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  • Hu <3
    Also... naja Freunde werden Simon und Shohei wohl in diesem Leben keine mehr, vielleicht ja im Nächsten. Es wundert mich nur am Anfang, dass Simon wirklich den Einfluss haben zu scheint, dass Shohei einfach einmal von seiner Arbeit fernbleiben kann, solange er möchte, ohne dass ihm etwas passiert. Das kommt mir ein wenig zu einfach vor irgendwie... x)
    Jedenfalls steht da der arme Benji zwischen den Fronten und ist zu schüchtern, vielleicht auch zu gutmütig, um Simon wirklich Konter zu geben.
    Simon ist auch so eine Nummer für sich, bei dem man nicht weiß, ob man ihn mögen oder lieber erwürgen soll. Aber jetzt hat Benji da jemanden gefunden, der ihm weiterhelfen kann und ihn irgendwo wohl auch versteht. Zumindest, was die Kräfte betrifft.

    Zitat

    „Erzähl mal, Benji, du wohnst ja bereits einige Wochen bei Shohei… wie viel hat er dir geboten, damit du dich nicht wehrst? Oder hat es ihm besonderes Vergnügen bereitet, dich mit Gewalt ins Bett zu zerren?“


    Uh, da musst' ich echt schlucken. Also eher nicht bei dem Satz, sondern bei Benjis Reaktion, da kam iwie relativ wenig von ihm =O



    Weiter im Text, ich mag die Szene in der Bücherei. =)

    Zitat

    „Hast du eigentlich nichts außer Rumhuren im Kopf?“, fuhr er Simon an, nur nebenbei zum Flüstern bemüht. „Dass du noch keine Krankheit hast, grenzt an ein Wunder.“


    Lol. :D
    Dass "kritische Werke" vernichtet werden sollen, das verrät ja schon einiges über das Land, in dem du deine Charas leben lässt bzw. über dessen Regierung.
    Ich finde du hast Itoes Verwunderung bzw. Verunsicherung am Ende auch toll hinbekommen. =)


    So, generell muss ich zum Kapitel sagen, dass es sehr erfrischend ist, dass die Handlung weiter fortgeht und ich finde, du lässt deine Charaktere... wie sag ich das, sie drücken sich jetzt ein wenig lockerer aus. ^^


    ;*

  • [tabmenu]
    [tab=Neues Kapitel]


    So, endlich wieder Zeit für ein neues Kapitel x3 Ich muss gestehen, im Grunde war ich mit dem Schreiben an sich längst fertig, allerdings fehlten mir Titel und Songzitat und die Suche hat sich dabei etwas gezogen... Irgendwie bin ich mir mit beidem immer noch unsicher, ob das so passt, aber ich finde zumindest momentan keine bessere Alternative und ich will das nicht noch länger hinauszögern ~


    Nach wie vor in der Bibliothek, erhalten Shohei, Simon und Benjamin endlich Gelegenheit, in einigen Büchern nach Informationen bezüglich ihrer Kräfte zu suchen. Doch wirkliche Ruhe herrscht noch längst nicht in der Jungengruppe, da Itoe nicht ausschließlich als Bibliotheksangestellte auftritt, sondern gleichzeitig durch ihre vermeintlich anzügliche Geheimniskrämerei Unfrieden unter ihnen stiftet. Noch verschweigen beide Parteien ihre wahren Ansichten und vor allem Itoe verbirgt mehr, als es auf den ersten Blick scheinen mag...






    Warnung: Dieses Mal wird es WIRKLICH sexuelle Andeutungen geben und nicht nur die üblichen Gedanken oder Aussagen von Simon, aufgrund derer ich normalerweise diese Warnung ausspreche. Wer das umgehen möchte, sollte etwa das letzte Viertel des ersten Abschnitts überspringen und gleich beim zweiten Abschnitt weiterlesen ~


    [tab= Bastet]

    Es wundert mich nur am Anfang, dass Simon wirklich den Einfluss haben zu scheint, dass Shohei einfach einmal von seiner Arbeit fernbleiben kann, solange er möchte, ohne dass ihm etwas passiert. Das kommt mir ein wenig zu einfach vor irgendwie... x)

    Also, dazu muss ich ganz einfach was erklären x3
    Simon ist relativ wohlhabend, wie du von mir vielleicht schon das eine oder andere Mal gehört hast. Er ist jetzt nicht adeliger Abstammung oder dergleichen, allerdings gehört er eben durch seinen Reichtum sozusagen zu den "Privilegierten", und die können sowas relativ einfach in Ordnung bringen, da er ja daweil auch einen prestigeträchtigen Namen trägt. Frei nach dem Motto "Geld regiert die Welt" sozusagen x) Werde ich in späteren Kapiteln aber noch beleuchten :3




    Simon ist auch so eine Nummer für sich, bei dem man nicht weiß, ob man ihn mögen oder lieber erwürgen soll.

    Ich liebe ihn x3
    Ich muss gestehen, bei deiner Vermutung, er läge statt bei einem Mädchen bei einem anderen Jungen ins Bett... ich hatte es kurz erwogen, das im Nachhinein in die Richtung gehen zu lassen, jedoch nur kurz x3




    Uh, da musst' ich echt schlucken. Also eher nicht bei dem Satz, sondern bei Benjis Reaktion, da kam iwie relativ wenig von ihm =O

    Wieso hast du mir das beim Betalesen nicht gesagt? .___."
    Er hat schlichtweg Angst, was zu sagen, weil er weiß, Simon dreht ihm die Worte im Mund so um, wie es ihm passt. Egal, was er sagen würde, richtig verteidigen könnte er sich gegen Simon nicht, und Benji kennt ihn noch nicht lange genug, um sich das bei Simon zu trauen ^^"




    Dass "kritische Werke" vernichtet werden sollen, das verrät ja schon einiges über das Land, in dem du deine Charas leben lässt bzw. über dessen Regierung.

    Das geht eigentlich noch viel weiter, nur war das ursprünglich nen Mega-Monolog von Benji und das hab ich dann im Nachhinein rausgeschnitten x3 Vielleicht bau ich's ja noch ein ;3


    Ach ja, und was ich noch unbedingt loswerden wollte...


    <3




    [tab=Plinfan]


    "Bound to a bastard", ich nehme an damit ist die Beziehung von Simon und Shohei gemeint, die ja nicht so rosig ist.

    Äh, eigentlich nicht ^^"
    Vielmehr meine ich damit den Deal, den Benji mit Simon abschließt. Der bezahlt eben Shoheis Rechnungen und legt nen gutes Wort bei seinen Vorgesetzten ein, damit er mitkommen kann, und dafür stimmt Benji der Reise zu. Das ist ja die Abmachung, die Benji später noch zum Verhängnis wird ~





    Mir gefählt die beschreibung "Vernichtung kritischer Werke" irgentwie ganz und gar nicht, das klingt nach Bücherverbrennung im dritten Reich. Das erinnert mich an Benjamins Furch davor was mit ihm passiert wen die Regierung in in die Finger kriegt, ach wenn ich nicht weiß ob er tatsächlich von diesen Vorgängen weiß oder es eine Paranoira ist.

    Ganz gewiss ist das keine Paranoia, und diese Anlehnung ans dritte Reich hat ebenfalls seine Berechtigung x) Das ist die Welt, die ich darstellen möchte, eine vollkommene Dystopie, geprägt von Diktatur, Überwachung und der Unterdrückung von das System gefährdenden Medien. Genau deshalb wird sich meine Gruppe im späteren Verlauf auch kaum innerhalb der Städte aufhalten ~


    Ansonsten danke ich für dein Lob, ich freue mich wirklich jedes Mal darüber <3






    [/tabmenu]

  • Kapitel 12: Alone after all



    || You take the breath right out of me

    You left a hole where my heart should be ||


    ~ Breaking Benjamin - Breath




    Er war sich sicher, dass Benjamin noch etwas auf dem Herzen lag. Etwas Schweres, Lastendes, das eines Gesprächs bedurfte, sobald sich die nächste Gelegenheit ergab. Leider, so befürchtete Shohei, zöge sich dieses Bedürfnis wahrscheinlich für bestimmte Zeit in die Länge.
    Sie hatten einen gemütlicheren Platz als den Gang ergattern können, es glich fast einem Wunder bei dem regen Betrieb, und es füllte sich weiterhin. Kaum ein Buchregal blieb uninspiziert, überall raschelte, blätterte, flüsterte, stöberte es, und enttäuscht zog man von Dannen, als man realisierte, dass Shohei und seine Begleiter die Stoffsessel im hinteren Teil der Bibliothek für sich beanspruchten. Dort saßen die drei Jungs in trauter Runde, während hinter und rechts von ihnen dumpfe Schritte erklangen, Haarprachten an ihnen vorbei wehten und der süßliche Geruch alten Papiers sich mit zahlreichen Parfums und Rasierwassern mischte. Shohei mochte jene neue Duftnote nicht. In seinen Augen verfälschte es die eigentlich so friedvolle, ihm gar heilige Atmosphäre.
    „Warum wollen die kritische Werke abschaffen…?“, wunderte sich Simon gelangweilt. Er lag mehr in seinem roten Sessel, als dass er saß, die Arme lang ausgestreckt auf den Seitenlehnen ausgebreitet, seine Füße lagerten übereinander geschlagen auf dem niedrigen Holztisch in ihrer Mitte. Er seufzte wehleidig. „Bestimmt findet sie keine Bücher und lässt uns hier umsonst warten…“
    „Wir wissen wohl alle, wer in dem Fall schuld wäre“, grummelte Shohei, begradigte seine eher geflegelte Haltung, saß nunmehr aufrecht. Er verachtete Simons Ansichten, seine Methoden, so unwissend einen Menschen zu beurteilen, sobald man nicht unverzüglich auf seine Wünsche reagierte, ihn womöglich zu längerer Geduld zwang. Und die Sache mit Benjamin war für Shohei längst nicht vergeben und vergessen, in mancherlei Hinsicht verhielt er sich außerordentlich nachtragend. Missbilligend funkelte er Simon an, der jedoch lächelte bloß neckisch.
    „Jedes Mädchen auf diesem Planeten käme auf Knien zu mir angekrochen, wenn ich es wollte“, prahlte er, warf den Kopf in den Nacken, damit einige nervende, blonde Strähnen aus seinem Gesicht verschwanden. Er fühlte sich wohl in seiner Rolle als moderner Don Juan.
    Shohei enthielt sich jeglichen Kommentares, er wusste, früher oder später spräche Simon aus reiner Gehässigkeit Geneviève an, um Shohei aus dem Konzept zu bringen und völlig zu entwaffnen – es klappte wirklich jedes Mal. Hin und wieder hatte er sogar geglaubt, ihre wunderschönen Locken hier zwischen den Stahlgerüsten entdeckt zu haben, doch keine besaß deren vollendete Eleganz, unübertreffliche Schönheit, geschweige denn jene Schwerelosigkeit in ihren Schritten, die Shohei den Verstand kostete, dachte er daran. Matte schlicht sich in das Rubinrot seiner Iriden, seine Gedanken liefen Gefahr, in ungeahnt tiefe Dimensionen abzudriften, allerdings wusste Benjamin dies gekonnt zu verhindern. Natürlich drang Benjamins Stimme zu Shoheis betäubtem Verstand vor, sie kannten sich schließlich bereits eine ganze Weile.
    „Ich würde es rückgängig machen“, entgegnete Benjamin monoton. Unter seinem beharrenden Blick schürte Shohei einen Hauch von Unbehagen in sich. Seit wann konnte Benjamin so viel aus seiner Mimik lesen? In dem kalten Röhrenlicht wirkten Benjamins Züge noch blasser als sonst, um einiges fahler, schlaffer, müder. Sein schwarzer Rucksack ruhte vor ihm auf seinen in braun gekleideten Beinen, fest umklammerten Benjamins Finger dessen Halteschnallen. Es schmerzte Shohei, sehen zu müssen, wie er sich nach wie vor die Angelegenheit mit Geneviève vorwarf, so gern hätte Shohei ihm in der Hinsicht seine Unschuld versichert, doch unglücklicherweise teilte Simon ihre Anwesenheit. Und erführe er, dass sie mit Shohei Schluss gemacht hatte, weil sie in Benjamin eine Affäre vermutete….
    „Ich nicht“, antwortete Shohei barmherzig, ein mitfühlendes Lächeln stahl sich dabei auf seine Lippen. Für einen Sekundenbruchteil, so meinte Shohei, blitzte ein Funke von immenser Emotionalität und Rührseligkeit in Benjamins braunen Augen auf, verdrängte kurzzeitig die Beschlagenheit seiner Reue, ehe sie sich alle der just angekommenen Itoe zuwandten. Zwei recht dicke Bücher trug sie in den Armen mit sich.
    „Entschuldigt bitte die Wartezeit, allerdings musste ich sie vorher prüfen. Das gehört zu meinen Vorschriften.“ Vorsichtig platzierte sie die Wälzer auf dem Tischchen in der Mitte der Runde, umfasste anschließend fest Simons Fußknöchel, hob sie hoch, und ließ sie neben dem Tragemobiliar auf den Boden fallen. „Ich denke nicht, dass die Bibliothek dein Zuhause ist.“ Shohei entlockte es ein abruptes Prusten, und sogar Benjamin gelang es nicht, sich ein Grinsen zu verkneifen. Simon glotzte wirklich wie ein begossenes Snubull aus der Wäsche, den Mund halb geöffnet, obwohl kein einziges Wort diesen zu passieren gedachte. Sie gefiel Shohei ungemein, wusste sie zweifelsohne mit Menschen umzugehen, die Aufmüpfigen in die Schranken zu weisen. Siegreich verschränkte sie die Arme vor der Brust, lächelte süffisant. „Außerdem kannst du es noch so sehr wollen, wie es dir beliebt. Bis ich auf allen Vieren zu dir krieche, können Karpador fliegen.“
    Das war der Punkt, an dem Shoheis Frohsinn unvermittelt erstarb. Woher wusste sie von Simons Aussage? Er runzelte argwöhnisch die Stirn, seine Augen huschten unruhig umher, spähten in Winkel und vor allem obere Ecken des relativ hohen Zimmers, suchten sogar den Tisch vor ihm und die ihm am nächsten positionierten Stahlregale ab, begutachteten eindringlich die weiße Raufasertapete. Ein kurzer Seitenblick zu Benjamin verriet ihm, dass der exakt dasselbe vermutete, wissend nickte er Shohei zu. Spionage- und Überwachungskameras, nicht weit entfernt, mit Ton. Man zeichnete sie samt ihrer Gespräche auf, für ‘Sicherheit im Gebäude‘ wahrscheinlich, nur genügte Shohei das als Erklärung nicht. Was sollte hier bitte geschehen? Wilde Verschwörungen? Rebellionen? Im Gegensatz zu ihm selbst schien Benjamin recht unbeeindruckt von alledem, hatte er mit so etwas gerechnet? Er entzog sich Shoheis bohrenden Augen, drehte sich von seinem Retter weg, neigte sein Haupt, sodass haselnussbraunes Haar sein Antlitz hinter seinem Mantel verbarg. Später würde er Benjamin garantiert zur Rede stellen, sobald sie in Zweisamkeit harrten. Vorerst musste Shohei sich wohl oder übel mit Simons wiedergewonnener Stimme und entsprechender Fassung begnügen.
    „Normalerweise reicht ein Gespräch, aber… bei dir widerspenstigem Ding brauche ich anscheinend leider zwei“, tönte es von Simon, künstlich belästigt seufzte er. „Das artet ja langsam in richtige Arbeit aus.“ Demonstrativ hob er seine Beine und positionierte seine Füße erneut auf dem Tischchen, inzwischen weilte sein Ellbogen aufrecht an der Seitenlehne, die Rücken seiner Finger stützten seinen ach so schweren Kopf. Nicht einmal Shoheis mahnender Blick stoppte ihn. „Na los, bestrafen Sie mich bösen Buben, Sensei.“
    „An mir beißt du dir die Zähne aus, Shõnen.“ Das letzte Wort betonte Itoe besonders abschätzig, neigte ihren Oberkörper dabei absichtlich triumphierend in seine Richtung. Shohei linste flüchtig zu dem Mädchen herüber, bereitete allerdings seinem Manöver ein ebenso schnelles Ende, als er sich eigens dabei ertappte, wie seine Pupillen bestimmte Bereiche ihrer Bluse fixierten. Sie war eben doch ein attraktives Geschöpf mit ansprechender Figur, und ein Mann blieb letztlich ein Mann. Trotzdem schämte Shohei sich für sein Verhalten, zeigte er somit bereits erste Züge, welche denen Simons ähnelten.
    „Darf ich wirklich?“, hinterfragte Simon sofort, verführerische Begeisterung untermalte seine Stimme, erwartungsvoll befeuchtete seine Zunge seine Lippen. „Mein Mund hat bislang stets mindestens einen Schwachpunkt gefunden. Und so in bisschen Schmerz… gehört einfach zum Spaß dazu.“ Kopfschüttelnd vergrub Shohei die Stirn in seiner Handfläche, verdeckte seine in Scham getränkten Augen, hoffte, dass niemand seine erröteten Wangen bemerkte. Niemals zuvor war ihm etwas oder jemand dermaßen peinlich gewesen, Simon übertraf hiermit wahrhaft alles Unangenehme, was Shohei bisher erlebt hatte. Selbst zehn Ausrutscher im Winter auf glattem Eis verkörperten nichts, verglichen mit seinem Rivalen. Wenigstens ließ er Benjamin in Ruhe, aber ein fremdes Mädchen so ruchlos anzugraben, noch dazu eine Angestellte der Bibliothek… am liebsten versänke Shohei im Boden, zusammen mit Benjamin, auf dass jener ebenfalls in sicherem Gewahrsam ruhte. Zu seinem im Nachhinein geltenden Erstaunen ignorierte Itoe Simon ziemlich rigoros und ergriff stattdessen Shoheis Hand. Irritiert sah er sie an, entdeckte in den Fenstern ihrer Seele jedoch nichts, das ihre Intentionen offenbarte.
    „Würdest du mich kurz begleiten? Es gibt da etwas, das ich dir zeigen will.“
    „Und wir dürfen das nicht erfahren, oder was?“, protestierte Simon entrüstet, erhielt aber nicht im Geringsten eine Form der Aufmerksamkeit, von keinem. Shohei bemerkte am Rande Benjamins flehenden, resignierten Gesichtsausdruck, zögerte deshalb, Itoe zu folgen. Er wusste, Benjamin hasste ihn für seine Geheimnisse, für jedes einzelne, und Shohei hatte sich prinzipiell geschworen, in Zukunft ehrlich zu ihm zu sein, dennoch… Auch wenn er die Gewissheit ob Benjamins Trauer kaum ertrug, erhob Shohei sich letzten Endes und beugte sich unter weiteren Beleidigungen Simons Itoes Willen.
    Zielgerichtet führte sie ihn zwischen diversen Regalen umher, bog links ab, erst ganze Zeit später wieder rechts, laut Shoheis Einschätzungen befanden sie sich fast am anderen Ende des Raumes. Kurz darauf erreichten sie eine schwarze Tür mit einem Schild daran befestigt, ‘Privat‘. Hektisch suchte Itoe das Umfeld nach anderen Leuten ab, stellte sicher, dass niemand sie beobachtete, riss die Tür auf und schubste Shohei hinein. Zweifellos ein kräftiges Mädchen.
    Finsternis umhüllte Shoheis Gestalt, Itoes gleichsam, nachdem sie sich zu ihm in das enge Kämmerchen gequetscht hatte, direkt vor ihn. An seinem Rücken spürte Shohei mehrere Ablageflächen mit Dingen darin, was genau vermochte er nicht zu sagen. Seine linke Hand ertastete einen länglichen, kalten Gegenstand, vermutlich ein Besenstiel aus Holz oder Ähnliches, es verleitete ihn zu der Annahme, sich mit Itoe eine Art Putzraum zu teilen. Ihr warmer Atem, sowie einige ihrer wie er wusste blauer Strähnen kitzelten an seinem Hals. Die aktuelle Situation war bedenklich, keineswegs in seinem Interesse noch dazu, kannte er Itoe doch gar nicht, zumal kontinuierlich Geneviève in seinem Kopf spukte und Schaden anrichtete. Zudem… begäbe er sich niemals auf Simons Niveau herab. Niemals.
    „Okay, heißt du?“, unterbrach Itoe das beklemmende Schweigen. Shohei wäre am liebsten ein erleichterter Seufzer entwichen, hätte er nicht ihr Gesicht unmittelbar vor sich. Er war froh, dass in diesen vier Wänden erbarmungslose Dunkelheit herrschte, stieß er bei jedem Atemzug eigentlich ungewollt gegen ihre Oberweite, und schaffte es nicht, die ansteigende Hitze auf seinen Wangen zu unterdrücken. Nervös zupften seine verschwitzten Finger am Saum seines Shirts.
    „ Shohei“, wisperte er halblaut, unschlüssig, was sie genau plante.
    „In Ordnung. Also, wir haben nicht allzu viel Zeit, bevor uns jemand erwischt, und anders ging es nicht…“ Ihre Hände wanderten hinauf zu ihrem Kopf, wobei sie Shoheis Oberkörper hier und da streiften. Er hielt angespannt den Atem an. „Weißt du, dass du merkwürdige Freunde hast?“ Kurz überlegte Shohei, wenigstens Benjamin gegen ihren Vorwurf zu verteidigen, beließ es allerdings dabei. Seine Lage war heikel genug. „Naja, jedenfalls schienst du mir der Vernünftigste von denen zu sein, deshalb rede ich jetzt eben mit dir.“
    „Danke, das ist echt ein Kompliment“, platzte es spöttisch aus ihm heraus. Mehr Freiraum für eine eigens getätigte Ohrfeige für seine Dummheiten wäre ihm in dem Moment sehr entgegen gekommen. Unbeeinflusst davon begann Itoe, ihren Kopf hin und her zu schütteln, ihre Haare peitschten verspielt in sein Gesicht, er musste fast niesen.
    „Entschuldigung“, beteuerte Itoe. „Aber das musste sein. Könntest du das bitte auch machen?“
    „Wenn du mir dann endlich sagst, was Sache ist“, forderte der Angesprochene, leistete ihrer Bitte trotzdem schon vor ihrer Antwort Folge. Behutsam glitten seine Finger zu seinen Haaren, er versuchte, Itoe dabei weder versehentlich an einer ungeeigneten Stelle zu berühren, noch sie irgendwie mit seinen Armen auszuknocken. Mehrmals fuhr er sich mit gespreizten Fingern durch seine pechschwarzen Strähnen, zerzauste sie. Unterdessen erfüllte Itoe ihren Teil der Vereinbarung.
    „Dies ist der einzige Raum, in dem weder Kameras, noch Abhörwanzen installiert sind“, erläuterte sie schwer atmend, schluckte. „Ansonsten wird in dieser Bibliothek so gut wie jeder Bereich überwacht, um zu gewährleisten, dass niemand entkommt, der gefährlich ist oder der das System gefährden könnte. Ich muss es wissen, ich arbeite für die Bibliothek, also für die Bürgermeisterin Sabrina und folglich für die Regierung.“
    „Was hat das denn mit mir zu tun? Mit uns?“, warf Shohei ein, in Wahrheit zweifelte er ein wenig an ihren Worten. Nichtsdestotrotz fesselte sie seine verfluchte Neugier, und sofern Benjamin ebenfalls dieses Wissen besaß… Als er spürte, wie Itoe ihre Kleidung derangierte und verschob, verstand er es augenblicklich als selbigen Appell an ihn. Wer würde so eine Geschichte frei erfinden? Außerdem wäre es zumindest in Ansätzen eine logische Erklärung für Benjamins Verhalten.
    „Die Bücher. Ich habe sie nicht aus den Regalen des Hauptraumes geholt, sondern sie von einer Ladung stibitzt, die gerade verbrannt werden sollte. Wissen ist Macht, Shohei, und das dulden die Politiker nicht. Unerklärliches verleitet zu Begeisterung und gleichzeitig zu Misstrauen, führt zu Kritik, führt zu Fragen. Einen normalen Trainer räumen sie mit Links aus dem Weg. Menschen lieben Mysteriösitäten, deshalb soll es sie nicht mehr geben.“
    Geschockt hielt Shohei in seinen Bewegungen inne. Er wollte dem nicht trauen, nicht seinen Ohren und erst recht nicht Itoe, denn wenn es sich dabei nicht um Lügen handelte, steckten sie in gewaltigen Schwierigkeiten. Man vernichtete die Informationen, welche Benjamin eventuell von seinem Leiden erlösten, zusätzlich trachtete man ihm auch so nach dem Leben, falls das mit seiner Kraft an die Öffentlichkeit geriet. Simon zwar ebenso, aber… naja. Shoheis Magen zog sich schmerzhaft zusammen, als er an all die Bedrohungen dachte, denen Benjamin ausgesetzt war, von denen er ihn nie zu schützen imstande wäre, was ihn hauptsächlich störte. Sein eigenes Leben könnte er bloß einmal opfern, danach… Gott, er allein unter Simons Obhut, das… undenkbar. Unerträglich. Letzten Endes verlöre er Benjamin also doch an ihn. „Und… ihr wolltet darin lesen, in diesen verbotenen Büchern, das macht euch sozusagen zu Staatsfeinden.“
    „Was soll ich tun? Hier kann ich ihnen das alles unmöglich berichten“, keuchte Shohei verzweifelt. Bislang hatte er immer eine Lösung gefunden, nicht unbedingt gut, funktionieren tat sie jedoch stets einigermaßen. Stickige Luft zwängte sich in seine Lungenflügel, schenkte ihm nicht genügend frischen Sauerstoff zum klaren Nachdenken, verlangsamte solche Prozesse vielmehr. Er schwitzte bereits leicht.
    „Du gehst gleich da raus und lässt sie in dem Glauben, wir hätten… naja, du weißt schon. Nach meiner Schicht treffen wir uns heute um 18 Uhr auf dem großen Platz vor der Bibliothek, okay?“
    „Und was ist mit dir?“, stutzte Shohei. „Ich meine –“
    „Sie werden mich nicht feuern, höchstens mein ohnehin niedriges Gehalt auf ein Minimum kürzen“, flötete Itoe fröhlich. „Nichts wird hier lange so hart geahndet wie Verrat. Denn darauf steht der Tod.“ Ohne Vorwarnung ergriffen ihre zarten Finger erstaunlich fest den Kragen seines schwarzen Shirts und zogen Shohei näher zu ihr. Forschend glitten ihre Hände über seine Schultern, schließlich schlang sie ihre Arme verlangend um seinen Hals und gleichsam presste sie ihre warmen Lippen auf diesen. Shohei erstarrte auf der Stelle, seine Hände ballten sich vor Schreck zu Fäusten und sein Hirn entledigter sich sämtlicher Gedanken, die es momentan beinhaltete, als er weiterhin leichte Saugbewegungen auf seiner Haut spürte. Er wagte es nicht, sie von sich zu stoßen, zum Einen, weil es innerhalb jenes kleinen Kämmerchens sowieso zu nichts geführt hätte, geschweige denn sie verletzen wollte, und zum anderen… er wusste es nicht. Für ihn fühlte es sich an, als betröge er Geneviève, obwohl sie Shohei allem Anschein nach nicht mehr liebte, und dennoch brach er das aktuelle Geschehen nicht ab. Bevor die Welle an Schuldgefühlen ihn jedoch endgültig zu überwältigen drohte, beendete Itoe vorerst ihr Tun. Mit piepsiger, beinahe verführerischer Stimme hauchte sie ihm ins Ohr. „Keine Sorge… es soll nur echt aussehen.“ Und mit fest aufeinander gepressten Zähnen unterdrückte Shohei die Frage, wieso sie denn nicht einfach ihren Lippenstift an seinem Shirtkragen abgewischt hatte, so, wie es alle Frauen bei ihrem Geliebten taten.



    ***


    Mulmigen Gefühles schritt er zurück zu Benjamin und Simon, sein schwarzes Shirt verzerrt, die Strähnen zerzaust und abstehend, und der Glaubwürdigkeit zuliebe besaß er nunmehr einen rötlichen Abdruck ihrer Lippen am Hals. Er hasste Lügen wirklich abgrundtief und wollte einfach nur, dass die restlichen Stunden bis zum Ende von Itoes Schicht möglichst schnell vorbei rasten, damit er ihnen endlich die Wahrheit beichten konnte, vor allem Benjamin, seinem kleinen Sorgenkind. Was ihm wohl jetzt durch den Kopf schoss? Wie fühlte er sich? Im schlimmsten Falle hatte Simon es geschafft, ihn auf seine Seite zu bringen, denn irgendwie war er Benjamin mit der Aktion ja schon ziemlich abweisend begegnet, geheimnistuerisch und falsch, und er rechnete mit der Forderung, die Gruppe zu verlassen.
    Aus Shohei unerfindlichen Gründen entfernten sich bei dem Gedanken, allein nach Prismania zurückkehren zu müssen, die hohen Wogen seines scheinbaren Lebensinhaltes; seiner Aufgabe; der Möglichkeit, seinem Alltag zu entfliehen. Von Einsamkeit gezeichnet harrte er in seinem Apartment, auf seiner Arbeit, als Barkeeper dort in dem Club, ohne jemanden, der Zuhause auf ihn wartete, der wegen ihm bis in die Nacht wach blieb, der ihn bloß aufgrund einer Entschuldigung aus dem Schlaf riss… Er hatte sich viel zu sehr an Benjamin gewöhnt, stellte Shohei alarmiert fest, er war ein zu immenser Teil seines sonst so faden Daseins geworden, und deshalb würde der Abschied später umso schwieriger. Trauriger. Gefühlvoller.
    Just verließ er das Labyrinth der Regale und Stahlstützen, schlenderte geradewegs auf seine beiden Begleiter zu, welche eifrig in den Werken stöberten, die sie von Itoe erhalten hatten. Hoffnungsvoll schaute Benjamin zu Shohei auf, versuchte, dessen Augenkontakt zu erhaschen, doch als er den Abdruck an Shoheis Hals entdeckte, weiteten sich seine Iriden vor Entsetzen, widmeten sich wenig später erneut zwanghaft intensiv der Lektüre und wichen Shoheis Aufmerksamkeit aus. Simon hingegen wählte die offene Initiative, erzürntes, in seiner Ehre gekränktes Grün stocherte in Shoheis Seele, kratzte ihm die Augen aus und zerfleischte mit reger Freude sein leidendes Herz. Natürlich, seinem ärgsten Rivalen zu trotzen verkörperte für Shohei nichts Neues und solange man Geneviève nicht erwähnte ebenso wenig ein Problem, aber Benjamin mit seinen Handlungen so dermaßen vor den Kopf zu stoßen… fühlte sich alles andere als angenehm an.
    „Was erzählt die Literatur denn Schönes?“, fragte Shohei so beiläufig wie möglich, versuchte, das folgende Gespräch von Anfang an in einigermaßen richtige Bahnen zu lenken. Die Luft im Umkreis der drei Jungs gewann sekündlich an Spannung, Shoheis Schuldbewusstsein erstickte fast unter dem Druck der unausgesprochenen Vorwürfe und insgeheimen Anschuldigungen, die Benjamin und Simon in sich hegten, und verfügte er nicht über die Kenntnisse hinsichtlich der Überwachungstechnik, hätte er sich unverzüglich erklärt. Er betete stumm, Simon hielte sich ein einziges Mal mit seiner großen Klappe zurück.
    „Nun“, brach Benjamin das beständige Schweigen. „Diese Bücher sind wahrscheinlich nichts für dich, da sie sich größtenteils auf pokemonorientierte Religion berufen. Laut den Verfassern gab oder gibt es sechs Pokemon, die zusammen die Hauptbestandteile dieser Welt bilden, nämlich Mew, Celebi, Rayquaza, Jirachi, Giratina und Darkrai.“
    „Unglücklicherweise sind ihre Aufgaben in einer anderen Sprache definiert worden, sicherlich der Internationalität halber“, ergänzte Simon maßlos empört, schob das Buch in Shoheis Richtung. Diesem schwante bereits Schlimmes, kannte er Simon lange genug, um die Täuschung in seiner Intonation zu enttarnen. „Ich glaube, das ist eher dein Fachgebiet, Shohei.“ Und tatsächlich war es das – Akzent über den Vokalen, recht weiche, unhörbare Buchstaben am Ende der Worte. Eindeutig Französisch. Geneviève hatte ihm die Sprache beigebracht, so hatten sie in der Schule reden können, ohne dass jeder ihre Sätze verstand, da man immerhin nicht ausschließlich über Anständiges sprach. Es rief Shohei ihre liebliche Stimme in Erinnerung, die Niedlichkeit, mit der sie manche Silben betonte, ihre zarten Finger, wie sie verspielt seinen Hals streichelten, wenn sie ihm etwas zuflüsterte… Gott, er hatte Simon damals eindeutig zu viel von sich preisgegeben. In der Rolle seines ehemaligen besten Freundes symbolisierte er wahrhaft gleichsam seinen schlimmsten Feind.
    „Hm…“ Ausdrucksloser Miene betrachtete Shohei die Begriffe, den Triumph gönnte er Simon unter keinen Umständen. „‘Lumière‘ bedeutet Licht, sprich Mew beherrscht das Licht. Die Zeit für Celebi und Rayquaza als ‘ciel‘ regiert den Himmel. ‘Désire‘ heißt übersetzt Wunsch, was bei Jirachi nicht abwegig sein dürfte. Klar, Giratina ist der Schatten und ‘cauchemar‘… Darkrai, der Albtraum.“
    „Wow…“, staunte Benjamin. „Ich wusste nicht, dass du…“ Shohei entging keineswegs die Niedergeschlagenheit, die sich in Benjamins Äußerung widerspiegelte, und er biss sich auf die Zunge, nichts diesbezüglich zu erwidern.
    „Jedenfalls“, fuhr Simon fort. „Schufen diese sechs Pokemon mit Hilfe ihrer Kräfte Arceus, auf dass es als ultimative Figur als ihr Gott fungierte. Arceus teilte die anderen legendären Pokemon daraufhin in Riegen ein. Jede Riege nahm einen anderen Status ein und sollte anderen Befehlen folgen – doch das Wichtigste für uns sind die ‘Mächte‘, die ausführenden Gewalten. Denn ihnen gehören der Phönix, der Donner-Vogel und der Eis-Adler an.“
    „Lavados, Zapdos und Arktos…“, murmelte Shohei vor sich hin. Allmählich setzten sich die separaten Teile in seinem Verstand zusammen, leider nur extrem langsam, hüllten spontane Emotionen und Eindrücke Shoheis Rationalität in dichten Nebel. Ausführende Gewalten… vollbrachten den Willen ihres Herrn und schritten präsent in Ereignisse ein, die sich auf dem falschen Wege zutrugen und verkehrte Konsequenzen verursachten. Und sofern Benjamins Feuerkraft tatsächlich von Lavados stammte, könnten sie wenigstens sicher sein, dass ihm ein bestimmter Zweck beiwohnte.
    „Außerdem schreiben die hier, es gäbe Möglichkeiten, spezielle Rituale, mit denen man versucht habe, sich solcher Macht zu entledigen – mit Erfolg!“ Gar euphorisch deutete Benjamin auf einige Zeilen des Buches, das Shohei momentan hier und da stellenweise las. Endlich ein Hoffnungsschimmer für Benjamin, kurzweilig schob sich sogar Shoheis schlechtes Gewissen hinsichtlich des Gespräches mit Itoe in den Hintergrund, denn sofern jene Gerüchte sich als wahr entpuppten, neigte sich Benjamins Leidenszeit dem Ende zu, ohne dass ein Suizid dies ermöglichte. Er wäre frei von dem Fluch, frei von der permanenten Furcht, jemanden versehentlich zu verletzen, er könnte in seine Heimat… Da spross sie wieder, die Erkenntnis, zum Schluss so oder so allein zu hausen. Es trübte die Freude über Benjamins Heilungsaussicht, zumal er just im selben Augenblick ein Zitat inmitten des Textes entdeckte, der ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ, und es verfrachtete ihn unmittelbar in ein moralisches Dilemma. Schwach formte er die Worte mit seinen Lippen, wollte sich vergewissern, dass seine Netzhaut ihn nicht doch aus reiner Laune heraus betrog. Simon und Benjamin beachteten ihn nicht, plapperten munter weiter. Bloß Shohei stürzte innerlich in grenzenlose Tiefe, wurde in ein schwarzes Loch gesogen, dem zu entkommen gar unmöglich schien. Zu seinem eigenen Glück hatte Benjamin davon keine Übersetzung verlangt.




    ***



    Sie wartete bereits einige Zeit lang.
    Wüsste Itoe nicht ob ihrer speziellen Fähigkeiten Bescheid, käme sie wahrscheinlich nicht umhin, zunehmende Angst im Laufe der Abenddämmerung zu verspüren, die mittlerweile einbrach. Eine Metropole gleich Saffronia war schließlich des Nachtens nicht ganz ungefährlich, erst recht nicht für junge Mädchen wie sie, und man las und hörte zu viel in den Nachrichten, als dass man nicht beunruhigt sein durfte. Entführungen, Vergewaltigungen, Morde… Die Menschen, denen dergleichen widerfuhr, hatten sicherlich auch nicht damit gerechnet, solchen Kriminellen zum Opfer zu fallen. Doch verfügten sie dennoch nicht über das, was Itoe besaß.
    Schneisen von rot, gelb, orange, ja sogar rosa stoben aus Richtung ihres Urhebers kommend auseinander, benetzten das eigentlich azure Himmelszelt und gestalteten es zu einem flammenden Inferno um, bei dem nichts in der Lage war, sich ihm erfolgreich zu entziehen. Wenige mutige Wolken wagten es, dem famosen und doch alltäglichen Naturschauspiel zu trotzen, indem sie ihre flauschigen Körper vor das Spektakel schoben, allerdings erfasste sie sogleich die Verursacherin von alldem und tauchte ihr strahlendes Weiß in ein hauchzartes Lila. Vor diesem lodernden Firmament verwandelten sich die Hochhäuser Saffronias in schlichte, schwarze Silhouetten, welche, aus dem richtigen Winkel betrachtet, beinahe eine vollendete Reihe aus unterschiedlich hohen Gebäuden bildeten. In dem ein oder anderen Fenster erkannte man noch Licht, ungewöhnlich, aber keineswegs selten, mussten viele Angestellte aus Existenzgründen Überstunden dulden, obwohl die reguläre Arbeitszeit um achtzehn Uhr endete. Itoe fühlte mit ihnen. Wenn sie sich nicht für Vorlesungen oder Veranstaltungen in Geschichte eingetragen hatte, teilte sie ihr leidiges Schicksal. Bildung und Arbeit, ständig dieselbe Leier, ihr reichte es allmählich. Sie wollte leben. Und nun eröffnete sich ihr die Gelegenheit dazu.
    „Pünktlichkeit ist nicht so eure Stärke, was?“, rief sie den drei Jungs spöttisch zu, während sie seelenruhig und in aller Gemütlichkeit über den weiten Platz vor der Bibliothek auf sie zu schlenderten, vorbei an diversen dürren Bäumen, von Sitzbänken umbringt, und dem zahlreichen Außenmobiliar eines Cafés. Nicht einmal das Rascheln der saftig grünen Blätter konnte ihre angespannten Nerven besänftigen, weder vermochte es der leichte, typische Abgas-Geruch, dies zu erreichen. Würden sie sie in ihre Gruppe aufnehmen, wenn sie ihnen bloß genügend Informationen lieferte? Dank ihrer Arbeit in der Bibliothek hatte sie Kontakte geknüpft, nützliche Kontakte. Seriös oder anerkannt, das nicht unbedingt, jedoch in jedem Fall verlässlich. Und das war es ja, was zählte, zumindest heutzutage.
    Außer Shohei und seinen Freunden erblickte Itoe nicht sonderlich viele Leute auf den Straßen. Die Kleiderläden, die sich rund um den Bibliotheksvorplatz verteilten, wurden allmählich geschlossen, die Warenständer ins Innere der Geschäfte gerollt, damit zu später Stunde niemand mehr auf dumme Gedanken kam und etwas stahl. Natürlich glommen in den Schaufenstern nach wie vor einige Lampen zur Präsentation neuer Modekollektionen, sowie leuchteten die Namensschilder über den Eingangstüren oder an den Seiten der Bauten in grellen Farben. Für Itoe reine Routine.
    „Tut mir leid“, erwiderte Shohei verlegen, lächelte und kratzte sich ratlos am Hinterkopf. Er wirkte auf Itoe eindeutig am sympathischsten. Der brünette Junge, scheinbar der Jüngste des Trios, schien ihr nicht ganz geheuer, und der Blondschopf schlichtweg unendlich arrogant und selbstverliebt, von der unausstehlichsten Sorte. Nichtsdestotrotz erinnerte er sie an jemanden, eine Person, die sie sehr mochte und ihr Herz schlug beim Gedanken an ihn gleich einen Takt schneller. Hoffentlich schaute er später noch bei ihr vorbei, denn sollte alles klappen, wäre das für lange Zeit ihre letzte gemeinsame Nacht. Sie seufzte unbewusst, sehnsüchtig, wehmütig. „Simon musste sich ausreichend Zeit für seine Haare nehmen.“
    „Ja, weil ich ein perfektes Anti-Beispiel ständig vor meiner Nase laufen habe“, feixte Simon abfällig mit hochnäsigem Blick in Shoheis Richtung. Anschließend wandte er sich Itoe zu, nun zierte ein höfliches, ergebenes Lächeln seine schmalen Lippen. „Ach, ich habe mich ja gar nicht vorgestellt.“ Im selben Zug und ohne vorhersehbare Anzeichen kniete er vor ihr nieder, ergriff vorsichtig ihre rechte Hand und hauchte einen sanften Kuss auf ihre Haut. „Simon Ishiguro, sehr erfreut.“ Vollkommen sprachlos ließ Itoe ihn gewähren. Auf gewisse Art und Weise fühlte sie sich enorm geschmeichelt, mit solch einer Aufmerksamkeit beglückt zu werden, eines von wenigen Malen in ihrem Leben. Auf der anderen Seite allerdings befand sie es für recht peinlich, gar schlimm, dass ein Fremder sie glatt wie eine Prinzessin behandelte, schließlich war sie bereits liiert.
    Simons smaragdgrüne Iriden musterten sie eindringlich, blitzten kurz auf, als sie auf die ihren trafen, und einen Sekundenbruchteil meinte Itoe, einen minimalen Schock in ihren Fingern zu verspüren. Egal, was es gewesen war, mit ihrer Hand in seiner fühlte sie sich merkwürdigerweise um einiges wohler unter den Jungs, auch, als er sich wieder zu seiner vollen Statur aufrichtete und sie weiterhin – diesen Eindruck erzeugte er bei ihr – bewunderte. Leider nur so lange, bis Shohei ihn an seinem hinteren Shirtkragen zu sich zerrte. Erst jetzt bemerkte sie die immense Wärme in ihren Wangen, rot gleich einer Tomate musste sie sein, weshalb Itoe noch tiefer in ihrer Scham versank. Simon schien mehr als zufrieden mit sich, wohl zu Recht, wagte sie es nicht im Entferntesten, erneut seinen Blick direkt, geschweige denn längerfristig zu erwidern.
    „Okay, Simon, danke für die unnötige Demonstration deiner Schauspielkunst“, tadelte Shohei ihn genervt. Itoe wusste nicht, wie ihr geschah oder was sie von der aktuellen Szenerie halten sollte. In welche Dummheit hatte sie sich da nur manövriert? Prinzipiell war sie davon ausgegangen, jene Jungs wüssten, was sie taten. Wenigstens legte Shohei einigermaßen gereifte Vernunft an den Tag, zum Glück, sonst wäre sie wahrscheinlich vollends unter ihnen verloren. Letztlich verbeugte sich das verbleibende Mitglied der Truppe voller Höflichkeit vor Itoe.
    „Benjamin Sotooka“, entgegnete er lediglich, danach verweilte er stumm. Erstaunt stellte Itoe fest, dass ihr der Verband an seinem linken Arm in der Hektik vom Nachmittag gar nicht aufgefallen war. Jedoch verbat sie es sich tunlichst zu fragen, war sie wohl in der Lage, sich auszumalen, welche Gründe und Motive dahinter steckten. Obwohl sie dies natürlich nicht mit Sicherheit sagen konnte, wissen, dass ihre Theorie stimmte, so weckte Benjamin unendliches Mitleid in ihr. Sie hatte falsch geraten. Er war nicht seltsam, bloß verzweifelt. Und innerlich scholt Itoe sich für ihre dümmliche Oberflächlichkeit.
    „Was aber weitaus aufregender sein dürfte“, meldete Simon sich ein weiteres Mal zu Wort, „ist die Frage, wieso sie uns hier sehen wollte“, und deutete dabei auf Itoe. „Hast du endlich begriffen, dass ich eine bessere Partie als Shohei bin?“ Automatisch linste sie zu besagtem Jungen, welcher sich ebenso peinlich berührt mit den Fingern über die gerötete Stelle an seinem Hals strich, seine Augen schweiften in der Gegend umher, kreuzten jedoch keinen einzigen anderen Blick. Er hatte ihnen also die Wahrheit verschwiegen… vielleicht besser so. Innerhalb Saffronias liefen sie Gefahr, abgehört oder gar gefilmt zu werden, das durften sie nicht riskieren.
    „Ich will mich euch anschließen“, forderte sie schließlich mit fester Stimme. In der Ferne kreischten wilde Noctuh, als wollten sie Itoe unterstützen. Einige Kramurx stimmten mit ein, zeigten ihre schwarzen Silhouetten am gelb-orangen Abendhimmel, verkörperten ihre eigenen bewegten Schatten. „Ich weiß zwar noch nicht, was genau ihr sucht, aber es klingt ziemlich spannend.“
    „Warum sollten wir dir trauen?“, hinterfragte Simon ihre Bitte. Klar, früher oder später musste das kommen, langsam artete dieses Gespräch in einen schlechten Spionagefilm aus.
    „Tun wir bereits“, merkte Shohei trocken an. „Würden wir sonst hier stehen?“
    „Und alles nur wegen dir.“ Simons Hände verschwanden in seinen Hosentaschen, von den anderen abgewandt grummelte er schmollend vor sich hin. Im Licht des sich herabsenkenden Flammensterns schimmerte sein Haar golden.
    „Aber ich kann euch helfen!“, warb Itoe für sich, ohne in ihren Äußerungen sonderlich auf Simon zu achten. Sie sah es keineswegs ein, dass sie abgewiesen werden sollte, bloß, weil sie nicht auf seine Annäherungsversuche reagiert und seinen Stolz verletzt hatte. Darin bestätigte sich für sie ihr schon vom ersten Moment an währender Verdacht seines einseitig ausgerichteten Verstandes. Nicht einmal sein Ego schien sich dort zu befinden, sondern in weiter unten angesiedelten Gefilden, die, sofern man nicht ihrem Drängen folgte, wohl die Blutversorgung zum geistigen Zentrum unterbrachen oder zumindest verlangsamten. „Ihr grabt in der Vergangenheit und ich habe Geschichte studiert. Also… naja, ich bin dabei, was aber nicht heißt, dass ich inkompetent wäre und keine Ahnung von gar nichts habe! Bitte, ich möchte unbedingt –“
    „Eine geeignete Ausrede finden, um von hier fliehen zu können“, beendete Benjamin unerwarteterweise ihren Satz. Ein wissendes, vielsagendes Lächeln schlich über seine Lippen. Itoe stockte der Atem. Hatte sie ihre Absichten so offenherzig kundgetan, sie so schlecht verborgen? Zwar stimmte es, ja, sie gedachte seit langer Zeit, Saffronia und ihre angeblich so fürsorglichen Verwandten hinter sich zu lassen und ihr Studium von einer anderen Stadt aus fortzusetzen, jedoch war sie dazu bislang schlichtweg zu feige gewesen. Unter Garantie hätten sie ihr im Folgenden der finanziellen Unterstützung entsagt, ihr jegliche Hilfe verwehrt, und so viel zu arbeiten, ihr komplettes Studium allein zu zahlen, gehörte zu den Dingen der Unmöglichkeit. „Man schmeckt förmlich die Verzweiflung in deiner Stimme. Sie schreit nach Erlösung, sucht unaufhörlich eine Gelegenheit, die sie fesselnden Ketten zu brechen und Freiheit zu erlangen. Ist es nicht so?“ Zunächst sprachlos, starrte Itoe ihn eine Weile an, auch Shohei und Simon verloren vor Erstaunen kein Wort, hatten sie dergleichen wahrscheinlich niemals von Benjamin erwartet. Und dann verstand Itoe. Er verfügte über eine beachtenswerte Empathiefähigkeit, er las in ihr wie in einem aufgeschlagenen Buch, und versuchte tatsächlich, sie hinsichtlich dessen auszustechen. Clever. Und sicherlich nicht uneigennützig angewandt.
    „Sowas weiß man eben aus Eigenerfahrung, hm?“, konterte Itoe. Ihr leicht gelocktes Haar wehte elegant im Streicheln der lauen Abendbrise, allmählich lösten Rosé, sowie mattes Blau das glühende Orange vom Himmelszelt ab, betteten sich hinter einzelne Wolken. Blätter rauschten, Motoren heulten auf, Rollläden fielen hinab. Auf ihrem eigenen Territorium besiegt, gar zur Kapitulation gezwungen zu werden, verbot Itoe sich strikt. Benjamin verlangte ein Gefecht, gut, sollte er es bekommen. „Anscheinend kennst du den Wunsch, an niemanden mehr gebunden zu sein, recht gut, wenn du das alles aus meinen Worten deutest. Schön, ich habe die Wahrheit etwas zu meinen Gunsten verdreht. Aber habe ich es getan, um euch meine wirklichen Beweggründe zu verheimlichen, oder weil ich sie selbst nicht anerkennen möchte? Das ist durchaus ein Unterschied, Benjamin. Denk darüber nach.“
    „Trotzdem ist der Mensch für alles, was er tut, selbst verantwortlich“, tadelte er daraufhin Itoes Versucht, ihn mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. „Ob glatte Lüge oder schlechter Glaube, im Endeffekt liegt es doch bei dir.“
    „Meine Herren, seid ihr dann auch endlich mal fertig mit eurem Philosophieren? Ich habe nicht vor, meinen gesamten Abend hier zu verbringen“, entgegnete Simon leicht genervt, trat einen Stein zur Seite. „Manche Leute amüsieren sich eben anders als mit dummem Geschwätz.“
    „Heißt das, wir können dein Hotelzimmer stornieren?“ Itoe entging keineswegs der hoffnungsvolle Unterton in Shoheis Stimme, der seinen offensichtlichen Anflug von Freude verriet, Simon nicht zusätzlich am Abend ertragen zu müssen – sie konnte es nur zu gut verstehen, fragte sie sich bereits seit ihrer ersten Begegnung, wie man es so lange mit Blondi aushielt, noch dazu in ein und demselben Raum. „Oder gedenkst du, trotzdem im Hotel deine Nacht zu verbringen? Also ich meine, einen Teil der Nacht wenigstens?“ Er schmunzelte, amüsiert über seine eigene Aussage scheinbar. Dank ihres kleinen Wortgefechtes mit Benjamin hatte sich das Thema ihrer Unterhaltung grundlegend gewandelt. Es drehte sich nicht länger um die Frage ihres Aufgenommenwerdens in das bisherige Jungentrio, sondern inzwischen mehr um Simons Nachtaktivitäten. Und inmitten ihrer Gedanken leuchtete es Itoe plötzlich ein. Simon war mindestens genauso arrogant und auf die Künste der Verführung fokussiert wie Keido, dennoch um einiges freilebiger als ihr Schatz, ungebundener und… verletzender zu all seinen Verflossenen. Zudem trug diese Erkenntnis nicht unbedingt positiv zu ihrer Sympathie für ihn bei.
    „Ich weiß es noch nicht…“, seufzte Simon künstlich erschöpft. „Aber keine Sorge, Shohei. Ich werde dir und deinem Liebessklaven“, dabei blickte er demonstrativ zu Benjamin, „genügend Zeit für eure Spielchen einräumen. Deshalb denke ich, dass ein Doppelzimmer so oder so reicht.“ Er lächelte triumphierend unter Benjamins peinlicher Berührung, sowie Shoheis brodelnder Wut, schaute ein letztes Mal voller Missbilligung zu der völlig perplexen Itoe, und schlenderte schließlich, die Hände nach wie vor in den Hosentaschen vergraben, schweigend von dannen. Nicht einmal die Nachrufe seiner Gefährten kümmerten ihn mehr, er wanderte in seiner höchst persönlichen Sphäre, zu der niemand außer ihm Zutritt erhielt. Verwundert registrierte Itoe, dass sein blondes Haar trotz fast gänzlich verschwundenem Sonnenlicht von sich aus in hellem Scheine erstrahlte, und sie war kaum in der Lage, ihre Augen von jenem unglaublichen Phänomen abzuwenden, bis Shohei sich erneut an sie richtete.
    „Morgen, neun Uhr, vor dem Arrival Hotel. Falls wir dank Mister Ishiguro noch nicht dort sein sollten, klopf an Zimmer 219. Und wenn dann keiner öffnet… warte einfach. Ich nehme an, bei Simon würdest du lieber nicht…“
    „Richtig“, presste Itoe hervor, flüchtete sich vor dem direkten Kontakt mit Shoheis roten Augen. Natürlich fielen ihr komplette Felsbrocken vom Herzen, Saffronia nach all den Jahren verlassen zu dürfen, bloß wie sollte sie das ihren lieben Großeltern erklären, die endgültige Erlaubnis für ihr Vorhaben erwirken? „Und… was soll ich mitnehmen?“
    „Wie du schon sagst, man darf uns nicht auf die Schliche kommen…“, wiederholte Shohei nachdenklich, fuhr sich mit einer Hand durch sein pechschwarzes Haar. Benjamin schnaubte verächtlich in seiner Sprechpause, doch Shohei blieb davon unbeeindruckt. Lediglich Itoe wäre, sofern möglich, längst in Benjamins lebhafter Fantasie zerstückelt worden. „Ein Schlafsack wäre von Vorteil, Geld auf jeden Fall, und ansonsten… was ein Mädchen so braucht.“ Itoe nickte bedächtig, mit ihren Überlegungen bereits bei dem, was sie mitnähme, was sie hierließe… und nicht zuletzt schweifte sie zu Keido, ob bewusst oder unbewusst, das blieb ihr selbst unklar. Zweifelsohne schmerzte es, ihren Geliebten für eine Horde Jungs zurückzulassen, die sie nicht einmal zwangsläufig mögen würde, geschweige denn ihnen vertrauen, dennoch… es diente einzig und allein Keidos Zielfindung, seiner Zufriedenheit und letztlich somit ja ebenso ihrem gemeinsamen Glück, oder nicht? Wenn er lächelte, so tat sie es auch, und sie glaubte fest daran, dass jene Geste auf Gegenseitigkeit beruhte. Er liebte sie eben. Kleinere Opfer gehörten da der Notwendigkeit an, umso mehr durfte sie sich im Nachhinein auf ein Wiedersehen mit ihm freuen, zumal er dank der zahlreichen Kommunikationsmittel ja auch nicht komplett aus der Welt wäre.
    „Ich werde da sein“, versprach Itoe schließlich, felsenfest entschlossen, ihr Wort zu halten, egal mit welchen Mitteln. Sie schenkte Shohei ein beherztes Lächeln – er erwiderte es beinahe intuitiv -, ehe sie sich umdrehte und sich auf ihren Weg nach Hause begab. Vielleicht stellte sich das Trio ja als nützlicher heraus als bisher angenommen.




    ***



    Morgen würde sich ihr fades, eintöniges Leben endlich ändern.
    Fasziniert und gleichsam aufgeregt betrachtete Itoe das erfüllte Sternenzelt über ihr, versuchte zu erfassen, auf welches Maß es sich oberhalb Saffronias ausdehnte und blieb im Endeffekt doch erfolglos. Zu mengenhaft hefteten sie an dem fast schwarzen Firmament, als dass man sie hätte zählen, geschweige denn allesamt erfassen können. In Teak City schienen die Sterne laut ihrer Einschätzung heller zu strahlen als hier in Kanto, vermutlich deshalb, weil Saffronia sich im Laufe der Jahre zu einer größeren Stadt entwickelt hatte und ihre Lichter selbst in der Nacht vermehrt am Himmel reflektierten.
    Schmunzelnd erinnerte sich Itoe an ihre kindlichen Vorstellungen von früher. Die Toten wachten dort, das war ihre Theorie mit fünf oder sechs Jahren gewesen, behüteten die Lebenden, so hatte man es ihr stets berichtet, und trotzdem geschahen etliche morde, Betrügereien, herrschte Korruption. Erst im Nachhinein realisierte Itoe, wie naiv sie damals gedacht hatte, wie gutgläubig sie gewesen war. Und Jugend als Rechtfertigung zu Rate zu ziehen, das gefiel ihr nicht sonderlich gut. Man hatte sie belogen, darum handelte es sich bei dem Ausschlaggebenden, so wie man anderen Kindern Weihnachtsmann – eigentlich die Erfindung eines Getränkekonzerns – und Osterhase vorgaukelte. Klar, kleine Sprösslinge erfreuten sich an der von Geschenken belasteten Illusion, nichtsdestotrotz blieb man der Ehrlichkeit fern, als würde man einem Mörder Hoffnung auf eine Geldstrafe machen. Itoe schnaubte spöttisch. Sie hasste Lügen, dennoch zwang man sie, ihr gesamtes zukünftiges Leben auf Grundlage einer solchen zu gestalten, und ausnahmslos niemand durfte es bemerken. Ansonsten… sie würde sich bis zuletzt verteidigen, bis zum letzten Atemzug kämpfen, obwohl sie ihre Fähigkeiten so sehr verachtete. Aber zum Werkzeug der Regierung mutieren, nein, das stand für sie außer Frage. Eher stürbe sie in der Schlacht, die ohnehin verloren war.
    Allmählich kehrte Ruhe in Saffronia City ein. Der fließende Verkehr ebbte nach und nach ab, bis auf die öffentlichen Transportmittel ratterte kaum noch eine Beförderungsmaschine durch die Straßen, und in den benachbarten Bauten, die Itoe von ihrem geöffneten Fenster aus sah, erstarben die Lampen und Lichter. Allerdings schliefen die Leute für sie noch längst nicht, sie wollten lediglich nicht, dass jemand sie bei ihren Spielchen beobachtete, gar filmte, so dachte es sich Itoe zumindest. Misstrauische, geheimniskrämerische Welt… Ehrlichkeit währte ja bekanntlich am längsten, auf der anderen Seite jedoch zerstörte sie Vieles mit ungeahnter Grausamkeit.
    Fernab der leiser werdenden Stadtgeräusche ertönten die Schreie wilder Noctuh, im Einklang mit einer kühlen Brise zauberten sie Itoe eine Gänsehaut auf ihre bloßen Arme. Es fröstelte sie leicht, was die Höhe, in der sich ihr gläsernes Fenster befand, nicht gerade milderte. Aus dem zweiten Stock blickte sie hinab auf bei Tageshelle grünes Gebüsch und Gestrauch, entlang an der nun schwärzlichen Ziegelsteinwand und erkannte sogar, wenn sie sich jetzt etwas weiter vorbeugte, Teile ihrer Wohnstraße. Sie würde sich nie an den nimmer komplett erlischenden Lärm gewöhnen, die Gruppen Jugendlicher, die zu später Stunde umher streiften und ihr teilweise Angst einjagten.
    „Für wen stellst du bitte deinen Ausschnitt so zur Schau?“, ertönte plötzlich eine gekünstelt empörte Jungenstimme neben ihr und sie schreckte hoch, entfloh ihren abschweifenden Gedankengängen und gleichsam schlug ihr Herz einen Takt schneller. Ihn würde sie unter tausenden Menschen erkennen. Auch wusste sie, dass er seine Entrüstung hervorragend vorzutäuschen vermochte. Trotzdem trat sie weiter in ihr Zimmer, um ihren Gast herein zu bitten, zupfte dabei an ihrem angehaucht rosafarbenen Negligé.
    „Wie lange hockst du schon auf meinem Fenstersims?“, hakte Itoe sofort nach, sobald er gänzlich in die Düsternis ihres Zimmers eingetaucht war. Im einfallenden Schein der Stadtlichter bemerkte sie erschrocken sein zerfetztes Shirt. „Gott, Keido, was… hast du gekämpft?“ Unverzüglich huschte sie wieder zum Fenster, drehte den brünetten Jungen so zum Licht, dass sie seinen Nacken und alles darunter begutachten konnte, den Teil seines Oberkörpers, wo der Schaden sich anscheinend zentrierte. Vorsichtig strich sie mit ihren Fingerspitzen über seinen kräftigen Rücken, verwundert, weder Verletzung noch Narben vorzufinden, dafür allerdings einen länglichen blauen Streifen in Höhe seiner Schulterblätter. Keido zuckte zusammen, als sie ihn genauer inspizieren wollte. „Sind das deine –“
    „Ja“, schnitt Keido Itoes Frage ab. „Unglücklicherweise…“, zur Untermalung seiner Worte und zu Itoes Gefallen bewegte und streckte er Rücken und Schultern, es gelang ihr kaum, ihre gespannten Augen davon abzuwenden, „zerreißt es jedes Mal ein Shirt. So ein hoher Verschleiß wird auf Dauer ziemlich teuer.“
    „Stoff wird überbewertet“, säuselte Itoe verspielt, fuhr sich im selben Moment mit der Hand durch ihr schimmernd blaues Haar, dessen Spitzen just an ihren unteren Schultern kitzelten. „Ohne Shirt herum zu laufen wäre… speziell für dich keineswegs eine Schande.“ Aufmerksam verfolgte sie Keidos schlendernden Gang ins Innere ihres Zimmers, gezielt vorbei an der Silhouette ihres hölzernen Schreibtisches, der vom Fenster aus betrachtet von der rechten Wand in den annähernd quadratischen Raum ragte. Seine feuerroten Tiefen blitzten stechend auf, als er sich zu ihr umdrehte und sie prüfend musterte, sein bohrender Blick erzeugte ein wohliges Kribbeln in ihr. Am liebsten hätte sie sich ohne Umschweife in seine Arme gestürzt, doch eine gewisse Anspannung in Keidos Gesten schreckte sie vorerst ab. Unbewusst, dennoch verlangend schnupperte sie sein frisches, kühles Parfum, während sie nebenbei eine eventuelle Störung von Seiten ihrer Großeltern rechtzeitig zu erlauschen versuchte.
    „Nein, danke“, winkte er beschwichtigend ab. „Ich habe es nicht nötig, mich anderen aufzudrängen, oder… an den Hals zu werfen.“ Itoes Augen weiteten sich vor Erschrockenheit, nervös zupften und zerrten ihre Finger am Saum ihres Négligées. Um Halt zu finden, lehnte sie sich leicht an die Fensterbank hinter ihr. Ein herzhaftes Grölen von draußen machte die Stille zwischen ihnen zunichte.
    „Es musste sein, es sollte immerhin echt aussehen“, erklärte Itoe schuldbewusst, hoffte, dass Keido ihr das nicht allzu übel nahm in seiner Eifersucht samt seiner besitzergreifenden Art. Sie wollte ihn nicht aufgrund einer solchen Lappalie verlieren, empfand sie nicht einmal im Geringsten etwas für Shohei, welcher, so stellte sie erstaunt fest, zufälligerweise dieselbe Augenfarbe mit Keido teilte – den Hauptton zumindest. Keidos waren einen Funken heller, passionierter, flammender. „Außerdem stimmt mit dieser Gruppe irgendetwas nicht. Mitten in der Schulzeit tauchen sie hier auf, tragen obendrein keine Schuluniform, und wollen Bücher bezüglich der legendären Pokemon ausleihen. Sowas nimmt man im normalen Unterricht garantiert nicht durch, das ist verboten.“ Und damit gewann sie Keidos volles Interesse. Seine Züge lockerten sich wieder, neugierig horchte er auf, hielt kurz inne, sich seines schwarzen Shirts komplett zu entledigen. Um einiges erleichtert, ihn nicht aussichtslos verstimmt zu haben, fuhr Itoe fort. „Einer von ihnen muss es sein. Wäre das nicht die ideale Gelegenheit für dich? Ich habe mich bereits bei ihnen eingeklinkt, ich kann dir also regelmäßig neue Informationen schicken.“ Mehr und mehr redete sich Itoe eigens in ihre Vorfreude auf die anstehende Reise, weg von hier, von den Fesseln der Arbeit und des Studiums, denen ihrer Großeltern, die sie gegen ihren Willen aus Johto geordert hatten… bis Keido sich direkt vor ihr positionierte, rechts und links stützte er sich mit den Armen an der Fensterbank ab, versenkte sein Gesicht in der Wölbung an ihrer Schulter. Sein wohl trainierter, kräftiger Oberkörper drückte sich intuitiv an ihren, verhinderte erfolgreich eine Flucht ihrerseits. Er hatte sie eingekesselt, sofort verkrampften sich beinahe sämtliche Muskeln ihres Körpers, was sowieso bei jeder seiner Berührungen eintrat. Er schaffte es stets, sie sich gefügig zu machen, und auf gewisse Weise mochte Itoe dieses Vorspiel sehr. Sie spürte das Verlangen nach ihm in sich erwachen, fühlte, wie sich der Wunsch in ihr aufbaute, seinen Leib stärker an sich zu pressen, sich mit seinen fordernden Lippen zu beschäftigen, die augenblicklich an ihrem Hals hafteten und sie allein dadurch halb ihres Verstandes beraubten. Doch bevor ihrer Kehle ein genussvolles Stöhnen entweichen konnte, unterbrach er seine Spielchen.
    „Ja, und du wirst lange Zeit für mich unzugänglich bleiben“, hauchte Keido ihr ins Ohr. Daran hatte sie überhaupt nicht gedacht. Sie müsste lange Zeit auf ihn verzichten, um keinen falschen Verdacht zu erzeugen, dürfte ihn wahrscheinlich nicht sehen, ihm lediglich kurze Sms schreiben oder mit ihm telefonieren… Ihre Euphorie verflog, an ihre Stelle gesellten sich Trauer und Wehmut. Geknickt sackten ihre Schultern nach unten, trostsuchend erhob sie ihre Arme und schlang sie um Keido, schmiegte sich eng an ihn, ohne Hintergedanken diesmal.
    „Ich –“, setzte sie an, wurde jedoch von einem jähen Türklopfen abgewürgt. Hektisch drängte sie sich an Keido vorbei, eilte mit ihren unbekleideten Füßen über den flauschigen, wie sie wusste weißen Teppich zu ihrer Zimmertür und öffnete sie einen Spalt. „Was gibt’s?“
    „Wir wollten dir nur ‘Gute Nacht‘ sagen, Liebes“, krächzte die Stimme ihrer Großmutter. „Und sei uns bitte nicht böse, dass wir –“
    „Schon gut“, lächelte Itoe gekünstelt verständnisvoll. Sie wollte alles, aber kein Bedauern von ihren sogenannten Vormündern, und am liebsten hätte sie die Tür einfach zugeknallt. Davon ab hielt sie die Gewissheit, bei einer derartigen Reaktion ihrerseits ein längeres Gespräch mit ihren Großeltern führen zu müssen, anstatt ihre so oder so letzte Nacht in Saffronia mit Keido zu verbringen. Trotz allem eine weitere Lüge, die sie sich schweren Herzens aufbürdete. „Ich war einfältig, naiv und… ihr hattet Recht, eine anständige Bildung ist die wertvollere Alternative. Schlaft gut.“
    Behutsam schloss sie die Tür, harrte eine Weile schweigend an Ort und Stelle. Es musste sein… man hatte ihr keine Wahl gelassen, ihr die Erlaubnis, auf Reisen zu gehen, vehement verweigert, versuchte Itoe ihr schlechtes Gewissen zu besänftigen. Sollte sie nicht mit den drei Jungs – wieso in aller Welt ausschließlich mit männlichen Wesen, so fragte sie sich inzwischen – reisen, wäre sie wesentlich schlechter in der Lage, Keido zu helfen und erst recht sähe sie nichts von der Welt. Ab einem bestimmten Alter erforderten es die Umstände, egoistischer zu denken, und jener Zeitpunkt bahnte sich in ihrem Leben nunmehr an. Außerdem wollte sie endlich eigenständig werden, eigenständige Entscheidungen treffen, eigenständig leben…
    „War ich dir heute mal leise genug?“, wisperte Keido ihr unvermittelt von hinten zu, schlang seine Arme um ihren Bauch und verteilte unzählige kleine Küsse auf ihrem Nacken. Sie genoss die Wärme, die er ihr immer wieder vermittelte, den Halt, den er ihr verlorenem Wesen spendete, obwohl Keido im Prinzip die Schuld an ihrer Misere trug. Irgendwie hatte sie ihm wohl schon verziehen.
    „Ausnahmsweise“, lachte sie auf, drehte sich achtsam in seiner Umarmung um und legte ihre Arme um seinen Hals, kuschelte sich an seine bloße Brust, hörte und spürte seinen Herzschlag. Sie vermisste ihn bereits jetzt. Gefühlvoll streichelte Keido ihren Kopf, über ihre leicht gewellten Haare, und Itoe konnte nicht anders, als ihn mit jeder Sekunde mehr zu begehren. „Ich liebe dich, Keido“. Schlussendlich war ihr jener Satz also doch entwichen, und egal, was er nun sagte, daran würde sich nichts ändern. Dazu war er ein zu wichtiger Bestandteil ihres Lebens geworden, denn sie verband ein hochgradiges und doch zu schreckliches Geheimnis, und trotzdem vermochte sie es schlichtweg nicht, ihn zu hassen. Es funktionierte einfach nicht. Und nachdem ihr das bewusst geworden war, hatte sie begonnen, seine guten Eigenschaften schätzen zu lernen. Keido spielte zwar die dominantere Rolle in ihrer Beziehung, allerdings hatte er sie bislang immer getröstet, sofern notwendig, sie nicht nur im sprichwörtlichen Sinne auf Händen getragen. Ihr Geheimnis mit ihm zu teilen, allein dadurch wurde die Angelegenheit so viel… erträglicher.
    „Beweis es“, raunte Keido fordernd, verstärkte seinen Griff um sie, und das Letzte, was Itoe mittels ihres Verstandes und ihrer reinen Vernunft wahrnahm, war das Rauschen ihres Nachthemdes, als es unter Keidos Zutun endgültig zu Boden fiel.

  • Na du Schmackofatz ;*


    Damit haste wohl nicht gerechnet, doch irgendwann nochmal einen Kommentar von mir zu bekommen. Aber mir juckt es mittlerweile so unter den Fingern, dir zu deinen Kapiteln meinen Kladderadatsch hinzuschmettern. Und ich diesen Punkt meiner To-Do-Liste endlich weghaben muss, sonst kann ich Colorful von Bastet nicht kommentieren x)
    Seit über einem Jahr bin ich nun schon lange geouteter Schwarzleser, wie du weißt, und war schon, bevor du sie überhaupt gepostet hattest, überaus fasziniert. Nicht umsonst stehe ich als Erstes auf der Benachrichtigungsliste, haha. Nun denn, es ist früh am Morgen, mal schauen, ob ich heute noch fertig werde, damit du mich irgendwann nicht mal hasen musst ;D


    Titel
    Awwwwr, du weißt, wie sehr ich diesen Titel liebe? „Sieh mich sterben“ ganz frei übersetzt. Wirklich kein 0815-Titel, den findet man wirklich nicht alle Tage, aber habe ich da bei dir etwas anderes erwartet? Nein. Der Titel passt wirklich mehr als gut, weil ich ja ein paar Einzelheiten im Verlauf der Geschichte mittlerweile kenne, und kann mir da wirklich schon was erahnen. Der Titel ist im Allgemeinen wirklich sehr traurig, aber das lässt auf ein gewisses Bad-End schließen und ich liebe Geschichten, Bücher, ect. Mit Bad-Ends einfach unglaublich. Was man bei mir selber auch merken wird. Grausam ist er dazu auch noch, wenn man sich die Schicksale anschaut, die du den Charakteren zugedacht hast, in gewisser Weise wirklich brutal. Dazu klingt er noch so schön melodisch, boah, was soll ich dazu noch sagen? *-*


    Startpost
    Ja, ich sage hier auch mal etwas zu deinem gelungenen Startpost. Aber weißt du, mich würde es wirklich interessieren, wie du Watch me die gestaltet hättest, wenn du Pokémon außen vor gelassen hättest. Mittlerweile mag ich das Genre Pokémon nicht mehr so, schreibe selber nicht mehr mit ihm, außer jetzt in der BBO oder sonstigen Wettbewerben, wo es gefordert ist. Natürlich ist Shonen-Ai eine spannende Kombo, das weißt du hoffentlich selber. Hier stellt sich nämlich der Leser nicht nur die Frage: „Warum schreibst du in dem Genre?“, sondern auch „Warum lese ich selber dann diese Geschichte?“ Es kommen da ja nicht 1337 Shonen-Ai Storys dahergelaufen, wenn man nach ihnen pfeift. Die muss man, wenn dann, schon herauspicken und in den Weiten des BisaBoards suchen. Drama, wie wunderbar. Ich liebe es, aber lässt es der Titel eigentlich zu, dieses Genre überhaupt ausschließen zu können? Wohl kaum.
    Joa, was soll ich sonst zu deinem Startpost sagen, außer, dass alles Wichtige drin ist und er ganz schön ist? Nichts Klischeehaftes, awwr, wie ich das liebe. Endlich mal eine Story, wo nicht ein gierbesessener Jugendlicher nichts besseres zu tun hat, als sich den naiven Traum vorzunehmen, der beste Trainer der Welt zu werden. Achja, davor muss er aber noch die Welt retten, damit das Klischee komplett ausgefüllt ist, ja? Das wirkt bei dir so „gemütlich“, dass du es aber weglässt. Die Hektik ist weg, dieser innere Machtkampf, was sein würde, wenn dieser Protagonist nun in der Liga verlieren würde, fällt weg. Manch einer würde das jetzt als langweilig abstempeln, dass man kein Champ werden will, wo man doch schon mal die Region bereist, doch ich finde das äußerst angenehm.
    Dass du die Welt realistisch gestalten willst, ist natürlich auch wieder ein Punkt, wo ich sagen muss, dass das gut ankommt, zumindest bei mir. Jetzt haste schon das Klischee mit dem Champ aus der Geschichte herausgeschnitten und jetzt fällt auch noch die Friede-Freude-Eierkuchen-Welt weg. Bist du des Wahnsinns, die Pokémon-Welt so zu verändern?! ;D Nein, wirklich mal was anderes, gefällt mir.
    Zu deinen Charakteren sag ich jetzt mal nichts, da du meine Einstellung gegenüber Charakterbeschreibungen kennst und du da schon eine genügende Analyse von Bastet bekommen hast. Mehr als “Sie sind schön“ brauche ich wohl kaum sagen, oder?


    Kapitel 1
    Ui, ist ja kurz das Kapitel, zumindest im Verhältnis zu denen, die später kommen. Nun, du hast keinen Prolog, wie ich finde, kann man darauf aber auch durchaus verzichten. Er ist wie ein Anhängsel, das „Preisschilt“ der Geschichte, wo man den Stil des Autors kennenlernt, und entscheidet, ob man weiterliest. Ungezwungen hast du das irgendwie überspielt, da man irgendwie direkt vom ersten Satz an von diesem Schreibstil gebannt ist, auch wenn nicht wirklich viel in dem Kapitel geschieht.


    || sich zu jedem Festtag eine alternative, || Alternative muss hier imo großgeschrieben werden, falls dir das noch niemand angestrichen hat.


    Gott, wie spricht man denn bitte den Namen der weiblichen Person aus? Du weißt, ich habe kein Französisch in der Schule, nur Latein, aber das hilft mir jetzt auch nicht weiter. Bitte verzeih mir, wenn ich diesen Namen irgendwann mal falsch schreiben sollte, aber der ist so lang und … ein bisschen komisch x) Ich wäre wirklich nicht auf so einen gekommen, das wäre mir beim Schreiben einfach zu kompliziert, weil ich den die ersten Kapitel bestimmt öfters falsch schreiben würde.
    Ich muss sagen, dass in dem Kapitel wirklich nicht viel passiert. Das ganze Kapitel strahlt durch Shoheis eigene Gedanken eine gewisse Ruhe aus, die Handlung wirkt wie zäher Honig. Und ich muss sagen, dass es fast zu langsam ist. Du kaust seine Sehnsucht, aber auch Verantwortung so oft durch, dass es am Ende beinahe langweilig wird. Gib den ganzem doch ein bisschen Pep und verliere dich nicht so in den Beschreibungen, auch wenn ich diese Beschreibung der Augen ja so verdammt gerne mag. Du achtest sehr penibel auf das Aussehen der Charaktere, gibst denen die Hülle des Daseins, gibst dem Leser einen Einblick in Shoheis Gedanken, Ansatzweise auch in die von Geneviève wegen ihrer Reaktionen, so kann man sich erahnen, was sie denkt. Doch ich finde, dass vor allem die Gefühle ein Stück kürzer kommen könnten, und es würde dem Kapitel wirklich nicht schaden. Auch wenn dein Schreibstil malerisch ist, lasse Shohei doch nicht so vehement in seinem eigenen Mitleid suhlen.
    Wie gesagt, der Schreibstil ist wirklich eine Klasse für sich, wie du es vermutlich schon 1337 Mal gesagt bekommen hast, aber ich kann mich da einfach nur meinen Vorpostern anschließen, wenn sie sagen, dass dein Schreibstil wirklich Profi-Status hast. Du hast einen ausgeprägten Wortschatz, was man sofort merkt, wenn man die ersten Sätze liest. Du spielst mit Wörtern, alles ist gekonnt eingesetzt und du hast nicht so arg diese Angewohnheit wie ich, dich in Schachtelsätzen zu verlieren. Jedoch wird die Handlung an sich ein wenig vernachlässigt, oftmals hast du beinahe tausend Wörter zwischen den Wortwechselpassagen, für mein Geschmack ein wenig zu viel, wenn du immer so viel Beschreibungen und so wenig Handlung hast.
    Auf die Gefahr hin, dass ich mich jetzt wiederholt habe, und du das alles schon von Bastet, Cassia, Chess, oder wen auch immer an den Kopf geklatscht bekommen hast, das ist das, was mir so auffiel. Und Gott, ich merke gerade, wie viel ich schon wieder geschrieben habe oO


    Kapitel 12
    Machen wir mal einen großen Sprung ja? Dann habe ich nämlich den direkten Vergleich vor Augen. Das Kapitel war postfrisch, als ich es gelesen habe und ich muss sagen, dass man, wenn man dein erstes und das zwölfte jetzt vergleicht, einen großen Unterschied bemerkt. Deine Gedankenpassagen, deren Länge das Komitee ja irgendwie auch zu Recht kritisiert hat, sind erkennbar kleiner geworden, du kurbelst die Handlung an. Das gefällt mir, wenn ich ehrlich bin.
    Ich weiß, dass Watch me die dein Herzstück ist und das merkt man einfach. Du versuchst dich zu verbessern. Und das hast du auch geschafft, dieser Unterschied zwischen dem, was du am Anfang fabriziert hast und dem Jetzigen ist deutlich erkennbar.


    || Menschen lieben Mysteriösitäten, || / || funktionieren tat sie jedoch stets einigermaßen. ||
    Nein, bitte, nimm hier doch etwas anderes. Das Wort klingt nicht gerade schön und es lässt die Handlung irgendwie ein wenig stocken, weil ich ein paar Sekunden gebraucht habe, es richtig zu lesen und mir dann dachte, wie schlimm diese Stelle ist. Nimm doch einfach „Mysteriöses“, das würde wirklich besser klingen, ganz ehrlich.
    Zum Zweiten kann ich nur sagen, dass hier das „tat“ doch eigentlich „taten“ heißen müsste, auch wenn im anderen Satzteil nur von „einer“ Lösung gesprochen wird, so denke ich, dass er bereits mehrere durchgesetzt hat und somit die Mehrzahl später irgendwie in meinen Augen besser klingt. Dazu mag ich die Formulierung irgendwie nicht. „jedoch stets einigermaßen“ ist irgendwie ein bisschen … kompliziert und unschön zu lesen, ich weiß nicht warum, aber zumindest geht’s mir so. Zumindest, wenn du das „tat“ so lässt, bei der Mehrzahl geht es dann irgendwie wieder x)


    || Wüsste Itoe nicht ob ihrer speziellen Fähigkeiten Bescheid, ||
    oO Das klingt wieder irgendwie komisch. Schreib doch statt dem „ob“ ein „von“, meine Liebe, dann noch "ihren" statt "ihrer". Das ist wirklich leichter verständlich, ganz im Ernst.
    Dann habe ich noch irgendwo eine Stelle gefunden, wo du das „e“ in „Pokémon“ ohne diesen Akzent geschrieben hast, ich finde die Stelle bloß nicht mehr. Aber es war in der Passage von der Konversation von Keido und Itoe. Aber ich muss sagen, dass mir das Kapitel wirklich gefällt. Es hat etwas und ich freue mich schon sehr auf das Folgende, wo es dann hoffentlich losgeht. Meinen Verstand hast du mit deinen Andeutungen nicht versaut, keine Angst. :D
    So viel habe ich auch nicht mehr zu sagen, außer, dass ich jetzt knappe dreieinhalb Stunden hier dran gesessen habe und hoffe, dass du dich wenigstens ein wenig darüber freust, Süße :*


    Dann husch ich wieder weg, wünsche dir noch einen schönen Tag und lasse das neue Kapitel bitte nicht so lange warten. Dann bekommst du einen Comment zu Kapitel 2 und 3, wenn ich es schaffe. Jetzt arbeite ich das alles nach und nach ab. Und jetzt habe ich auch endlich Zeit, Bastet den versprochenen Kommi zu schreiben. Hallu, Bastet *wink*


    lG
    ~ dein Stiftiger

  • Lächerlich verspäterter Kommentar incoming!


    So es ist ein zeitchen her aber ich dachte ich schreib (entlich) einen Kommentar. Ich muss sagen ich mag Itoe jetzt schon. Was mir allerdings komisch vorkam war die äh... interesante Art und Weise wie sie ihr gespräch verheimlicht hat. Ich bin mir nicht sicher ob es nicht eine einfachere möglichkeit gegeben hätte. Ich finde es jedenfalls gut das meine Vermutung richtig war und sie sich der Gruppe anschließst das verbessert auch die Frauenquote auf 25%. Sonst muss ich sagen das Benjamin eine beachtliche Menschenkenntnis an den Tag legt und Itoe Absicht relativ schnell durchschaut hat, was warscheinlich wie Itoe bemerkt hat wirklich mit seiner Vergangenheit zu tun hat. Ich hätte das erlich gesagt nicht vermutet da er ja sonst nich so viel mit Menschen zu tun hat. Sonst ist Simon so wieder wie immer :rolleyes: , ich hab mich noch immer nicht entschieden ob ich in mögen oder hassen soll, mal sehn. Ich bin auf jeden falls gespannt wie es weitergeht mit der Gruppe, die ja jetzt bald mit der Reise beginnt.

    "We starve, look at one another, short of breath. Walking proudly in our Winter coats. Wearing smells from labortories, facing a dieing nation of moving paper fantasy, listening for the new told lies with supreme vision of lonely tunes"
    Hair, Let the sunshine in

    2 Mal editiert, zuletzt von Plinfan ()

  • [tabmenu]
    [tab=Neues Kapitel]


    Ja, viel zu lang ist's her... ich muss gestehen, prinzipiell liegt das Kapitel schon seit Monaten fertig auf meiner Festplatte, allerdings hatte ich bis heute weder Songzitat, noch einen Titel dafür, mal davon abgesehen, dass ich damit nicht so ganz zufrieden bin... ist ja nun auch schon etwas älter und mein Schreibstil dementsprechend anders (schlechter) als heute... Trotzdem will ich nicht, dass diese Story komplett verkommt, also lasse ich die Leser einfach mal entscheiden x)



    Inzwischen befindet sich die Gruppe auf dem Weg nach Azuria City und auch für Itoe hat mit der Reise nun ein neuer Lebensabschnitt begonnen. Doch neben den üblichen Streitereien zwischen Simon und Shohei, gibt es nun noch allerhand weiterer Probleme, mit denen die Vier zu kämpfen haben, angefangen beim direkten Aufeinandertreffen mit einem mysteriösen Jungen, dessen Absichten jedoch nicht Jedem der Truppe so unbekannt sind, wie es zunächst scheint. Und auch innerhalb der Kleinstand Azuria City macht man sich nicht gerade ausschließlich Freunde... ~




    Warnung: In diesem Kapitel wird es zu minderen Kampfhandlungen kommen.
    [tab=Naryk]
    Hallo, du Stiftiger o/
    Ja, ich lasse mich hier gerade von System of a down beschallen begröhlen , während ich mich ma dazu aufraffe, den Re-Kommi für dich zu schreiben, also fühl dich geehrt x3



    Zitat von Naryk

    „Sieh mich sterben“ ganz frei übersetzt. Wirklich kein 0815-Titel, den findet man wirklich nicht alle Tage, aber habe ich da bei dir etwas anderes erwartet? Nein. Der Titel passt wirklich mehr als gut, weil ich ja ein paar Einzelheiten im Verlauf der Geschichte mittlerweile kenne, und kann mir da wirklich schon was erahnen. Der Titel ist im Allgemeinen wirklich sehr traurig, aber das lässt auf ein gewisses Bad-End schließen und ich liebe Geschichten, Bücher, ect. Mit Bad-Ends einfach unglaublich. Was man bei mir selber auch merken wird. Grausam ist er dazu auch noch, wenn man sich die Schicksale anschaut, die du den Charakteren zugedacht hast, in gewisser Weise wirklich brutal. Dazu klingt er noch so schön melodisch, boah, was soll ich dazu noch sagen? *-*

    Danke schön für das Lob x) Über das Ende will ich natürlich öffentlich noch nichts verraten, da ich mich da ja selbst auch noch nicht festgelegt habe, aber ich liebe ebenfalls Geschichten, bei denen es eben kein Happy End gibt. Immer Happy End ist langweilig ^_~ Das mit den Schicksalen war ehrlich gesagt mehr Zufall... wobei es ja schon fast S(t)ue-haft ist, dass außer Simon so ziemlich alle ne schreckliche Vergangenheit hatten. Ich tendiere wirklich zur Grausamkeit mit meinen Charakteren ;A;




    Zitat von Naryk

    Natürlich ist Shonen-Ai eine spannende Kombo, das weißt du hoffentlich selber. Hier stellt sich nämlich der Leser nicht nur die Frage: „Warum schreibst du in dem Genre?“, sondern auch „Warum lese ich selber dann diese Geschichte?“ Es kommen da ja nicht 1337 Shonen-Ai Storys dahergelaufen, wenn man nach ihnen pfeift.

    Was glaubst du, wieso ich denn Shounen-Ai schreibe, du Stifti? x)
    Ach, kommen nicht dahergelaufen? Also ich finde immer ziemlich viele. Zwar nicht hier im BB, aber wenn man sonst wo herumwuselt... und ich mag nicht behaupten, dass die gut sind o/ Genau aus diesem Grunde möchte ich es besser machen :3 Hoffe ich doch, dass mir das gelingt zumindest.



    Zitat von Naryk

    Endlich mal eine Story, wo nicht ein gierbesessener Jugendlicher nichts besseres zu tun hat, als sich den naiven Traum vorzunehmen, der beste Trainer der Welt zu werden. Achja, davor muss er aber noch die Welt retten, damit das Klischee komplett ausgefüllt ist, ja? Das wirkt bei dir so „gemütlich“, dass du es aber weglässt. Die Hektik ist weg, dieser innere Machtkampf, was sein würde, wenn dieser Protagonist nun in der Liga verlieren würde, fällt weg. Manch einer würde das jetzt als langweilig abstempeln, dass man kein Champ werden will, wo man doch schon mal die Region bereist, doch ich finde das äußerst angenehm.
    Dass du die Welt realistisch gestalten willst, ist natürlich auch wieder ein Punkt, wo ich sagen muss, dass das gut ankommt, zumindest bei mir. Jetzt haste schon das Klischee mit dem Champ aus der Geschichte herausgeschnitten und jetzt fällt auch noch die Friede-Freude-Eierkuchen-Welt weg. Bist du des Wahnsinns, die Pokémon-Welt so zu verändern?! ;D Nein, wirklich mal was anderes, gefällt mir.

    Wenn ich die Pokemon hier fast komplett aussterben lasse, woher sollen denn dann bitte die ganzen Trainer mit ihren Träumen kommen? o.o xD Und nen Team von Bösewichten brauche ich wirklich nicht, dafür habe ich mit der Regierung, nein, mit der gesamten Welt an sich hoffentlich schon genug gesorgt. Ich liebe Dystopien zum Schreiben einfach ^-^
    Danke schön für das Lob im Übrigen. Ich mag es ebenso wenig, wenn man die Welt 1 zu 1 aus dem Anime etc übernimmt, weil das einfach so verdammt unrealistisch ist. Mit 10 lässt man sein Kind losspazieren, damit es sich nur an der Seite eines zu Anfang noch Miniwesens in der großen, weiten Welt herumtreibt, Erwachsene natürlich im Nu plattmacht und dabei kein einziges Mal überfallen oder belästigt wird? Also bitte o/ Bin ich des Wahnsinns? Bestimmt, also ich fühle mich mit meinen mittlerweile 19 Jahren immer noch kindlich und verrückt x)



    Zitat von Naryk

    || sich zu jedem Festtag eine alternative, || Alternative muss hier imo großgeschrieben werden, falls dir das noch niemand angestrichen hat.

    Nope, da ich es in diesem Sinne adjektivisch verwende und nicht als Nomen. Über Rechtschreibung musst du mir nichts erzählen ;3




    Zitat von Naryk

    Gott, wie spricht man denn bitte den Namen der weiblichen Person aus? Du weißt, ich habe kein Französisch in der Schule, nur Latein, aber das hilft mir jetzt auch nicht weiter. Bitte verzeih mir, wenn ich diesen Namen irgendwann mal falsch schreiben sollte, aber der ist so lang und … ein bisschen komisch x) Ich wäre wirklich nicht auf so einen gekommen, das wäre mir beim Schreiben einfach zu kompliziert, weil ich den die ersten Kapitel bestimmt öfters falsch schreiben würde.

    Wieso haben alle damit solche Schwierigkeiten? D= Das ist doch nur ein ganz normaler Name... im Übrigen weiß ich selbst nicht, wie ich darauf gekommen bin. Ich habe über ihren Charakter nachgedacht und der Name war in meinem Kopf. Und sobald sich bei mir sowas festgesetzt hat, kann ich meine Gedanken nicht zu einer Alternative überreden x.x




    Zitat von Naryk

    Du kaust seine Sehnsucht, aber auch Verantwortung so oft durch, dass es am Ende beinahe langweilig wird. Gib den ganzem doch ein bisschen Pep und verliere dich nicht so in den Beschreibungen, auch wenn ich diese Beschreibung der Augen ja so verdammt gerne mag. Du achtest sehr penibel auf das Aussehen der Charaktere, gibst denen die Hülle des Daseins, gibst dem Leser einen Einblick in Shoheis Gedanken, Ansatzweise auch in die von Geneviève wegen ihrer Reaktionen, so kann man sich erahnen, was sie denkt. Doch ich finde, dass vor allem die Gefühle ein Stück kürzer kommen könnten, und es würde dem Kapitel wirklich nicht schaden. Auch wenn dein Schreibstil malerisch ist, lasse Shohei doch nicht so vehement in seinem eigenen Mitleid suhlen.

    I know x.x Ich bin ja inzwischen selbst nicht mehr zufrieden damit, habe auch schon angefangen, die ersten Kapitel neu zu schreiben, teils sogar mit neuer Handlung, weil mir das selbst auf den Keks geht. Ich weiß selbst nicht, was mich da geritten hat, so eine ich mag schon "Emo-Schiene" sagen aufzufahren für ihn, so sollte seine Persönlichkeit an sich gar nicht sein ^^" trotzdem danke für das Kompliment zu meinem Schreibstil, auch wenn er sich sowieso ständig in ungewolltem Wandel befindet ...





    Zitat von Naryk

    Deine Gedankenpassagen, deren Länge das Komitee ja irgendwie auch zu Recht kritisiert hat, sind erkennbar kleiner geworden, du kurbelst die Handlung an. Das gefällt mir, wenn ich ehrlich bin.
    Ich weiß, dass Watch me die dein Herzstück ist und das merkt man einfach. Du versuchst dich zu verbessern. Und das hast du auch geschafft, dieser Unterschied zwischen dem, was du am Anfang fabriziert hast und dem Jetzigen ist deutlich erkennbar.

    Danke schön ^////^ So allmählich muss ja auch ma was vonstatten gehen, nicht wahr?
    Watch me die ist allein von den Charakteren her mein Herzstück, dennoch bin ich froh, dass man das auch an meinen Kapiteln merkt. Prinzipiell ging es mir nämlich mehr um die Erfahrungen, die vor allem Benjamin mit sich trägt, und dass vor allem Kritiker endlich mal verstehen, welche Ausmaße solch ein Verhalten annehmen kann.



    Zitat von Naryk

    Zum Zweiten kann ich nur sagen, dass hier das „tat“ doch eigentlich „taten“ heißen müsste, auch wenn im anderen Satzteil nur von „einer“ Lösung gesprochen wird, so denke ich, dass er bereits mehrere durchgesetzt hat und somit die Mehrzahl später irgendwie in meinen Augen besser klingt. Dazu mag ich die Formulierung irgendwie nicht. „jedoch stets einigermaßen“ ist irgendwie ein bisschen … kompliziert und unschön zu lesen, ich weiß nicht warum, aber zumindest geht’s mir so. Zumindest, wenn du das „tat“ so lässt, bei der Mehrzahl geht es dann irgendwie wieder x)

    Grammatikalisch ist "tat" doch vollkommen korrekt, du sagst es sogar selbst, wieso das so ist Oo Nur von einer Lösung ist die Rede und die eine, die er dann findet, die funktioniert. Zudem verstehe ich nicht, was an "jedoch stets einigermaßen" so kompliziert sein soll, wenn ich ehrlich bin ^^" Ich achte prinzipiell sehr darauf, dass sich meine Sätze von der Satzmelodie und vom Rhythmus her stimmig lesen und anhören... kann aber hier auch an mir liegen, ich will mich da nicht festlegen x) Deshalb habe ich übrigens auch "Mysteriösitäten" als Wort genommen und nicht "Mysteriöses". Klingt für mich einfach besser o/




    Zitat von Naryk

    oO Das klingt wieder irgendwie komisch. Schreib doch statt dem „ob“ ein „von“, meine Liebe, dann noch "ihren" statt "ihrer". Das ist wirklich leichter verständlich, ganz im Ernst.

    Finden meine Beta und ich nicht. Und ich vertraue Bastet und jederlei Hinsicht. Sorry, Stifti, das ist ganz normales Deutsch, zumal ich dem Genitiv doch noch eine Existenzberechtigung geben möchte.




    Zitat von Naryk

    Dann habe ich noch irgendwo eine Stelle gefunden, wo du das „e“ in „Pokémon“ ohne diesen Akzent geschrieben hast, ich finde die Stelle bloß nicht mehr. Aber es war in der Passage von der Konversation von Keido und Itoe. Aber ich muss sagen, dass mir das Kapitel wirklich gefällt. Es hat etwas und ich freue mich schon sehr auf das Folgende, wo es dann hoffentlich losgeht. Meinen Verstand hast du mit deinen Andeutungen nicht versaut, keine Angst. :D

    Vielleicht ist es dir noch nicht aufgefallen, aber ich schreibe das GENERELL ohne Akzent XD Ich hab einfach keine Lust, bei jedem Mal da wegen diesem Akzent in meinem Tipprhythmus unterbrochen zu werden, und irgendwie.. ist für mich nicht so wichtig ^^"
    Schön, wenn ich dich nicht ganz so stark traumatisiert habe x3
    Und natürlich habe ich mich über deinen Kommentar gefreut, was denkst du denn? ^o^



    In dem Sinne, vielen Dank für deinen Kommentar, es freut mich, dass hier endlich mehr als ein oder zwei Personen kommentieren x3




    [tab=Plinfan]
    Kommen wir auch mal endlich zu dir =D *System of a down läuft noch immer*


    Zitat von Plinfan

    Ich muss sagen ich mag Itoe jetzt schon.

    Schön zu hören =D Irgendwie hatte ich nämlich zu Anfang einen Groll gegen meinen eigenen Prota, also gegen sie, wieso auch immer x3 Aber inzwischen ist sie mir auch sympathisch ^-^




    Zitat von Plinfan

    verbessert auch die Frauenquote auf 25%

    Ich mag Geschichten nicht, wo dann bei Shounen-Ai ausschließlich schwule Jungs auftauchen oder generell nur Jungs/Männer. Irgendwie musste ich dem behelfen, zumal ich als Mädchen ja irgendwo auch meine weibischen Gedanken lassen muss x3



    Zitat von Plinfan

    Ich hätte das erlich gesagt nicht vermutet da er ja sonst nich so viel mit Menschen zu tun hat.

    Nicht mit Menschen zu tun, aber dafür kann er sie umso besser beobachten und sie aus der Ferne studieren. Daraus lernt man meist auch eine ganze Menge ;3 Zudem habe ich mit Benji doch noch etwas Menschenkontakt geplant, warte mal ab ;>




    Ansonsten vielen Dank für deinen Kommentar, doch immer wieder eine Freude, was von meinen Lesern zu hören ^o^







    [/tabmenu]

    "僕の命令は絶対."
    "My orders are absolute."

    赤司・征十郎 ~

    3 Mal editiert, zuletzt von Namine ()

  • Kapitel 13: Drawn into battle




    || Fight this time, inside take a break from the lie you live
    I came this far, erase my scars
    ||

    ~ Evans Blue - Erase my scars


    „Ehrlich, wessen geniale Idee war es eigentlich, zu Fuß zu reisen? Nächstes Mal nehmen wir gefälligst den Zug, oder mieten ein Auto, oder…“ Benjamin hatte es wirklich versucht und er versuchte nach wie vor, Simons Gestöhne und Genörgele zu ignorieren, was ihm dank Simons Pedanz von Minute zu Minute schwerer fiel. Sie alle hier trugen ihr Päckchen, sowohl was ihre Reise und den Proviant betraf, als auch auf psychischer Ebene, und dass ein gewisses, verwöhntes Balg ununterbrochen seine Schimpftiraden zum Besten gab, machte ihre gesamte Situation nicht gerade besser.
    Im Grunde marschierte Benjamin stumm hinter den anderen her, während die fast im Zenit stehende Sonne, deren Hitze sich zwischen den ihren Weg flankierenden, verhältnismäßig niedrigen Felswänden sammelte, sein Hirn briet und sein Rucksack ihm mit jedem Schritt das Gefühl vermittelte, die Schwerkraft möge ihn ganz besonders gern. Er hegte nicht das Bedürfnis, sich den Streitereien anzuschließen, dazu schürte er einerseits zu enorme Schüchternheit – Simon und Itoe erschienen ihm noch immer wie Fremde im Vergleich zu Shohei - , und andererseits würde man ihn sowieso missachten, weshalb also solchen Aufwand betreiben?
    „Mann, Simon, jetzt halt‘ endlich die Klappe“, konterte Itoe genervt. „Es hilft nicht, wenn du in einer Tour meckerst und meckerst und meckerst. Das hält ja kein Mensch aus.“
    Benjamin mochte sie nicht. Warum, das wusste er selbst nicht so genau, sie hatte sich ihm lediglich von Anfang an unsympathisch präsentiert, zu erhoben für ihre wahren Verhältnisse, wichtigtuerisch… und zu allem Überfluss riss sie Shohei dabei ohne Weiteres mit sich, vergnügte sich scheinbar mit ihm an einem stillen Plätzchen, und Shohei hielt es nicht für nötig, sich zu erklären? Er hatte naiverweise, wie Benjamin nun realisierte, geglaubt, Shohei wäre anders, immerhin war ihm Geneviève so wichtig gewesen. Anders als all die Jungs in seinem Alter, die eher zu Simons unmoralischem Lebensstil tendierten, würde tiefstes Vertrauen und Empfindungen für derartigen Kontakt voraussetzen, anstatt die Ekstase im Affekt zu suchen… Wieso gaukelte Shohei ihm dann falsche Prioritäten vor? Benjamin log ihn doch ebenso wenig an, durfte man da etwa keine Gegenseitigkeit verlangen?
    „Du, meine Liebe, hast mir schon mal gar nichts zu sagen“, protestierte Simon lautstark, deutete provokativ mit dem Zeigefinger auf seine weibliche Begleitung. „Du bist schließlich die Neue hier und –“
    „Ach, deshalb habe ich also nichts zu melden, oder wie?“ Je mehr Unsinn Simon schwafelte, desto überschlagener erklang Itoes Stimme, kräftiger, ausholender, empörter. Unwirsch rückte sie ihren roten Rucksack zurecht, lief Simon wutentbrannt hinterher, der sie inzwischen schnelleren Schrittes abgehängt hatte. Ihre hellblauen Haare tanzten ihr wogenhaft nach, und leicht skeptisch bemerkte Benjamin, dass Shoheis Aufmerksamkeit ebenfalls ihren federleichten Locken galt. Er schnaubte verächtlich. Benjamin hätte es wissen sollen, ein Mädchen unter drei Jungs rief ausschließlich Ärger hervor. Wahrscheinlich würden sich Shohei und Simon in Azuria angekommen darum streiten, wer sich das Hotelzimmer mit ihr teilte. Und obgleich Shohei Benjamin wesentlich länger kannte als Itoe, in Folge dessen auch die Sensibilität und den Kummer in ihm, ließe er ihn für ein Mädchen links liegen, jemanden, für den es normal war, einen jungen Mann dermaßen zu mögen. Was sehnte sich Benjamin ein scharfes Messer herbei, er benötigte dringend ein Ventil. „Wie kann man bitte so altmodisch denken? Du hörst dich an wie ein Zehnjähriger, dem man beim Spiel vom Thron gestoßen hat! Und überhaupt, was starrst du mich so an? Wegen dir wollte ich bestimmt nicht mitkommen.“
    „Ja, ja, das sagen sie alle“, winkte Simon gelangweilt ab. „Und am Ende haben sie mich zitternd angefleht, nicht aufzuhören, und dabei seufzend meinen Namen gerufen.“ Purer Triumph spiegelte sich in seinen grasgrünen Augen, schelmisch lächelte er sie an und verschränkte die Arme hinter dem Kopf, woraufhin Itoe beschämt ihr Gesicht abwandte. Jedoch dachte er nicht im Entferntesten daran, jetzt aufzuhören. „Gib es einfach zu, dann können wir schneller…“
    „Hey, alles in Ordnung?“ Simons und Itoes Stimmen verblassten förmlich, fochten bloß noch im schwachen Hintergrund ihren Kampf, als Shohei das Wort an Benjamin richtete. Er hatte sich zurückfallen lassen und sich Benjamins langsamem Tempo angepasst. Besorgt musterte Shohei ihn, einige Sekunden verstrichen schweigend. „Du musst dich nicht ständig isolieren. Lass‘ die beiden zanken, die haben sich noch nicht aneinander gewöhnt. Oder bedrückt dich was?“
    Die Büsche am Wegesrand raschelten besänftigend im lauen Wind, gleichsam streichelte er durch Benjamins braune Strähnen, liebkoste seine leicht verschwitzte Haut, wehte in seinen Haarspitzen. Eine angenehme Abkühlung in der mittaglichen Hitze, allerdings nicht für sein erzürntes, gleichsam verletztes Gemüt. Shohei schaffte es stets, seine Mauer der stillen Verzweiflung ähnlich einer lächerlich niedrigen Hürde zu überwinden, zu seinem Innersten vorzudringen und unmittelbar im Chaos seiner Gefühle und Ängste zu lesen, als stünde es direkt in seinem Gesicht geschrieben. Reagierte er wirklich so offenherzig?
    „Ich…“, begann er stotternd, unbeholfen. Zwecklos zu lügen, Shohei würde es sofort enttarnen, und außerdem… konnte er nicht. Nicht bei Shohei. Als Benjamin zum Sprechen ansetzte, klopfte ihm sein Herz bis zum Hals. „Wollte euch nicht stören mit meiner… Anwesenheit.“ Krampfhaft fixierte Benjamin den staubigen Boden vor sich, wagte es nicht, Shohei anzublicken, nicht einmal riskierte er es, in seine Richtung zu linsen. Er wusste auch so, dass Shoheis strahlende Augen sich in seinen wehrlosen Leib bohrten, rechnete mit Vorwürfen seinerseits, warum er das noch immer dachte, mit Nachforschungen bezüglich dessen und seiner vermutbaren Abneigung gegenüber Itoe… Spöttisch auflachend gestand Benjamin es sich selbst ein. Simon akzeptierte er, weil dieser und Shohei sich seit Langem verabscheuten. Doch Itoe, mit ihr verstand Shohei sich prächtig, lachte, scherzte mit ihr… das gehörte garantiert nicht zu seinem ‘Job‘ und ebenso wenig verdiente er damit Geld. Natürlich verkörperte Benjamin im Vergleich dazu ein unnützes Nichts, er benötigte keine Beachtung, bedurfte keinerlei Zuwendung, nie erlaubte man ihm, etwas Schönes zumindest eine gewisse Zeit lang allein zu genießen, immer musste er teilen. Ungerecht. Schlichtweg ungerecht.
    „Soll ich dir mal ein Geheimnis verraten?“ Mit in den Hosentaschen seiner Jeans vergrabenen Händen schlenderte Shohei neben ihm her, beobachtete ausdrucksloser Miene Simon und Itoe, die sich nicht weniger Meter weiter vorn wild gestikulierend nach wie vor stritten. Weswegen, das vermochte Benjamin nicht mit Gewissheit zu sagen, zu große Entfernung trennte sie vom Bereich des Hörbaren, lediglich ihre Stimmen troffen vor Empörung, sowie Sturheit. Zudem fokussierte Benjamin seine Sinne momentan vollständig auf Shohei. „Das mit Itoe… war nur Bluff. Schwindel. Die Bibliothek in Saffronia wird überwacht. Sie hätte mir da draußen unmöglich erzählen können, was sie weiß, ohne dass wir entdeckt worden wären. Der Fleck an meinem Hals…“ Ein zarter Rotschleier schlich sich nun auf Shoheis Wangen, bewusst senkte er seine Stimme. „Von ihr, ja, aber bloß als Vorsichtsmaßnahme. Sie hat mich überrascht und ich… wegstoßen konnte ich sie ja auch nicht einfach, es war sehr… eng und –“
    „Es hat dir irgendwie gefallen“, beendete Benjamin missbilligend den Satz Shoheis. So dumm schätzte er Benjamin ein? Dass er ihm das zweifellos abkaufte? Seine anfängliche Freude bezüglich des Vorwandes, unter dem Itoe Shohei damals weggelockt hatte, erstarb augenblicklich, hinterließ für Benjamin ungewöhnlich schmerzhafte Spuren an seiner sowieso verkrüppelten Seele. „Ich bitte dich, Shohei, ich bin ein Junge, genau wie du. Du kannst mir nicht erzählen, es hätte sein Ego nicht aufgegeilt, dass ein hübsches, fremdes Mädchen dich in ein verlassenes Eckchen zerrt und sich an deinem Hals festsaugt.“ Seine eigenen Worte stachen auf Benjamin ein, immer und immer wieder, solange sie kontinuierlich in seinen Ohren widerhallten. Wieso hatte sie sich nicht Simon gekrallt, der stand doch immerhin auf sowas? Hätte ihm wohl zusätzliches Vergnügen bereitet, wenn Itoe ihre Zähne in seinem Hals versenkt hätte, aber nein, sie suchte sich Shohei aus, klar. Benjamin war es nicht gestattet, einen Tag ohne seine bodenlose Schwebe auf Erden zu weilen, man raubte ihm jedes Mal seine neu gewonnene Standhaftigkeit. „Das hätte ich echt nicht erwartet, Shohei. Nicht von dir. Du warst stets so vernünftig, mit klaren Prioritäten, was die Leute in deinem Umfeld betrifft… davon merke ich nichts mehr.“ Benjamin beschleunigte seinen Schritt, wollte weg von Shohei, allein sein, sich seiner Verlorenheit hingeben. Nie hatte er sich so betrogen gefühlt, so benutzt und anschließend in den Dreck geworfen, als verkörperte er nur eine Beschäftigung für hin und wieder, welche langweilig geworden war und ersetzt werden musste – bis warme Finger fest sein Handgelenk umschlossen und ihn an seiner vorläufigen Flucht hinderten. Erschrocken und gleichzeitig verachtend schaute er zu Shohei, dessen Augen sich bei jenem Anblick unverzüglich trübten. Loderndes Feuer wurde zu fast erloschener Glut.
    „Das stimmt nicht. “ Entschlossen, dennoch unendlich traurig erwiderte er Benjamins Blickkontakt, grub verzweifelt nach einem Fünkchen Vergebung, das er ihm zu entlocken vermochte. Leider war sein Vorhaben lediglich mit beschränkter Dauer gesegnet, musste Benjamin feststellen, denn die mattroten Iriden, von denen er sich prinzipiell ungeteilte Aufmerksamkeit, sowie tiefste Demut erhofft hatte, schienen vielmehr in die Ferne, an ihm vorbei zu starren. Für Benjamin Grund und Gelegenheit, sich aus Shoheis Griff zu befreien und sich wieder dem bröckeligen Pfad zuzuwenden – bis auch er am Himmel entdeckte, was die ganze Zeit über in Shoheis Fokus gestanden hatte.
    Samtene Flügel schwangen sich durch die warmen Lüfte, streuten bei jedem Schlag glitzernde Fragmente, die ebenso schimmerten wie ihr Urheber selbst, und vergingen im zarten Winde, der sie Beizeiten erfasste, um sie in die vergängliche Unendlichkeit zu säen. Die Federn der kraftvollen Schwingen leuchteten in einem verwegenen Eisesblau, stärker als Itoes Haarfarbe, gleichzeitig weit entfernt von der Intensität des azuren Himmelszeltes. Doch noch weniger traute Benjamin seinem Verstand über den Weg, als der ihm einen Menschen als Besitzer dieser Wunder vermitteln wollte. Er konnte es kaum glauben, sogar, als er direkt vor seinen Augen in majestätischer Eleganz und Ruhe landete. Natürlich hatten auch Simon und Itoe das Spektakel mitbekommen und waren zu Shohei und Benjamin geeilt, keuchten nun, atmeten schwer, und vor allem Itoe betrachtete den Neuankömmling sorgenvoll.
    Vor der Gruppe präsentierte sich ein etwa siebzehn- oder achtzehnjähriger Junge, so schätzte Benjamin, dessen etwas längere, braune Strähnen teilweise schwach der Erdanziehung trotzten, verwirbelt und zerzaust, wahrscheinlich vom Flug. Weiße Turnschuhe bildeten den Übergang zwischen Staub und dunkler Jeans, einer solchen, wie Benjamin sie bereits von Shohei kannte. In aller Gelassenheit zurrte der Fremde sein halb zerrissenes schwarzes Shirts zurecht, an dessen Stoff sich hier und da seine doch eher schmächtige Figur abzeichnete. Fasziniert von seiner neuen Umgebung, erhob der Neuling seinen Blick, einen nach dem anderen inspizierte er schelmisch lächelnd die vier Freunde, welche ihn ebenso irritiert ansahen. Sofort erhaschte er Benjamins Interesse, hatte der schließlich stets bezweifelt, ein derartiges Rot in den Augen eines anderen als Shohei je wieder zu finden. Automatisch keimte in Benjamin die Frage, ob Shohei eventuell mit dem Unbekannten verwandt war, aber ein flüchtiges Spähen zu Seiten Shoheis verriet ihm, dass diese Vermutung nicht zutraf. Sein Verhalten, seine Mimik… bei Simon hatte er komplett anders reagiert, zumal man die Neugier und im Zuge dessen das Misstrauen förmlich auf Shoheis Antlitz ablesen konnte. Er trat einen Schritt zur Seite, stellte sich schützend vor Benjamin. Dieser fasste noch immer nicht, dass der Junge jene so anmutigen, mächtigen Flügel tatsächlich auf dem Rücken trug. Inzwischen hatte er sie der Beweglichkeit halber ein wenig eingezogen, nichtsdestotrotz ragten sie gleich denen eines Engels stattlich über seine Statur hinaus. Wie war das möglich? Ein menschliches Wesen, verbunden mit dem Körperteil eines… Pokemon?
    „Ist es gestorben?“, lautete Simons erste Frage. Benjamin registrierte enorme Wut in seiner Stimme, gleichsam die Zurückhaltung, nicht zu schreien, in die er fast all seine Beherrschung investierte. Seine Worte hätten selbst härtesten Stahl spielerisch durchtrennt, so scharf ertönten die Silben. „Hast du es dafür umgebracht?“
    „Auge um Auge, Zahn um Zahn“, seufzte der Junge die Antwort auf Simons Frage. „Weißt du nicht, dass, wenn du Schlechtes tust, dir auch Schlechtes widerfährt? Ich habe das Ganze lediglich… sagen wir beschleunigt.“ Auf einmal verspürte Benjamin den Drang in sich, etwas gegen den Fremden zu unternehmen, egal was. Nicht, weil er unzulänglich auf ihn wirkte, seltsam, gar gefährlich, nein… Benjamin empfand es schlichtweg als seine Pflicht, und zwar aufgrund der zahlreichen Impulse, die sein Körper ihm sandte, beispielsweise das feurige Zucken in seinen Fingern.
    „Was hat es dir denn bitte schön angetan?“, meldete Shohei sich zu Wort. Seine Stimme bebte. Alles von wirklich wenigen Malen standen Shohei und Simon nicht an entgegengesetzten Fronten, sondern an derselben, und Benjamin fragte sich, was Letzteren dazu bewog, sich so für ihn untypisch bezüglich seiner eigentlichen Einstellung zu verhalten. Was kümmerte ihn ein legendäres Pokemon? Natürlich war es schrecklich, keine Frage, dass jemand so kaltherzig und anscheinend mit Vergnügen ein dermaßen mächtiges Wesen ohne Skrupel ermordete, doch normalerweise scherte sich Simon keinen Deut um so etwas. Oder kannte Benjamin ihn schlichtweg zu wenig?
    „Ich weiß schon“, spottete besagter Blondschopf verächtlich, stahl dem Fremden somit die Möglichkeit, auf die ihm gestellte Frage sofortige Antwort zu geben. „ ‘Ihr würdet es nicht verstehen, den Schmerz, die Ablehnung, meine Kindheit war von schlimmen Qualen geprägt, ich zur Einsamkeit verdammt‘, die übliche Leier. Habe ich noch was vergessen?“ Mit Unbehagen registrierte Benjamin den Wandel im Blick des Ankömmlings. Amüsement, Überlegenheit und die scheinbare Freude über die schicksalhafte Begegnung entwickelten sich zu Beleidigung, Missfallen, sowie verletztem Stolz. Apathischer, dennoch entschiedener Miene musterte er sie einen nach dem anderen, begutachtete den Einzelnen einige Augenblicke, ehe seine Aufmerksamkeit sich an Shohei heftete.
    In Benjamins Kehle bildete sich ein dicker Kloß, welcher sogar durch mehrmaliges Schlucken nicht zu verschwinden gedachte. Höchste Vorsicht war nun geboten, man spürte förmlich die Unberechenbarkeit des Fremden, die Luft um ihn herum begann zu knistern. Unbewusst spannten sich Benjamins Muskeln an, bereiteten sich auf eine blitzschnelle Reaktion vor, sollte es zu einer Notsituation kommen. Erste Wärmeströme mobilisierten sich in seinen blanken Handflächen, er trat wortlos neben Shohei. Ein scharfer Seitenblick seiner Wenigkeit, dann wandte er sich erneut dem Neuling zu. Nicht einmal Itoe wagte bloß eine unüberlegte Bewegung.
    Ein hämisches Grinsen zeichnete sich plötzlich auf den Lippen des Jungen ab, etwas Bedrohliches, schier Verrücktes entflammte in seinen feuerroten Augen. Im Anschluss entfaltete er die volle Pracht seiner eisblauen Schwingen, breitete die gesamte Spannweite des Federkleides aus, und im selben Zug formte er eine schwärzlich violette Kugel zwischen seinen gewölbten Händen und Fingern. Stetig wuchs sie nach seinem Belieben, unheilvoll sprühte sie finstere Funken, die ihren Ursprung und gleichsam ihren Tod im rotierenden Inneren des Furcht einflößenden Balles fanden. Separate purpurne, schwarze, sogar weiße Fragmente wirbelten dort durcheinander, verkörperten die Energiequelle des in verschiedenen Violett Tönen leuchtenden Unglücks.
    Ohne weiteres Zögern erhob der Fremde sich schwungvoll in luftige Höhen und nutzte den Auftrieb, um seinem Angriff mehr Verheeren zu verleihen. Gekonnt schleuderte er sie von sich, ihren Kurs bestimmte Shohei als anvisiertes Ziel, und obwohl Benjamin im Grunde nicht wusste, ob er diese Attacke abzuwehren in der Lage wäre, sprang er ungehemmt in dessen Flugbahn, direkt vor Shohei, und entfachte eine gigantische Flammensäule, welche der düsteren Sphäre entgegenwirkte. Beide Attacken prallten mit voller Wucht aufeinander, verursachten eine noch enormere Hitze als Benjamins Zutun allein, und endeten in einer grellen, lautstarken Explosion. Trotz der markerschütternden Druckwelle setzte Benjamin seinem Feuerschwall kontinuierlich mehr Zündstoff zu, hörte nicht auf, die Flammen seinen Händen zu entlocken, aus Angst, lediglich ein kurzer Moment der Nachlässigkeit würde ihn seine Verteidigung kosten, gar Shohei verletzen. Rauch kratzte in Benjamins Lunge, ein bitterer, beißender Geruch in seiner Nase, seine Augen tränten schon. Am Rande das Rauschen seines Feuers, seiner Macht, dazwischen das Husten der anderen. Egal. Solange er Shohei beschützen konnte, war sämtliches Andere egal. Unwichtig. Irrelevant. So hatte er gedacht, als er sich vor Shohei geworfen hatte, und er würde jenes Denken keineswegs aufgeben.
    Seine Arme und Beine zitterten bereits vor Anstrengung, drohten, ihren Dienst zu versagen. Haarsträhnen wirbelten um sein schmerzendes Antlitz, selbst die Tränen auf seiner Haut schienen zu glühen, seine Kleidung anzusengen, an ihn geschweißt zu werden. Ohrenbetäubender Lärm echote in seinen Ohren, dann auf einmal Totenstille. Nichts. Keine Stimme erklang, kein Lachen ertönte, kein Manöver des Gegners folgte mehr. Sie weilten wieder unter sich. Und endlich befasste sich Benjamin mit seiner eigenen Verfassung, seinem eigenen Befinden. Keuchend fiel er auf die Knie, rang hustend nach Luft, während der Smog sich allmählich lichtete, das Azur des Himmels sich erneut zeigte.
    Haare klebten an seiner verschwitzten Stirn, er brauchte dringend frischen Sauerstoff, stechend verlangten seine Lungen nach neuem Lebenshauch, und ihr Besitzer kämpfte mit der darin begründeten, sich ankündigenden Ohnmacht. Das Sichtfeld noch größtenteils verschleiert, gruben seine Finger sich haltsuchend in den Staub. Benjamin wollte das Bewusstsein nicht verlieren, nicht jetzt, wo er sich noch nicht sicher sein konnte, den Feind endgültig vertrieben zu haben, das durfte er nicht. Bunte Punkte tanzten vor seinem inneren Auge, das Blut sackte aus seinem Kopf nach unten, er wankte, alles drehte sich, doch noch nie wollte er so sehr in der ihm heimischen Welt bleiben – und das nicht einmal um seiner eigen Willen. Einen Moment stutzte Benjamin deshalb, hielt inne in seinen Gedankengängen. Ja, er tat das für Shohei… so selbstlos, fern jeglicher Rationalität… verhielt man sich so unter Freunden? Nur unter Freunden… bis sich jemandes Arm um seine Schulter legte, ihm Halt gewährte. Und erstaunlicherweise erkannte Benjamin einzig an der Art und Weise der Berührung, um wen es sich dabei handelte. Es flößte ihm unglaubliche Erleichterung ein. So gut es ging, stieß er einen Seufzer aus.
    „Du musst nicht immer den Helden spielen“, flüsterte Shohei ihm zu. Die Stimme krächzte eher, als dass sie sprach, trotzdem freute es Benjamin ungemein, überhaupt etwas von Shohei zu hören, wenngleich seine Ohren nach wie vor von Taubheit beeinträchtigt wurden. „Irgendwann geht es schief und dann…“
    „Wird es das wert gewesen sein“, hustete Benjamin seicht lächelnd, benommen, weiterhin abgeschottet von der ernsten Realität. „Was habe ich zu verlieren?“
    „Meinen Respekt, wenn du so weiter machst.“ Stück für Stück half Shohei ihm auf die Beine, ein längerwieriger Prozess, aber letzten Endes stand Benjamin, mehr oder weniger. Er wackelte, knickte einige Male ein, bevor er mit Shoheis stützender Hilfe die ersten richtigen Schritte hinaus aus dem Zentrum der Rauchwolke zustande brachte. Nach einer Weile stießen ebenfalls Simon und Itoe dazu, etwas verwirrt und orientierungslos, nichtsdestotrotz unversehrt. Hektisch schauten sie sich um, auf der Suche nach demjenigen, dem sie schutzlos ausgeliefert gewesen waren. Er war fort, so schien es.
    „Alles okay?“, stammelte Simon nur, unfähig, mehr zu äußern. Auch in Itoes klaren Iriden ließ sich jene Frage lesen, des Weiteren allerdings schwieg sie, vermutlich aufgrund des Schocks. „Was… war das?“
    „Ein Verrückter. Irrer. Wahnsinniger“, zählte Shohei auf. „Willst du noch mehr hören? Der Amokläufer von heute, mit Pokemon-Kräften bewaffnet.“
    „Und was… bringt es ihm, dich anzugreifen?“ Benjamin zitterte, alles an ihm, aber er hielt sich wacker auf den Beinen, die Blöße wollte er sich nicht geben, erst recht nicht unter Itoes skeptischem Blick. Argwöhnisch musterte sie ihn, Benjamin hörte es in ihrem Gehirn rattern, arbeiten. Was reimte sie sich gerade zusammen? Tja, er stand Shohei mindestens so nahe wie sie, sollte sie mal sehen, außerdem hatte sie nicht ihr Leben für seines riskiert. Benjamin schnaubte spöttisch. Ihr Fokus auf sich behagte ihm nicht gerade, es zu ändern vermochte er jedoch momentan nicht, also beließ er es dabei. Trotzdem würfe er in Zukunft ein Auge auf Itoe. Sie wusste etwas.
    „Wenn er wusste, dass Einer von uns eingreifen würde…“ Shohei führte seine Vermutung nicht weiter, sondern stellte sie lediglich offen in den Raum. Seine Fingerkuppen glitten an seinem Hals entlang, danach verfrachtete er Benjamins schwächelnden Leib auf einen nicht weit entfernten Stein, damit er sich setzen konnte. Die Abwehr hatte ihm körperlich mehr zugesetzt als erwartet, er fühlte sich so ausgelaugt wie lange nicht, und würde am liebsten einfach schlafen. Bis zum nächsten Morgen oder zum übernächsten.
    Shohei bemerkte seinen kritischen Zustand sofort, hockte sich neben ihn und strich ihm behutsam die Haarsträhnen aus dem Gesicht. Er kramte kurz in seinem abgelegten Rucksack, reichte Benjamin seine Wasserflasche, der sie dankend annahm. Kühl rann das Nass eine trockene Kehle hinab, wohltuend, reinigend, spülte all den Staub weg von den Teilen seines Körpers, an denen er ihn unangenehm wahrnahm. Eine Weile beobachtete Shohei ihn beim Trinken, richtete sich anschließend wieder an die gesamte Gruppe. „Und nun?“
    „Ein paar Stunden können wir wohl hier rasten“, schlug Simon vor. „Bloß würde ich ungern bei Nacht in Azuria ankommen.“
    „Mit den Polizisten ist wirklich nicht zu spaßen“, ergänzte Itoe stöhnend. Benjamin schaffte es nicht einmal mehr, sie anzublicken. Er genoss den sanften Wind, der seine Haare wog und versuchte, den ekligen Gestand des Smogs aus seiner Nase zu verbannen. Diesmal wusste er seine Feuermacht wahrlich zu schätzen.






    ***



    Die Sonne schien über der Kleinstadt Azuria City.
    Wärmend sandte sie ihre erhellenden, wohltuenden Strahlen hinab zu den Erdenbewohnern, schickte die Temperaturen auf einen durchaus akzeptablen Höhenflug, man könnte meinen, sie vertriebe sogar die schlechte Laune unter den arbeitenden und auf dem Weg zu dieser befindlichen Leuten. Azuria bildete im Verhältnis zu Prismania oder Saffronia eine relativ kompakte Stadt, wenn nicht bloß ein Dorf. Selten begegnete man einer Behausung mit mehr als zwei Stockwerken, es sei denn, es handelte sich um einen besonders preiswerten Wohnblock, oder eine Art von geschäftlichem Unternehmen.
    Zwei große Hauptstraßen voll von Nachmittagsverkehr teilten die Kleinstadt, ansonsten schlängelten sich unzählige schmale Nebenstraßen entlang der einzelnen Gebäude, Ein- oder Zweifamilienhäuser, gemütliche Hütten, gefestigte Steinblöcke in baulich ausgerichteten Siedlungen, in denen die Menschen sich mit den Nachbarn besonders gut verstanden. Ein wahrlich beschauliches Kaff, so fand Simon, genauso, wie es sich in seiner Erinnerung eingebrannt hatte. Keine sonderlich auffälligen Farben oder Muster an den Hauswänden, die spitzen Dächer entweder rot, schwarz oder braun, ein Großteil der Eigentümer verfügte obendrein über einen Vorgarten und einen richtigen Garten, manchmal von niedrigem Gemäuer oder Gezäun umrandet, hin und wieder fand man eine ordentlich gestutzte Hecke an der inneren Begrenzung des Bürgersteigs. Teure Kleiderläden musste man hier gar nicht erst suchen, geschweige denn Boutiquen, denn dergleichen existierte ausschließlich in Metropolen.
    „Warum sind wir gleich nochmal hier?“, warf Itoe fragend in den Raum. Sie alle schlenderten gemütlich auf dem Gehweg, nur Simon wusste, wohin sie auf diesem Kurs gelangten, nämlich zu seinem alten Bekannten. Des Öfteren schoben sie sich an eilenden Passanten vorbei, und an solchen, die sich schlichtweg zu fein waren, für die Jugendlichen Platz zu machen. Fahrende Autos rumorten neben ihnen auf der Straße, bei Anfahrt heulten Motoren auf, und Simon identifizierte sofort den leicht bitteren Gasgeruch, der in der Luft lag.
    „Simon hat hier gewisse Bekanntschaften, die uns angeblich etwas zu unserem… Problem sagen können“, erklärte Shohei mit leicht spöttischem Unterton. Sofort schärfte sich Simons Verstand, inzwischen war er intuitiv in der Lage, solche versteckten Seitenhiebe zu enttarnen, vor allem, sofern Shohei sie äußerte. „Also, wo ist dein Freund denn nun? Warte, handelt es sich überhaupt um einen ‘Er‘?“
    „Würde mich wundern“, mischte Itoe sich kichernd ein und zögerte dabei keine Sekunde, Simons vorwurfsvollem Blick standzuhalten. Nicht nur, dass Shohei das einfach ohne ihn entschieden hatte, nein, jetzt wagte sie es auch noch, frech zu werden. Was bildete sie sich darauf ein?
    Sie bogen links in eine Seitenstraße ein. Parkende Vehikel in monotonen Farben rechts und links, keine schicken Luxusschlitten, vielmehr die mageren Beförderungsmittel der durchschnittlichen Arbeiterklasse. Allmählich verringerte sich die Lautstärke des fließenden Verkehrs, stattdessen ertönten Rasenmäher, Motorsägen, Drechsler, platschendes Wasser auf dem Betonboden vor und innerhalb der Garage. In der Ferne ragte der schwärzlich getünchte Mondberg gen klarem Azur, schien es beinahe aufspießen zu wollen in seiner königlichen Gestalt.
    „Wer von uns vergreift sich eigentlich an Jungen, Shohei?“, feixte Simon verstimmt nach hinten zu seinen Gruppenmitgliedern, er selbst führte diese ja aufgrund seiner weiteren Kenntnisse bezüglich des Zieles an. Mit Itoe im Schlepptau jedoch bescherte es Simon lediglich halb so genüssliches Vergnügen, Shohei auszustechen, beteiligte sie sich dreisteshalber, ohne den geringsten Schimmer von ihrer Situation zu besitzen. Vielleicht beschloss sie ja im Nachhinein doch noch, nach Hause zurück zu kehren, sie wollte Simon immerhin nicht einmal etwas ihre Reise versüßen. „Das bin wohl nicht ich. Der arme Benjamin sagt kaum ein Wort, woran mag das wohl liegen?“
    „Keiner von uns weiß, ob du wirklich ausschließlich Mädchen abschleppst“, erwiderte Shohei tadelnd. „Du verheimlichst uns ja leider die pikanten Details. Wenigstens war der Aufenthalt in dem Hotel in Saffronia dank deiner Eskapaden um einiges preiswerter.“
    „Es gibt nunmal Dinge, die muss nicht jeder wissen. Und wenn der Kleine dich in der Hinsicht schlichtweg nicht befriedigen kann, ist das dein Pech. Deshalb werde ich dir garantiert nicht mein gesamtes Liebesleben offenlegen.“ Simon entfernte mit einer raschen, ruckartigen Kopfbewegung einige störende Strähnen aus seinem Antlitz, zerrte seine weiße Jacke zurecht, verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Dank ihrer lautstarken Unterhaltung drehten sich mehrere Fußgänger bereits nach ihnen um, starrten sie empört an, doch das alles störte Simon momentan keineswegs. Er sähe sie ohnehin wahrscheinlich nie wieder, wieso also Mühe aufwenden, ihnen zu gefallen, gar höflich zu wirken?
    „Jetzt hör mir auf“, protestierte Itoe aufgebracht, beschleunigte ihren Schritt, bis sie mit Simon auf einer Höhe ging. Aus den Augenwinkeln bemerkte er ihre hellblauen, leichtfüßig tänzelnden Haare, sie wippten bei jedem ihrer Schritte. „Wie redest du eigentlich mit deinen Freunden? Das –“
    „So, wie sie mit mir reden“, fiel Simon ihr ins Wort, erntete infolgedessen einen mehr verwunderten als erzürnten Blick Itoes. „Falls du wirklich Frieden schaffen willst, sag Shohei, er soll mich meinen Lebensstil leben lassen, denn das Ganze wäre nie passiert, hätte besagter Herr unserer Freundschaft damals ein wenig mehr Wert zugeschrieben!“
    „Leute, beruhigt euch, da kommt schon der zweite Polizist auf unserer Seite“, versuchte Benjamin sich einzubringen, aber nicht einmal Shohei beachtete ihn.
    „Jetzt ist es auf einmal meine Schuld, dass du so ein verdammtes Arschloch gegenüber Mädchen geworden bist? Geneviève hatte meine gesamte Aufmerksamkeit verdient! “
    „Und das gibt dir einfach das Recht, unsere jahrelange Freundschaft wegzuwerfen?“ Im Grunde wollte Simon das gar nicht ausdiskutieren, erst recht nicht auf offener Straße und vor Itoe und Benjamin, jedoch zwang Shohei ihn regelrecht dazu. Abrupt blieb Simon stehen, drehte sich um und baute sich vor Shohei auf. Dieser hatte seinen Rucksack bereits kurzfristig Benjamins Obhut anvertraut, während Simon wild mit seinen Händen gestikulierte. „Ich habe Geneviève mindestens so sehr geliebt wie du, mein Lieber. Du wusstest das ganz genau, schnappst sie mir vor der Nase weg und lässt mich noch dazu links liegen, als wäre ich gestorben. Was hast du jetzt davon? Mich bist du schon lange los, sie inzwischen auch, und was bleibt dir? Nichts, Shohei. Gar nichts.“
    „Sie war es wert“, entgegnete Shohei geistesabwesend. Wenige Momente zuvor wäre er Simon voraussichtlich bald an die Gurgel gesprungen vor Wut, so sehr hatte sich seine Stimme im Zorn überschlagen. Mittlerweile allerdings sprach er langsamer, ruhiger, musste er eingesehen haben, dass keineswegs bloß Simon Schuld und Verantwortung trug, weder an Simons extremem Charakterumschwung, noch an den Scherben ihrer Freundschaft. „All die schöne Zeit mit ihr…“
    „Kann ich den Herrschaften behilflich sein?“ In ihrem Streit hatten Simon und Shohei die neue Partei gar nicht bemerkt, die sich ihrer Gruppe angeschlossen hatte, und auch Itoe und Benjamin hatten die alten Freunde in ihrer Euphorie nicht rechtzeitig warnen können. Naja, Letzterer hatte es wenigstens versucht, realisierte Simon im Nachhinein, es war lediglich im Getümmel untergegangen. „Ihr unterhaltet euch hier ja bereits längere Zeit sehr lautstark, einige Anwohner haben sich beschwert. Dürfte ich um eure Ausweise bitten?“
    Tatsächlich handelte es sich um einen blau uniformierten Polizisten mit gleichfarbiger, für Beamten jenes Standes typischer Kopfbedeckung. Er überragte sogar Shohei als Größten des Quartetts, und war um einiges muskulöser gebaut als jeder von ihnen. Oberhalb seiner breiten Schultern neigte sich sein kantiges, verschwitztes Gesicht zu der Truppe hinab, die Augen seines spitzen Antlitzes hinter getönten Brillengläsern verborgen, sein kurzgeschorenes, rotbraunes Haar größtenteils unter seiner Mütze versteckt. Neben ihm hockte der Feuerhund Fukano, jederzeit zum Angriff bereit. Sein beiger, voller Schweif schimmerte weißlich im hellen Sonnenlicht, stand umso stärker im Kontrast zu seinem rötlichen Fell und den darauf befindlichen, schwarzen Streifen.
    „Aber natürlich“, bestätigte Simon unverzüglich, wusste er doch ob der Strenge der Staatsbeamten in Azuria nur zu gut Bescheid. Aus der Hosentasche seiner Jeans zog er ein schwarzes Portemonnaie und reichte dem Gesetzeshüter seine Papiere. Er ahnte, dass es mindestens bei Benjamin zu Komplikationen käme, nahm er an, Shoheis Schützling besäße aufgrund seines bisherigen Lebens, das nicht gerade von ungetrübter Freude geprägt gewesen war, nicht unbedingt solche Unterlagen. Shohei ließ er komplett außer Acht, der verfügte unter Garantierte über einen gültigen Ausweis und Itoe… mal sehen, vielleicht genügten dem Beamten Simons Papiere. Sorgfältig kontrollierte der Polizist diese, unterdessen kramten die anderen nach den ihren. Ein bedrohliches Knurren drang aus der Kehle des wachsamen Fukano, es musterte Itoe mit merklicher Skepsis. Spürte es ihre Nervosität?
    Wortlos händigte der Beamte Simon seinen Ausweis wieder aus, er verstaute sie sofort an der dafür vorgesehenen Stelle und schulterte seinen Rucksack. Der Argwohn des Feuerhundes beunruhigte Simon. Sie mussten schnellstmöglich von hier weg. Unauffällig suchte Simon Blickkontakt zu Shohei. Ihr Konflikt war keineswegs aus der Welt, aber wenn sie diesen nicht zumindest für den Augenblick beiseiteschoben, hätten sie bald weitaus folgenschwerere Schwierigkeiten. Schon bald erhaschte er Shoheis Aufmerksamkeit, der schien bereits zu ahnen, dass Simon etwas plante. Eine unauffällige Handbewegung Simons, dann begriff Shohei erhobener Augenbraue, was Simon zu tun gedachte, ein anschließendes Kopfnicken in Itoes Richtung – sie wurde just kontrolliert – signalisierte ihm, so hoffte Simon, dass Shohei sich dahingehend um sie kümmerte.
    „So so, Fräulein Nakamura“, räusperte sich der Polizist plötzlich, nachdem er prüfend auf eine digitale Apparatschaft geblickt hatte, die einem Mobiltelefon ähnelte. „Ich muss Sie bitten, mich zu begleiten. Ihre Großeltern haben Sie heute Morgen als vermisst gemeldet.“ Zunächst perplex, zögerte Simon, etwas zu unternehmen, doch als der Staatsdiener Itoe gewaltsam mit sich zerren wollte, schritt er ein.
    „Jetzt, Shohei!“, rief er aus Leibeskräften, betete, flehte, es würde funktionieren. Irritiert davon lockerte der Polizist seinen Griff um Itoes Arm, sodass es Shohei gelang, sie komplett aus seiner Reichweite zu verfrachten. Im Anschluss daran flüchtete er mit ihr, sowie Benjamin hinter die nächste Hecke und somit außer Sichtweite. Das bedeutete freie Bahn für Simon. Ein voller Schub Adrenalin schoss durch seine Venen, als er bloß knapp einer Biss-Attacke des Fukano entkam, das zähnefletschend einige Meter von ihm entfernt zum Halten kam. Simon selbst landete in einem weiten Ausfallschritt, orientierte sich kurz und schleuderte mit ausgestreckter Hand einen Blitz auf das orangerote Hundewesen. Qualvoll johlte es auf, zerriss die warme, gar schwüle Luft mit seinem markerschütternden Schrei, konnte sich jedoch nicht mehr bewegen, war es bereits halb paralysiert. Simon spürte die Elektrizität in seinem Körper fließen, in jeder Faser, jedem Knochen, während er unablässig Starkstrom auf das Fukano richtete, ungeachtet dessen Flehen um Vergebung. Grell leuchteten die züngelnden blauen Blitze, tauchten die Nachbarschaft in einen in den Pupillen schmerzenden Schein, so hell, dass man glaubte, darunter zu erblinden.
    Als die Feuerkreatur ohnmächtig zu Boden ging, kümmerte sich Simon um seinen fassungslosen Besitzer, diesmal jedoch nicht ganz so rücksichtslos. In seinen Fingern juckte, kitzelte es fast angenehm, ehe er dem Polizisten eine enorme, aber nicht tödliche Dosis Elektrizität verabreichte. Das Funkgerät an seinem Gürtel sprühte Funken, verursachte eine kleine Explosion, deren Druckwelle Simon Staub in die Augen wehte, auf seiner Haut brannte, und nach wie vor zuckend brach auch der Staatsbeamte letztlich zusammen. Einzelne kleine Blitze huschten über seinen bewegungsunfähigen Leib, versetzten ihm weitere ungefährliche Schocks, auch ohne Simons fortlaufendes Zutun. Keuchend, nichtsdestotrotz erleichtert, es geschafft zu haben, richtete er sich auf, fuhr sich mit gespreizten Fingern durch sein blondes, nunmehr verstaubtes Haar. Ihm selbst fügte die Elektrizität soweit keinen Schaden zu, geschweige denn nahm sie sichtbaren Einfluss auf ihn, sofern er es nicht wollte. Er schwitzte leicht, rang nach Luft, taumelte ein wenig. „Shohei!“
    Wie auf Befehl sprang der wieder aus dem Gebüsch hervor, gefolgt von Itoe und Benjamin, welche überhaupt nicht zu verstehen schienen, was gerade passiert war. Nun, Itoe noch weniger als Shoheis kleiner Freund, der wusste immerhin ob Simons Kräften Bescheid, aber das hatte schon seine Richtigkeit. Fassungslos starrte Itoe auf Simons ohnmächtige Gegner, den Mund vor Entsetzen halb geöffnet, wollte sie sich in nächster Sekunde vergewissern, ob sie noch lebten, allerdings hielt Shohei sie zurück.
    „Was…“, stammelte sie ungläubig, begriff nicht, was Simon da angerichtet hatte, ahnte hoffentlich nicht, dass er dafür verantwortlich war. Niemand antwortete ihr.
    „Laufen?“, fragte Shohei trocken. Er kannte es ja bereits. Auch Benjamin rückte die Tasche auf seinem Rücken zurecht, überreichte Shohei die seine.
    „Laufen“, entgegnete Simon knapp. Er ließ zunächst die anderen passieren – Shohei musste Itoe förmlich zum Laufen zwingen, sie an den Oberarmen gepackt neben sich her schieben - , betrachtete ein letztes Mal die unter Strom gesetzten, besiegten Feinde, bevor er selbst zum Sprint ansetzte, seine Kumpanen einzuholen. Es war nicht anders gegangen, dennoch hatten sie jetzt ein richtiges Problem.

  • Huhu, ein leicht verspäteter Kommentar diesmal.


    Ich hab mich ziemlich gefreut das ein neues Kapitel rauskommt. Auch das Kapitel an sich hat mich ziemlich überrascht, da ich nicht erwartet hätte das die Reise so anfängt. Am Anfang merkt man noch relativ gut das die Gruppe noch nicht wirklich beste Freunde sind, aber zumindestens gehen sie sich nicht komplett an die Gurgel also nehme ich an das kann noch werden. Ich bin auch nicht darüber überascht das Benjamin Shohei es nicht ganz glaubt was in der Biblotheke vorgefalllen ist. Ich würde so eine Geschichte auch nicht sofort glauben, auch wenn sie wahr ist. Wobei ich würde an Benjamins stelle es sehr seltsam finden wenn jemand wie Shohei aus dem nichts mit einem fremden Mädchen rummacht, da Shohei nicht so wirklich der Typ ist so etwas zu tun. Was mich dann am meisten am Kapitel überascht hat war das Erscheinen dieses Geflügelten . Ich frage mich ob Benjamin auch so etwas geworden währe, wenn er von der Regierung entdeckt worden währe. Ich bin mir auch nicht sicher woher er überhaupt herkamm und was er von Shohei. Ich finde es allerdings gut das Benjamin Shohei sofort verteidigt hat. Das zeigt das Shohei in doch sehr viel bedeutet. Ich nehme an das die erschöpfung auch davon kommt das er seine Kräfte aus offensichtlichen Gründen nicht gerne einsetzt anders als Simon. Auch das Itoe auch gesucht wird kann nur Probleme bedeuten, besonders nach dem was am Ende des Kapitels pasiert. Ich find es gut das Simon auch die anderen schützen will, das zeigt das trotz seines benemmen sich auch um die anderen sorgen macht. Die Art und Weise wie er das Problem gelöst hat ist zwar etwas auffahlig aber ich nehmen an er hatte da keine rechte wahl. Alles in allen ein sehr gutes Kapitel und ich freue mich schon wie es weitergehen wird.

    "We starve, look at one another, short of breath. Walking proudly in our Winter coats. Wearing smells from labortories, facing a dieing nation of moving paper fantasy, listening for the new told lies with supreme vision of lonely tunes"
    Hair, Let the sunshine in