Literarisches Tarot

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

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  • Ich hätte auch gerne Karten =)

    It's not the critic who counts, not the man who points out how the strong man stumbles, or where the doer of deeds could've done them better. The credit belongs to the one who's actually in the arena - Theodore Roosevelt


    "Most people don't try to become adults, they just reach a point where they can't stay children any longer." - Miss Kobayashi


    "What more do I need than my worthless pride?" - Haikyuu!!

  • Wie schön, dass immer noch Leute hierhin finden :)


    Für alle Teilenhmer (die schon länger dabei sind) eine freundliche Erinnerung daran, dass die Deadline für eure Texte so ganz offiziell der 31. Januar ist. Sollte abzusehen sein, dass ihr das nicht schaffen könnt, sagt mir Bescheid und eventuell lässt sich da was machen (wär ja auch nur fair, nachdem einige von euch unvorhergesehene Wartezeiten hatten).


    Eure fertigen Texte könnt ihr entweder mir schicken oder selbst hier posten (gebt dann bitte euer Blatt an und macht vllt einen kurzen Kommentar, wie ihr es umgesetzt habt - kann auch verspoilert werden oder hinter die Geschichte, wenn ihr nichts vorwegnehmen wollt).


  • So, scheint als wär ich die erste mit einem fertigen Text. ^^"


    Mein Blatt war folgendes:


    Die Bedeutung der Karten und meine Überlegungen dazu gibt's mal in einem Spoiler. (:


    Münchner Begegnung


    Ziellos fuhr ich mit der Tram durch die Stadt. Lenbachplatz, Kammerspiele, Maximilianeum — die Haltestellen bekam ich nur über die elektronische Durchsage mit. Irgendwann stieg ich aus, als es hieß, dass man zu den U-Bahnen umsteigen konnte. Es war der Max-Weber-Platz und es ging direkt vor einem großen Klinikum eine Treppe hinab in den Untergrund. Ich nahm das nur am Rande wahr, denn ich ging die Stufen nicht hinunter. Stattdessen folgte ich der Straße bis ich zu einer großen Kreuzung kam. Mir ging es nicht darum irgendwo anzukommen. Es war ein grauer Tag und so wirkte jedes Gebäude wie von einer Staubschicht überzogen. Die Farben waren ausgewaschen und die Großstadt wirkte noch dreckiger als sie ohnehin war.
    München. Landeshauptstadt und in der Region der größte Arbeitgeber. Irgendwo hatte ich mal gelesen, wie viele zehntausend Menschen jeden Tag in die Stadt pendelten, aber ich hatte die Zahl vergessen. War auch nicht mehr wichtig, denn ich gehörte nicht mehr zu den Personen, die wegen der Arbeit hierher kamen. Vor einer Woche hatte man mir gekündigt. Die Gründe dafür hatte man mir genannt, sie standen auch beschönigt in meinem Kündigungsschreiben, aber ich hatte es nicht mal geöffnet. Die ganze Situation war an mir vorbeigegangen. Wie jeden Morgen war ich zur Arbeit gekommen, hatte den Computer hochgefahren und wollte mich gerade dem Papierstapel widmen, der sich vor dem Wochenende angestaut hatte. Da kam meine Vorgesetzte und bat mich in ihr Büro. Alles was danach geschah war nur noch sehr verschwommen. Irgendwann hatte ich die wenigen Dinge, die ich in drei Monaten angesammelt hatte in meinen Rucksack verfrachtet und das Haus verlassen.
    Arbeitslos. Einfach so.
    Eigentlich hätte ich bereits am ersten Tag beim Arbeitsamt auf der Matte stehen sollen, aber ich konnte mich nicht dazu bringen. Weil ich nicht wusste, was ich denen erzählen sollte. Weil ich gar nicht wusste, was ich überhaupt machen wollte.
    Mein Job war nicht herausfordernd gewesen und schon gar nicht besonders spannend. Zur Selbstverwirklichung hatte ich die Stelle auch gar nicht angenommen. Ich wollte einfach nur aus meinem Provinzkaff raus. Dort hatte ich meine Ausbildung beendet und es zog mich in die weite Welt. Und jetzt war ich hier. In der Weltstadt München. Ohne Job.
    Inzwischen war ich bei der Kreuzung angekommen. Am einem Sparkassen-Gebäude überquerte ich die Straße. Hier war ebenfalls ein Abgang zur U-Bahn, sogar überdacht und ähnelte einem Pavillion, aber ich ging daran vorbei und folgte dem weiteren Straßenverlauf. Die Architektur der Gebäude war älter, sogar recht hübsch. Ich überquerte eine weitere Straße und hing meinen Gedanken nach.
    Was wollte ich mit meinem Leben eigentlich anfangen? Das war die große Frage, die ich mir bisher nie gestellt hatte. Und von der ich wusste, dass sie relevant war. Gerade jetzt, damit ich nicht in den nächsten Job kam, den ich bald wieder verlieren würde. Die Straße vor mir öffnete sich zu einem kleinen Platz. Neben mir befand sich ein Café.
    „Café Wiener Platz“, las ich leise vor. Wien mitten in München. Irgendwie skurril. In einiger Entfernung erkannte ich die nächste Tramstation, überquerte also erneut die Straße und ging an den kleinen Häusern vorbei, die beim Gehweg standen. Auf das Angebot achtete ich nicht, mir schlug nur der Geruch von gebratenen Würsten und der Duft von Blumen beim Vorbeigehen entgegen. Die Haltestelle war eines der typischen überdachten Häuschen und stand, zu meiner Verwunderung, direkt neben dem Hofbräukeller. Es dauerte nicht lang, bis eine Tram über die Schienen ratterte und ich einsteigen konnte. Irgendwann wurde „Nächster Halt: Deutsches Museum“ durchgesagt und ich stieg aus.
    Vor mir ragte ein kantiges Gebäude auf. Ob das bereits das Museum war, wusste ich nicht, ich kannte das Deutsche Museum nur vom Hörensagen. Aber mich verwunderten die Adlerstatuen an den Dachecken. Als ich mich umdrehte, sah ich auf der anderen Straßenseite viele Bäume. An einem so grauen Tag wirkten sie zwar ebenfalls nicht besonders schön, aber zogen mich trotzdem mehr an als die hohen Gebäude. Ich überquerte also die Straße und tauchte in den Schatten der Bäume ein. Sie umrahmten einen Platz mit einem Brunnen, den ich nicht kannte. Ein paar Radfahrer fuhren vorbei, von der Straße klang der Lärm der Autos herüber. Ich setzte mich auf die nächstbeste Holzbank und hing wieder meinen Gedanken nach.
    Träume sind Schäume, heißt es ja. Außerdem hatte ich nicht mal einen Traum, den ich verfolgen wollte. Und selbst wenn, war die Wahrscheinlichkeit zu scheitern riesig. Ich kannte niemanden, der tatsächlich eine Arbeit hatte, mit der er rundum zufrieden war. Oder der überhaupt sein Hobby zum Beruf gemacht hatte. Seufzend streckte ich die Beine aus. Ob ich nicht doch meinen Eltern Bescheid geben sollte?
    Neben mir erschien ein Mann, der mit einer Kamera vor dem Gesicht hoch in die Baumkronen schaute. Er murmelte vor sich hin, nahm die Kamera herunter, nur um sie gleich wieder zu heben. Ich wollte ihm keine Beachtung schenken oder neugierig ansehen, aber wir hatten für einen Sekundenbruchteil Blickkontakt. Er lächelte mich kurz an und ich sah schnell weg. Danach widmete er sich weiter dem Fotografieren. Ein bisschen neugierig war ich, was er da fotografierte und wie die Fotos wohl aussahen. Aber um ihn darauf anzusprechen, war ich viel zu schüchtern und auch nicht in der Stimmung. Ich saß also weiterhin auf der Bank und starrte Löcher in die Luft. Die Zeit hatte ich inzwischen schon vollkommen vergessen, als ich weiter über mein Problem grübelte.
    Mit einem Mal nahm ich eine Bewegung im Augenwinkel wahr und drehte überrascht den Kopf nach links. Dort stand der Mann, lächelte mich freundlich an und meinte: „Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht stören, aber wären Sie bereit mir bei einem Foto zu helfen?“
    Ich blinzelte ihn zuerst nur verständnislos an, zuckte aber schließlich mit den Schultern und willigte ein.
    Die nächste Zeit verbrachte ich mit einer wildfremden Person an einem mir unbekannten Ort und machte Fotos. Ich sollte hauptsächlich verschiedene Gegenstände halten, die er in seinem Rucksack dabei hatte. Laut seiner Aussage brauchte er jemanden, der diese in der richtigen Höhe und Position hielt und nachdem er mit einem Teleobjektiv fotografierte, konnte er es nicht selbst tun. Er zeigte mir jedes einzelne Bild, damit ich sicher sein konnte, dass wirklich höchstens meine Hand abgebildet war. Meine Skepsis verflog daraufhin recht schnell, sodass wir bald ins Gespräch kamen und er mir von seiner Fotografie erzählte. Wie er mit dem Medium umging, was ihm wichtig war und welche Trends er bewusst nicht verfolgte. Nach mehreren Fotos schlug er vor, dass wir uns in der Zweibrückenstraße etwas zu Essen holen könnten. Ich willigte ein und wir gingen die Brücke entlang über die Isar. Das grünliche Wasser floss gemächlich unter uns vorbei.
    Mir fiel ein großes Backsteingebäude auf, an dessen Front zwei goldene Halbkugeln hingen. Er war meinem Blick gefolgt und meinte: „Das ist das Patentamt. Oder genauer gesagt, das ‚Deutsche Patent- und Markenamt‘, das Europäische Patentamt ist dahinter. Komplett anderer Baustil, sehr viel Glas und schwarzes Metall. Die Aussicht von der Dachterrasse des Deutschen Patentamts ist super! Dort gibt es auch einen der letzten Paternoster Deutschlands, der noch in Betrieb ist.“
    „Aber da kommt man doch sicherlich nicht einfach so rein, oder?“, fragte ich.
    „Tatsächlich nicht, aber ein Bekannter von mir arbeitet dort. Deshalb weiß ich bisschen was darüber“, erklärte er. „Er wollte mich für einen Job dort begeistern, aber das ist nichts für mich. Die Atmosphäre ist mir zu angestaubt. Lediglich das große Büchermagazin hätte mich gereizt.“
    „Und was machen Sie dann beruflich?“, wollte ich wissen, als wir uns dem Backwerk an der S-Bahnstation näherten.
    „Ich arbeite in einem Fotoladen. Verkaufe Kameras an Leute und versuche, ihre Fragen zu beantworten. Nicht immer so einfach, aber zumindest kann ich so mit der Technik auf dem Laufenden bleiben. Jedenfalls kommt daher das Geld, mit dem ich meine Miete bezahle. Nebenbei bin ich als Hochzeitsfotograf tätig. Das läuft aber erst noch an, viele Aufträge hatte ich noch nicht, aber ich versuch mich selbstständig zu machen.“
    Unser Gespräch wurde vom Kaufen von belegten Semmeln beim Backwerk unterbrochen. Nachdem wir beide gezahlt hatten, schlug er vor, dass wir weiter Richtung Marienplatz gehen, weil dort seine U-Bahn abfahren würde. Ich willigte ein und fragte dann: „Ist das denn schwierig selbstständiger Fotograf zu sein?“
    „Nun ja“, begann er zwischen zwei Bissen, „es ist schon eine Menge Arbeit. Die Leute müssen ja auf einen aufmerksam werden, man braucht eine gewisse Reputation und natürlich muss man bei Aufträgen auch was bieten. Niemand will einen Amateur einen den wichtigsten Tage im Leben festhalten lassen. Ich steh mit der ganzen Sache auch noch sehr am Anfang. Muss man sehen, was daraus wird.“
    Ich biss wieder in meine Semmel und wir gingen eine Weile schweigend die Straße entlang. Wir kamen an einem Kino vorbei und näherten uns schließlich dem Isartor. Wir überquerten die Straße, die an dem großen Bauwerk vorbeiging und folgten der nächsten Straße, die von Elektronikläden, Optikern und weiteren Schnellimbissen gesäumt war.
    Beiläufig stellte sich meine Begleitung als Markus vor, blieb aber weiterhin beim Sie, was ich sehr angenehm fand. Wir machten einen kurzen Abstecher zum Viktualienmarkt, weil er noch etwas kaufen musste, gingen schließlich am alten Rathaus vorbei, bei dem er die Uhr fotografierte und landeten schließlich auf dem heillos überfüllten Marienplatz. Dass selbst bei so miesem Wetter lauter Touristen über den Platz vor dem großen neuen Rathaus liefen überraschte mich.
    „München ist wirklich zu voll“, meinte Markus, als wir die Stufen in den Untergrund hinabstiegen. „Manchmal würd ich lieber draußen aufm Land wohnen, als in dieser zugestopften Stadt.“
    „Lustig, ich komm vom Land und wollte unbedingt raus aus meiner Kleinstadt“, erwiderte ich.
    „Ernsthaft? Was hat Sie da weggetrieben?“, wollte er überrascht wissen, woraufhin ich mit den Schultern zuckte. „Ich weiß nicht, ich fand’s dort irgendwie langweilig.“
    Er nickte daraufhin nur verständnisvoll, aber als er sah, dass seine U-Bahn in wenigen Minuten kam, verabschiedeten wir uns schnell voneinander. Es war mir etwas zu hastig, aber ich musste trotzdem lächeln, weil er sich noch einmal für meine Hilfe bedankt hatte. Weil ich jetzt erst bemerkte, wie spät es inzwischen schon war, machte auch ich mich auf den Heimweg, stieg in die nächste S-Bahn und fuhr zum Hauptbahnhof, wo ich mich in meine bekannte Tramlinie setzte und nach Hause fuhr.


    Über die spontane Begegnung mit Markus dachte ich den gesamten folgenden Tag nach und fragte mich, was eigentlich aus meinen Hobbys geworden war. Ich hatte schon immer sehr gerne gelesen, aber irgendwann kaum noch Bücher gefunden, die meinem Geschmack entsprachen. Vielleicht sollte ich anfangen selbst zu schreiben? Oder mir einen Job in der Buchbranche suchen?
    Es war merkwürdig, je mehr Gedanken ich mir darüber machte und begann aktiv zu suchen, desto weniger kam ich mir vor, wie ein hoffnungsloser Fall. In der vielen Freizeit der kommenden Tage, die ich jetzt unfreiwillig hatte, begann ich kurze Geschichten zu schreiben. Ideen, die ich schon länger im Kopf mit mir herumtrug endlich mal aufs Papier zu bringen. Oder besser gesagt in den Computer zu tippen.
    Es war ein schleichender Prozess über die folgenden Tage, aber das Schreiben gab mir mehr, als ich zuerst gedacht hätte. Es ging nicht nur darum, dass ich Ideen umsetzen konnte, es gab mir auch die Möglichkeit Gedanken aus meinem Kopf zu kriegen. Ich begann mein Leben zu strukturieren, ohne es wirklich wahrzunehmen.
    Vier Tage nach meinem Treffen mit Markus hatte ich meinen Anspruch auf Arbeitslosengeld geltend gemacht und saß mit dem ersten Stellenangebot vor mir am Schreibtisch in meiner kleinen Wohnung.
    „Bewerbungen schreiben … mal wieder“, seufzte ich. Die Aufgabe kam mir im ersten Moment überwältigend vor. Aber als ich so anfing meinen Lebenslauf zu tippen, meine bisherige Arbeit zu beschreiben und was mich an der Arbeitsstelle reizen würde, desto einfacher kam es mir vor. Durch das Geschichten schreiben hatte ich gelernt, dass ich den Pfad der Erzählung ändern konnte.
    Und war mein Leben nichts anderes, als meine persönliche Erzählung?

  • So, dann will ich auch mal mein Geschriebenes veröffentlichen. :)
    Habe mich für die Form des Dramas entschieden, weil mir das Freie Drama in der letzten Saison schon sehr viel Spaß bereitet hat und ich mich einfach mal wieder dran versuchen wollte. Mit eingeflossen ist mein, zugegebenermaßen mittlerweile etwas angestaubtes, Wissen aus drei Jahren Darstellendes Spiel während der Zeit in der Oberstufe. Die Bedeutung der Karten und wie ich sie in das Werk habe einfließen lassen findet ihr weiter unten.




    Der Teufel (umgekehrt), Der Narr, Die Hohepriesterin


    Von der Bühne


    Akt I, Szene 1 (FRAU vollkommen aufgelöst steht mit verweintem Gesicht vor MANN)


    FRAU: Aber ich liebe dich! Versteh doch, seit Wochen gehst du mir nicht mehr aus dem Kopf, die einfachsten Aufgaben gelingen mir nicht, weil ich immerzu an dich denken muss


    DARSTELLER: Stopp!
    (FRAU freezt, MANN tritt aus seiner Rolle und spricht als DARSTELLER)


    DARSTELLER: Wir wissen doch alle worauf das hinausläuft.


    CHOR: Akt Eins! Exposition. Die handelnden Figuren werden vorgestellt, ihre Probleme dem Publikum dargelegt und der Grundkonflikt, um den es sich während des restlichen Dramas drehen wird, bahnt sich an.


    DARSTELLER: Sie, die unsterblich in ihn verliebt ist. Er, der sich ziert und eigentlich gar nichts von ihr wissen möchte.


    CHOR: Akt Zwei! Komplikation. Der Konflikt spitzt sich zu und arbeitet auf den Höhepunkt im dritten Akt zu, dabei hilft ihm das erregende Moment, welches die Handlung maßgeblich voranbringt.


    DARSTELLER: Sie kämpft um seine Gunst, stößt dabei aber auf wenig Gegenliebe. Das Publikum beginnt, sie in ihr Herz zu schließen. Einer der beiden wird sich für eine Nacht einen Seitensprung erlauben, merken Sie sich das, liebes Publikum!


    CHOR: Akt Drei! Peripetie. Das Drama ist an seinem Höhepunkt angelangt. Eine Lösung des Konflikts bahnt sich an.


    DARSTELLER: Nun wird es spannend. War Sie es, die für eine Nacht verschwand, so wird Er es sein, der in seiner plötzlichen Eifersucht erkennt, wie sehr Er Sie doch liebt und sie werden ein glückliches, glückliches Paar. (würgt) War Er es hingegen, der in Akt zwei ein Stelldichein hatte, so wird Er am Morgen danach seinen Fehler erkennen und wieder werden die beiden ein glückliches, glückliches Paar. Das Ergebnis: In beiden Fällen das gleiche.


    CHOR: Akt Vier! Retardation. In der nun eigentlich spannungslosen, fallenden Handlung, sorgt das retardierende Moment für einen Aufschub der endgültigen Konfliktlösung, beispielsweise durch das Wiederauftauchen einer Figur aus früheren Akten. Die Spannungskurve steigt erneut an, erreicht aber nicht das Niveau von Akt drei.


    DARSTELLER: Sie erinnern sich an Akt zwei? Natürlich tun sie das. Ich sag ihnen etwas: Unser Liebespaar hier (deutet auf FRAU und die Stelle, an der er zuvor stand) erinnert sich nicht. Noch nicht. Plötzlich erfährt Er, oder Sie – je nach Situation – aber von dem Seitensprung, der längst vergessen schien. Sei es, weil dieses One Night Stand plötzlich in einem Café auftaucht, eine verhängnisvolle SMS verschickt oder ein Freund, Schrägstrich eine Freundin, sich verplappert. Oh wie unvorhersehbar! Aber keine Sorge, um das gebeutelte Publikum nicht zu lang in dieser Phase schierer Spannung verharren zu lassen – schließlich hat es doch gerade erst die Strapazen der vorigen drei Akte für überwunden geglaubt – folgt nun ganz schnell


    CHOR: Akt Fünf! Katastrophe oder Auflösung. Je nach Genre endet die Handlung in einer Katastrophe oder einem Happy End. Häufiges Element des klassischen Fünfakters ist die Katharsis, welche hier vollends ihre Wirkung entfaltet: Das Publikum wird durch Furcht und Schmerz von Furcht und Schmerz gereinigt.


    DARSTELLER: Sie sind bestimmt alle ganz neugierig, oder? Können sich beide Parteien verzeihen? Ich verrate es Ihnen, denn ich habe das Skript gelesen: Ja! Ja sie werden ein Paar. Die letzte Szene ist ein inniger, romantischer Kuss. Dann fällt der Vorhang, Schluss aus, ab nach Haus.
    (ruft ins Off)Bravo! Bravo Herr Regisseur! Aristoteles wäre so stolz auf sie. Einheit der Handlung, Einheit des Ortes. Nur das mit der Zeit hat nicht ganz so geklappt, aber wer wird denn schon kleinlich sein? Kommen Sie doch mal hoch, los schon, trauen Sie sich.


    (der sichtlich erboste REGISSEUR tritt auf)


    DARSTELLER (wieder zum Publikum): Meine Damen und Herren! Bitte einen großen Applaus für Ihren Regisseur! (zu FRAU) Ach ja, du kannst gehen. Akt fünf ist vorbei, mach erstmal Pause. (FRAU fällt aus ihrer Rolle und verlässt die Bühne. Im Herausgehen zündet sie sich eine Zigarette an)


    REGISSEUR: Bist du eigentlich von allen guten Geistern verlassen? Ist dir auch nur im entferntesten klar, was du angerichtet hast?!


    DARSTELLER (ins Wort fallend): Ach halt den Rand! Seit Jahren schon tanzen hier alle nach deiner Pfeife. „Oh Celina, du musst das R mehr betonen! Oh Christian dein Ausdruck ist mir noch nicht stark genug! Theo, in dieser Szene die Lichttemperatur einige Kelvin höher!“ Wie mich diese Herumschubserei ankotzt. Wenn deine Stücke wenigstens abwechslungsreich wären. Nein, es ist immer die selbe Leier


    REGISSEUR: Ich habe Theaterwis-


    DARSTELLER: Oh ja! Der gute Herr hat Theaterwissenschaften studiert, wie oft wird er uns das wohl noch erzählen? Wohl noch genauso oft, wie er uns erzählen wird, welche bedeutenden Stücke er bereits aufgeführt hat. Jetzt schau dich mal um.
    Sieht das hier aus, wie die Bretter, die die Welt bedeuten? Nein. Sieht dieses Publikum wie die Bewegung aus, die du mit deinen Stücken in Gang setzen willst? (zum Publikum) Nichts für ungut Leute.
    Wer hier startet, der hat vielleicht noch die Chance groß rauszukommen, doch wer hier landet, so wie du es getan hast, wird auf ewig in diesem kleinen, miefigen Stadttheater bleiben.


    REGISSEUR: I-ich


    DARSTELLER: Verschwinde! Und den Intendanten nimmst du am besten gleich mit!
    Liebes Publikum. Warum gehen Sie nicht kurz nach draußen? Ich bin mir nicht sicher, ob die Kollegen vom Verkauf bereits fertig mit den Vorbereitungen sind, aber sobald sie es sind, können sie dort überteuerte Brezeln und Prosecco erstehen, sowie ihr Notdurft auf Toiletten verrichten, die so pikfein gesäubert sind, dass man schon Angst davor hat, sie versehentlich zu beschmutzen. In der Zwischenzeit arrangieren wir hier ein paar Szenen um und fangen dann nochmal von vorne an.


    CHOR: Akt Eins! Exposition. Die vorgestellten Probleme werden gehandelt, ihr Publikum um die Figuren gedreht und das Drama, um das es sich während des restlichen Grundkonflikt bahnen wird, dargelegt.
    (während der Chor spricht, fällt der Vorhang)





    Zu guter Letzt noch ein Danke an @Wenlok Holmes, das Schreiben und das Einlesen in ein Thema, welches mir zuvor völlig unbekannt war, hat mir viel Spaß gemacht. :)
    Auch die wirklich sehr ausführlichen Erläuterungen zu den einzelenen Arkana waren großartig, auch wenn ich sie hier nur bruchstückhaft wiedergegeben habe.


    Liebe Grüße, Dachs

  • Yaman Zweite! o/ Zunächst einmal danke an @Wenlok Holmes für die ganze Mühe, die du dir gemacht hast, die Aktion war super spannend für mich und es hat mir echt Spaß gemacht, mir die Bedeutungen der Karten näher anzuschauen! Hier also mein Blatt:


    [Blockierte Grafik: https://abload.de/img/vanyf7sja.png]


    Und auch meine Bedeutungen und meine Gedanken dazu:





    Masquerade


    Ihr Lächeln verzauberte jeden, der sich zu lange ihrer Gegenwart hingab. Sie besaß kastanienbraune Locken, die spielerisch ihr Gesicht umrahmten und deren Farbe sich in ihren Augen wiederfand. Jeder, der in ihrer Nähe war, wurde von ihrer Präsenz verzaubert, wollte ihr am liebsten jeden Wunsch von den Lippen ablesen. Und sie genoss es.
    Katrina trug ein marineblaues Kleid, dessen Farbe sich so manch aufgewühlter Himmel herbeisehnen würde. Sie befand sich dort, wo sie am liebsten war - zwischen vielen Menschen, die sie bewundern und ihre Schönheit schätzen konnten. Wer immer sie ansah, sah diesen beinahe magischen Schleier, der ihr Lächeln stets überschattete. Niemand konnte es sich erklären, weder seine Existenz noch seine Wirkung. Aber er war immer da. Wie Katrina.
    Es war ein Maskenball, auf dem sie sich befand. Sie war schon auf unzähligen Maskenbällen gewesen und wurde ihnen doch nicht müde. Ebenso wie sie es genoss, die Aufmerksamkeit der Massen auf sich zu ziehen, erfüllte sie das Versteckspiel, die unerkannte Identität, mit einem aufgeregten Kribbeln. Die Maske, die sie heute trug, war mit Perlen und kleinen Strasssteinen verziert, ließ ihre Augen leuchten, trotz des dann und wann auftauchenden leeren Blickes, der selbst Katrinas Aufmerksamkeit entglitt. Die Maske war schwarz und mit dünnen Gummibändern an ihrem Kopf befestigt. Auf der einen Seite steckte eine kunstvolle Feder. Doch trotz der sehr aufwändig gefertigten Maske spürte Katrina ihre Last und ihr Gewicht kaum. Vielmehr genoss sie es, sich in die Sicherheit dieser Maskerade zu begeben und gesehen zu werden - und dann auch wieder nicht.
    Die Menschen um sie herum feierten ausgelassen das Leben. Katrina lachte ihr glockenhelles Lachen, welches sogleich die Menschen, die in ihrer unmittelbaren Nähe waren, ansteckte. Sie hatte schon immer diese Wirkung auf Menschen gehabt.
    Die Frau begann, sich rhytmisch zur Musik zu bewegen. Ihr Innerstes war leicht, fast so, als würde sie schweben und nur ihr Körper wäre an diese Welt gebunden. Denn alles war leicht. Sie blickte sich um, während sie an einem Glas, welches mit einer silbrig leuchtenden Flüssigkeit gefüllt war, nippte. Es gab auf diesen Bällen kein Leid, keinen Krieg, keine Gefahren und niemand war unglücklich. Das war das Schöne daran - jeder konnte einfach glücklich sein, ohne zu wissen, dass es Unheil gab, ohne die zu verurteilen, die anders waren als sie selbst, denn schließlich blieb hier jeder ganz und gar unerkannt. Wer nicht gesehen werden wollte, kam trotzdem, bedeckt mit einer allgegenwärtigen Maske. Wer gesehen werden wollte, tat es, ohne doch ganz erkannt zu werden. So konnte es niemanden geben, der sich ausgeschlossen vorkam.
    Katrina kniff die Augen zusammen und versuchte, hinter die einzelnen Masken zu blicken. Dort war ein Mann, stattlich gebaut, in einen Anzug aus feinster Seide gehüllt, die Maske tief ins Gesicht gezogen. Seine Augen konnte die Frau nicht erkennen.
    Ein paar Meter entfernt tanzte eine kleine Frau, sie trug eine edle, weinrote Robe, und doch wirkten ihre Tanzschritte etwas - unbeholfen. Katrina wunderte sich, es war das erste Mal, dass sie auf solch einem Anlass jemanden unbeholfen tanzen sah. Sie blinzelte verwundert, und als sie dann wieder zu der Frau sah, waren ihre Bewegungen fließend und elegant, als wären ihre Füße dazu geboren worden, zu tanzen. Ihre Maske verdeckte nur ihre Augen. Doch wirkten ihre Gesichtszüge angestrengt, irgendwie verzerrt. Auch die Augen der Frau konnte sie nicht erkennen. Katrina schluckte und wandte sich ab.
    Es konnte nicht sein, dass hier, in diesem von einem prunkvollen Kronleuchter erhellten Ballsaal, jemand angestrengt sein konnte. Alles war hell und voller Licht. Katrina öffnete ihre Augen. So hell, dass es sie beinahe blendete. Doch ihre Augen schmerzten nicht. Hier schmerzte nichts. Alles, was irgendwie wehtun konnte, gab es einfach nicht. In Katrinas Hinterkopf regte sich etwas, etwas, das sich anfühlte wie eine längst vergessene Erinnerung, etwas, an das sie sich trotzdem erinnern musste, doch sie wollte es nicht zulassen. Ihr Gefühl sagte ihr, dass es schlecht war. Das alles, was nicht in diese bunte, wundervolle Welt passte, schlecht war. Und wer wollte schon Dinge erleben, fühlen, die schlecht waren? Sie verursachten nur Schmerzen und ließen nichts Gutes folgen. Und was einmal wehtat, würde nie wieder ganz verheilen, würde immer mal wieder, in Momenten der Stille, stumm anklopfen, um daran zu erinnern, dass Schmerz gespürt werden musste.
    Deshalb schätzte doch ein jeder das Glück, wenn es einem widerfuhr. Deshalb schätzte doch jeder, wenn er sich und seine wahre Natur vor anderen Menschen verstecken konnte. Niemand wollte sehen, wie jemand anderes litt. Was hatte man schließlich davon? Und Ausgelassenheit war doch so viel besser als Leid.
    Sie trank ihr Glas aus und stellte es auf einen vom Alter gezeichneten und fast schon auseinanderberstenden Tisch. Er passte nicht in den leuchtenden und perfekten Saal. Dabei war sie schon so oft in diesem Saal gewesen, und hatte diesen Makel noch niemals bemerkt. Er musste neu sein. Katrina wandte sich ab und schlenderte durch die Menge.
    Ihr Atem ging schwer, was sie sich nicht erklären konnte. Ihre Kopfhaut juckte penetrant, es war fast wie ein Brennen, das sie nicht ausschalten konnte. Fieberhaft blickte sie sich um, doch alles war genau wie vorher. Menschen tanzten, tranken, lachten. Ganz genau wie vorher.
    Beruhige dich, dachte Katrina, atmete tief ein. Ihre Lungen füllten sich mit der stickigen Luft, die voll war von Gerüchen, die ihr den Magen umdrehten. Sie öffnete ihren Mund, das erste Mal seit langer Zeit verging so ihr Lachen, und atmete durch ihn. Noch nie hatte sie diese Schwüle wahrgenommen. Doch es war ganz normal, sagte sie sich. Wo viele Menschen sind, wird es warm. Sie hatte sich ein neues Glas genommen, genehmigte sich einen großzügigen Schluck und genoss erneut die wohligen Klänge der Musik auf ihrer Haut und wiegte sich in der Stimmung. Es ist wunderbar hier. Es ist wie immer. Alle sind glücklich, also bin ich es auch.
    Abrupt jedoch wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als sich eine kühle Hand auf ihrer Schulter niederlegte und Katrina mit einem leichten Druck zwang, sich umzudrehen. Sie schaute in ein Gesicht, das nicht von einer Maske verdeckt wurde - was Katrina erstarren ließ. Hier trug jeder eine Maske. Jeder blieb unerkannt, jeder konnte verstecken, wer er war. Das war doch der Sinn, nicht? Und doch schauten sie ein Paar smaragdgrüner Augen an, durchdringend, als könnten sie ihr auf den Grund ihrer Seele blicken. Und sie fürchtete sich davor - es war, als hätte dies schon so lange niemand mehr getan. Beinahe so, als hätte sie schon ewig keine wirklichen Augen mehr gesehen. Keine wirklichen Menschen.
    Sie schluckte den aufkeimenden Kloß in ihrem Hals hinunter und versuchte, die in ihr aufsteigende Panik schnell wegzublinzeln. Der Mann tat nichts weiter, als sie anzusehen, also gestattete sie sich, ihn zu mustern. Komplementär zu seinen grünen Augen schimmerten seine Haare, die ihm bis zu den Schultern gingen, in einem faszinierenden Farbgemisch aus kaffeebraun und rostrot. Seine Züge wirkten hart, gleichwohl besorgt und so, als würde eine tiefe Trauer sie zeichnen. Erneut wunderte Katrina sich - sie konnte sich nicht erinnern, wann sie das letzte Mal einem Menschen so intensiv ins Gesicht geschaut hatte. In ein Gesicht, das nicht mindestens zur Hälfte mit einer Maske verdeckt war. Ohnehin hämmerte etwas in ihrem Kopf, unnachgiebig, als hätte es schon die ganze Zeit gehört werden wollen. Doch Katrina hatte es ignoriert. Wie sie scheinbar alles ignoriert hatte.
    "Was tust du nur, Kate?" Die Stimme, die dem Mann innewohnte, klang vertraut, strömte wie eine warme Wonne durch ihr Innerstes, ließ es zu, dass sich Tränen in ihren Augen sammelten.
    "Kate?", war das einzige, was sie zu fragen im Stande war. Ihr Name war Katrina. Niemand hatte sie je Kate genannt.
    Er hatte seinen Griff nicht von ihrer Schulter gelöst und legte nun auch seine andere Hand auf ihre noch freie Schulter. Sein Blick blieb fest auf ihr haften, sein Griff verstärkte sich. Er schüttelte sie.
    "Wach doch auf, Kate! Das bist nicht du! Das hier ist nicht real!"
    Etwas regte sich in ihr. Plötzlich erfüllte sie panische Angst, ein Gefühl, welches ihr die Luft abschnürte, schwarze Punkte tanzten vor ihren Augen. Sie drohte, umzufallen, war froh ob der starken Hände, die sie hielten, gleichwohl diese ihr fremd war. Sie blinzelte. Er war fremd. Es ging nicht um sie oder diesen Ball oder diese herrliche Stimmung, die herrschte. Nein, es war ganz allein er, der sich einmischte. Verstohlen blickte Katrina durch ihre Haarsträhnen auf die Tanzfläche, stellte aber erstaunt fest, dass alle anderen Menschen aufgehört hatten, zu tanzen. Alle standen nur da, wie Wachsfiguren, und jeder Blick im Saal haftete auf Katrina und ihrem fremden Gegenüber. Beinahe nur auf ihrem Gegenüber. Und auch, wenn sie die Augen selbst nicht sehen konnte, so spürte sie, was von den Blicken ausging. Wut, Zweifel, Angst. Alles, was sie selbst auch fühlte. Was sie darin bestärkte, dass mit ihr alles in bester Ordnung war.
    Sie machte einen Satz nach hinten und schüttelte so die Hände von ihrem Körper ab. Sowohl ein befreiendes Gefühl als auch ein Gefühl der Verlorenheit machte sich in ihr breit, was sie sich nicht erklären konnte. Tränen brannten in ihren Augen. Sie ballte ihre Hände zu Fäusten. Was maßte sich dieser ihr völlig fremde Mann an, ihr zu sagen, was sie tun und wie sie sich verhalten sollte? Wieso überhaupt hatte er sie angefasst? Was dachte er, wer er war? Sie bleckte die Zähne und war nicht in der Lage, klar und deutlich zu sprechen, vielmehr zischte sie: "Lass mich in Ruhe. Ich kenne dich nicht." Ihre Stimme klang weit entfernt, als würde sie nicht ihr selbst gehören. Ihr Hals war trocken, sie musste husten, es war wie an einem jener Morgende, wenn man seit dem letzten Tag nicht gesprochen hatte und plötzlich wieder versuchte, die Stimme zu erheben.
    Sie wollte sich umdrehen und den Mann einfach stehen lassen, wollte sich wieder den Klängen der Musik, den Getränken und den Menschen hingeben, die ihr so ähnlich waren. Doch als sie sah, wie sich ihre Umgebung verändert hatte, blieb sie unvermittelt stehen, ignorierend, dass der Mann sie ohnehin wieder an der Schulter gepackt hatte: das Licht war erloschen, nur noch hier und da aufgestellte Kerzen ließen die Schatten in der sonst allgegenwärtigen Dunkelheit erahnen. Die zuvor laute und ungehemmte Musik war nur noch zu einem Summen geworden - es lief eine sehr langsame und düstere Version von "Mad World", wenn Katrina es richtig identifizieren konnte. Die Menschen standen noch immer reglos da, ihre Masken erstreckten sich seltsam bizarr in alle Richtungen. Katrina hatte noch nie gedacht, dass etwas in dieser Welt bizarr sein konnte.
    Ihr Atem ging flach. Was geschah hier? Sie blickte zurück zu dem Mann, der sie festhielt, und erneut überkam sie eine blinde Wut, die sich in ihrer Mitte sammelte und dann in ihren Arm wanderte. "Lass mich los!", rief sie, holte verzweifelt mit ihrem rechten Arm aus und schlug den Mann ins Gesicht, dass es knackte. Sie spürte den pulsierenden Schmerz in ihrer Faust, doch er kümmerte sie nicht und sie riss sich fort, rannte los.
    Wach doch auf, Kate! Sie wusste im Grunde gar nicht, von wem er gesprochen hatte. Sie hieß schließlich nicht Kate. Sondern Katrina.
    Das bist nicht du! Die Worte hallten in ihrem Kopf wider wie unaufhörliche Trommelschläge, unüberhörbar. Sie hielt sich die Ohren zu.
    Das hier ist nicht real! Er sagte es, und es fühlte sich an, als würde er nicht lügen. Doch er musste lügen. Das alles war real. Sie hatte es doch selbst miterlebt. Sie war hier gewesen, seit sie sich erinnern konnte. Oder erinnern wollte...
    Abrupt blieb sie stehen, ihr Kleid verfing sich zwischen ihren Beinen. Sie hörte, dass der fremde Mann ebenfalls hinter ihr zum Stehen kam - er musste ihr nachgelaufen sein. Sie schaute ihn an, eine leichte Rötung zeichnete seine Wange, dort, wo sie ihn getroffen hatte.
    Ein wildes Lachen kam aus Katrinas Mund. Ihr Blick war ruhelos - sie schaut an dem Mann vorbei zu den anderen Leuten. Doch was sich hinter dem Mann abspielte, konnte nicht sein - es war zu schrecklich und wirkte doch gleichzeitig so real. "Natürlich ist das real!", schrie sie aufgebracht, Panik ließ ihre Stimme beinahe untergehen. "Schau doch, wie real!" Doch er blickte nicht hinter sich. Er schaute immer nur sie an. So war es schon immer gewesen. Während sich nämlich die Menschen hinter ihm in kleine Staubwolken auflösten und von jedem nur die Maske zurückblieb, nur dieser Rest, der die Menschen in dieser Welt überhaupt ausgemacht hatte, da wirkten seine Augen wie Felsen, die Katrina schützen wollten. Doch sie dachte nicht daran, dass etwas anderes als ihre Masken sie überhaupt schützen konnte. Sie tastete nach ihrer Maske, ihrem Schutz, dem einzigen Freund, den sie hier hatte. Sie konnte nur einen stummen Schrei von sich geben, als sie merkte, dass sie nicht mehr da war.
    Tränen liefen ihre Wangen hinab, sie wollte nicht weinen, weinen bedeutete Schwäche, aber es war, als wäre in ihr ein Damm gebrochen, der so vieles aufgehalten hatte, was sie bisher hatte spüren müssen, es aber nicht gespürt hatte. Sie schluchzte, als wäre das das einzige, was sie konnte. Ihre Sicht verschleierte, doch registrierte sie, dass bis auf sie und den Mann niemand mehr im Raum zu sein schien. Selbst der schwache Schein der Kerzen war abgeebbt, es schien, als würde die Sonne aufgehen, irgendwo weit entfernt. Sie blickte vorsichtig an sich hinab. Ihr Kleid hing nur noch in Fetzen an ihrem Körper. Ihre Arme waren blutverschmiert. Erneut kochte Wut in ihr hoch.
    "Wieso? Wieso hast du das getan? Wieso hast du meine Welt zerstört?", schrie sie ihm entgegen, ihre Stimme nunmehr laut und kraftvoll und trotzdem so voller Schmerz.
    Er jedoch lächelte nur. Ein trauriges Lächeln, das von so vielen verlorenen Kämpfen sprach, dass es etwas in Katrina bewegte. Er ging langsam auf sie zu, bedächtig, als würde er auf ein wildes Tier zugehen, immer in der Angst, es würde fliehen. Doch sie floh nicht. Sie wusste, dass es nichts bringen würde.
    Letztlich war er bei ihr angekommen und legte seine Arme um sie. Er roch gut, er roch wie Zuhause. Doch wusste Katrina überhaupt noch, wie ein Zuhause roch? Sie ließ sich in seine Arme sinken, verlor sich in der Umarmung, schloss die Augen. Es wurde schwarz um sie herum, seine Gegenwart verbannte sie in eine Hülle aus Sicherheit und Schwärze. Liam..?, dachte sie, doch war sie nicht mehr dazu in der Lage, dieses Wort auszusprechen. Sie entglitt ihrer Realität und verlor sich in einem traumlosen Schlaf.


    Liam wartete am Krankenbett. Wie immer. Augenringe zeichneten sich unter seinen Augen ab, die Haut unter ihnen schien so dünn wie Pergament. Es war nicht das erste Mal, dass er Kate aus dieser Drogenhölle gerettet hatte. Nicht das erste Mal, dass sie sich nachts davon gestohlen und die verschiedensten Rauschmittel konsumiert hatte, um all ihren Schmerz und ihren Kummer zu vergessen.
    Gerade, als er aufstehen und gehen wollte, hörte er Kate einige Worte murmeln. Worte, die von Masken und Schmerzen und Liam handelten. Doch er hörte weg.
    Er würde sie, nachdem sie aufgewacht war, wieder in die Klinik bringen. Wo er sie manchmal besuchte, in der Hoffnung, er würde ihr helfen. Und tatsächlich hatte er den Eindruck, dass er ihr manchmal mehr half als die ganzen Medikamente, die sie bekam. Aber vielleicht täuschte er sich auch. Vielleicht war das seine verschobene Realität.

  • Ich habe mich mit dem finden der Überschrift etwas schwergetan, aber hier ist nun auch mein Text. Mir ist nach dem schreiben aufgefallen, das der Text ein bisschen an die Weihnachtsgeschichte: "Die Geister, die ich rief" erinnert. daher habe ich einen ähnlichen Titel gewählt. Ich finde den titel zwar irgendwie nicht ganz zur Geschichte passend, aber ich fand leider keinen besseren. Da ich bei Tarot immer an das Mittelalter denke, habe ich die Geschichte dort angesiedelt.



    Meine Karten waren der Teufel, der Wagen und der Eremit.


    Den Teufel habe ich mit Abhängigkeit verbunden. den Wagen mit Aggression und Kontrollverlust den Eremit eher mit Einsamkeit.


    Die Karten, die ich zog



    Am Rande des Jahrmarktes stand ein rötliches Zelt mit spitzem Dach, welches an jeder Ecke von einer Fackel beleuchtet wurde. Eine Gestalt, in einen langen braunen Kapuzenmantel gehüllt, ging im Schutze der Dämmerung auf das Zelt zu. die Gestalt versuchte unauffällig zu wirken. Sie machte keine großen Schritte, ging aber dennoch zügig auf den Eingang des Zeltes zu. Als die Gestalt hineinschlüpfte, stieg ihr Qualm entgegen. Im Inneren des Zeltes saß eine ältere Frau an einem Tisch. Sie trug ein rötliches Gewand mit unterschiedlichen Mustern und wirkte, als würde sie warten. Als die Gestalt hereintrat, reagierte die Frau nicht. Ihr Blick schien den Besucher zu durchdringen. Dieser sah, dass ihre Augen milchig im Kerzenlicht schimmerten. Der Besucher setzte sich auf einen Stuhl, der ihr gegenüberstand. An den Stuhlbeinen waren kleine Glöckchen befestigt, die bei Bewegung des Stuhls klingelten. Nachdem der Klingelton erloschen war, brach die Frau ihr Schweigen. "Willkommen Suchender. Was ist euer Begehr?"
    "Ich muss wissen, wie meine Zukunft aussehen wird."
    "Warum wollt ihr das", fragte die Frau.
    "Das geht euch nichts an."
    Die Wahrsagerin zuckte kurz mit den Schultern und zog einen Stapel Karten aus einer Tasche an ihrem Gewand.
    "Wie wollt ihr sie lesen, wenn ihr blind seit", fragte der Besucher.
    "Ihr habt nach Wissen verlangt", sagte die Frau "also müsst ihr selbst lesen. Ich selbst brauche dieses Wissen nicht." Die Wahrsagerin mischte den Kartenstapel und zog anschließend drei Karten, die sie verdeckt nebeneinander auf den Tisch vor ihr legte.
    "Die Entscheidung ging aber schnell", bemerkte der Besucher.
    "Dreht eine Karte um und sagte mir, was ihr seht."
    Der Besucher streckte vorsichtig seine Hand aus, nahm eine Karte vom Tisch und deckte sie auf. Als er das Bild sah, das sich auf der Karte befand, wich er erschrocken zurück. "Nein, das kann nicht sein. Ich habe doch versucht alles richtig zu machen. Was habe ich falsch gemacht", rief er verzweifelt. Die alte Frau lächerte und kicherte leise. "Ist es der Teufel oder der Tod", fragte sie. "Der Teufel", antwortete der Besucher, "woher wusstet ihr, das es der Teufel sein könnte? Ist der Tod auch unter einer der Karten?"
    "Der Teufel und der Tod sind beides Karten, die bei den meisten dieselbe Reaktion hervorrufen, die ihr gerade gezeigt habt. Ob der Tod auch unter den Karten ist, vermag ich nicht zu sagen. Das wird sich später zeigen."
    "Wozu, wenn ich ohnehin verloren bin?"
    "Seit ihr?"
    "Warum fragt ihr? Ich bin doch hier, um das herauszufinden."
    "Erst sagt ihr, das mich euer Grund nichts angeht, was grundsätzlich stimmt. Dann behauptet ihr, die Antwort bereits zu kennen. Ich glaube, ich kann mir vorstellen, welche Karten ihr noch gezogen habt. Aber fangen wir vorne an. Wie herum liegt der Teufel von euch aus betrachtet?"
    "Verkehrt herum."
    "Verstehe."



    Es war einer der Nächte, in der König Richard nicht schlafen konnte. Nicht etwa, weil ihn Alpträume quälten, sondern weil Demonstranten vor dem Schloss standen und schrien. Sie waren mit Fackeln bewaffnet und warfen Steine. Richard hatte seine Wachen angewiesen, das lästige Pöbel zu entfernen, doch sie kamen inzwischen in beinahe jeder Nacht zurück. In der letzten Woche gelang es sogar jemandem, in den Schlosshof zu gelangen. Zum Glück konnten die Wachen diesen Mistkerl aber schnell festnehmen und in den Kerker werfen. In Richards Augen lag Zorn. Er blickte von seinem Schlafgemach aus auf die Demonstranten herab. Sie hoben ihre Fäuste und verlangten nach Geld und Essen.
    "Sie sollen arbeiten", dann kriegen sie Geld", dachte Richard, "stattdessen will dieses nutzlose Pack meine Schatzkammer leeren und meine Vorräte plündern!"
    König Richard ließ seinen Blick über die Stadt schweifen. Viele Häuser waren heruntergekommen und die Stadtmauern waren ebenfalls in einem schlechten Zustand. "Kein Wunder, wenn sie ihre Häuser nicht in Schuss halten, sonder lieber vor meinem Schloss herumwüten!" Frustriert schlug Richard mit einer Faust gegen die Wand. Er schrie auf und schüttelte seine schmerzende Hand. Doch seine Wut wurde dadurch nur noch größer. Er nahm einen nahen Holztisch und warf ihn gegen die Wand, wo er krachend liegen blieb. Die Adligen blieben fern, weil er ihnen nicht genug Luxus bieten konnte. Plötzlich öffnete sich die Tür und ein Diener trat ein und verbeugte sich kurz.
    "Ist alles in Ordnung mein Herr?"
    "Willhelm, komm herein und tritt ans Fenster", sagte Richard und winkte den Diener zu sich.
    "Sagt mir, warum sie nicht arbeiten", verlangte Richard und sah ihn wissbergierig an. "Es ist Nacht, Sir", gab Willhelm zu bedenken und blickte zu Boden.
    "Das sehe ich selbst. Sie sollten nachts ruhen, und doch tun sie es nicht. Sie sollten tagsüber arbeiten, und doch tun sie es nicht. Wie soll ich sie verteidigen, wenn die Mauern aussehen, als könne man sie mit Füßen eintreten?"
    "Das ist nicht das Problem der Menschen Sir"
    König Richard wurde rot vor Wut.
    "Was ist das Problem dieser Menschen", schrie er den Diener an.
    "Nun...", begann Willhelm vorsichtig,"sie wissen von eurer vollen Speisekammer und die hohen Steuern, verbunden mit der Dürre,..."
    "Schweigt", unterbrach Richard den Diener scharf,"ihr habt kein Recht über mich zu urteilen. Hinfort mich euch!"



    "Versuchungen gibt es viele im Leben. Die Frage ist, wieviel ist gut für uns. Und wie sehr machen wir uns von unserem Besitz abhängig. Manchmal muss man mehr geben, um glücklich zu sein."
    "Wie meint ihr das genau", fragte der Besucher. Die Wahrsagerin ging nicht auf seine Frage ein. "Deckt bitte die nächste Karte auf."
    "Ein Wagen, der ebenfalls umgekehrt liegt. "Das dachte ich mir", sagte die alte Frau zufrieden.
    "Lasst es mich euch erklären, bevor wir zur dritten Karte kommen."



    Die Demonstranten waren nicht das einzige, was den König in Rage versetzte. Wenige Stunden zuvor hatte einen Brief erhalten, der besagte, dass das benachbarte Königreich den Handelsvertrag mit seinem Reich kündigte. Dadurch kamen noch weniger Waren ins Land, als ohnehin schon. Minutenlang hatte er entsetzt den Brief angestarrt.
    "Verräter, allesamt", rief er wütend. König Richard verließ sein Schlafgemach und ging stampfend in sein Arbeitszimmer. Heute Nacht würde er nicht mehr schlafen können.
    Im Arbeitszimmer waren weitere Briefe, die er beantworten musste. Manche waren noch ungeöffnet. In der Hoffnung auf gute Nachrichten, riss er einen Brief nach dem anderen auf. Zwei weitere Königreiche hatten die Verträge mit ihm gekündigt. Außerdem hatte er hohe Schulden. Und obwohl seine Schatzkammer voll war, weigerte König Richard sich irgendetwas zu bezahlen.
    "Wenn sie Verträge brechen, können sie sich ihr Geld sonstwohin stecken", brüllte er und zerriss die Briefe. Kürzlich hatte ihm ein Königreich bei dem er Schulden hatte sogar mit Krieg gedroht. Frustriert trat er gegen einen Stuhl, der laut umkippte. Sie alle hatten sich gegen ihn verschworen. Die Adligen, die Handelspartner und sogar sein eigenes Volk.



    "Ich verstehe", sagte der Besucher. "Gut, dann deckt bitte die dritte Karte auf."
    "Ein alter Mann mit einem Stock und einer Laterne. Was hat das zu bedeuten", fragte der Besucher. "Das ist der Eremit. Den hatte ich weniger erwartet als den Wagen", antwortete die Wahrsagerin,"wie herum liegt er?"
    "Diesmal nicht umgekehrt."
    "Interessant."



    König Richard schlug mit seinen Fäusten wütend auf den Tisch. Von draußen hörte er die Rufe der Demonstranten. Plötzlich ging die Tür auf und ein Berater trat ein. Richard starrte ihn mit großen Augen an. In seinen Augen lag Zorn und jede faser seines Körpers war angespannt. "Wag es ja nicht...", dachte Richard, während der Berater zu sprechen begann. "Sir, die Demonstranten..."
    "Raaaauuuus!!!"
    König Richard brach zusammen. Er lag zitternd am Boden und schrie aus Leibeskräften. Alle hatten ihn verlassen. Seine Freund, seine Familie und seine Handelspartner. Und sein Volk hasste ihn. Nach einer gefühlten Ewigkeit beruhigte er sich wieder und holte mehrmals tief Luft. Dann stand er auf und ging ans Fenster. Draußen protestierten immer noch die Demonstranten, doch das war ihm jetzt egal. Denn plötzlich überkam ihn eine seltsame Ruhe. Er öffnete das fenster und setzte einen Fuß auf das Fensterbrett.
    Er sah hinunter auf die Menschenmenge, die nun schockiert nach oben blickten. König Richard stand nun am Rand des Fensters. Vor ihm ging es weit nach unten.
    Er blickte über die Menschenmassen hinweg und ließ seinen Blick über die Stadt schweifen. Plötzlich sah er in der Ferne mehrere Zelte. Er erinnerte sich, das seit zwei Tagen ein Jahrmarkt in der Stadt war.
    Plötzlich keimte so etwas wie Hoffnung in ihm auf. Er trat vom Fenster zurück und rannte durch das Schloss. Während er rannte, schnappte Richard sich einen Umhang, damit man ihn nicht erkennen konnte und verließ das Schloss durch den geheimen Fluchttunnel, da das Haupttor immer noch voller Demonstranten war.



    "Ich verstehe", sagte der Besucher, "ihr habt mir sehr geholfen. Ich danke euch."
    Der Besucher legte einen Beutel Münzen auf den Tisch. Die Wahrsagerin nahm den Beutel entgegen.
    "Schön, freut mich, das ich helfen konnte." Der Besucher stand auf und verließ das Zelt.



    König Richard kehrte über den Fluchttunnel in sein Schloss zurück. Er befahl seinen Dienern, einen Wagen mit Pferden auf den Hof zu bringen. Dann öffnete er die Speisekammer und trug mehrere Kisten voller Lebensmittel auf den Hof.
    "Ladet sie auf", befahl er, "und räumt die Schatzkammer leer, ich habe Schulden zu begleichen."
    Nach ein paar Minuten war der Wagen voller Lebensmittel.
    "Öffnet das Tor", befahl Richard und trieb die Pferde an. Diese rannten durch das nun offene Tor, sodass mehrere Demonstranten erschrocken zurückwichen. Vor den überraschten Menschen stoppte König Richard den Wagen und stieg von der Kutsche ab. Er hob die Hände und bat um Ruhe. Die Menge verstummte.
    "Ich habe lange genug an mich selbst gedacht und mich der Gier hingegeben", rief er, "Dafür möchte ich mich entschuldigen. In den nächsten Tagen werden wir gemeinsam unser Königreich wieder aufbauen und ich verspreche euch, ihr werdet in Zukunft immer genug zu Essen haben. Gleich morgen früh werde ich mich um all eure Probleme kümmern, doch für heute Nacht muss diese Wagenladung reichen. Greift zu!"
    Während die Menschen sich jubelnd über die Nahrungsmittel hermachten, spürte König Richard etwas, das er schon lange nicht mehr gespürt hatte. Freude und Glück.

  • Yay, ein Stapel Abgaben! Da freue ich mich und will ich doch gleich mal Kommentare hinterlassen!
    Vorweg aber gleich die Anmerkung: Eigentlich gibt es hier aus meiner persönlichen Sicht, keine „falschen“ Texte. Die Idee dieser Aktion ist, zu zeigen, dass Tarot-Karten gut als Inspirationsquelle dienen können und dass sie – die Rückmeldungen vieler Teilnehmer bestätigen das – Erfahrungen repräsentieren, mit denen man sich identifizieren kann. Denn gerade aus eigenen Erfahrungen heraus, schreibt es sich, finde ich, am besten – man kommuniziert das am stärksten, das man selber kennt.
    Wenn ihr also irgendwas geschrieben habt, zu dem euch diese Karten geführt haben, ist das schon gut!
    Trotzdem kann ich mir vorstellen, dass ihr euch auch fragt „Okay, wie treffend ist meine Abgabe im Sinne des Tarot?“ und genau auf diese Frage will ich hier in meinem kurzen Feedback auch eingehen.


    Fangen wir an und Entschuldigung, dass ich euch nicht alle schaffe – ich hatte einen langen Tag und nicht alle Texte in der Mittagspause lesen können, ich reiche den Rest natürlich bald nach!



  • So dann geht's heute auch weiter



  • Alola zusammen, hier ist das Kiri und bringt euch endlich den langersehnten ersten Lyrikbeitrag dieser Aktion!


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    Der Turm (verkehrt), der Herrscher und die Liebenden. Die Bedeutungen der Karten folgen nach dem Text.



    Lügenturm


    Manchmal reicht an manchen Tagen
    ein Gefühl, um sich zu fragen,
    ob, was man für richtig hält,
    bald am Test der Welt zerfällt;
    und man spürt, während man irrt,
    wie es zur Gewissheit wird.


    Ein Moment, ein Augenblick,
    nur Verwirrung, kein Zurück.
    Ihn zu sehen, macht mir klar:
    Nichts bleibt so, wie es mal war.


    Einen Herzschlag lang begehren,
    einen Herzschlag sich nicht wehren,
    einem Traum sich hinzugeben,
    einem neuen, freien Leben,
    dem Moment nicht widerstehen --
    und es ist um mich geschehen.


    Doch es soll und darf nicht wahr sein!
    Das muss meinem Herz doch klar sein!
    Was soll'n alle von mir denken?
    Die Vernunft hat mich zu lenken!
    Ich und schwul? Nein, nie im Leben!


    Doch sein Blick streift nun den meinen,
    hoffnungslos Hoffnungen scheinen.
    Doch ein Feuer brennt in mir
    und ich hasse mich dafür.
    Doch mein Blick bleibt an ihm kleben.


    Und nun sehe ich benommen,
    wie durch Zeitlupe verschwommen,
    wie er langsam, Schritt für Schritt,
    immer näher zu mir tritt.


    "Ich muss dich was fragen und bitte sei ehrlich.
    Stehst du auf mich?"


    Wie ein Sturm, wie ein Gewitter,
    gleich dem Herzschlagdonnertakt
    rasen tosend die Gedanken
    im Gedankentunneltrakt.


    Wenn ich nun die Wahrheit sage,
    kommt mein wahres Selbst zu Tage;
    jeder wird darüber lachen
    und aus mir den Narren machen.
    Ich kann mich, wenn es die Massen
    wissen, nicht mehr blicken lassen.


    Doch wenn ich dem Druck mich beuge
    und mein wahres Selbst verleugne,
    bin's auch ich, der ich verliere
    jeden Selbstrespekt und Ehre.
    Mag ich mein Gesicht auch wahren,
    ich versink' in Lügenscharen.


    Soll ich jetzt die Welt belügen
    oder mich verwundbar machen?
    Nein, ich kann mich nicht betrügen!


    Und so spricht aus mir der Mut,
    mehr noch als die Hoffnungsglut.
    Und ich hauch', kaum hörbar leise,
    auf zutiefst ehrliche Weise:


    "Ja, das tu ich."



  • Ich habe, zugegeben, es etwas schwierig mit meinem Blatt gehabt. Am einfachsten hätte ich meine eigene Studiengeschichte hier aufschreiben können, aber das interessiert keinen und mich auch nicht. Also habe ich mich nicht nur von den Karten, sondern auch von meiner letzten fachwissenschaftlichen Arbeit inspirieren lassen (vielleicht lade ich sie noch in mein Topic mit hoch, wenn ich die Geschichte dort poste. Natürlich nur, sofern irgendwer 25 Seiten Blabla über Autobiografietheorie lesen will.)


    Mein Blatt war jedenfalls folgendes:



    Der Narr (umgekehrt) Die Sonne Die Welt
    Bedeutung umgekehrt:
    Stichworte: Naivität, Torheit, mangelnde Umsicht
    Bedeutung aufrecht:
    Stichworte: Positivität, Freude, Spaß, Lebensgenuss
    Bedeutung aufrecht:
    Stichworte: Abschluss, Vollendung, Erfolg, Weltsicht, Reise



    Der Autor

    [align=justify]Es war einmal, so könnte diese Geschichte beginnen, ‚Es war einmal‘ oder ‚Eines Tages‘ oder „Es war an einem Sonntagvormittag im schönsten Frühjahr“, aber nein, das ist zu generisch. Da muss etwas Spannenderes, oder zumindest etwas mit einem tieferen Sinn, mit Bedeutung. Sonst kann das doch jeder Computer. Tatsächlich habe ich gelesen, dass kürzlich ein Computer an Harry Potter weitergeschrieben hat.


    Sollte ich vielleicht auf den Zug aufspringen, der vom Gleis 9 ¾ fährt? Ein paar Galleonen sind damit bestimmt zu machen. Dann kann ich mir vielleicht das neue MacBook kaufen, auf dem es sich angeblich so gut schreibt. Das ich natürlich schon habe, wenn man meine Autorenkollegen fragt, denn warum sollte ich mir die Blöße geben, dass sich das Buch nicht so gut verkauft. Beziehungsweise, dass irgendwelche höheren Mächte dahinter stehen, dass mein Meisterwerk nicht in allen Buchhandlungen zwischen Hamburg und Wien erhältlich ist, und das nicht, weil es ausverkauft ist. „Das haben wir nicht vorrätig. Wir können es für Sie bestellen, wenn Sie möchten, oder Sie versuchen es in einer anderen Filiale, ich sehe kurz im Bestand nach …“, bemüht der gelangweilte junge Mann, schlaksig und mit arroganter Brille, das Gerät vor ihm, das aussieht wie ein Gerät, welches aus einer Liaison von einer Kasse und einem 90er-Jahre PC zusammengeschustert wurde. Und genau so schnell rechnet es. Aber irgendwann haben wir es wieder: „Nein, leider auch nicht. Es dürfte vergriffen sein.“ Ha, dass ich nicht lache, leider verstehe nur ich den Scherz und kann mir gerade noch ein verzweifeltes Grinsen verkneifen. „Ich kann es, wie gesagt, für Sie bestellen. Wie wär‘ der Name, werter Herr?“ – „Sparen Sie sich die Mühe, an den Verlag wenden kann ich mich auch selbst.“ Das stört den Verkäufer nicht und er wendet sich wieder dem Buch zu, das neben ihm liegt und von Konjunktionen handelt. Statt sich weiter um mich, seinen Kunden, zu kümmern, streicht er mit einem grünen Textmarker Stellen in dem Buch an. Mir graust es. Ich habe nie zu der Sorte Studenten gehört, die in Büchern herumkritzelt, aber gut, meine Bücher waren auch zumeist aus der Bibliothek und ich sehr sozial veranlagt (anders als andere) – aber der Gute hier, der sitzt ja direkt an der Quelle. Ein Büchersnob, sozusagen. Bestimmt studiert er Linguistik, oder sogar Germanistik, und ist gerade dabei, seine Karriereleiter zu besteigen.


    Ob er meinen Namen kennt? Schon einmal gelesen hat? Erkannt hat er mich ja nicht. Aber wozu auch, nur weil man Bücher liest, kennt man ja nicht unbedingt den Autor. Schon gar nicht, wie der eventuell aussehen könnte. „Der Autor ist tot“ hat Barthes mal gesagt. Naja, in der Rezeptionstheorie bin ich ja sowieso nur derjenige, der auf seinem alten Laptop Zeichen in die Tasten haut. Was die Leser dann lesen, ist wieder ihre Sache. Mein Buch ja anscheinend sowieso nicht. Warum habe ich mich auch mit der Verlegerin über das Titelbild gestritten? „Eine Blume, das wäre doch hübsch, das spricht die Frauen an“, aber ich wollte keine Blume. Immer die Frauen mit ihren dummen Blümchen. Immer die Verleger mit ihren eigenen Ideen. Das ist MEIN Buch, MEIN Text und da kommt kein einziges Mal eine Blume vor. Fick die Blume, wofür soll die noch stehen? So ein dummes Symbol. Wer sagt, dass mein Buch „Frauen ansprechen“ soll, wieso nicht Menschen, die auch mehr sehen als nur eine Blume am Cover? Wer fragt mich, was ich will, was ich mir dabei gedacht habe?


    Tja, was habe ich mir dabei gedacht. Nachgegeben hat sie mir, die Verlegerin, keine Blume sieht man am Cover, wenn das Buch in den Regalen liegt. Besser gesagt, läge, denn jemand versteht sich darauf, seine Drohungen wahr zu machen. „Das Buch kannst du abschreiben. Das wird sich nicht verkaufen, ich schwöre es dir“, hat sie mir gesagt und eine geringere Stückzahl als vereinbart in den Druck geschickt, im Wissen, dass es nicht den Laden, sondern das Lager hüten wird. Von dort aus kann die Buchhandlung es bestellen. Wenn sie möchte, wenn der Verlagsvertreter sie vom gelungenen Inhalt des Werkes überzeugen konnte. Ich habe das Gefühl, dass er mein Buch nicht gelesen hat (vielleicht steht er auch auf Blumen?) oder sein Exemplar verlustig gegangen ist, untergegangen unter den Bücherbergen der Kollegen, deren Cover ihn mit generischen, natürlich tiefgründigen, Motiven überzeugen konnten. Oder die Verlegerin wusste ihn zu überzeugen. Ich glaube an letzteres und notiere mir in meinem Notizbuch im Kopf: Einen neuen Verlag suchen. Super, weil das ja beim ersten Mal schon so gut geklappt hat. Ein Glück, dass man mich der zweite dann abgeworben hat, weil sie dort mein Talent erkannt haben. Dass so ein Talent auch ganz schön stur sein kann, wissen die zwar, aber sie wissen auch, dass wir ohne sie nicht können. Ohne sie, die Literaturmaschinerie, innerhalb der wir Autoren alles und nichts sind. Sie brauchen uns, wir brauchen sie, aber vor allem brauchen wir sie, weil es uns wie Sand am Meer gibt. Immerhin hast auch du in der Schule schreiben gelernt. Beste Voraussetzung also, um Autor zu werden.


    Ich streiche die Notiz wieder aus meinem Kopf. Alle Verlage sind gleich, oder sie sind schlecht. Das Ergebnis ist das gleiche: mein Buch wird nicht verkauft, und ich bekomme kein MacBook. Also zurück zu der Harry Potter-Idee. Fällt das unter Copyright-Verletzung? Sollte ich lieber Parry Hotter schreiben? Vermutlich ist der Verlag so mächtig, dass selbst eine Geschichte über eine Zaubererschule deren Copyright verletzt. Aber letzten Endes will ich ja eh kein Trittbrettfahrer, keine copy cat, sein. Ich will originell sein. Deshalb auch keine Blume am Cover MEINES Buches. Doch das einzige Regal, in dem es steht, ist ebenfalls meines. Okay, das ist untertrieben, habe ich meine Belegexemplare doch zu Weihnachten in meiner Familie und an Freunde verschenkt (Selbstgemachtes kommt immer gut an HAHA), die mir durchaus glaubhaft versichert haben, dass ihnen das Buch gefällt oder sie sich zumindest geschmeichelt fühlten, wenn sie sich in einem Charakter wiedererkannt haben. Ja, das Leben schreibt die besten Geschichten, zumindest inspiriert es zu den besten. Und manchmal geschehen einem so unglaubliche Dinge, die kann man niemandem erzählen, ohne es als erfunden zu verkaufen, sonst wird man für verrückt gehalten. Die Gattung nennt man dann Roman. Oder Novelle. Ich glaube der Unterschied liegt in der Länge, aber fragt mich nicht. So eine Entscheidung trifft der Verlag.


    Meine Aufgabe ist es, den Text zu schreiben. Nicht zu kurz, nicht zu lang, nicht zu langweilig, nicht zu extravagant (dafür bin ich noch nicht bekannt genug), nicht zu kafkaesk (Leser lieben Kafka, aber schreibt man wie Kafka, verstehen sie einen nicht) und UM GOTTES WILLEN so, dass man es gut verkaufen kann. Liegen Vampire im Trend? Schreib einen Roman über eine Liebesgeschichte mit einem Vampir. Liebesgeschichten gehen sowieso immer gut. Vampire haben ein Ablaufdatum. Dann kommen Werwölfe, Zombies (‚Verliebt in einen Zombie‘ stelle ich mir allerdings schwierig vor), Nerds – „wenn wir schon dabei sind, leg‘ dir ein weibliches Pseudonym zu, sonst verkaufen sich die anderen Romane nicht mehr“ – und so weiter und so fort. Bei den ganzen Vorgaben kann man froh sein, nicht durch einen Computer ersetzt zu werden.


    Noch nicht jedenfalls. Der Gedanke daran entfacht in mir die Vorstellung einer dystopischen Welt ohne Autoren. In der Autoren tatsächlich tot sind, zumindest der Beruf. Dass die Menschen dann noch lesen, kann ich mir sowieso nicht vorstellen. Das kostet doch Zeit, und Zeit ist Geld, und ohne Geld stirbst du im Kapitalismus, also wo denkst du hin? Da muss ich tatsächlich grinsen. Ohne Leser keine Verkaufszahlen. Ohne Verkaufszahlen kein Geld. Ohne Geld – keine Verlage. Vielleicht ist der Autor dann nicht tot, sondern frei? Die Vorstellung gefällt mir und ich beginne zu schreiben.


  • Uff. Wie beim Wetti schon erwähnt ist bei uns auf der Arbeit ein Storagesystem abgeraucht und meine eigentliche Geschichte dadurch flöten gegangen, was jetzt folgt ist im Prinzip nur ein Ersatz mit Ähnlichkeit zum Vorgänger.
    Als ich meine Karten bekam (die überwiegend negativ sind x'D) kam mir sofort eine Idee in den Sinn, die ich unbedingt umsetzen wollte. Um ehrlich zu sein war ich überrascht davon, wie schnell ich diese Idee heruntergeschrieben habe. Trotz einiger Schwächen gefällt mir meine kurze Geschichte, mal sehen ob ich daraus in Zukunft noch mehr mache.



    Sonnenlicht


    Verzweifelt umklammerte Tessa ihr Schwert. In den letzten Tagen hatte sie kaum mehr als ein paar Stunden Schlaf bekommen, die ewigen Kämpfe forderten immer mehr ihren Tribut und zehrten an ihren Kräften. Das Geschrei der Krieger um sie herum, das Klirren der aufeinanderprallenden Waffen, die sterbenden Menschen - es war ihr ein Rätsel wie sie das bisher hatte ertragen können ohne die Beine in die Hand zu nehmen.
    Als sich eine Hand auf ihre Schulter legte zuckte sie zusammen, doch sie war zu erschöpft um ihre Waffe rechtzeitig herumzureißen. Der Besitzer stieß ein kurzes, hartes Lachen aus.
    "Gut, dass ich nicht dein Feind bin", erwiderte Rheállar und drückte ihr einen Wasserschlauch in die Hand. Dankbar trank Tessa das abgestandene Wasser und musterte ihn aus dem Augenwinkel. Rheállars rechte Hand hatte ihren Panzerhandschuh verloren und trug stattdessen einen dreckigen Verband, welcher unter anderen Umständen längst hätte gewechselt werden müssen um eine Infektion zu vermeiden. Auch sein Helm war verloren gegangen und sie konnte seine spitzen Elfenohren erkennen, welche er sonst tunlichst versteckte. Als er ihren Blick bemerkte wandte sie sich schnell ab.
    "Haderst du immer noch mit deinem Schicksal, Auserwählte?", fragte er leise. Vor einigen Wochen noch war seine Stimme spöttisch gewesen, voller Verachtung für ihre neue Rolle in dieser fremden Welt, die nicht ihre war. Doch seine Abneigung hatte sich immer mehr in Respekt gewandelt je näher die Kampfhandlungen der Hauptstadt gekommen waren.
    "Ja, in der Tat. In meiner Welt würde ich jetzt eine Hausarbeit nach der anderen schreiben und mir maximal Sorgen darüber machen, dass meine Mitbewohnerin ihre Töpfe sauber macht. Nun fürchte ich um mein Leben. Und eures. Und das aller hier."
    Traurig ließ sie ihren Blick über das Schlachtfeld gleiten. Vor einem knappen halben Jahr hatte es sie in diese Welt verschlagen, die sie sonst nur aus Büchern kannte. In Ahn Durrn war das Wirken von Magie so gewöhnlich wie atmen, mystische Kreaturen wurden wie Kühe in Ställen gehalten und fliegende Inseln waren der Stolz des Königreichs Mórren. All dies zu erleben wäre ohne den Krieg sicherlich eine Freude gewesen.
    Tessa war die Auserwählte, ein Titel, den sie nach wie vor nicht tragen wollte. Das reinste Klischee eines jeden Fantasyautors, der Prophezeiungen verfasste um seinen Protagonisten in den Vordergrund zu rücken, hatte sie, eine einfache Biologiestudentin, getroffen. Nun hielt sie ein magisches Schwert - Lichtklinge - in den Händen und galt als letzte Hoffnung der Menschheit, welche von finsteren Dämonen abgeschlachtet wurde.
    Dumm nur, dass sie trotz allem am Verlieren waren.
    Wenn sie früher in diese Welt gekommen wäre. Wenn sie Lichtklinges Macht besser beherrschen würde. Wenn... ja, wenn nur.
    Während sie noch versucht hatte, sich an die Kraft in dem magischen Metall zu gewöhnen, war es der Huvian-Allianz gelungen Lichtklinges Gegenstück Schattenklinge zu erlangen. Seitdem ging der mühsam erkämpfte Fortschritt um wichtige Ländereien zu Grunde und die Bewohner unzähliger Landstriche wurden getötet oder als Untote in die Armee der Allianz aufgenommen. Mittlerweile standen sie vor den Toren der letzten freien Hauptstadt Ahn Durrns, Weißfall, und kämpften gegen eine scheinbar endlose Menge an Gegnern.
    Vor einigen Tagen hatte kräftiger Regen eingesetzt und die Menschen zusätzlich entmutigt.
    Rheállar nahm ihr den Wasserschlauch ab und starrte zum wolkenverhangenen Himmel hinauf.
    "Weißt du, Tessa, es gab eine Zeit da empfand ich für die Menschen nur Verachtung. In meinen Augen wart ihr dumme, kurzlebige Wesen die aus purem Egoismus ihre Nächsten abschlachten. Und wofür? Einen Edelstein. Ruhm und Macht. Oder schlicht aus Neid." Ein schmales Lächeln breitete sich auf seinem Gesicht aus und er wandte sich Tessa zu. "Aber mittlerweile habe ich begriffen wie falsch ich lag. In euch steckt viel Gutes, die Macht, Dinge zu bewegen und für Schönes zu sorgen. Heute, Tessa, Auserwählte aus einer anderen Welt, heute stehe ich mit Stolz an deiner Seite. Wenn mein langes Leben neben dir ein Ende findet, so erfüllt es mich mit Ehre und nicht mit Grahm. Ich danke dir, Menschenkind."
    Überrascht von seiner Ehrlichkeit fehlten ihr die Worte. Als sie sich nach kurzem Nachdenken eine Antwort zurecht gelegt hatte wurde sie von etwas Hellem geblendet. War das etwa...?
    "Ich danke dir für deine Worte Rheállar. Aber heute ist noch nicht der Tag gekommen, an dem wir untergehen werden", erwiderte sie und zeigte gen Süden, wo sich zwischen den finsteren Wolken die Sonne einen kleinen Spalt erkämpft hatte. Mit neuer Kraft griff sie fester nach Lichtklinge und trat der finsteren Armee entgegen.

  • Salve, hier ist Konnässör mit einer stinknormalen Geschichte in der gar nichts passiert. Ich habe ziemlich lange daran herumstudiert und ein paarmal neu angefangen, bin nun aber doch halbwegs zufrieden. Die Geschichte handelt vor allem von Drogenmissbrauch, bitte reißt mir nicht den Kopf ab ok


    Dankeschön an @Wenlok Holmes für die eher unheilvollen Karten und die passenden Erklärungen dazu:





    Kein Problem


    Von irgendwo draußen schlug es zwei Uhr morgens. Die darauffolgende Stille im Wohnzimmer war greifbar, erdrückend und unbeweglich. Staub und dicker weißer Nebel wirbelte im gedämpften Licht der einsamen Deckenlampe herum, füllte das gesamte Zimmer aus und machte das Atmen schwer. Nicht, dass sich Laurent daran gestört hätte. Er störte sich an gar nichts. Seit mehreren Stunden schon sass er festgewurzelt auf seiner Couch, starrte mit brennenden Augen an die Decke und gab sich dem pochenden Druck in seinem Schädel hin. Seinen Mund leicht geöffnet lauschte er dem Rauschen in seinem Kopf und zwang sich, langsam zu blinzeln. Als er sie wieder öffnen wollte, klebten sie beinahe zusammen, und Laurent seufzte leise. Klebrig. Genau so fühlte er sich, klebrig. Sein Kopf war verklebt, sein Mund war verklebt und seine Couch war es ebenfalls. Und seine Lippen waren genauso trocken wie seine Augen – nicht, dass er deswegen etwas unternommen hätte.


    Sein Handy vibrierte. Laurent atmete langsam ein und tastete in Zeitlupe nach dem Smartphone, nicht weil er sich wirklich für die Nachrichten interessiert hätte, sondern einzig um der selbstverschuldeten Apathie, die ihn schon seit Wochen kaum aufstehen ließ, kurzzeitig zu entkommen. Als er es endlich in der Hand hielt, verbrannte ihm die Helligkeit des Bildschirms beinahe seine überempfindlichen Netzhäute, doch der kurze Blick hatte gereicht um zu sehen, wem er die Störung verdankte. Unbeeindruckt stieß er die Luft wieder aus und hätte den Kopf geschüttelt, hätte er die Kraft dafür gehabt. Heyyy. Heyyy hatte sie geschrieben. Verdammt, sie war so naiv – was erwartete sie, dass er zurückschreiben würde? Sie konnte froh sein, wenn er ihr überhaupt blaue Häkchen gönnte. Sobald er wieder ein wenig klarer war, würde er… er würde sie einfach ignorieren. Sie konnte wiederkommen wenn er sie brauchte, aber nicht vorher.


    Von so etwas würde er sich nicht aufregen lassen, auch wenn er sich in letzter Zeit viel zu viel aufgeregt hatte. Weil eigentlich hatte er gar keinen Grund, sich aufzuregen, aber irgendwie war da eine Unzufriedenheit in ihm, die er bisher nicht verdrängen konnte. Tief drin, so tief, dass er nicht einmal wusste, woher sie stammte. Laurent ließ das Smartphone wieder auf die Couch fallen und sein Blick blieb am Holztischchen davor hängen. Neben einer winzigen, welken Topfpflanze stapelten sich Papiere und Briefe, und die meisten davon hatte er nicht einmal geöffnet. Rechnungen, Mahnungen und Strafzettel, weil er einmal zu oft erwischt worden war und sich danach nie mehr gemeldet hatte. Kein Problem, morgen würde er sich da durchwühlen und den ganzen Scheiß ausfüllen, dann müsste er sich zumindest keine Sorgen mehr um die Mahnungen machen. Der Richter kam dann auch… irgendwann. Kein Problem, schließlich hatte er sein Leben im Griff. Kein Problem, solange er es morgen erledigte. Und falls nicht, übermorgen war auch noch ein Tag.


    Viertel nach Zwei. Vielleicht musste er morgen zur Uni, vielleicht auch nicht. Vielleicht sollte er morgen zur Uni, aber irgendwie reizte ihn das nicht wirklich. Er fühlte eine kaum greifbare Schwere in seiner Brust, als er an seine Mutter dachte, wie sie immer voller Stolz erzählte, dass ihr Sohn Wirtschaft studiere und wie anspruchsvoll es sei. Schnell verdrängte er die Gedanken, doch das ungute Gefühl blieb. Scheiße, es fing schon wieder an. Emotionslos starrte er zum Fenster, auf die heruntergelassenen Jalousien, während das letzte Semester ohne seine Erlaubnis in seinem Kopf herum spukte. Wie oft war er anwesend gewesen? Fünf, sechs Wochen? Wenn man beide Augen zudrückte vielleicht. Und von Noten hatte er sowieso keine Ahnung, aber er würde es schon erfahren, wenn etwas schrecklich schief gelaufen war, oder? Sein Kopf sagte ihm, dass er sich keine Sorgen zu machen brauchte, immerhin war er früher auch gut in der Schule gewesen, warum sollte er jetzt plötzlich nachlassen? Sein Bauch, oder sein Unterbewusstsein, vielleicht auch sein Kopf behauptete jedoch etwas anderes im Angesicht seines momentanen Lifestyles. Eigentlich wusste er ja, dass tagelang im Wohnzimmer gammeln und jeden Tag mit einer Anderen die Bong anfeuern nicht wirklich kompatibel mit Erfolg war. Aber er war schlau und unter Druck arbeitete er sowieso am besten, das hatte er schon früh gemerkt, also wartete er einfach darauf, dass der Druck von selber kam. Und solange man ein wenig schlechtes Gewissen nicht als Druck bezeichnen konnte, sah er auch keinen Grund, warum er am Morgen um Viertel vor Sieben den Bus nehmen sollte. Kein Problem. Erneut blinzelte Laurent und lauschte dem Geräusch seines eigenen Atems. Was sein Vater sagen würde, wenn er ihn so sähe? Wenn er ganz ehrlich mit sich selbst war, er wusste es nicht. Zu seinem Vater hatte er noch nie einen guten Draht gehabt, er war einfach… da gewesen und irgendwann dann nicht mehr, weil… Weil sein Sohn eine verdammte Enttäuschung ist. Diese Stimme wieder. Die Stimme, die immer dann laut wurde, wenn er allein war, die sich immer dann meldete, wenn er sich einmal nicht ablenken konnte und die ihm immer dann ins Ohr flüsterte, wenn er sie am wenigsten hören wollte. Die Stimme, die ihn am Zweck seiner Existenz zweifeln ließ, die ihn immer weiter in sein Loch hinein stieß und die vor allem seine Stimme war. Der Grund, warum er sich auch seine letzten gesunden Hirnzellen wegbrannte und absolut nichts auf die Reihe bekam vor lauter Betäubung und Selbstmitleid. Laurent konnte nicht abstreiten, dass er sich einerseits fürchtete vor diesem Aspekt seines Ichs, andererseits stellte er sich in letzter Zeit immer öfters die Frage, ob er vielleicht nicht doch Recht hatte. Sein Leben war eine zugedröhnte Monotonie aus Schuldgefühlen und Selbstverrat, und wofür? Sollte er jemals durch wundersame Umstände tatsächlich an seinen Bachelor kommen, was dann? Master? An das F-Wort wollte er lieber gar nicht erst denken – die blauäugigen Flittchen in seinen Vorlesungen mochten ihm zwar zu Füssen liegen, aber vor einer festen Beziehung hatte er rohe, irrationale Angst. So unnahbar und selbstsicher er sich gegenüber der Gesellschaft gab, so sehr fürchtete er sich davor, sich jemandem zu öffnen und seine Gefühle zu teilen. Schnell und doch zittrig atmete er wieder ein und lehnte sich nach vorne, sass mit dem Gesicht zwischen den Händen auf der Sofakante. Seine Augen waren nicht länger trocken, und unter anderen Umständen hätte er diese Tatsache begrüsst.


    Wofür lebe ich? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er nicht einfach aufhören konnte, soviel schuldete er Freunden und Familie. Einfach aufzugeben wäre schwach, lieber versteckte er sich hinter weißem Rauch, bis das Leben mit all seinen Schrecken vorbeigezogen war. Bis er im Reinen mit sich war. Mit ruhigen Händen rollte er sein Paper ab und kramte nach seinem Feuerzeug – es war Zeit, sich zu verstecken.
    -
    Laurent wachte auf, ein wenig zerknittert, doch ausgeruht: Er dankte sich selber, dass er keinen Wecker gestellt hatte. Sein Nacken war steif vom Liegen auf dem Sofa und es war kalt in der Wohnung, aber er fühlte sich… besser. Der kleine Ausrutscher von gestern war nur noch eine verschwommene Erinnerung, wie er sie so gut wie jeden Abend erlebte. Man lernte damit umzugehen, und irgendwann würde der Scheiß komplett verschwinden. Er betrachtete die Briefstapel auf dem Tischchen und dann den durchsichtigen Plastikbeutel daneben, gefüllt mit seiner Lieblingsmedizin. Er würde ein bisschen mehr Motivation brauchen um das alles zu erledigen. Laurent richtete sich auf, streckte seinen Arm aus und tastete nach dem Beutel. Auf die Kripos geschissen, auf alle geschissen, die ihn nicht verstanden - Er brauchte jetzt ein wenig Zeit für sich, kein Problem.



    Edit: Groß- und Kleinschreibung

  • Ein weiterer Satz Texte, die kommentiert werden wollen. Verzeiht mir bitte, wenn ich momentan nicht der Schnellste bin, aber die Betreuung von Usern, die noch nicht eingereicht haben, kostet mich momentan auch einiges an Zeit.
    Daher kommt das auch heute wieder in „Paketen“, aber keine Sorge, ich knüpfe mir euch schon noch alle vor.



  • Ich hab's doch noch geschafft o/
    Bin es mir echt nicht mehr gewohnt, auf Kommando hin einen Text zu schreiben, haha... Daran könnte ich noch arbeiten.



    Noch ein Klavierkonzert


    Noch ein Klavierkonzert, schreibt Sydom.
    «Noch ein Klavierkonzert», stöhnt Dwana.
    Noch ein Konzert, und noch eins. Dazwischen eine Lektion, noch eine Lektion, noch eine Lektion, dazwischen Proben, Proben, Proben, Proben, Probe –
    Wenn Sydom schreibt, stöhnt Dwana auf wie das Kutschentier, das schon wieder eine Nacht lang nicht zuhause schlafen kann. Und doch folgt Dwana Sydom, jedes Mal, zum nächsten Konzert.


    «Spielst du?»
    «Nein, aber mein Lehrer hat mir empfohlen, reinzuhören. Der Stil könnte mir zusagen, sagte er, vielleicht könnte ich ja was abschauen, wer weiss.»
    «Könnte.»


    Konjunktiv war Sydoms Sprache geworden, obschon alle ihm davon abraten, so zu sprechen. Ich könnte mir vorstellen, Pianist zu werden, ich könnte mir vorstellen, dafür das Gymnasium zu wechseln, ich könnte ja lieber etwas üben anstatt was anderes zu machen, ich würde ja gerne mitkommen, aber leider muss ich noch auf einen Auftritt proben.


    Dwana spricht seine Sprache nicht, hat sie nie gesprochen. Sicher kannst du Pianist werden, wenn du dich reinhängst. Wenn du magst, geh doch auf diese Schule, das packst du. Nein, keine Sorge, mich schüttelst du deswegen nicht ab, wir bleiben in Kontakt. Nein, das ist kein Problem, üb’ du lieber. Dwana spricht von Konsequenzen, nicht von Wahrscheinlichkeit. Wenn du wirklich dafür arbeitest, kannst du das machen, Sydom, ich kenne dich, du kannst mit dem Kopf durch die Wand preschen, wenn du wirklich willst.


    Und doch sind es immer diese wahrscheinlichen Szenarios, die Sydom locken. Wenn ich mich dort anmelde, könnte ich mit dieser Person Kontakt knüpfen, wenn ich diesen Wettbewerb gewinne, würde mein Lehrer vielleicht einen Schritt weiter mit mir gehen, wenn ich dieses Stück beherrsche, würde ich dann ein besserer Spieler sein?


    Jede neue Chance, eine neue Rennstrecke. Das nächste Stück beherrscht Sydom innerhalb eines Tages; und der Tag ist lang, wenn er es sein muss. Innerhalb einer Woche spielt Sydom vor fünf verschiedenen Experten, innerhalb einer Woche bekommt Sydom fünfmal die Versicherung, dass er das kann, wenn er sich anstrengt, und das tut er. Als nächstes spart er Geld für einen Ferienkurs, oben in dem Weiterbildungszentrum am See, er räumt in der Bibliothek Bücher auf und verkauft am Kiosk Dinge, die er sich niemals leisten würde, er will unbedingt an diesen Kurs.


    Dwana wartet unterdessen. Wartet, bis er sein Stück so gut kann, dass er Pause machen kann, wartet, bis seine Schicht in der Bibliothek oder am Kiosk endlich fertig ist, wartet, bis er von seiner Probe oder seinem Auftritt zurückkommt, wartet, bis dieses vermaledeite Konzert endlich vorüber ist. Sie kann sich erinnern, irgendwann die Stücke mal genossen zu haben, die rauchigen, tiefen Klänge und die zwitschernden, hell klingenden Töne dieses Instruments bestaunt zu haben, aber schon in ihrer Erinnerung verschmelzen alle Stück zu einer Sauce aus 88 Tasten, schwarz, weiss und wenn mal ein guter Tag ist, ist Sydom in der Erinnerung, aber das ist selten geworden.
    Sie wartet, als habe sie einen Wartesaal betreten; sie wartet, im Hintergrund hat die Sekretärin eine CD mit irgendwelchen Klavierkonzerten aufgelegt, und alle finden das toll. Dwana wartet, bis alle Menschen klatschen, bis Sydom endlich aufsteht und sie ihm nach draussen folgen kann, um dann, endlich, endlich mit ihm in Ruhe reden zu können. Mindestens fünf Minuten, und wenn sie den Zug nach Hause nehmen, vielleicht sogar eine halbe Stunde.
    Dwana will ihm von der Schule erzählen, die er nun für seine Karriere verlassen hat, vom Kunstprojekt, an dem sie arbeitet. Will ihm von ihrer neuen Katze erzählen, die nun schon einen Monat bei ihrer Familie lebt und sich sichtlich wohl fühlt, was Dwanas Herz jedes Mal zum Schwellen bringt. Sie will ihm über all das erzählen, was er verpasst hat, wenn er wieder probte, wenn er wieder vor anderen Menschen spielte, wenn er wieder ihr nicht gut zuhörte nach dem letzten Konzert und stattdessen über die Performance der Spieler redet und redet und redet und redet und…


    «Wann haben wir das letzte Mal etwas unternommen?», will sie ihn fragen, «wann sind wir das letzte Mal gemeinsam irgendwo hingegangen?»


    Letzte Woche, und die Woche davor, da waren die beiden in einem Konzert, aber das zählt nicht. Nächste Woche und die Woche danach wird wieder ein Konzert sein. Mal spielt Sydom, mal irgendein ein anderer ganz Grosser, von dem er etwas abschauen will. Und auch diese Male werden nicht zählen. Was zählt, sind diese kleinen, goldenen Momente dazwischen, wenn beide endlich nur noch sich selbst und den anderen haben und endlich miteinander gehen statt nacheinander. Vielleicht eine Viertelstunde auf eine Stunde Klavierkonzert lang.


    Wenn Sydom wieder von einem Konzert schreibt, spricht, strotzt, stöhnt Dwana im Wissen, dass er ihr wieder einen Schritt voraus ist, und sie einen Schritt näher an ihrer Angst, abgehängt zu werden. Sie wollte ihm das Kutschtier sein, das ihn langsam, doch stetig näher an seine Träume bringt – denn das ist das, was sie möchte, was sie ihm wünscht, was er ihr nun mal wert ist – nun scheint es ihr mehr, als ziehe er sie mit sich, und dass wenn sie stehen bleibt, er ihr einfach davonlaufen würde.


    Nun wartet Dwana eben, bis die Zeiten besser werden.
    Wann auch immer das sein wird. Oder wie auch immer das aussehen soll. Vielleicht wird Sydom irgendwann doch einfach nur Klavierlehrer an irgendeiner Schule und dann könnten die beiden in den Ferien etwas gemeinsam unternehmen.
    Vielleicht muss Dwana einfach nur warten, dass ist eh das einzige, was ich tun kann, aber das spricht sie nicht aus.


    «Du solltest wirklich Kunst studieren!», antwortet Sydom auf ihre Geschichte mit dem Kunstprojekt, «Du hast Talent!»
    «Mh, ich weiss nicht. Ich bin nicht so opferbereit.»


    Sydom schaut sie fragend an, als wüsste er nicht, wie sehr Dwana doch einfach nur weg von ihrer eigenen Opferrolle will und wie oft sie sich fragte, wie lange sie denn noch auf ihn warten müsste, darauf, dass er endlich auf sie zugeht und fragt: Wann haben wir das letzte Mal etwas gemeinsam unternommen?


    «Ich könnte nicht so viel Zeit nur für Kunst aufgeben. Es gibt doch noch so viel mehr.»
    Ich würde dir noch so viel mehr von meiner Zeit geben, wenn du mir die Chance dazu geben würdest. Aber du gibst nie, du ziehst nur.


    Du gibst nie, zu ziehst nur, schreibt Dwana später, paraphrasiert. Hältst du jemals für mich an?
    Dann ist es eine Weile lang still.
    Sorry, schreibt er zwei Wochen verspätet, der Ferienkurs war echt intensiv, hatte kaum Zeit, irgendetwas anderes zu machen.
    Dann ist es eine Weile lang still.
    Kein weiteres Konzert, nicht diese Woche, nicht nächste Woche. Keine weiteren Termine, keine weiteren Warteräume.
    Eine Weile lang ist still.


    Eile Weile lang ist nun schon still.


    Dwana ruft an.
    «Hast du deine Pianistenkarriere an den Nagel gehängt oder warum hast du keine weiteren Konzerte?»
    «Mit zwei gebrochenen Fingern lässt sich schwer Klavier spielen, nicht?»
    «Und davon hast du mir gar nichts gesagt?»
    Du gibst nie.
    Gibst nie, und auch nie zurück.


    Wieder ein Klavierkonzert, schreibt Sydom.
    Ohne mich, antwortet Dwana. Ist Besuchstag an der Universität, von der ich dir erzählt habe.
    Welche Uni?
    Ich gehe doch Kunst studieren, hab’ ich dir doch schon erklärt.
    Dann sehen wir uns ja noch weniger, was?
    Wann haben wir uns denn zuletzt gesehen?


    Noch ein Klavierkonzert, schreibt Sydom.
    Keine weiteren Klavierkonzerte für mich, antwortet Dwana, Uni nimmt mir echt zu viel Zeit.


    Doch noch ein Klavierkonzert, schreibt Sydrom.
    Keine Antwort.



    Das war eine coole Aktion, die Idee mit den Karten werde ich in Zukunft definitiv öfter verwenden. Danke Wenlok für dein Engagement!