Chekhov's gun - Was ist essenziell für die Geschichte?

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    Es wird mal wieder Zeit für ein neues Topic in diesem Bereich. Und ja, ja, es mag sein, dass ich gerade prokrastiniere (ähäm), aber da ich beim Überarbeiten von „Der Schleier der Welt“ gerade auf das Thema gestoßen bin, dachte ich, ich bringe es hier einmal ein.


    Chekhov's Gun. Habt ihr den Begriff schon einmal gehört? Wenn nicht: Nicht schlimm. Ich werde ihn ohnehin noch einmal erklären. Und nur als Vorwarnung: Hier wird es nicht nur um Chekhov's Gun gehen, sondern auch um ein paar Dinge, die damit zusammenhängen.


    Also … Chekhov's Gun. Anton Pavlovich Chekhov war ein russischer Schriftsteller, der sich vor allem mit dem Aufbau von Geschichten beschäftigt hat. Dabei war ein Thema, über dass er viel Theorie geschrieben hat, das reduzieren einer Geschichte auf die Dinge, die essenziell für die Geschichte sind. (Das drückt es nicht ganz richtig aus, aber es ist die beste Art, die mir einfällt, es auszudrücken.) Und aus dem Kontext kommt auch der Begriff Chekhov's Gun. Denn in dem Zusammenhang beschrieb er gerne ein Beispiel:


    „Remove everything that has no relevance to the story. If you say in the first chapter that there is a rifle hanging on the wall, in the second or third chapter it absolutely must go off. If it's not going to be fired, it shouldn't be hanging there.“


    Worum es ihm dabei geht: Als Autor hat man vollkommene Macht über die Welt, die man erschafft, die Geschichte, die man erzählt. Dinge, die zur Handlung nichts beitragen, sollten einfach nicht erwähnt werden.


    Und auch abseits von Chekhov findet man dieses Motiv. Man hört immer wieder die Regel: „Jeder Satz in einer Geschichte, sollte die Handlung voran treiben oder den Leser neue Informationen über Charaktere oder Welt erfahren lassen.“


    Auch hier steht wieder eine Sache im Vordergrund: Beschränkung auf das Essenzielle.


    Allerdings gibt es dahingehend oft ein Problem: Verschiedene Leute haben verschiedene Vorstellungen davon, was essenziell für eine Geschichte ist. Das merkt man allein an dem Unterschied zwischen Chekhov's Gun und dem zweiten Motiv (Story, Charaktere, Welt). Denn Chekhov's Gun konzentriert sich sehr darauf, dass alles, was eingebracht wird, einen Payoff in der Handlung haben sollte. Es sollte noch einmal auftauchen und dann auch eine Rolle spielen. Dabei gibt es allerdings einen guten Einwand: Muss die Waffe wirklich abgefeuert werden, wenn sie da hängt? Sagt sie nicht dadurch, dass sie da hängt etwas über den Charakter, der sie aufgehängt hat, oder die Welt, in der sie hängt?


    Chekhov formulierte die ganze Sache mehrfach unterschiedlich und gerade eine Formulierung bleibt mir im Kopf: „Wenn eingebracht wird, dass ein Charakter eine geladene Waffe trägt, muss er diese abfeuern.“ Aber muss er das wirklich? Kann es nicht auch essenziell für den Charakter und seine Darstellung sein, einfach zu wissen, dass er die Waffe hat? Nehmt zum Beispiel einen Veteran, der dank PTSD unter Paranoia leidet und deswegen immer eine geladene Waffe mit sich herumträgt. Muss er diese abfeuern, damit sie diese Rolle erfüllt?


    Und ja, ich weiß, ich nehme diese Regel gerade zu wortwörtlich. Und ja, ich mache das ganze gerade mit Absicht, um den Konflikt ein wenig darzustellen. Denn es gibt auch Chekhov's Guns, die nie gefeuert werden.


    Habt ihr Zootopia geschaut? Das „Fox repellent spay“, das Judy von ihren Eltern bekommt ist auch eine Chekhov's Gun ohne direkt genutzt zu werden. Denn der essenzielle Teil, den es in der Story spielt, ist, dass sie es die ganze Zeit bei sich trägt, es dann nach der Pressekonferenz beinahe gegen Nick benutzt und das vorerst ihre Beziehung zerbricht. Dafür muss sie es nicht gegen ihn einsetzen. Allein die Tatsache, dass sie darüber nachdenkt, reicht.


    Aber wäre auch hier die Frage: Selbst wenn sie es nicht einsetzt, ist es nicht auch etwas, dass etwas über ihren Charakter sagt?


    Und ja, ich weiß auch, dass Chekhov's Gun nicht zuletzt auch mit foreshadowing zu tun hat (und man kann behaupten, dass ein Red Herring das fast wortwörtliche Gegenteil ist - also die Waffe, bei der jeder die ganze Zeit davon ausgeht, dass sie in einem signifikanten Moment abgefeuert wird, was aber dann bewusst nicht passiert), aber wie gesagt: Ich möchte ein wenig mehr auf das implizierte Thema dessen, was für die Handlung denn essenziell ist, was nicht und wie Chekhov's Gun oft als Begründung existiert, Szenen zu schneiden, bis der Plot brach liegt.


    Ich bringe diese Diskussion gerade auf, weil es einer meiner persönlichen Pet Peeves in Geschichten ist, wenn jede einzelne Szene irgendetwas zur Geschichte beitragen muss und darüber zwangsweise Alltagsszenen verloren gehen. Denn ich mag Alltagsszenen und bin persönlich der Meinung, dass diese extrem wichtig sind, um Charaktere glaubhaft darzustellen, selbst wenn sie mit der Handlung nichts zu tun haben.


    Dahingehend bringe ich gern ein Beispiel aus einer älteren Geschichte von mir auf, die mit einer zweiseitigen Szene anfängt, in der der Protagonist nach Hause kommt, eine Nachricht von seinem Vater vorfindet, sich essen aufwärmt, Fernsehen schaut, sich dann an den Computer setzt und dort seinen effektiven „Call to Adventure“ vorfindet. Ist diese Szene über? Ich behaupte nicht. Denn sie bietet den Kontrast zwischen dem Alltag des Helden, bevor er den „Call to Adventure“ erhält, und dem Alltag danach. Es zeigt dem Leser, wie sich dieser Alltag verändert. In meinen Augen sagen die einzelnen Sachen, die er in der Szene macht auch sehr viel über ihn und sein Verhältnis zu seinem Vater aus.


    Und da würde schon die Diskussion anfangen. Sind diese Informationen denn wichtig für den Charakter? Ja, würde ich sagen, nein, sagen andere.


    Da ich weiß, dass die meisten hier die Geschichte nicht gelesen haben werden, nehmen wir doch zwei andere Beispiele. Beide aus Filmen, wo – dank der sehr begrenzten Laufzeit – oft sehr stark auf diese „essenziellen“ Informationen geachtet wird.


    Da hätten wir zum einen ein relativ neues Beispiel, das viel diskutiert wurde und bei dem ich hoffe, dass sich niemand gespoilert fühlt. Es ist für den neusten Star Wars Film: The Last Jedi.


    (Obligatorisch, da ich es nicht in einen Tag schreiben will: Spoiler Anfang!)
    Der Mittelteil des Films wird vor allem vom „Canto Bight“ Plot ausgefüllt. Um es möglichst nicht-spezifisch zu beschreiben: In diesem Plot gehen zwei Charaktere zu einem Casino, weil sie glauben, dort jemanden zu finden, der ihnen helfen kann. Wir sehen sehr viel von der Casino-Atmosphäre und wie unterschiedlich die Charaktere darauf reagieren, inklusive einiger Witze. Wir sehen dann außerdem, wie bei diesem Casino Tiere misshandelt und Kinder zur Arbeit gezwungen werden. Ein paar Dinge passieren, die beiden Charaktere schaffen es nicht, die Person, die sie suchen zu bekommen, müssen fliehen, befreien dabei aber die Tiere und die Kinder. Jemand hilft ihnen und sie erfahren auf dem Rückweg zum Rest des Plots, dass die Leute im Casino den Krieg befeuern, da sie davon profitieren.
    (Spoiler Ende)


    Jetzt könnte ich lange darüber reden, wie ausnahmslos jedes Element in diesem Szenario eine Chekhov's Gun ist. Wirklich: Jedes Element, das wir im Verlauf der ersten Hälfte des Szenarios sehen, bekommt in der zweiten ein Payoff. Aber deswegen bringe ich das Beispiel nicht ein, sondern wegen etwas anderem: Viele Leute, die den Film (aus mir unerfindlichen Gründen, aber lassen wir das einmal) nicht mochten, und auch einige, die den Film mochten, sagen, diese ganze Sequenz war unnötig, da sie den eigentlichen Plot des Films letzten Endes nicht voran gebracht hat – nicht zuletzt, da die beiden Charaktere ihr Ziel nicht erreicht haben. Sie sind gescheitert. Außerdem werden diverse Aspekte eingebracht, die – so die Leute – nichts zur Handlung beigetragen haben und deswegen besser hätten gekürzt werden sollen.


    Ich persönlich sehe das allerdings nicht so. Denn ich sehe in der Sequenz eine Menge unglaublich wertvoller Szenen, die uns viel über die beteiligten Charaktere, die Welt und auch die Moral des Films erklären. Während es vielleicht ein, zwei kurze Aspekte in der Sequenz gibt, die ich unnötig finde, bin ich der Meinung, dass die Sequenz als ganzes unglaublich wichtig für die Story ist und das darauf beharren, dass die Sequenz hätte gekürzt oder ganz geschnitten werden soll, ein Beispiel dafür ist, wie Plot immer wieder über Charaktere und Welt gestellt wird.


    Zweites Beispiel – oder vielleicht auch zweites und drittes Beispiel.


    Ich möchte nämlich einen neuen, selbsterfundenen Begriff reinwerfen, der mit dem Punkt erstaunlich viel zu tun hat: „Chekhov's Gay“.


    Wer die Marvelfilme schaut, hat vielleicht mitbekommen, dass Valkyrie in Thor Ragnarok zumindest in den Filmen bisexuell ist. Wer sich noch ein wenig tiefer mit der Produktion der Filme beschäftigt, weiß vielleicht auch, dass für den Film eine Szene gedreht wurde, in der impliziert wird, dass Valkyrie Sex mit einer Frau hatte. Es wäre nur eine kurze Szene gewesen, die offenbar gezeigt hätte, wie eine Frau Valkyries Zimmer auf eine entsprechend implizierte Art verlässt. Die Szene wurde jedoch geschnitten, obwohl Schauspielerin und Regisseur sie unbedingt behalten wollten. Warum? Weil laut Produzenten die Szene nicht essenziell für den Film ist.


    Ich werde hier geflissentlich ignorieren, dass der wahrscheinlich eigentliche Grund die Angst vor den „Besorgten Müttern“ ist, die den Film boykottieren würden, was man allein daran sieht, wie viele Marvelfilme unnötige heterosexuelle Szenen beinhalten.


    Ein anderes Beispiel für effektiv genau dieselbe Sache ist der neue Fantastic Beasts and where to find them Film, der aktuell in Produktion ist. In diesem Film kommen Dumbledore und Grindelwald vor. Laut Rowling ist Dumbledore schwul und war in Grindelwald verliebt, etwas, das in HP nicht vorkommt, da es dort nichts zur Handlung beiträgt. Und ratet doch mal, was den neuen Film angeht. Ja, genau, es kommt nicht vor, soviel wurde bestätigt, weil es auch da, so Rowling, nichts zur Handlung beiträgt. In einem Film, der sich offenbar um den Kampf von Dumbledore und Grindelwald dreht.


    Ja, okay. Ich rede hier von LGBT-Erasure und dass LGBT-Erasure scheiße ist. Aber speziell rede ich im Zusammenhang mit dem Topic von der Begründung: „Na ja, der Charakter ist vielleicht LGB, aber das tut doch nichts zur Handlung, also warum einbringen?“ Oder auch: „Die Tatsache, dass der Charakter LGB ist, trägt zur Handlung nichts bei und ist deswegen unwichtig, auch wenn es eventuell für den Charakter wichtig wäre.“ Was eben die Frage einbringt: Ist sexuelle Orientierung für den Charakter wirklich prinzipiell unwichtig? Sind Beziehungen (romantisch oder anders) des Charakters unwichtig, wenn sie kein Payoff in der Handlung haben? Sind alltägliche Aspekte der Charaktere unwichtig, wenn sie nicht direkt in die Handlung einspielen? Selbst dann, wenn sie zumindest teilweise in die Charakterentwicklung hineinspielen oder die Charakterentwicklung verdeutlichen würden?


    Kurzum: Sollte der Plot immer das wichtigste sein? Sollten sich Charaktere und Welt hinten anstellen?





    Was meint ihr? Bringt ihr, als Autoren Szenen ein, die zur eigentlichen Handlung nichts beitragen? Warum? Warum nicht?
    Habt ihr Beispiele von Chekhov's Gun in eurer Geschichte?
    Was ist in euren Augen essenziell in einer Geschichte?

  • Ich halte davon gar nichts. Wie du bereits sagst liegt der Plot dann brach und alles wirkt ziemlich lieb- und leblos.
    Bin aber auch ein Mensch, die Alltagsszenen und unter anderem auch episodische Animes sehr genießt, die im Grunde nirgendwohin führen. Da könnte man natürlich sagen, dass diese für die Charakterentwicklung wichtig sein könnten.
    Allerdings werden die meisten Autoren sie aus Liebe zum Detail und ihren Charakteren einbauen, nicht um mit allem einen bestimmten Zweck zu erfüllen. Gerade bei längeren Sachen liebt man es doch diese Dinge hier und da zu sehen und schert sich nicht bei allem drum, ob das nun handlungsrelevant ist oder so viel zur Charakterentwicklung beiträgt.


    Zitat von Alaiya

    Ein anderes Beispiel für effektiv genau dieselbe Sache ist der neue Fantastic Beasts and where to find them Film, der aktuell in Produktion ist. In diesem Film kommen Dumbledore und Grindelwald vor. Laut Rowling ist Dumbledore schwul und war in Grindelwald verliebt, etwas, das in HP nicht vorkommt, da es dort nichts zur Handlung beiträgt. Und ratet doch mal, was den neuen Film angeht. Ja, genau, es kommt nicht vor, soviel wurde bestätigt, weil es auch da, so Rowling, nichts zur Handlung beiträgt. In einem Film, der sich offenbar um den Kampf von Dumbledore und Grindelwald dreht.

    Wtf. Ich bin echt angepisst. -_-
    War ja natürlich für Dumbledore gar nicht wichtig und so.
    Außerdem würde es dann auch Sinn ergeben, dass er zu Harry sinngemäß sagt, dass Verliebtheit, schöne Worte und Blendung jemanden auf sehr falsche Wege führen könnten.


    In Harry Potter gibt es auch so viele Alltagsszenen, die nichts zur Handlung beitragen, sondern die Schule und die Welt zeigen sollen. Mochte ich immer sehr, aber dann ist die Begründung hier ziemlich dumm. Vor allem lässt sich das in einer kurzen Szene abhaken. Bei einem Film, der sicherlich wieder zweieinhalb Stunden oder vielleicht sogar länger ist.

  • Ich glaube, man sollte bei dieser Thematik beachten, wieso es diese Chekhov-Regel überhaupt gibt. Der Grund dafür ist, dass viele, vor allem unerfahrene Schriftsteller haufenweise Müll in ihre Storys einbauen, sodass es in einem riesigen Bloat endet und man als Leser auch nach vier Kapiteln nicht weiß, wohin die Geschichte gehen soll. Diese Regel ist daher letztendlich eine leichte Eselsbrücke, um rauszufinden, wo der Bloat in der eigenen Geschichte ist und was man rauslassen kann, ohne dass es schadet. Dieser Haltung stimme ich auch zu. Alles, was rausgelassen werden kann, ohne dass man es vermisst, sollte rausgelassen werden. Ich mag Geschichten, die eine klare Message haben, eine Bewandnis. Geschichten, die mir das Gefühl geben, sie sind gut konstruiert und erfüllen genau das, was sie erfüllen sollen.


    Ich finde es super leicht, in Alltagszenen plotrelevante Informationen einzubauen. Vor allem Foreshadowing. Ich vermute, jeder von euch kennt das Trope, dass in einem Film am Anfang eine Alltagszene gezeigt wird und im Hintergrund kommt in den Nachrichten in Fernsehen etwas, das für die Story relevant ist. Auch wenn ich das manchmal etwas übertrieben finde, ist das ein Beispiel dafür, dass eine Alltagszene nicht zwangsläufig nur das sein muss. Der Hauptcharakter kann in einer Alltagszene ein gewisses (ungewöhnliches?) Verhaltensmuster zeigen, das später in einer Nicht-Alltagssituation wieder zum Vorschein kommt. Um dein Beispiel mal etwas zu verhunzen, Alaiya: Nehmen wir an dein Hauptcharakter in seiner Alltagszene hätte den Brief seines Vaters erstmal nicht geöffnet, sondern ungeöffnet liegen lassen. Das hätte Spannung erzeugt (--> Leser will dadurch erst recht wissen, was drin steht). Später in der Story hätte er einen neuen Brief (evtl wieder von seinem Vater) bekommen, aber die Tatsache, dass er den ungeöffnet liegen lässt, führt da zu einem unangenehmen Ereignis (--> Brief war wichtig?). Das Beispiel ist jetzt absichtlich etwas überskizziert, um darzustellen was ich meine.


    Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte: Wenn eine Alltagszene keinerlei für den Verlauf der Geschichte wichtigen Details und kein Foreshadowing enthält, dann ist sie

    • vermutlich langweilig
    • vermutlich überflüssig.

    An der Stelle will ich auch noch Comic Relief und Fanservice erwähnen. Sex-Szenen, wie du sie erwähnt hast, Alaiya, sind Fanservice, und auch wenn Fanservice nicht zur Handlung beiträgt, trägt er zur Haltung des Publikums gegenüber der Story bei. Fanservice müssen keine nackten Leute sein, es kann letztendlich alles sein, das die Fans sehen wollen, etwas, wodurch sie zufriedengestellt oder noch weiter gehooked werden. Aus einer Perspektive des Storybuildings ist sowas meiner Meinung nach Bloat, in der Realität und in unserer Gesellschaft wird es aber meist nicht als Bloat verstanden, solange es nicht zu viel wird. Die Sache ist, dass Fanservice seeehr subjektiv ist und nicht alles für jeden funktioniert. Was für den einen Fanservice ist, ist für den anderen langweilig oder sogar eklig.


    Ich vermute mal, was bei deinem Thor-Beispiel passiert ist, ist dass die Szene mit der Valkyrie eine Form von LGBT-Fanservice war, und der Produzent hat es abgewogen gegen den Besorgte-Mütter-Fandisservice und hat dann entschieden, dass es das nicht wert ist. Das ist natürlich bescheuert. Da es sich um eine Fanservice-Angelegenheit handelt, geht es hier nicht unbedingt um Chekhovs-Gun, weil bei Fanservice andere Faktoren wichtig sind. Fanservice ist imo eine 'Exception to the Rule' in Bezug auf Chekhov's Gun. Wenn die Regeln von Fanservice angewandt werden, hat man den Raum von klassischem Storytelling schon verlassen, das ist dann quasi Meta-Storytelling.


    Ist sexuelle Orientierung für den Charakter wirklich prinzipiell unwichtig? Sind Beziehungen (romantisch oder anders) des Charakters unwichtig, wenn sie kein Payoff in der Handlung haben? Sind alltägliche Aspekte der Charaktere unwichtig, wenn sie nicht direkt in die Handlung einspielen?

    Kurz gesagt: Ja. Der Unterschied ist eben, ob man eine Geschichte erzählen oder ein Franchise aufbauen will. Wenn die Top-Priority das Erzählen einer Geschichte ist, sollte man Bloat und Fanservice vermeiden. Das wichtige an einer Geschichte ist die Handlung, und alles was dazu nicht beiträgt ist Bloat. Das ändert sich, sobald man ein Franchise aufbauen will. Das wichtige an einem Franchise sind die Charaktere & die Welt. Die sind, was die Dedicated Fanbase am Laufen halten wird. In dem Fall werden Sexualität des Charakters, Relatability und Alltagszenen wichtig. Es ist eben einfach eine andere Sichtweise. Die Chekhov-Regel gilt strikt für die Sicht, dass es um die Qualität der Geschichte geht. Sie hat weniger Aussagekraft, wenn es um Fanservice und Franchise-Aufbau geht.



    Ich möchte aber noch einen anderen Aspekt anbringen, wieso die Chekhov-Gun für mich nur ein Anfängertipp ist und weniger eine tatsächliche Regel, und das ist Predictability und Erwartungshaltungen. Wenn man ein Publikum hat, das die Chekhov-Regel kennt, wird es mitunter leicht, Geschehnisse vorherzusagen. Andererseits führt es zu Unzufriedenheit, wenn eine Gun nicht abgefeuert wird. Sagen wir, beispielsweise, in Kapitel eins kommt eine Waffe vor, die wird aber in der ganzen Geschichte nicht abgefeuert. Das Publikum wird erst in eine Haltung versetzt, sowas wie einen Gunfight zu erwarten, und dann 'enttäuscht', weil es letztendlich gar nicht um so etwas geht. Das ist sozusagen gestohlene Spannung. Man hat ein spannungserzeugendes Moment, nämlich die Einfphrung der Waffe, mit der potenziell sehr hohe Stakes verbunden sind. Man versetzt den Leser in Spannung, bringt ihn zum weiterlesen ... und dann ist die Waffe am Ende doch unwichtig. 'So long, sucker!' Sowas kann frustrierend sein. Andererseits kann die Anwesenheit einer Waffe dazu führten, dass Charaktertode zusammen mit anderen Deathflags zu vorhersehbar werden. Zu sagen es sollten nur Details eingebaut werden, die später wichtig sind, greift daher mittlerweile zu kurz, da das Publikum, vor allem wenn es um Erwachsenengeschichten geht, zu Genre-Savvy ist.


    Zusammengenommen finde ich, dass eine Geschichte keine Szenen haben sollte, die nur Alltag sind, keine Szenen, die die Story nicht vorantreiben. Andererseits finde ich aber auch, dass die Geschichte sehr an Tiefe verliert, wenn es keine Details gibt, die nicht direkt zur Story beitragen. Stichwort Pacing, Stichwort Spannungsgestaltung. Im besten Fall bekommt man beides gleichzeitig hin - viele, für die Story nicht relevante Details, die zur Welt oder zu den Charakteren beitragen - gesetzt in eine Szene, die die Handlung voranbringt.

  • Habt ihr Beispiele von Chekhov's Gun in eurer Geschichte?

    Ja, mir fällt dabei ein sehr gutes Beispiel ein. In einer recht kurzen Geschichte setzt der Rivale meiner Heldin ein Kyurem ein.
    Da es ein legendäres Pokemon ist, hielt ich es für wichtig darauf näher einzugehen. Damit die Zuschauer sehen, dass es schon ein großer Deal ist und dass es mit den eigenen Regeln übereinstimmt. Es wird hier auch erwähnt, dass legendäre in meiner Welt nicht einzigartig sind, damit keine Kontinuitätsfehler entstehen. Da es aber eine sehr einfache kurze Story war, hätte ichs auch lassen können.
    War im Prinzip nur "vier Typen auf einem Turnier".

    Was ist in euren Augen essenziell in einer Geschichte?

    Das meiste hast du ja schon erwähnt.
    Die Handlung, die Charaktere, das Worldbuilding wenn nötig, die ganze Entwicklung.
    Es sollte grundsätzlich nur vorkommen, was diese Sachen voranbringt. Bis auf ein paar Ausnahmen.
    Bei Dumbledor war es ja so, dass der andere Typ seine erste Liebe war, oder? In dem Fall war es ein wichtiger Charaktermoment für ihn und damit nicht wirklich ersetzbar.
    Ich würde dann noch sagen, dass es entschärfende Kapitel gibt.
    Hast du eine Story in der es einen zwischen-Höhepunkt gibt oder indem Zeit vergehen soll, kann man auch Filler einbauen.
    Die Bestechung damals war dramatisch und hat die Spannung erhöht und bis zum nächsten Höhepunkt war es nötig, die Spannung wieder abzubauen und das Gefühl zu vermitteln, dass etwas Zeit vergangen ist.


    Ähm ein gutes Beispiel ist wieder meine eigene Pokemon Ministory. Wir sehen in Kapitel 2 einen Charakter dessen Persönlichkeit zuerst auf dem des typischen Rivalen basiert. In dem nächsten Kapitel, indem dieser Charakter auftaucht bekommt er schon eine Charakterentwicklung. Und im letzten, ist diese Entwicklung bereits abgeschlossen. Das ist der Grund, warum ich diese Story nur als nettes kleines Nebenprojekt ansehe und nicht als etwas, was ich wirklich perfekt hinbekommen möchte. Weil für den Charakter einfach Momente der Vergewisserung nötig wären. Momente indem man sieht, dass sich die Dinge langsam entwickeln und nicht nur den Auslöser und das Ergebnis. Würde ich eine große Geschichte erzählen, würde ich noch ein Kapitel mit ihr als Gary Pendant machen und eine indem man sie nach ihrem letzten wichtigen Charaktermoment erlebt.
    Von daher würde ich sagen, dass es nicht schaden kann, wenn etwas Zeit sinnlos vergeht, damit man sich an bestimmte Charaktereigenschaften, oder Entwicklungen gewöhnen kann.

  • Ich stimme alles in allem ja @Bastet zu. Ich finde diese Konzentration auf ausschließlich Plotrelevante Szenen schlecht und schädlich. Gerade da ich immer der Meinung bin, dass Charakter > Plot. Ein Plot ist in meinen Augen langweilig, wenn er nicht von einem Charakter handelt, der interessant ist und für den man sich interessiert. Und um zu sehen, wer der Charakter ist, braucht man auch Alltagsszenen, die nichts mit dem Plot zu tun haben (zumindest nicht direkt), weil man sonst nicht sehen kann, wer der Charakter normal ist.


    Es hat einen Grund, warum die Reise des Helden meistens mit der Etablierung des Alltags und der Welt des Helden anfängt. Dadurch bekommt der Plot und die damit einher gehende Charakterentwicklung viel mehr Gewicht, als es ohne der Fall wäre.


    Ich bin dahingehend nachwievor sehr von meinem Deutschlehrer in der 5. und 6. Klasse geprägt (aka: Der Deutschlehrer, der kreatives Schreiben wichtiger fand, als Analysen). Der sagte immer: "Eine Geschichte ist erst dann gut und komplett, wenn der Charakter sich im Lauf der Handlung entwickelt hat." Etwas, was ich damals nicht verstanden habe, heute aber deutlich zu schätzen weiß.


    Es mag dabei sicher auch mit hereinspielen, dass ich viel von dem, was ich über das Schreiben weiß und für wichtig halte, durch japanische Bücher gelernt habe. Und Japan hat was Schreiben und Geschichtenerzählung angeht, andere Regeln. Gerade in modernen Diskussionen zum Thema Pacing merkt man es oft, da in japanischen Geschichten das Pacing oft absichtlich durch Alltagsszenen ausgebremst wird, um Verschnaufspausen einzubauen.


    Und das finde ich besser. Die Charaktere brauchen Verschnaufpausen. Der Leser braucht Verschnaufpausen. Der Leser braucht auch eine Möglichkeit, die Charaktere von einer anderen Seite kennen zu lernen. Und persönlich liebe ich nichts mehr als das Stilmittel, eine Geschichte auf einer sehr privaten Ebene (normaler Alltag des Charakters) anzufangen und dann den Horizont des Charakters und damit auch des Lesers zu erweitern.


    Wtf. Ich bin echt angepisst. -_-
    War ja natürlich für Dumbledore gar nicht wichtig und so.
    Außerdem würde es dann auch Sinn ergeben, dass er zu Harry sinngemäß sagt, dass Verliebtheit, schöne Worte und Blendung jemanden auf sehr falsche Wege führen könnten.

    Jap, da stimme ich absolut zu. Es ist nur wieder ein Beispiel dafür, dass letzten Endes Rowling niemand respektiert, der nicht weiß, christlich und cishetero ist, weswegen diese Aspekte für sie auch immer "unwichtig" sind, während es aber total Storyrelevant ist, dass Harry sein doofes Techtelmächtel mit Ginny und Cho hat, wo Weihnachten gefeiert wird und wenn Draco mal wieder ein Arsch ist, wie immer aber nichts mit dem Plot zu tun hat. Aber nein, es ist zu viel verlangt Dumbledores Homosexualität einzubringen in einem Film, in dem er gegen seinen verfluchten Exfreund, der (so Rowling, wenn sie es nicht schreiben soll) seine einzig wahre Liebe war, kämpfen muss. Aber ne, unwichtig, hat auch sicher absolut nichts mit der Charakterentwicklung zu tun oder so.


    Sex-Szenen, wie du sie erwähnt hast, Alaiya

    Ich rede nicht von Sex-Szenen. o.ô"
    Ich rede von einer Szene, die von allem, was man weiß, knappe 20 Sekunden lang gewesen wäre und angedeutet hätte, dass vorher Sex stattgefunden hat.
    Und ich rede davon dass ... Ähm, Dumbledore irgendwie einbringt, was seine verfluchte Motivation im Kampf gegen Grindelwald ist. (Da wäre es ja schon skurill, wenn es eine Sexszene gäbe lol)


    Und wie gesagt: Ich sehe Charakter wichtig an, als den eigentlichen Plot. Weil ein Plot nur spannend ist, wenn man sich für die Auswirkungen auf das Leben des Heldens schert. Das erreicht man besser, wenn der Held ein vielschichtiger Charakter ist und man weiß, aus was für einem Holz er so geschnitzt ist. Und das sieht man erst, wenn man ihn auch in Situationen wo er normal mit anderen Leuten umgeht.


    Und zu dem, was ein Charakter ist, gehört z.B. auch seine Sexualität und wie er mit Sexualität umgeht.


    Zusammengenommen finde ich, dass eine Geschichte keine Szenen haben sollte, die nur Alltag sind, keine Szenen, die die Story nicht vorantreiben.

    Wie gesagt, da widerspreche ich. Wiederholende Alltagsszenen sind schlecht (sofern kein Stilmittel), aber Alltagsszenen, die dazu dienen, zu illustrieren, wie der Charakter sich normal verhält und wie sich dieses Verhalten im Verlauf der Geschichte verändert, halte ich für sehr wichtig.

  • Ich möchte dazu aus Matías Martínez' und Michael Scheffels Einführung in die Erzähltheorie (10. Auflage, C.H.Beck 2016) beitragen: In Kapitel III.1 schreiben sie über die "Motivierung (oder Motivation) des Geschehens", welches "das dargestellte Geschehen zum sinnhaften Zusammenhang einer Geschichte [integriert]". (S. 116)


    Geschichte ist, wenn ein Geschehen, also Ereignisse in einem chronologischen Zusammenhang, kausal verknüpft werden - E. M. Forster schreibt: "‹The king died and then the queen died›, is a story. ‹The king died and then the queen died of grief›, is a plot." (zitiert nach Martínez und Scheffel, S. 115) - ‹story› ist dabei schlicht eine Abfolge von Ereignissen, während erst durch die kausale Verknüpfung ‹of grief› eine Handlung, der ‹plot› entsteht.


    "Es sind drei Arten von narrativer Motivierung zu unterscheiden" schreiben sie weiterhin und ich möchte euch diese nun zusammenfassen:

    • kausale Motivierung: ein Ereignis wird erklärt, indem es in einen Ursache-Wirkungs-Zusammenhang gestellt wird (welcher in der erzählten Welt, der Diegese, möglich ist). "Ereignisse" sind dabei sowohl nichtintendierte als auch intendierte Handlungsfolgen, also Figurenhandeln und Geschehnisse, 'Zufälle' können retrospektiv erklärt werden.
    • finale Motivierung: kurz gesagt - gottgewollt. Schicksalshaft vorgegeben. Etwas geschieht, weil es so geschehen muss im Hinblick auf das Ende einer Geschichte.

    Zu diesen ersten beiden lässt sich sagen, dass "im Regelfall der Leser einfach die Existenz bestimmter Motivationen [unterstellt]" (S. 118), was wiederum das Phänomen des "red herring" erklärt. Als Leser stellen wir aufgrund unseres Vorwissens Erwartungen an den Text, die er in der Folge erfüllen oder enttäuschen kann, die aber erst durch solche Leerstellen, an denen die Motivation nicht explizit erläutert wird (was der Regelfall ist), ermöglicht wird.


    Als letzte Form der Motivierung nennen Martínez/Scheffel die 3. kompositorische oder ästhetische Motivierung. Als solche wird Čechovs These (engl. Chekhov) von Boris Tomaševskij eingeordnet: jedes Motiv und Detail einer Handlung müsse handlungsfunktional sein (zur Handlung beitragen) und wenn es sich weder kausal noch final motivieren lässt, also irrelevant ist, ist es "kompositorisch motivierbar" - entweder metaphorisch oder metonymisch. Metaphorisch sollte relativ klar sein; metonymisch ist etwas "Chekhov's gun" - sie ist erst vollkommen irrelevant, ihre Erwähnung erklärt sich jedoch am Ende und deshalb steht sie eben für eine Vorhersehung.


    Um der heftigen Diskussion ein bisschen den Wind aus den Segeln zu nehmen, möchte ich noch die Schlussfolgerung der beiden Autoren zitieren: "Tomaševskijs Forderung nach lückenloser Funktionalisierung [...] unterstellt eine Norm des Erzählens, die vielen literarischen Texten nicht gerecht wird. [...] Häufig [wird] eine fehlende oder unplausible Motivierung der Handlung als ästhetischer Fehler getadelt. [...] Aber lässt sich die Häufung konkreter Details auf diese Weise wirklich befriedigend erklären? Warum ist die Täfelung des Saals ausgerechnet weiß gestrichen? Warum steht auf dem Klavier ausgerechnet ein Haufen von Schachteln und Kartons? Diese Details sind zwar nicht dysfunktional, aber durch eine funktionale Analyse nicht mehr recht zu motivieren." (S. 121f)


    "Die Reine und einfache ‹Repräsentation› des ‹Realen›, die nackte Darstellung dessen, ‹was ist› (oder gewesen ist), erscheint somit ein Wiederstand gegenüber dem Sinn" schreibt Roland Barthes (L'Effet, S. 482, zitiert nach eh schon wissen) und nennt diese ‹effets de réel›, Realitätseffekte. "Die semantische Funktion solcher Details entspringt gerade ihrer narrativen Funktionslosigkeit [...] imitiert die alltagsweltliche Erfahrung" - einfach gesagt sie sind genau aus dem Grund da, aus dem wir sie uns wünschen: um die Handlung in einen für uns nachvollziehbaren Kontext zu setzen. Sie helfen uns, dass wir uns in die Situation hineinversetzen können.


    Meine persönliche Meinung dazu ist, dass die Inhalte eines Textes durchaus ohne diese Elemente auskommen. Deshalb reicht es mir oft, Zusammenfassungen zu lesen, wenn mich das drumherum nicht interessiert - wenn ich etwas sehen möchte, schaue ich einen Film. Wenn ich etwas verstehen möchte, lese ich das Buch. Meterlange Beschreibungen von Sonnenuntergängen, wenn sie nichts zur Handlung beitragen, sind nicht mein Ding. Ich habe schon einmal einen Sonnenuntergang erlebt und es gibt Dinge, die man in 1000 Worten nicht auszudrücken vermag. Wenn ich bildliche Sprache möchte, lese ich Lyrik. Wenn ich einen Roman oder ähnliches lese, möchte ich eine Geschichte erzählt und nicht eine Reihe von Geschehen beschrieben bekommen.


    Es gibt natürlich Dinge, die für die Geschichte relevant sind - so sehe ich das auch bei der Sache um Grindelwald und Dumbledore - aber wie ihr ebenfalls kritisiert habt, finde ich auch die Geschichte um Harry und Cho recht irrelevant. Aber im Gesamtkontext wiederum nicht, da sie den Eindruck vermittelt, dass Harry nicht nur der supertolle Hero ist, sondern auch die ganz normalen Irrungen eines Heranwachsenden durchmacht. Sie ist daher nicht wirklich irrelevant, sondern eher generisch und variabel. Es ist nicht wichtig, ob es Cho oder Ginny ist (Ginny ist halt der wichtigere Charakter), nicht wichtig ob Snapes Fach Zaubertränke oder Verwandlungskunst ist (hauptsache Harry ist schlecht drin und Snape ist gemein), nicht wichtig, dass es der verbotene Wald oder ein verwunschenes Tal ist. Tatsächlich ist es auch nicht wichtig, ob Dumbledore schwul war, weil Grindelwald genauso gut eine Frau gewesen sein könnte. Diese Zuordnungen sind alle willkürlich und in ihrer Ausformung sind relevant für die Handlung. Oft, meistens, funktioniert Literatur nach einem Schema. Sie besitzt eine Tiefenstruktur und die einzelnen Funktionen dieser Struktur sind vorgegeben, ihre Ausformung aber variabel. Beispiel: Prinz reitet und rettet Prinzessin aus einem Turm. Richard Gere fährt mit der Limousine und rettet Julia Roberts aus ihrem heruntergekommenen Leben (Pretty Woman, 1990).


    Es wäre absurd zu glauben, dass Popliteratur, aber eben auch Popkultur an sich, nicht auf vorgegebenen Schemata aufbaut. Das Rad kann nicht jeden Tag neu erfunden werden. Chekhov's gun gab es bereits und es wird sie immer wieder geben, und unsere Erwartungshaltung macht sie zu eben dieser oder eben einem red herring.


    edit:

    Der sagte immer: "Eine Geschichte ist erst dann gut und komplett, wenn der Charakter sich im Lauf der Handlung entwickelt hat."

    Nein. Ein Charakter muss sich nicht entwickeln. Ein Charakter kann genauso schematisch sein wie die Handlung selbst; Märchenfiguren entwickeln sich im Laufe der Geschichte auch nicht weiter. Oft haben sie nicht einmal einen Namen (z.B. "die Hexe", "Der Zauberer") und es reicht für die Handlung vollkommen aus, wenn wir uns eine generische Figur vorstellen, da sie wie ein Objekt in die Handlung integriert werden.


    Auch der Protagonist muss sich nicht entwickeln. Jemand, der eine Reise macht und seine Erfahrungen schildert, kann zu Anfang und zu Ende genau die gleiche Person mit den selben Fehlern sein, oder auch eben nur ein Reisender und ist als Figur für die Geschichte zwar wichtig - weil er uns ja erzählt - aber für die Handlung irrelevant, ob er homo-, bi- oder heterosexuell ist.

  • Nein. Ein Charakter muss sich nicht entwickeln. Ein Charakter kann genauso schematisch sein wie die Handlung selbst; Märchenfiguren entwickeln sich im Laufe der Geschichte auch nicht weiter. Oft haben sie nicht einmal einen Namen (z.B. "die Hexe", "Der Zauberer") und es reicht für die Handlung vollkommen aus, wenn wir uns eine generische Figur vorstellen, da sie wie ein Objekt in die Handlung integriert werden.

    Märchen sind für die meisten auch keine wirklichen Geschichten, sondern Ideen. Es hat einen Grund, warum der Prinz in Disneys Dornröschen Philip, Dornröschen Aurora und die Hexe Malefiz heißt. Weil ohne das wäre vielleicht noch dieselbe Geschichte erzählt worden, aber der Zuschauer wäre nicht mitgerissen worden. Deswegen ist Geschichtsunterricht so langweilig, wenn man nur darüber redet, dass ein paar hundert Soldaten bei der Schlacht von sowieso gestorben sind, und dass Propaganda zu einer bestimmten Situation geführt hat. Klar, das ist die relevante Information, aber die relevante Information ist für die meisten Leute nun einmal irrelevant.


    Dagegen ist die Geschichte eine konkreten Soldaten, der an der Schlacht von sowieso teilgenommen hat, zu seiner Familie zurückkehren wollte und seinen besten Freund in der Schlacht verlor, mitreißend. Die Geschichte vom Bauern Alfons, der hungern musste und deswegen die Propaganda so gut fand, die ihm mehr Essen versprach, nachvollziehbar.


    Was bringt einem dieselbe Handlung, wenn sie einen nicht interessiert, weil es nichts interessantes gibt?


    Deswegen eben auch der Punkt mit der Charakterentwicklung. Es gibt zusätzliche Stakes in der Geschichte und es gibt dem Leser etwas, um sich damit zu identifizieren. Ein Krimi wird erst dann wirklich spannend, wenn der Leser hofft, dass ein bestimmter Charakter nicht ermordet wird. Nicht, weil der Tod schlecht ist, sondern weil dieser Charakter etwas besonderes ist.


    Deswegen liegen in vielen Klassikern eben doch die Charaktere und ihre Entwicklung im Zentrum. Was ist das, was am Ende von Herr der Ringe hängen bleibt? Die Tatsache, dass ein dunkler Lord besiegt wurde, oder die Geschichte davon, wie sich vier niemande behauptet haben und zu Helden gewachsen sind?


    Wenn am Ende der Geschichte der Charakter so ist, wie vorher: Warum überhaupt ein Abenteuer erleben?


    Die Aneinanderreihung von Ereignissen mag grob gesehen dieselbe sein. Aber es fehlt als Konsument doch ein zentraler Punkt. Menschen sind nun einmal empathische Wesen. Deswegen lernen wir aus Geschichten besser, wenn wir mit den Helden lernen. Deswegen fühlt sich eine Geschichte erst dann komplett an, wenn der Held selbst folgen trägt. Erst dann nehme ich wirklich etwas aus der Geschichte mit, erst dann kann die Geschichte wirklich berühren. Reine Fakten, reine Aneinanderreihungen von Ereignissen können das nicht.

  • Ich finde diese Konzentration auf ausschließlich Plotrelevante Szenen schlecht und schädlich.

    Schädlich für Geschichten sind Dinge, die den Leser davon abhalten, weiterzulesen. Der Schaden ist, dass der Leser nicht weiterliest, was letztendlich das ist, was man beim Schreiben einer Geschichte eher vermeiden will. Wenn die Willing Suspension fo Disbelief kaputt geht, ist das schädlich. Immersion-Breaks sind schädlich. Spannungslosigkeit ist schädlich. Womit wir beim Thema wären: Teile der Geschichte, die keine Spannung aufbauen und dem Leser auch sonst keinen Grund liefern, weiterzulesen, sind schädlich. Wieso die Abwesenheit von spannungslosen Elementen und solche, die nichts zur Handlung beitragen, schädlich für eine Story sein soll, müsstest du etwas ausführlicher erklären, den Zusammenhang sehe ich nämlich nicht.


    Gerade da ich immer der Meinung bin, dass Charakter > Plot.

    Das gilt für Serien (Stichwort Franchises), für Einzelwerke gilt das nicht. Ein Plot ist letztendlich nichts anderes, als dass man einen Charakter mit bestimmten Eigenschaften bestimmten Umwelteinwirkungen entgegensetzt. Die Umwelteinwirkungen sollten so gestaltet sein, dass die das interessante aus dem Charakter herausholen. Der Charakter sollte so gestaltet sein, dass er mit seiner Umwelt auf eine interessante Weise interagiert. Insgesamt sollte bei eine Erkenntnis entstehen, die sich von der Norm abhebt (sonst wäre es nicht interessant). Das Zusammenspiel der beiden ist wichtig und kreiert Spannung. Wenn eine Alltagszene ein besonderes Verhalten bei einem Charakter induziert, das für den späteren Verlauf der Handlung entscheidend ist, ist sie wichtig. Tut sie das nicht, ist sie überflüssig. Wobei ich die Gleichung 'Charakter > Plot' ohnehin etwas merkwürdig finde. Der Charakter ist ein Bestandteil des Plots, genau wie die Umwelt. Der Plot entsteht durch beider Zusammenspiel. Ich vermute mal, du meinst, dass der Charakter wichtiger ist als seine Umwelt. Falls das so ist, bedeutet das letztendlich, dass Alltagszenen nicht den Charakter herausarbeiten und dadurch spannend sind, sondern dass die Alltagszenen nur durch einen interessanten Charakter überhaupt erträglich werden. In dem Fall kann man den Charakter durch Szenen, die kein Alltag sind, vermutlich besser zur Schau stellen. Die einzige Situation, in der ich einen Alltag ohne Plotrelevanz darstellen würde, wäre wenn ich so viel Content wie möglich produzieren möchte. Was eben für Franchises und lange Serien gilt, wo mehr Content = mehr Profit. In Einzelwerken, die sich darauf konzentrieren wollen eine Geschichte zu erzähen, eine Aussage zu treffen etc. ist das Bloat.


    Gerade in modernen Diskussionen zum Thema Pacing merkt man es oft, da in japanischen Geschichten das Pacing oft absichtlich durch Alltagsszenen ausgebremst wird, um Verschnaufspausen einzubauen.

    Das kann ich durch meine Erfahrungen nicht bestätigen. Bei japanischen Romanen oder auch bei Oneshots ist mir bisher nicht aufgefallen, dass besonders viel Wert auf Alltagszenen zum Verlangsamen des Pacings gelegt wurde (--> Einzelwerke). Bei Light-Novels, Mangas und Animes hingegen schon, was ja auch logisch ist, denn das sind Serien. Je mehr Content, desto besser. Ich will auch nochmal ganz klar unterstreichen, dass Alltagszenen zum Verlangsamen des Pacings sehr gut geeignet und eine gute Strategie sind, solange sie gleichzeitig den Plot voranbringen. Das Pacing einer Geschichte zu verlangsamen bedeutet nicht, dass das Pacing zum Stillstand kommen muss. Auch möchte ich erneut auf Fanservice und Comic Relief zurückkommen. Alltagszenen, die für so etwas sorgen sollen, haben ihre Berechtigung, auch wenn es eben keine Plot-Berechtigung sondern eine Meta-Angelegenheit ist. Sie steuern das Pacing, tragen aber nicht zum Plot bei. Daher mangelt es ihnen an Spannung und sie sind somit eine Gefahr für die Geschichte (da Leser möglicherweise aufhören, die Geschichte zu verfolgen). Um den Mangel an Plotrelevanz auszugleichen, werden Comic Relief oder Fanservice benutzt.


    Und das finde ich besser. Die Charaktere brauchen Verschnaufpausen. Der Leser braucht Verschnaufpausen. Der Leser braucht auch eine Möglichkeit, die Charaktere von einer anderen Seite kennen zu lernen.

    Dagegen habe ich doch auch gar nichts gesagt. Mein Beitrag oben sagt doch klar aus, dass Alltagszenen sinnvoll sein können, wenn sie eben auch zum Plot beitragen. Sie verlangsamen das Pacing dadurch, bringen es aber nicht zum Stillstand. Ich verstehe nicht so richtig, wo das Problem darin liegt, eine Alltagszene zu schreiben, die auch trotzdem plotrelevante Elemente mit sich bringt. Ich argumentiere nicht gegen Alltagszenen an sich, sondern mein Standpunkt ist, dass Alltagszenen ohne Verankerung in der Haupthandlung unnötig sind, vor allem in Einzelwerken. Der Grund dafür ist, dass Alltagszenen schnell langweilig werden, wenn sie keine Plotrelevanz haben und keine Auffangmechaniken wie Fanservice oder Comic Relief.


    Ich rede nicht von Sex-Szenen. o.ô"

    Sorry, ich hab mich missverständlich ausgedrückt. Mit 'Sexszenen, wie du sie erwähnt hast' meinte ich eben gerade implizierende Szenen, genau so, wie du sie beschrieben hast. Letztendlich ist es für die Argumentation egal, ob die Szene explizit oder implizit ist, im Valkyrie-Beispiel ist beides Fanservice, und auf Fanservice habe ich mich bezogen.



    @Narime
    Yep. Viele der Zuordnungen in einer Geschichte sind willkürlich, haben keine Plotrelevanz, tragen prinzipiell zu nichts bei, was die bloße Handlungskonstruktion betrifft. Trotzdem sind sie wichtig. Die Details formen ein Abbild der Realität, was dem Leser eine Einfindung ermöglicht. Diese Form sorgt dafür, dass die Geschichte konsumiert werden kann und eine emotionale Reaktion hervorruft. Indem man sich entscheidet, welches Geschlecht die Charaktere haben in einer Geschichte in der das Geschlecht eigentlich irrelevant ist, indem man diesen Vorgang unzählige Male wiederholt für alle in der Geschichte vorkommenden Elemente und Eigenschaften, die eigentlich keine Relevanz haben (sollten), entsteht eine Gesamtrelevanz, im Prinzip das Setting. Das Setting ermöglicht menschlichen Lesern eine neuronale Verknüpfung der Aussage der Handlung mit ihren eigenen Erlebnissen und mit ihrem bisherigen Wissen und sorgt dadurch für Neuverschaltungen, die die Erfahrung der Konsumption der Geschichte nicht nur verbessern, sondern für viele Leser überhaupt erst ermöglichen.
    Im mikroskopischen Sinn sind Details daher oftmals unerlässlich und wichtig, egal ob sie zur Handlung beitragen oder nicht. Sie sind auf eine Art und Weise wichtig, die nicht mit der Handlung in Zusammenhang steht sondern mit der Rezeption, weil wir eben Menschen sind und auf eine gewisse Weise funktionieren. In dem Sinne sorgt das Setting dafür, dass ein Mensch die Informationen, die in einer Geschichte kodiert sind, besser verarbeiten und dekodieren kann. Das gilt aber eben gerade für mikroskopische Details. Sobald man das Scope erhöht und größere Elemente der Geschichte - wie beispielsweise ganze Szenen - zu solchen willkürlichen Details werden, die zur Information, die die Geschichte erzählen soll, nicht beitragen, wird die Rezeption der Information der Geschichte wiederum erschwert. Daher finde ich, dass die Details wichtig sind, dass das Setting wichtig ist, aber dass es eben nicht Vorrang vor der eigentlichen Aussage der Geschichte bekommen sollte. Solange sich willkürliche Details auf die Etablierung der Dekodierungsmöglichkeiten des menschlichen Empfängers beschränken, sind sie begrüßenswert, aber wenn es darüber hinausgeht, sorgen sie für eine Minderung der Qualität, da es eben der Rezeption im Weg steht.
    Das hängt eben auch sehr mit Zielgruppen zusammen. Bestimmte Menschen sind für bestimmte Settings und für bestimmte Umweltbedingungen empfänglicher. Einen Handlungsablauf in diese einzubetten sorgt dafür, dass dieser von den Betroffenen besser verstanden und nachvollzogen werden kann, während er es für andere Menschen erschwert, die für dieses gleiche Setting nicht so empfänglich sind. Die darunterliegenden Handlungsabläufe und Geschichten können dieselben sein, aber die werden von unterschiedlichen Menschen in unterschiedlichen Zielgruppen anders verstanden und aufgenommen auf Basis der ganzen willkürlichen Details, die man im Verlauf des Erstellens der Geschichte zuordnet.
    Die 'Probleme' an Chekhovs Gun entstehen daher, wenn Details eingebaut werden, die den Leser auf eine Weise irritieren oder ablenken, die dazu führt, dass er die Geschichte nicht mehr so verstehen kann, wie es vom Autoren vorgesehen wurde. Beispielsweise dadurch, dass diese Details zu viel Raum einnehmen, damit zu einem Spannungsverlust führen und in der Konsequenz dafür sorgen, dass sich der Leser etwas anderem als dieser Geschichte zuwendet.

  • Wieso die Abwesenheit von spannungslosen Elementen und solche, die nichts zur Handlung beitragen, schädlich für eine Story sein soll, müsstest du etwas ausführlicher erklären, den Zusammenhang sehe ich nämlich nicht.

    Weil Alltagsszenen die Szenen sind, die die meisten Leser selbst besser nachvollziehen können. Sie zeigen mehr über Welt und Charaktere, als die Szenen, in denen die Charaktere ungewöhnlichen Situationen, die für den Leser fremd sind. Es hat einen Grund, warum fast alle Bücher, Filme, Serien, Spiele mit einer relativen Alltagssituation anfangen - eben weil es dadurch leichter ist, den Leser in der Geschichte zu verankern und in die Welt der Geschichte einzuführen.


    Die meisten Fantasygeschichten beginnen mit dem Alltag des Charakters, der dann durch den Bösewicht gestört wird.


    Die meisten Romanzen beginnen nicht mit dem ersten Treffen der beiden Helden, sondern mit dem Tag davor.


    Weil wir erst lernen müssen, was für Charaktere es sind und was für sie wichtig ist, damit wir uns dafür interessieren, was mit ihnen passiert.


    Spätere Alltagsszenen zeigen uns, was für eine Auswirkung die Handlung auf das Verhalten des Charakters hatte - auf eine Art, wie es Actionszenen nicht können. Denn natürlich verhält sich der Charakter in den für ihn außergewöhnlichen Situationen anders, als normal. Aber das sagt uns doch nichts über seine Änderung als Charakter aus.


    Alltagsszenen bieten einfach eine bessere Bindung mit den Charakteren und bieten damit dem Konsumenten einen besseren Anker in der Geschichte.


    Solange man es nicht übertreibt. Denn natürlich kann man es auch übertreiben. Wenn der halbe Film nur "Abhängen der Charaktere im Alltag" ist, dann wird es auch uninteressant. Vor allem weil dann oft die Glaubwürdigkeit gebrochen wird (was vor allem daher kommt, wie wir auf bestimmte Arten der Erzählung Konditioniert sind), wenn die Charaktere sich praktisch nicht für den Plot zu interessieren scheinen.



    Das gilt für Serien (Stichwort Franchises), für Einzelwerke gilt das nicht.

    Hier ist doch die eigentliche Frage: Wo hört das Einzelwerk auf und wo fängt die Serie an? Ein Buch ist eine Serie von Kapiteln, eine Geschichte eine Serie von Szenen, eine Szene eine Serie von einzelnen Handlungen. Wo hört das Einzelwerk auf?


    Gerade bei Büchern ist das doch die Frage. Denn wer ein Buch verfilmen will, ohne etwas herauszulassen, der endet meist mit einer Serie. Wer einen Einzelfilm einfach eins zu eins in Buchform übersetzt, ohne Zusatzinformationen hinzu zu packen, endet mit etwa 100 seitigen Novellen.


    Was ist jetzt der Standard für das "Einzelwerk"? Das eine Buch? Der eine Film? Ist dieselbe Geschichte ein Einzelwerk, wenn sie in einen Film verpackt wird, und gleichzeitig eine Serie, wenn sie im Serienformat ausgestrahlt wird?


    Ich verstehe denke ich durchaus, was du meinst. Zumindest glaube ich das. Man verzeiht mehr an Alltagsentwicklungen, wenn diese in einem späteren Teil einen Payoff bekommen. Man verzeiht auch mehr langsame Szenen, wenn es gleichzeitig mehr schnelle Szenen gibt. Aber dennoch: Wo ist die Grenze?



    In dem Fall kann man den Charakter durch Szenen, die kein Alltag sind, vermutlich besser zur Schau stellen.

    Siehe oben. Eben nicht.


    Außergewöhnliche Situationen zeigen nicht, WER der Charakter ist. Sie zeigen nur, wie er in außergewöhnlichen Situationen agiert.


    Bei japanischen Romanen oder auch bei Oneshots ist mir bisher nicht aufgefallen, dass besonders viel Wert auf Alltagszenen zum Verlangsamen des Pacings gelegt wurde (--> Einzelwerke).

    Was für japanische Romane hast du denn bisher gelesen? Eher die Neu-Literarischen (Stichwort: Murakami) oder eher die Klassischen?
    Weil ich da eben den Unterschied sehe. Das Problem ist, dass viele Klassiker eben auch nie in den Westen kommen, weil sie unserer Art Geschichten zu lesen und zu konsumieren einfach so fremd sind.


    Ich argumentiere nicht gegen Alltagszenen an sich, sondern mein Standpunkt ist, dass Alltagszenen ohne Verankerung in der Haupthandlung unnötig sind, vor allem in Einzelwerken.

    Auch da ist eben die Frage: Ab wann ist die Szene in der Haupthandlung verankert?


    Überhaupt: Warum ist Alltag von der Handlung für dich so getrennt, sofern es nicht explizit anders ist?


    Jetzt einfach, als Beispiel, da es zum Thema sehr passend ist: Mosaik, die Geschichte, die ich ausschließlich online veröffentlichen will, überspringt oftmals Actionszenen zugunsten von Alltagsszenen. Warum? Weil der Alltag für mich der eigentliche Kern der Geschichte ist. Die Geschichte handelt im Kern nicht davon, wie Joanne am Ende Bösewichte besiegt, sondern davon, wie es sie verändert und wie sie lernt, wieder Verbindungen mit anderen Menschen zu knüpfen. Deswegen fange ich bei der Geschichte, anders als bei allen anderen Geschichten, mit einer Actionszene an und gehe dann zu Alltagsszenen über. Weil für sie die Action der Fokus ist, bis die Handlung anfängt und immer mehr andere Menschen und ein normales Leben in den Fokus rückt.


    Sorry, ich hab mich missverständlich ausgedrückt. Mit 'Sexszenen, wie du sie erwähnt hast' meinte ich eben gerade implizierende Szenen, genau so, wie du sie beschrieben hast. Letztendlich ist es für die Argumentation egal, ob die Szene explizit oder implizit ist, im Valkyrie-Beispiel ist beides Fanservice, und auf Fanservice habe ich mich bezogen.

    Nun, wie gesagt, dass sehe ich anders. Denn es hätte in meinen Augen das Valkyrie-Charakterarc deutlich mehr Gewicht gegeben. Warum? Weil sie eben dieses "Show, don't tell" Charakterarc hat. Sie hat effektiv ihr bisheriges Leben aufgegeben, nachdem sie eine Geliebte bei dem Kampf gegen Hela verloren hat. Das ist aber etwas, dass - da eben nicht explizit erzählt - untergeht, wenn dir der Kontext fehlt, dass sie bisexuell ist, weil dir ohne den Kontext in dem Flashback nicht klar ist, dass die Person, die sich für sie Opfert, ihre Geliebte ist. Jedenfalls nicht zwangsläufig (Stichwort: Heteronormativität). Dieses Wissen und diese Perspektive auf die Situation verändert komplett die Wahrnehmung des Charakters.

  • Deswegen ist Geschichtsunterricht so langweilig, wenn man nur darüber redet, dass ein paar hundert Soldaten bei der Schlacht von sowieso gestorben sind, und dass Propaganda zu einer bestimmten Situation geführt hat. Klar, das ist die relevante Information, aber die relevante Information ist für die meisten Leute nun einmal irrelevant.

    Nein? Ich komm gar nicht damit klar, wie wertend - und in dem Fall abwertend - du deine Aussagen formulierst. Es gibt nicht ohne Grund Aufzeichnungen der Geschichte, Geschichtsbücher, Dokumentationen, Millionen von Menschen, die sich mit Geschichte um ihretwillen auseinandersetzen (mich eingeschlossen, Geschichte war immer mein Lieblingsfach, weil mich interessiert, warum die Menschen so sind wie sie sind). Ich kann es aber genauso formulieren wie du:

    Dagegen ist die Geschichte eine konkreten Soldaten, der an der Schlacht von sowieso teilgenommen hat, zu seiner Familie zurückkehren wollte und seinen besten Freund in der Schlacht verlor, mitreißend. Die Geschichte vom Bauern Alfons, der hungern musste und deswegen die Propaganda so gut fand, die ihm mehr Essen versprach, nachvollziehbar.

    GEFÜHLSDUSELEI. Mehr nicht. Genau diese Dinge machen "Geschichte" nicht interessant, sondern verfälschen sie, emotionalisieren sie und deuten sie um. Man kann Fakten hernehmen und sie nüchtern darstellen oder man verpackt sie in einen Kontext, das nennt sich dann ‹emplotment›. Geschichte an sich hat keinen tieferen Sinn, Ereignisse lassen sich womöglich kausal herleiten, aber jede Herleitung ist ein Akt der Interpretation. Wir können vermuten, mit hoher Wahrscheinlichkeit feststellen, dass etwas aus diesem oder jenen Grund gewesen ist, aber wir können es nicht mit Sicherheit sagen, solange es keinen wissenschaftlichen Zusammenhang gibt. Damit ist Geschichte gnadenlos unserer Ideologie ausgeliefert und wir lassen uns eben deshalb von der Geschichte des einzelnen Soldaten so mitreißen (Achtung, Schema).

    Märchen sind für die meisten auch keine wirklichen Geschichten, sondern Ideen. Es hat einen Grund, warum der Prinz in Disneys Dornröschen Philip, Dornröschen Aurora und die Hexe Malefiz heißt. Weil ohne das wäre vielleicht noch dieselbe Geschichte erzählt worden, aber der Zuschauer wäre nicht mitgerissen worden.

    Ich glaube, ich habe oben eine literaturwissenschaftliche Definition von "Geschichte" geliefert und jetzt erkläre mir bitte, was an einem Märchen keine Geschichte ist. Märchen sind Schemaliteratur par excellence. Deshalb können die Charaktere heißen wie sie wollen, wenn ich die Handlung nacherzähle und mir nicht einfällt, die der prinz oder die Hexe heißen, tut das der Handlung keinen Abbruch. Relevant wird in dem Fall die Charakterentwicklung nur dann, wenn sie dem Schema widerspricht, was sie im Falle Disney eindeutig nicht tut.

    Ein Krimi wird erst dann wirklich spannend, wenn der Leser hofft, dass ein bestimmter Charakter nicht ermordet wird. Nicht, weil der Tod schlecht ist, sondern weil dieser Charakter etwas besonderes ist.

    Und wenn ich sage, dass ein Krimi für mich spannend wird, wenn Unvorhergesehenes passiert? Ist das ABNORMAL? Ich sitze nicht vor Sherlock und denke mir die ganze Zeit "bittebitte Sherlock darf nicht tot sein" weil ich Benedict Cumberbatch so geil finde und Sherlock, das Arschloch, so einen tollen Charakter hat. Nein, ich sitze da und denke mir "Sherlock darf nicht tot sein, weil ohne ihn die Serie nicht funktioniert, weil er die Rolle des Protagonisten einnimmt". Was nicht heißt, dass Sherlock unbedingt Sherlock sein muss. Die Serie hätte auch Watson heißen können und aus Sicht Watsons gezeigt werden können und nachdem Sherlock tot ist, zieht Watson weiter usw. Es GIBT Geschichten, die allein auf der Charakterentwicklung aufbauen, aber bisher hast du dafür noch kein Beispiel genannt. Ich tu es für dich: Game of Thrones (hab ich weder gesehen noch gelesen, aber meines Wissens), Outlander bzw. die Highland-Saga, und ja, gewisser Weise auch viele andere Fantasy-Geschichten. Kennst du den Minions-Film? Plotmäßig ist der kaum beachtenswert. Er funktioniert allein wegen der Charaktere. Aber nichtsdestotrotz braucht es den Plot und ich gehe sogar so weit zu sagen, dass ein Charakter ohne Plot uninteressant ist. Er ist ein Ereignis ohne Kausalität. Schön, geheimnisvoll, bewundernswert, interessant - aber trotzdem fragen wir uns: was ist seine Geschichte? Oder warum steht der da? Ist er Chekhov's gun?

    Wenn am Ende der Geschichte der Charakter so ist, wie vorher: Warum überhaupt ein Abenteuer erleben?

    Ganz einfach: der Weg ist das Ziel. Es dreht sich nicht immer alles um den Charakter, vielleicht geht es ja auch einfach einmal um die Welt, um eine philosophische Frage?


    Yep. Viele der Zuordnungen in einer Geschichte sind willkürlich, haben keine Plotrelevanz, tragen prinzipiell zu nichts bei, was die bloße Handlungskonstruktion betrifft. Trotzdem sind sie wichtig. Die Details formen ein Abbild der Realität, was dem Leser eine Einfindung ermöglicht. Diese Form sorgt dafür, dass die Geschichte konsumiert werden kann und eine emotionale Reaktion hervorruft. Indem man sich entscheidet, welches Geschlecht die Charaktere haben in einer Geschichte in der das Geschlecht eigentlich irrelevant ist, indem man diesen Vorgang unzählige Male wiederholt für alle in der Geschichte vorkommenden Elemente und Eigenschaften, die eigentlich keine Relevanz haben (sollten), entsteht eine Gesamtrelevanz, im Prinzip das Setting. Das Setting ermöglicht menschlichen Lesern eine neuronale Verknüpfung der Aussage der Handlung mit ihren eigenen Erlebnissen und mit ihrem bisherigen Wissen und sorgt dadurch für Neuverschaltungen, die die Erfahrung der Konsumption der Geschichte nicht nur verbessern, sondern für viele Leser überhaupt erst ermöglichen.

    Das will ich damit auch nicht sagen. Wenn es alles irrelevant wäre, dann bräuchten wir ja gar nichts zu lesen, sondern uns nur die Strukturen anzuschauen. Das Setting ist natürlich wichtig für den Leser, aber für die Handlung an sich ist es nicht wichtig, ob Harry Potter ein Zauberer oder ein Ritter ist (und Parzival heißt), es verändert nur die entsprechenden Variablen. Die Tiefenstruktur bleibt die gleiche. Deshalb funktioniert 50 Shades auch ohne Zuordnung zum Twilight-Franchise.


    Chekhov's gun erkennen setzt voraus, dass wir nicht zum ersten Mal von ihr lesen. Chekhov's gun als Autor einzusetzen bedeutet das Risiko, Unverständnis hervorzurufen, wenn der Sinnzusammenhang fehlt. Es kann dazu führen, dass man Leser verliert. An dieser Stelle aber müssen wir als Autoren darauf bauen, dass Chekhov's gun als Realitätseffekt durchgeht, um später den gewünschten Effekt zu erzielen, oder der Leser genau weiß, dass er Chekhov's gun vor sich hat und sich deshalb die Motivierung herleiten kann.


    Ansonsten stimme ich dir eigentlich vollinhaltlich zu. Charaktere werden insbesondere in Serien (richtigen Serien, nicht sowas wie 13 Reasons Why) wichtig, wo sie durch ihren Wiedererkennungswert und ihre Entwicklung erst zum Zusammenhang der Handlung beitragen.


    Edit:

    Weil wir erst lernen müssen, was für Charaktere es sind und was für sie wichtig ist, damit wir uns dafür interessieren, was mit ihnen passiert.

    Also für MICH ist es umgekehrt. Für mich werden Charaktere oft erst interessant, wenn ich weiß, was mit ihnen geschieht. oder DASS etwas mit ihnen geschieht. Für mich ist nicht die Existenz der Charaktere wichtig, sondern ihre Einbindung in die Handlung. Ich denke, dass ich da nicht gerade eine Midnerheit bin, weshalb ich es, wie schon erwähnt, schrecklich finde, wie du generalisierst.

    Hier ist doch die eigentliche Frage: Wo hört das Einzelwerk auf und wo fängt die Serie an? Ein Buch ist eine Serie von Kapiteln, eine Geschichte eine Serie von Szenen, eine Szene eine Serie von einzelnen Handlungen. Wo hört das Einzelwerk auf?

    Ich zitiere aus einem Skript zu "seriellem und transmedialem Erzählen":


    Serien sind "fiktionale Formate […], die mit wieder erkennbaren Figurenensembles und Settings Narrationen kreieren, die periodisch fortgesetzt werden."


    successive und progressive Series.
    In erstgenannten sind die Episoden in sich abgeschlossen;
    die Serie beginnt mit jedem neuem Band von vorne, es wird also weiter erzählt, ohne dass
    sich im Verlauf Grundlegendes ändert. Das jeweilige Abenteuer, der jeweilige Fall, der zu lösen ist, sind neu und bietenAbwechslung, der Rahmen, die Schauplätze, die Protagonisten, die Figuren undKonfigurationen, auch das Erzählschema (Krimi, Abenteuerroman, Schulgeschichte) – dasalles bleibt so, wie es bekannt und vertraut ist.Ein zentrales Kennzeichen dieser so genannten successive series ist damit nicht nur dieWiedererkennbarkeit, sondern die Unveränderlichkeit der Figuren. Die Figuren verändern sich kaum, sie altern nicht – in der Fiktion bleibt die Zeit stehen,Kindheit ist hier auf Dauer gestellt. Da die Episoden in sich geschlossen sind, können dieEinzelbände in beliebiger Folge gelesen werden.
    progressive: Die Episoden bauen in dieser Form der Serie aufeinander auf, sie setzen die Erzählung fort,Handlung und Figuren entwickeln sich, fortlaufend, Stück für Stück, weiter. Um derEntwicklung und Spannungsdramaturgie folgen zu können, müssen die Einzelbändeentsprechend, nacheinander gelesen werden.

  • Selbst kleine und scheinbar unbedeutende Szenen tragen zur Handlung bei, zwar nicht direkt auf den Plot, sondern leistet seinen Beitrag zur Charakterentwicklung. Gerade die Charakterentwicklung ist meines Erachtens wichtig, denn kein Charakter geht zB aus einer kriegsorientierten Geschichte so "weiß" hervor wie er in die Handlung hinein gegangen ist. Denn jeder wird durch seine Umwelt und von den Menschen, die er trifft, beeinflusst und auch gewissermaßen verändert, auch wenn es nicht bewusst von dem Charakter wahrgenommen wird. Wie Alaiya bereits sagte: es geht ja auch um die Motive eines Charakters wie er mit anderen Charakteren interagiert. Daher halte ich es für kritisch, sämtliche Alltagsszenen direkt als überflüssig oder langweilig zu erklären. Sie sind für den Charakter wichtig, nicht für den Leser oder jemand anderen.
    Trotzdem gilt auch für Alltagsszenen: alles in einem guten Maß. Trotzdem sollte man das Ziel der Handlung nicht verfehlen.

  • Ich komm gar nicht damit klar, wie wertend - und in dem Fall abwertend - du deine Aussagen formulierst.

    Sagst du und schreibst als nächstes:

    GEFÜHLSDUSELEI


    Was ich damit sagen möchte: Ich empfinde deine Aussagen als abwertend. Ich generalisiere vielleicht, aber in meinen Augen ist Generalisierung weit weniger abwertend, als die Beobachtung eines anderen als Gefühlsduselei zu bezeichnen.


    Ich glaube, ich habe oben eine literaturwissenschaftliche Definition von "Geschichte" geliefert und jetzt erkläre mir bitte, was an einem Märchen keine Geschichte ist.

    Mir ist die literaturwissenschaftliche Definition relativ egal. Genau so wie mir filmwissenschaftliche Definitionen meist relativ egal sind.


    Ich sehe Kunst in jedem Sinne als Handwerk, aber nicht als Wissenschaft. Was bringt es mir denn, eine Sache auf die gröbsten Elemente herunterzukochen?


    Alles, was du schreibst, mag an sich richtig sein und es mag hunderte Literaturwissenschaftler geben, die damit übereinstimmen. Gleichzeitig gibt es aber tausende Endkonsumenten, die an einer solchen Geschichte kein Interesse haben und sich deswegen nicht dafür interessieren.


    Natürlich kann man es als Gefühlduselei bezeichnen, historische Ereignisse Personenbezogen (und ich rede hier nicht einmal davon es in eine komplette Narrative mit Anfang, Mittelteil, retardierenden Moment, Ende zu packen, sondern nur die Perspektive zu ändern) zu erzählen, aber die meisten Leute werden dadurch am Ende mehr mitnehmen, als wenn man ihnen erzählt, dass es halt eine Schlacht mit X Toten gab und die Nazis Propaganda benutzt haben.


    Das mögen einige Leute interessant finden - aber viele andere halt nicht. Und weil die vielen anderen es nicht interessant finden, lernen sie Geschichte nicht und lernen dadurch nicht aus der Geschichte. Und warum? Weil wir nun einmal auf soziale Interaktion, auf Empathie trainiert sind. Weil wir halt so dumme, gefühlsduselige Herdentiere sind.


    Die reine Erzählung der Todesopfer wirkt auf viele belehrend, löst eine Abwehrreaktion aus, die Geschichte eines Einzelnen dagegen nicht.


    Was übrigens nicht heißt, dass man nicht die Todesopfer, Militärtaktiken und andere trockene Details festhalten sollte - man sollte nur nicht all diejenigen abwerten, die das nicht zu schätzen wissen, langweilig finden und nachdem sie es für eine Klausur auswendig gelernt haben schnell wieder vergessen. Worauf ich damit hinaus will: Natürlich ist die reine Aufzählung faktisch richtiger, als auch nur eine Geschichte des Geschichten, die wir anhand von Briefen von der Front rekonstruiert haben (da diese natürlich durch die eigene Meinung des Soldaten, Emotionen und all diesen Kram gefiltert wird), aber wird die Geschichte dennoch bei mehr Leuten hängen bleiben, als dass 1300 Soldaten gestorben sind.


    Du magst durchaus Recht haben. Man kann Harry Potter auf "Junge geht zur Schule, lernt dort Dinge und besiegt einen bösen Mann, der andere Leute unterdrücken will" herunterbrechen. Und die Geschichte mag auf diese Elemente heruntergebrochen dieselbe sein, wenn Harry statt einer Zauberschule einer Militärakademie oder ein IT-Labor besuchen würde, aber die Wirkung auf das Publikum wäre eben nicht dieselbe. Der große Teil der Leser interessiert sich für die spezifische, dort präsentierte Welt, für die spezifisch interessierten Charaktere. Nicht dafür, dass irgendein Waisenjunge irgendeinen Diktator besiegt.


    Und genau so ist es bei Sherlock. Deswegen gibt es überhaupt so ein dediziertes Fandom. Würde es den Leuten nur darum gehen, dass ungewöhnliche Dinge passieren und Fälle gelöst werden, dann wäre der Backlash zur vierten Staffel nicht so groß gewesen. Viele Leute haben die Serie eben nicht unter dem Schwerpunkt geschaut (und ich gehe soweit zu behaupten, dass Moffat sie auch nicht unter diesem Schwerpunkt geschrieben hat - gerade Moffat, dessen Geschichten normaler Weise mehr davon handeln, wie geil seine Protagonisten sind, während alles andere schmückendes Beiwerk sind). Wenn ich speziell an der Sherlock-Serie denke, dann denke ich auch nicht an die Fälle (die ich alles in allem relativ dumm fand), sondern vor allem an die Charaktere und wie ich über diese denke. Ich denke daran, wie sich Sherlock im Verlauf der Serie verändert hat, wie er sich anderen Charakteren gegenüber geöffnet hat. Ich denke an die Freundschaft von Sherlock und Watson, an das Katz und Maus Spiel von Sherlock und Moriaty. Dann denke ich auch noch daran, wie die Serie geschnitten wurde und bestimmte Sachen dargestellt hat, ja, und an den Soundtrack. Aber am wenigsten denke ich an die Fälle, allein schon, weil diese oftmals unglaubwürdig konstruiert waren. Wären diese wirklich der Schwerpunkt der Serie gewesen, und nicht Sherlock, der sich wirr verhält, Sherlock, der mit John scherzt, Sherlock, der Mrs. Hudson beschützt, wäre die Geschichte für mich nicht interessant gewesen.


    Was übrigens nicht heißt, dass es weniger valide ist, sich nur für die Fälle zu interessieren. Es ist auch eine Art, die Serie zu sehen. Aber für mich und wenn ich mir das Fandom ansehe viele andere auch, haben die Fälle (bei denen ich ohnehin nicht miträtseln konnte, da mir die Hälfte an Informationen dafür fehlte) keine zentrale Rolle gespielt. Und wie gesagt: Ich behaupte für Moffat, der die Serie geschrieben hat, auch nicht. Immerhin ist er nahezu verrufen dafür, wie sehr er alles andere hinter dem Hauptcharakter hintenanstellt. Aber natürlich heißt auch das nicht, dass man die Serie nicht aus dieser Perspektive schauen darf oder das eine weniger wertvolle Art ist, die Serie zu schauen (weil es dahingehend ohnehin über den persönlichen Wert geht).


    Und historisch gesehen, war das bei Sherlock Holmes besonders immer schon so. Wenn ich mir anschaue, was wir über das frühe Sherlock Holmes "Fandom" (und es ist aus heutiger Sicht ein Fandom) der 1890er wissen, dann waren auch da weit mehr Leute von der Figur des Sherlock Holmes fasziniert, als von den Fällen, die er gelöst hat. Deswegen hat man auch Conan Doyle bedrängt, weitere Sherlock Holmes Geschichten zu schreiben, anstatt ihn einfach zu bedrängen, weitere Kriminalromane zu schreiben. Die Leute wollten keine Krimis mit ungewöhnlicher Handlung, die Leute wollten Sherlock, den Charakter.


    Wie gesagt: Es ist nicht falsch, was du sagst. Natürlich kann man eine Geschichte so reduzieren und sie würde im Kern dieselbe bleiben. Doch für viele, wenn nicht die meisten Konsumenten ist das eben nichts, was hängen bleibt, nicht das, was sie berührt. Das kann man nun für gut oder schlecht halten, aber das ändert nichts daran, dass es eben das ist, was sich wieder und wieder beobachten lässt.


    Das ist auch der Grund, warum du in Fandoms am Ende tausende Geschichten findest, die den Alltag der Charaktere beschreiben - und im vergleich kaum welche, die einfach nur einen weiteren Kampf mit dem Bösewicht darstellen. Weil der Charakter am Ende ist, was vielen wichtig ist. Die Leute interessiert Harry Potter als Charakter, nicht Harry Potter in der Funktion des Heldens in der Geschichte. Dasselbe kannst du so auch für so ziemlich jeden der Marvel-Helden sagen. Das ganze geht soweit, dass man es auch für Charaktere sagen kann, bei denen sogar ich sagen würde, dass ihre Funktion in der Geschichte, aus der sie kommen, wichtiger ist, als der Charakter selbst (Jack Sparrow ist das Beispiel, das mir prompt einfällt). Was so vielen Leuten in Erinnerung bleibt, ist der Charakter, nicht die Geschichte.


    Und das erzähle ich als jemand, der genau dieses Fandomverhalten oft beklagt, da ich mir mehr Geschichten wünsche, in denen Satoshi Pokémon trainiert, Taichi Yagami durch die digitale Welt reist, Jack Sparrow ein Pirat mit seltsam weisen Ratschlägen für andere Charaktere ist und Steve Rodgers irgendwelche Bösewichte oder Monster bekämpft. Aber für viele ist das halt nicht so interessant, wie Satoshi mit seinen Freunden interagieren, Taichi seine Sexualität erkunden, Jack Sparrow Wetten verlieren, Steve Rodgers Freundschaften schließen und Sherlock sich vor Watson blamieren zu lassen. Weil der Charakter (und seine zwischenmenschlichen Beziehungen) für sie interessanter ist, als die Handlung, aus der er kommt.


    Und während ich mit diesen Ecken des Fandoms nicht unbedingt übereinstimme, stimme ich doch insofern zu, dass ich Plot als das Medium sehe, den Charakter zu entwickeln und darstellen zu können, im Gegensatz dazu, den Charakter als Werkzeug zu sehen, den Plot passieren zu lassen. Für viele ist der Charakter vom Plot trennbar. (Deswegen gibt es AUs - nicht nur in Fandoms, sondern teilweise sogar canonisch.)


    Anders als du es darstellst, sage ich übrigens nicht, dass du falsch liegst. Ich sage nur, dass es viele, mich eingeschlossen, anders sehen. Dass es für viele, um nicht zu sagen, die meisten, anders ist. Das macht deine Wahrnehmung von Sherlock nicht weniger valide, macht es aber wahrscheinlich für dich schwieriger, Leute zu finden, die über die intrinsischen Details der Fälle und Plottwists reden wollen, als es für andere wäre, die Sherlocks Sexualität und die intrinsischen Details von Sherlocks Beziehung zu Watson, Irene Adler und Moriaty erörtern wollen. Genauso wie es für mich schwierig ist, Leute zu finden, die über die Bedeutung von D-Reaper als Metapher für Juris Depression und die moralischen Implikationen von künstlicher Intelligenz in Digimon Tamers reden wollen, im vergleich zu denen, die darüber reden wollen, was ein beliebiger Charakter der Serie nach dem Ende der Serie wohl macht und überhaupt wer der Lieblingscharakter ist.


    Und natürlich generalisiere ich. Weil es mir nicht um die Literaturwissenschaft und die kausalen Elemente einer Geschichte geht, sondern darum, was am Ende dafür sorgt, dass meine Leser mitgerissen werden, sich selbst in die Geschichte fantasieren und sich über Lieblingscharaktere unterhalten. Als Autor möchte ich, dass meine Leser in die Geschichte eintauchen - nicht, dass sie analysieren, welche Stilmittel ich anwende und auf welche Standardnarrative sich die Handlung reduzieren ließe.


    Und ja, ich sehe mich persönlich mit der Literaturwissenschaft und der Filmwissenschaft ein wenig verfeindet, weil diese sich ihrerseits oft mit Unterhaltungsmedien verfeinden. Und weil diese oftmals stark eurozentrisch aufgebaut sind und sich von klassischer europäischer Literatur aus entwickelt haben. Und weil sie oftmals dazu neigen, Geschichten, die keine tiefere Bedeutung haben (oder in denen sie keine sehen), zu diffamieren. Und weil sie dadurch wiederum dazu neigen, tiefere Bedeutungen in für sie persönlich wichtige Werke zu lesen, die eigentlich nicht da sind, nur um ihre eigene Leidenschaft zu rechtfertigen. Und ja, auch das sind Generalisierungen. Das nicht alle Literaturwissenschaftler so sind, ändert nichts daran, dass genug so sind, um diese Bild zu erzeugen. Nicht umsonst wird praktisch überall ein deutlicher Graben zwischen "literarisch" und "Unterhaltung" gezogen - nicht zuletzt von den Literaturwissenschaftlern selbst.

  • Es hat einen Grund, warum fast alle Bücher, Filme, Serien, Spiele mit einer relativen Alltagssituation anfangen - eben weil es dadurch leichter ist, den Leser in der Geschichte zu verankern und in die Welt der Geschichte einzuführen.

    Wie verankert die Alltagsszene denn den Leser in der Geschichte? --> Durch Elemente, die auch später im Plot noch relevant sind. Diese Alltagszenen zu Beginn dieser Geschichten sind keine losgelösten Kapitel ohne Bezug auf die spätere Story, sondern sie sind die Basiselemente der Geschichte und zeigen Dinge auf, die über die ganze Geschichte hinweg relevant sein werden. Das ist genau das was ich meine mit Alltagsszenen, die sinnvoll sind.

    Die meisten Fantasygeschichten beginnen mit dem Alltag des Charakters, der dann durch den Bösewicht gestört wird.

    Gleichzeitig zeigen sie aber oft auch Probleme auf, die der Hauptcharakter mit der Welt hat, in der er lebt. Oder sie zeigen Elemente der Fantasy-Welt, die eine Einführung bilden, mit Dingen die in der Geschichte wichtig sein werden. Sie führen Freundschaften oder Feindschaften des Charakters ein, die später genauer behandelt werden oder sich verändern.

    Die meisten Romanzen beginnen nicht mit dem ersten Treffen der beiden Helden, sondern mit dem Tag davor.

    Ja, und zeigen dann zum Beispiel, wie unzufrieden er ist. Dass der Charakter unglücklich ist. Vielleicht Probleme in der Universität, in der Schule. Auf Arbeit. Dinge, die falsch laufen im Leben, und die durch die Romanze evtl. verbessert werden können.

    Weil wir erst lernen müssen, was für Charaktere es sind und was für sie wichtig ist, damit wir uns dafür interessieren, was mit ihnen passiert.

    Genau. Das sind plotrelevante Elemente, die später in der Story zum Tragen kommen. Mir fällt gerade kein Anfang einer gut geschriebenen Geschichte ein, der keinen Grundbaustein für die ganze Story legt. Der keine für die Handlung wichtigen Details aufzeigt. Und das sind daher auch keine Chekhovs Guns. Diese Alltagszenen kann man auch nicht streichen, ohne dass die Geschichte dadurch kaputt geht. Alltagszenen, die ich als unnötig empfinde sind solche, die man streichen kann ohne dass der Geschichte dadurch etwas fehlt. Ja, vielleicht erfahren wir in der Alltagszene, dass der Hauptcharakter keine Milch mag. Solange das im Rest der Story irrelevant ist, ist mir egal ob er Milch mag. Die Szene kann man weglassen.

    Spätere Alltagsszenen zeigen uns, was für eine Auswirkung die Handlung auf das Verhalten des Charakters hatte - auf eine Art, wie es Actionszenen nicht können. Denn natürlich verhält sich der Charakter in den für ihn außergewöhnlichen Situationen anders, als normal. Aber das sagt uns doch nichts über seine Änderung als Charakter aus.

    Ja, als Epilog kann sowas durchaus Sinn machen. In Geschichten, in denen es primär um die Entwicklung des Hauptcharakters geht, macht das auch Sinn. Es ist aber nicht jeder Roman ein Entwicklungsroman, deswegen haben Entwicklungsromane ja auch eine eigene Bezeichnung.

    Spätere Alltagsszenen zeigen uns, was für eine Auswirkung die Handlung auf das Verhalten des Charakters hatte - auf eine Art, wie es Actionszenen nicht können.

    Die Welt teilt sich doch aber nicht in Action- und Alltagszenen. Wenn zwei Charaktere bei sich Zuhause sitzen und Tee trinken und dabei über etwas reden, das den Plot voranbringt und Informationen zum Handlungsgeschehen gibt, dann hat die Szene ein ruhigeres Pacing, trägt zur Handlung bei und kann trotzdem aufzeigen dass einer der Charaktere keine Milch mag. Die Szene kann man dann eben nicht weglassen. Man kann Änderungen am Verhalten eines Charakters im Alltag auch aufzeigen und gleichzeitig die Handlung vorantreiben. Das ist dann - zumindest meiner Meinung nach - gutes Storytelling.
    Nach wie vor: Ich argumentiere nicht gegen Alltagszenen, sondern gegen Alltagszenen, die man ohne Weiteres weglassen könnte, weil sie der Handlung nicht helfen. Es ist nicht schwer, beides zu verknüpfen und die Entwicklung eines Charakters im Alltag zu zeigen und gleichzeitig die Handlung voranzubringen.

    Man verzeiht mehr an Alltagsentwicklungen, wenn diese in einem späteren Teil einen Payoff bekommen. Man verzeiht auch mehr langsame Szenen, wenn es gleichzeitig mehr schnelle Szenen gibt. Aber dennoch: Wo ist die Grenze?

    Die Grenze ist abhängig von der Zielgruppe und natürlich von Person zu Person unterschiedlich. Jeder Teil der Geschichte, der nicht zur Gesamthandlung beiträgt sondern ein Spannungsloch ist, wird vereinzelt Leser vom Weiterlesen abhalten. Das gilt vor allem für Leser, die den Charakter, dessen Alltag beleuchtet wird, nicht mögen. Andererseits wird es vielleicht auch Leser, die den Charakter besonders gern haben, dazu verleiten, andere Dinge zu verzeihen, die ihnen an der Geschichte vielleicht nicht gefallen. Die Frage, die ich mir hier stelle, ist ob es notwendig ist, dieses Risiko überhaupt einzugehen, wo man doch auch in Alltagszenen plotrelevante Elemente und Spannung einbringen kann. Und ja - wenn ich als Autor es nicht schaffe, die Alltagszene plotrelevant zu machen, würde ich sie weglassen. Und das würde ich auch anderen Autoren empfehlen. Weil sowas nicht wegzulassen die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Leute da aufhören zu lesen. Eine klare Grenze, die du ansprichst, gibt es nicht. Ob eine Einzelperson weiterliest oder nicht ist ein kontinuierlicher Grad, der von einer riesigen Anzahl Faktoren bestimmt wird.


    Weil ich da eben den Unterschied sehe. Das Problem ist, dass viele Klassiker eben auch nie in den Westen kommen, weil sie unserer Art Geschichten zu lesen und zu konsumieren einfach so fremd sind.

    Kannst du mir da was bestimmtes empfehlen? Ich bin genau wie du der Meinung, dass sich japanisches Storytelling sehr von westlichem unterscheidet (weshalb ich es auch bevorzuge). Nur sehe ich die Unterschiede in anderen Bereichen.

    Überhaupt: Warum ist Alltag von der Handlung für dich so getrennt, sofern es nicht explizit anders ist?

    Ich glaube, wir haben was das angeht einfach eine andere Grundeinstellung. Für mich sind Geschichten primär ein Kommunikationsmittel, also eine Möglichkeit, Informationen zu senden. Wenn ich eine Geschichte schreibe, möchte ich ein bestimmtes Gefühl ausdrücken, oder eine bestimmte Nachricht überbringen. Die Geschichte dient dann eben dem Zweck, diese Information zu senden. Alle Elemente, die zu diesem Ziel nicht beitragen, empfinde ich als unnötig und sie vernebeln die Nachricht, die ich senden möchte. So geht es mir auch beim Lesen von Geschichten oder wenn ich mir Filme o.ä. anschaue. Die Geschichten, die ich am allermeisten mag sind solche, die dazu führen, dass ich die Welt danach ein bisschen anders sehe als davor. Die dazu geführt haben, dass ich meine Einstellungen geändert habe. Daher bin ich der Meinung, dass jedes Element einer Geschichte, das keine klare Funktion hat, die das Überbringen dieser Nachricht erleichtert, nicht in diese Geschichte gehört. Für mich sind Geschichten keine Timesink, die ich so lange verfolge, bis ich sie langweilig finde. Je kürzer sie sind und je klarer sie die Nachricht überbringen, desto besser. Das heißt nicht, dass jede Geschichte kurz sein muss - manche Messages brauchen eben einfach sehr viel Raum, damit sie entfaltet werden können. Es geht mir aber da nicht so sehr darum, einen Charakter und seine Eigenschaften über hunderte Kapitel hinweg kennen zu lernen.

    Denn es hätte in meinen Augen das Valkyrie-Charakterarc deutlich mehr Gewicht gegeben. Warum? Weil sie eben dieses "Show, don't tell" Charakterarc hat. Sie hat effektiv ihr bisheriges Leben aufgegeben, nachdem sie eine Geliebte bei dem Kampf gegen Hela verloren hat. Das ist aber etwas, dass - da eben nicht explizit erzählt - untergeht, wenn dir der Kontext fehlt, dass sie bisexuell ist, weil dir ohne den Kontext in dem Flashback nicht klar ist, dass die Person, die sich für sie Opfert, ihre Geliebte ist. Jedenfalls nicht zwangsläufig (Stichwort: Heteronormativität). Dieses Wissen und diese Perspektive auf die Situation verändert komplett die Wahrnehmung des Charakters.

    Danke für diese Erklärung. Ich nehme die Aussage, dass es sich bei der Szene nur um Fanservice handelt, zurück. Gleichzeitig muss ich aber sagen: Du hast gerade perfekt erklärt, wieso diese Szene einen Zweck in der Handlung hatte und eben nicht hätte rausgenommen werden sollen. Das steht damit nicht im Widerspruch zu meiner eingehenden Aussage, nämlich dass ich finde, dass alle Szenen einer Geschichte eine Plotrelevanz haben sollten.


    Das will ich damit auch nicht sagen. Wenn es alles irrelevant wäre, dann bräuchten wir ja gar nichts zu lesen, sondern uns nur die Strukturen anzuschauen. Das Setting ist natürlich wichtig für den Leser, aber für die Handlung an sich ist es nicht wichtig, ob Harry Potter ein Zauberer oder ein Ritter ist (und Parzival heißt), es verändert nur die entsprechenden Variablen. Die Tiefenstruktur bleibt die gleiche. Deshalb funktioniert 50 Shades auch ohne Zuordnung zum Twilight-Franchise.


    Chekhov's gun erkennen setzt voraus, dass wir nicht zum ersten Mal von ihr lesen. Chekhov's gun als Autor einzusetzen bedeutet das Risiko, Unverständnis hervorzurufen, wenn der Sinnzusammenhang fehlt. Es kann dazu führen, dass man Leser verliert. An dieser Stelle aber müssen wir als Autoren darauf bauen, dass Chekhov's gun als Realitätseffekt durchgeht, um später den gewünschten Effekt zu erzielen, oder der Leser genau weiß, dass er Chekhov's gun vor sich hat und sich deshalb die Motivierung herleiten kann.

    Ja, sehe ich genauso.

  • Sagst du und schreibst als nächstes:

    Wenn du genau gelesen hast, solltest du gesehen haben, dass es nur eine überzogene Reaktion auf deine Generalisierungen war, haha.

    Ich denke daran, wie sich Sherlock im Verlauf der Serie verändert hat, wie er sich anderen Charakteren gegenüber geöffnet hat. Ich denke an die Freundschaft von Sherlock und Watson, an das Katz und Maus Spiel von Sherlock und Moriaty. Dann denke ich auch noch daran, wie die Serie geschnitten wurde und bestimmte Sachen dargestellt hat [...]macht es aber wahrscheinlich für dich schwieriger, Leute zu finden, die über die intrinsischen Details der Fälle und Plottwists reden wollen, als es für andere wäre, die Sherlocks Sexualität und die intrinsischen Details von Sherlocks Beziehung zu Watson, Irene Adler und Moriaty erörtern wollen

    Ich habe ja nicht behauptet, dass die Charaktere wertlos sind. Es ist nur genau so:

    stimme ich doch insofern zu, dass ich Plot als das Medium sehe, den Charakter zu entwickeln und darstellen zu können, im Gegensatz dazu, den Charakter als Werkzeug zu sehen, den Plot passieren zu lassen. Für viele ist der Charakter vom Plot trennbar.

    Der Charakter ist vom Plot trennbar. Du kannst entweder den Charakter nehmen und einen Plot dazu schreiben oder du schreibst einen Plot und erfindest dann die Charaktere. Es sind zwei Variablen und es ist die Aufgabe des Autors, diese zu konkretisieren. Ich bin der Meinung, dass eine Geschichte beides BRAUCHT, aber die Ausgestaltung mehr oder weniger fokussiert sein kann. Es gibt Schemata sowohl für Charaktere als auch Plots und ich kann mich als Autor entscheiden, welche Schemata ich gebrauche und wie ich die Variablen ausgestalte.

    Und natürlich generalisiere ich. Weil es mir nicht um die Literaturwissenschaft und die kausalen Elemente einer Geschichte geht, sondern darum, was am Ende dafür sorgt, dass meine Leser mitgerissen werden, sich selbst in die Geschichte fantasieren und sich über Lieblingscharaktere unterhalten. Als Autor möchte ich, dass meine Leser in die Geschichte eintauchen - nicht, dass sie analysieren, welche Stilmittel ich anwende und auf welche Standardnarrative sich die Handlung reduzieren ließe.

    Es sind einfach zwei verschiedene Strömungen und keine davon ist richtig oder falsch. Ich persönlich finde mich von Unterhaltungsliteratur nach Schema F halt eben nicht mehr unterhalten, für mich muss es thematisch, stilistisch ansprechend sein. Ich liebe Alltagsliteratur, biografische Erzählungen, Geschichten, die das Leben schreibt. Andere finden das extrem langweilig. Ich steh auch drauf, wenn historische Persönlichkeiten zum Leben erweckt und eben jene Alltagsmomente erzählt werden, die in einer historiografischen Darstellung untergehen. Einfach weil diese Charaktere nicht umsonst Geschichte geschrieben haben, sondern sich ein einzigartiger Plot ergibt.

    Und ja, ich sehe mich persönlich mit der Literaturwissenschaft und der Filmwissenschaft ein wenig verfeindet, weil diese sich ihrerseits oft mit Unterhaltungsmedien verfeinden. Und weil diese oftmals stark eurozentrisch aufgebaut sind und sich von klassischer europäischer Literatur aus entwickelt haben. Und weil sie oftmals dazu neigen, Geschichten, die keine tiefere Bedeutung haben (oder in denen sie keine sehen), zu diffamieren.

    Also ich seh das gar nicht so. Eurozentrismus ja, sowieso. Alle Wissenschaften sind letztendlich total eurozentrisch ausgerichtet, weil Nordamerika historisch gesehen sich auch auf Europa bezieht und Südamerika, Afrika und Asien durch die Kolonialgeschichte eingebunden werden. Bezüglich der "Geschichten ohne tiefere Bedeutung" muss ich dir aber widersprechen. Das ist eine Ansicht aus dem wortwörtlichen 18. Jahrhundert, aus der Epoche der Aufklärung, als Gottsched und Lessing der Meinung waren, Literatur habe zu Bildung der Menschen beizutragen. Doch schon wenige Jahre später war es Goethe, der mit seinen Werken (v.a. Götz von Berlichingen, Die Leiden des jungen Werther) das wiederum widerlegt hat. Und genauso in der Romantik, zu früherer Zeit im Barock, später im Realismus und so weiter. Jeder Text hat Bedeutung, ob diese jetzt bewusst oder unbewusst entsteht, ist am Ende egal. Aber es ist richtig, manche Texte sind literarisch wertvoller als andere, das macht sie nicht automatisch gut. Ich fand Die Leiden des jungen Werther schrecklich und hab nach der Hälfte aufgehört und auch den Woyzeck fand ich qualitativ nicht gut, aber es hat schon eine Berechtigung, dass sie literaturgeschichtlich so eine hohe Stellung haben. Eine Stellung, die Schemaliteratur, wie es Popliteratur ist, einfach niemals haben wird. Twilight wird in die Literaturgeschichte eingehen, die nachfolgende Welle an Vampirromanen auch, aber Titel wird in 200 Jahren davon keiner mehr bekannt sein, abgesehen von 50 Shades. Nicht wegen ihrem Inhalt, sondern dem literarischen Kontext, dem Phänomen, das sie auslösen. Harry Potter ist schematisch gesehen ein wieder aufgewärmter Parzival, Jugendliteratur, aber da gehts nicht um Kleinigkeiten. Auch DC und Marvel werden auf ihre Weise in die Literaturgeschichte eingehen, und zwar genau deshalb, weil Literatur und Theater, Literatur und Film immer schon zusammengehört haben. Da gehts nicht um Geschriebenes, sondern Erzähltes.


    Ansonsten ad Actionszenen: find ich unglaublich langweilig. Letztens hab ich Deadpool gesehen und der Fight da am Schluss war so: hm, ja. Kampf. Gut. Wie lang soll das jetzt noch gehen? Aha. Okay, also noch einmal kriegt er auf die Fresse. Aber naja, ist der Hero, der stirbt eh nicht. Der muss ja gewinnen. Also warum schau ich mir das jetzt an? Aber ja, irgendwie muss es ja, weil es realistisch sein soll (hust). Und Alltagsszenen sind letztendlich genauso, sie sind nicht explizit relevant für die Geschichte, aber sie sind ein Kontext, aus dem heraus die Geschichte entspringt. Nicht immer beginnt eine Handlung in medias res, und oft fragt man sich einfach, wie es dazu gekommen ist und was vorher war.

  • Zitat von Aprikose

    Ich lehne mich mal aus dem Fenster und behaupte: Wenn eine Alltagszenekeinerlei für den Verlauf der Geschichte wichtigen Details und kein Foreshadowing enthält, dann ist sie

    • vermutlich langweilig
    • vermutlich überflüssig.


    Ich sehe das Problem generell wo anders, was ich seit einiger Zeit glaube, da ich schon so oft in Kommentaren nach drei Episoden gelesen habe, dass da keine Charakterentwicklung stattfinden und keine Fragen geklärt werden würden und sowas: Viele Leute langweilen sich viel zu schnell und sind zu ungeduldig.
    Lies mal beispielsweise ein SciFi-Buch aus den vergangenen Jahrzehnten und wie lang die Erklärungen zum Worldbuilding und Beschreibungen der Umgebung zu Beginn sind - und viele Leute haben das gerne gelesen? Die Lösung finde ich zwar auch nicht als die Beste, weil das Worldbuilding dadurch recht anorganisch wirkt, worauf ich aber hinauswill ist, dass es die "Schuld" des Lesers selbst ist so ungeduldig zu sein und von jeder Szene Plotrelevantes zu erwarten.
    Außerdem *husthust* Wenn du auf nur ein neues Mangakapitel zwischen einem Monat und vier zu warten lernst, dann kannst du warten. XD


    Aber an sich: Es gibt so viele Möglichkeiten zur Unterhaltung und wenn man sich bei einem mal gedulden und ruhigere Szenen lesen muss, passiert das schnell, dass sich das Publikum einem anderen Werk zuwendet, das schneller gepact ist, weswegen es in vielen Filmen auch die obligatorische Actionszene gibt, damit sich der Zuschauer nicht langweilt. Habe ja letztens bei den Conanfilmen kritisiert, dass sie nicht wie ein Spy-Movie aufgebaut sein müssen und es durchaus Leute (auch in der angesprochenen Zielgruppe) gibt, deren Aufmerksamkeitsspanne nicht so kurz ist, dass sie einfach für eineinalb Stunden einem normalen Kriminalfall ohne zehn Actionszenen folgen könnten. ^^"
    Actionszenen haben zwar oft nichts damit zu tun, ob der Plot vorankommt, aber "wenigstens tut sich was". Da könnte man doch statt der unnötigen Actionszene eine ebenfalls nicht plotrelevante Alltagsszene einbauen?
    Man braucht nicht immer sich schnell bewegende Bilder, aber wir sind teilweise so reizüberflutet, dass viele nicht plotrelevante Actionszenen langsamen Bildern vorziehen, weil man sich viel zu schnell langweilt.


    OT: Ich habe pädagogische Artikel darüber gelesen, dass sich Kinder manchmal "langweilen" SOLLEN und MÜSSEN - und das gilt auch für Erwachsene.
    Wenn jemand rasch etwas als langweilig empfindet, dann fände ich angebracht mal zu überlegen, ob es an der Ungeduld liegt. ^^"


    Zitat von Aprikose

    Sie hat weniger Aussagekraft, wenn es um Fanservice und Franchise-Aufbau geht.

    Nun gut, das Problem bei einem einzelnen Buch und Film ist eher die vorgeschriebene Länge. Aber genau deshalb nehmen mich Bücher und Filme, die nicht Teil einer Serie sind, und Animes mit 12 Episoden und darunter, seltener so sehr mit wie längere Werke.


    Zitat von Alaiya

    Jap, da stimme ich absolut zu. Es ist nur wieder ein Beispiel dafür, dass letzten Endes Rowling niemand respektiert, der nicht weiß, christlich und cishetero ist, weswegen diese Aspekte für sie auch immer "unwichtig" sind, während es aber total Storyrelevant ist, dass Harry sein doofes Techtelmächtel mit Ginny und Cho hat, wo Weihnachten gefeiert wird und wenn Draco mal wieder ein Arsch ist, wie immer aber nichts mit dem Plot zu tun hat. Aber nein, es ist zu viel verlangt Dumbledores Homosexualität einzubringen in einem Film, in dem er gegen seinen verfluchten Exfreund, der (so Rowling, wenn sie es nicht schreiben soll) seine einzig wahre Liebe war, kämpfen muss. Aber ne, unwichtig, hat auch sicher absolut nichts mit der Charakterentwicklung zu tun oder so.

    Ich weiß gar nicht, wie viel Kontrolle sie noch über ihre eigene Geschichte hat und ob sie bei Fantastic Beasts nicht nur das "Sprachrohr nach außen" ist, das wiedergibt, was das Team dahinter beschlossen hat und die dachten wohl "mimimimi, besorgte Eltern".


    Es kann doch nicht sein, dass sie ihre eigenen Charaktere so wenig kennt, um Grindelwald als einen verrückten Irren mit einem Aussehen, eher in Richtung Peter Pettigrew oder so aussucht, wenn Colin Farrell so absolut perfekt für ihn war. ;(
    (OT: Und deswegen finde ich das Aussehen und das Charakterdesign und eine korrkekte Beschreibung davon so wichtig. XD)


    Was wir von Grindelwald wissen: höchst manipulativ und sehr intelligent, nutzt andere Menschen für seine Zwecke aus und erwischt jeden auf den richtigen Fuß, wobei er es bei jedem schafft, sogar bei Dumbledore, hat kein echtes Mitleid, weiß aber wie Menschen funktionieren und welche Worte die richtigen Knöpfe bei ihnen drücken, charismatisch, sieht aalglatt aus und wirkt auch so und er ist ein verdammt guter Redner - und das alles nutzt er für seine eigenen, bösartigen Ziele aus.
    Sieht diese Witzfigur danach aus? -,- Das schaut nach schlechter Faninterpretation und Cosplay aus. Obwohl das gemein zu sagen ist, weil die meisten Faninterpretationen und Cosplays viel besser sind lol.
    Diese Charakterisierung hat ja nicht erst Fantastic Beasts hervorgerufen. Indirekt durch geschichtliche Ereignisse und Dumbledores sporadischen Erzählungen, wussten wir das schon aus dem HP-Franchise.


    Zitat von Alaiya

    Es mag dabei sicher auch mit hereinspielen, dass ich viel von dem, was ich über das Schreiben weiß und für wichtig halte, durch japanische Bücher gelernt habe. Und Japan hat was Schreiben und Geschichtenerzählung angeht, andere Regeln. Gerade in modernen Diskussionen zum Thema Pacing merkt man es oft, da in japanischen Geschichten das Pacing oft absichtlich durch Alltagsszenen ausgebremst wird, um Verschnaufspausen einzubauen.

    Ich glaube aber hier auch, dass japanische Kinder schon zu mehr Geduld angehalten werden, oder? ^^"
    Weißt du, ob es englische oder deutsche Übersetzungen der Bücher gibt oder hast du sie auf japanisch gelesen?


    Zitat von Narime

    Es gibt natürlich Dinge, die für die Geschichte relevant sind - so sehe ich das auch bei der Sache um Grindelwald und Dumbledore - aber wie ihr ebenfalls kritisiert habt, finde ich auch die Geschichte um Harry und Cho recht irrelevant. Aber im Gesamtkontext wiederum nicht, da sie den Eindruck vermittelt, dass Harry nicht nur der supertolle Hero ist, sondern auch die ganz normalen Irrungen eines Heranwachsenden durchmacht. Sie ist daher nicht wirklich irrelevant, sondern eher generisch und variabel. Es ist nicht wichtig, ob es Cho oder Ginny ist (Ginny ist halt der wichtigere Charakter), nicht wichtig ob Snapes Fach Zaubertränke oder Verwandlungskunst ist (hauptsache Harry ist schlecht drin und Snape ist gemein), nicht wichtig, dass es der verbotene Wald oder ein verwunschenes Tal ist. Tatsächlich ist es auch nicht wichtig, ob Dumbledore schwul war, weil Grindelwald genauso gut eine Frau gewesen sein könnte. Diese Zuordnungen sind alle willkürlich und in ihrer Ausformung sind relevant für die Handlung.

    Ich verstehe, was du meinst, aber das ist alles viel zu theoretisch und anorganisch, sodass es nicht richtig ist, wenn du genauer hinsiehst. Ich bin dafür, dass Autoren mehr auf ihr Bauchgefühl und ihren Common Sense hören und nicht immer auf das, was krude Theorien ihnen erzählen. Damit fährt man eben doch oft am besten imo.
    1. Aber ein Love Interest soll auf gar keinen Fall generisch sein, nur um aufzuzeigen, dass der Prota ein normaler Mensch ist. Ginny mag als Charakter wichtiger als Cho sein, aber sie wirkt doch etwas zu fade und perfekt. ^^"
    Zudem sollte nun dasselbe über Dumbledore gezeigt werden, der schließlich auch ein Hauptcharakter der Fantastic Beasts-Reihe wird, wenn ich mich nicht irre!?
    2. Naja, das am ehesten. Allerdings hätte ein verbotenes Tal nicht dieselbe Atmosphäre wie ein dunkler Wald aufbauen können und wäre etwas komisch gekommen. Einen Wald vermutet man eher in der Nähe eines abgelegenen Internats in Nordeuropa. Zudem sind Täler überschaubarer und weitaus besser einsehbar als Wälder, weshalb sich manche Szenen so nicht zutragen hätten können. Demnach siehst du von einem höhergelegenen Ort so eine Monsterspinne und einen Werwolf schon aus weiter Entfernung und Einhörner können sich eher schlecht als recht verstecken. Es ist auch schwer eine schwere, gruselige Atmosphäre zu erzeugen, wenn die Charaktere von einem höhergelegenen Ort aus kilometerweit in die Landschaft schauen können und jede Gefahr Minuten, bevor sie eintritt, entdecken können. Und da die Charaktere, also vorrangig Hermine und Harry XD, einen gesunden Hausverstand haben, hätten sie das getan. In dichten Wäldern ist das anders. Daher hat Rowling wohl automatisch einen Wald in die Nähe der Schule gemalt, weil Common Sense. ^^"
    3. Grindelwald konnte auf gar keinen Fall eine Frau sein, weil sich die Ereignisse Anfang 20. Jahrhundert zutragen. Auf eine Frau hätte niemand oder zumindest viel weniger Leute gehört. Außerdem hätte Dumbledore seine Verliebtheit oder Beziehung zu einer Frau wohl nicht verborgen, weshalb er wahrscheinlich tiefer in die Scheiße mithineingezogen worden wäre. So hatte er nicht bloß verbergen können, dass er verliebt gewesen war, sondern dass er beinahe auf einen späteren Kriegs- und Schwerverbrecher hereingefallen wäre. Auch das hätte dann alle Welt gewusst und ich glaube, das ist den meisten nicht so bekannt oder irre ich mich? ^^"
    Ich sehe in den Punkten nichts Willkürliches.


    Zitat von Narime

    Nein. Ein Charakter muss sich nicht entwickeln. Ein Charakter kann genauso schematisch sein wie die Handlung selbst; Märchenfiguren entwickeln sich im Laufe der Geschichte auch nicht weiter. Oft haben sie nicht einmal einen Namen (z.B. "die Hexe", "Der Zauberer") und es reicht für die Handlung vollkommen aus, wenn wir uns eine generische Figur vorstellen, da sie wie ein Objekt in die Handlung integriert werden.


    Auch der Protagonist muss sich nicht entwickeln. Jemand, der eine Reise macht und seine Erfahrungen schildert, kann zu Anfang und zu Ende genau die gleiche Person mit den selben Fehlern sein, oder auch eben nur ein Reisender und ist als Figur für die Geschichte zwar wichtig - weil er uns ja erzählt - aber für die Handlung irrelevant, ob er homo-, bi- oder heterosexuell ist.

    Einerseits muss ich zustimmen. Manche Menschen lernen auch nie oder selten was dazu, aber dann ist das eine wichtige Charaktereigenschaft und ein Fehler, der sie auszeichnet und sollte damit gekennzeichnet werden, dass sich andere Figuren sehrwohl entwickeln.
    Manchmal kann ein Protagonist wieder in seiner Entwicklung zurückfallen etc. Aber das sollte ihm selbst oder andere auffallen. Katniss war auf ihre Art am Ende total zerstört, Shinji aus NGE und Ken aus Tokyo Ghoul sind es ebenfalls. Trotzdem sind das Entwicklungen. Nur eben keine, die für einen / jedermann vielleicht gar so leicht zu verdauen wären.


    Für andere Geschichten ist es nicht so wichtig. Wenn du beispielsweise den Anime Mushishi kennst, so fungiert der Protagonist wirklich nur als Beobachter. Das geht aber nur und ausschließlich bei episodischen Geschichten!
    Allerdings will ich natürlich schon, dass Protagonisten mich sehr ansprechen. Das ist ja der wichtigste Grund, wieso ich Fiktion so liebe: In erster Linie die Charaktere.
    Selbst bei episodischen Geschichten gibt es viele Beispiele, die mir einfallen, bei denen der Prota nicht bloß Beisteher ist und sich entwickelt und zum Favoriten der Zuschauer wird.


    Ich muss aber ganz dringend widersprechen, dass bei einer nicht-episodischen Geschichte keine Entwicklung von Nöten ist. Die Protagonisten bestimmen schließlich maßgeblich mit, was geschieht. Ich meine, wenn nicht gerade eine Naturgewalt wie ein Komet auf sie herabstürzt und nichts mehr dagegen unternommen werden kann oder so. XD
    Demnach bestimmen die Ereignisse die Entwicklung eines Charakters und der Charakter bestimmt wiederrum die Ereignisse, die zumindest in seiner Macht liegen. Da kann man natürlich nicht erwarten, dass alles so leicht weggesteckt wird mit "okay, ist halt jetzt so passiert, machen wir weiter". Es ist nicht nur wichtig, dass der Charakter und Zuschauer eine Verschnaufpause erhalten, sondern auch Szenen bekommen um "zu gesunden" - oder manchmal das Gegenteil. Ähm, was du erreichen möchtest. XD
    Serien, die mir aus dem Stehgreif einfallen, und das wunderbar gelöst haben, sind Avatar, aber vor allem hier doch Legend of Korra und D.Gray-man. Das ist einer der Gründe, weshalb Fans so sehr darin investiert sind.
    Auch wenn es am Ende auf dem ersten Blick egal sein mag, dass ein Charakter länger gebraucht hat, um sich von einem traumatischen Ereignis zu erholen, so ist es das nicht. Erstens ist es wichtig für die Glaubwürdigkeit und dein emotionales Investment und zweitens hätte der Charakter sonst vielleicht einen ganz anderen Weg eingeschlagen als den, den er nunmal gewählt hat und es hätte zu einem vollkommen anderen Ende geführt.
    Außerdem würde ich auch hinzufügen: Immer wieder eingebrachte, auch schwere und scheiternde Trainingsszenen, ein paar längere und mehrere kürzere am Rande, sind ebenfalls sehr wichtig, um zu zeigen, dass der Protagonist etwas für sein Ziel tun muss und kein(e) S(t)ue ist, der/die alles sofort meisterhaft beherrscht.


    Zitat von Alaiya

    Märchen sind für die meisten auch keine wirklichen Geschichten, sondern Ideen. Es hat einen Grund, warum der Prinz in Disneys Dornröschen Philip, Dornröschen Aurora und die Hexe Malefiz heißt. Weil ohne das wäre vielleicht noch dieselbe Geschichte erzählt worden, aber der Zuschauer wäre nicht mitgerissen worden. Deswegen ist Geschichtsunterricht so langweilig, wenn man nur darüber redet, dass ein paar hundert Soldaten bei der Schlacht von sowieso gestorben sind, und dass Propaganda zu einer bestimmten Situation geführt hat. Klar, das ist die relevante Information, aber die relevante Information ist für die meisten Leute nun einmal irrelevant.


    Dagegen ist die Geschichte eine konkreten Soldaten, der an der Schlacht von sowieso teilgenommen hat, zu seiner Familie zurückkehren wollte und seinen besten Freund in der Schlacht verlor, mitreißend. Die Geschichte vom Bauern Alfons, der hungern musste und deswegen die Propaganda so gut fand, die ihm mehr Essen versprach, nachvollziehbar.

    Die besten Geschichteprofs sind auch diejenigen, die es schaffen jedem geschichtlichen Ereignis reale Gesichter zu geben. Zumindest bei manchen Themen (nicht nur Nazizeit, sondern auch Älteren) hat unsere Lehrerin tatsächlich nach Biographien und Aufzeichnungen gesucht. zB. kann ich mich an eine Familie zu Zeiten der französischen Revolution erinnern und im Unterstufengym haben wir anhand von ein paar Höhlenmalerein das Leben eines Neandertalerclans nachkonstruriert. XD Halt manchmal und nicht oft genug, weil der Lehrplan das ja auch nicht so vorsieht.
    Etwas, das sich um reale, menschliche Leben und Tragödien dreht, sollte sich nicht wie Mathe für die Schüler anfühlen.


    Zitat von Alaiya

    Sie hat effektiv ihr bisheriges Leben aufgegeben, nachdem sie eine Geliebte bei dem Kampf gegen Hela verloren hat. Das ist aber etwas, dass - da eben nicht explizit erzählt - untergeht, wenn dir der Kontext fehlt, dass sie bisexuell ist, weil dir ohne den Kontext in dem Flashback nicht klar ist, dass die Person, die sich für sie Opfert, ihre Geliebte ist.

    Naja, also mir war das sehr klar und ich weiß nicht, wie einem sowas nicht auffallen kann? ^^"


    Zitat von Narime

    Nein? Ich komm gar nicht damit klar, wie wertend - und in dem Fall abwertend - du deine Aussagen formulierst. Es gibt nicht ohne Grund Aufzeichnungen der Geschichte, Geschichtsbücher, Dokumentationen, Millionen von Menschen, die sich mit Geschichte um ihretwillen auseinandersetzen (mich eingeschlossen, Geschichte war immer mein Lieblingsfach, weil mich interessiert, warum die Menschen so sind wie sie sind).

    Wie kann man herausfinden, wieso die Menschen so sind, wie sie sind, wenn man in Wahrheit nur Fakten um die Ohren gehauen bekommt?


    Zitat von Narime


    GEFÜHLSDUSELEI

    Na und? Was ist so schlimm? Die meisten Leute brauchen etwas Emotionales, woran sie sich festhalten können, um wirklich zu verinnerlichen, was da geschehen war. Sonst ist alles blanke Theorie.


    Zitat von Narime

    Ganz einfach: der Weg ist das Ziel. Es dreht sich nicht immer alles um den Charakter, vielleicht geht es ja auch einfach einmal um die Welt, um eine philosophische Frage?

    Tbh, halte ich das selten länger als einen Film, ein normal-langes Buch oder bis zu 12 Animefolgen, aus. Welten, von mir aus. Aber da kenn ich eher die "Weltenbastler", die ihre Welt bis zum letzten Detail für RPGs ausbauen. Wenn es in einer Geschichte jedoch keine guten Charaktere gibt, kann die Welt noch so mitreißend sein, man kann sie nur für RPGs verwenden.
    Und ich will mich nicht fühlen, als würde ich in einer Philosophievorlesung sitzen. Da muss es auch Charaktere geben, die mich irgendwie ansprechen. Sowas wollen vorrangig Leute, die sich freiwillig in Philosophievorlesungen setzen würden, selbst mit einem staubtrockenen Prof. ^^"

  • Danke für diese Erklärung. Ich nehme die Aussage, dass es sich bei der Szene nur um Fanservice handelt, zurück. Gleichzeitig muss ich aber sagen: Du hast gerade perfekt erklärt, wieso diese Szene einen Zweck in der Handlung hatte und eben nicht hätte rausgenommen werden sollen. Das steht damit nicht im Widerspruch zu meiner eingehenden Aussage, nämlich dass ich finde, dass alle Szenen einer Geschichte eine Plotrelevanz haben sollten.

    Ich glaube, dann reden wir aneinander vorbei.


    Mein Problem mit der Art, wie ich dich verstehe, ist eben, dass sie den Plot in den Vordergrund rückt, als sei der Charakter dem Plot untergeordnet. Während es eben nicht zwangsläufig so ist. Manchmal, wenn nicht sogar sehr oft (gerade bei Unterhaltungsliteratur/Unterhaltungsmedien) ist es so, dass der Plot eher das Mittel zum Zweck ist, den Charakter lernen zu lassen.


    Von der Sache mit der Nachricht einmal ganz abgesehen. Ich denke, wir können uns einigen, dass die meisten Geschichten (allgemein gefasst) mehr als eine Moral haben. Vielleicht haben sie eine Hauptmoral, aber es gibt eben auch andere Sachen, die ganz unwillkürlich mittransportiert werden.


    Dahingehend ist mir als Information z.B. sehr wichtig, wenn ein Charakter LGBT, beeinträchtigt oder eine PoC ist. Weil eine Moral, die ich damit transportiere, ist, dass auch Leute, die einer der Gruppen angehören können, Helden sein können. Dass Leute gut oder böse sein können, unabhängig davon, mit wem sie schlafen. Deswegen sehe ich es auch nicht als Fanservice an, wenn gezeigt wird, dass ein Charakter LGBT ist, jedenfalls nicht zur aktuellen Zeit, weil sich dahinter aktuell automatisch eine Aussage offenbart.


    Um zu Valkyrie zurück zu kommen: Letzten Endes ist es im großen und ganzen egal, dass sie bi ist. Letzten Endes ist es egal, ob sie da ist. Thor ist der Hauptcharakter des Films. Man hätte Valkyrie, nachdem sie Thor beim Grandmaster abgeliefert hat, komplett aus dem Plot entfernen können und sehr viel hätte sich nicht verändert. Gerade sie hat im Finalkampf nicht viel beigetragen, was man nicht hätte streichen können, weil die Elemente des Finalkampfes, an denen sie beteiligt waren letzten Endes nicht wichtig für das große Ganze waren. Dennoch wird die Geschichte dadurch bereichert, dass sie da ist. Inhaltlich, weil sie mehr Varianz reinbringt, von der Aussage des Films allein dadurch, dass sie eine farbige Frau ist.


    Generell ist Thor Ragnarok (und ich weiß nicht mal, ob du den Film gesehen hast) vielleicht ein sehr gutes Beispiel, um meine Aussage zu unterstreichen. Ich mag den Film sehr, aber es ist dennoch ein Film, bei dem man merkt, wie viel gnadenlos gestrichen wurde. Ich hatte dir ja mal das Drehbuch gezeigt (zumindest das kennst du also wahrscheinlich xD) und dadrin siehst du, wie viele Szenen vor allem am Anfang des Films fehlen. Und das merkt man im Film vor allem dadurch, dass ein paar Sachen keine emotionale Reaktion bewirken können. Eben weil der Anfang des Films so aussieht:


    Thor besiegt Dämon. Thor bringt Kopf. Thor stellt fest, dass Heimdal nicht da ist. Was könnte das bedeuten? Egal. Darüber können wir nicht nachdenken. Wir sehen nicht, was es für eine Reaktion bei Thor auslöst, dass sein Freund nicht da ist. Weiter geht's. Odin ist Loki. Loki lebt noch. Emotionale Reaktion? Keine Zeit, wir müssen zur Erde. Wir erfahren kurz, dass Jane mit Thor schluss gemacht hat. Auswirkung auf ihn? Ne, Moment, wir müssen weiter zu Odin. Odin ist nicht mehr da, wo er war. Emotional ... Keine Zeit! Doctor Strange. Comedy. Ach ja, ich bringe euch eben zu Odin. Wir sind bei Odin. Odin stirbt. Emotionale ... Nein, da ist Hela und kommt mit dem Plot um die Ecke!


    Das ganze hat weit weniger Schwere, weit weniger Aussage dadurch, dass es eben keine Momente gibt, in denen Thor auf diese ganzen Informationen reagieren kann. Es wurde halt wirklich alles hinter dem zentralen Plot angestellt, was keine Comedy war. Der Film ist hyperfokussiert, wenn man so möchte. Auf zwei Elemente: Den zentralen Konflikt (Hela und der Kampf gegen sie) und eben Comedy. Alles andere steht hinten an. Das macht den Film unterhaltsam und man langweilt sich nicht. Aber es bleibt eben auch wenig hängen und zumindest ich fühle mich tatsächlich auch durch den Film gehetzt. Der Film wird oft gelobt, dass er Thor sympathsich gemacht hat, was auch stimmt, aber genau hier ist es eben so, dass er das auch nur konnte, weil er kein Einzelwerk, sondern eine Serie war und andere Filme ihn bereits charakterisiert haben.


    Für mich war einer der besten Momente im Film einer der wenigen, in denen er mal kurz verharrt hat (und das auch nur, weil dieser Moment Comedy-Potential hatte): Als Bruce, gerade aus Hulkgestalt zurückverwandelt, sich auf einem fremden Planeten wiederfindet und versucht mit dieser Situation klarzukommen. Weil die Szene hatte emotionales Gewicht. Und das war etwas, dass dem Film fehlte, weil viele oftmals kleine Szenen gestrichen wurden. Szenen, die eben durchaus, zumindest von Gefühl und Aussage her, etwas zum Film beigetragen haben.


    Und so etwas meine ich eben auch mit Alltagsszenen. Alltag, der während der Handlung passiert, ist nie hermetisch von der Handlung getrennt. Aber wenn ich jetzt zeige, wie Kyra mit Jason zu Abend isst und dabei besonders schreckhaft ist und verdrängt, was sie gesehen hat, dann dient die Szene vor allem dazu, hervorzuheben, wie Kyras Beziehung zur Handlung ist und wie diese sich auf Kyra als Charakter auswirkt. Es bringt aber Kyra nicht näher daran herauszufinden, was es mit Thia auf sich hat und wie Tina gestorben ist.


    Wir brauchen aber diese Momente, in denen die Handlung nicht vorangetrieben wird, damit die Handlung ein emotionales Gewicht bekommt. Wir sehen, was die Handlung für den Charakter bedeutet. Wir sehen, wo seine Prioritäten liegen. Die Tatsache, dass wir das sehen verändert dabei nicht, was in der Handlung passiert, es macht die Handlung nicht einmal zwingend glaubwürdiger, aber sie ändert die Wahrnehmung von einem bestimmten Kontext und auch teilweise, was man am Ende "davon mitnimmt".


    Um damit wieder den Bogen zu Valkyrie zurück zu schlagen: Valkyrie ist nicht konkret durch die Rache an Hela für den Tod ihrer Freundin motiviert. Generell ist sie auch absolut glaubwürdig als: "Ja, die meisten Leute, mit denen sie trainiert hat, wurden damals getötet." Dennoch verschiebt das Wissen, dass unter diesen Leuten ihre Geliebte war, den Fokus auf die Szene und unserer Motivation ihrer Handlung in der Serie.


    Genau dasselbe lässt sich eben auch über Dumbeldore sagen. Wenn man die Geschichte auf den Kampf von guten Charakteren gegen böse Charaktere fokussiert, dann funktioniert die Geschichte als großes ganzes noch immer. Dumbeldore kann noch immer von einer positiven Beziehung zu Grindelwald dazu übergehen, ihn als Feind zu sehen und seine Ideologie als Menschenverachtend. Dennoch ist das emotionale Gewicht ein ganz anderes, wenn er und Grindelwald einander nicht nur "sympathisch" waren, bis Grindelwald in einem Streit durchgedreht ist und in folge dessen Dumbledores Schwester umgebracht hat, oder ob Grindelwald der Geliebte Dumbeldores war, der sich über ideologische Differenzen zu seinem Feind entwickelt hat.


    Und so gesehen finde ich es bei vielen Dingen so schwer zu sagen "etwas ist nicht Handlungsrelevant" und "etwas ist Handlungsrelevant", sofern diese Dinge nicht eine Serie mit Fillerfolgen sind, die nach der Folge nie referenziert werden. Doch bei vielen Geschichten kannst du einzelne Szenen entfernen und du würdest nicht viel verlieren, nur der Fokus auf die Geschichte würde sich gänzlich verändern.


    Dahingehend ist vor allem Harry Potter auch ein gutes Beispiel: Während die ersten beiden Bände noch relativ auf den Handlungsschwerpunkt konzentriert sind (beinahe jedes Szenario spielt irgendwie in eins der beiden Mysteries rein), hört es bei dem dritten Band schon auf. Der dritte Band ist zu großen Teilen Padding. In dem Band spielt es eigentlich absolut keine Rolle, ob Snape gemein zu den Schülern ist. Es spielt keine Rolle, ob Harry die Quidditschmeisterschaft gewinnt. Es spielt keine Rolle, wie ultralangweilig der Wahrsagenunterricht ist. Es spielt keine Rolle, dass sich Ron und Hermine über Krätze und Krummbein streiten (was man allein daran sieht, dass dieser Subplot im Film weggefallen ist). Es spielt keine Rolle, wie doof der Unterricht bei Hagrid nach der ersten Stunde geworden ist. All das ist egal. Dennoch ist es für mich (und viele andere auch) der Lieblingsband. Und noch mehr Leute werden spätere Bände als Lieblingsbände nennen, in denen noch mehr unwichtige Nebenhandlung vorkommt, um nicht zu sagen, dass Band 4 bis 7 zu 70% und mehr aus im großen und ganzen unwichtigen Subplots bestehen. Das einzige, was diese Plots erreichen, ist uns die Charaktere als normale Schüler und Jugendliche nahezubringen und die Welt halt auszubauen. Aber gerade hier zeigen die Filme: Man kann fast alles davon weglassen, ohne, dass man viel verliert. Dennoch haben die Geschichten dadurch einen anderen Charakter.


    So. Wall of Text. Aber vielleicht ist es dadurch deutlicher geworden, worauf ich hinauswill.


    Ich finde halt diese Generalisierung einzelner Szenen, die keinen direkten Einfluss auf die Handlung haben, als unwichtig sehr störend und falsch, weil sie vielleicht nicht direkt auf die Handlung Einfluss nehmen, der Handlung aber Kontext und emotionales Gewicht geben können. Sie sind nicht essenziell für die Handlung, aber sie sind essenziell dafür, wie der Endkonsument die Handlung interpretiert.


    Ich stimme dir dennoch zu, dass es Szenen, ja, ganze Folgen in Serien gibt, bei denen es bessere wäre, würden sie gestrichen. Ich kenne immerhin genug Beispiele, bei denen ich dafür plädiere. Nicht zuletzt die späteren Bände Harry Potter, bei denen ich keine Probleme hätte, sie auf die halbe Länge zusammenzukürzen, ohne dass ich persönlich der Meinung wäre, viel zu verlieren. (Rowling wäre fraglos anderer Meinung und diverse Fans würden diesen "Schnitt" wahrscheinlich auch nicht mögen. Ich hatte so eine Erfahrung schon einmal mit Star Wars, wo man IMHO auch bei den alten Filmen jeweils 30 bis 40 Minuten herausstreichen könnte, ohne viel zu verlieren.)



    Der Charakter ist vom Plot trennbar. Du kannst entweder den Charakter nehmen und einen Plot dazu schreiben oder du schreibst einen Plot und erfindest dann die Charaktere. Es sind zwei Variablen und es ist die Aufgabe des Autors, diese zu konkretisieren. Ich bin der Meinung, dass eine Geschichte beides BRAUCHT, aber die Ausgestaltung mehr oder weniger fokussiert sein kann. Es gibt Schemata sowohl für Charaktere als auch Plots und ich kann mich als Autor entscheiden, welche Schemata ich gebrauche und wie ich die Variablen ausgestalte.

    Damit kann ich so formuliert übereinstimmen. Da habe ich nur deine anderen Beiträge anders gelesen.



    Ich persönlich finde mich von Unterhaltungsliteratur nach Schema F halt eben nicht mehr unterhalten

    Da kommen wir schon eher auf einen Nenner: Ich mich eben auch nicht. (Anders sieht es mit filmischer Unterhaltung aus, aber das ist ein anderes Thema.) Ich fühle mich von Unterhaltungsliteratur nach Schema F auch nicht unterhalten, sehr wahrscheinlich aber aus anderen Gründen, als du. Denn ich fühle mich nicht unterhalten, weil ich das Gefühl habe, die Geschichten oftmals schon zu kennen und bei Literatur, anders als bei Filmen, auch nicht das Spektakel habe, um mich darüber hinweg zu trösten. Ich kenne die Charakterarchetypen schon und ebenso die Handlungselemente und Welten. Aber für mich ist dabei der Grund, warum ich mich langweile, eher die Einförmigkeit, als der Fokus der Geschichten. Oder anders gesagt: Ich bin den Eurozentrismus und die Heteronormativität leid und dass dadurch bestimmte Geschichten nicht nur ähnlich sind, sondern auch immer auf die gleiche Art und aus dem gleichen Blickwinkel erzählt werden. Der Kontext in dem die Figuren und die Handlung sich bewegen, lassen mich automatisch Handlung und Figuren anders interpretieren, weshalb ich dieselbe Handlung (auf die groben Züge wie "Waisenjunge besiegt bösen Overlord" heruntergebrochen) weitaus interessanter finde, wenn sie vor dem Backdrop einer persischen Gesellschaft erzählt wird, als vor dem Backdrop einer Mitteleuropäischen Gesellschaft.


    Deswegen sehe ich aber bspw. auch die Sexualität der Charaktere als wichtig an, da es die Perspektive auf die Charaktere und die Perspektive der Charaktere verändert - sogar dann, wenn sie in einer Welt leben, in der es normalisiert ist, da es dennoch aus dem Kontext in dem ich die Geschichte konsumiere, eben nicht normalisiert ist.


    Ich hoffe, man versteht was ich meine.




    Ich fand Die Leiden des jungen Werther schrecklich und hab nach der Hälfte aufgehört und auch den Woyzeck fand ich qualitativ nicht gut, aber es hat schon eine Berechtigung, dass sie literaturgeschichtlich so eine hohe Stellung haben. Eine Stellung, die Schemaliteratur, wie es Popliteratur ist, einfach niemals haben wird.

    Und genau da liegt mein Problem mit der Literaturwissenschaft und Filmwissenschaft. Warum? Ganz einfach: Weil bestimmte Leute ihnen diese Stellung zusprechen. Weil jemand beschlossen hat, diese Geschichten als einen Standard anzusehen.


    Natürlich ist es so, dass bestimmte Werke durchaus den Test der Zeit bestanden haben. Aber man kann auch nicht absprechen, dass diese Werke, den Test der Zeit bestanden haben, weil es einige einflussreiche Leute gab, die dafür gesorgt haben. Es ist nicht aus dem reinen Wert der Geschichte heraus passiert.


    Es gibt bestimmte Werke, die in der Literaturgeschichte hoch angesehen werden, bei denen verstehe ich es, da sie tatsächlich eine enorme Auswirkung auf die damaligen Leute hatten. Hier sei das Leiden des Jungen Werter, das ist persönlich auch als eine furchtbare Geschichte empfunden habe, genannt. Wie auch ein paar andere Sachen von Goethe. Oder Shakespeare. Die Geschichten sind alles in allem nicht großartig geschrieben, wenn man mich fragt, aber sie haben definitiv Einfluss genommen, wenngleich sie das auch nur konnten, weil irgendjemand sie soweit verbreitet hat, ihnen zugestanden hat diesen Einfluss zu nehmen.


    Aber gerade Woyzeck finde ich ein wunderbares Beispiel (nicht zuletzt, da einer meiner Deutschlehrer das Drama mit Leidenschaft gehasst hat). Woyzeck hatte auch Einfluss, aber speziell Woyzeck war immer das Werk der Literatur- und Theaterkritiker - jedenfalls, von dem, was ich darüber weiß - weniger das Werk der normalen Leute. Es hat in der Filterblase der (deutschen!) Literaturkritiker einen großen Einfluss gehabt, außerhalb dieser Filterblase jedoch weniger.


    Ich finde es halt fraglich, dieses Buch, bzw. Drama zur Standardliteratur zu erheben, allgemein so viel zur Standardliteratur zu erheben, das so unglaublich alt ist und gleichzeitig es schafft wenig über die Zeit, aus der es kommt, zu sagen. Ich finde es fraglich, sich bei diesen Dingen so rein auf die Literaturwissenschaft zu verlassen, anstatt zu begutachten, was die Zeit gesamt mehr beeinflusst hat oder starken Einfluss aus der Zeit gezogen hat.


    Es ist eben so: Werther hat seinen Wert (haha), weil es gesamt viele Leute beeinflusst hat. Genau so Romeo und Julia. Beide Geschichten haben vom Konzept her viel an spätere Geschichten weitervererbt, das auch bis heute immer wieder aufgegriffen wird (selbst wenn sich bei Romeo und Julia die Interpretation weit von dem Wegbewegt hat, was Shakespeare von dem, was wir wissen, beabsichtigt hat). Aber was für einen Mehrwert hat jemand, der sich nicht intensiv mit deutscher Literatur auseinandersetzt, aus Woyzeck gezogen? Oder ein Buch, wo ich es auch deutlich fand: Emilia Galotti. Das sind so Standardbücher im Deutschunterricht, aber das, was damit gemacht wird ... Ich sehe es nicht als Mehrwert an. Nicht für mich, nicht für viele andere Schüler. Man kann die Geschichten mögen, kann darin einen persönlichen Wert sehen, oder auch nicht, doch selbst wenn die Werke andere Deutsche Werke beeinflusst haben, wären sie dennoch alles in allem heute vergessen, hätte die Literaturwissenschaft sie nicht am Leben erhalten.


    Sie sind halt nur in einem sehr spezifischen Kontext wichtig. Im Kontext der deutschen Literaturwissenschaft. Da dürfen sie auch wichtig sein - aber ich finde den Anspruch der Literaturwissenschaft, dass sie deswegen auch für andere wichtig sind, unsinnig. Stichwort hier eben Lehrpläne. Speziell in dem Kontext gesehen, dass wir im Lehrplan selten auf den Einfluss, den das Werk auf andere Werke genommen hat, eingehen. Bei manchen Sachen (wie Werther) ist das offensichtlich, aber bei Emiliar Galotti, Woyzeck und diversen anderen Standardwerken des Unterrichts, müsste man darüber sprechen, um es in dem Kontext wertschätzen zu können. Da das aber nicht geschieht, ist am Ende halt doch wenig gelernt.


    Da finde ich, als literarische Werke gesehen, für die Schüler eben Harry Potter, Twilight oder Herr der Ringe wichtiger, weil diese Werke und das Auseinandersetzen damit den Schülern weit mehr dafür geben, andere Literatur und Geschichten, mit denen sie sich von sich aus auseinandersetzen werden, zu konsumieren. Sie würden eine andere Perspektive auf die normal von ihnen konsumierten Geschichten bekommen - etwas, das ihnen Woyzeck wahrscheinlich nicht gibt.


    Wie gesagt, nicht als Argument dafür, dass diese Werke gesamt wertlos sind oder nicht gelesen werden sollten, nur als Argument der Wertung im Vergleich zur heutigen Literatur und dem normalen Schüler gesehen, der damit dann konfrontiert wird. (Davon abgesehen, dass dadurch wahrscheinlich mehr Schüler lesen würden und die entsprechenden folgenden Analysen und Diskussionen weitaus lieber betreiben würden, als bei einem Buch, das sie nur lesen, weil sie dazu gezwungen sind.)


    Und die Sache ist am Ende doch nicht nur, was Harry Potter oder Avengers für die Medien gesamt bedeutet haben, also wie sie spätere Werke beeinflusst haben, sondern was es an ihnen ist, dass Milliarden Leute über so lange Zeit fasziniert.




    weswegen es in vielen Filmen auch die obligatorische Actionszene gibt, damit sich der Zuschauer nicht langweilt.

    Stichwort: Avengers - Age of Ultron. Beinahe JEDE Charakterszene in dem Film war etwas, das Whedon hatte erkämpfen müssen, weil der Produzent meinte, wenn zu lang keine Action daher kommt, würde sich der Zuschauer langweilen.


    Bspw. die Szene, wo sie in der Mitte des Films bei Hawkeyes Familie sind, etwas, das später von vielen als "Saving Grace" des Films genannt wurde, sollte ursprünglich geschnitten werden. o.ô"


    Ich weiß gar nicht, wie viel Kontrolle sie noch über ihre eigene Geschichte hat und ob sie bei Fantastic Beasts nicht nur das "Sprachrohr nach außen" ist, das wiedergibt, was das Team dahinter beschlossen hat und die dachten wohl "mimimimi, besorgte Eltern".

    Ihre Kontrolle ist sehr groß. Sie hat die Scripte größtenteils selbst geschrieben. Allgemein ist sie eine Person, die bei allem das letzte Wort haben will. Jedenfalls von dem, was man so von Leuten hört, die an irgendeinem HP Projekt für sie gearbeitet haben. Die ganze Dumbledore-Sache geht ziemlich sicher auf ihre Kappe, auch daraus gezogen, wie persönlich sie die Kritik an der - *hust* - kreativen Entscheidung sieht, Dumbledores Sexualität nicht in den Film einzubringen.


    Und bspw. andere Sachen, die sie in der Hinsicht verbockt hat (zum Beispiel Geschichte des magischen Amerikas und auch die Internationalen Schulen) gehen komplett auf ihre Kappe. Da war wohl kaum jemand anderes dran beteiligt, abseits des Marketingteams. Auch die Sachen, wie sie die Hintergründe von ihren Figuren bis ins unkenntliche geretconned hat sind ihre Entscheidungen.


    Wie gesagt, ich habe vor der Frau jeden Respekt verloren, weil ich ehrlich gesagt das Gefühl habe, dass sie ihrerseits weder ihre Geschichte, noch ihre Fans respektiert. (Ernsthaft, sie verhält sich, öffentlich kritisiert, oftmals wie ein 14jähriger FF-Autor <.<)



    Ich glaube aber hier auch, dass japanische Kinder schon zu mehr Geduld angehalten werden, oder? ^^"
    Weißt du, ob es englische oder deutsche Übersetzungen der Bücher gibt oder hast du sie auf japanisch gelesen?

    Das Gefühl habe ich auch, ja. Aber das hängt meiner Meinung nach durchaus auch damit zusammen, dass japanische Geschichten oftmals langgezogen sind. Also auch klassische Geschichten. Das hat bzgl. Pacing einfach eine ganz andere Erwartungshaltung mit sich gebracht.


    Ich lese wenn fast immer englische Übersetzungen im Netz, manchmal als Bücher. Aber viel, das im klassischen Stil geschrieben ist, wird halt nie übersetzt. :( Von so ganz wichtigen Standardwerken einmal abgesehen. Was übersetzt wird, sind normal die modernen literarischen Werke und die Unterhaltungsliteratur. Aber es gibt ein paar Onlineübersetzungen von Leuten.


    Selbst ist mein Japanisch leider nicht gut genug, um diese alten Schinken zu verstehen. Und ich habe zwei, drei Bücher hier und es versucht. Aber nope, das geht einfach nicht.


    Grindelwald konnte auf gar keinen Fall eine Frau sein, weil sich die Ereignisse Anfang 20. Jahrhundert zutragen.

    Jain. Es ist Rowlings Welt.


    Du hast an sich absolut recht. Rowlings Welt ist Heteronormativ und partriarchisch aufgebaut, weshalb du absolut Recht hast.


    Aber rein praktisch gesehen hätte sich nicht viel in der Geschichte geändert, wäre die Welt eben equalistischer, als sie ist, und dann hätte Grindelwald auch eine Frau sein können. ;)


    Die besten Geschichteprofs sind auch diejenigen, die es schaffen jedem geschichtlichen Ereignis reale Gesichter zu geben. Zumindest bei manchen Themen (nicht nur Nazizeit, sondern auch Älteren) hat unsere Lehrerin tatsächlich nach Biographien und Aufzeichnungen gesucht. zB. kann ich mich an eine Familie zu Zeiten der französischen Revolution erinnern und im Unterstufengym haben wir anhand von ein paar Höhlenmalerein das Leben eines Neandertalerclans nachkonstruriert. XD Halt manchmal und nicht oft genug, weil der Lehrplan das ja auch nicht so vorsieht.

    Oh ja, da stimme ich dir zu. Ich habe in Reflektion über meinen Geschichtsunterricht halt auch gemerkt, dass vorrangig eine Sache hängen geblieben ist: Wie der Prof. in der 13. die Industrielle Revolution anhand von Strumpfmode erklärt hat. Das war ein greifbares Beispiel, anstelle von nüchternen Zahlen.


    Davon abgesehen habe ich auf Youtube Kanälen wie Overly Sarcastic Productions und Extra Credits mehr über Geschichte gelernt, als in meiner gesamten Schullaufbahn. Weil sie eben eine ganz andere Perspektive darauf bieten. Oh, und durch "Horrible Histories". Eine wunderbare britische Show, die ich einfach nur jedem empfehlen kann.


    Blimey.


    Naja, also mir war das sehr klar und ich weiß nicht, wie einem sowas nicht auffallen kann? ^^"

    Heteronormativität.
    Die Leute, die das nicht sehen, sind dieselben Leute, die der Meinung sind, dass Korrasami aus dem Nichts kam. Dinge, die zwischen Mann und Frau sofort als romantisch interpretiert würden (wie die Geste in dem Flashback von Valkyrie), werden eben zwischen Frau und Frau, bzw. Mann und Mann platonisch interpretiert.

  • Zitat von Alaiya

    Und warum? Weil wir nun einmal auf soziale Interaktion, auf Empathie trainiert sind. Weil wir halt so dumme, gefühlsduselige Herdentiere sind.

    OT: Jein, also es ist nichtmal Training. Menschen mit normal-gesunder Chemie und Struktur muss man Empathie schwerwiegend und lang ABtrainieren oder zumindest irgendwie überschatten.
    Kinder entwickeln im Normalfall selbst im Laufe ihres Lebens Empathie, die man nur etwas fördern kann, indem man mit ihnen vernünftig darüber spricht, was in anderen vorgeht.


    Zitat von Alaiya

    Du magst durchaus Recht haben. Man kann Harry Potter auf "Junge geht zur Schule, lernt dort Dinge und besiegt einen bösen Mann, der andere Leute unterdrücken will" herunterbrechen. Und die Geschichte mag auf diese Elemente heruntergebrochen dieselbe sein, wenn Harry statt einer Zauberschule einer Militärakademie oder ein IT-Labor besuchen würde, aber die Wirkung auf das Publikum wäre eben nicht dieselbe. Der große Teil der Leser interessiert sich für die spezifische, dort präsentierte Welt, für die spezifisch interessierten Charaktere. Nicht dafür, dass irgendein Waisenjunge irgendeinen Diktator besiegt.
    ...
    Das ist auch der Grund, warum du in Fandoms am Ende tausende Geschichten findest, die den Alltag der Charaktere beschreiben - und im vergleich kaum welche, die einfach nur einen weiteren Kampf mit dem Bösewicht darstellen. Weil der Charakter am Ende ist, was vielen wichtig ist. Die Leute interessiert Harry Potter als Charakter, nicht Harry Potter in der Funktion des Heldens in der Geschichte.

    This.
    Aso Sherlock habe ich nicht gesehen, aber ich weiß, dass viele die Serie wegen ihm sehen.
    Mir war auch im Endeffekt wurst, dass die Fälle bei Dr. House teilweise echt dumm waren und verstehe jeden, der sich darüber ärgert, besonders Mediziner, aber ich und sicher viele andere haben die Serie wegen Dr. House selbst gesehen. Verstehe es ja auch, wenn für viele rätselhaft ist, was an einem solchen Arschloch ansprechend sein soll, aber es ist eben so. XD


    Zitat von Alaiya

    Und während ich mit diesen Ecken des Fandoms nicht unbedingt übereinstimme, stimme ich doch insofern zu, dass ich Plot als das Medium sehe, den Charakter zu entwickeln und darstellen zu können, im Gegensatz dazu, den Charakter als Werkzeug zu sehen, den Plot passieren zu lassen. Für viele ist der Charakter vom Plot trennbar. (Deswegen gibt es AUs - nicht nur in Fandoms, sondern teilweise sogar canonisch.)

    Beides ist Liebe. x3 Kenne einige FFs zu meinen Fandoms, die sehr lang sind und beides vereinen können. Das liebe ich. x3
    Auch Alternative Timelines sind toll, nur mit tatsächlichen AUs kann ich selten was anfangen, weil ich der Meinung bin, dass *überlegt ein Beispiel, das du bestimmt auch kennst* Hermine ohne magische Welt zwar natürlich immer noch in den Grundzügen Hermine wäre (intelligent, wissbegierig, sitzt oft in einer Bibliothek, aber etwas klugscheißerisch und manchmal zickig, setzt sich für Gerechtigkeit ein und hält an Regeln fest, bis ihr das nicht mehr möglich ist und vll. hat sie auch eine dicke Katze), aber nicht DIE Hermine, die all das durchgemacht hat, was sie bis zu dem Zeitpunkt, an dem die FF ansetzt, halt durchmacht.
    Das Schöne an FFs und auch Selfpublishing ist ja, dass dir keiner im Nacken sitzt und dir vorn und hinten alles wegkürzt. Du kannst ruhig endlos schreiben und zwischen deinem Plot Alltagsszenen einbringen.


    Zitat von Alaiya

    Und ja, ich sehe mich persönlich mit der Literaturwissenschaft und der Filmwissenschaft ein wenig verfeindet, weil diese sich ihrerseits oft mit Unterhaltungsmedien verfeinden.

    This. Da liegt aber auch oft viel Arroganz und Elitismus dahinter IMO.
    Nichts ist ihnen gut genug und die Nase ist ganz weit oben. "Höff, höff, diese Nerdliteratur aka Harry Potter, Marvel und co. ist alles einfach schlecht geschrieben. Bääh, "Trivialliteratur". Igittigitt, Comics, Animes und Manga. Uaah, Videospiele! Und "Hollywoodblockbuster", oh nein. Mir sind nur Kunstfilme und Hochliteratur gut genug." XD
    Und während man an vielen Dingen Kritikpunkte finden kann, muss man ja nicht alles daran gleich verteufeln.
    PS: Die Charaktere vieler Kunstfilme sind erst recht Stereotypen imo. ö.ö


    Zitat von Alaiya

    Und weil diese oftmals stark eurozentrisch aufgebaut sind und sich von klassischer europäischer Literatur aus entwickelt haben. Und weil sie oftmals dazu neigen, Geschichten, die keine tiefere Bedeutung haben (oder in denen sie keine sehen), zu diffamieren. Und weil sie dadurch wiederum dazu neigen, tiefere Bedeutungen in für sie persönlich wichtige Werke zu lesen, die eigentlich nicht da sind, nur um ihre eigene Leidenschaft zu rechtfertigen. Und ja, auch das sind Generalisierungen. Das nicht alle Literaturwissenschaftler so sind, ändert nichts daran, dass genug so sind, um diese Bild zu erzeugen. Nicht umsonst wird praktisch überall ein deutlicher Graben zwischen "literarisch" und "Unterhaltung" gezogen - nicht zuletzt von den Literaturwissenschaftlern selbst.

    Ich denke, man kann in vielem eine tiefere Bedeutung sehen. Das geht so ca. 50 % vom Autor und 50 % vom Leser aus. Wie man den Plot und Charaktere am Ende interpretiert und auf welche Art und durch welche Brille man konsumiert, hängt ja auch sehr von einem selbst ab.
    Wenn man also in einen Film geht und sich denkt "eh wieder nur oberflächlicher Mist", wird man garantiert das sehen, was man von Anfang an sehen wollte.


    Zitat von Alaiya

    Ihre Kontrolle ist sehr groß. Sie hat die Scripte größtenteils selbst geschrieben. Allgemein ist sie eine Person, die bei allem das letzte Wort haben will. Jedenfalls von dem, was man so von Leuten hört, die an irgendeinem HP Projekt für sie gearbeitet haben. Die ganze Dumbledore-Sache geht ziemlich sicher auf ihre Kappe, auch daraus gezogen, wie persönlich sie die Kritik an der - *hust* - kreativen Entscheidung sieht, Dumbledores Sexualität nicht in den Film einzubringen.


    Und bspw. andere Sachen, die sie in der Hinsicht verbockt hat (zum Beispiel Geschichte des magischen Amerikas und auch die Internationalen Schulen) gehen komplett auf ihre Kappe. Da war wohl kaum jemand anderes dran beteiligt, abseits des Marketingteams. Auch die Sachen, wie sie die Hintergründe von ihren Figuren bis ins unkenntliche geretconned hat sind ihre Entscheidungen.


    Wie gesagt, ich habe vor der Frau jeden Respekt verloren, weil ich ehrlich gesagt das Gefühl habe, dass sie ihrerseits weder ihre Geschichte, noch ihre Fans respektiert. (Ernsthaft, sie verhält sich, öffentlich kritisiert, oftmals wie ein 14jähriger FF-Autor <.<)

    Danke für die Einsicht. ^^
    Die finde ich dafür scheiße ... XD


    Zitat von Alaiya

    Jain. Es ist Rowlings Welt.


    Du hast an sich absolut recht. Rowlings Welt ist Heteronormativ und partriarchisch aufgebaut, weshalb du absolut Recht hast.


    Aber rein praktisch gesehen hätte sich nicht viel in der Geschichte geändert, wäre die Welt eben equalistischer, als sie ist, und dann hätte Grindelwald auch eine Frau sein können. ;)

    So meinte ich das eigentlich gar nicht. Grindelwalds Tun und der Art Propaganda zu verbreiten und Menschen zu manipulieren, ist schon am Nationalsozialismus und anderer Faschisten angelehnt und meines Wissens nach waren so ziemlich alle Funktionäre und Diktatoren männlich? Daher dachte ich, soll Grindelwald diese faschistischen Führer spiegeln.
    In der Hexenwelt gibt es auch schon zu der Zeit, in der Fantastic Beasts spielt, Frauen in höheren Ämtern, aber in der nicht-magischen Welt erkämpfen sich die Frauen erst das Wahlrecht. Wäre die gesamte Menschheitsgeschichte in vielen Kulturen nicht von Anfang an so patriarchalisch gewesen, hätte es bestimmt mehrere weibliche Diktatoren gegeben.


    Zitat von Alaiya

    Heteronormativität.
    Die Leute, die das nicht sehen, sind dieselben Leute, die der Meinung sind, dass Korrasami aus dem Nichts kam. Dinge, die zwischen Mann und Frau sofort als romantisch interpretiert würden (wie die Geste in dem Flashback von Valkyrie), werden eben zwischen Frau und Frau, bzw. Mann und Mann platonisch interpretiert.

    Absolut. ^^" Wobei, ab einem bestimmten Zeitpunkt wirkt das nur noch etwas naiv. XD


    Zitat von Alaiya

    Das Gefühl habe ich auch, ja. Aber das hängt meiner Meinung nach durchaus auch damit zusammen, dass japanische Geschichten oftmals langgezogen sind. Also auch klassische Geschichten. Das hat bzgl. Pacing einfach eine ganz andere Erwartungshaltung mit sich gebracht.


    Ich lese wenn fast immer englische Übersetzungen im Netz, manchmal als Bücher. Aber viel, das im klassischen Stil geschrieben ist, wird halt nie übersetzt. :( Von so ganz wichtigen Standardwerken einmal abgesehen. Was übersetzt wird, sind normal die modernen literarischen Werke und die Unterhaltungsliteratur. Aber es gibt ein paar Onlineübersetzungen von Leuten.


    Selbst ist mein Japanisch leider nicht gut genug, um diese alten Schinken zu verstehen. Und ich habe zwei, drei Bücher hier und es versucht. Aber nope, das geht einfach nicht.

    Das ist schade. :(



    Zu den älteren Beiträgen noch:


    @Aprikose


    Zitat von Aprikose

    Diese Alltagszenen kann man auch nicht streichen, ohne dass die Geschichte dadurch kaputt geht. Alltagszenen, die ich als unnötig empfinde sind solche, die man streichen kann ohne dass der Geschichte dadurch etwas fehlt. Ja, vielleicht erfahren wir in der Alltagszene, dass der Hauptcharakter keine Milch mag. Solange das im Rest der Story irrelevant ist, ist mir egal ob er Milch mag. Die Szene kann man weglassen.

    Ich will das aber wissen, weil ich jedes Detail wissen will. :O
    Nicht unbedingt zu Beginn der Geschichte, aber für zwischendurch. Genau diese Szene um die Milch (lol) habe ich sogar letztens beim Rewatch von Fullmetal Alchemist Brotherhood gesehen. War das in irgendeiner Form wichtig? Nep. Aber der Streit war schon verdammt süß und lustig. XD
    Wenn man alle diese Details auslässt, könnte man eigentlich gleich ein Essay über "Wie weit darf die Menschheit und die Wissenschaft gehen?", eine Analyse der sieben, christlichen Todsünden und einen akademischen, trockenen Artikel über Kriegsverbrechen verfassen.


    Zitat von Aprikose

    Ich glaube, wir haben was das angeht einfach eine andere Grundeinstellung. Für mich sind Geschichten primär ein Kommunikationsmittel, also eine Möglichkeit, Informationen zu senden. Wenn ich eine Geschichte schreibe, möchte ich ein bestimmtes Gefühl ausdrücken, oder eine bestimmte Nachricht überbringen. Die Geschichte dient dann eben dem Zweck, diese Information zu senden. Alle Elemente, die zu diesem Ziel nicht beitragen, empfinde ich als unnötig und sie vernebeln die Nachricht, die ich senden möchte.

    Das kann ich gar nicht nachvollziehen. Wenn es mir nur um eine Nachricht ginge, würde ich mich nicht stundenlang hinsetzen und schreiben. Da schreibe ich ein prägnantes Essay rund um eine philosophische oder gesellschaftliche Frage und sitze nur einen Bruchteil der Zeit daran.
    Wenn ich eine Geschichte schreibe, geht es mir darum Charaktere zum Leben erwachen zu lassen und selbst Spaß damit zu haben. XD
    Gesellschaftliche Probleme etc. ergeben sich bei der Entwicklung von selbst, weil die Charaktere nicht im Vakuum leben.


    Und ja, ich liebe schon auch Foreshadowing und all solche Dinge. Wenn du tiefer in ein Fandom eintauchst, dann ist Foreshadowing wie ein Easter Egg, das du gefunden hast und über bunte Ostereier und den "Oooh!"-Effekt freut man sich halt. :D


    Zitat von Aprikose

    Die Geschichten, die ich am allermeisten mag sind solche, die dazu führen, dass ich die Welt danach ein bisschen anders sehe als davor. Die dazu geführt haben, dass ich meine Einstellungen geändert habe. Daher bin ich der Meinung, dass jedes Element einer Geschichte, das keine klare Funktion hat, die das Überbringen dieser Nachricht erleichtert, nicht in diese Geschichte gehört. Für mich sind Geschichten keine Timesink, die ich so lange verfolge, bis ich sie langweilig finde. Je kürzer sie sind und je klarer sie die Nachricht überbringen, desto besser. Das heißt nicht, dass jede Geschichte kurz sein muss - manche Messages brauchen eben einfach sehr viel Raum, damit sie entfaltet werden können. Es geht mir aber da nicht so sehr darum, einen Charakter und seine Eigenschaften über hunderte Kapitel hinweg kennen zu lernen.

    Natürlich ist jede Sichtweise legitim, aber verstehen kann ich das nicht so sehr. Gerade lange Geschichten bringen doch ihren Inhalt noch besser hinüber, weil du emotional noch involvierter bist und wieso kann dich das denn nicht mehr in irgendeiner Form beeinflussen?
    Ich tu mir schwer damit zu sagen, dass Geschichten dafür sorgen die Welt anders zu sehen. Was ich am allermeisten aus Geschichten mitgenommen habe, hängt nicht mit irgendeiner Nachricht zusammen, sondern mit Charakteren an sich und damit die Perspektive eines anderen zu sehen. Aber... das lernt man auch so im Leben durch Diskussionen mit anderen und durch Lebenserfahrung? ^^"
    Ich würde behaupten, dass die Lebenserfahrung und dein Grundtemperament und so eher beeinflusst, wie du Geschichten siehst und nicht umgekehrt - nicht allzu sehr.



    @Narime


    Zitat von Narime

    Aber es ist richtig, manche Texte sind literarisch wertvoller als andere, das macht sie nicht automatisch gut. Ich fand Die Leiden des jungen Werther schrecklich und hab nach der Hälfte aufgehört und auch den Woyzeck fand ich qualitativ nicht gut, aber es hat schon eine Berechtigung, dass sie literaturgeschichtlich so eine hohe Stellung haben. Eine Stellung, die Schemaliteratur, wie es Popliteratur ist, einfach niemals haben wird.

    Ja aber doch nur, weil du unter den "Literatur- und Filmkritikern" meistens alte, verstaubte Männer siehst, die du in genauso alten und verstaubten Fernseh- und Radiosendern reden siehst und hörst. XD
    Was kann der Rest der Welt dafür, wenn die nicht mit der Zeit mitkommen, aber genau die Menschen sind, die bestimmen, was als wertvoll angesehen werden sollte? Und wenn das Uniprofs und Gymnasiallehrer sind, dann versuchen sie das in den Köpfen von jüngeren Leuten zu verankern, dass alles, was sie in ihrer Freizeit gerne haben, "wertlos" sei. ^^"


    Zitat von Narime

    Ansonsten ad Actionszenen: find ich unglaublich langweilig.

    Eigentlich gar nicht so. Aber es soll eine Actionszene sein, die nicht einfach da ist, sondern die einen emotional mitnimmt, auf die man lange gewartet hat oä, und die den Charakteren irgendwas antut, wobei du dir Sorgen um diese machst.

  • Mein Problem mit der Art, wie ich dich verstehe, ist eben, dass sie den Plot in den Vordergrund rückt, als sei der Charakter dem Plot untergeordnet. Während es eben nicht zwangsläufig so ist. Manchmal, wenn nicht sogar sehr oft (gerade bei Unterhaltungsliteratur/Unterhaltungsmedien) ist es so, dass der Plot eher das Mittel zum Zweck ist, den Charakter lernen zu lassen.

    Und das sind dann eben - tendenziell - genau die Arten von Geschichten, die ich nicht so mag. Wenn ich mir meine Favourites of All Time so im Kopf durchgehe, da wären Prinzessin Mononoke, Shinsekai Yori, Monster, Oyasumi Punpun, Nausicaä aus dem Tal der Winde, Paprika, Kill la Kill. Diese Geschichten haben gemeinsam, dass sie sehr tolle Charaktere in eine Story einbetten, die in wundervoller Symbiose zu diesen Charakteren steht. Die Story holt alles aus den Charakteren raus, während die Charaktere alles aus der Story herausholen. Du missverstehst mich vermutlich in der Hinsicht, dass du annimmst ich würde Charaktere als weniger wichtig ansehen als den Plot. Etwas genauer wäre: Die Geschichten, die ich (persönlich) am besten finde sind solche, in denen Plot und Charaktere bestmöglich zu einander passen. Eine Story, die ohne X als Hauptcharakter kaum funktionieren würde, und andererseits ein Charakter X, der den Plot bekommt, der das beste aus seinen Stärken und Schwächen herausholt.


    Ich mag einige Marvel Charaktere sehr. Ich finde Iron Man toll. Ich mag die Iron-Man-Filme. Iron Man ist einer meiner Lieblingscharaktere. Aber die Filme an sich ... die Plots der Filme sind ziemlich meh. Ich kam nie aus einem Iron Man oder Avengers-Film raus und dachte mir "wow, jetzt sehe ich die Welt mit anderen Augen". Es waren eben normale Plots, die man so schon 100 Mal gesehen hat. Gut, die Namen sind anders. Der Hauptcharakter ist cool. Und ich werde mir auch den nächsten Iron Man oder Avengersfilm ansehen. Aber das war's halt. Iron Man wird mir nie als erstes einfallen, wenn man mich fragt "Was ist dein Lieblingscharakter aller Zeiten?" Da würden mir Teresa aus Claymore einfallen, oder Sachi aus Oyasumi Punpun oder Eto aus Tokyo Ghoul. Charaktere, die man eben nicht einfach so in irgendeine Story einfügen könnte, weil sie ihre beste Exposure bereits in der Story gezeigt haben, für die sie geschrieben wurden. Weil sie von der Story, in der sie existiert haben, so sehr profitiert haben.
    Und Iron Man würde mir auch nie als erstes einfallen, wenn man mich fragt, was meine Lieblingsgeschichte aller Zeiten war. Es war ein netter Film, er war unterhaltsam. Aber er hat nicht meine Augen geöffnet, mir nichts Neues gezeigt, mich nicht motiviert und nicht inspiriert. Hat mich nicht Sachen fühlen lassen, die ich so noch nicht empfunden habe.


    Generell ist Thor Ragnarok (und ich weiß nicht mal, ob du den Film gesehen hast) vielleicht ein sehr gutes Beispiel, um meine Aussage zu unterstreichen.

    Ja, ich habe den Film gesehen. Wir haben uns auch in Berlin über den Film unterhalten :D Ich habe damals gesagt, dass ich den Film ganz okay fand, mir der große Comedy-Anteil aber zu viel gewesen ist. Dass ich Filme wie Doctor Strange etwas lieber mag, weil sie zwar Humor haben aber auch ernste Elemente (und auch eine Aussage).


    Letztendlich habe ich das Gefühl, dass du mich, wenn ich sage "Szenen, die nicht zum Plot beitragen, sollten gestrichen werden" etwas zu streng verstehst. "Zum Plot beitragen" kann vieles. Etwas allgemeiner ausgedrückt wäre vllt "zum Verständnis des Plots beitragen". Die Beispiele, die du bringst, sind halt alles Beispiele, wo eine Alltagszene eben doch zum Plot beiträgt, oder zum Setting, oder dazu, wie die Geschichte aufgenommen und verstanden wird. Das sind alles Szenen, die ich von Anfang an als "zum Plot beitragend" eingestuft hätte. Es gibt wenige Szenen in sehr bekannten Filmen oder Serien, die ich als streichenswert ansehen würde. Immerhin habe ich in meinem ersten Post bereits gesagt: Gerichtet ist das Chekhovs-Gun Beispiel an wenig erfahrene Autoren, die einfach hoffnungslos zu viel Garbage schreiben, der tatsächlich einfach unnötig ist und gestrichen werden sollte. Und wenn man eine Szene schreibt, die in diese Kategorie fällt, dann sollte man sie streichen. Je weniger Text, desto besser.


    Wenn man aber gut begründen kann, wieso eine Szene in den Text gehört, wieso sollte man sie dann streichen? Nur weil eine Szene Alltag ist, heißt das nicht, dass sie wichtig ist. Wenn eine Szene nur Alltag ist, kann man sie streichen. Dazu stehe ich. Aber wenn diese Szene Character Development aufzeigt, wenn sie Elemente hat die für den Plot wichtig sind, wenn sie dabei hilft einen Charakter zu etablieren, wenn sie Pacing-Verbesserungen mit sich bringt, wenn sie das Verständnis des Plots für den Leser vereinfacht, oder oder oder ... dann ist die Szene offensichtlich nicht "nur Alltag", nicht "unwichtig" und gehört auch nicht einfach so gestrichen. Sie hat einen gewissen Zweck und der ist objektiv aufzeigbar. Ob dieser Zweck letztendlich auch tatsächlich dazu führt, dass die Leser die Geschichte mögen, müssen sie selbst entscheiden. In 'Die Enkelin der Zeit' gibt es ein ganzes Kapitel, das einfach nur den Alltag eines Hauptcharakters aufzeigt. Das ist so ziemlich das allerletzte Kapitel, das ich streichen würde. Das Hauptthema der Geschichte sind Depressionen. Das Kapitel zeigt den Alltag eines depressiven Charakters. Alltag zu beschreiben ist nichts schlechtes, solange man einen Grund hat, ihn zu beschreiben.



    Lies mal beispielsweise ein SciFi-Buch aus den vergangenen Jahrzehnten und wie lang die Erklärungen zum Worldbuilding und Beschreibungen der Umgebung zu Beginn sind - und viele Leute haben das gerne gelesen?

    Das haben damals sehr viele Leute gerne gelesen. Und warum? Weil es neu war, nie dagewesen. Eine Art der Phantasie, wie man sie nicht gewohnt war. Deswegen hat man es gelesen: Es gab eine gewisse Spannung des Settings, die in modernen Werken der Sci-Fi nichtmehr entsteht, weil man das halt schon kennt. Ich habe alte Tolkien-Werke nicht gelesen, aber soweit ich weiß, wurde die Welt da auch sehr ausgiebig beschrieben. Er kam nicht damit davon, weil die Leute damals geduldiger waren, sondern weil es etwas komplett Neues war.


    Generell stimme ich dir aber zu in der Hinsicht, dass Langeweile wichtig ist und Menschen sich mehr langweilen sollten. Das ist aber ein ganz anderes Thema.

    Das kann ich gar nicht nachvollziehen. Wenn es mir nur um eine Nachricht ginge, würde ich mich nicht stundenlang hinsetzen und schreiben. Da schreibe ich ein prägnantes Essay rund um eine philosophische oder gesellschaftliche Frage.

    Wenn du das tun würdest, würde das aber deutlich weniger Menschen lesen. Geschichten sind eine Form der Kommunikation, die viele Menschen gern aufnehmen. Wenn du die Informationen aus einem prägnanten Essay stattdessen in eine Geschichte packst, wirst du deutlich mehr Menschen erreichen, und zwar auf eine emotionalere Art und Weise. Über Geschichten zu kommunizieren macht die Nachricht vielleicht nicht so deutlich wie ein prägnantes Essay, es macht die Nachricht aber verständlicher, nachvollziehbarer und erreicht mehr Menschen.

    Gerade lange Geschichten bringen doch ihren Inhalt noch besser hinüber, weil du emotional noch involvierter bist und wieso kann dich das denn nicht mehr in irgendeiner Form beeinflussen?

    Würdest du das auch über Detektiv Conan sagen? Ist Detektiv Conan besser für dich, weil es so lang ist? Schau dir von vorn bis hinten den Anime an und sag mir dann, dass du 'jedes Detail' wissen willst und dass die Geschichte wundervoll ist, so wie sie ist. Die meisten Leute, die ich kenne, überspringen über 400 der 800 Folgen, weil die nichts zum Plot beitragen. Detektiv Conan ist eine meiner Lieblingsgeschichten. Dennoch würde ich niemandem empfehlen, alle Anime-Folgen und alle Filme anzusehen, alle Spin-Offs und alle AUs. Viele Leute, die ich kenne, die Detektiv Conan eigentlich cool finden, haben aufgehört, weil der Autor einfach so viel Fillercontent produziert, ohne die Handlung voranzubringen. Ich finde das ist ein gutes Beispiel, wie eine Story durch Alltagsbeschreibungen (den anders kann man das Mordfälle-Lösen mittlerweile auch nicht mehr bezeichnen) schlechter wird. Weil Leute aufhören, die Story zu verfolgen. Trotzdem ist die Story ein finanzieller Erfolg und der Autor verdient bis heute seinen Lebensunterhalt damit. Und genau deswegen macht er das auch so. In Franchises und Serien sind die Charaktere wichtiger als der Plot, weil man dadurch eben Geld verdient. Durch gut durchdachte, abgeschlossene Storys mit idealer Wechselwirkung zwischen Plot und Charakteren verdient man eben einfach nicht so viel Geld wie durch das Aneinanderreihen von 1000 Kapiteln die am Status Quo kaum etwas verändern. Nur leidet die Story eben darunter. Daher finde ich, dass eine Geschichte besser ist, wenn man unnötiges Zeug streicht. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Geschichte dadurch ein größerer finanzieller Erfolg wird.


    Ich würde behaupten, dass die Lebenserfahrung und dein Grundtemperament und so eher beeinflusst, wie du Geschichten siehst und nicht allzu sehr umgekehrt.

    Ich würde behaupten, dass du die Wirkung von Geschichten auf das menschliche Denken unterschätzt.

  • Zitat von Aprikose

    Wenn du das tun würdest, würde das aber deutlich weniger Menschen lesen. Geschichten sind eine Form der Kommunikation, die viele Menschen gern aufnehmen. Wenn du die Informationen aus einem prägnanten Essay stattdessen in eine Geschichte packst, wirst du deutlich mehr Menschen erreichen, und zwar auf eine emotionalere Art und Weise. Über Geschichten zu kommunizieren macht die Nachricht vielleicht nicht so deutlich wie ein prägnantes Essay, es macht die Nachricht aber verständlicher, nachvollziehbarer und erreicht mehr Menschen.

    Ich will ja nicht, dass Menschen meine Sachen lesen, weil ich eine Botschaft mitteilen möchte, sondern weil ich die Lebensgeschichte der Charaktere erzählen will. Da ich persönlich sehr an jedem der Hauptcharas hänge, macht es mir eine große Freude diese in eine Geschichte einzubinden und sowohl in außergewöhnlichen Situationen wie auch im Alltag reagieren zu lassen.


    San und Ashitaka sind auch in erster Linie Menschen und erst in zweiter Linie Symbole für beide Seiten des Konflikts.
    Wenn du den Manga zu Nausicaä kennen solltest, dann wirst du sehen, dass da viel mehr auf alles eingegangen wird, als im Film und nur ein kleiner Teil der Handlung aufgegriffen wird. Dass da keine "unnötigen" Szenen vorhanden waren, lag an der Filmlänge. Den Nausicaämanga als Serie zu adaptieren, wäre eindeutig viel, viel klüger gewesen, aber das traute man Miyazaki damals vll. noch nicht zu und heutzutage schert sich anscheinend keiner um ein Serienremake.
    Auch die Charaktere in Shinsekai Yori sind in erster Linie vor allem Menschen und nicht die Träger von Botschafen.


    Kill la Kill finde ich furchtbar, weil ich es nur als Ausrede für sehr ekelhaften Fanservice sehe, sorry. ^^"
    Ich will ja in der Season Darling in the FranXX sehr mögen und ich mag es tatsächlich, aber dieser Fanservice teilweise ... Sexmetaphern, ja okay, aber ein Mechacockpit im Doggystyle? :'D Das Cockpit sollte man so wortwörtlich dann doch nicht nehmen!? XD

    Nur: Ob ich Kill la Kill was abgewinnnen kann, verändert ja nichts daran, wie du es siehst und so ist es mit allem.


    Zitat von Aprikose

    Das haben damals sehr viele Leute gerne gelesen. Und warum? Weil es neu war, nie dagewesen. Eine Art der Phantasie, wie man sie nicht gewohnt war. Deswegen hat man es gelesen: Es gab eine gewisse Spannung des Settings, die in modernen Werken der Sci-Fi nichtmehr entsteht, weil man das halt schon kennt. Ich habe alte Tolkien-Werke nicht gelesen, aber soweit ich weiß, wurde die Welt da auch sehr ausgiebig beschrieben. Er kam nicht damit davon, weil die Leute damals geduldiger waren, sondern weil es etwas komplett Neues war.

    Das glaube ich eben nicht, weil man schon in damaligen und heutigen Schreibstilen einen Unterschied sehen kann und wie @Alaiya sagt, dass Regisseure Charakterszenen rauswerfen, nur damit sie Action reinschmeißen können. :/


    Zitat von Aprikose

    Das ist so ziemlich das allerletzte Kapitel, das ich streichen würde. Das Hauptthema der Geschichte sind Depressionen. Das Kapitel zeigt den Alltag eines depressiven Charakters. Alltag zu beschreiben ist nichts schlechtes, solange man einen Grund hat, ihn zu beschreiben.

    Und wenn mein Grund ist, dass ich beim Schreiben und als Konsument Spaß daran habe?
    Kann man denn nicht mehr über eine Szene wie zB. diese Milchszene lachen, ... weil halt? ^^


    Zitat von Aprikose

    Je weniger Text, desto besser.

    Ja, aber das ist doch Geschmackssache und nicht allgemeingültig? ?(


    Zitat von Aprikose

    Da würden mir Teresa aus Claymore einfallen, oder Sachi aus Oyasumi Punpun oder Eto aus Tokyo Ghoul. Charaktere, die man eben nicht einfach so in irgendeine Story einfügen könnte, weil sie ihre beste Exposure bereits in der Story gezeigt haben, für die sie geschrieben wurden. Weil sie von der Story, in der sie existiert haben, so sehr profitiert haben.

    Das kann man doch über die meisten oder zumindest sehr viele Charaktere sagen?


    Zitat von Aprikose

    Würdest du das auch über Detektiv Conan sagen? Ist Detektiv Conan besser für dich, weil es so lang ist? Schau dir von vorn bis hinten den Anime an und sag mir dann, dass du 'jedes Detail' wissen willst und dass die Geschichte wundervoll ist, so wie sie ist.
    Die meisten Leute, die ich kenne, überspringen über 400 der 800 Folgen, weil die nichts zum Plot beitragen. Detektiv Conan ist eine meiner Lieblingsgeschichten. Dennoch würde ich niemandem empfehlen, alle Anime-Folgen und alle Filme anzusehen, alle Spin-Offs und alle AUs. Viele Leute, die ich kenne, die Detektiv Conan eigentlich cool finden, haben aufgehört, weil der Autor einfach so viel Fillercontent produziert, ohne die Handlung voranzubringen. Ich finde das ist ein gutes Beispiel, wie eine Story durch Alltagsbeschreibungen (den anders kann man das Mordfälle-Lösen mittlerweile auch nicht mehr bezeichnen) schlechter wird. Weil Leute aufhören, die Story zu verfolgen. Trotzdem ist die Story ein finanzieller Erfolg und der Autor verdient bis heute seinen Lebensunterhalt damit. Und genau deswegen macht er das auch so. In Franchises und Serien sind die Charaktere wichtiger als der Plot, weil man dadurch eben Geld verdient.

    Episodische Geschichten wollen schließlich episodisch sein. Sind sie deshalb sofort weniger Wert oder dürfen oder sollten sie das etwa nicht? ;D
    Btw. Natsume Yuujinchou beispielsweise hat sicherlich zusammengenommen schon circa 70 Folgen und da möchte ich jedes Detail wissen. Es hat und braucht keinen wirklichen Plot.
    Der Manga von The Ancient Magus Bride ist on-going und der Anime könnte nach der 2nd Cour auch eventuell eine Fortsetzung bekommen.
    Die sind beide sehr episodisch und eigentlich verpasst du rein von deinem Verständnis her nicht(s) viel, wenn du Folgen auslässt. Nur willst du das halt nicht, weil jede emotional und man selbst sappy ist. Es muss eben nicht alles irgendwohin führen. Die sind da, um da zu sein. XD Es geht zwar fast ausschließlich um Natsumes und Chises Charakterentwicklung, aber theoretisch würde man die auch im Großen und Ganzen verstehen, wenn man zehn Folgen oder drei Staffeln auslassen würde. "Depressiver/s Mädchen/Junge sieht Yokai/Feenwesen und wird gemieden. Dann trifft er/sie ein(e) seltsamen/s Katzenyokai/Zauberwesen und gewinnt langsam an Selbstbewusstsein" hat an sich gar keine fixe Botschaft, wenn man ehrlich ist, außer das Wachsen an den Problemen. Diese Dinge schaust du neben der Charakterentwicklung für die Einzelgeschichten und die Alltagsszenen, selbst wenn viele eigentlich tatsächlich nirgendwohin führen. XD
    Es gibt in der Season zB. einen Anime über Mädchen, die campen gehen (ja, das war's) und viele mögen ihn. In der Letzten gab es einen über zwei Mädels, die einfach nur ihren Alltag in einer postapokalyptischen Welt bestreiten. Das Ding hat unglaublich viele Fans - und das hat ja Gründe, von der, beim einen beruhigenden, beim anderen gleichzeitig erdrückenden, Atmosphäre (weil jedes Buch und jede Schokoladentafel plötzlich etwas Besonderes ist) bishin zu den liebevoll gezeichneten Landschaften und den süßen Charakteren. Solche Dinge darf man nicht unterschätzen. ^^ *praise episodic stories! XD*
    Diese "Iyashikei" und andere episodische Sachen bestehen fast nur aus "hoffnungslos viel Garbage". :P Die Autoren wirken aber so gar nicht wie Anfänger auf mich. ;)


    BTW. Der Autor von Conan macht für mich andere Dinge falsch, zB. dass Conan für meinen Geschmack zu viel weiß und kann, aber man kann ihm nicht vorwerfen etwas Episodisches zu produzieren, wenn die Story als solche gedacht ist. Höchstens kann man ihm vorwerfen, dass er ab und zu so tut, als gäbe es einen roten Faden. XD
    Ich schaue Conan nur zwischendurch für die Einzelepisoden beispielsweise, weil ich nur hin und wieder die Mordfälle sehen will. Die Charaktere sind mir hier wiederrum gar nicht so wichtig und am meisten mag ich noch Kaito Kid (nur kommt der zu selten vor), aber ich bin da auch eher ein Casual-Fan? Da stören mich auch deutsche Synchronisationen nicht lol. Aber nein, die sind da wirklich nicht schlecht.


    Ich habe aber eigentlich über Nicht-Episodisches gesprochen und da bin ich froh darüber, dass einige Anime und Manga immer noch on-going sind und ja, ich will jedes Detail wissen und auch nicht, dass sie bald aufhören. ^^
    Da sind, wie du sagst, die Charaktere und teilweise das Weltendesign der Punkt, der die Fans an der Stange hält, und die "Botschaften" ergaben sich automatisch aus dem Plot.
    Konkreter gesagt, sind für mich momentan vor allem Noragami (va. Manga), Attack on Titan (Anime, weil Mangastil finde ich furchtbar), D.Gray-man (va. Manga) und Owari no Seraph (va. Manga).
    Bis auf Attack on Titan habe ich nicht das Gefühl, dass sie vorrangig existieren, um Botschaften leichter zugänglich zu verbreiten. Allerdings, manchmal mag es zwar tatsächlich pretentious sein, aber Charaktere und co. sind trotzdem für mich so ansprechend, dass ich gespannt auf die dritte Season warte.
    Das heißt nicht, dass andere Dinge mit einem anderen Augenmerk als "Botschaft zuerst / als Grund überhaupt zu schreiben" deshalb anspruchsloser für einen wären.


    Bei Attack on Titan störe ich mich bisher nichtmal an Erens fehlender oder höchstens nur sehr langsamer und dezenter Charakterentwicklung btw, weil andere welche haben. Bei ihm weiß man schließlich auch, er ist vom Hass so sehr eingenommen, dass er (bis auf seine Kameraden, am ehesten) links und rechts nur wenig sieht. Fehlende Charakterentwicklung muss also nicht furchtbar und ein Beispiel vom schlechten Schreiben sein, wenn sie begründet ist und der Autor diese bewusst einsetzt. Entweder hasst oder liebt man Eren dafür. XDD


    Zitat von Aprikose

    Und Iron Man würde mir auch nie als erstes einfallen, wenn man mich fragt, was meine Lieblingsgeschichte aller Zeiten war. Es war ein netter Film, er war unterhaltsam. Aber er hat nicht meine Augen geöffnet, mir nichts Neues gezeigt, mich nicht motiviert und nicht inspiriert. Hat mich nicht Sachen fühlen lassen, die ich so noch nicht empfunden habe.

    Das hat zB. Claymore bei mir auch nicht ausgelöst. ^^"


    Zitat von Aprikose

    Ich würde behaupten, dass du die Wirkung von Geschichten auf das menschliche Denken unterschätzt.

    Man kann Menschen aber nur für einen bestimmten Plot begeistern, wenn sie sich dem irgendwie öffnen können und wollen.
    Was ich sagen will: Kennst du diese Leute, die "haha, Weichei!" rufen, sobald ein Charakter am Ende ist und weint oder panisch reagiert und sowas? Wie du die Dinge siehst und wie du in die Story hineingehst, bestimmt, auf welche Art und ob sie dich irgendwie menschlich mitnehmen kann und ob sie dir "etwas bringt".


    Und sonst, wollte ich dazu sagen:

    Zitat von Bastet

    Ja aber doch nur, weil du unter den "Literatur- und Filmkritikern" meistens alte, verstaubte Männer siehst, die du in genauso alten und verstaubten Fernseh- und Radiosendern reden siehst und hörst. XD
    Was kann der Rest der Welt dafür, wenn die nicht mit der Zeit mitkommen, aber genau die Menschen sind, die bestimmen, was als wertvoll angesehen werden sollte? Und wenn das Uniprofs und Gymnasiallehrer sind, dann versuchen sie das in den Köpfen von jüngeren Leuten zu verankern, dass alles, was sie in ihrer Freizeit gerne haben, "wertlos" sei. ^^"

    Ich kenne und kannte kaum Menschen unter 35, 40, die nicht irgendwie irgendwo in Fandoms sind, egal ob Realserien, Buchreihen, Videospiele, Cartoons oder Animes. Bei Älteren ist das wohl nicht so Gang und Gebe, obwohl es da ja auch einige gibt, die sich für andere Sachen begeistern können.
    Also, wenn solche Literaturkritiker und Lehrer und Profs ihres Jahrgangs alles, was nicht "hohe Literatur" ist, ablehnen und irgendwie beschmunzeln, teilen sie jungen Leuten damit gleichzeitig mit, dass die vielen Gedanken, die sie sich in ihrer Freizeit um die Dinge, die sie mögen machen, auch total wertlos seien, anstatt sich mal auf Neues einzulassen und nicht von oben draufzuschauen.

  • San und Ashitaka sind auch in erster Linie Menschen und erst in zweiter Linie Symbole für beide Seiten des Konflikts.

    Wo habe ich was anderes behauptet? Dass sie in erster Linie Menschen sind, macht sie ja gerade zu so guten Charakteren. Ansonsten möchte ich absolut widersprechen, dass San und Ashitaka die 'beiden Seiten' des Konflikts symbolisieren. Das gute an dem Film ist, dass es keine zwei Seiten gibt, sondern viele Seiten, die alle an sich nicht böse sind, sondern verständlich aus ihrer Sicht handeln. Genau das macht sie gut. Ich frage mich, wieso du davon ausgehst, dass ein gut geschriebener Charakter für mich bedeutet, dass er nicht in erster Linie menschlich sein kann.


    Auch die Charaktere in Shinsekai Yori sind in erster Linie vor allem Menschen und nicht die Träger von Botschafen.

    Ja ... und? Wo widerspricht das dem, was ich gesagt habe? Wann hab ich je gesagt, dass ein Charakter nur eine Botschaft übermitteln soll? Die Geschichte übermittelt die Botschaft. Nicht die Charaktere. Dass sie in erster Linie menschlich sind, ist was sie zu so guten Charakteren macht und das ist auch genau der Grund wieso die Geschichte ihre Botschaft so gut übermitteln kann.


    Kill la Kill finde ich furchtbar, weil ich es nur als Ausrede für sehr ekelhaften Fanservice sehe, sorry. ^^"

    Fand ich auch, bis ich dem Anime ne echte Chance gegeben habe. Hab ihn beim ersten Versuch ihn anzuschauen nach ein paar Folgen gedroppt, weil ich den Fanservice bescheuert fand. Habe mich damals vom Äußeren täuschen lassen.


    Nur: Ob ich Kill la Kill was abgewinnnen kann, verändert ja nichts daran, wie du es siehst und so ist es mit allem.

    Ja ...? Auch damit widersprichst du mir nicht. Ich verstehe nicht so ganz, was du aussagen möchtest. Ich habe nie gesagt dass die Geschichten, die mir persönlich eine Nachricht übermittelt haben diese Nachricht jedem übermitteln würden. Ich habe auch in einem Absatz eines früheren Posts ausführlich erklärt, dass diese Nachrichten zielgruppenabhängig sind. Nicht jede Nachricht wird bei jedem Leser so ankommen, dass sie ihn bewegt. Darum geht es auch nicht.


    Kann man denn nicht mehr über eine Szene wie zB. diese Milchszene lachen, ... weil halt? ^^

    Ich habe bereits erwähnt, dass einer der tragenden Aspekte von Alltagszenen Comic Relief sein kann.


    Ja, aber das ist doch Geschmackssache und nicht allgemeingültig?

    Dieser Meinung kannst du gerne sein. Ändert nichts daran, dass die meisten kommerziell erfolgreichen und vertriebenen Texte nur sehr wenige Szenen und Abschnitte enthalten, die man ersatzlos streichen könnte. Ich kenne einige der Beispiele, die du auflistest. Keines dieser Beispiele enthält Szenen, die ich streichen würde. Jede der Szenen hat einen Nutzen für die Gesamtstory oder einen Nutzen fürs Marketing (in Form von Fanservice oder Comic Relief o.ä.).


    Das kann man doch über die meisten oder zumindest sehr viele Charaktere sagen?

    Nein, kann man leider nicht. Wenn das so wäre, wäre es cool.


    Episodische Geschichten wollen schließlich episodisch sein. Sind sie deshalb sofort weniger Wert oder dürfen oder sollten sie das etwa nicht?

    Klar, eine episodische Serie darf episodisch sein. Sie hat dann halt keine besonders starke Gesamtstory. Weil sie keine Gesamtstory hat. Detektiv Conan ist in der Hinsicht auch nur halbepisodisch, weil es einen Gesamtplot hat. Und der leidet halt darunter, dass er so in die Länge gezogen wird. Das macht die Serie an sich nicht schlecht. Ich habe bereits erwähnt, dass es eine meiner Lieblingsserien ist. Verstehe daher nicht, wieso du davon ausgehst dass ich es als weniger wert oder als etwas Schlechtes empfinde.


    The Ancient Magus' Bride steckt voller Messages. Ich mag die Geschichte sehr gern, sie sagt viel aus. Ich kenne bisher nur den Anime, habe aber auch von der Manga-Adaptation gehört. Das Pacing der Geschichte ist sehr ruhig, aber sie ist nicht vollkommen episodisch. Folgen auszulassen würde ich daher nicht empfehlen (auch wenn es nicht so punishing ist wie bei vielen anderen Serien).


    Solche Dinge darf man nicht unterschätzen. ^^ *praise episodic stories! XD*

    Tue ich auch nicht. Was du aufgelistet hast sind alles gute Gründe, solche Szenen einzubauen. Irgendwie bekomme ich den Eindruck, dass du versuchst mir zu beweisen, dass Dinge wichtig sind, die ich von vornherein nicht einmal als unwichtig bezeichnet habe. Bislang hast du es aber noch nicht geschafft, mir ein Beispiel für eine Geschichte zu geben, die Szenen enthielt, die tatsächlich zwecklos sind. Du sagst "X hat so viele nutzlose Szenen die man weglassen könnte, aber sie sind wichtig weil:". Well, duh. Wenn sie wichtig sind aus einem bestimmten Grund, sind sie nicht zwecklos. Also kommen sie auch nicht unter die Kategorie die ich meinte an Szenen, die man weglassen kann.
    Letztendlich willst du mir vielleicht beweisen, dass jede Szene, egal welche, relevant und wichtig ist. Dass es keine Szenen geben kann, die man rauslassen könnte. Wenn das dein Ziel ist, dann kann ich dir wirklich nicht folgen - denn dann wäre es komplett egal, was man überhaupt schreibt. Falls du mir das nicht beweisen willst, wirst du vermutlich zu dem Schluss gelangen, dass es Szenen geben muss, die man gefahrlos kürzen kann. Und nichts anderes habe ich von Anfang an gesagt. Du kannst mir gerne noch 500 weitere episodische oder low-pacing Geschichten als Beispiele nennen. Ich habe nie gesagt, dass solche Geschichten schlecht sind und ich habe auch nie gesagt dass man aus denen Sachen kürzen kann. Ich verstehe nicht, worauf du hinaus willst.


    Vielleicht wird es etwas klarer, wenn ich es so ausdrücke: Ich sehe Geschichten als Kommunikationsmittel. Daher sehe ich eine Geschichte als erfolgreich an, wenn sie es schafft, etwas zu übermitteln. Unter dieser Bedingung ist es optimal, wenn eine Geschichte wenig Clutter enthält. Wenige Dinge, die von der Nachricht ablenken. Außerdem sollte logisch sein, dass eine kürzere Nachricht besser ist als eine längere Nachricht, da kürzere Nachrichten leichter empfänglich sind. Daher sage ich, je weniger Text, desto besser.
    Du hast bereits erwähnt, dass du Geschichten anders siehst. Aus deiner Sichtweise - aus einer Sichtweise der Unterhaltung, wo es darum geht, Geschichten nicht als Übermittler von Botschaften sondern als Timesinks zu sehen, gelten die obigen Regeln nicht. Ich habe bereits in meinem allerersten Post in meinem ersten Absatz gesagt, dass ich Geschichten als Übermittler von Nachrichten sehe und aus dieser Perspektive heraus argumentiert. Jemand, der in Geschichten etwas anderes sucht, wird zu anderen Schlüssen gelangen. Daher verstehe ich den Gegenwind gegen meine Posts nicht. Ich verstehe auch beim besten Willen nicht, wie du auf die Idee kommst, dass ich "Iyashikei" angegriffen habe oder deren Autoren als Anfänger bezeichne.


    Ansonsten: Sachen wie Attack on Titan oder D.Gray-man sind offensichtlich nicht gedacht, um eine Nachricht zu übermitteln, sondern sie sind als Time-sinks gedacht. Ich habe auch in vorigen Posts von mir bereits gesagt, dass Franchises und Serien in dieser Hinsicht nicht wie Einzelwerke funktionieren. Ein Franchise will, dass man so lange und so viel liest wie möglich, weil man dadurch eben am meisten Geld verdient. Das Ziel ist nicht die Übermittlung von klaren Botschaften. Es dient eben zur Unterhaltung.


    Das hat zB. Claymore bei mir auch nicht ausgelöst. ^^"

    Bei mir auch nicht. Ich fand Claymore okay. Der Manga hat viele Schwächen, einige Stärken, und ist zusammengenommen okay. Aber eine Sache hat er richtig gemacht, und das war der Charakter Teresa.


    Man kann Menschen aber nur für einen bestimmten Plot begeistern, wenn sie sich dem irgendwie öffnen können und wollen.

    Ja, das stimmt. Ich habe ja auch nicht gesagt, dass ein Mensch seine Weltsicht sofort um 180° wendet, nur weil er nen Anime gesehen hat, der dem eigenen Weltbild widerspricht. Ich finde aber, dass man die Wirkung von Medien auf die eigene Persönlichkeit nicht unterschätzen sollte. Propaganda wäre kein Begriff, wenn sie nicht funktionieren würde. Und ja, ich weiß, viele Menschen unterliegen dem Irrglauben, Propaganda würde bei ihnen nicht funktionieren. Natürlich nicht! Die funktioniert nur bei jedem anderen, aber nicht bei mir!
    Propaganda ist auch nur die Extremform. Normale Serien, Filme, Bücher und andere Geschichten nehmen genauso Einfluss auf die Werte und Verhaltensweisen von Menschen, auch wenn diese Änderungen durchaus über einen langen Zeitraum erfolgen können.