Und damit ist der Vote der dritten Runde des Saisonfinales 2017 eröffnet!
Wie bereits in den vergangenen zwei Runden wird dieser nach dem System der beliebten Aktion Map of the Month durchgeführt. Das bedeutet, ihr könnt den jeweiligen Texten zwischen 1 (nicht gut) und 5 (sehr gut) Punkte vergeben. Halbe Punkte (wie 3,5 Punkte) sind ebenfalls möglich. Was bleibt, sind die optionalen Begründungen (für die Vote-Medaillen des Bereichs sind Begründungen allerdings notwendig). Saisonfinalteilnehmer erhalten für ihre Votes einen Votebonus.
Anm.: Votende Teilnehmer müssen ihre Abgabe nicht verraten. Vergebt an alle Abgaben Punkte, wie jeder andere Voter es auch tun muss und bei der Auszählung werden die Punkte, die ihr an eure eigene Abgabe vergeben habt, nicht gewertet.
Der Vote läuft bis Samstag, den 09.12.2017 19:00 Uhr.
Benutzt bitte diese Schablone zum Voten:
ZitatAlles anzeigenAbgabe 01 - x/5.0
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Abgabe 08 - x/5.0
Abgabe 09 - x/5.0
Zur Erinnerung, die Aufgabenstellung war folgende:
ZitatDie dritte und letzte Runde des Saisonfinales steht im Zeichen der Elemente - ob ihr euch dabei nur einem Element widmet, allen vieren oder sogar über fünf Elemente schreibt, bleibt euch überlassen. Wie die Umfrage ergeben hat, müsst ihr das Thema als epischen Text verarbeiten, also eine kurze Geschichte schreiben.
Euch ist freigestellt, ob eure Abgabe einen Pokémonbezug hat. Beachtet jedoch, dass ihr in einer der drei Runden im Saisonfinale Pokémon eine Rolle spielen müssen.
Als die Erde unter ihren Füßen barst und schwarze Schluchten sich auftaten, als das Meer die Ufer überschwemmte und seine Wellen sich aufbäumten, da wusste Levi, dass das Ende nah war.
Es gab keine Vorwarnung, keine Zeichen. Der Moment, in dem der blaue Himmel über seinem Kopf von einer Armee aus aschegrauen Wolken überrannt wurde, fühlte sich kaum länger an als ein Herzschlag. Die Sonnenstrahlen, die ihn, seinen Meister, seine beiden Gefährten und alle Lebewesen, Menschen und Pokémon, gewärmt und erleuchtet hatten, verschwanden. Schatten jagten über die grüne Ebene, Sturmböen folgten, raubten ihm den Atem und das Gleichgewicht. Für einen kurzen Moment trieb der Wind alle Geräusche vor sich her und die Welt schien taub und blind.
Dann öffneten sich die Himmelstore, und grelle Schlangen zuckten aus den grauen Wolkentürmen über ihnen, als schnappten sie nach Beute. Und mit jedem Knall, der Levi zusammenzucken ließ, fanden sie ein Opfer. Bäume fingen Feuer und ihre Bewohner flohen mit panischen Rufen. Die Pokémon der Ebene jagten durch das Gras, fort vom offenen Tal, wo die Schlangen aus Blitzen sie verschlingen könnten.
„Meister!“, rief Anahi dem Ältesten durch den Sturm entgegen, der ihre Worte fort trug. Das Mädchen bemühte sich, ihre Balance zu halten, doch die Böen zogen und zerrten an ihrem schmalen Körper und den dunklen Haaren, die in wilden Wellen um ihr Gesicht peitschten. Elias kämpfte gegen den Wind, seine breiten Schultern stemmte er gegen den Druck, der auf ihm lastete. Schritt für Schritt trat er näher, ein Felsen abgetragen von den unbarmherzigen Strömen um ihn herum. Levi selbst versuchte seinen Körper zu senken um dem Treiben des Sturms zu entgehen, doch der attackierte ihn von allen Seiten, ein unsichtbarer, allgegenwärtiger Feind.
Nur ihr Meister, groß und alt und weise, stand inmitten der Schatten und des Sturms wie eine Statue aus Marmor. Die lange, weißen Haare wirbelten um sein Haupt, der weiße Stoff seines Gewands wickelte sich um ihn wie Fesseln, doch in den grauen Augen, die hoch in den Himmel sahen, wütete weder Angst noch Wut. Da war nur die ewige Ruhe, wie die ungetrübte Oberfläche eines Sees.
Als Anahi seinen Arm ergriff, verharrte sein Blick für einen kurzen Moment im Himmel. Dann wandte er sich seinen Schülern zu und das Wasser in seinen Augen schien zu klarem Kristall zu erstarren.
„Es ist so weit“, war alles, was er sagte. Es war alles, was er sagen musste. Levi fing die Blicke von Elias und Anahi auf. Sein Herz pochte heftig, als wolle es seine Brust sprengen. Es war so weit.
Sie eilten zum Tempel, so schnell der Sturm es ihnen erlaubte. Ihr Meister ging voran und seine Schüler folgten ohne ein Wort, denn jeder Satz würde ungehört in den Böen vergehen. Als der graue Marmor des Tempels endlich vor ihnen auftauchte, zuckte ein heftiges Beben durch die Erde. Die Welt wackelte, stöhnte und brüllte wie ein Monster, das aus tiefem Schlaf erwacht war. Levis ganzen Körper vibrierte und schwankte, seine Füße rutschten auf dem bebenden Boden hin und her, der ihn zu sich nach unten ziehen wollte. Er sah, dass Elias Knie nachgaben, dann drang Anahis Schrei an seine Ohren. Als sie das Gleichgewicht verlor, stolperte die junge Priesterin gegen Levi und riss sie beide zu Boden, nicht weit von Elias entfernt.
Sein Atem ging stockend und er spürte, wie sein Körper zitterte. Die Welt um ihn herum verging. Levi hatte Angst, unendlich große Angst vor dem, was kommen würde.
Er zwang sich dazu, für einen kurzen Moment die Augen zu schließen. Die Dunkelheit vor seinen Lidern vertrieb die Blitze, das Beben und die Sturmböen. Jetzt war nicht die Zeit für Angst. So viele Menschen vor ihnen hatten sich auf diesen Moment vorbereitet und er war niemals gekommen. Sie trugen nun ihre Wünsche und ihre Pflichten auf den jungen Schultern.
Ein Sturm aus Entschlossenheit jagte die Angst in seinen Gliedern davon, als der junge Priester sich zurück auf seine Beine kämpfte. Rechts von ihm schwankte Elias, links Anahi. Als er ihre Hände ergriff um ihnen den Halt zu geben, den sie alle brauchten, spürte er die Wärme ihrer Leben. Es brauchte nur einen Blick in ihre Gesichter, ein Druck ihrer Hände in seinen, und Levi wusste, dass sie bereit waren.
Hand in Hand eilten sie ihrem Meister hinterher, der bereits im Tempel verschwunden war. Kalte Dunkelheit empfing sie in den heiligen Hallen. Sie sahen Menschen durch die Korridore laufen, die Gesichter verzerrt vor Angst, und die Pokémon des Tempels folgten ihnen, jaulend und kreischend. Die jungen Priester wichen ihnen aus, den Blick fest auf das innere Heiligtum gerichtet.
Im Innersten des Tempels empfing sie der schwache Schimmer zweier Kugeln, eine rot, die andere blau. Sie lagen auf einem Altar inmitten eines Raumes, in dem jede Wand geschmückt war mit alten Reliefs. Das Licht der Kugeln ergoss flackernde Schatten über sie und ließ die seltsamen Figuren auf den Wänden wirken, als würden sie tanzen.
Anahi und Elias lösten sich von ihm, als sie vor den Altar traten, die Augen lagen auf den Edelsteinen. Ihr ganzes Leben lang hatte man ihnen erzählt, wie wichtig die Kugeln seien, doch sie hatten immer nur dagelegen, stumm und dunkel. Jetzt schien die Luft um sie herum zu vibrieren.
Ihr Meister stand hinter dem Alter, den Blick auf das größte Relief im Raum gerichtet. Der blaue Edelstein tauchte die linke Gestalt in wässriges Licht, ein Wesen umgeben von Wellen, mit riesigen Flossen und schimmernden Augen. Der rote Orb erhellte die rechte Gestalt mit feurigem Leuchten, ein Wesen in brennender Lava, mit steinharten Schuppen und flackernden Augen.
Und über ihnen, in ihrer Mitte, ragte eine Schlange aus den Wolken empor, mit Klauen so scharf wie Schwerter.
„Anahi, Elias“, schallte die Stimme des Ältesten durch das Heiligtum, geisterhaftes Echo begleitete sie. „Nehmt die Kugeln.“
Levi sah, dass Anahi für einen kurzen Moment nur zögerte, doch als Elias den roten Edelstein vor ihm ergriff, umfassten ihre Hände den blauen und zogen ihn an ihre Brust.
Ohne einen weiteren Blick auf sie zu richten, verließ ihr Meister das innerste Heiligtum. Levis Augen ruhten einen kurzen Moment nur auf dem Relief hinter dem Altar, das jetzt wieder in Dunkelheit lag. Als Elias ihn am Arm berührte, drehte er sich um und folgte ihnen hinaus.
Vor den Toren des Tempels erwarteten sie einige Priester, ihre Hände auf die Schnäbel der Schwalboss gelegt, die nervös mit ihren Flügeln schlugen. Die Erde bebte noch immer und bei jedem Krachen unter ihnen versuchten die Vögel zu fliehen, doch die Priester legten ihre Arme um ihren Hals und redeten ihnen mit ihren zitternden Stimmen zu.
Sein Meister saß bereits auf dem Rücken einer der blauen Schwalben, der größten unter diesen besonders mächtigen Exemplaren, und strich ihr mit seinen alten, knochigen Fingern über den Schnabel. Die rote Kugel in der einen Hand schwang sich Elias mit einer flüssigen Bewegung auf den Rücken eines der Vogelpokémon, das sich panisch aufbäumte. Der junge Priester aber versenkte seine freie Hand in das Nackengefieder des Wesens und fand dort Halt. Anahi näherte sich ihrem Vogel etwas vorsichtiger und ließ sich von den anderen Priestern auf seinen Rücken helfen. Sie presste die blaue leuchtende Kugel an ihre Brust wie eine Mutter ihr Kind.
Levi eilte zum letzten freien Schwalboss und strich ihm über den Kopf mit dem blauen Gefieder. Es wehrte sich nicht, als er sein Bein über dessen Rücken schwang. Die übrigen Priester wichen zurück und mit krächzenden Rufen breiteten die Pokémon ihre Flügel aus und hoben ab.
Sie flogen nicht hoch, denn die Blitze über ihnen waren gierig. Ihre Schwalboss waren schnell und wendig, sie wichen Bäumen und Hügeln aus, während die Landschaft neben ihnen vorbeizog wie vage Erinnerungen an einen Traum. Der Sturm und der Zugwind pfiff Levi um die Ohren, er drückte sein Gesicht in das Gefieder des Pokémon, gerade so weit, dass er noch sehen konnte, was vor ihm war. An der Spitze flog ihr Meister und leitete sie tiefer ins Verderben.
Je weiter sie ins Innere des Landes vordrangen, desto stärker brach die Erde auf. Tiefe Spalten zogen sich durch den Boden, trennten den Kontinent und verschlangen alles, was ihnen zu nahe kam. Levi erkannte Schemen von Lebewesen, doch sie waren zu schnell, um genaues auszumachen. Neue Berge ragten aus der Erde, wo ihre Bruchstücke gegeneinander rieben und in den Himmel zu wachsen schienen. Schwarze Adern durchzogen den Boden und aus ihren Tiefen stieg ein rotes Leuchten zu ihnen empor. Hitze waberte aus den Rissen hervor, rote Funken stiegen in die Höhe wie Irrlichter. Er hörte das Zischen und Brodeln von flüssigem Feuer. So musste es in der Hölle aussehen.
Als sie landeten, vernebelte ihnen dichter Rauch und Asche die Sicht. Die Hitze machte es beinahe unmöglich zu atmen. Und direkt unter ihnen, wo der Berg in ein Loch abfiel, da brodelte Lava und die Luft stand in Flammen.
Und inmitten von Hitze und Feuer und Asche stand ein gigantisches Wesen mit steinharten, roten Schuppen. Lava spritzte an ihm empor, wann immer sein mächtiger Schwanz auf die Oberfläche traf. Als es das Maul mit den Klingenzähnen öffnete und brüllte, zitterte die Welt um es herum.
„Elias“, wandte sich ihr Meister dem jungen Priester zu. Elias warf einen düsteren Blick herunter auf das gigantische Wesen. Er umschlang die Kugel in seinen Armen.
Elias wandte sich vom Inneren des Vulkans ab und Levi und Anahi zu. Seine Augen brannten so hell wie das Feuer unter ihnen und Wut flammte darin. Während Levi und Anahi immer schon stolz auf ihre Rolle gewesen waren, loderte Hass in Elias‘ Herzen. Hass gegenüber seinen Eltern, die ihn in die Obhut des Tempels gegeben hatten. Hass auf die Priester, die sie lehrten, dass ihr Leben der Menschheit diente. Hass auf das Wesen, das dort unten auf ihn wartete, auf die Kugel in seinen Armen.
Und trotzdem… Elias zwang sich zu einem Lächeln.
„Passt auf euch auf“, stieß er aus. Und dann, ohne sich noch einmal umzudrehen, folgte er einem kleinen, steinigen Pfad in die Tiefe.
Sie konnten nicht bleiben und auf ihn warten. Also hoben sie erneut ab und ließen Elias zurück. Die Priester wandten sich dem Osten zu, wo in weiter Ferne das Meer auf sie wartete.
Doch lange bevor sie das Ufer sehen konnten, empfing sie der Regen. Der heftige Schauer drückte sie tiefer zum Boden, die Tropfen fielen so schnell und heftig, dass sie sich anfühlten wie Hagel. Levi konnte nichts hören, nichts sehen und nichts fühlen außer Kälte und Nässe.
Levi versuchte sich am Boden unter ihnen zu orientieren, aber es hatte keinen Zweck. Wasser verschlang die Erde, die Bäume und die Häuser, wirbelte Mensch und Pokémon hin und her und zog sie in seine dunkle Tiefe. Das schwarze Meer, dessen Wellen in den Himmel wuchsen, tobte wild und unbarmherzig, ein Monster das stetig anschwoll, bis es sich die gesamte Welt einverleibte.
Inmitten dieses Ungeheuers ragte ein Kreis aus Felsen hervor. Und in diesem Kreis, im Wasser schwebend, wütete ein Wesen mit Flossen so groß wie der Tempel. Weißes und rotes Licht drang durch die Wellen und erleuchtete den hellen Stein um es herum. Ein grelles Kreischen schallte durch die Welt.
„Anahi!“, schrie ihr Meister durch den Regen.
Levi sah zu der jungen Priesterin herüber. Der Regen lief ihr in Strömen über das Gesicht wie Tränen und ihr Blick haftete auf dem monströsen Wesen unter ihnen. Er sah, wie sie schluckte. Sah, wie ihre Finger sich um den blauen Edelstein in ihren Händen krallten. Die Angst in ihren Augen war deutlich. Sie hatte schon immer Angst gehabt, dass dieser Tag kommen würde. Während Elias und Levi sich sicher waren, dass sie in Frieden leben würden, wie so viele Priester vor ihnen, hatte in ihr immerzu eine düstere Vorahnung gelebt.
Anahi schloss für einen Moment die Augen. Dann, mit einem schwachen Lächeln, jagte sie auf ihrem Schwalboss hinab in die Tiefe, bis der dichte Regen sie verschlang. Levi tauschte einen Blick mit seinem Meister. Mit Anahi und dem Monster in ihrem Rücken flogen sie davon.
Inmitten des Meeres, auf einer kleinen Insel, die verschont wurde von Flut und Erdbeben, stand ihr letztes Ziel. Hoch in den Himmel hinein wuchs ein alter Turm aus massivem Stein.
„Levi!“, rief sein Meister ihm zu und deutete auf die Spitze des Bauwerks. Levi zögerte. Nun, wo Elias und Anahi nicht mehr an seiner Seite waren, und er nicht wusste, ob sie es jemals wieder sein würden, verließ ihn der Mut.
Das hier war es, auf das er sein Leben lang vorbereitet wurde. Und während Elias und Anahi, die Menschen, die ihm so nah waren wie sonst niemand, bereit waren, ihr Leben zu geben, zögerte er.
Levi sah sich nach seinem Meister um, doch der antwortete seinem stummen Ruf nach Hilfe nur mit einem Blick. Ein Blick so klar wie eine Quelle.
Es gab nichts, was er Levi jetzt sagen könnte. Er wusste, was er tun musste.
Die Finger fest im Gefieder seines Schwalboss‘ vergraben, trieb der junge Priester es in Richtung der Wolken.
Blitze zischten und Donner grollte, die Wolkentürme aus massivem Grau lauerten über seinem Kopf. Der Sturm um ihn herum zerrte an seinem Körper, aber sie stiegen immer weiter empor. Elektrizität füllte die Luft, brachte seine Haut zum Prickeln. Sein Herzschlag ertränkte jeden Gedanken. Höher, immer höher. Bis sie irgendwann die Spitze erreichten.
Und dort, so nah an den Wolken, dass er sie berühren könnte, sprang Levi ab und landete unsanft auf dem steinernen Boden. Die Spitze des Himmelturms war gesäumt mit Säulen, in deren Mitte ein massiver, grober Altar stand.
Levi bewegte sich vorwärts. Als seine Finger über den steinernen Altar vor ihm fuhren, drang dessen Kälte in seinen Körper ein. Er schloss die Augen und sank auf die Knie, die Arme vor der Brust gefaltet.
Levis Kopf füllte sich mit Bildern dieser Welt, mit den Fluten und der aufgebrochenen Erde, mit Anahi und Elias, mit den Monstern, die zum Leben erwacht waren. Mehr und mehr Bilder erschienen vor seinen Augen. Mit jeder Sekunde verging diese Welt ein Stück weiter. Menschen und Pokémon starben. Er sammelte all ihre Angst.
Und dann sandte er seine Gedanken in den Himmel.
Eine unendlich lange Zeit geschah nichts. Levis Augen blieben fest verschlossen. Er wagte es nicht, sie zu öffnen. Beten. Er musste beten. Bis sein Flehen erhört wurde. Das war seine Aufgabe. Während Anahi und Elias die Monster besänftigten und ihnen Zeit kauften, musste er ein weiteres beschwören. Aber nichts geschah. Hatte er einen Fehler gemacht? Nein, alles war so, wie es sein müsste, und dennoch-
Da spürte Levi, wie die Haare auf seinen Armen sich aufstellten. Der Geruch von Feuer füllte seine Nase, dann von Regen, dann von Wolken. Das Grollen über ihm schwoll an. Als er seine Augen öffnete, trieb das graue Meer auseinander. Gleißendes Licht regnete auf den Himmelturm herab und blendete ihn.
Und dann, als seine Augen sich endlich an das Licht gewöhnten, da erkannte er eine gigantische Silhouette, eine Schlange, die aus dem Himmel zu ihm herunter ragte.
Levi öffnete seine Arme und bot sich ihm dar. Dem Himmelsdrachen, der die Welt retten würde.
Die Schritte hallten von den Wänden wider, als er durch den Raum schritt. Es war der perfekte Ort für sein Vorhaben.
Ein kleines Lagerhaus, ein Überbleibsel der Fabrik, die einst auf diesem – nun verwilderten – Gelände gestanden hatte. Hinter dem Gebäude begann der Wald, in dem man nach wenigen Schritten auf totes, trockenes Holz traf.
Er hatte es zu einem großen Haufen zusammengetragen, der jetzt exakt in der Mitte des Raumes stand. Einen Kanister Benzin hatte er mitgebracht, er sollte als Brandbeschleuniger dienen, um sein Werk in der größtmöglichen Pracht darzustellen.
Er blickte hoch zu den Fenstern. Die meisten hatte er in den Tagen zuvor mit einem Stein eingeworfen. Sein Feuer brauchte Hilfe von den anderen Elementen: Das Holz der Erde diente ihm als Brennstoff, der Sauerstoff der Luft half zu atmen. Lediglich das Wasser war unerwünscht und es schien, als hätte es diesen Ort schon länger nicht mehr besucht.
Er nickte zufrieden, alles war sorgsam geplant.
Der Haufen vor ihm wirkte nur scheinbar chaotisch. Tatsächlich aber hatte er überall Lücken, Luftlöcher, die dafür sorgen sollten, dass die Luft überall zeitgleich hindurchsausen konnte und all das Holz zeitgleich entzünden.
Er schraubte den Deckel seines Kanisters ab und verteilte große Teile des Inhalts auf dem Holz. Der herrliche Geruch ließ sein Herz höherschlagen und seine Nackenhaare stellten sich in freudiger Erregung auf das kommende Spektakel auf.
Dann zog er die letzte Zutat hervor: Eine Schachtel Streichhölzer.
Er bevorzugte sie den klassischen Feuerzeugen gegenüber, da er nur so die Geburt der Flamme direkt miterleben konnte.
Ein kleiner Funken entstand, als er den Kopf eines Holzes an der Reibefläche entlang riss.
Es war, als würde sich die Flamme in der neuen Welt erst umsehen. Sie zuckte mal nach links und mal nach rechts, während sie ganz langsam an ihrem Hölzchen entlangwanderte.
„Gleich bist du frei“, sagte er und es schien ich, als würde das Feuerchen kurz höher lodern, ebenso von Vorfreude erfüllt, wie sein Schöpfer.
Behutsam trat er an den Holzhaufen heran und achtete darauf das zarte Flämmchen nicht vorzeitig zu töten. Aus einiger Höhe ließ er es fallen: Der magische Augenblick.
Doch ihm blieb nicht viel Zeit, ihn zu genießen, denn sofort drehte er sich um und machte einen großen Satz durch den Raum.
So sehr er das Feuer liebte, so ehr respektierte er auch dessen Kraft und in dem Moment der Stichflamme sollte man ihm besser nicht zu nah kommen.
Er spürte die Hitzewelle auf der Haut und der ganze Raum erstrahlte in einem hellen Licht.
Als er sich umdrehte standen überall auf dem Haufen die Flammen und schnell sprangen sie von dem Benzin auf das Holz über.
Knisternd und knackend bedankten sie sich für das neue Futter und gierig leckten sie es ab.
„Gern geschehen“, flüsterte er, während er fasziniert in das grelle Leuchten starrte.
Von einem auf den anderen Moment hatte sich die triste Lagerhalle in etwas gänzlich anderes verwandelt.
Schatten tanzten über die Wände und lobpriesen die Macht des Feuers. In solchen Momenten fühlte er sich selbst so mächtig wie sein Werk selbst. Er hatte er erschaffen, er ganz allein! Wie geplant funktionierten die Fenster als Rauchabzug und versorgten das Feuer zeitgleich mit frischem Sauerstoff, damit es atmen konnte.
Es war so lebendig wie er und er fühlte sich so lebendig, wie das Feuer.
Die Flammen züngelten hoch und als die Hitze solche Höhen erreichte, dass selbst er es nicht mehr aushielt, verließ er das Gebäude, kehrt ihm den Rücken zu und verschwand in der Nacht.
Als der Dachstuhl Feuer fing und erst recht, als der erste Löschtrupp eintraf, hatte er das Land schon längt verlassen. Auf der Suche nach einem neuen Ort für seine Kunst. Denn nur dann fühlte er sich wie ein Lebewesen: Wenn er anderen Lebewesen erschuf und ihnen Zerstörung befahl.
21.05.957 n.G.S.
Heute ist es mir seit Monaten zum ersten Mal erneut gelungen, mehrere Atome zu fusionieren und ein neues Element herzustellen. Element #379: In den meisten seiner Eigenschaften Gold sehr ähnlich, jedoch weitaus leichter verformbar und aufgrund seiner Atommasse etwa fünfmal so schwer. Leider ist es seit der neuen Regelung vom 9.2. nicht mehr möglich, neu erschaffenen Elementen einen Namen zu geben; zu gern hätte ich dieses neue Gold nach meiner geliebten Frau benannt. Selbst, wenn dieses Wort kein Gewicht hat und wenn niemand dies je lesen wird, sei an dieser Stelle festgehalten, dass Element #379 Christinium heißt.
29.05.957 n.G.S.
Es ist unglaublich, ich muss eine Glückssträhne haben. Erneut gelang es mir, ein unentdecktes Element zu erschaffen. Es geschah fast durch Zufall, als ich versuchte, mehr des Elements Christinium zu synthetisieren und seine Wechselwirkungen mit „echtem“ Gold zu untersuchen. Es entstand ein neues Element, #458. Seine Eigenschaften sind sehr überraschend, denn es scheint neben Brom, Quecksilber und Ruvinium eines jener Elemente zu sein, die unter Normbedingungen flüssig sind; doch selbst das ist nicht alles. Seine Eigenschaften sind denen von Wasser verblüffend ähnlich, nein, sie gleichen jenen sogar. Gefrierpunkt und Siedepunkt, elektrische Leitfähigkeit und Dichte – es scheint geradezu unmöglich. Morgen möchte ich versuchen, an einige Spatzenmäuse zu gelangen, um an ihnen zu testen, ob dieses „Wasser“ auch trinkbar ist.
03.06.957 n.G.S.
Es ist unfassbar. Seit drei Tagen trinken die Tiere nichts als das von mir synthetisierte „Wasser“ und es zeigt sich keinerlei Veränderung an ihren körperlichen Eigenschaften. Sie leben, sie sind gesund und so aufgeweckt wie üblich. Ich überlege, in einigen Tagen auch einen Versuch am Menschen durchzuführen.
15.06.957 n.G.S.
Meine geliebte Christine war außer sich vor Wut, als ich ihr gestand, dass ich unser Wasser seit etwa einer Woche durch ein neu entdecktes Element ersetzt hatte. Dabei konnte ich zwei äußerst interessante Beobachtungen machen: Erstens fiel ihr die Veränderung nicht auf, was bedeuten muss, dass dieses neue „Wasser“ für Menschen genauso verträglich sein dürfte wie herkömmliches Wasser. Zweitens begann die Flüssigkeit in ihrem Becher, den sie während unseres Gesprächs in der Hand hielt, bei ihrem Wutausbruch unvermittelt zu sieden. Anscheinend zeigt dieses Element eine gewisse Reaktion auf menschliche Emotionen; was genau es damit auf sich hat, muss noch weiter erforscht werden.
30.06.957 n.G.S.
Meine Fusionskammer ist kaputt, zerstört von einem neuen Element. Als ich damit experimentierte, dachte ich zuerst, sie würde brennen, doch die Messgeräte zeigten keine größeren Auffälligkeiten an und es waren keine Spuren der Verwüstung zu erkennen. Im Inneren sah ich eine Flamme, doch sie schien komplett ruhig zu sein, nichts zu verbrennen und keinen Ursprung zu haben. Ich wurde unruhig, denn es konnte nur bedeuten, dass irgendwo Sauerstoff in die Maschine eingedrungen war und das neue Element gerade verbrannte. Jedoch war es in diesem Falle auch sehr unwahrscheinlich, dass sich die Maschine nicht aus Sicherheitsgründen selbst abgeschaltet hatte. Mit meiner wachsenden Unruhe musste ich zusehen, wie auch die Flamme wuchs. Panisch versuchte ich, die Messergebnisse noch schnell festzuhalten, doch meine Maschine konnte ich dabei nicht mehr retten. Als ich die Ergebnisse später analysierte, musste ich feststellen, dass diese Flamme allen Anscheins nach selbst das neue Element war, welches sich in keinem der drei üblichen Aggregatzustände befand, sondern in Form von Plasma existierte. Sobald die Fusionskammer repariert ist, werde ich das Experiment unter höheren Sicherheitsvorkehrungen wiederholen.
07.07.957 n.G.S.
Auch meiner Frau blieben die merkwürdigen Wechselwirkungen zwischen ihr und dem von mir gewonnenen Wasser nicht verborgen. Heute beobachtete ich, wie sie sich einen Becher einfüllte und es mit Handbewegungen schaffte, das Wasser in der Luft schweben zu lassen. Als ich sie darauf ansprach, sagte sie mir, dass sie selbst nicht wisse, wie genau sie das mache; die Flüssigkeit folge einfach ihren Gedanken. Ich musste an die Ereignisse in meinem Labor von vor einer Woche denken; das „Feuer“-Element hatte sich mit meiner wachsenden Nervosität ausgebreitet. Möglicherweise reagieren die Elemente auf die extrem schwachen elektrischen Signale, die von unserem Gehirn durch unsere Schädeldecke dringen. Dafür müssten sie aber hochsensitiv sein; ich vermute dahinter die hohe Elektronenanzahl.
01.08.957 n.G.S.
Die Fusionskammer ist endlich fertig repariert. Ich habe erneut eine geringe Menge des Elements #474, des „Feuer“-Elements hergestellt. Da ich diesmal ganz ruhig blieb, breitete es sich nicht unkontrolliert aus, dafür konnte ich einige neue Beobachtungen machen: Im Vakuum in der Maschine bleibt das Element stabil und verändert sich nicht, an der Luft jedoch zerfällt es nach wenigen Sekunden, sofern es keinen Brennstoff gibt, der die Flamme weiter nährt. Ich gehe davon aus, dass das Element mit einem Bestandteil der Luft reagiert, wodurch sich die einzelnen Atome in der Luft zerstreuen. Um dies zu überprüfen, sind jedoch noch weitere Experimente erforderlich.
01.08.957 n.G.S., Nachtrag 23:47 Uhr
Als ich heute Nacht aufstand, weil ich auf die Toilette musste, schnipste ich wie aus einem Reflex mit den Fingern und staunte nicht schlecht, als ich auf einmal eine Flamme in der Hand hielt. Als die Flamme als Reaktion auf meinen Schreck plötzlich rapide anwuchs, wusste ich sofort, dass es sich um mein Element handelte, und zwang mich, mich zu beruhigen, worauf die Flamme erlosch. Ich ging in die Küche, um die Verbrennungen, die ich mir zugezogen hatte, mit Wasser zu kühlen. Inzwischen war auch meine Frau aufgewacht und fragte mich, was los sei. Weiterhin wies sie mich darauf hin, dass ich das von mir synthetisierte Wasser benutzte. Ich zeigte ihr die Verbrennungen an meiner noch nassen Hand, doch als sie diese berührte, ließ der Schmerz auf einmal nach. Eine höchst interessante Entdeckung: Die Verbindung zwischen meiner Frau und diesem Wasser scheint tiefer zu gehen als bloße Kontrolle.
13.08.957 n.G.S.
Meine Glückssträhne in der Elementarforschung hält an: Heute konnte ich ein neues Element, #481, synthetisieren. Es ist unter Normbedingungen gasförmig, außerdem ist es farblos. Um zu überprüfen, ob das Gas toxisch ist, leitete ich etwas davon in einen Behälter mit Spatzenmäusen, doch diese zeigten keine Reaktion. Der Gedanke mag naiv wirken, doch ich hegte den Verdacht, erneut ein Element entdeckt zu haben, das in seinen Eigenschaften uns bekannten Stoffen ähnelt, also setzte ich die Tiere in einen Behälter, in dem sich nichts als dieses Gas befand; und tatsächlich, sie zeigten selbst nach einigen Minuten noch keinerlei Anzeichen von Atemnot. Ich überprüfte den Inhalt des Behälters und stellte fest, dass außer diesem Gas nichts darin enthalten war, woraus ich darauf schloss, dass dies eine unerschöpfliche Quelle von Atemluft sein könnte. Das Element musste dieselben Vorgänge im Körper auslösen können wie normale Luft, ohne sich selbst dabei zu verändern.
08.09.957 n.G.S.
Heute wollte ich mir mit meiner geliebten Frau die Mondfinsternis ansehen, doch als diese begann, klagte sie plötzlich über Unwohlsein und Kopfschmerzen. Ich holte ihr schnell ein Wasser und sie versuchte, sich von den Schmerzen abzulenken, indem sie damit herumspielte, allerdings wollte es nicht funktionieren. Als die Finsternis wieder vorbei war und der Mond hell erstrahlte, ging es ihr jedoch schlagartig wieder besser und das Wasser folgte auf einmal ihrem Willen. Ich frage mich, wie dieser Zusammenhang zu erklären ist. Möglicherweise liegt ein ähnliches Prinzip vor wie bei Ebbe und Flut.
15.09.957 n.G.S.
Erneut gelang es mir, ein neues Element herzustellen, #493. Es ist ein Feststoff, ein spröder Klumpen. Fast möchte ich behaupten, er erinnert an Erde. Nach den Entdeckungen der letzten Monate würde es mich kaum noch wundern, trotz dessen, dass all diese Entdeckungen für sich betrachtet höchst verwunderlich sind. In einem ersten Impuls habe ich den Klumpen zerkleinert in einen Blumentopf gegeben und einen Samen hineingesteckt. Wenn hier wirklich etwas wächst, ist das die unglaublichste Entdeckung des Jahrtausends. Ich habe die vier mythologischen Ur-Elemente entdeckt und entgegen allem, was uns die Wissenschaft bisher sagt, handelt es sich dabei tatsächlich um chemische Elemente.
25.09.957 n.G.S.
Zuerst wollte mich meine Frau für verrückt erklären, als ich ihr den Topf überreichte, doch trotz allem nahm sie ihn an und pflegte ihn für mich, und tatsächlich, inzwischen wächst dort eine kleine Blume. Es ist wahrlich unglaublich. Wasser, das man trinken kann, Luft, die man atmen kann, Feuer, das nicht von Sauerstoff genährt werden muss, und jetzt fruchtbare Erde. Nächsten Monat findet ein wissenschaftlicher Kongress statt, dort werde ich meine Entdeckungen auf jeden Fall vorstellen.
31.10.957 n.G.S.
Heute fand der Kongress statt, auf dem ich meine Erkenntnisse vorstellen konnte. Die Kollegen waren erst skeptisch, doch schließlich war jeder einzelne von ihnen begeistert. Es wurde beschlossen, dass diese Elemente noch weiter untersucht werden müssen, doch wenn festgestellt werden kann, dass sie tatsächlich unbedenklich sind, ist geplant, sie auf der ganzen Welt zugänglich zu machen. Es könnte eine Revolution auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien sein!
Begeistert von dem Wissen, das die Menschen vor Jahrhunderten schon besaßen, stellte Charan das alte Buch zurück an seinen Platz. Nun war es an der Zeit, Wan Shi Tongs Bibliothek zu verlassen, bevor der Besitzer ihn fortjagen würde, er hatte ohnehin schon erfahren, was er wissen wollte. Als er durch das Tor trat, spürte er den kühlen, musternden Blick des Eulengeistes in seinem Nacken. Er beschloss, sich den Schauer, der ihm dabei über den Rücken lief, nicht anmerken zu lassen, und richtete seinen Blick geradeaus.
Vor ihm stand der alte Sandsegler seines Großvaters, auf dem bereits drei Männer auf ihn warteten.
„Hast du gefunden, was du gesucht hast?“, fragte einer von ihnen. Charan nickte nur und sprang auf. Es gefiel ihm nicht, wofür dieses Wissen gebraucht werden sollte.
In Windeseile durchquerte das Gefährt die Wüste, bis endlich eine Stadt in der Ferne zu sehen war. Die Stadt, in der Charan sein ganzes Leben verbracht hatte. Doch so vieles hatte sich über die Jahre hinweg verändert.
Vor den Mauern der Stadt blieb der Sandsegler stehen und die Männer traten durch das vor einigen Jahren eingestürzte Tor. Damals hatten einige Wasserbändiger angegriffen. Ein großer Teil der Stadtmauern und einige Häuser wurden durch den Kampf zerstört, doch der Feind konnte schließlich in die Flucht geschlagen werden. Doch noch einmal sollte das nicht geschehen können.
Während er sich seinen Weg nach Hause bahnte, ließ er seinen Blick über das verwüstete Stadtbild schweifen. Er hasste den Zustand, in dem die Welt gerade zu sein schien. Ab und zu kamen Reisende vorbei, doch auch sie wussten von nichts als Krieg zu berichten. All der technische und kulturelle Fortschritt, der die Welt der Vergangenheit geprägt hatte, war verloren, zerstört von der Macht der Elemente, die niemals hätten sein dürfen. Und nun sollte ausgerechnet er es sein, der den Plan für einen nächsten Angriff schmiedete.
Charan betrat sein Haus. Am Tisch saß sein Sohn Manik, der ihn wohl schon erwartete.
„Warst du erfolgreich?“, fragte er neugierig, seine Augen leuchteten wie die Sterne, für die er sich so sehr interessierte.
„Wie man es nimmt. Ich weiß jedenfalls, wann wir die Wasserbändiger angreifen müssen, um ihre Schwachstelle ausnutzen zu können“, antwortete sein Vater. „Und du kannst mir diesmal sogar helfen.“
„Wirklich, Vater? Sag schon, was kann ich tun?“ Sein Gesicht strahlte nun wie die Sonne.
„Hilf mir, herauszufinden, wann die nächste Mondfinsternis stattfindet. In dieser Zeit sind sie machtlos und wir können sie endlich zurückdrängen.“
Auch in Charans Gesicht war ein Funken Hoffnung zu sehen. Hoffnung, dass durch seinen Beitrag dieser nutzlose Bürgerkrieg gewonnen und damit beendet werden konnte. Er war kein Bändiger, der an der Front die Kämpfe ausfocht, doch das musste er auch nicht. Denn er wusste, dass auch er ein sehr mächtiges Element auf seiner Seite hatte – das Element des Wissens.
Fandom: Avatar - Der Herr der Elemente (Alternate Universe)
Sie war nur eine kleine Abweichung, wie ein winziger weißer Punkt auf einem sonst bunten Gemälde; oder vielmehr war es sogar umgekehrt, sie war wie ein einzelner farbiger Fleck auf einer eigentlich vollkommen weißen Fläche.
Christopher wusste gar nicht genau, warum er so dachte, auch wenn das Aussehen dieser neuen Studentin zu einiger Verwunderung Anlass gab. Tatsächlich war es ja schon ungewöhnlich, dass man sicher sein konnte, diese Person ganz bestimmt noch nie in seinem Leben gesehen zu haben, denn man würde sich – gerade in der strikten und seriös wirkenden Atmosphäre der Brimeley-Universität – ohne jeden Zweifel an diese Person erinnern.
Die junge Frau hatte in einem feurigen Kupferrot glänzendes Haar, und als sie sich vor Christopher in die Reihe des kleinen Hörsaals gesetzt hatte, waren ihm ihre stechend smaragdgrün leuchtenden Augen aufgefallen. Ihr schlichtes dunkelblaues Kleid unterschied sich nicht sonderlich von den unausgesprochenen akademischen Standards, die in Brimeley vorherrschten, doch wirkte es auf Christopher so, als würde sie sich darin nicht sonderlich wohlfühlen, zumal sie überhaupt nicht zierlich wirkte. Sie war recht groß und machte einen geradezu athletischen Eindruck. Alles in allem wirkte sie wie ein vollkommen fremdes Element in dieser Hochburg der Wissenschaft.
Aber letzten Endes ging das Christopher wohl nichts an, auch wenn ihm die neugierigen Blicke der Mitstudierenden nicht entgingen. Schon bald hatte sich eine andere Studentin – Margaret Grey, eine absolute Klatschbase – zu der Neuen gesetzt. Christopher konnte mithören, was die beiden sagten.
„Mein Name ist Margaret Grey. Ich glaube, ich habe dich noch nie hier gesehen, oder?“
„Nein, ich fange heute erst mein Studium hier an“, erwiderte die Neue. „Olinda Hild.“
Sie schüttelten einander die Hand.
„Das ist ein ungewöhnlicher Name“, sagte Margaret. „Kommst du nicht aus Brimeley?“
„Nein“, antwortete Olinda. „Ich komme aus Mafidel.“
Es war, als hätte sie behauptet, eine Mörderin zu sein. Margarets aufgesetztes Lächeln gefror und sie machte leise: „Oh.“
Es trat eine kurze, peinliche Stille ein, bis Margaret schließlich einen Schatten ihres ehemaligen Grinsens wiederfand, das nun jedoch allzu nervös wirkte. „Schön“, murmelte sie. „Ähm, ich muss gerade noch … einer Freundin ‚Guten Tag‘ sagen. Hat mich aber gefreut.“
Die Lüge hätte durchschaubarer nicht sein können. Als Margaret hastig ihre Schreibutensilien zusammenklaubte, fiel ein Bleistift auf den Boden. Sie machte sich aber nicht die Mühe, ihn aufzuheben und rannte stattdessen geradezu davon – um vermutlich jedem, der es hören wollte, mitzuteilen, dass die neue Kommilitonin eine Hexe war.
Die nächsten Wochen konnte Christopher beobachten, wie Olinda, die von allen nur „die Hexe“ genannt wurde, einer kontinuierlichen Isolation ausgesetzt war. In den größeren Hörsälen fiel das nicht so sehr auf, aber wenn sich eine Gruppe von Studenten zu einem Seminar in einem kleineren Konferenzraum versammelten, wo es nicht viele Plätze gab, entstanden beinahe kleinere Handgemenge um die von Olinda am weitesten entfernten Sitzplätze.
Verblüffenderweise schien das der neuen Kommilitonin allerdings nicht wirklich etwas auszumachen, sondern nur ein amüsiertes Lächeln auf ihr Gesicht zu bringen.
Schließlich pendelte sich ein gewisser Grundzustand ein, in dem es meist Christopher war, der neben Olinda sitzen musste. Ihm machte das nichts aus, redete er doch meist ohnehin wenig mit seinen Sitznachbarn.
So begegnete Christopher Olinda einfach mit nicht mehr und nicht weniger als der üblichen oberflächlichen Freundlichkeit, die er bei allen seinen Kommilitonen an den Tag legte. Wenn er ihr irgendwo in den Gängen oder dem Universitätsgelände begegnete, lächelte er einfach, nickte ihr zu und murmelte manchmal eine flüchtige Begrüßung – bis sie ihn eines Tages in ein längeres Gespräch verwickelte.
Christopher machte einen Spaziergang durch den an die Universität angrenzenden Park, als Olinda Hild ihm entgegenkam. In ihrer Hand hielt sie einen Strauß von irgendwelchen Kräutern.
„Guten Tag“, sagte sie und trat ihm ein wenig in den Weg, sodass er innehielt.
„Guten Tag“, erwiderte er, musterte sie kurz und fragte dann: „Ist irgendwas?“
„Ja, ich wollte … Du bist Christopher Wilford, richtig?“
Christopher nickte.
„Olinda Hild“, sagte sie und streckte die Hand aus.
„Ich weiß“, sagte Christopher, während er ihr die Hand schüttelte.
Sie nickte. „Ja, darum geht es … Ich wollte dich etwas fragen, wenn das in Ordnung ist.“
„Nur zu.“
Sie lächelte dankbar und holte kurz Luft, bevor sie ihre Frage stellte: „Nun … Warum hast du keine Angst vor mir?“
„Angst?“, fragte Christopher und zog eine Augenbraue hoch, während er die Hände in die Taschen seines Jacketts steckte.
„Du weißt schon. Alle hier fürchten sich und ich kann mir ja denken, warum. Uns Hexen eilt schließlich ein Ruf voraus. Aber du wirkst eben nicht so, als hättest du Angst.“
Christopher zuckte die Achseln. „Naja“, machte er. „Ich gebe nicht viel auf euren Ruf, nehme ich an.“
„Aber warum?“
„Ach, das ist einfach … Ich meine, ich habe als Kind auch die ganzen Geschichten erzählt bekommen. Ihr fresst Kinder, führt in die Irre und schließlich in die Hölle und all solche Sachen. Aber irgendwann merkt man doch, dass dahinter nichts steckt.“
„Ist das so?“
„Denke schon. Weißt du, als ich noch klein war und zur Schule ging, da wohnte die Straße runter ein alter, einäugiger Mann. Alle haben gesagt, er sei böse und gefährlich und ich und meine Freunde haben halt immer einen Bogen um sein Haus gemacht. Eines Tages aber hat uns dann eine Gruppe älterer Mitschüler – nun, sie haben uns gejagt und vor seinem Haus schließlich eingeholt. Die hatten uns vorher schon einige Male gequält und wir wussten, es würde jetzt wieder passieren. Jedenfalls, der alte Mann ist aus seinem Haus gekommen und hat unsere Peiniger verjagt – hat einem von ihnen eine saftige Ohrfeige gegeben. Dann hat er uns noch Pflaster für unsere kleinen Verletzungen und ein paar Kekse gegeben. Er war gar nicht böse.“
Christopher zuckte wieder die Achseln und fuhr fort: „Jedenfalls, danach haben wir uns natürlich nicht mehr so von seinem Haus ferngehalten. Und irgendwann habe ich mir gedacht: Gut, die Leute hatten mit ihm unrecht – vielleicht trifft das ja noch auf andere Dinge zu, die sie so erzählen? Wie zum Beispiel auf Hexen.“
„Zum Beispiel“, lachte Olinda und auch Christopher musste lächeln. Anschließend trat eine kurze Stille ein.
„Was hast du da eigentlich?“, fragte Christopher und zeigte auf den Strauß Kräuter, den Olinda bei sich trug.
„Oh, das“, sagte sie, „das ist Lokullenkraut. Es hilft bei … gewissen Beschwerden.“
„Beschwerden?“, machte Christopher verwirrt, bevor er begriff: „Oh, ach so. Verstehe.“
Er hustete nervös.
„Ja, soweit ich bisher weiß, ist die Wirkung hierzulande nicht so bekannt“, sagte Olinda. „Eigentlich überrascht mich das.“
„Vielleicht ist es einfach zu wenig erforscht“, meinte Christopher. „Botanik wird nicht so sehr gefördert.“
„Schade, oder nicht?“
„Vielleicht. Ich würde mir natürlich ins eigene Fleisch schneiden, wenn ich mich darüber beschweren würde, dass Naturphilosophie im Gegenzug so gut ausgestattet ist. Und es trägt ja auch Früchte. Die Fortschritte der letzten Jahrhunderte und insbesondere die Überwindung des göttlich-dualistischen Weltbildes …“
Er brach ab, weil es für einen Moment so schien, als hätte in Olindas Augen etwas aufgeleuchtet.
„Ist irgendwas?“, fragte Christopher.
„Mich interessiert dieses Weltbild“, sagte Olinda. „Was genau weißt du darüber?“
Christopher runzelte die Stirn. „Nun, nicht mehr als wahrscheinlich jeder andere. Laut dieser Vorstellung gab es zu Beginn zwei Götter, die jeweils aus einem von zwei verschiedenen ‚Ur-Elementen‘ bestanden. Dann sind sie gestorben, aber dabei wurde aus ihren Körpern die Welt mit all ihren Elementen geboren, wie es sie heute gibt – was natürlich impliziert, dass wir alle einen Teil des Göttlichen in uns selbst tragen. Dann gibt es noch verschiedene Interpretationen der Gottheiten selbst, zum Beispiel, dass die eine eigentlich Verkörperung des Verstandes sei und die andere die des Gefühls. Alle anderen Elemente seien letztlich irgendwie darauf zurückzuführen. Andere Strömungen gingen von einem Materie-Geist-Dualismus der Gottheiten aus, was aber ja der eigentlichen Idee schon widersprach, der zufolge beide Götter materiell waren.“
Christopher schüttelte den Kopf. „Aber das ist wie gesagt mittlerweile Vergangenheit. Natürlich gab es auch mit diesem Weltbild so etwas wie Wissenschaft. Aber die Angst, man könnte durch die gezielte Manipulation der göttlichen Materie etwas Furchtbares auslösen, wurde recht massiv geschürt. Ist natürlich Quatsch, denn man macht so etwas ja schon, wenn man sich nur etwas zu essen kocht. Nun, und davon abgesehen: Wenn es stimmen würde, wären die Elemente selbst aufteilbar in irgendetwas. Das scheinen sie aber ja gar nicht zu sein. Keine Trennverfahren, die wir besitzen, sind in der Lage, sie aufzuspalten.“
Olinda war offenbar nachdenklich geworden und Christopher fragte sich mittlerweile doch, warum sie über das Thema mit ihm sprechen wollte. Sie war bestimmt clever genug, in der Bibliothek einfach Die Naturphilosophische Ideengeschichte zu finden und es nachzuschlagen – wenn sie das nicht schon getan hatte.
„Und wenn es Trennverfahren geben würde?“, fragte Olinda. „Wenn es doch noch eine tiefere Ebene gibt, in die wir nur noch nicht schauen können?“
„Nun“, sagte Christopher, „wenn dem so wäre, dann müsste man das natürlich als Teil der Realität akzeptieren. Aber es folgt ja nicht aus der Existenz einer subelementaren Ebene, dass wir es mit den Überresten von Göttern zu tun haben. Mir scheinen ohnehin andere Projekte vielversprechender.“
„Und die wären?“
„Die Elemente zu ordnen. Unsere Welt ist derzeit noch eine sehr chaotische und es hat noch niemand eine wirkliche Reihenfolge gefunden, in der wir die Elemente anordnen können. Aber es scheint ja doch zwischen manchen Elementen eine Beziehung zu geben, weil sie beispielsweise ähnlich mit anderen Stoffen reagieren, wie du vielleicht schon weißt. Natrium und Kalium sind solche Kandidaten.“
„Ja“, machte Olinda und leckte sich kurz über ihre Lippen. „Das scheint in der Tat wichtig zu sein.“
Sie wandte den Kopf nach rechts und links, als wollte sie sichergehen, dass niemand in der Nähe war, der sie belauschen konnte. Hatte sie vorher weitestgehend freundlich und souverän gewirkt, war nun deutlich eine gewisse Anspannung zu bemerken.
„Weißt du, ich bin nicht einfach hier, weil … Also, ich meine, die Hexenherzogin von Mafidel will die Beziehungen zu anderen Ländern verbessern, weißt du? Deswegen gehen einige von uns jetzt in andere Länder, um ihre Kulturen ein wenig besser kennenzulernen. Das geht natürlich meistens am besten, indem man ihre Bildungsstätten besucht und mit ihnen lernt. Aber ich … Nun, ich habe noch einen anderen Auftrag.“
Sie sah Christopher groß aus ihren schönen grünen Augen an. „Ich …“ Sie brach ab und sah offenbar etwas an, das hinter Christopher war. Er drehte sich um und sah drei andere Studenten den Weg entlangkommen.
„Ich … würde gerne etwas mit dir besprechen, aber nicht hier. Dürfte ich dich vielleicht nach der letzten Vorlesung heute besuchen?“
„Ähm, klar, gern“, sagte Christopher. „Es ist Zimmer 307 im dritten Stock der Wohngebäude.“
„Danke“, sagte Olinda, und die beiden verabschiedeten sich.
Zu Christophers Erstaunen klopfte es nicht an der Tür, sondern am Fenster. Ungläubig starrte er für einen Moment die frech grinsende Olinda an, bevor er ihr aufmachte. Sie sprang von der äußeren Fensterbank in sein Zimmer.
„Wie …“, setzte Christopher an.
„Nun, ich bin schließlich immer noch eine Hexe“, sagte sie. „Dachte, es sei nicht gut, über den belebten Gang zu kommen. Auch wenn ich natürlich die anderen Fenster vermeiden musste.“
In der linken Hand hielt sie einen kleinen, ledernen Beutel.
„Es ist das hier“, sagte sie. „Da drin ist etwas, das … Nun, am besten zeige ich es.“
Sie öffnete den Beutel, griff hinein und holte etwas hervor, das wie ein gläserner Zylinder aussah, jedoch mit etwas in seiner Mitte, das Christopher noch nie gesehen hatte. Es war, als hätte jemand einen hell leuchtenden Stern vom Nachthimmel geholt und in dieses gläserne Gefäß gesperrt – ein seltsames kleines Gebilde aus Licht, das wie aus weiter Ferne strahlte und doch ganz nahe war.
„Was ist das?“, fragte Christopher und streckte die Hand nach dem kleinen Ding aus.
„Wir Hexen glauben, es ist das, was mit den Ur-Elementen gemeint ist“, sagte sie und übergab Christopher den Glaszylinder.
Als er ihn berührte, sackte der Boden unter ihn weg. Alles wurde schwarz, er trieb durch eine Finsternis, in der das einzige Licht von dem kleinen Ding in seiner Hand ausging. Er wollte schreien, doch kein Laut entwich seiner Kehle. Hektisch sah er sich um, nach seinem Zimmer, nach Olinda, nach irgendetwas, an dem er sich festhalten konnte. Plötzlich erschien etwas vor ihm, eine große Stadt mit hoch aufragenden Türmen, die in einem unheimlichen Zwielicht schimmerte. Für einen Moment sah er sie ganz klar, dann war ihm, als würde ihn jemand mit aller Kraft wegstoßen. Er stolperte nach hinten und fand sich plötzlich wieder in seinem Zimmer wieder. Olinda hielt ihn am Arm fest, um zu verhindern, dass er umfiel. Tatsächlich schwankte er und es kostete ihn alle Mühe, wieder seine Orientierung zu finden.
„Was … war das?“, fragte er schwer atmend.
„Hast du etwas gesehen?“, drängte Olinda.
„Ja … Eine Stadt …“
„Du bist es! Du bist der Richtige!“, rief Olinda glücklich und umarmte ihn stürmisch.
„Was?“, machte Christopher verwirrt.
„Entschuldigung“, sagte Olinda und ließ ihn los. „Es ist nur … Ich sollte hier nach demjenigen suchen, dem der Weg gezeigt wird. Es wurde vorhergesagt, das in einem früheren Feindesland ein Adept der höchsten Schule einer Magie, die wir Hexen nicht kennen, jemand, der ohne Furcht vor uns lebt, den Weg finden wird.“
„Ich verstehe nicht“, stammelte Christopher. „Was für eine Magie …“
„Die Wissenschaft. Die Naturphilosophie. Das ist eine Magie, über die wir nichts wissen. Und die Universität von Brimeley gilt, wenn es darum geht, als die beste Einrichtung in ganz Demala, das früher mit Mafidel verfeindet war. Und du bist ein Student hier, der keine Angst vor Hexen zeigt.“
Sie wirkte so unfassbar aufgekratzt, dass es Christopher unheimlich wurde. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
„Moment“, murmelte er. „Also, was genau soll ich bitte gesehen haben?“
„Den Weg“, erklärte sie. „Oder besser vielleicht, eine Station auf dem Weg, den wir gehen müssen, um …“
Sie brach ab.
„Nun, um ehrlich zu sein weiß keiner, was genau am Ende wartet.“ Sie lief rot an. „Aber … Es ist wichtig, dass dieser Weg gegangen wird.“
„Wieso?“, fragte Christopher. „Und was habe ich damit zu tun?“
„Bei dem Elementzylinder handelt es sich um ein Objekt, dass wir Hexen lange Zeit beschützt haben. Es wurde mir überreicht, nachdem ich berichtet hatte, dass du vielleicht der Richtige sein könntest und es wurde mir gestattet, diese Theorie zu überprüfen. Vor dem Ganzen allerdings – kurz nachdem unsere älteste Seherin prophezeit hatte, dass jemand den Weg finden kann – hat eine Hexe versucht, ihn zu stehlen.“
Olinda seufzte.
„Christopher“, sagte sie leise. „Wir Hexen haben auch unsere Konflikte, aber es kommt nie vor, dass eine von uns einen solchen Verrat begeht. Die Seherinnen spüren dahinter gewaltige finstere Mächte. Und alles, was wir tun können, um sie aufzuhalten, ist, vor ihnen die Bedeutung des Zylinders herauszufinden. Und dafür … brauchen wir wohl deine Hilfe.“
Sie sah ihm tief in die Augen. „Christopher Wilford, ich bitte dich als Abgesandte der Hexenherzogin von Mafidel und im Namen unseres ganzen Volkes, uns den Weg zum unbekannten Ziel zu zeigen. Wie lautet deine Antwort?“
„Ähm …“, machte Christopher. Er verstand weder etwas von Magie noch von Hexen. Er war ein Wissenschaftler – eigentlich noch Student – und doch überzeugte ihn Olindas Ernsthaftigkeit, wenngleich er sie etwas theatralisch fand.
„Vielleicht … wenn du mir noch einmal alles genauer erklären könntest?“, fragte er zögerlich.
Olinda nickte. „Was willst du wissen?“
„... was uns zu den Eigenschaften in Bezug zu anderen Stofflichkeiten führt.“
Professor Klausen tippte übertrieben effektvoll mit seinem langen Zeigestock auf einen bestimmten Punkt der Projektion, die gerade an die Wand geworfen wurde.
Die Grafik zeigte ein geradezu kunstvoll angeordnetes Mosaik aus Rechtecken, die mit verschiedenen Buchstabenkürzeln und winzigen Zahlen beschriftet waren, die für Uneingeweihte wie ein sphinxsches Rätsel erscheinen mochten.
Andere wiederum langweilten sich zu Tode.
Leila blickte von ihren Notizen auf, die im Wesentlichen aus einem kunstvoll verschlungenen Muster von Schnörkeln, Schleifen und Linien bestanden, als der Dozent seinen Stab wieder herunternahm und damit fortfuhr, den endlosen Monolog seiner Vorlesungsnotizen herunterzurattern. Te war das Kürzel, auf das die Studenten ihre Aufmerksamkeit richten sollten, doch ein rascher Blick durch den spärlich besetzten Hörsaal verriet, dass die wenigsten wirklich daran interessiert waren.
Bis auf den einen oder anderen Mitschüler, der sich eifrig Notizen machte, schienen die meisten hier einfach nur ihre Zeit abzusitzen. Manche verbrachten wie Leila den Großteil der Vorlesung damit, ihr Papier mit mehr oder weniger kunstvollen Zeichnungen zu verzieren, andere beschäftigten sich mit ihrem Smartphone oder unterhielten sich leise mit dem Nachbarn.
Die Präsentation des Professors war inzwischen bei einer hübschen Collage von Bildern angelangt, die unterschiedliche Erscheinungsformen des heute im Fokus stehenden Elements zeigten. Doch auch das mochte die Aufmerksamkeit seiner Schützlinge nicht großartig zu steigern.
Leila überlegte, ob der Mann wusste, dass seine Ausführungen auf taube Ohren stießen. Vermutlich. Wie den meisten Dozenten war ihm das dann allerdings ziemlich gleichgültig – jeder war schließlich selbst dafür verantwortlich, wann, wie und wie viel er lernte. Dass das jedoch deutlich schwerer fiel, wenn der Vortragende die Aufmerksamkeit heischende Wirkung eines Faultiers hatte, bedachten die wenigsten.
Als Herr Klausen schließlich mit lauter Stimme das Ende der Sitzung verkündete und mit schnellen Schritten dem Ausgang zustrebte, atmete die junge Frau erleichtert auf. Elemententheorie war ohnehin schon nicht ihr bestes Modul, und wenn man dann eine solche Schlaftablette als Dozenten hatte wie Professor Klausen …
„Manche haben ihren Titel wohl im Lotto gewonnen“, hörte Leila hinter sich, während sie ihre Sachen zusammenpackte und im Rucksack verstaute.
„Ach, Unsinn“, erwiderte eine andere Stimme. „Der kann einfach nicht mit Lehre. Der steht hier doch nur, weil er sonst seine Professur verlieren würde. Der würde doch sonst den ganzen Tag in irgendeinem Erdloch buddeln.“
Verhaltenes Gelächter begleitete die Gruppe, während sie sich durch die engen Stuhlreihen drückten und immer weiter Richtung Ausgang entfernten. Sie waren die letzten Studenten gewesen, die sich noch im Saal befunden hatten – bis auf Leila.
Ein kleiner Stich begann, sich in ihr Innerstes zu bohren, doch sie schüttelte energisch den Kopf und zwang sich, gewisse Gedanken gar nicht erst aufkeimen zu lassen. Besser, sie konzentrierte sich auf andere Dinge. Zum Beispiel darauf, den Stoff der heutigen Stunde auf effektive Weise in ihre Birne zu bekommen, ohne dabei durch monotonen Singsang in Halbschlaf gelullt zu werden.
Sie strich ihre kurzen, blonden Haare zurück, die sich immer wieder zurück in ihr Gesicht schlängelten, und machte sich auf den Weg in die Bibliothek.
Die Stille war erdrückend. Die staubschwangere und geradezu stehende Luft zwischen den dicht befüllten Regalen trug nicht gerade dazu bei, besonderes Wohlgefühl auszulösen.
Leila hatte bereits das eine oder andere Buch aus den Regalen gezogen, das sie zum Lernen benötigte. Oder hoffte es zumindest. So wenig Stoff hängen geblieben war, so schwer war es, gezielt üben zu können. Und wenn der Stoff noch nicht einmal hochgeladen war …
Schwer seufzend schlich Leila in einen weiteren Gang. Besser Vorsicht als Nachsicht, dachte sie sich, und suchte nach noch einem weiteren Wälzer, den sie sich zu Gemüte führen konnte. Suchend strich sie mit einem Finger der freien Hand über die teilweise sehr alten Buchrücken und suchte nach etwas, das ihr geeignet erschien.
Schließlich entschied sie sich für einen Übersichtsband über Gesteine und Metalle und streckte ihre Hand danach aus, als eine Stimme in ihrem Rücken sie zusammenzucken ließ.
„Elementenlehre, hm?“, erklang es fragend, und Leila drehte sich hastig um.
Vor ihr stand ein Mann, der etwa in ihrem Alter zu sein schien und sie mit schief gelegtem Kopf und verschränkten Armen musterte. Wieso hatte sie ihn nicht kommen hören?
Allmählich stahl sich ein verschmitztes Lächeln auf seine Lippen und ein Hauch Schalkhaftigkeit blitzte in seinen blass blauen Augen auf.
„Bist du immer so gesprächig? Oder hat dir mein atemberaubender Auftritt die Sprache verschlagen?“
Diese Bemerkung schüttelte Leila aus ihrer Trance. So ein arroganter Kerl!
„Das hättest du wohl gern“, entgegnete sie, ihre Bücher fest an die Brust gepresst. „Ich habe es nur nicht besonders gern, wenn man sich an mich heranschleicht wie ein Dieb!“
Ihr Gegenüber lachte kurz auf.
Er musste oft lachen, dachte Leila unwillkürlich, als sie die winzigen Grübchen in seinen Mundwinkeln sah. Ihr Blick wanderte weiter, über seine von zahlreichen Ringen verzierten Ohrmuscheln bis zum kahlgeschorenen Kopf, den bereits wieder ein leichter, schwarzer Flaum zierte.
Warum fielen ihr nur diese ganzen Details ins Auge?
„Ich wollte dich jedenfalls nicht erschrecken“, meinte er und hob entschuldigend die Arme. Erst jetzt registrierte Leila, dass er ebenfalls ein Buch in der Hand hielt. Noch dazu ein eher … ungewöhnliches, zumindest in diesen Heiligen Hallen.
„FlI. Die Wahrheit über die Elementenlehre und was der Rat zu vertuschen versucht – im Ernst? Sowas liest du?“ Ihr Erstaunen lies sich nur schwer verbergen. Das, was der junge Mann da in Händen hält, war bestimmt keine wissenschaftliche Abhandlung, wie der Stil und Tonfall glauben machen wollten. Soweit sie wusste, ging es darum, zu beweisen, dass die klassischen Lehren irrten und zwischen Fl und I in Wahrheit kein Unterschied bestand. Ein grellgelber Blitz und eine rote Flamme zierten das Cover des Taschenbuches, die sich auf künstlerische Weise ineinander zu verschlingen schienen.
Der Glatzkopf zuckte nur mit den Schultern. „Es ist unterhaltsam und man kann prima abschalten bei sowas“, entgegnete er. Als sei ihm plötzlich etwas eingefallen, streckte er die Hand aus und verzog den Mund zu einem einladenden Grinsen.
„Mein Name ist Jamie“, erklärte er. „Darf ich auch nach deinem fragen, Erdprinzessin?“
„Leila … woher weißt du, dass ich …?“
Er kicherte leise und deutete auf den Stapel Bücher in ihren Armen. „Ach, komm schon. Terra, das Standardwerk über Erdkräfte, Aufsätze über magische Eigenschaften verschiedener Bodenproben – soll ich weitermachen?“
Leila errötete und schwieg.
Jamie wollte offenbar noch etwas sagen, als sich das blasse Gesicht einer Schneefrau um die Ecke schob und die beiden grimmig anfunkelte.
„Nehmt euch ein Zimmer oder haltet die Klappe“, fauchte sie, was mit ihrer von Natur aus hellen Stimme etwas grotesk klang. Es erinnerte Leila jedoch wieder daran, wo sie sich befanden.
Entschlossen schüttelte sie die ungewollte Trance ab, die sich ihrer bemächtigt hatte, und schob sich wortlos an ihrer neuen Bekanntschaft vorbei in Richtung des Ausleihschalters.
Ein vorsichtiger Blick über die Schulter verriet ihr, dass der junge Mann ihr noch immer nachsah. Sie hatte ihn während ihres bisher zwei Jahre andauernden Studiums der Magie noch nie gesehen, aber vielleicht war er auch in einem der höheren Semester. Seiner Lektüre nach zu urteilen schien es zumindest unwahrscheinlich, dass er sich oft in diesem Teil der Universitätsbibliothek aufhielt.
'Oder überhaupt jemals eine Bücherei von Innen gesehen hat', dachte sie schnaubend. Sie lächelte der Angestellten am Schalter abwesend zu, während diese die auszuleihenden Bücher in leilas Konto vermerkte. Ein leichter Schauer rieselte ihren Rücken hinunter, und sie versuchte, sich nicht umzudrehen.
Jamie wartete, bis die Studentin den Raum verlassen hatte. Das Grinsen verschwand nicht von seinem Gesicht, als er sich schließlich abwandte und in Richtung der abgeschlossenen Räume schlenderte, die sich mitten in der Bücherei befanden und normalerweise für Gruppenarbeiten oder kleinere Kurse vorgesehen waren. Mit gewohnten, automatischen Bewegungen schloss er einen von ihnen auf, der zur Zeit nicht belegt war, und schlüpfte hinein.
Nicht belegt war vielleicht der falsche Ausdruck. Ein kleiner Junge mit mausgrauen Haaren saß mit überschlagenen Beinen auf einem der Tische und wippte ungeduldig mit dem Fuß.
„Du kommst spät“, bemerkte er knapp und mit strengem Blick.
„Verzeiht mir“, erwiderte Jamie und verneigte sich leicht. „Ich wurde aufgehalten, Meister.“
Der Angesprochene schien den Tonfall in Jamies Stimme zu ignorieren oder gar nicht mehr wahrzunehmen. Fragend hob er eine Augenbraue. „Mit gutem Grund, hoffe ich.“
Das Lächeln auf Jamies Gesicht wurde noch breiter. „Das denke ich doch!“
Er ließ das Buch über die Gemeinsamkeiten von Feuer und Blitz geräuschvoll auf einen anderen Tisch fallen, bevor er antwortete. „Ich glaube, ich habe eine neue Schülerin für Euch gefunden.“
Der Meister begann nun seinerseits zu lächeln. Seine tiefschwarzen Augen bekamen einen gierigen Glanz.
„Bring sie mir“, hauchte er.
Mitternacht. Schon? Jegliches Zeitgefühl ist dir nach Stunden der Forschung in der akademischen Bibliothek verloren gegangen, doch wer sich in den Kopf gesetzt hat, zum größten Zauberer aller Zeiten zu werden, darf keine Müdigkeit vorschützen, sagst du dir, als der Wind mit einem plötzlichen Scheppern die Fenster der Südwand aufreißt. Eiskalte Luft drängt hinein und mit ihr braust der erste Schnee des Winters in den Raum. Es war schwer genug gewesen, Dekan Ambrosius zu einer Sonderaufenthaltserlaubnis bis in die späten Nachtstunden zu überreden und es würde in Zukunft wohl unmöglich sein, sollte sich die antiken Schriftsammlung am Ende nicht in einwandfreiem Zustand vorfinden, dämmert es dir, so dass du beinahe geistesgegenwärtig loshechtest, um dem meteorologischen Treiben ein Ende zu setzen. Eins, zwei, drei, vier Fenster, zack, zu! Gerade noch einmal gut gegangen, willst du dir bereits innerlich auf die Schulter klopfen, doch erspähst auch schon die eine Schriftrolle, die der Durchzug zu Boden gestoßen hat. Es scheint sich hierbei um das handverfasste Original einer Lehrschrift auf dem Gebiet der Elementarforschung zu handeln:
Dass das Feuer das Zerstörerische unter den Elementen sei, ist nichts weiter als ein Jahrhunderte altes Vorurteil, welches sich bis in unsere Zeit noch zu halten scheint. Dass die Flamme verbrennt ist genauso wahr, wie dass die Erde begräbt, der Wind verweht und das Wasser erstickt, sollten diese Elemente nur in schier unbändigem Übermaße auftreten. Sicher braucht der Mensch die Frucht des Bodens, die Frische der Luft und die Erquickung des Wassers. Aber braucht er nicht auch das Licht und die Wärme der Sonne? Sind nicht nur tote Körper kalt? Es gehören eben doch alle vier Elemente zum Kreislauf des Lebens.
Und wie es sich mit dem Leben im Äußeren verhält, verhält es sich damit auch im Inneren. Nicht nur unser Körper, auch unsere Seele vereint Feuer, Erde, Wind und Wasser. Dabei kommt es auch hier ganz auf das Maß an. Durch eine Laune des Schicksals gibt es bereits seit Anbeginn der Zeit Menschen, deren Seelen stärker im Zeichen eines bestimmten Elements zu stehen schein, und seit jeher sind diese mit der magischen Kontrolle darüber gesegnet. Wurden diese Fähigkeiten zunächst auf primitivste Weise vor allem zu Tätigkeiten des alltäglichen Überlebens genutzt, wurden sie im Verlauf der Zeit zur Kunstform erhoben und – wie es nun einmal in der Natur des Menschen liegt – schlussendlich auch zu Waffen geformt.
Man kann daher höchstens von nostalgischer Verklärung sprechen, wenn behauptet wird, vor langer Zeit lebten alle vier Nationen zusammen in Harmonie. Genauso wie es sich um eine haltlose Unterstellung handelt, die Feuernation von Ka‘arn habe den anderen Staaten den Krieg erklärt. Tatsächlich waren es doch die zahllosen Scharmützel auf allen Seiten und insbesondere die maßlose Verschwendung erdelementarem Äthers durch das Königreich von Qohn, welche das Land ins Unermessliche schwächten bis schließlich der Erdboden selbst nachgab und jener fatalen Sintflut Tür und Tor öffnete, die wir heute als die erste magische Katastrophe aus dem dritten Zeitalter der Drachensterns kennen.
Äther, so bezeichnet man die alles umgebende Energie der Elemente, aus der wir Zauberer unsere magischen Kräfte ziehen. Die Seele ist zusammengesetzt aus dem Äther aller vier Elemente, der beim Tode eines Lebewesens in alle vier Winde zerstreut und bei der Geburt neu zusammengesetzt wird. Vom einfachen Grashalm bis zum riesigen Oliphanten, alles Leben kommt aus dem Äther und kehrt schließlich in den Äther zurück. Wird das Gleichgewicht der Elemente durch den übermäßigen Gebrauch von Magie nachhaltig gestört, zerbricht die filigrane Balance und eine verheerende Katastrophe ist geradezu vorprogrammiert. Es ist daher die Pflicht eines jeden Magiers, seine Gabe mit Umsicht zu nutzen.
Dass Seelen derselben Ätheraffinität zueinander finden, erscheint hierbei geradezu natürlich. So kam es daher auch erst im Zuge des Wiederaufbaus nach der ersten Katastrophe zu nennenswertem Austausch zwischen den verschiedenen Lagern der Magie. Spannender noch als die damalige Entdeckung synergetischer Effekte der Zauberei war vor allem die Feststellung, dass Kinder von Magiern unterschiedlicher Elemente die Macht über beide davon erlangen konnten (solange diese einander nicht entgegengesetzt waren wie beispielswiese Feuer und Wasser es sind). Nicht nur war dies ein offensichtlich in sich günstiger Umstand, es war auch der Anlass, zum ersten Mal in der Geschichte Äther- und Magieforschung zu betreiben. Die gesamte Kultur der Magierakademien, wie wir sie heute kennen, geht auf jenes namenlose ungleiche Paar von damals zurück, welches die ersten Äthermischlinge zur Welt brachte. Es würde noch mehrere Jahrhunderte dauern, bis die Menschheit sich den Fluss des Äthers Untertan machen würde, doch der bis dahin nie dagewesene Gedanke, dass ein Mensch die Kontrolle über mehrere, ja wieso nicht gleich alle Elemente erlangen konnte war auf bahnbrechende Weise inspirierend und legte das Fundament für Ätherogramme, Runen, Zaubersprüche und alle weiteren Kunstformen und Hilfsmittel, die es heute selbst jenen ohne angeerbte magische Disposition – also jenen Seelen, in denen der Äther vollkommen gleichverteilt ist – ermöglicht, sich die Elemente untertan zu machen.
Die bis hierhin einwandfreie Handschrift in königsblauer Tinte scheint von nun an unruhiger zu werden, hier und da geradezu krakelig und selbst einige Kleckse finden sich auf dem Pergament wieder. Wie ein solches Schriftstück es in die sonst so erlesene Sammlung der Bibliothek schaffen konnte, ist dir ein Rätsel.
Wenn Du diese Grundlagen der magischen Seelenkunde verstanden hast, verstehst Du vielleicht auch die Geschichte von Arenvaldt dem Roten.
Arenvaldt war – wie bereits viele mächtige Zauberer vor ihm – ein hochmütiger Tor. Als Sohn eines anerkannten Feuermagiers und einer Wasserbändigerin waren ihm keinerlei magische Kräfte in die Wiege gelegt worden, dafür aber das große Verlangen, sich zu beweisen. Bereits mit siebzehn schrieb er sich an der Akadamie für magische Künste zu Dortharl ein, erreichte die magische Reife mit einundzwanzig und begann nur wenig später seine eigenen magischen Forschungen, für die er eigenhändig die Gunst und das Geld einiger ansässiger Adeliger erlangt hatte. Niemand war so verbissen darin, die Elemente zu beherrschen und mit den Jahren war darin auch niemand so begabt wie Arenvaldt. Wenn er zauberte, kontrollierte er nicht den Äther von außen, er war der Äther. Vielleicht war er die perfekte Harmonie der Elemente in seiner Seele, vielleicht waren es die Jahre der Übung und der akademischen Askese, doch niemand schien mit solcher Leichtigkeit über Feuer, Wasser, Wind und Erde zu gebieten wie er. Die großen Geheimnisse der Magie wurden für ihn zu Taschenspielertricks und Blei zu Gold zu verwandeln war – auch wenn er diese Technik geheimnisvoll hütete – aus seiner Sicht überhaupt nicht so schwer, wie Generationen von Magiern vor ihm es hatten klingen lassen.
Arenvaldt hatte alles erreicht. Er konnte sich mit Fug und Recht als Meister der Elemente bezeichnen und es gab wohl keinen Magier seiner Zeit, der ihm das Wasser reichen konnte.
Doch zu welchem Preis? Die Forschung, der Feinschliff, die Perfektion – all das hatte ihn Jahre seines Lebens gekostet. Arenvaldt war alt geworden und selbst als Magier nicht immun gegen die Zeit. War das sein Leben gewesen? Endlose Askese für die schierste und reinste Macht, die erdenkbar war, nur um sie am Ende zu Grabe zu tragen? Was hatte er in seiner Zeit erreicht? Was hatte er wirklich erreicht? Sein Studium der Zauberei hatte ihn so viel Zeit gekostet, er konnte sich nicht einmal mehr erinnern, wann er irgendetwas anderes getan hatte. Schon in seinen Jugendjahren hatte er dem Lernen stets den Vorzug gegeben, hatte abwertend auf seine Kommilitonen herabgeschaut, die abends im Wilden Eber gern einen heben gingen. Er war besser gewesen als sie. Viel besser. Doch was hatte es ihm genützt? Von der Welt hatte er in seinem Turm nur wenig gesehen, auch keine Familie gegründet, nicht einmal einen Lehrling aufgenommen. Sollte er nun strahlen wie der hellste Stern am Firmament, nur um schließlich in der Endlosigkeit der Zeit zu verpuffen?
Es war klar, was er tun musste. Es gab nur ein Geheimnis der Magie, es zu lüften und zu nutzen galt. Das ewige Leben.
Sein Ansatz war simpel. Wenn Leben aus dem Äther kam, brauchte er eben nur genug Äther anzusammeln, um ebensolches zu schaffen. Diese Herausforderung war für Arenvaldt wie gemacht, denn die Menge an Äther, die ein Magier sammeln und kontrollieren kann, wächst mit seiner Begabung – niemand konnte so viel Äther an einem Ort konzentrieren wie er. Und so schloss er sich in seinem Turm ein und sog die Elemente auf.
Man wollte erwarten, dass nach Tagen der Konzentration die ätherschwangere Luft hätte knistern müssen, leuchten, blitzen, ja geradezu vor Macht explodieren. Doch nichts dergleichen. Arenvaldt hatte den Äther in Harmonie und unendlicher Reinheit heraufbeschworen. Alle Elemente balancierten einander perfekt aus. Der Magier hatte die Ätherogramme und Runen perfekt angeordnet, stand selbst in ihrer Mitte und wälzte mit ausgestreckten Armen und den Äther umher, verteilte, ordnete an, durchdacht bis ins letzte Detail. Die Macht war da und doch hätte kein Sterblicher sie je in irgendeiner Form greifen können, so homogen füllte sie den Raum.
Und so sollte es auch kein Sterblicher sein, den diese unermessliche Ansammlung elementarer Kräfte herbeirief.
Viel war in der Vergangenheit über die Natur der Seele spekuliert worden. Wenn sie den Äther aller vier Elemente vereint und erst im Tod zerbirst, was hält sie bis dahin dann zusammen? Ich möchte diesem Konstrukt, dem Bindeglied den Namen „Geist“ verleihen, denn er beschreibt die Umstände sehr treffen. Sind wir lebendig, ist es auch unser Geist, sterben wir aber … nun während der Äther der Seele in den Äther der Welt zurückkehrt, bleibt der Geist eine leere Hülle. Eine Hülle, die nicht selten noch Erinnerungen an ihr Leben sich trägt und sich nach nichts mehr sehnt als wieder mit Äther und Leben befüllt zu werden.
Arvenvaldts Ansatz erwies sich als wirkungsvoll, denn Geister waren es, die ihm dem Ruf des Äthers folgend erschienen. Der ganze Raum war voll davon, Präsenzen flüsternd, klagend, wünschend, hoffend, auf der Suche nach neuem Leben, das sie erfüllen möge. Und dann offenbarte ER sich. Czernobog, das Wesen aus der Sphäre des Äthers. Ein wahrer Meister der Elemente und der Magie, lebte er doch mitten in ihnen. Doch kontrollieren ließen sie sich nur aus der Sphäre der Materie. Es war Zeit, einen Handel abzuschließen.
Die Schrift auf dem Pergament wird noch undeutlicher, die königsblaue Tinte weicht einem dunklen rostrot.
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Wenn Du dies gelesen hast, weißt Du um die Verbrechen, die ich begangen habe. Sie sind … nein ER ist in mir, teil von mir. Ich spüre wie er stärker wird, mit jedem Tag nagend, wachend, wartend. Noch hat er keine Kontrolle, noch keine Macht über die Elemente, aber ich spüre, wie meine Kräfte schwinden.
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Ich habe mich in die Höhlen von Gorgana zurückgezogen in einem verzweifelten Versuch, ihn von der Welt fernzuhalten. Wenn Du ein Magier bist, dann weißt Du, was auf dem Spiel steht. Ich flehe Dich an, halte ihn auf, solange es noch geht, halte MICH auf!
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Finde mich. Werde mein Schüler. All meine Geheimnisse sollen Dir gehören, mein Geist soll in Dir weiterleben.
dt. Luft und Meer (feat. Buletten-Pelipper)
Weißer Schaum umspielte den tiefbraunen Sand der Küste und ließ dann und wann algenbehaftetes Treibgut zurück, das die Menschen hier so gerne als Werkstoff für allerlei Schnitzereien sammelten. Einige Wingull zogen in der Höhe ihre Kreise um dann und wann gen Wasser zu schnellen und im letzten Augenblick einzulenken. Die Luft war klar und trug den kaum wahrnehmbaren Geruch von nassem Seegras und trocknenden Salzablagerungen ans Ufer.Marlin hatte es sich in einer kleinen Kuhle in den feinen, weißbraunen Gesteinskörnchen gemütlich gemacht und sah ziellos in die weite Ferne, wo ein einzelnes Schiff das Band zwischen Meer und Himmel durchbrach. Das kurze, gelbe Fell schimmerte im Sonnenlicht, die Spitze seines blitzförmigen Schwanzes zuckte aufgebracht und unregelmäßig. Wie gewohnt war er alleine hier, denn für gewöhnlich zogen es seine Freunde vor im kühlen Dickicht des Waldes zu bleiben.
Marlin hatte anderes im Sinne. Er wartete angespannt.
“Na men Kleener? Hamwa 'n Date hier?“
Funken stoben über den Körper des erschreckten Pokémon. Bereit zur Verteidigung war es auf alle Viere gesprungen und ließ die Elektrizität leise knistern. Das Pelipper war instinktiv zurück gewichen, war es doch wenig begeistert von der Vorstellung einen Donnerschock verpasst zu bekommen, sah nun aber mehr belustigt drein und musterte sein Gegenüber eingehend von den Spitzen seiner langen Ohren bis hinab zu den schmalen Hinterpfoten.
“Nu mack e mol halblang. Viellecht kann ick di ja wat helfen?“
Noch immer wirkte Marlin unsicher. Nachdem es den Pelikan eine Weile argwöhnisch beäugt hatte, wurde er sich wieder seiner Überlegenheit bewusst und die Spannung fiel von ihm ab.
“Nu sach e mol, wie heeßt er denn?“
“Ich bin Marlin. Aber wer bist du?“
“Mi nenn' se dit Buletten-Pelipper. Ick heb keen Ahnung warum, ick bin Vejaner, kann de Karpadors doch nix antun. Vielleecht weil ick so jern Aljebällsche futter', dit is eene feine Sache, meen Kleener, ick sach ja bloß. Aber du kannst mi de Bulli nenn', dit is scho ok füa mai.“
Marlin wusste nicht so recht, worauf diese Unterhaltung hinauslaufen sollte, aber Bulli schien das ganz gleich zu sein. Er wartete kurz auf eine Reaktion seines Gegenübers, dann fuhr er munter fort.
“Also Kleener, weshalb biste nu hier?“
“Ich mag Wasser.“
“Ay, ay, ay. Na dit is mia eener. Wasser mach er! Ick dacht‘ du wärst een Pikatschu?“
“Na und?“
Marlin sah fest in das belustigte Gesicht seines Gesprächspartners.
“Och, entschuldije mi, ick bin nit so de feine Kerl, schätz‘ ick. Aber sach ma, kannste denn überhoopt schwimm‘n?“
Marlin zögerte.
“Ja, es reicht jedenfalls um mich über Wasser zu halten, aber eigentlich will ich surfen lernen.“
“Een sörfendes Pikatschu, na wenn dit nit de Hammer heut' is! Det is mi ja de Knaller!“
Marlin schwieg sichtlich verärgert.
“Jaja, dit is nit so eenfach. Aber weeste wat? Mach di ma keene Sorje meen Kleener, ick kenn so een Typ, een Bojelin, de witt di det scho zeije kenne. Un jetzt kommts: Ick bring di gleech hin zu ihm. Was sachste dazu?“
Entgeistert starrte Marlin in den weit aufgerissenen Schnabel seines Gegenübers. Sollte er wirklich mitkommen? Was war das für eine seltsame Wendung?
“Nu kumm scho, meen Rücken hat jenuch Platz für di un bequem is et ooch.“
Als Marlin noch immer keine Anstalten machte, sich in Bewegung zu setzen, hatte Bulli ihn geschnappt ehe er sich versah und packte ihn mit seinem gewaltigen Schnabel am Nacken. Erschrocken wollte Marlin zum Volttackle ansetzen, doch Bulli warf ihn mit einem kleinen Schlenker auf seinen verhältnismäßig kleinen Rücken.
“Alle Achdung, nu jeht es los!“
Mit einem turbulenten Anlauf setzte Bulli an und erhob sich schließlich gekonnt in die Lüfte. Das Land zog unter ihnen vorbei, und Marlin krallte sich panisch am Gefieder seines Trägers fest, der munter über seine städtische Herkunft und deren Zutun an seinem seltsamen Dialekt philosophierte. Nach einiger Zeit erreichten sie eine bewucherte Anhöhe über dem Meer, wo eine Gruppe von Pokémon ein kleines Dorf in einer versteckten Lichtung errichtet hatten. Bulli landete sicher und führte ihn umher. Marlin erblickte Handelstreibende und Beerenbäcker, Schülergruppen und Ältestenräte. Bald schon erreichten sie Bojelins dammartigen Unterschlupf aneinem kleinen Teich. Marlin sah nach rechts und sein Blick kreuzte sich mit dem eines weiteren Pikachus, das sich mit einigen zwielichtig wirkenden Zobiris unterhielt.
“Wer ist das?“
“Ah, dit is di Aeryn. Di Aeryn is eene Aeronaudin. Dit sacht se jedefalls. Di will doch jlatt nach Kalos fliege.“
“Wieso will sie nach Kalos?“
“Kennste nit de Himmelskampf? Eene janz große Sache in Kalos, da kämpft ma in de Luft. Im Fluch! Un di Aeryn will unbedingt jeje di Vöjel antrete. Wennse erstma fliecht, hattse een Vorteil.“
“Aber wie kann sie in der Höhe antreten?“
“Dit is di Sach - Jenau so wie sie nach Kalos kommt. Sie will ja selber flieje. Mit een paar Ballonsken. Dit is noch eene Spur verrückter als du et bist.“
“Sie will fliegen? Nur mit Ballons?“
Marlin war sichtlich unsicher, ob er den Gefährten richtig verstanden hatte.
“Jaja. Mi hattse erzählt, dat de Menschen Ballons ooch im Kampfe nutze, damit ihre Kumpane schwebe kenne. Solche Ballonske will se ooch nutze. Aber ick bin nit di Auskunft, meer musste sie schon selbst fraje.“
Schweigend ließ Marlin sich von Bulli mitziehen, um sich Bojelin vorzustellen, der damit kämpfte einer Gruppe Bidiza das Schwimmen beizubringen, die sie mit lauten “I bims, Bidiza!“-Rufen begrüßten. Marlin sah seine Chance.
“Wenn ich diese Plagegeister übernehme, kannst du mir dann das Surfen beibringen?“
“Ein surfendes Pikachu? Das ist ungewöhnlich, aber sicherlich nicht unmöglich. Manchmal liegt die Natur auch nur daneben. Nun du hast zumindest den Vorteil, dass dein Schwanz breit genug ist um darauf zu stehen. Damit können wir arbeiten, sofern du mir tatsächlich zur Hand gehen würdest.“
Die vorgeschlagene Technik von nun an das Mittel ihrer Wahl. Es war ungewohnt für Marlin, mit beiden Füßen fest zu stehen und sich von der Strömung antreiben zu lassen, aber bald schon war sein Fortschritt unbestreitbar. Er lernte den Vorteil zu nutzen, der sich ihm dadurch bot, dass sein Blitz kein starres Brett war und er sich somit an die Situation anpassen konnte. Immer wieder kam auch Aeryn vorbei um ihm zuzusehen. Beide waren einander bereits von Beginn an wie vertraut und erzählten sich über ihr Leben bevor sie hierher gekommen waren. Wie sie selbst vorankam, hielt sie jedoch geheim. An manchen Tagen sprachen sie auch nur wenige Worte miteinander, obwohl er es sich anders wünschte. Aber ihm war nicht wohl bei dem Gedanken, dass sie bald fortgehen würde, denn schon jetzt wollte er sie nicht ziehen lassen. Allerdings spürte er ihren großen Willen und er hoffte, dass sie alles heil überstehen würde.
Eines Nachts, als er sich rastlos in seinem Strohnest drehte und versuchte seine gequälten Muskeln so gut es nur ging zu entlasten, bemerkte er eine Silhouette vor dem Eingang seines Nestes und raffte sich erschöpft auf, um ihr zu folgen. Die Nacht war klar und mild. Am Ende der Anhöhe saß Aeryn auf einem breiten Baumstumpf und sah hinazf in den tiefblauen Himmel. Still nahm er neben ihr Platz. Mit ihrer Schwanzspitze deutete sie auf den schneebedeckten Gipfel, der über den Baumwipfeln thronte.
“Dorthin. Dorthin würde ich gerne fliegen. Ich möchte unseren Wald von oben sehen. Wie sehen Bäume von oben aus, dort wo ihre Kronen unser Zuhause verdecken? Stell dir nur vor, du gleitest über dieses dunkle Meer aus Blättern und Geäst, über dir das bleiche Licht von Mond und Sternen. Ich will es sehen und ich werde es sehen.“
Marlins Ohren zuckten erregt als er in die angezeigte Richtung sah. Es erschien ihm absurd, dass ein Pikachu fliegen sollte. Er war im Wald geboren worden, irgendwo tief im Flechtwerk der Baumwurzeln. Dort war er zuhause, dort kannte er sich aus. Das Meer zu überqueren war zumindest nicht wider die Naturgesetze. Nur ungewöhnlich und wider ihren Typen.
“Wie genau willst du es eigentlich anstellen?“, fragte er vorsichtig.
“Weißt du, ich mache es wie Driftlon. Ich nehme einfach eine Menge Ballons, die sind in den Menschenregionen leicht zu holen. Dann brauche ich nur eine etwas höhere Anhöhe und genügend Wind.“
“Meinst du nicht, dass das unfassbar riskant ist?“
“Wie heißt es doch? Nur wer wagt, gewinnt. Das Wasser ist dein Element, obwohl du genau so im Wald geboren bist, wie ich. Mein Element ist die Luft. Wir sind eigentlich dazu bestimmt auf festem Boden zu bleiben, aber es zieht uns in eigene Abenteuer. Fliegen ist mein größter Traum und wenn etwas schiefgeht, so muss ich mir jedenfalls nie vorwerfen, ich hätte es gar nicht erst versucht.“
Er nickte, obwohl sein Kopf vor Verwirrung und Müdigkeit dröhnte.
“Wann denkst du, du bist so weit?“
“Ich habe die Ballons längst beisammen. Einige Zobiris aus der nahen Stadt waren mir dabei behilflich, sie zu beschaffen, alles andere wäre schwierig geworden. Ich habe sie nicht getestet, damit ich sie nicht beschädige, aber alles ist exakt berechnet, ich hatte glücklicherweise auch dabei ein wenig Unterstützung.“
“Darauf vertraust du?“
“Wahrscheinlich kann jeder sowas besser berechnen als ich. Aber ich komme mit dem großen Schiff aus Sinnoh, dort haben mir einige Metang alles aufgeschlüsselt und mit Driftlon konnte ich üben. Nun bin ich hier, weil die Ballons hier am leichtesten zu bekommen sind.“
“Wann wirst du aufbrechen?“
“In wenigen Tagen. Wenn der Sommer endet, dreht der Wind und kann mich innerhalb eines Tages nach Kalos bringen. Ich hoffe, du bist dann auch dabei?“
Marlin fühlte sich erschlagen von dieser plötzlichen Information, aber er nahm sich zusammen und nickte einmal.
“Ich zähle auf dich. Du bist das Wasser, ich bin die Luft. Zusammen können wir einen ganz schönen Sturm entfachen. Aber ich bin nun schlafen, ich muss mich bis dahin schonen, die Reise wird mir einiges abverlangen.“
Mit diesen Worten drehte sie sich um, hielt kurz inne und legte ihre Schwanzspitze kurz an seinen Blitz. Strom durchfloss ihn warm und beruhigend.
“Gute Nacht Marlin, schlaf gut.“
“Gute Nacht Aeryn“ war alles, was er noch hervorbrachte.
Pfeifend rieben sich die Windböen an Stämmen und Stein. Die Wolken zerflossen wie Blut in Wasser während sie mit aller Stärke gen Südost trieben. Die Luft war kühl für die warme Jahreszeit und Marlin fragte sich ob nur er den Eindruck hatte, als zöge ein Gewitter auf. Aeryn wirkte unnachlässig abenteuerfreudig. Mit glänzenden Augen sah sie hinab in das weite Tal, das sich am Fuße des Berges erstreckte.
“Bulli, wie ist der Wind?“, rief sie gegen ebendiesen laut in die Höhe.
“Na ick sach ma für mi is et nu nix, aba füa di kennt et scho stimm'n.“
Sichtlich zerzaust landete der weiße Vogel neben ihnen auf der Anhöhe.
“Dann ist es an der Zeit. Jetzt oder nie. Du wirst schon sehen, ich werde das erste fliegende Pikachu sein, dass unsere Welt je gesehen hat!“
Mit einem Schnalzen legte Aeryn ihre Pilotenbrille an.
“Her mit den Ballons!“
Marlin widerstrebte es die Kiste zu öffnen, doch er kannte Aeryns Begeisterung. Vielleicht ging sie noch ein Stück weiter als er, doch das Prinzip blieb gleich. Vorsichtig drehte er am Verschluss und fasste in den Weidenkorb. Er bekam die Schnur eines der acht Ballons zu fassen und zog daran, bis der Kopf des Ballons von innen gegen die Klappe stieß. Bulli, der sich als Gegengewicht auf der Oberseite niedergelassen hatte, umkrallte die Kante und gemeinsam schafften sie es, den ersten aufgeblasenen Ballon intakt nach draußen zu befördern, ohne dass die anderen ihrer Aufbewahrung entwiechen. Geübt befästigte Aeryn ihn an ihrem Gürtel, während Marlin sie sichernd festhielt. So fuhren sie fort, bis nur noch zwei Ballons übrig waren und Aeryn sichtlich im Wind taumelte. Als Marlin etwas energischer an der Schnur des Ballons zog, ertönte ein Knall - Bulli schlug aufgeschreckt mit den Flügeln und hatte im letzten Moment so viel Geistesgegenwärtigkeit, zu verhindern, dass der letzte Ballon entwiech. Dann erstarrten alle drei für einen Moment und blickten auf die Reste des Ballons, die an der Schnur in Marlins Pfote hingen.
“Und nu?“, erkundigte Bulli sich als Erster blinzelnd.
“Dann eben mit sieben. Es reicht aus, ich kann mich jetzt schon kaum mehr halten. Die Metang haben es mir ohnehin so ausgerechnet, das war nur ein zusätzlicher Schutz.“
Marlin fühlte ein zunehmend flaues Gefühl im Magen. Wie mechanisch folgte er Aeryns letzten Anweisungen und holte mit aller Vorsicht den letzten Ballon aus der Kiste, um ihn gemeinsam mit ihr zu befestigen, während Bulli sie nun gegen die Windböen flatternd mit der Spitze seines Schnabels auf dem Boden hielt.
“Also dann. Marlin, Bulli. Danke euch beiden! Ich hoffe wirklich, dass ich euch bald wiedersehen kann. Wenn ich mir erst einmal als Blitz der Lüfte einen Namen gemacht habe. Marlin, versprich mir, dass du weitermachst. Bin ich der Blitz der Lüfte, bist du jener der See. In ferner Zukunft wird man noch von uns sprechen, wir werden auf Briefmarken sein. Oder auf Sammelkarten! Denn wir haben die Natur überwunden, um dem Ruf in unserem Inneren zu folgen. Wir beherrschen unsere Elemente wie niemand sonst.“
Sie sah in die weite Ferne, wo die Wolken einander jagten.
“Du kannst loslassen, Bulli. Ich versuche gleich Anlauf zu nehmen, dann werde ich springen.“
Marlin konnte dem Drang, sie zu packen und festzuhalten kaum widerstehen, aber er wusste, dass es ihren sicheren Tod bedeuten würde. Ängstlich sah er zu, wie Aeryn schließlich ansetzte und mit Hilfe eines kräftigen Stoßes von Bulli in die Winde sprang.
Das Pfeifen mischte sich mit ihrer Stimme zu einem Singsang und so sah er benommen zu, wie bunte Kreise vor seinen Augen durch die Lüfte tanzten und schließlich von der Ferne verschluckt wurden.
...
Weiße Schaumkronen wurden von hohen Wellen ans Ufer geworfen. Vereinzelt hatten sie Treibgut angeschwemmt, das sich auf dem hellen Sand ablagerte. Am Himmel kreisten einige Wingull, die von Zeit zu Zeit übermütig gen Wasser schossen. Ein Hauch von Salz und Algen lag in der Luft. Am Strand reckte ein gedrungenes Pokémon gierig die Nase danach. Sein orangener Körper wirkte elektrisiert bis in die runden Spitzen der gelben Ohren, wobei unklar war ob dies sein Typ oder die Situation verursacht hatte. Mit kristallblauen Augen blickte es hinaus in die weite See. Dann drehte es sich um und nickte einer kleinen Gruppe von Pikachu zu, die sich unweit im weichen Sand niedergelassen hatten.
Für einige Zeit schien das Raichu jeden Muskel seines Körpers anzuspannen, wodurch seine Elektrizität es knisternd umspielte. Schließlich, mit enormem Tempo, rannte es in Richtung Meer, seinen markanten Schwanz weit von sich gestreckt. Mit einer fließenden Bewegung zog Marlin seinen Blitz nach vorne und sprang auf, um darauf endlich der endlosen Ferne entgegen zu reiten.
Erzeugung eines spontanen Stromflusses durch Verbindung verschieden starker Elektronager
Während meiner Untersuchungen zur Abhängigkeit des Stromflusses von dem Entwicklungsstadium elektrischer Pokémon, bin ich auf ein Phänomen gestoßen, dass ich nicht erwartet habe. Meiner Vermutung zu Grunde liegend, dass höher entwickelte Pokémon höhere elektrische Spannungen erzeugen können, stellte ich einen elektrischen Stromkreis zwischen einem Raichu und einem Pichu über ein Kupferkabel her, indem ich die Elektroden an ihren Backentaschen fixierte.
Zur meiner Überraschung, begann der unentwickelte Elektronager freudig aufzuspringen, noch bevor ich den Befehl gab, eine Attacke des Typus Elektro einzusetzen. Im gleichen Augenblick beobachtete ich, wie das Raichu nach einer Weile, noch bevor der eigentliche Versuch stattfand, unruhig und nervös wirkte. Nachdem ich es dem Raichu untersagte die Elektroden zu entfernen, wandelte sich das unruhige Verhalten in Müdigkeit und Lustlosigkeit. Ich brach das Experiment an dieser Stelle ab.
Nach einigen Überlegungen, wiederholte ich den Versuch in leicht abgeänderter Form:
Ich setzte einen elektrischen Abnehmer in Form einer Glühbirne zwischen den beiden Nagern, ohne jedoch eine Aktion zu befehlen. Die Glühbirne leuchtete beinahe Augenblicklich auf, nachdem der Stromkreis geschlossen war. Anschließend wiederholte ich den Versuch, mit wechselnden Partnern. Ich tauschte das Pichu durch ein zweites Raichu aus und später durch ein Relaxo. In beiden Fällen blieb ein Aufleuchten der Glühbirne aus.
Aus meinen Beobachtungen, so wie meiner Annahme, dass höher entwickelte Elektropokémon stärkere Stromflüsse erzeugen, schlussfolgere ich, dass durch die Potentialdifferenz des elektrischen Stromes der Pokémon eine unweigerliche, messbare Spannung entsteht. Meine Hypothese stützt, dass kein Stromfluss zu beobachten war, wenn gleiche Potentiale herrschten (Raichu-Raichu) oder keine Aufnahme des Stroms möglich war (Raichu-Relaxo).
Ich wiederholte diesen versuch mit verschiedenen Elektropokemon und sammelte die gemessenen Spannungen in einer Liste, die ich ihnen dieser Abhandlung beifüge (siehe Tabelle 3, „Elektrische Spannungsreihe der Pokémon“). Ich messe dieser Entdeckung großen Nutzen für Menschheit und Pokémon bei und gab dem Versuchsaufbau den Namen meines Lieblingsraichus Daniell.
Im Folgenden spreche ich demnach lediglich vom Daniell-Element.
Professor Dr. Dr. John Frederic Volkner,
Orania City der vierte März 1836.
Wisst ihr eigentlich noch, was uns, uns alle, die wir uns an diesem Ort versammelt haben, verbindet? Ich gebe euch einen einzigen kleinen Tipp: es sind weder Wasserstoff-Atome oder Wasserstoffbrücken, wie wir alle im damaligen Chemieunterricht von unserem Lehrer gelernt haben, noch die gleiche Luft, die wir atmen, das gleiche Wasser, von dem wir trinken, die gleiche Erde, auf der wir stehen, oder das gleiche Feuer, das uns langsam in Flammen aufgehen lässt, während wir unseren letzten Schrei, unseren Todesschrei, ausstoßen.
Was uns verbindet, das sind jegliche Elemente, jegliche Herausforderungen der Kreativität, denen wir uns das gesamte Jahr über ohne Furcht oder Angst vor einem Scheitern gestellt haben, und nun unsere Ehre, zusammen, sowohl Finalisten als auch Voter, den Fanfiction-Wettbewerb in diesem Saisonfinale vertreten zu dürfen.
Was uns verbindet, sind die gemeinsamen Erinnerungen an vergessene Tage, an denen wir uns fragten, was eine gute Erinnerung ausmacht – sei es die Erinnerung an Menschen, die wir auf ihren letzten Weg begleitet, oder an jene Augenblicke, die wir noch in Gefangenschaft verbracht haben.
Was uns verbindet, ist die gemeinsame Frage, worüber wir schreiben sollen, wenn wir in einem freien Wettbewerb die Aufgabe bekommen, ein Drama, eine Darstellungsform, die vielen von uns bis dahin Neuland gewesen ist, zu schreiben.
Was uns verbindet, sind unsere Wurzeln, denn im Grunde sind wir, wir alle, die das Schreiben, aber auch das Lesen lieben und launisch werden, wenn sie kein Blatt Papier in der Nähe haben, auf das sie ihre Geschichten aufschreiben können, nichts anderes als eine große Familie, von der alle Familienmitglieder ein großes Ziel im Auge hat.
Was uns verbindet, sind die Märchen, die uns unsere Eltern als Kinder vor dem Schlafengehen vorgelesen, und von denen wir gelernt haben, dass am Ausgang unseres weiten Weges auf jeden von uns ein fröhliches, zufriedenstellendes Ende wartet.
Was uns verbindet, sind die Abenteuer, die wir alle in Videospielen bestritten und der Grund dafür ist, wieso wir alle zueinander gefunden haben, denn die meisten von uns sind wegen Pokémon erst auf dieses Forum gestoßen, in dem nun mittlerweile zu nahezu allem, was mit Kreativität zu tun hat, ein eigenes Unterforum anbietet.
Was uns verbindet, ist das Zurückblicken auf das, was wir gemeinsam erreicht haben: gemeinsam machten wir den Bereich zu dem, was er heute ist, denn kein Bereich aus dem Bisaboard ist erfolgreich, wenn sich kein Mitglieder die Mühe macht, seine Werke mit anderen zu teilen.
Was uns verbindet, sind die Geschichten, die wir allesamt geschrieben und mit denen wir die Ehre übernommen haben, dass andere, Außenstehende, die Möglichkeit haben, in unsere Welten mit eigenen Augen einzutauchen.
Was uns verbindet, sind die versteckten Nachrichten, die sich irgendwo in unseren Texten befinden und die der ein oder andere mit aufmerksamen Lesen sowie etwas Glück finden können.
Was uns verbindet, sind die Spiegel, denn im Grunde reflektieren wir uns alle selbst, indem wir die Geschichten anderer lesen, und, wenn wir fleißig sein wollen, den jeweilign Autoren dazu Feedback geben, damit sich diese ständig verbessern können.
Was uns verbindet, ist unser Lachen, denn es lacht sich am besten, wenn man mit anderen gemeinsam lacht anstatt alleine an einem dunklen, eingegrenzten Raum, wo nie jemand das Lachen eines Einzige hört.
Was uns verbindet, ist die warme Sonne, die über jeden von uns strahlt und uns die Energie gibt, zu schreiben; die uns erleuchtet, wenn wir ein Problem mit einer Aufgabenstellung oder einer Thematik haben, und jederzeit, bei manchen früher, bei anderen später, eine Lösung dazu offenbart.
Was uns verbindet, sind die Erkenntnisse, die wir gemeinsam gewinnen; es sind die Dinge, an die wir uns nie getraut hätten, wenn sie uns nicht gestellt worden wären und an die wir irgendwann Gefallen finden werden, je öfter wir uns an sie herantrauen.
Was uns verbindet, sind die Bilder, die jeder für sich individuell in seinem Kopf entwickelt, wenn er oder sie eine Geschichte von einem anderen Autor liest und somit dem Schreiber die Ehre öffnet, dass er ihn für einen Moment in seine Welt entführt hat.
Was uns verbindet, ist die Gemeinschaft, ist das Team, das wir darstellen; nur mit dem kleinen Unterschied, dass niemand Anführer oder Untertane spielt, sondern, dass wir alle von Natur aus gleich sind.
Was uns verbindet, ist die göttliche Macht, die uns zusammenhält, denn selbst ohne Kompromiss, einem gemeinsamen Nenner, fühlt man sich an diesem Ort wohl, was gleichzeitig der Grund dafür ist, dass seitdem nicht viele Umstrukturierungen innerhalb der Gemeinschaft geschehen sind.
Was uns verbindet, ist unser Zusammenhalt; selbst, wenn eine Apokalypse und somit auch unser gemeinsamer Untergang droht, denn selbst dann werden wir weiterschreiben.
Was uns verbindet, ist die Stille, die über uns herrscht, uns lenkt, wenn etwas gescheitert ist; und wir uns gegenseitig neuen Mut zusprechen; sagen, dass es beim nächsten Mal besser wird als letzes Mal.
Was uns verbindet, oder, besser gesagt, nicht verbindet, ist der Fakt, dass jeder von uns andere Vorlieben hat; wir können Freunde von Piraten oder Liebhaber von Raumschiffen sein, und doch wird niemand deswegen ausgegrenzt.
Was uns verbindet, ist, dass wir, jeder für sich, seine eigene Idee umsetzt, und dabei nicht beachtet, was die anderen sagen, denn am Schluss zählt es, dass man selbst mit seinem Werk zufrieden ist, und nicht wegen den anderen seine eigenen Prinzipien verletzt.
Was uns verbindet, ist, dass wir, obwohl es jedem freigestellt gewesen ist, einen freien Wettbewerb ein Thema geben, indem wir die selben Gedanken teilen und die Planung der anderen im positiven Sinne auf den Kopf stellen.
Was uns zehn nun verbindet, sind die Bücher, die wir gelesen haben, die Freiheit, die wir im Moment erleben, und die Elemente, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen. Und selbst, wenn andere meinen, wir machen es falsch, halten wir zusammen, setzen unsere eigenen Ideen um und lassen uns nicht mehr beeindrucken. Zu Beginn mag der erste Schnitt wehtun, doch je mehr man uns schneidet, desto unbeeindruckter reagieren wir auf weitere Schnitte; und trotz mehrerer neuer Schnitte werden wir uns nicht aufgeben, weiterhin schreiben und bald diese wundervolle Zeit erneut erleben.
Nun wisst ihr, was uns eigentlich noch verbindet: es sind weder Wasserstoff-Atome oder Wasserstoffbrücken, wie wir alle im damaligen Chemieunterricht von unserem Lehrer gelernt haben, noch die gleiche Luft, die wir atmen, das gleiche Wasser, von dem wir trinken, die gleiche Erde, auf der wir stehen, oder das gleiche Feuer, das uns langsam in Flammen aufgehen lässt, während wir unseren letzten Schrei, unseren Todesschrei, ausstoßen, sondern wir, die Menschen, die Autoren, die diese bloßen Elemente nutzen, um etwas fabelhaftes zu erschaffen.