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Ähnlich wie im letzten Jahr gibt es auch dieses Jahr wieder eine bestimmte Anzahl an Punkten, die ihr den Texten geben könnt. Dabei ist zu beachten, dass ihr frei wählen könnt, wie genau ihr die Punkte verteilt und welche Texte mehr Punkte als andere bekommen. Achtet jedoch darauf, dass ihr die Punkte, die euch zur Verfügung stehen komplett ausschöpft. Votes, welche zu wenig oder zu viele Punkte enthalten können leider nicht gezählt werden. Des Weiteren solltet ihr eure Punkte mindestens auf drei Texte verteilen! Weitere Informationen findet ihr hier: Informationen zur Wettbewerbssaison 2012
Ihr könnt 6 Punkte verteilen
Der Vote läuft bis zum 11.08.2012 um 23:59 Uhr.
„Heute ist vielleicht ein heißer Tag.“, dachte sich das Muntier und wischte sich mit seinem Arm den Schweiß von der Stirn. Es war Mitte Juli und die Sonne schien gnadenlos auf das Gebiet rund um Faustauhafen. Die meisten Pokemon kühlten sich am Strand im Wasser ab, doch das Muntier konnte momentan kein Wasser sehen, war es doch erst vorgestern den ganzen Weg von Bütenburg City bis nach Faustauhafen geschwommen. Es kam in die Stadt um den Arenaleiter herauszufordern, doch dieser hat seine Arena vorübergehend geschlossen. So beschloss das Pokemon noch eine Weile zu bleiben.
„Bei dieser Hitze komme ich noch um, ich brauche etwas das mich abkühlt.“, sagte das Muntier zu sich selbst und schlenderte weiter durch die Gassen der kleinen Standstadt. „Am liebsten hätte ich jetzt ein Eis, aber wo gibt es denn hier eine Eisdiele?“ Das Pokemon sah sich um, doch keines der Häuser hier sah aus als ob es dort ein Eis gäbe, nicht einmal einen Markt gab es. Langsam bekam das Muntier einen kleinen Sonnenstich, es konnte nicht mehr klar denken. „Vielleicht gibt es ja in der Granithöhle ein Eis?“, fragte es sich laut selbst und machte sich voller Hoffnung auch gleich auf den Weg. Vorbei an den ganzen badenden Pokemon, vorbei an der Stadthalle ging das Normal Pokemon durch den heißen Sand in Richtung der Granithöhle.
Nach einigen Minuten sah das Muntier plötzlich ganz verschwommen etwas ein paar eter vor ihm liegen. Es war unten spitz und oben leicht rund, hatte eine weiß-bläuliche Färbung und langsam lief dem Muntier das Wasser im Mund zusammen: Mitten im Sand lag ein Eis, als ob man es extra für ihn dorthin gelegt hatte. Das Pokemon blickte noch schnell in alle Richtungen um sicher zu gehen, dass ihm niemand sein Eis wegnehmen konnte. Mit unsicheren Schritten näherte sich das weiße Wesen dem Eis und packte es dann mit seinen Krallen. Gierig begann es am Eis zu lecken und umklammerte es fest mit beiden Pfoten. „Schmatz, schmatz. Ist dieses Eis lecker und erfrischend.“, schmatzte das Pokemon vor sich hin.
Auf einmal spürte das Normal Pokemon einen eiskalten Hauch im Gesicht und begann zu frieren, vor Schreck ließ er das Eis fallen. „Was ist denn in dich gefahren?“, fragte eine ihm unbekannte Stimme. „Mich kann man doch nicht essen!“ Das Muntier rieb sich langsam die Augen und erkannte die Situation nun: Vor ihm schwebte ein Gelatroppo. „Oh, das tut mir jetzt aber leid, ich hatte dich nicht erkannt.“, entschuldigte sich das Muntier. „Ich wollte doch nur ein Eis essen!“
„Ich kann dich schon verstehen, auch mir macht die Hitze sehr zu schaffen! Aber ich denke mein Frosthauch müsste dich etwas abgekühlt haben oder?“, fragte das Gelatroppo. „Ja danke, das hat mir gut getan. Ich heiße übrigens Moritz.“, antwortete das Muntier. „Angenehm, ich bin Gustav. Was hältst du davon wenn wir zusammen in die Stadthalle schauen? Dort haben sie eine Klimaanlage und es gibt gute Getränke?“
Moritz willigte Gustavs Vorschlag ein und so machten sich die zwei neuen Pokemon Freunde auf den Weg zur Faustauhafen Stadthalle.
Vor der Halle stand ein Makuhita und erzählte den beiden, dass Mülltreffer Keks das coolste überhaupt sei. Moritz und Gustav setzten sich in der Stadthalle an den Tisch und bestellten einen Cafe Latte und eine Cola. Die Kellnerin brachte ihnen auch gleich die gewünschten Getränke und auch sie erzählte wie modern Mülltreffer Keks sei.
„Ich glaube ich koste so einen Mülltreffer Keks, können Sie mir bitte einen bringen?“, fragte Moritz nun die Kellnerin. Gustav begann zu lachen, doch das Muntier verstand nicht wieso. Als Moritz seinen Keks bekam, nahm er ihn in die Pfoten und biss ein großes Stück vom lila Keks ab. Schnell verzog er das Gesicht und spuckte den halb zerkauten Keks wieder aus. „Igiit so etwas ekelhaftes hab ich noch nie gegessen!“, rief das Pokemon und Gustav lachte noch lauter. „Weißt du Moritz, der Keks ist nicht zum Essen. Normalerweise wird er hier zum Frisbee spielen benutzt.“, lachte ihn Gustav aus. Nun musste auch Moritz lachen und er merkte er hatte einen neuen Freund gefunden.
Wie eine leuchtende Perle aus Bernstein, die würdig gewesen wäre, den Hals der Göttin Amaterasu zu zieren, stand die Sonne über dem Horizont. Ihr flammenfarbener Schein tauchte den Himmel in alle Purpurtöne und setzte das wogende Meer in Brand. Die vergoldete Oberfläche narrte das Auge, sodass es schien, als müsse man nur die Arme ausstrecken, um sie zu umgreifen, und gleichzeitig wirkte sie unendlich weit.
Niriko atmete tief die salzige Brise ein, die ihr entgegenwehte, und nahm die letzten Sonnenstrahlen dieses Tages in sich auf. Sanft rollten die Wellen an den Strand ihrer Kindheit und rauschten behäbig. Sie strich sich eine Strähne aus der Stirn und lauschte dem Geräusch vergangener Urgewalten.
Plötzlich erklang ein Bersten und Krachen, und Niriko zuckte zusammen. „Mensch, Shuichi!“, tönte Shizue neben ihr gereizt und schubste den Angesprochenen, der zu ihren Füßen am Boden hockte. „Wie schaffst du es immer, beim Essen so einen Lärm zu veranstalten?“
Der Junge schielte zu seiner älteren Schwester hoch, die mit Niriko auf der Bank saß. „So sind diese Kekse! Willst du auch einen?“ Shuichi hielt die Packung hoch, doch Shizue zickte nur:
„Diese Ladung purer Geschmacksverstärker? Vergiss es!“
„Früher mochtest du sie aber gern“, mischte sich nun auch Goru ein, der auf der Banklehne platzgenommen hatte.
„Sagt der Kerl, der sich eben noch über das Eis beschwert hat“, gab Shizue zurück und griff jetzt doch nach der Gebäcktüte. Auch Niriko nahm sich einen Keks heraus und knabberte vorsichtig daran.
Goru drehte den Holzstiel, an dem sich bis eben noch ein Fruchteis befunden hatte, nachdenklich in den Händen. „Ich dachte ja auch, nach der heutigen Hitze wäre ein Eis ganz gut. Ich kann mir kaum vorstellen, dass wir dieses pappsüße Zeug einmal gemocht haben. Schrecklich!“ Mit angewiderter Miene machte er Anstalten, den Stiel zu Boden zu werfen, entschied sich dann aber doch anders.
Eine Weile herrschte Stille, die nur vom Rauschen des Meeres und dem Knuspern der Kekse durchzogen wurde.
„Meint ihr, Asami sieht uns jetzt zu?“, fragte Niriko, die plötzlich von Melancholie überflutet wurde. Keiner ihrer Freunde antwortete, aber sie wusste auch so, dass sie alle dasselbe dachten: Asami war immer bei ihnen.
„Sie ist viel zu früh gegangen“, meinte Goru schließlich und warf den Eisstiel nun doch weit von sich. Das Holzstück landete im Wasser an der Brandungszone und tanzte auf den Wellen vor und zurück. „Wir sind schon lange nicht mehr die Itokuni Go.“
Niriko biss in ihren Keks und dachte über seinen traurigen Unterton nach. Heute war der letzte Jahrestag von Asamis Tod, den sie zusammen verbringen konnten. Bis auf Niriko würde ihre ganze Gruppe die kleine Insel Itokuni vielleicht für immer verlassen: Shizue und Shuichi zogen nach Nagasaki um, und Goru würde nach Tokyo gehen, um dort zu studieren. Nachdem Asami sie verlassen hatte, wurden die Itokuni Go nun gänzlich gespalten.
Die Sonne berührte den Horizont und ließ die Ozeanfeuer noch heller auflodern. Ein frischer Wind kam auf und vertrieb die letzte Hitze des Sommertages.
Goru schüttelte sich und stand auf. „Ich glaube, es ist Zeit.“
Die anderen drei nickten und sammelten die Eisverpackungen und Kekstüten ein, die sie geleert hatten. Niriko ging zum Wasser, um sich die Hände zu waschen, und hob nebenher den Holzstiel auf. Kein Müll durfte an diesem wunderbaren Strand zurückbleiben, an dem sie praktisch aufgewachsen waren und so viele epische Abenteuer erlebt hatten, die ihrer Fantasie entsprungen waren.
Seit Asami vor fünf Jahren erkrankt und vor drei verstorben war, hatten die Itokuni Go nur noch wenig Zeit hier verbracht – immerhin waren sie nur noch vier und entsprachen damit nicht mehr ihrem Clubnamen. Aber Niriko hatte auch gewusst, dass es nicht ewig so hatte weitergehen können. Immerhin wurden sie alle älter.
Vier lange Schatten prozessierten an der Uferlinie entlang, bis sie zu einer Ansammlung Wellenbrecher kamen. Seeschaum hatte sich zwischen den fern an riesige Korallenäste erinnernden Betonklötzen verfangen und knisterte leise.
„Weiß einer noch, wo wir sie versteckt haben?“, fragte Goru ratlos und erklomm den ersten Wellenbrecher.
„Ich kann mich nicht einmal mehr daran erinnern, was ich geschrieben habe. Das ist zehn Jahre her, was erwartest du?“ Shizue folgte ihm vorsichtig, schlug dann aber eine andere Richtung ein.
Auch Niriko beteiligte sich an dem Gespräch: „Ich weiß noch, dass es an einer Stelle war, die oberhalb der Tide liegt. Sie sollte ja nicht nass werden.“ Sie und Shuichi kraxelten nun auch auf den Brechern umher und lugten in jeden Zwischenraum, wo sich Miesmuscheln angesetzt hatten. Während sie suchten, tuckerte in der Nähe ein Fischerboot auf dem Heimweg entlang.
„Ha, Bingo!“, rief Goru irgendwann. Mittlerweile war er fast an der Nase des Brecherhaufens angekommen und streckte sich gerade zwischen zwei Betondornen hindurch. Bis die anderen drei Jugendlichen zu ihm aufgeschlossen hatten, hatte er sein Fundstück schon hervorgeholt. Und es war tatsächlich das, was die vier gesucht hatten: Eine kleine Holzkiste, über und über mit Paketband überzogen, das sie damals angebracht hatten zum Schutz vor Feuchtigkeit. Der Inhalt hatte schließlich wasserdicht verschlossen sein müssen.
Niriko erinnerte sich noch genau an jenen Tag: Die fünf Mitglieder ihrer Clique hatten der Zeitkapsel ihre Wünsche und Träume anvertraut und sie an einem Ort versteckt, wo sie niemand finden durfte. Weil sie heute vorgehabt hatten, sie wieder zu bergen, hatten sie das gleiche Eis und die gleichen Kekse, die sie damals gegessen hatten, wieder besorgt. Trotz all dieser Kleinigkeiten, die sie alle noch wussten, erinnerte sich keiner von ihnen mehr daran, welche geheimen Hoffnungen zehn Jahre hier geschlummert hatten.
„So ein Mist“, fluchte Goru, als er begann, das Paketband zu entfernen. „Das löst sich hier überall…“
„Was?!“, rief Shizue aus und wollte ihm die Kiste entreißen, doch Goru war schneller und zog ihren gemeinsamen Schatz außer Reichweite. „Was, wenn Wasser eingedrungen ist?“, fragte die verhinderte Diebin ängstlich.
„Das kann nicht sein“, versuchte Niriko, ihre Freundin zu beschwichtigen. „Bis hierher spritzt nur die Gischt, und die reicht nicht, um das Innere nass zu machen.“
„Und was ist mit der Sturmflut vor drei Jahren?“, meldete sich Shuichi zu Wort. „Die hat ganze Küstenstreifen zerstört.“
„Das war doch im Osten von Itokuni“, informierte Niriko.
„Kann trotzdem sein, dass die Wellen dann hier auch höher schlugen als üblich“, ergänzte Goru und legte das Klebeband zur Seite. Nun war die Holzkiste wieder völlig frei. Mit Schrecken erkannte Niriko, dass das Holz an manchen Stellen morsch geworden war. „Es führt kein Weg vorbei…“ Goru öffnete den Deckel und griff hinein.
Schon an seinem Gesichtsausdruck erkannte Niriko, dass wenig Hoffnung bestand. Goru holte ein paar wellige, fleckige Papiere hervor. Was einst darauf gestanden hatte, war durch das Wasser verlaufen und unleserlich geworden.
„Das sieht nicht gut aus…“, kommentierte Shizue und nahm einen Teil des Stapels an sich. „Hier können wir nicht einmal erkennen, welches unser Brief ist, geschweige denn, was unsere Wünsche waren!“
Niriko verstand ihren Schmerz. Sie alle hatten wissen wollen, ob sie die Zukunftsvorstellungen ihres vergangenen Selbst erfüllt hatten. Plötzlich kam ihr etwas in den Sinn. „Das Bild!“, rief sie. „Was ist mit dem Bild?“
Goru zog es aus dem Stapel und zeigte es herum. Die Farben des Fotos, das die Fünf vor der untergehenden Sonne Itokunis an ihrem Lieblingsstrand zeigte, waren vom Meerwasser angegriffen und verblichen. Das Papier hatte sich leicht aufgerollt. Ansonsten war es aber weit besser erhalten als die Briefe.
„Leute, seht euch das mal an.“ Niriko und Shuichi, die das Foto betrachtet hatten, wandten sich Shizue zu, die ihren Teil der Briefe durchgeblättert hatte. „Das ist von Asami!“
Das Blatt, das sie hochhielt, war in makellosem Zustand. Ihre verstorbene Freundin hatte es damals von ihrem Vater laminieren lassen, wie sich Niriko erinnerte. Durch Asami war diese normale Sache aus tristem Büroalltag zu einem Wunder geworden. Auf der einen Seite waren fünf Zeichnungen zu sehen, die die Itokuni Go als Chibis darstellten. Neben jedem waren die jeweiligen Namen in Hiragana aufgeschrieben; die Kana, die auch als Zahlen fungierten, besonders hervorgehoben: ichi, ni, san, shi und go.
Niriko fiel auf, dass Asami jedem von ihnen Attribute eines Tieres verpasst hatte: Goru war als Fuchs dargestellt, Shizue als Hase, Shuichi als Marderhund und Niriko als Katze. Asamis Chibi hatte Flügel und etwas, das wie ein Heiligenschein aussah. Niriko machte ihre Freunde darauf aufmerksam.
„Jetzt, wo du es sagst, merke ich es auch“, meinte Shizue und sah genauer hin. „Warum hat sie sich selbst als Engel gezeichnet?“
„Ob sie damals schon wusste, dass sie früh sterben würde?“, fragte Goru und nahm Asamis Brief entgegen. „Obwohl… der Krebs wurde erst viel später diagnostiziert.“
„Hey, auf der Rückseite steht etwas!“ Shuichi riss Goru das Papier aus der Hand und drehte es um. Er hielt es so, dass seine Freunde es auch lesen konnten.
Dort war, in kindlicher Schrift, Asamis geheimer Wunsch aufgeschrieben: Meine Hoffnung für die Zukunft ist, dass wir für immer Freunde bleiben!
„Oh, Asami…“, flüsterte Shizue gerührt. Auch in Nirikos Augen sammelten sich Tränen.
Der letzte goldfarbene Rand der Sonne versank im Ozean, der ihr Feuer löschte. Eine sanfte Brise zog vom Meer heran wie die lebendige Hoffnung, die Vergangenheit und Zukunft miteinander verband, und wirbelte um die fünf Kinder von Itokuni.
„Ding!“, und es läutete erneut die Ladenklingel des warmen Geschäftes, welches an diesen Tagen besonders gut besucht war. Der Duft der frischen und berühmten Ohrdoch-Kekse lockte die von ihrer Reise ermüdeten Trainer und die Bewohner der kleinen Stadt in den überschaubaren Laden an der Straßenecke. Hier war viel los im Gegensatz zur kalten Straße, dort, wo der Schnee und das Eis den Boden bedeckten. Das Licht der Straßenlaternen ließ die weißen Flächen funkeln und wo sich die Schneemassen besonders türmten und funkelten, spielten die frisch gebackenen Trainer mit ihren neu erworbenen Pokemon.
„Frau Bingel? Könnten sie noch ein paar Ohrdoch-Kekse machen? Die Kälte bringt wohl noch mehr Besucher in den Laden, als wir dachten“, sagte eine junge Dame. Sie trug ein schwarzgraues Kleid, darüber eine weiße Schürze mit einem rosa Farbkleks darauf und ein weißes Häubchen. Ein freundliches permanentes Lächeln und ein paar Strähnen ihrer braunen Haare waren in ihrem Gesicht zu sehen. Ihre Beine standen sich berührend direkt nebeneinander. Ihre Hände rieb sie an der Schürze. Sie schaute zu Frau Bingel, die nickte und sofort ein weiteres Blech in die Hände nahm.
Die Dame bedankte sich und ging schließlich einen Keks essend nach vorne, sodass Frau Bingel wieder allein in der Backstube war. Schweißperlen liefen an ihrem Gesicht herunter. Sie schaute raus zu den im Schnee spielenden Kindern, die sie zum Lächeln brachte. Wenigstens war ihr vor dem großen Ofen nicht kalt. Ihre Hände waren schon an manchen Stellen verbrannt, aber das alles war ihr nicht wichtig. Sie wollte weiterbacken, denn dem Ansturm musste ja irgendwie Einhalt geboten werden. Frau Bingel arbeitete in dieser Hitze, und das täglich. Sie war es schon gewohnt, sich die Hände zu verbrennen. Die Arbeit schien jedoch heute noch härter zu sein und auch nicht aufzuhören. Immer wieder klingelte Palimpalim über der Ladentür.
Ihre kleinen Gesichter schauten über den Rand es Regals hinunter in die Vorratskammer. Die beiden schnupperten mit ihren Nasen in allen Richtungen etwas zu Essen.
„Waah!!!“, schrie Pauline plötzlich. Sie stürzte von dem großen Regal der Vorratskammer herab. Sie landete zum Glück weich auf einem Sack Mehl.
„Bist du okay, Schwesterchen!?“, rief Paul vom Regal herunter, „du siehst lustig aus so in weiß.“ Er bekam nur ein leichtes Stöhnen als Antwort. Er hielt sich mit beiden Pfötchen an dem Balken des Regals fest und rutschte hinunter. Pauline war bereits auf der Suche nach dem erhofften Essen. Sie stand vor einem nach Äpfeln riechenden Strohsack, der auf dem Boden an eine Wand gelehnt lag, doch alleine konnte sie ihn nicht öffnen. Paul kam ihr zur Hilfe. Zusammen zogen sie so stark wie sie konnten an dem großen Etwas herum. Plötzlich bewegte er sich und…
die kleinen Pichu-Zwillinge waren unter ihm begraben.
„Du warst mir ja eine tolle Hilfe, Brüderchen!“, meckerte Pauline.
„Du musstest dir ja auch gerade Äpfel aussuchen, wo es hier doch auch noch viel mehr zu holen gab“, antwortete Paul. Er zog an ihren Ohren. Pauline kitzelte ihn unter seinen kurzen Armen. Nun zerrten beide an dem Gesicht des anderen, sodass dabei lustige Grimassen entstanden.
Nach einigen Minuten hörten sie schon die üblichen Schritte von Frau Bingel. Es war schon ein kleines Getrampel, was sie mit ihrem wuchtigen Körper da machte. Sie ging auf den umgefallenen Sack zu und hob ihn hoch. Schnell verschwanden die Pichu im nächsten Rattfratz-Loch. Frau Bingel ließ den Sack vor Schreck fallen und ging zu dem Loch, schaute hinein und wurde erst mal von einem kräftigen Donnerblitz begrüßt.
„Erst Verbrennungen und dann Paralyse, das ist nicht mein Tag heute, nein, nein, das ist er nicht“, sagte sie mit Kringeln in den Augen am Boden liegend. Nach einer Weile stand die tapfere Bäckerin auf. Sie erklärte den Pichu den Krieg. Sie waren schon öfters hier in den Laden gekommen, um sich selbst zu bedienen, doch Frau Bingel konnte sie immer wieder davon abhalten, etwas zu stibitzen. Sie nahm alle Rattfratz-Fallen, die sie hatte und legte diese vor die Löcher. Dann brachte sie mehrere Säcke mit dünnen Seilen am Boden fixiert auf den Regalen an. In der Mitte der Vorratskammer legte Frau Bingel noch einen Teller mit Keksen ab, damit die beiden Frechdachse auch ja kommen wollten. Zum Schluss setzte sie sich auf einen Holzhocker und wartete ab.
Der eiskalte Wind blies durch jedes noch so kleine Loch hinein. Dauerhaft war ein Knirschen und Knacken des Holzes zu hören. Die beiden Pichu versteckten sich im Speicher des Hauses. Sie saßen mit ein paar anderen Pokemon auf den Balken, die das Dach stützten. Dusselgurr, Rattfratz, Piccolente und auch Yorkleffs lebten in diesem kalten Teil des Hauses. Sie waren alle einmal von ihren Trainern ausgesetzt worden oder von allein in die Stadt gekommen. Ein kalter Wind und ein brummender Magen dominierten ihren Alltag. Sie wollten nur leben, doch keiner gab ihnen das Nötige dazu. Sie hatten nicht mehr viel Hoffnung, ein glückliches Leben zu bekommen und die Hoffnung, die sie noch hatten, legten sie auf die cleveren Pichu-Zwillinge, welche versprachen, allen etwas zum Essen zu besorgen. Der Weg war ihnen in dieser Situation egal, denn ihr Überleben war wichtiger. Am profitabelsten bewährte sich eben diese Bäckerei, da es zumindest etwas wärmer war und Essensreste, sowie frische Zutaten in der Vorratskammer zu holen waren. Doch dies reichte nicht aus für die vielen Pokemon hier. Paul und Pauline klügelten mit ihren Freunden einen perfekten Plan aus, sodass sie endlich die Küche von Frau Bingel mit den duftenden Keksen plündern konnten.
Frau Bingel wartete. Im Laden war in der Weile die Hölle los. Die Kunden standen vor der Theke und warteten in einer langen Schlange, die bis auf die Straße ragte. Bald war der Vorrat an Keksen in der Theke erschöpft, sodass Frau Bingel neue backen musste, aber zunächst wollte sie die Pichus endlich fangen.
Plötzlich drangen vier Piccolente im Entenmarschin den Raum ein. Sie stellten sich mutig in die Mitte zu den Keksen. Die Piccolente schauten sich um, dann setzten sie Weißnebel ein und die Pichus mussten nur noch aus den Löchern kommen, um sich die Kekse im Schutz des Nebels zu schnappen. Doch sie lösten dabei die Fallen aus. Frau Bingel wartete ab, bis der Nebel verzogen war. Die Piccolente waren abgehauen, aber die Pichu wichen ängstlich und mit den Pfötchen fuchtelnd den herunterfallenden Strohsäcken aus.
Jetzt kamen die Dusselgurr zum Einsatz.
„ Bei 180° zum Feind und einer Flughöhe von 2 m über seinem Schädel heißt es: Abwurf!“, rief der Kommandant der Dusselgurr. Sie nahmen immer zu zweit einen der Strohsäcke, trugen ihn bis über den Kopf von Frau Bingel und ließen ihn dann fallen. Frau Bingel war nach dem Spektakel voller Mehl und komplett in Weiß gehüllt. Sie nahm nun ihren Schneebesen in die Hand und ging auf die gesamte Meute los. Die Pichu zitterten kurz, aber dies war nur Teil der Show. Die Piccolente kamen wieder nacheinander aus den Löchern. Sie setzten Aquaknarre ein, sodass Frau Bingel auf dem nassen und mehligen Boden ausrutschte. Paul und Pauline rannten schnell ins Geschäft, weil die Kekse auf dem Teller nie im Leben reichten. Sie kamen dem warmen Ofen immer näher. Mit der Hilfe einer Räuberleiter aus Yorkleff kamen sie bis zum Rand des alten Ofens. Fasziniert von der wohltuenden Wärme und den Duft der berühmten Ohrdoch-Kekse liefen sie immer weiter der Nase nach. Sie fühlten sich dem Ziel so nahe. Es wurde immer wärmer und wärmer. Die Zwillinge freuten sich nach einer langen Zeit voller Trauer und Schmerz. Sie dachten an ihre Freunde, die auf sie hofften. Die Wärme wurde langsam zur schmerzenden Hitze.
„Neiiiiin!“, schrie Frau Bingel plötzlich, die die beiden mit ihren Armen umschling. Sie zog sie schnell aus dem Ofen heraus. Die Zwillinge zappelten wie Fische in ihren Armen herum. Sie streckten ihre Arme mit Tränen in den Augen dem Ofen entgegen. Die Pichu wussten nicht, dass der Ofen sehr gefährlich werden konnte. Nun merkten sie es, als Frau Bingel die bereits verkokelten Kekse hinausnahm und die Pichu sie berühren konnten. Sie verbrannten sich ihre kleinen, gelben Pfoten an dem, was sie schon immer haben wollten.
Frau Bingel sah in ihre traurigen Gesichter. Nachdem die Aufregung verflogen war, fingen sie an, mit Frau Bingel zu reden.
„Ihr hättet mir gleich sagen sollen, dass ihr so viele einsame Freunde habt. Ich hätte euch geholfen, wenn ihr mir nicht immer so ein Chaos veranstaltet. Immerhin ist Weihnachten! Gibt mir eure Pfoten. Ich werde die Verbrennungen heilen und dann werden wir alle gemeinsam Kekse backen“, sagte Frau Bingel lächelnd. Verwundert schauten sich die beiden Pichus an.
Und so backten die Pokemon mit ihrer neuen Freundin, das Ohrdoch namens Frau Bingel, die restlichen Kekse für diesen Abend. Nachdem der letzte Kunde den Laden verlassen hatte und auch die junge Dame verschwunden war, gab Frau Bingel schließlich als Dank für die Hilfe allen einsamen Pokemon Kekse. Während die anderen Pokemon nun fortan Frau Bingel immer wieder unterstützten, sah sie die Pichu-Zwillinge nie wieder. Nur ihre Fußabdrücke meinte Frau Bingel noch in dem weißen, schimmernden Schnee an der Stelle gesehen zu haben, wo die Trainer mit ihren Pokemon immer noch spielten.
Manche Menschen denken Glück wäre eine Erfindung und sie existiere nicht. Manche Menschen denken das Glück und Pech sich ausgleichen und auf jedes kleine Missgeschick das einem passieren mag immer wieder eine gleichgroße Menge Glück folgt. Mir war in diesem Moment egal was nun genau Glück war und wie man es definierte..für mich war nur klar das ich heute Abend alles Glück dieser Welt durchaus brauchen könnte.
Mit diesen Gedanken erhob ich mich aus meinem Bett. Auf der anderen Seite des Zimmers ein kleiner Spiegel,ich luckte rein. Ein großes paar dunkelbrauner Augen starrte mir unter den buschigen Augenbrauen entgegen. Das war ich, Hannes 17 Jahre alt, groß gebaut,breite Schultern,langes braunes Haar in einer ''Justin Bieber Frisur'' wie man es ja heute nannte. Ich wirkte ziemlich fertig,ich war wohl eingeschlafen beim Musik hören,was eigentlich ein kleines Wunder war bei der schwülen Hitze dir überall herrschte. Ich hatte im Bett gelegen und über den heutigen Abend nachgedacht, und versucht mit der Musik meine Angst zu verdrängen. Ich hatte heute vormittag meinen Schwarm nach dem wir zusammen ein Eis gegessen hatten auf ein Date heut Abend angesprochen und nun war es höchste Zeit zu diesem Date zu gehen.
Manche Menschen denken Zeit wäre etwas was sie verschwenden wenn sie,sie für sich gesehen unnütz mit ihrer Familie verbringen und nicht zur Kapitalgewinnung. Manche Menschen denken einem anderen Menschen eine Freude zu bereiten und für sie da zu sein wäre die beste Art und Weise wie man Zeit verbringen könne. Mir war es egal was andere dachten,mir war nur klar das ich die restliche Zeit meines Lebens Miriam schenken wollte.
Es galt keine Zeit zu verlieren. Ich stürmte nahezu ins Badezimmer um mich noch einmal für sie frisch zu machen. Schnell unter die Dusche springen und wieder raus. Eigentlich Schade da ich das duschen doch sonst so liebte. All diese Tropfen brachten mich immer und immer wieder zum nachdenken. Waren wir eigentlich mehr als einer dieser Tropfen? Mehr als ein kleines Punkt unter Millionen? War es mit uns Menschen nicht eigentlich genauso? Und wie kam es das bestimmte Wassertropfen sich zu einem zusammentaten und andere einsam an der Duschwand hingen und vielleicht lag es an meiner übermässigen Fantasie fast zu weinen schienten? War es nicht eine lächerliche Ironie dass das Wasser zu dem wir noch aus 98% bestanden uns so ähnlich war? Aber genug davon,nur noch schnell die Haare trocken rubeln und dann mal los an die Bushalte. Inzwischen war es ja schon 7:15 Uhr. Aber natürlich kaum bin ich die Treppe runter kommt mir schon Mum entgegen,wieso haben Mütter eigentlich immer so eine Begabung in den unpassendsten Momenten zu erscheinen? ''Hey Hannes,ich habe Kekse gebacken'',teilt sie mir lächelnd mit. ''Du Mum,ich bin grad sehr in Eile und so,ich bin verabredet'',erwidere ich. ''Schatz,schmecken dir meine Kekse nicht?'',sagt sie mit einer Miene die 7 Tage Regenwetter widerspiegelten,was bei dieser Sauhitze draußen schon ziemlich schwer war darzustellen. Ich,etwas entnervt,erwidere das mir ihre Kekse toll schmecken und ich später am Abend wenn ich zurückkämme sicher noch welche essen würde. Anstatt es dabei zu belassen hackt sie antürlich nach: ''Ach komm probier doch wenigstens einen Keks bevor du gehst.'' Zu entnervt um ihr zu antworten entschwinde ich einfach durch die Haustür. Na toll,es mir mal wieder mit Mum verspielt. Aber was solls,sie war immer etwas leicht eingeschnappt und das konnte erstmal warten,was jetzt wichtig war,was Miriam. Also los zur Bushaltestelle und hoffen das mir nicht wieder etwas dazwischen kommt.
An der Bushalte angekommen dauert es natürlich mal wieder gefühlte Stunden bis der Bus kommt,wie immer natürlich. Als er dann endlich da ist ist er natürlich wie immer total überfüllt und ich bekomme natürlich wie immer einen schönen Stehplatz vorne beim Busfahrer. Aber was solls,es zählte nur das ich sie gleich treffen würde,gleich wieder würde sehen können,womöglich sogar fühlen. Ich warf einen weiteren Blick auf die Uhr,Viertel vor 9. So langsam wurde es echt knapp. Doch schon hielt der Bus an dem so lang erwünschten Ziel. Noch ein paar Schritte laufen und ich war an unserem Treffpunkt..einer großen alten Eiche im Park. Inzwischen war es 5 vor und ich setzte mich geduldig auf die Bank unter der Eiche und wartete. Währenddessen beobachtete ich ein kleines Eichenblatt das durch den angenehmen Abendwind der die beinahe immer noch schwüle Abendhitze erträglich machte hin und hergeweht wurde. Achja,wäre es schön so ein Eichenblatt zu sein und frei und sorgenlos zu schweben,nur vom Wind getrieben bis dieser endlich entschied sein Spielchen aufzugeben und einen sanft zu Boden gleiten ließ. Ich beobachtete das Blatt noch ein wenig wie es dort entlang flatterte und in meinem Herz machte sich so langsam eine kleine Nervosität breit,wie es halt ist wenn etwas wichtiges bevorsteht,das dein Leben verändern könnte. Viel größer als die Nervosität allerdings war die Hoffnung,die tief in mir schlummerte.
Manche Menschen denken das Hoffnung etwas für Deppen wäre, die blind auf ihr Schicksal vertrauten anstatt sich mit den wichtigen berechenbaren Dingen des Lebens zu beschäftigen und ihr Glück selbst in die Hand zu nehmen. Manche Menschen denken Hoffnung wäre der Motor der uns antreibt und nie aufgeben ließe. Mir war egal was andere Menschen dachten, das einzige was im Moment klar war,war das mir wohl nichts anderes übrig bliebe als zu hoffen.
Beim bestimmt hundertsten Blick auf die Uhr heute viel mir auf das es schon 5 nach 8 war. Wo blieb sie nur? Ein bisschen Ärger stieg schon in mir auf,ich meine ich hatte mich hier total gehetzt um pünktlich hier zu sein und jetzt hielt sie es nicht für nötig rechtzeitig zu erscheinen? Allerdings wurde dieser Ärger schnell verdrängt durch Angst. Was war wenn ihr etwas passiert war? Aber bei dem Gedanken kam ich mir fast schon ein bisschen albern vor. Ich mein ich hörte mich an wie meine Mutter und sah nun auch schon überall das Böse. Aber war das dass was in Eltern vorging,diese Angst? Wurden sie deshalb so übervorsichtig und spießig oder würde gar ich irgendwann auch so enden? Ein leisey auftreten von Schuhen riss mich aus meinen Gedanken und kündigte an das sich jemand auf die Bank auf der ich saß zubewegte. Ich blickte auf und sah in das wunderschöne Gesicht von Miriam. ''Hey,sorry das ich zu spät bin,der Bus hatte 'ne kleine Panne.'',sagte sie und dabei hatte sie das bezauberndste lächeln aufgesetzt das ich jemals gesehen hatte,passend dazu wehten ihre blonden Haare auch noch wunderschön im leichten Sommerwind. ''Macht nix,setz dich doch'',erwiderte ich. Als sie sich neben mich setzte viel mir auf das sie leicht nach Erdbeeren roch,meinen Lieblingsfrüchten. ''Und wie geht es dir so?'',fragte ich nachdem sie sich gesetzt hatte um bloß irgendwie einen Small Talk in Gang zu kriegen. ''Gut und dir?'',fragte sie zurück. Der Rest des Abends verflog wie im Rausch,ich weiß nur das wir sehr viel gequatscht und gelacht haben. Nach rund einer Stunde und nachdem das kribbeln in meinem Bauch,das immer auftrat wenn ich in ihrer Nähe war,etwas gelegt hatte hielt ich es allerdings nicht mehr aus. Ich musste es ihr sagen! Ich meine wenn nicht jetzt wann dann? Ich nahm all meinen Mut zusammen und nahm ihre Hand in meine und schaute ihr in ihre saphirblauen Augen.''Du Miriam,ich muss dir etwas sagen.'',fing ich an. Tief in mir fühlte ich mich wie der größte Idiot auf Erden,was hatte ich mir bloß eingebrockt? Was wenn sie jetzt gleich nein sagen würde? ''Es mag vielleicht bescheuert klingen aber ich bin schon seit etwas längerer Zeit in dich verliebt.'' Irgendwie fühlte ich mich ja auch erleichtert,als es endlich draußen war,allerdings währte dieser Glücksmoment nur kurz an. ''Du Hannes,du bist ja echt ein netter Kerl,aber nunja..ich liebe dich nunmal nicht. '',antwortete sie. Ein netter Kerl? Das war wohl so der Standartsatz wie man ihn aus jedem dieser bescheuerten Liebesfilme oder -geschichten kannte. Ein netter Kerl,was brachte mir das schon? Nunja,sie schien wohl an meiner Miene zu merken das ich von ihren Worten ziemlich mitgenommen war und fügte schnell ein: ''Aber wir können natürlich Freunde bleiben.'' In manchen Büchern wird ja beschrieben das es sich anfühlt als würde man eine Ohrfeige kriegen wenn man einen Korb bekommt. Es fühlt sich aber eher an wie ein lang anhaltendes stechen,das einen ziemlich verhöhnte. Als wäre das nicht genug ging mir andauernd noch das Echo ihrer Stimme durch den Kopf: Freunde bleiben..Freunde bleiben.. Schwer schluckend und mit aller Selbstbeherrschung brachte ich noch ein: ''Ja das ist ne gute Idee,aber ich glaube ich gehe jetzt mal lieber...'' heraus und versuchte die Tränen zu unterdrücken.
Wir waren alle eins gewesen. Ein einziges fühlendes Wesen, bestehend aus vielen lebendigen Seelen in einem toten Leib. Der Körper konnte nicht leben, hatte kein Blut, keinen Herzschlag. Er war von Menschenhand erschaffen worden, doch nicht aus dem Gedanken heraus, neues Leben zu erschaffen. Vermutlich wussten die Menschen nicht mal, dass dieser Klumpen, den die aus verschiedensten Dingen zusammengeknetet hatten, auch fühlen konnte wie sie. Auf diese Idee war wohl noch niemals jemand gekommen. Und deshalb nahmen sie auch keinerlei Rücksicht darauf, wie sie mit uns umzugehen hatten. Denn es begannen die Qualen. Unser Körper wurde in Stücke gerissen, in viele einzelne Fetzen, die dann brutal flachgedrückt und nebeneinander hingelegt wurden. Und in jedem dieser Fetzen kauerte nun eine verängstigte Seele, von den anderen getrennt, der Geborgenheit unserer nahen Gemeinschaft beraubt. Als wir da so lagen, unwissend, was als nächstes mit uns geschehen würde, beobachteten wir die Hände, die immer mehr Stücke von unserem damaligen Körper abrissen, ein wenig herumkneteten und zu uns auf den schwarzen, glänzenden Untergrund legten. Der Leib wurde immer kleiner und kleiner, bis schlußendlich nur noch einzelne Fetzen existierten, welche allesamt nebeneinander hingelegt wurden. So lag ich dort neben meinen Freunden, unfähig, mich zu bewegen. Obwohl ich nicht alleine war, fühlte ich mich einsam, nackt und verloren. Ich war es nicht gewohnt, in einem eigenen Körper zu sein. Trotzdem hatte ich Hoffnung, dass alles besser werden würde. Vielleicht würden wir irgendwie wieder eins werden, im gleichen Körper wohnen. Wenn ich doch nur damals gewusst hätte, dass die wahre Qual erst beginnen würde..
Ich spürte, wie der Untergrund unter uns sich langsam bewegte. Vor uns tat sich ein Schlund auf, dunkel, schwarz, unheimlich. Meine Freunde und ich wurden darauf zu transportiert. Dann hörte ich ein, zwei klickende Geräusche, bis ich plötzlich die Augen des Teufels vor mir sah. Eine unbändige Hitze schoss mir entgegen, wie ein Feuer, welches mich verschlingen wollte. Für mich war dieser Schlund wie der Eingang zur Hölle, und ich konnte nichts dagegen tun, dass meine Freunde und ich von dem Menschen dort hineingesteckt wurden. Hinter uns schloss sich das Höllentor und wir waren gefangen. Die unsichtbaren Flammen umfassten mich, stachen wie glühende Messer durch meinen Körper, fraßen mich auf. Hitzewellen schossen über mich hinweg, ließen mich aufschreien, kreischen und um Erlösung betteln. Doch die einzigen, die mich hören konnten, waren meine Freunde. Sie lagen neben mir, nach wie vor, und auch sie erlitten die Qualen, in der Hölle zu schmoren, zu verkohlen und langsam zu spüren, wie der eigene Körper unter starken Schmerzen erstarrte. Auch wenn wir keine Adern besassen, kein Blut, kein Herz, das vielleicht vor Schmerz stehen geblieben wäre, so fühlten wir die Flammen der Hölle, welche uns gefangen nahmen und uns solche Qualen bereiteten. Wäre mein Leib dazu fähig gewesen, hätte ich geweint, geweint vor unerträglicher Pein. Diese Hitze, diese unerträgliche Hitze.. Und der spöttische Blick aus den Augen des Teufels, der hier in der Hölle seine glühenden Finger nach uns ausstreckte, uns verbrennen ließ. Das gleißende Licht aus seinem Blick ließ mich trotz der enormen Hitze erschaudern. Die Hoffnung, die ich zuvor noch gehabt hatte, war längst verschwunden. So lange lagen wir nun schon hier, schreiend, heulend, schwach und ausgelaugt. Viel zu lange schon. Und wir würden nicht sterben können, denn unser Körper war bereits tot und wir konnten nur sterben, wenn dies den Sinn unseres Lebens erfüllen würde. Wir würden bis in alle Ewigkeit hier verbrennen, in den Armen Satans liegend, dessen Flammen unseren Körper verkohlen ließen. Meine armen Freunde erlitten das gleiche Schicksal wie ich. Es schien wirklich alles verloren – bis plötzlich die Erlösung kam.
Das Höllentor wurde geöffnet und eine wundervolle Kühle umfasste mich. Ich hörte erleichterte Seufzer um mich herum und stieß selbst einen aus. Nicht zu fassen, meine Hoffnung, mein Beten hatte sich erfüllt! Wir waren gerettet! Wir konnten dem Teufel entkommen, seinen langen, glühenden Fingern, der Hitze der Hölle! Denn nun wurden wir dem Schlund entrissen, von demselben Menschen, der uns erst dort hineingesteckt hatte. Unsere Qualen waren vorbei, die Pein beendet. Sicherlich würden wir nun nicht mehr so sehr leiden müssen, ganz bestimmt war es nun vorbei. Es musste einfach vorbei sein. Noch so einer Tortur hätte meine Psyche nicht standhalten können, ich wäre durchgedreht. Und so absorbierte ich die kühle Luft, ließ sie über mich hinwegstreifen und genoß jede ihrer Berührungen. So ließ es sich leben und ich hoffte, dass es nun so bleiben würde. Tatsächlich lagen wir dort sehr lange, konnten geniessen, was nun endlich geschehen war; die Erlösung der Qualen. Doch die Zeit in der Hölle hatte ihre Spuren hinterlassen: Unsere Körper waren nicht mehr hellbraun, wie sie es zuvor gewesen waren, sondern waren dunkelbraun geworden. Unsere Konsistenz aber war es, die sich am meisten verändert hatte. Vorher waren wir weich gewesen, leicht auseinanderzureissen. Nun waren wir hart geworden, wie zu Stein erstarrt. Es war seltsam, sich plötzlich so anders zu fühlen, doch es störte mich nicht. Ich hatte mich schon vorhin nicht bewegen können und nun konnte ich es ebenso wenig, was machte das denn für einen Unterschied, ob ich mich hart oder weich anfühlte? Und so machte ich mir darum keine Gedanken mehr, wollte nur noch eines: Die kühle Luft geniessen. Nun würde nichts Schlimmes mehr geschehen – dachte ich zumindest.
Ich hörte eine Stimme.
„Sofia“, sagte sie, „Sie sind ausgekühlt. Möchtest du jetzt ein Eis und einen Keks?“
„Jaaa!“, kam die freudige Antwort einer anderen Stimme, welche sehr jung und naiv klang.
Ein Keks? Was ist das?, fragte ich mich. Ich hatte diese beiden Wörter noch niemals in meinem Leben gehört. Ich horchte weiter, doch das Gespräch war bereits beendet. Ich hörte nur noch ein Geklapper und eine Türe, die geöffnet und wieder geschlossen wurde. Ich dachte mir nichts weiter dabei und fristete weiterhin ahnungslos mein Dasein. Plötzlich jedoch spürte ich eine Hand, die nach mir griff. Erschrocken schnappte ich nach Luft. Was passierte jetzt mit mir?
„Hilfe!“, schrie ich. „So helft mir doch!“ Ich hörte die Stimmen meiner Freunde unter mir, doch sie entfernten sich. Sie konnten nichts dagegen tun, dessen war ich mir bewusst. Hilflos und unbeweglich wie sie waren, konnten sie mir nicht helfen, nicht verhindern, dass ich gerade entführt wurde. Weggetragen an einen Ort, den ich noch nicht kannte. Wo brachte die Hand mich nur hin? Ich wusste es nicht. Das einzige, was ich tun konnte, war abzuwarten. Und plötzlich wurde ich in etwas Kaltes hineingelegt. Es war ein Bett aus Eis, in welchem ich weich lag, doch dennoch erbärmlich erfror. Ich fröstelte, es lief mir ein kalter Schauer den Rücken hinunter. Wäre mein Körper nicht eigentlich tot, hätte er ganz bestimmt gezittert wie Espenlaub, wie Blätter im Wind. Ich wollte hier weg, um jeden Preis. Und ausnahmsweise wurde mein Wunsch direkt gewährt.
Eine weitere Hand griff nach mir. Es war nicht die gleiche wie vorhin, das spürte ich, diese hier war kleiner und weicher. Und sie führte mich langsam zum dazugehörigen Mund. Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen und ich erkannte, was nun geschehen würde. Ich war der Keks. Ich war ein Nahrungsmittel und der Sinn meines Daseins war es einzig und allein, gegessen zu werden. Vielleicht war der Aufenthalt in der Hölle dazu nötig gewesen. Vielleicht hatte ich diesen Vorgang durchleben müssen, um zu dem Zweck, dem ich nun diente, geeignet zu sein. Mein Körper war bereits tot, doch ich hatte meine Bestimmung gefunden. Ich musste gegessen werden, als Nahrung dienen. Da das der Sinn meines Daseins war, würde ich nun sterben müssen. Und so schloß ich ab mit meinem Leben. Es war kurz gewesen, denn erst heute war ich erschaffen worden und nun musste ich diese Welt schon wieder verlassen. Ich wollte mir die Schmerzen gar nicht vorstellen, welche ich spüren würde, wenn der Mensch mich mit seinen Zähnen zermalmen würde. Was für ein schreckliches Leben, wie qual- und schmerzvoll. Eine Woge aus Selbstmitleid erfasste mich. Hatte ich das wirklich verdient? So ein viel zu schnelles, schmerzhaftes Ende? Ich konnte und wollte mir darauf keine Antwort geben. Mein letzter Gedanke galt meinen Erinnerungen und dem erzwungenen Akzeptieren meines Schicksals, als die Zähne auf mich einhackten.
Eine warme Brise fuhr durch Raits schulterlanges, weißes Haar. Sie blickte hinab auf die riesige Wolkendecke, die sich unter ihr über den Planeten wälzte, dessen Krümmung sie langsam ausmachen konnte. Nur noch etwas höher!, dachte sie sehnsüchtig mit einem Blick nach oben. Über ihr konnte sie keine Wolken mehr erkennen, lediglich das weite, blaue Feld, in dessen Zenit die große Sonne barmherzig auf das Luftschiff herabschien.
Rait drehte sich um. Vor ihr befand sich der Eingang in die Kajüte, daneben eine Leiter, die zu einer höheren Etage des komplex verschachtelten Schiffes führte, in der sich das Herz der Mechanik befand. Ein dumpfes Wabern drang aus den zahlreichen Rohren, die an allen Wänden und Ecken des Luftgefährts entlangkrabbelten und sich mutig darum bemühten, das Schiff in der Luft zu halten.
Es klingelte. Schnell eilte sie ins Innere des Schiffes, brauchte dort allerdings einen Moment, um sich an die Dunkelheit zu gewöhnen. Sie legte das Buch mit der Aufschrift »Legendäre Blumen« auf einen Nachtschrank und eilte in die Küche zum Backofen, zog sich dicke Handschuhe an und zog ein mit frisch gebackenen Keksen übersätes Blech aus ihm heraus.
Damit eilte sie hinunter in den Frachtraum – eine Halle, von deren eigentlicher Größe man wegen des riesigen Eisblocks, der sich darin befand, nichts bemerkte. Sie stellte das Blech in eines der zahlreichen Regale an der Wand, an eine freie Stelle, von denen es nur noch wenige gab, da sich die Ergebnisse ihrer Backkünste hier bereits zu Tausenden stapelten.
Rait schritt an den Eisblock heran. Ganz nah, dann zückte sie unter ihrem weiten, weißen Umhang eine Lampe hervor und ließ sie ins Dunkel hineinleuchten. Weit im Inneren konnte sie eine dumpfe, finstere, kaum auszumachende Silhouette ausmachen.
Als sie mit ihrer Nase ans Eis geriet, spürte sie Nässe. Hoffnung keimte in ihr auf.
»Endlich sind wir fertig!«, rief Kallisto enthusiastisch, während sie an einigen ungemütlich wackligen Rohren vom Luftschiff herabkletterte. »Ich habe die letzte Verbindung der Schwebsteine zur Mechanik gesetzt.«
Rait lächelte sie fröhlich an. »Dann lass uns fliegen!«
»Warte. Vorher muss ich noch etwas tun.«
Rait blickte ihre langjährige Freundin fragend an.
»Weißt du noch? Vor ein paar Jahren sagtest du mir, du möchtest ein Liebesgeständnis nur hören, wenn diejenige Person eine Eisblume mitbringt.«
Ein eiskalter Schauer lief ihr über den Rücken. Rait errötete, denn die Worte ihrer Freundin hatten sie ins Herz getroffen.
»Ich gehe zum Nordpol und hole eine. Dann fliegen wir zusammen los!«
Daraufhin verschwand Kallisto. Rait nutzte die Zeit, um Kekse für sie zu backen – die, die sie am liebsten hatte, um Kallisto zu überraschen, sobald sie zurückkam.
Doch als das Mädchen nach einem Monat nicht zurückgekehrt war, hatte Raits Sorge sie so sehr zerfressen, dass sie das Luftschiff in Gang setzte und zum Nordpol flog.
Nach vielen Tagen verzweifelter Suche fand sie einen gigantischen Eisblock, so klar, dass sie, als sie ihn durchleuchtete, die Silhouette ihrer Gefährtin darin ausmachen konnte.
Sofort öffnete sie die untere Frachtluke des Schiffes, lud das Eis auf und flog los. Sie versuchte, das Eis mit ihrem Werkzeug zu zerschlagen, doch das stellte sich als gänzlich unmöglich heraus – nichts konnte einen Kratzer im Kristall hinterlassen, kein Feuer konnte es schmelzen.
»Man lässt Freunde nicht im Stich« dachte Rait, und ihr fiel nur noch eine Möglichkeit ein, Kallisto zu befreien.
Ich muss höher. Rait stand auf dem zweithöchsten Punkt des Schiffes, auf der Bühne vor dem Maschinenraum. Es ist nicht warm genug.
Wenn irgendetwas ihre Freundin retten konnte, dann nur die Hitze der Sonne, die dreist herabstarrte und darauf wartete, das Eis vernichten zu können. Ich muss höher.
Sie zog an einigen Hebeln, schritt dann in den Maschinenraum und überprüfte die Instrumente. Es klingelte. Eilig machte sie sich auf den Weg hinunter in die Küche, holte das Blech heraus und brachte es in den Laderaum. Dann bereitete sie neuen Teig.
Erneut im Eisraum hörte sie unter sich ein Knirschen. So hob ihren Fuß, und musste feststellen, einen Keks zertreten zu haben. Rait blickte sich um – der gesamte verbliebene Platz hatte sich bereits mit Keksen gefüllt. Doch sie konnte nicht aufhören, neue zu backen. Ich werde Kallisto nicht aufgeben.
Mit dem Backen aufzuhören, würde bedeuten, sie im Stich zu lassen.
Langsam näherte sich das Schiff weiter der Sonne, die Temperatur stieg spürbar. Rait legte ihren Mantel ab, Schweiß brach aus ihrer Stirn aus. Sie liebte dieses Gefühl. Je heißer es wurde, das spürte sie, desto näher kam sie Kallisto. Erneut im Laderaum bemerkte sie, dass immer mehr vom Eis dahinschmolz. Eine Lache begann sich am Boden zu bilden. Rait lachte laut über jeden Zentimeter, den sie dem Eis abrang, über jeden vergangenen Augenblick.
Sie backte Kekse, dachte an die vergangenen Jahre, steuerte das Schiff weiter Richtung Sonne, bedachte die Vergangenheit im Laderaum. Immer wieder. Stets und mit weiter keimender Hoffnung, mit Glück in der Seele und heißem Gemüt.
Mit jedem Meter stellte sich die Hitze als unerträglicher heraus, sie genoss, wie die Tropfen an ihrer Haut hinabglitten.
Schließlich konnte sie Kallisto klar erkennen. Die Hitze trübte ihren Verstand, doch nicht ihre Sinne – dort stand sie im Eis, gerade, nachdem sie die Eisblume gepflückt hatte, eine Pflanze, deren Schönheit Rait mit nichts anderem auf der Welt vergleichen konnte.
Kallistos Gefühle hatten sie erreicht, doch sie spürte: je mehr Eis verfloss, desto langsamer schmolz das restliche.
Ich muss … höher.
Sie stieg hinauf in den Maschinenraum und merkte, wie heiß sich das Metall anfühlte. Die Geräte gaben mittlerweile keine verlässlichen Informationen mehr an, denn für eine solche Höhe hatten die beiden Erbauer sie nicht ausgelegt.
Erschöpft ging sie hinaus und legte ihre Hände an das Geländer, das sie vor einen Sturz in die ewige Tiefe rettete. Rait spürte, wie ihre Handflächen verbrannten, nahm sie schnell von der Eisenstange herunter und blickte sie an. Große Blasen bildeten sich. Das Mädchen lächelte.
Vor ihr schrie der Himmel mit einer Helligkeit, die ihre Netzhaut versengte, von ihrem Heimatplaneten konnte sie unter sich nichts mehr erspähen. Das Grinsen auf ihrem Gesicht zuckte ein wenig, als sie fast das Gleichgewicht verlor. Beim Taumeln spritzte der Schweiß auf die Rohre, Geräte und Drähte, an denen die Tropfen sofort verdunsteten. Ein überwältigendes Gefühl überkam sie. Sie wird aufwachen!, wusste sie mit einem Mal, und schrie es laut ins Nichts hinaus: »SIE WIRD AUFWACHEN!«
Auf einmal überkamen sie Zweifel. Sie blickte sich um und erkannte das Flackern der Luft, die von der Hitze motiviert hinaufstieg, spürte die heiße, trockene Luft in ihren Lungen kratzen. Würde sie erst schmelzen müssen, damit Kallisto tauen konnte?
Auch wenn es ihr Schmerzen bereitete, so wünschte sie sich nichts sehnlicher, als ihre Freundin noch einmal zu sehen, doch allein die Vorstellung, Kallisto könnte wieder erwachen, trieb sie weiter an.
Rait wankte, dann drehte sie sich um und schritt auf die Leiter zu. Das Mädchen befand sich bereits auf der zweiten Etage, diese Leiter führte zum höchsten Punkt des Luftschiffes. Sie stieg auf. Der heiße Stahl der Leiter fraß sich in ihre Hände und Füße, doch das kümmerte sie kaum. Mehr Sonne!, rief es in ihr.
Oben angelangt setzte sie sich an die Kante des Turms. Rait ließ ihre Beine hinunterbaumeln, kein Wind fuhr über ihre nasse Haut, lediglich die aufsteigende, heiße Luft vom erhitzten Holz, Kupfer und Messing unter ihr ließ ihre Haare tänzeln. Sie hatte keine andere Wahl, als ihre Lider ob des alles durchdringenden Lichts zu verschließen, denn sonst hätte die Hitze ihre Augen verbrannt. Sie drehte ihr Gesicht Richtung Sonne. Ihre Haut spannte sich und begann zu kratzen.
»Rait?«, hörte sie Kallisto rufen. »Rait, ich bin hier, wo bist du? Geht es dir gut?«
Ihre Stimme klang besorgt. Das Mädchen auf dem Turm wusste nicht, ob ihr der erhitzte Verstand einen Streich spielte, ob Kallisto aus dem Jenseits nach ihr rief, um sie zu sich zu holen, oder ob sie aufgetaut war und nun zu ihr zurückkam.
Sie ließ sich rücklings auf das Turmplateau fallen und spürte das heiße Brennen des Metalls auf ihrem Rücken.
Rait entfuhr ein glückseliges Kichern. Ein inneres, tiefes Wohlbefinden breitete sich in ihr aus.
Sie ist bei mir. Egal, wo sie sich befindet, sie ist hier, bei mir!
»Kallisto!«, rief sie, »Ich kann dich hören! Danke für die Blume. Möchtest du einen Keks?«
„Hey, Prinny-Truppe!“
Ich horchte auf, als meine Meisterin Etna ihren Ruf durch das große Schloss hallen ließ und ich machte mich, so schnell es mir möglich war, auf den Weg zu ihr. Intelligenterweise verlief ich mich dieses Mal nicht und suchte sie sofort im Schlafgemach unseres Prinzen Laharl auf. Mir bot sich allerdings ein erschreckender Anblick und daran würde ich mich wohl nie in meiner neuen Gestalt gewöhnen können.
Der Prinz, der sonst auf seinem Bett lag, war vollkommen in einen Block aus Eis eingehüllt, während meine Meisterin, eine hochrangige Dämonin, mit einem Eisenhammer darauf einschlug. Nach vier weiteren Hieben setzte sie ab, seufzte kurz und blickte danach zu mir.
„Oh, du bist ja … Wie war noch gleich dein Name?“
„M-Mireille!“ Ja, so lautete mein Name und ich war ein Prinny, eine Art Dämon dieser Welt in Form eines Pinguins mit einem Holzbein und Fledermausflügeln. Vorher war ich jedoch ein Mensch gewesen, aber ich wurde einfach in diesen Körper gesteckt und musste nun mein Dasein so fristen … Zudem war ich ohnehin schon nervös, wenn mich Meisterin Etna rufen ließ!
„Ach ja, stimmt! Wie konnte ich das nur vergessen“, rief sie, so laut es ihr offenbar möglich war, in meine Richtung. „Wo sind eigentlich die anderen?“
Vollkommen geschockt wusste ich darauf keine Antwort, allerdings sprach sie auch ohne eine Antwort weiter.
„Ist ja auch egal. Such mal schön deine Freunde und dann kommt ihr zu mir, ja? Ich kümmere mich währenddessen weiter um den Prinzen. Zwei Jahre Schlafenszeit sind genug!“ Und ohne mich eines weiteren Blickes zu würdigen, durchfuhr plötzlich eine merkwürdige Hitze den Raum, welche das Eis gezielt schnell schmelzen ließ und danach setzte Meisterin Etna ihre Folter fort.
Wortlos verließ ich das Schlafgemach des Prinzen. Manchmal wusste ich wirklich nicht, ob ich sie ernst nehmen konnte in dem, was sie tat oder sagte und als meine Freunde konnte ich die Vermissten doch wirklich nicht bezeichnen, oder? Dennoch musste ich mich jetzt einmal auf den Weg machen, denn ich wollte ungern Bekanntschaft mit den Werkzeugen machen, die sie neben sich liegen hatte!
Bevor ich jedoch die Suche begann, ging ich noch einmal zum Portal der Netherworld. Warum es mich dort hingezogen hatte, wusste ich nicht, aber ich hörte schon einiges davon und dass dieses die verschiedenen Dimensionen miteinander verband und man so bequem reisen konnte. Viel zu oft stellte ich mir in meinen Träumen vor, wie das wohl sein würde, aber mir würde man das wohl nicht erlauben …
Plötzlich wurde ich von hinten gestoßen und bevor ich noch erhaschen konnte, wer dieser Undämon war, erhellte ein greller Blitz meine Umgebung, weswegen ich meine Augen sofort schließen musste. Nach einiger Zeit, die ich unsinnigerweise mit umherwanderndem Vorantasten verbrachte, lichtete sich die Blindheit und ich sah, dass ich mich nicht mehr im Schloss befand, sondern in einer mir fremden Welt mit grünem Gras und orangefarbenem Himmel. Egal, in welche Richtung ich blickte, so erstreckte sich weit und breit nichts anderes als diese beiden Farben und ein paar hochgewachsene Bäume.
„Oh nein, was soll ich jetzt machen?“, schrie ich in die Welt hinaus. „Meisterin Etna wird mich umbringen. Obwohl, hat sie das nicht schon getan, wenn ich in diesem Körper stecke? Wenn sie erfährt, dass ich das Portal benutzt habe, bin ich einmal ein Prinny gewesen! Oder vielleicht merkt sie es gar nicht und lässt mich hier zurück? Oh, ich weiß nicht, was ich tun soll …“
Warum führte ich überhaupt diese Selbstgespräche? Dadurch änderte sich auch nichts an meiner miserablen Situation.
Ohne Ziel wanderte ich also los, in die weite Welt hinein. Erst jetzt fiel mir auf, dass es relativ kühl für den vielen Sonnenschein war und ich sogar fröstelte. Ein plötzliches Niesen entfuhr mir und zeigte mir, dass ich entweder schon kränklich war oder einfach nur komplett fertig mit meinen Nerven, sodass ich an nichts anderes denken konnte als dieses Niesen. Warum eigentlich? Es gab doch das Gras, mit dem ich mich beschäftigen konnte … Oh, nahm ich etwa schon die Charakterzüge meiner Meisterin an? Oh nein, denk an was anderes!
Irgendwann erreichte ich schließlich einen dieser Bäume, welcher von Nahem eine auffällig ausfällige Krone besaß und setzte mich direkt darunter in den Schatten. Die kühle Umgebungstemperatur ließ mich im, wahrsten Sinne des Wortes, kalt, aber Eis würde ich schon keines anlegen und wenn, dann würde mich die Sonne mit ihrer Hitze auftauen!
… Hatte ich heute nicht schon einmal so ein seltsames Warm-Kalt-Denken? Oh, ich halluziniere wohl schon …
Mit einem kräftigen „Donk“ fiel etwas Hartes auf meinen Kopf. Vollkommen perplex sah ich mich in der Nähe um und entdeckte schließlich eine braune quadratische Form im Gras, die mir nur allzu bekannt vorkam. Am Ende in meiner Hand wurde mir auch vollends bewusst, worum es sich handelte.
„Ein Keks und das hier?“
Besorgt sah ich zum Himmel hinauf. Würde es am Ende etwa Kekse regnen? … Oh, was sollten nur wieder diese Gedanken.
Tatsächlich fiel mein Blick auf eine andere Sache, nämlich den Baum selbst. In seiner Krone wuchs nämlich genau das, was ich eben in Händen hielt! Aber wie konnte das sein? Oder war dieser Baum in Wahrheit ein Ofen, der die Kekse über die Tage wachsen ließ und gleichzeitig warm und knusprig halten würde?
Verzweifelt ließ ich mich seitlich auf den Boden fallen und mir floss eine einzelne Träne aus dem Auge. „In was für einer verrückten Dimension bin ich hier nur gelandet …“ Meine Hoffnung hatte ich bereits vor einiger Zeit aufgegeben. Jetzt fehlte nur noch, dass die anderen Prinnys, die ich suchte – meine „Freunde“ also –, mit Pirouetten um diesen seltsamen Baum herumtanzten und Regen beschwören wollten …
„Hey, wer bist du?“
Ich schreckte hoch, da ich mich sofort angesprochen fühlte und sah einen blauen Pinguin vor mir stehen. So, wie ich ebenfalls einer war und das konnte nur eines heißen!
„Endlich habe ich dich gefunden“, rief ich übermütig, sprang dabei hoch und rannte mein Gegenüber schließlich buchstäblich um. Ich konnte es noch immer nicht fassen; endlich, endlich hatte ich jemanden gefunden, der …
„Äh, wer bist du?“
Bitte?
Zugegeben, die Frage überraschte mich, aber … Oh stimmt, ich hatte mich mitreißen lassen, obwohl wir uns ja eigentlich nicht kannten.
„Weißt du, ich bin gekommen, um dich zu retten, bin aber irgendwie in dieser Dimension gelandet und weiß nicht mehr, was ich jetzt machen soll. Der Himmel ist seltsam, die Bäume auch und überhaupt, wo sind wir hier?“
Während ich sprach, traf noch ein weiterer Prinny wortlos ein.
„Hallo Ginta“, grüßte der andere den neuen Pinguin freundlich und es schien, als würden sich die beiden bereits kennen. Dieser schien jedoch verwirrt zu sein und genehmigte sich erst einmal einen der Kekse, die sich schon auf dem Boden befanden. Was war an denen eigentlich so besonders?
„Kenne ich dich?“, war Gintas emotionslose Reaktion auf die Begrüßung, was mich verwunderte und den dritten im Bunde aufseufzen und verärgert reagieren ließ.
„Du immer mit deinem Kurzzeitgedächtnis! Ich bin doch Ynnirp und wir haben uns erst vor zwei Minuten noch da hinter dem Baum getroffen!“
„Haben wir das?“
„Ja.“
„Das heißt, wir waren beide unter diesem Baum?“
„Ja.“
„Wie kann das sein? Dann müssten wir doch unter der Erde gewesen sein, aber da warst du nicht.“
„Nimm nicht immer alles so wörtlich!“
„Kann man das essen?“
Ich wusste auf diesen Dialog absolut nichts zu antworten und es erinnerte mich eher an eine Slapstick-Einlage. Kopfschütteln hörte ich den beiden noch etwas länger zu, allerdings bemerkte ich schnell, dass sie sich im Kreis drehten und auf keinen gemeinsamen Nenner kamen. Jetzt wünschte ich mir, dass sie in Eis einfrieren und Ruhe geben würden.
„Wer bist eigentlich du?“
„Mireille.“ Reflexartig antwortete ich, bevor ich überhaupt noch realisierte, dass tatsächlich ich von Ynnirp angesprochen wurde. An irgendetwas erinnerte mich sein Name …
„Okay, und was hast du jetzt vor?“ Er schien angespannt zu sein; ob das vielleicht an meiner Aussage vorher lag, dass ich einfach in diese Dimension kam? Der wird doch wohl nicht …!
„Ich weiß nicht, wie ich zurückkehren kann, also kann ich genauso gut auch hier bleiben, wenn mich niemand suchen geht. Ihr zwei habt es euch schon gemütlich gemacht, wie es scheint?“
Ich erhielt ein zustimmendes Nicken und Ginta wedelte grundlos mit seinen Armen. Seine Psyche dürfte sich schon lange verabschiedet haben.
„Wenn das so ist, dann machen wir doch einfach Urlaub“, schlug ich vor, worauf ich ernste Blicke erntete. „Ich meine, wenn wir zurückkehren würden, würde uns Meisterin Etna den Hof machen und dann hätten wir ernsthafte Probleme. Hier hingegen nicht, von daher.“
„Ja, das klingt gut“, bestätigte Ynnirp meinen Gedankengang und hielt mir seine Hand entgegen. „Freunde?“
Die Geste kam ebenfalls überraschend und nach einigem Zögern willigte ich schließlich ein.
Welche Abenteuer werden uns noch erwarten? Wird es außer diesem Keksbaum noch weitere Unsinnigkeiten in dieser Welt geben und vor allen Dingen, welchen Grund hat es, dass niemand von uns je „dood“ gesagt, was eigentlich normal für Prinnys ist? Dies alles sollt ihr in der nächsten Folge erfahren – sofern diese überhaupt einmal produziert wird …