber Mr. Richards“, sagte Lacurr. „Manche sind an sich wertvoll, andere hingegen … sind kostbar, weil sie neue Wege eröffnen.“
„Und was für Wege wären das in diesem Fall?“, fragte Caleb, während es ihm nicht ganz gelang, die Aufregung und Neugierde in seiner Stimme zu zügeln. Wenn der blaue Dämon etwas plante und dabei dieses Funkeln in den Augen hatte, konnte man eines lohnenden Ziels sicher sein.
„Wege direkt in eines der wichtigsten Handelszentren der Region“, erwiderte Lacurr. „Was meinen Sie, welche Reichtümer in Oliviana City auf uns warten?“
Caleb war sich für einen Augenblick nicht sicher, ob er sich nicht vielleicht verhört hatte. Oliviana City war sicherlich das, was man ein lohnendes Ziel nennen konnte – tatsächlich überstieg es seine Erwartungen noch – aber einen Angriff darauf zu wagen, war der pure Selbstmord.
„Sie wirken schockiert, Mr. Richards“, bemerkte Lacurr sanft.
„Captain“, sagte Caleb, „Oliviana City ist doch … Ich meine, die vielen Küstengeschütze … Und hinzu kommt noch, dass der neue militärische Befehlshaber dieser Stadt …“
Er brach ab. Der Schlächter aller Piraten, der grausame und erbarmungslose Admiral Denton, hatte vor Kurzem das Kommando über alle Schiffe in der Gegend von Oliviana City übernommen und die Piraten der Umgebung nach und nach regelrecht niedermetzeln lassen. Tatsächlich hatte Caleb den Eindruck, dass Lacurr ihm bislang aus dem Weg gegangen war. Doch alles, was Lacurr tat, war weiter zu lächeln.
„Denton“, sagte sie ruhig, „wird bald seine größte Niederlage erleiden.“
„Ah, Captain Bivar“, sagte Admiral Denton, als die große Frau mit dem kurzen dunklen Haar in sein Büro eintrat. „Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Beförderung.“
„Danke, Admiral. Sie wollten mich sprechen?“
„Sicher“, sagte Denton und wies auf einen Stuhl vor seinem Schreibtisch. „Nehmen Sie Platz.“
Nachdem Bivar sich gesetzt hatte, herrschte für einige Augenblicke Stille. Beide Personen musterten einander, bis Denton das Wort ergriff.
„Es wurden in den letzten Tagen einige küstennahe Dörfer in der Umgebung überfallen. Ich denke, das ist Ihnen bereits zu Ohren gekommen.“
„Ja, Sir.“
„Gut. Und Sie können sich denken, wer dahintersteckt?“
„In Anbetracht des Vorgehens und der – nun, sich zumindest in Grenzen haltenden Verluste an Menschenleben liegt der Schluss nahe, dass es sich um das Werk von Madi Lacurr handelt.“
„Der Meinung bin ich auch. Und wir werden auf diese Bedrohung entsprechend reagieren.“
„Soll heißen, Sir?“
„Sie werden – ebenso wie die anderen Captains – noch heute auslaufen und unsere Präsenz in der Umgebung verstärken. Lacurr ist in der Nähe, und wir werden sie nicht entkommen lassen.“
Bivar runzelte ein wenig die Stirn.
„Sie stimmen mir nicht zu?“, fragte Denton kalt.
„Nun“, begann Bivar langsam. „Sie sagten, die anderen Schiffe werden auch auslaufen; was ist dann mit dem Schutz der Stadt?“
„Der obliegt den neuen Geschützen und meinem Flaggschiff.“
Denton beobachtete Bivar genau. Die Miene des Captains verreit Zweifel, und das ärgerte den Admiral.
„Wissen Sie“, sagte Denton, „Admiral Graves scheint große Stücke auf Sie zu halten. Soweit ich weiß, ist er an Ihrer Beförderung sehr beteiligt gewesen.“
„Möglich“, sagte Bivar ruhig, ohne auf die versteckte Provokation einzugehen.
„Ich möchte Sie aber wissen lassen“, fuhr Denton fort, „dass ich nicht Graves bin. Ich verhandele nicht mit Piraten, ich bringe sie zur Strecke.“
Er lehnte sich etwas vor und starrte Bivar direkt in die Augen.
„Und ich lasse niemals, wirklich niemals, jemanden entkommen.“
Mit einem Seufzen lehnte er sich wieder zurück.
„Ich hoffe, dass sie es da draußen nicht anders handhaben werden, Captain.“
Die Dämmerung war bereits hereingebrochen, als Denton noch an seinem Schreibtisch saß und über einem Bericht brütete, der von einem verheerenden Überfall auf einen kleinen Stützpunkt berichtete. Die Soldaten hatten sich angesichts der überlegenen Gegner bald ergeben, waren entwaffnet und von dem Stützpunkt fortgebracht worden. Währenddessen hatte man den Stützpunkt angezündet, sodass von allem, was dort gewesen war – Waffen, Vorräte, Uniformen – nur Asche übrig geblieben war. Dieser Überfall passte einfach nicht in das Schema von irgendjemandem; der eher sanfte Umgang mit der Besatzung deutete fast wieder auf Lacurr hin, aber es ergab keinen Sinn, dass sie den Stützpunkt vollkommen zerstörte. Eigentlich ergab es nicht einmal Sinn, dass sie ihn überfiel.
Seine Gedanken wurden jäh unterbrochen, als ein Nachrichtenoffizier in sein Büro stürmte. Sogleich wurde Denton zornig. Mehrere Wochen seines strengen Regiments hatten offenbar noch nicht ausgereicht, um seinen Untergebenen das Anklopfen beizubringen.
„Admiral!“, sagte der Offizier und salutierte. „Es ist ein Schiff mit Piratenflagge in einiger Entfernung aufgetaucht. Es sieht so aus, als wäre es Lacurrs Schiff.“
Die Erregung durchfuhr Denton wie ein Blitz. Lacurr war also hierhergekommen! Sofort sprang der Admiral auf.
„Alle Geschütze klarmachen! Und mein Schiff soll so schnell wie möglich bereit zum Auslaufen sein!“
Der Admiral stand an Deck seines Schiffes und starrte mit seinem Fernrohr auf das nahe Meer hinaus, wo sich Lacurrs Schiff näherte. Es schien den Kurs so gesetzt haben, dass es auf die Ostseite des Hafens zusteuerte. Das Schiff des Admirals selbst hatte den Hafen nicht ganz verlassen; wenn Lacurr sich in die Reichweite der Küstengeschütze wagen würde, könnte ihr Schiff von diesen ohne Probleme vernichtet werden. Er hatte die Artillerieoffiziere angewiesen, das Schiff mit einer vollen Salve unter Beschuss zu nehmen, sobald sich die Gelegenheit bot. Jeden Moment …
Das laute Donnern von Kanonen ertönte und Denton erwartete, die Wirkung der Einschläge auf Lacurrs Schiff beobachten zu können, erwartete, Schreie zu hören und die Schiffswand splittern zu sehen. Doch während er Schreie hörte – näher, als er vermutet hätte – setzte das Schiff unbeirrt seinen Kurs fort. Der Admiral senkte hastig das Fernrohr und warf einen Blick auf die östlichen Geschützstellungen. Rauch stieg von ihnen auf.
„Was in Dreiteufelsnamen …“, flüsterte er entgeistert und brach ab, als er wie aus weiter Ferne die Stimme eines Lieutenant rufen hörte: „Admiral, die Kanonen sind beim Abschuss einfach explodiert!“
Sabotage!, schoss es dem Admiral durch den Kopf, auch wenn er nicht wusste, wie das möglich gewesen war. Die Fassungslosigkeit wich blankem Zorn. Schnell brüllte er seine Befehle und sogleich nahm das Schiff Fahrt auf. Er würde Lacurr dafür bestrafen, das schwor er sich. Doch kurz darauf erzitterte sein Schiff unter der Wucht zweier Aufschläge. Nur mit Mühe hielt sich der Admiral auf den Beinen und sah sich hektisch um. Von wo war der Angriff gekommen? Wieder war es der Lieutenant, der die Antwort gab: „Admiral, die Schüsse kamen von zwei der westlichen Geschütze!“
Unmöglich!
Hatte Lacurr etwa … Im Kopf des Admirals fügte sich plötzlich alles wie zu einem großen Gesamtbild zusammen: Der zerstörte kleine Stützpunkt – man hatte nicht feststellen können, dass etwas fehlte, weil das Feuer alles vernichtet zu haben schien … Aber …
Die Uniformen!
Lacurrs Leute mussten es geschafft haben, sich damit Zugang zu den Geschützen zu verschaffen. Die östlichen hatten sie sabotiert und die westlichen übernommen … Nein, zumindest Letzteres war absurd. Sie konnten unmöglich alle übernommen haben, ohne dass es jemandem auffiel ... Und es hatten auch nur zwei gefeuert. Vermutlich hatten die Saboteure die Verwirrung nach den Explosionen genutzt, um die Schüsse abzufeuern … Aber wozu? Damit konnten sie nicht allzu viel Schaden anrichten und seine Leute würden die Saboteure erwischen, wenn sie weiter feuern und nicht direkt wieder fliehen würden …
„Sir!“, schrie der Lieutenant und Denton erstarrte, als ihm einfiel, dass er Lacurrs Schiff völlig vergessen hatte. Er wirbelte herum, doch schon riss es ihn von den Füßen, als eine volle Breitseite das Schiff traf. Sie hatten sich Lacurrs Schiff nicht einmal richtig zugewendet, während das Donnern von Kanonen auch schon alles übertönte und Holzsplitter durch die Luft flogen wie Schrapnelle. Denton richtete sich mühsam auf, ein Sausen und Pfeifen in den Ohren; er wusste nicht einmal mehr wirklich, was um ihn herum überhaupt geschah.
„Feuer … erwidern“, murmelte er schwach.
Ich habe es nicht kommen sehen …
Wie durch einen Schleier sah er das Piratenschiff, sah den Rauch, der von den Mündungen der Kanonen aufstieg, spürte jeden Treffer der Kanonen im eigenen Leib, während der Geruch von Schießpulver die Meeresluft erfüllte und die Schreie der Männer in seinem Kopf widerhallten. Er realisierte dabei noch etwas: Sein Schiff blockierte nun das Schussfeld der übrigen Küstengeschütze; diese würden Lacurr also deutlich weniger Probleme bereiten.
Und dann fiel sein Blick auf diese Gestalt, die kleiner als ein Mensch war und deren Augen selbst auf die Entfernung noch rot zu glühen schienen. Das war also der blaue Dämon, jenes teuflische Pokémon, das es schaffte, die Menschen herumzukommandieren – und zugleich das letzte, was Denton jemals sehen sollte.
Holz ist kalt. Es ist kalt, wenn es vom Tod flüstert, kalt wie der Henker. Kalt wie das Beil.
Oh, ja, ich kenne das Schafott, kann mich nicht erinnern, es jemals nicht gekannt zu haben. Ich habe es angesehen, als Kind. Neugierig, sensationsgierig wie ein Kind, wie Kinder sind. Meine Mutter wollte nicht in die Faszination in meinen Augen sehen. Sie wollte den Schrecken sehen, die Furcht. Aber ich war ein Kind und Kinder kennen keine Furcht. Nicht so wie ich es jetzt tue.
Furcht. Ich dachte, ich hätte sie verloren, auf dem Meer. Ich dachte, die Fluten hätten sie aus mir herausgespült, mich mit einer Salzschicht überzogen, die keine Angst durchdringen könnte. Ja, ich kann es schmecken, kann es hören: das Salz des Meeres in der Luft, den schiefen Gesang der Möwen, so disharmonisch. So herrlich disharmonisch. Wie Er. Wie sein ganzes Sein.
Er tanzt über das Deck, das warme Holz lacht knirschend. Er dreht sich, taumelt zur Reling, streckt den Kopf in den Wind. Ich folge ihm, weil ich seine Leichtigkeit liebe und es mir bisher noch nicht gelungen ist, sie in mich aufzunehmen. Das Schiff teilt das Meer, sein Lachen die Luft.
"Warum lachst du?", frage ich ihn, ernsthaft irritiert und noch neugieriger.
"Landratte", ist seine Antwort. "Landratte."
Das Wasser muss meine Wut wohl spüren, es wirft sich brüllend gegen das Schiff. Die Segel fluchen und lassen sich doch nicht beirren. Sie hangeln nach dem Wind, bezwingen das Meer wie Er meinen Zorn. Die Wut ebbt ab, bis zur nächsten Ebbe, die wir wohl in einer Schänke verbringen werden. Es geht an Land.
Ich vermisse das Meer, betrachte es in der Ferne. Blau in Blau schmiegt es sich an den strahlenden Horizont. Ich beobachte das Auf und Ab der Wellen, solange ich kann. So schön. So unendlich schön. Die Hand auf meiner Schulter: fordernd. Ich wehre mich nicht. Es scheint mir zu mühselig. Ich bereue nichts. Nur, dass ich das Meer nicht mehr sehen kann, als ich nieder knie. Mir bleibt nur die Flut aus Menschen, ihr Tosen in der Luft. Ein Kind in der Menge betrachtet mich mit der Neugierde eines Kindes.
Er lächelt mich an, bevor er mich schultert.
"Du willst ein Pirat sein?" Er lacht sein lautestes Lachen. "Du Landratte?"
"Ich habe mich auf das Schiff geschlichen!" Protestierend schlage ich auf seinen Rücken ein. "Ist das etwa keine Leistung?"
Er hält nicht inne; nicht eine Sekunde. Und doch ...
"Vielleicht", sagt Er. "Vielleicht."
'Vielleicht'. Er hasste dieses Wort und sagte es ständig. 'Vielleicht'. Er hat mich dem Kapitän vorgestellt. Er hat mich zu einem Piraten gemacht, hat mich dem Recht entrissen. Endlich. Ich konnte es nicht allein, konnte nicht aufs Meer hinaus, konnte mich nur beugen – dem Gesetz, der Regierung, dem Status quo. Dabei wollte ich nie viel. Nur böse sein. Meeresgrundtief gierig. Und Er? Er hat mich Bescheidenheit gelehrt, weil ein Pirat – ein in aller Naivität idealisierter Pirat – genau das ist: bescheiden.
Ich senke den Kopf. Nicht vor dem Henker, nicht auf seinen Befehl. Auch nicht vor den braven Bürgern, nicht vor der Welt, nicht vor einem falschen Gott. Ich senke mein Haupt vor dem Meer. Es kann es nicht sehen. Er auch nicht. Er ist fortgegangen, mit den Wellen. Er hat sie rot gefärbt, sie haben ihn angelächelt. Und Er? Er hat mich angelächelt.
"Landratte", hat der Schelm aus seinen bleichen Augen geflüstert. "Landratte."
Landratte. Bis zu seinem letzten Moment hat er mich so genannt. Und bis zu seinem letzten Moment hat er es nicht ernst gemeint. Ich habe die Bewunderung in seinen Augen gesehen, wenn er sie in meinen sah. Die, die mich gefangen nahmen, haben es nicht gesehen. Sie haben mich angespuckt, mich zu Boden geworfen, mich ferngehalten von den Tiefen der See. Weil es nicht das Schauspiel gewesen wäre, das ihr Blutdurst wünscht. Ich kann es ihnen nicht verübeln, ich am Allerwenigsten. Sie sind Piraten, so wie ich. Sie wollen es nur nicht wissen.
Die Menge tobt. Die Menge johlt.
Ich wollte immer ein Pirat sein. Ich habe immer davon geträumt. Und als ich es war, wollte ich noch mehr sein. Ich wollte Er sein. Und jetzt: kaltes Holz unter mir, kaltes Eisen in meinem Nacken. Er ist fort, tanzt mit dem Meer. Doch ich bin hier, ich bin hier, an diesem Ort, an dem alles Leben verschwimmt. Und alles wird anders.
Alles wird wie ...
Wie ein …
Wie ein Traum. Wie mein Traum. Ein Alptraum, pflegte meine Mutter zu sagen. Doch sie irrte. Ein Alptraum ist, wie dieser Traum endet, wie ich ihn beende, als ich den Kopf tiefer senke.
Der Preis meiner Freiheit ist ihr Verlust.
Der Mitnahmedateienpost folgt im Laufe des Tages. Solltet ihr Formatierungsfehler innerhalb der Abgaben finden, zögert nicht, einen Deckaffen über Bord zu schmeißen und es mir zu sagen.
Anmerkung: Die Flaschenpost ist keine echte Abgabe. Ihr braucht sie nicht zu bewerten. Abgaben sind nur die, die mit einer Nummer versehen sind.