Hi!
In diesem Jahr möchte ich gerne etwas Experimentelles ausprobieren. Es geht mir darum, einerseits meine Gedanken zum Ausdruck zu bringen und andererseits das Ganze halbwegs schmackhaft, und auch mit der einen oder anderen Kante versehen, für den Leser ansprechend zu gestalten.
Bei der konkreten Gestaltung geht es mir darum, jeden Monat etwas zum Anlass zu nehmen, das mich beschäftigt, und dies auszugestalten. Dabei orientiere ich mich an Schlagwörtern, die dazu passen, und schließlich auch den allgegenwärtigen Hashtags. An der stelle beginne ich direkt mit meinem ersten Erguss des Jahres: #Consommation!
Natürlich freue ich mich über jede Bedankung, jeden Kommentar - sei er aus einem kurzen Satz oder einer WoT bestehend - und alles, was euch sonst noch so einfällt. Natürlich habe ich auch nichts dagegen, kritische Passagen an der Stelle auszudiskutieren. Literatur ist schließlich nichts, was man hinklatscht und nicht hinterfragen darf, im Gegenteil! Tut, was ihr wollt in diesem Topic, ich werde darauf liebend gerne reagieren
#Übersicht
Monat | Hashtag |
Januar | #Consommation |
Februar | #Triebsand |
März | #Incertezza |
#Consommation
Stromae ist ein großartiger Künstler. Auch, wenn man heute nicht mehr viel von ihm hört, hat er eine Art von französischer Musik gemacht, die heute nur noch schwierig erreichbar ist und außerhalb des französischsprachigen Raums nicht annähernd gleichen Anklang findet.
In meinem ersten Beitrag des neuen Jahres möchte ich ein Zitat aus dem Lied „Carmen“ von ihm für mich, für euch, für uns beleuchten. Ein Lied, das zugegebenermaßen wenig mit dem Zitat an sich oder der Aufmerksamkeit, das es von mir zu Teil wird, zu tun hat. Es ist aber ein starkes Zitat, meines Erachtens nach, mit dem ich mich nicht selten konfrontiert sehe:
„L‘amour est entfant de la consommation,
il voudra toujours toujous toujours plus de choix“
Für die unter euch, die kein Französisch sprechen - es ist keineswegs verwerflich!, auch wenn die Sprache, sobald man sie beherrscht, viel Spaß und Freude bereitet - hier einmal eine wörtliche Übersetzung:
„Die Liebe ist Kind des Konsums,
sie wird immer immer immer mehr Auswahl haben wollen“
Dieses Zitat verbirgt auf dem ersten Blick, meiner Meinung nach, eine Millionen Interpretationsmöglichkeiten. Vielleicht auch nur zwei.
Wer Feind des Kapitalismus‘ ist, wird darin wohl schlichtweg Gesellschaftskritik an den Menschen und seinem Konsumverhalten suchen. Interessanterweise begibt man sich damit auch direkt auf die richtige Spur des Liedes vor dem Hintergrund der sozialen Netzwerke, hier: Twitter. Kann das Lied an der Stelle auch jedem empfehlen! Sucht euch eine Übersetzung und hört selbst, wie nahe sich das Lied anfühlt, obwohl es mehr oder weniger in die Jahre gekommen ist. Gerade, wenn wir da an einen gewissen Präsidenten denken...
Naja, jedenfalls zurück: Nun kann man das Ganze noch wie meine Wenigkeit interpretieren und landet dann irgendwie schon wieder bei einer Gesellschaftskritik, eher aber vor dem Hintergrund der Liebe.
Da sagt das Zitat im Grunde nichts anderes aus als: „Eigentlich sind wir alle so verwöhnt und suchen unsere Liebe über‘s Internet, dass wir jeden haben könnten, die freie Wahl haben - und Apps machen es auch noch so einfach! Just nach links oder rechts wischen und man wird Herr_in (ich hasse Gendering, aber da kommt man heutzutage kaum noch drum herum!) darüber, mit wem man schreibt und wen man, ja, wegwischt!“
Welch Komfort! Ich umgehe Gespräche mit Leuten, die ich auf dem ersten Blick uninteressant finde und kann gleichzeitig mit zig Leuten schreiben, die mir gefallen. Eine Schier endloser Möglichkeiten eben.
Diese Rosinenpickerei lässt sich jetzt natürlich zweierlei betrachten: Natürlich kann ich dadurch direkt meinen Traumtypen finden, so wie ich ihn mir vorstelle: durch selektives, oberflächliches Wegwischen oder Hinwischen. An der Stelle möchte ich im Übrigen betonen: Ja, ich bin oberflächlich. Und ich denke, jeder ist das ein Stück weit. Wem auch immer man sein Herz schenkt, möchte man ja auch ins Gesicht schauen können, ohne an etwas denken zu müssen, das mit der Hexe Yubaba aus Chihiro‘s Reise ins Zauberland auch nur annähernd etwas gemein hat. Der Begriff wurde nur sehr, sehr negativ beladen, aber gut, das wäre noch ein weiterer Exkurs.
Zurück: Die andere Betrachtung wäre nun, dass man schnell die Verhältnismäßigkeit aus den Augen verliert, das, warum man sich diese krebsgeschwürähnlichen Apps eigentlich gibt. „Man“ meint hier übrigens nicht jeden von euch. Nur, wer sie eben nutzt. Und natürlich schere ich auch nicht diejenigen von euch über einen Kamm. Das nur kurz zur Relativierung: Gewisse Symptomatiken lassen sich aber - leider! - ausmachen.
Jedenfalls gerät man schnell in die Verlegenheit, sich, hat man dann mal jemanden entdeckt, der einem auch nur annähernd gefallen könnte, mal fix zu treffen, die Hände doch nicht oberhalb der Gürtellinie lassen zu können - oder vielleicht doch, vielleicht liegt‘s auch einfach an mir - und danach munter nach wen anderes zu suchen. Hat was von „One Night Stand“-Hunting, ohne die Absicht gehabt zu haben. Eigentlich ziemlich ungeil, wenn man doch eigentlich den Seelenverwandten sucht, total der Romantiker ist und sich nichts sehnlicher wünscht als nur eine Person zu flanken. Wäre da nicht das Aber, das mit einer Abweichung von Vorstellung und Realität maximalst beladen ist.
Nun geht man, der Mensch, der durch jenes Aber desillusioniert wird, in sein tiefstes Innerstes und fragt sich, wie man bitte in diesen Kreislauf geraten ist. Und wie es sein kann, dass man seit Neujahr bereits drei derartige Dates hatte. Von Dezember fangen wir gar nicht erst an.
Und plötzlich landet man bei jenem Zitat, ich wiederhole es gerne noch einmal:
„L‘amour est enfant de la consommation,
il voudra toujours toujours toujours plus de choix“
und fragt sich: Waren einfach nur nicht die richtigen dabei? Warum bin ich so ein wandelnder Widerspruch, schließlich weichen der Wunsch und das Tun soweit voneinander ab?
Aber ich will ja auch jeden Monat einen neuen Pullover, obwohl ich genug habe und sie alle gut finde.
#Consommation