Erinnerungen

Wir sammeln alle Infos der Bonusepisode von Pokémon Karmesin und Purpur für euch!

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    Hallo...


    Nachdem ich hier in letzter Zeit (vorrangig, wegen dem mangelnden Feedback) wenig gepostet habe, dache ich aber, da ich in letzter aber sehr viele One-Shots und Kurzgeschichten schreibe, dachte ich, ich könnte einige davon - und auch ein paar meiner etwas älteren Geschichten, aus den letzten zwei Jahren, hier veröffentlichen. Dabei sei gesagt, dass es sich hierbei nicht nur um Pokémon-Geschichten handelt, sondern um One-Shots zu allen möglichen Themen. Ein Teil der Geschichten sind auch komplett ohne Serienzugehörigkeit, sind also Originale.


    Wovor ich eventuell noch warnen sollte: Meine Geschichten sind keine Kurzgeschichten, sondern eben One-Shots.
    Das soll heißen: Sonderlich kurz sind sie oft nicht.
    Gerade bei meinen Originalen finden sich Geschichten, die knapp zwanzig Seiten lang sind - was aber nichts daran ändert, dass es One-Shots sind (sprich: Sie sind in einem Kapitel abgeschlossen).
    Aber es gibt auch ein paar kürzere Geschichten ;)


    Der Titel der Sammlung ist übrigens nicht ohne Grund gewählt. Tatsächlich behandeln viele der Geschichten das Thema „Erinnerungen“ in irgendeiner Form. :)


    Wie immer ist Feedback natürlich sehr gerne gesehen.
    Nehmt dabei aber bitte Rücksicht auf das Datum, zudem die Geschichte entstanden ist. Denn mein Schreibstil hat sich in den letzten Monaten doch recht stark verändert.


    Viel Spaß!





    Übersicht


    Fabula I
    Schon lange verloren

    Serie: Pokémon || Genre: Action, Darkfic


    Fabula II
    Warten

    Serie: Digimon Adventure 02 || Genre: Drama, Gen


    Fabula III
    Winterfreude - Winterschmerz

    Serie: Hüter des Lichts || Genre: Drama, Gen


    Fabula IV
    Weihnachtsengel

    Serie: Madoka Magica || Genre: Drama, Fluff


    Fabula V
    Sie nannten ihn Kafka

    Serie: Eigene Serie || Genre: Kurzgeschichte/Kunsterzählung


    Fabula VI
    Sternenfest

    Serie: Digimon Tamers || Genre: Action, Gen


    Fabula VII
    Die Zeiten ändern sich

    Serie: Fluch der Karibik || Genre: Gen, Kurzgeschichte


    Fabula VIII
    Über Hexen

    Serie: Ojamajo DoReMi || Genre: Gen, Drama


    Fabula IX
    Sommerregen

    Serie: Digimon Tamers || Genre: Action, Gen


    Fabula X
    Unter dem Sternenhimmel

    Serie: Fresh Pretty Cure || Genre: Shojo-Ai, Drama


    Fabula XI
    Versteckte Stücke der Erinnerung

    Serie: Eigene Serie || Genre: Shojo-Ai, Drama, Mystery, Science Fiction

  • Serie: Pokémon
    Charaktere: Originalcharaktere
    Genre: Drama, Darkfic, Action
    Entstehungszeitraum: Mai 2011


    Handlung: Zwei Jungen, ehemalige Freunde, stehen sich in einem Kampf auf Leben und Tod gegenüber. Einst begannen sie ihre Reise zusammen, doch seit dem sind Dinge passiert, die sie für immer Verändert haben. Dinge, die sich einfach nicht rückgängig machen lassen. Und nun ist die Zeit gekommen, dass eine finale Entscheidung getroffen werden muss.




    Immer wieder blieb der braunhaarige Junge hustend stehen und sah sich um. Flammen und Rauch nahmen ihm beinahe vollkommen die Sicht und er war sich beinahe sicher, verloren zu haben, wonach er suchte. Er sollte sein Libelldra rufen und davon fliegen, wie es Touya wahrscheinlich schon lange gemacht hatte.
    Es wäre pure Dummheit noch länger in der niederbrennden Stadt zu bleiben. Hier war nichts und niemand mehr zu retten und wenn er länger bleiben würde, lief er Gefahr sich eine Rauchvergiftung oder schwere Verbrennungen zu holen.
    Doch da, gerade als er um die Ecke eines Hauses sah, erkannte er eine Gestalt.
    „Touya?“, hustete er.


    Wie ist es soweit gekommen?
    Erinnerst du dich noch, als wir Kinder waren...? Damals, als wir zusammen in Ebenholz aufwuchsen. Zusammen mit Natsuki. Noch bevor unsere Reise begann, haben wir unsere ersten eigenen Abenteuer erlebt.
    Ganz ohne eigene Pokémon, wollten wir den Eispfad erforschen wollten. Während Natsuki schon beim ersten wilden Quiekel zu weinen begann, wolltest du dich sogar einem Aufgescheuchten Botogel entgegen stellen.
    Schon immer hast du Ibuki bewundert. Ihre Stärke, ihre Schönheit, ihre Unerreichbarkeit.
    Du wolltest zu sein wie sie. Vielleicht noch stärker.

    Der Jugendliche blieb stehen und sah mit zusammengekniffenen Augen durch die Rauchschwaden zu der Gestalt. Langsam kam diese in seine Richtung. Sie trug einen langen, dunklen Mantel, der in aufsteigenden warmen Luft leicht wehte und wirkte in dieser eigentlich viel zu warm. Auch die schwarzen Haare des Jungen, der eigentlich schon fast ein junger Mann war, waren lang.
    Seine Augen zuckten nicht mal, obwohl ihm der scharfe Rauch eigentlich auch in diesen stechen müsste.
    „Wieso hast du noch nicht aufgegeben, Daichi?“, fragte er und blieb vor dem keuchenden Jungen, der selbst mit einem rot-schwarzem T-Shirt und einer dunklen Trainerhose bekleidet war.
    „Weil es falsch ist, was du tust“, erwiderte er mit belegter Stimme und sah ihn entschlossen an. „Niemand hat das Recht...“ Seine Hand wanderte zu seinem Gürtel, an dem die Pokébälle befestigt waren. „Lass Jirachi weiter ruhen!“
    Der andere Junge sah ihn an. „Nein“, war seine schlichte Antwort.
    Daichi zuckte und sah ihn an. „Wieso?“, fragte er.
    Doch der Blick Touyas blieb eisig. „Ein Schwächling wie du würde das nicht verstehen.“

    Weißt du noch, als wir unsere Reise begannen? Wir verließen Ebenholz City zu dritt, nachdem wir unser erstes Pokémon bekommen hatten. Du hattest Feurigel gewählt, Natsuki Endivie und ich hatte meine Reise mit Kanimani begonnen.
    Du warst davon überzeugt die nächste Liga gewinnen zu können, während Natsuki sich eigentlich sicher war, nicht einmal in der ersten Arena gewinnen zu können.
    Noch bevor wir die Stadt verließen, hast du Ibuki herausgefordert, hattest aber nicht einmal die Spur einer Chance. Immerhin hattest du nur ein untrainiertes Feurigel und dazu beherrschten einige ihrer Pokémon Wasserattacken.
    Also brachen wir nach Mahagonia City auf. Durch den Eispfad und über Route 44.
    Doch nach dem Arenakampf, den wir beide erfolgreich bestritten, während Natsuki verlor, trennten sich unsere Wege zum ersten Mal...

    „Touya!“, rief Daichi und hustete erneut. Seine Hand wanderte zu den Pokébällen an seinem Gürtel. „Ich will nicht gegen dich Kämpfen.“
    „Weil du ein Schwächling bist“, erwiderte sein Gegenüber, dem der Rauch nicht zu schaden schien. In seinem Arm ruhte ein ohnmächtiges Pokémon. Der Grund, warum er nach Hoenn gekommen war: Jirachi.
    Ohne zu zögern zückte er nun einen Pokéball. „Tornupto! Zeig diesem Schwächling, dass er sich mit uns nicht anlegen sollte.“
    Der Pokéball öffnete sich und mit einem tiefen Knurren materialisierte sich das Feuerpokémon zwischen den brennenden Holzhäusern.
    Daichis Blick war bedauernd, als auch er einen Pokéball von seinem Gürtel löste. „Morlord!“, rief er und mit einem klatschen erschien das Wasserbodenpokémon, das gegenüber seinem Gegner einen klaren Vorteil haben sollte.
    „Flammenrad!“, befahl Touya mit ausgestrecktem Finger.
    Sofort rollte sich das Pokémon zusammen und umgab sich selbst mit Flammen, um so auf Morlord zuzuschießen.
    „Morlord! Setz Aquaknarre ein!“, rief Daichi schnell, woraufhin sein Pokémon seinen Mund mit Wasser füllte und dieses als Strahl auf den ihm entgegenkommenden Flammenball spuckte.
    Für einen Moment wirkte es, als könnte die Attacke Tornupto tatsächlich aufhalten. Doch da entrollte sich das Feuerpokémon auf einmal und sprang in die Höhe, um im Sprung sein Maul zu öffnen.
    „Tornupto! Hyperstrahl!“
    Der Energiestrahl schoss auf Morlord hinab, noch ehe es oder Daichi etwas dagegen unternehmen konnten. Die Attacke traf, wirbelte eine Menge Staub und Asche zwischen den brennenden Gebäuden von Laubwechsel auf.
    Noch bevor sich die Wolke lichtete, wusste Daichi, dass Morlord verloren hatte.
    „Morlord, komm zurück“, rief er und hob den Pokéball, um seinen Partner mit dem roten Lichtstrahl zurückzurufen. Dann löste er einen weiteren Pokéball von seinem Gürtel.

    Letzten Endes schafften wir es alle rechtzeitig zur Pokémonliga acht verschiedene Orden aus Johto zu sammeln und in der Silberkonferenz anzutreten. Doch die Liga verlief erstaunlicher Weise ganz anders, als wir es angenommen hattest.
    Es war die letzte Vorrunde und das Los hatte gegen dich entschieden. Dein Gegner war Kouhiki, der Vizemeister der Hoennliga des letzten Jahres, und sollte in diesem Jahr sogar Meister werden. Du hattest nicht einmal eine Chance gegen seine Pokémon.
    Doch auch ich verlor meinen Kampf im Viertelfinale.
    Stattdessen war es Natsuki, die am Ende im Finale stand und gegen Kouhiki nur knapp verlor.
    Aber während ich zwar Enttäuschung spürte, sah ich Verbitterung in deinem Gesicht, als das Ergebnis auf der Anzeigetafel im Stadion zu sehen war. Du bliebst nach deiner Niederlage nicht einmal, um unsere Kämpfen zuzusehen.

    „Los!“, rief Daichi, den Pokéball in die Höhe werfend. Er merkte selbst, wie heiser er durch den Rauch klang. „Woingenau!“
    Das Pokémon blieb salutierend vor ihm stehen. „Woin!“, rief es aus.
    „Du bist sehr verzweifelt, oder?“, fragte Touya mit einem bitteren Grinsen im Gesicht. Immerhin konnte Woingenau nicht einmal selbstständig angreifen, wobei die Gelegenheit dafür günstig gewesen wäre, war Tornupto doch noch wie gelähmt, da Hyperstrahl so viel Energie verbrauchte.
    Daichi hustete nur, antwortete aber nicht.
    Langsam löste sich Tornupto aus seiner Starre und starrte finster entschlossen zu seinem neuen Gegner hinüber.
    „Flammenwurf!“, befahl sein Trainer, woraufhin es diesem sofort nachkam.
    Doch auch der andere Trainer zögerte nicht. „Woingenau, setz' Spiegelcape ein!“
    Sofort leuchtete der Körper des Pokémons auf und die Attacke verpuffte einfach, als es dieses berührte.
    „Ich dachte, du wolltest mich aufhalten und nicht zu Tode langweilen“, rief Touya, offenbar aufgebracht. Der Arm, in dem er das ohnmächtige Feenpokémon hielt versteifte sich, während Daichi schwieg. Schließlich hob der andere Junge seine zweite Hand. „Risikotackle!“
    Erneut griff Tornupto an, doch erneut reagierte Daichi früh genug.
    „Bodyguard, schnell!“
    Wieder leuchtete Woingenaus Körper auf und Tornupto wurde zurückgeworfen, als es versuchte, seinen Gegner zu attackieren. Knurrend blieb es für einen Moment auf den Boden liegen, sprang dann aber wieder auf seine eigenen Beine.
    „Wie du willst...“, flüsterte Touya abwärtend. „Mal sehen ob dein kleiner Schutzschild auch das aushält.“ Er wandte sich erneut seinem Pokémon zu. „Tornupto, Hyperstrahl!“
    Erneut öffnete sein vermeintlicher Partner das Maul und ließ seine Energie sich dort als Kugel sammeln, ehe er diese als Energiestrahl auf Woingenau abfeuerte, dessen Trainer im letzten Moment reagierte.
    „Woingenau, Konter!“
    Das Schimmer um den Körper des Psychopokémon veränderte sich, wurde heller, nur den Bruchteil einer Sekunde, bevor die Attacke es traf.
    Erneut wurde eine Wolke aus Staub und Asche aufgewirbelt, doch im Gegensatz zu Morlord stand Woingenau noch, wenn auch nicht vollkommen unbeschadet, als sich diese lichtete.
    Nun öffnete auch es sein Maul und mit einem Mal entlud sich die durch Konter gesammelte Energie in einem weiteren Strahl und schoss diesen auf das Feuerpokémon.
    „Tornupto, weich aus“, befahl Touya noch, wenn auch ohne die geringste Besorgnis in der Stimme, doch das Pokémon konnte – selbst noch gelähmt von der Attacke – nicht reagieren, wurde getroffen und blieb regungslos in der Asche liegen.

    Nach der Silberkonferenz brachst du nach Hoenn auf, um die dortige Liga herauszufordern. War es, weil Kouhiki von dort kam? Wolltest du ihre Liga aus diesem Grund herausfordern?
    Über Wochen hörten wir nichts von dir und während Natsuki nur den kurzen Weg nach Kanto auf sich nahm, folgte ich dir. Ich wusste, dass dich irgendetwas von Innen zerfraß, und ich wollte nicht zusehen, wie du weiter leidest.
    Ich wollte mit dir reden. Ich war froh, als ich dich in der Nähe von Baumhausen traf. Doch als ich in deine Augen sah, konnte ich kaum glauben, dass du derselbe Junge warst, mit dem ich damals in Ebenholz großgeworden bin.
    Du warst noch immer auf der Reise zur Liga, doch in deinen Augen sah ich keinen Ehrgeiz mehr, nur noch Kälte.
    Und als du kämpftest waren deine Pokémon nicht mehr deine Freunde, mit denen du auf Reisen warst, sondern deine Waffen. Ein Mittel und Zweck zum Sieg.
    Und doch konntest die Liga nicht besiegen...

    Daichi hustete wieder. Er musste aus dem Feuer weg, lange würde er es nicht mehr aushalten. Spürte Touya denn nicht von dem brennenden Rauch?
    Denn tatsächlich schien der dunkelhaarige Junge komplett ruhig und weiterhin kühl, als er Tornupto zurückrief und einen weiteren Pokéball nahm. Dabei wusste Daichi, dass es einzig sein Stolz war, der die Vernunft einfach mit Jirachi abzuhauen, anstatt sich von seinem ehemaligen Freund aufhalten zu lassen, übermannte.
    Ohne ein Wort warf er den neuen Pokéball in die Luft und unter rotem Licht kam ein Garadoss daraus hervor.
    Noch bevor Touya seinem Pokémon Anweisungen geben konnte, hob auch Daichi seinen Pokéball.
    „Danke Woingenau, komm zurück“, rief er, denn er wusste, dass sein Pokémon nicht viel länger würde kämpfen können. Stattdessen löste er einen anderen Pokéball von seinem Gürtel. „Libelldra, jetzt bist du dran!“
    Der Pokéball öffnete sich und sein Libelldra schoss in die Luft und gab einen gurrenden Laut von sich, während es Kreise über seinen Gegner flog.
    „Garados, Hydropumpe!“
    Das Wasserflugpokémon öffente sein gewaltiges Maul und spuckte einen gewaltigen Wasserstrahl in Libelldras Richtung, dass der Attacke jedoch Problemlos elegant auswich.
    „Libelldra, setz Finte ein!“, befahl Daichi nun.
    Das Drachenpokémon gehorchte und verschwand für einen Moment. Im nächsten Augenblick brüllte Garados auf, als Libelldra kurz erschien und es attackierte, jedoch sofort wieder verschwand, nur im kurz darauf erneut anzugreifen.
    Schließlich blieb Libelldra wieder über seinen Gegner schweben, diesen mit entschlossenem Blick ansehend.
    Garados brüllte wütend, doch im Moment schien es nichts zu geben, was es tun konnte.
    Doch das war tatsächlich nur Schein, denn als Touya einen Moment später warnend „Garados!“ rief, stieß sich das Pokémon auf einmal mit seinem schlangenartigen Körper vom Boden ab und flog.
    Daichi starte es geschockt ein. Zwar wurde Garados zu den Flugpokémon gezählt, jedoch hatte er niemals eines tatsächlich fliegen gesehen.
    Wie hatte Touya diese Fähigkeit seinem Pokémon beibringen können?

    Nach der Liga in Hoenn gingst du weiter, nach Einall, in ein fernes Land und ich sah dich für mehrere Jahre nicht mehr. Touya, was hast du dort gemacht?
    Als ich dich das nächste Mal sah, warst du schon siebzehn und kehrtest nach Ebenholz zurück, doch es hatte sich viel verändert, seit du das letzte Mal hier warst. Mehr, als du verkraften konntest.
    Deine ersten Worte zu deiner Mutter waren, dass du nun endlich Ibuki wieder herausfordern wolltest. Endlich wolltest du sie in einem richtigen Kampf – keinen einfachen Arenakampf besiegen. Doch als du in Ebenholz ankamst, war Ibuki nicht mehr dort. Sie hatte selbst noch einmal eine Reise begonnen und es war Natsuki, die nun statt ihrer unsere Arena leitete.
    Natsuki, die in der Zwischenzeit Meisterin der Indigo Liga geworden war; die auch mich übertroffen; der du dies niemals zugetraut hättest; die du nie würdest als Arenaleiterin akzeptieren können.
    Du hast dich geweigert, gegen sie anzutreten, hast dich nicht einmal gefreut uns wiederzusehen.
    Ich wollte dir helfen. Ich wollte nicht, dass du noch weiter zerbrichst, ich wollte unsere Freundschaft, das Band zwischen uns nicht verlieren. Doch du wolltest meine Hilfe nicht.

    Während Libelldra über ihren Köpfern im von Rauch verdunkelten Himmel gegen Garados kämpfte, wandte sich Touya an seinen ehemaligen Freund, sah ihn mit einem eiskalten Blick an.
    „Geh mir endlich aus dem Weg“, befahl er herablassend. „Du hältst mich unnötig auf!“
    „Du stehst dir selbst im Weg“, rief Daichi heiser. „Hör endlich mit diesem Irrsinn auf!“
    „Irrsinn?“ Touya machte ein verächtliches Geräusch. „Ist es Irrsinn so enden zu wollen wie du? Jemand, der einfach vergessen wird!“
    „Vergessen?“ Verzweifelt sah ihn der nur wenig jüngere an. „Natsuki und ich, wir werden dich niemals vergessen! Freunde vergessen einander niemals!“ Erneut musste er husten.
    Touya verzog nur sein Gesicht. „Freunde...“, zischte er. „Emotionales Gewäsch! Freundschaft ist schwach. Was ich suche ist Macht! Und diese Macht kann mir Jirachi geben!“
    Leise seufzte Daichi. „Wie konnte das aus dir werden?“, flüsterte er, durch das Prasseln des Feuers für seinen Gegner nicht hörbar. „Was hat dich so verändert?“ Was war aus dem warmherzigen, selbstbewussten Jungen geworden, mit dem zusammen er aufgewachsen wurde? Wie war es soweit gekommen?
    Er schüttelte den Kopf. Er konnte nichts machen! Er musste ihn aufhalten, Freundschaft und alle anderen Gefühle, die sie einst verbunden hatten, vergessen. Er würde ihn nicht mit Worten überzeugen können, aber trotzdem musste er Jirachi retten.
    „Was ist, Daichi? Geh mir endlich aus dem Weg!“, forderte Touya erneut.
    „Nein!“, antwortete der jüngere entschlossen.
    „Dann...“ Der dunkelhaarige Trainer hob einen weiteren Pokéball. „Hundemon! Räum' den Versager aus dem Weg!“
    Mit einem tiefen Knurren landete das Pokémon auf dem Boden vor ihm und sah zu Daichi hinüber, ehe es auf ihn losstürmte.

    Es dauerte nicht viel länger, bis du erneut aufgebrochen bist. Ohne viel zu uns zu sagen.
    Bedeutete gewinnen so viel für dich, dass es dir mehr wert war, als unsere Freundschaft und die Partnerschaft mit deinen Pokémon? Warum konntest du nicht mehr lachen? Warum konntest du nicht mehr das Abenteuer und Reisen selbst genießen? Hatte dich eine Niederlage so zerstört?
    Wieso konntest du auf keine meiner Fragen antworten?
    Du sagtest, du wolltest nicht weiter trainieren, du hättest etwas interessantes herausgefunden und wolltest nun dein Glück als Pokémonforscher versuchen.
    Du schlugst meine Hand weg, als ich dir anbot mit dir zusammen auf reisen zu gehen, weiterhin ein Team zu sein – Freunde. Du wolltest allein sein.
    Nicht einmal mit Natsuki wolltest du noch reden. Nach dem du gingst weinte sie, denn sie wusste bereits, dass deine Freundschaft verloren war, während ich dich noch nicht aufgeben wollte... Doch wahrscheinlich war es nur meine eigene Naivität.

    Mit einem Sprung zur Seite schaffte es Daichi Hundemon auszuweichen, wobei er sich jedoch seine Unterarme leicht verbrannte, denn durch das Feuer hatte sich der Boden auf eine nicht zu verachtende Temperatur erhitzt. Mühsam richtete er sich wieder auf, als Hundemon erneut auf ihn zulief.
    Automatisch griff er nach einem weiteren Pokéball. „Impergator!“
    Bereits während es sich materialisierte, machte sich das Wasserpokémon, mit dem er einst seine Reise begonnen hatte, bereit und fing einen Moment später das Flammenpokémon ab.
    Daichi sah zum Himmel, wo die beiden Drachen noch immer mit einander kämpften, ohne dabei auf Signale oder Befehle ihrer Trainer zu achten.
    Erneut wanderte sein Blick zu seinem Gegner und zu Jirachi in dessen Armen. Er wusste, dass Touya noch zwei wahrscheinlich kampffähige Pokémon hatte, während Impergator das einzige Pokémon aus seinem Team war, dem er es noch zumuten konnte zu kämpfen. Aber er musste das Feenpokémon retten.
    Gerade als er das dachte, merkte er, wie Jirachis Augen für einen Moment zuckten und ihm wurde klar, dass das Feenpokémon bald aufwachen würde.
    Was würde dann passieren?
    Nun, es gab erst einmal wichtigeres. „Impergator!“, rief er zu seinem Starterpokémon. „Setz' Nassschweif ein!“
    Mit einem tiefen Knurren kam Impergator, dass seinen Gegner fest unter die gewaltigen Arme geklemmt hatte, dem Befehl seines langjährigen Trainers nach. Es schleuderte Hundemon zu Boden und drehte sich – schneller als man es von dem gewaltigen Pokémon erwartet hätte – herum. Dabei wurde sein schuppiger Schwanz in Wasser gehüllt und traf das Hundepokémon schließlich in der Seite und ließ es aufjaulen. Betrachtete man den Elementarvorteil der Attacke und die Tatsache, wie lange Impergator schon trainiert wurde, war es unwahrscheinlich, dass Hundemon noch einmal aufstehen konnte.
    „Impergator! Setz' jetzt Regentanz ein, um das Feuer zu löschen“, keuchte er, in der Hoffnung, dass genug Zeit für die eine rettende Attacke blieb, ehe Touya ihm sein nächstes Pokémon entgegen schickte.
    Tatsächlich leuchteten Impergators Augen auf und im nächsten Augenblick spürte Daichi einen kühlen Luftzug. Dann prasselten die ersten Regentropfen auf das Feuer hinab, wuschen damit auch einen Teil des Rauchs aus der Luft und machten somit das Atmen leichter.
    Da bemerkte Daichi, dass sich Jirachi erneut rührte. Seine kleinen Arme zuckten und blinzelnd öffnete es seine Augen.

    Das letzte Mal, dass ich dich vor heute wieder sah, war, als ich zum zweiten Mal Hoenn besuchte, um erneut die Liga herauszufordern. Denn auch wenn ich bisher nicht gewonnen hatte, es allerhöchstens zum Vizemeister geschafft hatte, habe ich den Jungentraum der Beste zu sein nicht aufgegeben.
    Gerade mit meinem zweiten Orden traf ich dich in Lavastadt. Doch ich musste erkennen, dass Natsuki recht hatte.
    Wir waren keine Freunde mehr. Und diese Kälte in deinen Augen verriet mir, ohne dass du von etwas dergleichen sprachst, dass ich dich, egal was es genau war, das du vorhattest, aufhalten musste.

    Weitere Tropfen regneten vom Himmel herab, ließen das Feuer zischen und dampfen.
    Langsam hob Touya den Pokéball und rief Hundemon zurück. Sein Blick war unverändert kalt, als er zu den beiden Drachenpokémon im Himmel und wollte seinen nächstes Pokémon rufen, als plötzlich ein Blitz über den Himmel zuckte.
    Doch hatte dieser Blitz keinen komplett natürlichen Ursprung, wie spätestens klar werden sollte, als dieser das fliegende Garados traf. Das Pokémon erstarrte in der Luft und fiel dann schwer zu Boden.
    Die Augen zusammenkneifend sah Daichi in die Richtung aus der der Blitz kam, wo er im schwindenden Licht der Flammen einen Schatten im Himmel erkennen konnte. Ein Pokémon.
    Dieses flog einige Kreise über die beiden Jungen, während Libelldra verwirrt in der Mitte dieser Kreise schweben blieb.
    Dann jedoch senkte sich der Flug des fremden Pokémon gen Boden und Daichi konnte nun erkennen, dass es sich um ein Dragoran handelte. Doch nicht nur das. Er erkannte auch eine nur allzu bekannte Person auf dem Rücken des Drachenpokémon.
    „Natsuki!“, rief er aus, überrascht sie hier zu sehen, war es doch ihre Verantwortung ihre Arena in Johto zu leiten.
    Das rothaarige Mädchen ließ sich von dem Rücken ihres Pokémon gleiten, sah ihre Freunde nacheinander an.
    „Daichi“, sagte sie leise und wandte sich dann dem anderen Jungen zu. „Touya.“ Sie erkannte das Pokémon in den Armen des anderen und ihr Gesichtsausdruck verfinsterte sich. „Lass Jirachi gehen.“ Bei diesen Worten klang in ihrer Stimme eine nicht zu überhörende Warnung mit.
    Touya lachte nur. „Na klasse, jetzt habe ich es gleich mit zwei Schwächlingen zu tun.“
    „Touya!“, rief Daichi aus, brach dann aber ab, als er feststellen musste, dass er nichts mehr zu sagen hatte. Es war schon alles gesagt und es gab keine Worte, die den alten Touya zurückbringen konnten. Es war vorbei.
    Natsuki holte tief Luft. Sie machte zwei Schritte in Touyas Richtung. „Es gibt keinen Grund aufzugeben, Touya.“ Sie streckte ihre Hand aus. „Wir können zusammen stärker werden.“
    Doch der Junge lachte nur. Ein kaltes Lachen. „Niemals. Diese Stärke ist ganz meine.“
    Langsam ließ Natsuki die Hand sinken und Dragoran hinter ihr machte sich zum Angriff bereit.
    Bevor die junge Arenaleiterin ihm aber eine Anweisung geben konnte, öffnete Jirachi seine Augen auf einmal ganz. Es quietschte auf, als es sich dessen bewusst wurde, sich in Gefangenschaft zu befinden.
    Es begann sich in Touyas Armen zu finden.
    „Lass es los!“, rief Daichi erneut aus, während sowohl sein Impergator, als auch Natsukis Dragoran knurrten. Auch Libelldra ließ sich weiter hinabsinken, um so schnell wie möglich eingreifen zu können.
    „Nein“, keuchte der Junge, wobei er offenbar langsam Probleme bekam, das so zerbrechlich wirkende Pokémon fest zu halten.
    „Touya, lass Jirachi gehen! Es gehört niemanden allein! So wird es dir nie einen Wunsch erfüllen!“, forderte auch Natsuki, noch nicht ganz davon überzeugt ihren ehemaligen Freund anzugreifen.
    „Niemals!“, schrie Touya.
    „Jiii!“, quietschte Jirachi verzweifelt und die kleinen Fähnchen an seinem Kopf begannen sich langsam zu bewegen, während der Junge es verzweifelt versuchte, festzuhalten.
    „Touya!“, riefen die beiden anderen Jugendlichen wie aus einem Mund, als sie sahen, wie der Regen um den Jungen und das Wunschpokémon in der Luft zu schweben begann, anstatt weiter zu Boden zu fallen.
    Doch noch immer reagierte ihr ehemaliger Freund nicht.
    „Jirachi“, keuchte er. „Erfüll mir... Meinen Wunsch.“
    Dann, mit einem mal geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Jirachi rutschte aus dem Griff des Jungen, während sich das Auge auf seinem Bauch öffnete. Ein weißer Blitz zuckte vom Himmel hinab und traf den Jungen, während es die anderen beiden und ihre Pokémon zurückwarf.
    Der folgende Donner nahm ihnen für einige Momente, wahrscheinlich waren es Minuten, Sinn und Gehör.
    Als sie wieder zu Besinnung kamen, schwebte Jirachi, nun wieder mit allen drei Augen geschlossen, in der Luft. „Jiii“, hauchte es, während seltsame Funken seinen Körper umhüllten. Es musste sich vollkommen verausgabt haben.
    „Touya...“, flüsterte Daichi und schüttelte den Kopf im vergeblichen Versuch das Rauschen in seinen Ohren loszuwerden. Er sah zu dem Jungen, dessen ausgestreckte Hand noch immer nach Jirachi greifen wollte.
    Nur langsam begriff er was passiert war. Der Grund, warum man die Kraft der Legendären nicht herausfordern sollte.
    Mit wankendem Schritt ging er zu seinem Freund hinüber und hob seine eigene Hand, um die seines Freundes zu berühren. Sie war kalt und rau.
    „Gar“, hörte er ein orientierungsloses Knurren hinter sich und sah sich um, um zu erkennen, dass Garados, das einzige Pokémon, das der Versteinerung entkommen war, erkannte, was aus seinem Trainer geworden war.
    „Jii“, machte Jirachi erneut, ehe es einen seufzenden Laut von sich gab und zu Boden sank, wo es selbst langsam zu Stein wurde – für die nächsten tausend Jahre.
    Nun erkannte Daichi, dass auch Natsuki langsam wieder auf die Beine gekommen war.
    Sie lief, so schnell sie ihre Beine für den Moment trugen, zu Daichi und dem Versteinerten herüber.
    „Wie...“, flüsterte sie und berührte ebenfalls die ausgestreckte Hand.
    Daichi schüttelte den Kopf. „Er hat es herausgefordert...“, flüsterte er und sah seinem Freund in die ebenfalls erstarrten Augen. „Es tut mir leid.“



    Ende.

  • Hallo Alaiya. :)


    Wie bei den anderen KG's, werde ich auch deine nach 3 Kriterien kommentieren.


    Direkter Einstieg


    Toller Einstieg. Die Geschichte wird schon von Anfang an spannend gestaltet, was daran zu sehen ist, dass die Stadt plötzlich in Flammen steht und niemand weiss was los ist. Mir fällt auf, dass du hie und da ein wenig sinnlose Umbrüche machst, die die Leser deiner Story eventuell ein wenig verwirren könnten. Bei dem kursiven Teil hätte ich vorher eine Einleitung geschrieben. Z.B. Hätte man das Feuer am Anfang dazu benutzen können und schreiben, dass der Charakter im lodernden Feuer plötzlich in Gedanken versinkt und an diesen kursiven Teil denkt. Der Abschnitt nach dem kursiven Teil ist etwas verwirrend, da man nicht genau weiss wer jetzt von den beiden spricht. Man hat das Gefühl, als würde noch eine dritte Person mitsprechen, aber vielleicht ist das nur mein Gefühl. Das spannende Gefühl blieb aber dennoch erhalten, da man gedacht hat, es stehen sich zwei uralte Rivalen gegenüber die noch eine Rechnung offen hätten, wirklich toller Einstieg!


    Kürze


    Das mit der Kürze ist ja immer so eine Sache, hm? Für meinen Geschmack, war sie ein bisschen zu lang, trotzdem war ich wie gefesselt von der Geschichte. Der lange Kampf zwischen Daichi und Touya wurde von dir sehr spannend und detailreich beschrieben, trotz der Länge der Geschichte. Mir kommt es dennoch aber so vor, als würde ein Grossteil der Geschichte aus direkter Rede bestehen. Manche mag es vielleicht nicht stören, aber mich würde es freuen wenn du weniger direkte Rede verwendest und dafür mehr Detail in die Beschreibungen steckst. Aber wie gesagt, nur meiner Meinung nach.


    Offenes Ende


    Hut ab, hast du gut hingekriegt. Die Szene am Schluss wo Jirachi Touya in Stein verwandelt ist spannend gestaltet, obwohl man beim ersten durchlesen vielleicht ein wenig verwirrt ist. Dieser plötzliche „Donner“ von Jirachi kam für mich persönlich ein wenig zu plötzlich. Man hätte diese Szene ein wenig langsamer angehen können und sie mehr beschreiben, meiner Meinung nach. Ansonsten ist dir wie gesagt das Ende recht gelungen. Touya wird am Schluss versteinert und die beiden anderen stehen sprachlos da. Dadurch weiss man nicht, was danach noch passieren wird.


    Fazit


    Falls es deine erste richtige Kurzgeschichte sein sollte, dann bin ich begeistert. Du hast es geschafft die Geschichte, trotz der Länge, spannend zu schreiben. Das einzige was mich, aber vielleicht auch andere stört ist, dass du ein wenig mehr am Detail für die Beschreibungen arbeiten solltest. Ansonsten habe ich nichts mehr zu bemerken, mach weiter so.


    Gruss Nairu.

  • Erst einmal danke, Nairu für den lieben Kommentar :)
    Werde ich einmal auf die einlzelnen Punkte eingehen...
    Die Geschichte ist wie schon via Nachricht gesagt, bei weitem nicht meine erste Kurzgeschichte. Sie ist - wie gesagt - 2011 entstanden und da ich meine erste richtige Kurzgeschichte 2004 geschrieben habe, kann man sich ausrechnen, dass viel dazwischen liegt. Ich bevorzuge wie gesagt auch bei den meisten meiner Geschichten die Bezeichnung One-Shot, da es eben keine Kurzgeschichten im eigentlichen Sinne sind (jedenfalls die meisten). Schon lange verloren ist - wie viele meiner kürzeren Geschichten, im Rahmen des Wichtelns auf Animexx entstanden. Dabei schreibt man eine Geschichte für jemand anderen und muss dabei auf dessen Wünsche eingehen. Da ich bei dem Wichteln jemandem zugeteilt worden war, bei dessen Wünsche ich nur Pokémon erfüllen konnte und dort auch nur etwas mit OCs schreiben konnte, entstand eben diese Geschichte. ;)
    Wo ich jedoch stark widersprechen muss, ist bezüglich "sinnloser Umbrüche". Die Umbrüche in meinen Texten sind, wie die deutsche Rechtschreibung sie vorgibt. Wenn von einer allgemeinen Beschreibung zu einer Beschreibung von Charakteren gewechselt wird, muss dort zum Beispiel ein Zeilenumbruch hin. Das mögen manche als "überflüssig" empfinden, aber so ist eben die Regel. Alles andere ist streng genommen ein Interpunktionsfehler, da der Zeilenumbruch tatsächlich als Satzzeichen, wenn man so will, gehandhabt wird.
    Was die fehlenden Beschreibungen an einigen Stellen angeht, kann ich allerdings nur zustimmen. Dessen bin ich mir bewusst und es ist etwas, was oftmals mit meinen Wichtelgeschichten einher geht: Da diese in einem zeitlich vorgegebenen Rahmen geschrieben werden, leiden oftmals die Beschreibungen darunter, dank des Zeitdrucks. Mittlerweile versuche ich dem durch bessere Zeiteinteilung entgegen zu wirken ^^" Weniger direkte Rede werde ich jedoch nicht verwenden, zumindest nicht, wenn es so gemeint war, dass ich stattdessen eher indirekte Rede verwenden soll. Diese widerspricht dem "Show, don't tell"-Prinzip und sollte von Sonderfällen abgesehen in erzählenden Texten vermieden werden. :/ Allein schon zugunsten der Charaktere.


    Das mag jetzt etwas störrisch klingen, ist aber nicht so gemeint. Du hast mit einigen Punkten sicher Recht, aber bei anderen Sachen behalte ich es mir vor, es bei dem zu belassen, wie ich es gelernt habe ;)
    Auf jeden Fall: Vielen Dank!



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    Kommen wir zu einer tatsächlich kurzen Geschichte ;) Auch wenn sie trotzdem keine Kurzgeschichte ist.
    Diese Geschichte ist übrigens zu einer One-Shot Sammlung von mir entstanden und einmal nicht für's Wichteln :D


    Serie: Digimon Adventure 02
    Charaktere: Floramon und eine Gruppe Babydigimon
    Genre: Drama, Gen
    Entstehungszeitraum: November 2012 (ja eine aktuelle Geschichte ;D)


    Handlung: Seitdem die auserwählten Kinder Belial Vamdemon geschlagen haben, ist es friedlich in der Digiwelt.
    Eines Tages trifft dort ein Floramon auf eine Gruppe kleiner Babydigimon, die auf etwas warten.
    Floramon muss erkennen, dass nicht alles in der neuen Digiwelt so schön ist, wie es immer dachte.





    Es war ein sonniger Tag in der digitalen Welt, als Floramon auf einem Spaziergang etwas entdeckte. Eigentlich hatte es sich nur ein wenig die Beine vertreten wollen und war dafür im Wald ein wenig herum gelaufen, ohne dort etwas spezielles zu suchen, aber trotzdem fand es etwas in diesem Wald auf der Insel File.
    Eine Gruppe kleiner Digimon der ersten und zweiten Babystufe saßen hier um ein oranges Digiei herum. Floramon erkannte ein Chocomon, ein Pokomon, ein Koromon, ein Poromon und außerdem ein Upamon. Zwischen diesen versteckten sich außerdem ein kleines Chicomon und ein noch kleineres Punimon. Sie saßen zwischen den Wurzeln eines großen Baumes und waren halb von einigen der riesigen roten Fileblumen verborgen.
    „Was macht ihr hier?“, fragte Floramon verwirrt und sah von einem Digimon zum anderen. „Warum seid ihr hier und warum ist das Ei nicht in der Stadt des Anfangs?“
    Es war Poromon, das nach einer kurzen Stille zu ihm aufsah. „Wir warten“, erwiderte es.
    „Darauf das eurer Freund hier schlüpft?“ Das Floramon widerstand dem Drang seine Hand auf das Ei zu legen.
    Erneut bekam es seine Antwort nicht sofort.
    „Wir warten“, sagte nun auch das kleine, gelbe Pokomon und sah seinen Gesprächspartner dabei nicht einmal an.
    Nun legte Floramon verwirrt seinen Kopf schief. Es war selbst kein besonders kluges Digimon oder besser gesagt, hatte es sich nie dazu motiviert gefühlt nachzudenken. „Ja, aber worauf denn?“
    Doch erneut schwiegen die Babydigimon nur.
    Gerade, als Floramon sich mit einem Kopfschütteln abwenden wollte, erklang eine leise Stimme. „Auf unsere Partner“, fiepste das Chicomon.
    Das Pflanzendigimon sah sie mit einer Mischung aus Überraschung und unverhohlenem Neid an. „Ihr habt Partner?“, fragte es aufgeregt. „Richtige, menschliche Partner?“ Es sah die kleinen Digimon an.
    Natürlich gab es viele Digimon mit Partner, immerhin bekamen mehr und mehr Menschen Digivices, davon hatte sogar ein Tagträumer wie Floramon gehört. Und jedes Mal wenn ein Mensch ein Digivice bekam, so schlüpfte in der digitalen Welt ein Digimon, das dessen Partner werden sollte. Diese Digimon konnte mit Hilfe ihres Partners digitieren, ganz ohne Training. Und fast jedes Digimon, das nicht zu den erwählten gehörte, beneidete sie darum.
    Aber die Babydigimon schwiegen nur und nach einer Weile erkannte Floramon, dass dieses Schweigen weder eitel, noch geheimnisvoll war, sondern eine tiefe Trauer mit sich trug.
    „Was ist... Was ist mit euren Partnern?“, fragte Floramon leise.
    „Sie sind nicht gekommen“, sagte Chocomon.
    „Sie wollen nicht kommen“, piepste Upamon ergänzend.
    Entsetzt sah das Blumendigimon sie an. „Sie wollen nicht?“, wiederholte es. „Aber wieso nicht?“
    „Weil sie nie einen Partner wollten“, antwortete nun Poromon wieder. „Sie wollen nicht in die Digiwelt kommen.“
    Nun schwieg auch Floramon. So etwas konnte es sich nicht vorstellen. Menschen, die ihre Partner einfach allein ließen?
    Immer schon hatte Floramon gedacht, dass Menschen von Grund auf gut waren. Immerhin hatten sie ihre Welt, die digitale Welt, schon mehrfach gerettet. Es hatte Geschichten gehört, wie vor vielen, vielen Jahren Menschenkinder diese Insel von einem bösen Digimon namens Devimon befreit hatten. Sie hatten auch Vamdemon besiegt und die dunklen Meister. Ja, sogar mit dem großen Bösen, von denen Digimon nur munkelten, hatten sie es aufgenommen. Ein Mensch hatte Milleniumon besiegt und es waren auch Menschenkinder gewesen, die die Welt von diesen furchtbaren schwarzen Türmen befreit hatten.
    Doch da kam ihm ein anderer Gedanke. Es hatte selbst damals noch nicht gelebt und kannte daher nur Geschichten, doch es hatte gehört, dass die schwarzen Türme selbst von einem Menschen gebaut worden waren. Eigentlich war es sich immer sicher gewesen, dass es sich dabei nur um Gerüchte handelte. Aber vielleicht... Es sah auf die Babydigimon.
    In dem Moment hörte es ein Knacken und ein Riss zeigte sich auf der Schale des Digieis.
    „Oh!“ und „Ah!“ machten die kleinen Digimon, als das Ei aufleuchtete, eine Art Sternschnuppe aus ihm empor schoss und im Himmel verschwand.
    „Was war das?“, fragte Floramon, doch noch bevor ihm jemand antworten konnte, spähten zwei gelbe Augen aus dem Digiei hervor. Dann rutschte die obere Hälfte des aufgebrochenen Eis zu Boden und sie konnten ein Botamon erkennen, das sich neugierig umsah.
    „Na du“, meinte Floramon entzückt und tätschelte den Kopf des Kleinen, während sich die Eierschalen nun in Datenpartikel auflösten.
    Dem kleinen Digimon schien es zu gefallen. Es gab einen lachenden Laut von sich und kleine Seifenblasen stoben dabei aus seinem Mund hervor. Doch dann sah es auf einmal zum Himmel hinauf, dorthin, wo die Sternschnuppe verschwunden war.
    „Vielleicht hat es mehr Glück“, meinte Koromon leise.
    „Vielleicht kommt sein Partner tatsächlich“, flüsterte Upamon.
    Sie alle sahen zum Himmel und nun folgte auch Floramon ihren Blicken. Auf einmal verstand es. Die Sternschnuppe war ein Digivice gewesen. Ein Digivice, dass in der realen Welt nun den Partner des kleinen Botamon suchte.
    „Pru!“, machte dieses und weitere Seifenblasen stoben in die Luft.
    Floramon sah es an. „Ich wünsche dir Glück“, flüsterte es dann.

  • Hallo Alaiya (:
    Ich dachte ich hinterlasse dir mal einen Kommentar zu deiner neusten, beziehungsweise zuletzt geposteten Kurzgeschichte. Ich kenne Digimon nicht wirklich, aber immer mehr Leute reden darüber, vielleicht kann man mir damit ja etwas abverlangen. Wenn ich demnächst anfange Digimon zu hypen, bist du Schuld! Ich hoffe, dass ich dir etwas helfen kann. ^^'


    Warten
    Das ist also der Name deiner Kurzgeschichte; nun im Grunde kann ich dazu nicht viel sagen. Das Warten ist etwas alltägliches, entweder wir warten auf etwas auf eine längere Zeitspanne, oder nur auf den Bus oder bis die Lieblingsserie endlich los geht, aber wir warten am Tag sicherlich mindestens zehn Mal. Jedenfalls sollte das Warten jedem bekannt sein und sehr oft, kann es unangenehm sein, (lange) warten zu müssen. Beschreibt deine Kurzgeschichte vielleicht also auch eher ein unangenehmes Gefühl? Aber generell kann ich zu Anfang leider nicht viel zu deinem Titel sagen, da er wie gesagt ein einfaches Wort beinhaltet, welches aber auf ganz verschiedene Arten und Weisen wirken kann und total vielseitig ist. Daher kann ich eigentlich nicht mehr sagen als, mal sehen wie die Kurzgeschichte zum Titel passt.


    Es beginnt aus der Sicht eines Digimon, dessen Namen ich mir nicht merken kann, da irgendwie offenbar alle Namen von denen auf –mon enden und daher einfach nur viel zu viele Möglichkeiten da sind… Ähm ja, bleiben wir mal bei „einem Digimon“. Dieses Digimon streift ohne Ziel umher und findet dann doch etwas, interessant. Mögliche Fragen an dieser Stelle wären, warum genau es „aus dem Haus“ ist und dort herumläuft. Wollte es an die frische Luft? Oder vielleicht wo anders hin? (Zum Beispiel ein anderes Digimon irgendwo treffen) Sich vielleicht etwas zu Fressen besorgen? Wenn einige dieser Dinge nicht mit den Möglichkeiten in dieser Digiwelt übereinstimmen tut es mir Leid, ich kenne mich da wie gesagt nicht aus, aber das wären auf jeden Fall mögliche Gründe, würde ich sagen. Das hättest du vielleicht beiläufig erwähnen können, um auch diese Frage zu klären. Gut, wie auch immer. Dieses Digimon findet dann etwas und zwar eine Horde kleinerer Digimon, die sich um ein noch nicht geschlüpftes Ei versammeln. Eventuell hättest du an der Stelle die äußerlichen Begebenheiten, sowohl seitens der Gruppe als auch das genauere Aussehen der Umgebung, etwas mehr einbeziehen können, damit sich die Leser bessern vorstellen können, wo sie so sind und was da so ist, aber im Grunde ist das kleine Maß an Beschreibung gemessen an den „Standards“ einer Kurzgeschichte, wo das natürlich immer etwas weniger ist – wenn man sich an eine bestimmte Wortgrenze halten möchte zumindest – okay, aber vielleicht hättest du trotzdem noch etwas detaillierter werden können, zumal deine Kurzgeschichte auch nicht allzu lang ist und daher sicherlich kein Problem mit etwas ausführlicheren Beschreibungen hätte, meinst du nicht?
    Natürlich möchte unser Protagonist auch wissen was da so los ist, also wird kurzerhand gefragt. Die ganzen kleinen Digimon benehmen sich recht seltsam und ich fragte mich schon beim ersten Durchlesen wieso überhaupt? Ich meine, wenn man sich die Kurzgeschichte weiter durchliest versteht man sicherlich einiges, aber warum sie zum Beispiel immer einen Moment warten, bis sie antworten, dass offenbarst du nicht. Ich glaube auch nicht, dass du damit noch parallel zum eigentlichen Hintergrund der Kurzgeschichte auf den Titel anspielen wolltest, dass wäre nämlich recht stupide und aus der Luft gegriffen gewesen für meinen Geschmack. Da klärt sich das einfach nicht, weil du kaum Gefühle beschrieben hast. Auf der einen Seite kann ich verstehen, dass du die Gedanken und Emotionen der eher unwichtigen Charaktere wie diese paar kleinen Digimon nicht allzu ausführlich beschreiben möchtest aber gerade da du für Floramon (Ha! Geht doch…) keine Ich-Perspektive gewählt hast, sondern aus der dritten Person schreibst, hättest du durchaus kürz auf die Lage der Gefühle dort eingehen können. Verhalten sie sich so aufgrund von Trauer, oder was ist die eigentliche Ursache? Neben den Gedanken und Gefühlen der ganzen kleinen hast du aber auch die Emotionen und Gedankengänge von Floramon etwas außer Acht gelassen und nur recht oberflächlich beschrieben. Wie schon gesagt; diese Kurzgeschichte ist recht kurz und würde daher kein Problem mit etwas längeren Umschreibungen von allem möglichen haben, auch nicht mit Floramons Gefühlswelt, also nur zu. Die kleinen Digimon erzählen Floramon eigentlich alles was von Belang zu sein scheint, das ist dir also recht gut gelungen. Mit dem Ende kombiniert hast du hier wirklich ein sehr schönes und im Grunde auch recht ergreifendes Thema für die Geschichte gewählt, schade nur, dass du recht wenige Gefühle beschrieben hast. Hättest du dich etwas mehr auf diese eingelassen wäre es natürlich auch emotionaler und man würde noch mehr mit fiebern können, weißt du was ich meine? So muss man sich einfach auch vieles denken, was ich teilweise recht schade finde. Also; eine echt schöne Idee, nur leider auf der Beschreibungsebene nicht allzu ausgeprägt wie vielleicht möglich, obwohl man auch sagen muss, dass sich die Kurzgeschichte gut lesen lässt und man einen recht schönen Einblick in die Digiwelt bekommt. Natürlich habe ich jetzt so einiges nicht wirklich verstanden; der Erklärungsteil in der Mitte war für mich wie Französisch-Unterricht, Montags in der achten Stunde, aber generell hat mir die Kurzgeschichte echt gut gefallen und sie hat mich schlussendlich auch gut auf Digimon aufmerksam gemacht, von daher gute Arbeit!
    Eine kleine Sache würde ich da gerne noch ansprechen, die vielleicht von gar nicht so großen Belang ist und auch recht einfach abzuhandeln, aber egal. Haben Digimon ein Geschlecht? Denn wenn ja, wäre es zumindest bei Floramon schön gewesen, hättest du dieses auch benannt und als Personalpronomen dann natürlicher er oder sie verwendet. Aber vielleicht gibt es ja auch keine Geschlechter bei Digimons, oder das hat einen ganz anderen Hintergrund. ^^ Jedenfalls wollte ich es mal gesagt haben.


    Im Nachhinein passt der Titel ziemlich gut zur Kurzgeschichte finde ich und die Thematik die du hier eingebaut hast ist wie gesagt sehr schön und noch dazu recht traurig, weshalb das Genre Drama echt ganz gut dahin passt. Ich finde es nur schade, dass so wenig von Floramons Gefühlen beschrieben wurde; gerade gegen Ende hätte das finde ich recht gut gepasst. Aber gut, trotzdem eine nette Kurzgeschichte, die mich a) dazu verleitet hat, mich mal mehr mit Digimon zu befassen und b) dir jemanden beschafft hat, der beim nächsten Update mal wieder vorbeischauen wird.



    Ich hoffe, ich konnte dir mit diesem kleinen Kommentar etwas weiterhelfen.
    Liebe Grüße,
    Chess

  • @Sayi:
    Vielen lieben Dank für deinen Kommentar :) Ich habe mich unglaublich gefreut, gerade auch, weil du dich an eine Geschichte getraut hast, deren Fandom du (noch) nicht kanntest. So etwas freut mich dann doch sehr.
    Auch wenn ich weiß, dass sich wahrscheinlich einige Punkte bereits erledigt haben, da du die Serie gesehen hast.
    Zuerst einmal muss ich mich wohl halb entschuldigen: Ja, ich weiß, ich beschreibe nicht viel. Zumindest mache ich das bei Fanfics nicht sehr ausführlich, sofern die Charaktere und ihr Aussehen vorher bekannt sind. Ich selbst mag es nicht beim letzten von Geschichten, wenn mir die Charaktere, deren Aussehen ich kenne, ausführlich beschrieben werden (nervt mich auch bei Buchreihen, wenn der Autor seine Mains in jedem Kapitel neu beschreibt). Ist natürlich Geschmackssache und vor allem blöd, wenn man eine Serie und damit die Charaktere nicht kennt. Ich will es nur auch nicht unnötig lang ziehen...
    Ich nehme an, dass du mittlerweile mitbekommen hast, dass im Adventure-Universum viele Digimon nicht irgendwo fest leben und daher immer draußen sind, weshalb das mit dem Spazieren eh relativ ist, weil es hier eigentlich nur heißt, dass Floramon sich voran bewegt. Wobei es bei den Digimon in dem Universum auch so ist, dass es mit dem Gefühlen und dem überlegten Handeln so eine gewisse Sache ist, weil alles, was wir als Digimon in der Welt kennen lernen, Charakterlich eher flach ist ^^"
    Und ja, Digimon sind Geschlechtsneutral (jedenfalls in den meisten Welten), weshalb sie im Deutschen "es" genannt werden. Im Englischen und Japanischen nicht, aber das liegt halt an den Regeln dieser Sprachen.
    Wogegen ich mich allerdings konsequent wehre, ist dagegen, die Gefühle der anderen Digimon zu beschreiben ^^" Sorry. Ich schreibe hier - wie eigentlich meistens - im Personalerzähler der dritten Person. Nur weil ich die dritte Person nutze (die erste lässt mir meistens nicht genügend stilistische Freiheiten), heißt es nicht, dass es mich zum Auktorialerzähler verpflichtet. Den Personalerzähler gibt es auch in der dritten Person. Ich mag den Auktorialerzähler absolut nicht (weder als Leser, noch als Autor), weil er meiner Meinung nach die Atmosphäre meist kaputt macht, weil er keine Mysterien lassen kann... >.< Zumal es letzten Endes in dieser Geschichte eben darum gehen sollte, dass das Floramon eben diese Feststellung macht. Dabei sind die Gefühle und Beweggründe der anderen Charaktere eher zweitrangig ^^" Die Einstellung müssen andere nicht teilen, aber ich werde generell nur in einer Situation den Auktorialerzähler verwenden - und das ist in Schlachtszenen, wo viele Charaktere beteiligt sind und mir ein Blickwinkel zu eingeschränkt ist. Muss man nicht ebenso empfinden, aber zumindest ich werde es weiter so halten.


    Auf jeden Fall noch einmal danke für den Kommentar :D



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    Die folgende Geschichte ist wieder ein normaler One-Shot von mittlerer Länge. Sie ist für eine Weihnachtsaktion auf Animexx entstanden und zum neuen Film "Rise of the Guardians", den ich (wie mein Ava-Sig-Set im Moment denke ich deutlich sagt) total liebe :D


    Serie: Hüter des Lichts/Rise of the Guardians
    Charaktere: Jack Frost, ein Junge namens Jeremiah & einige andere Kinder
    Genre: Drama
    Entstehung: Anfang Dezember 2012


    Handlung:
    Die Hüter des Lichts, die Beschützer der Kindheit: Santa, Sandmann, Osterhase und Zahnfee... Jeder hat von ihnen gehört und beinahe jedes Kind glaubt an sie.
    Doch niemand hat je etwas von Jack Frost gehört... Von Jack Frost, der nun seit fast hundert Jahren vom Nordwind durch die Welt getragen wird und verzweifelt nach dem Ort sucht, an den er gehört. Niemand weiß von Jack Frost, niemand glaubt an Jack Frost, der bei all dem Schabernack den er treibt eigentlich nur sehr einsam ist.
    Doch Jack ist nicht die einzige einsame Seele, die durch den eisigen Frost des jungen Winters irrt...


    Wichtig: Die Geschichte spielt VOR dem Film. Sie spielt um 1830 irgendwo im Norden von Michigan.



    [Blockierte Grafik: http://img.photobucket.com/albums/v481/kaen_kazui/Winterfreude-Winterschmerz.png]
    Bild zusammengesetzt aus offiziellen Artworks von Dreamworks ;D


    Es gibt diese Zeit im Jahr, wenn der Herbst sich dem Ende zuneigt, diese Zeit, in der die Nächte immer kühler werden und zu der des Morgens Eisblumen an den Fensterscheiben wachsen. Und jedes Jahr zu dieser Zeit sehen viele Kinder jeden Tag, sollten sie Zeit entbehren können, zum Himmel hinauf und fragen sich sehnsüchtig, wann es denn nun endlich schneit.
    Denn selbst, als man die unbarmherzige Kälte des Winters noch fürchtete, hatte der Schnee doch diese besondere Faszination, wenn er durch eine dichte Decke Dörfer, Wiesen und Wälder in ein Märchenland verwandelte.
    Und fraglos gab es viel Spaß, den man – gerade als Kind – in diesem Märchenland erleben konnte.
    Genau für diesen Spaß stand er – Jack Frost. Denn seine Aufgabe war all das, was man als Kind im Schnee machen konnte. Er stand für wilde Schneeballschlachten, Schneeengel, Schneemänner und für wilde Schlittenfahrten. Genau so, wie er vielleicht auch dafür stand, wenn ein Erwachsener vollkommen unfreiwillig auf dem glatten Eis ausrutschte und unsanft landete.
    Nun, vielleicht hat es früher auch noch andere Scherzbolde gegeben, die dasselbe verkörpert hatten, doch zumindest solange Jack sich erinnern konnte, war all dies das einzige, was er je gemacht hatte. Was er gemacht hatte, seit er vor beinahe hundert Jahren an jenem See erwacht war.
    So war nun wieder jene Zeit des Jahres gekommen und wenn Jack vollkommen ziellos und unsichtbar für die Augen der Menschen durch die Lüfte flog sah er immer wieder Kinder, die zum Himmel hinauf sahen und auf den Schnee warteten. Kinder im Norden von Europa, genau so wie im Norden Amerikas und manchen Regionen von Ländern wie China und Russland. Und ab und an, wenn ihm danach war, tat er ihnen den Gefallen und sorgte dafür, dass weiße Flocken von den Wolken hinabrieselten. Manchmal waren es dicke und flauschige Flocken, manchmal feine Flöckchen, doch immer sahen ihnen die Kinder mit leuchtenden Augen entgegen.
    Jack mochte das Lachen der Kinder, wenn sie versuchten die Flocken mit ihren Händen zu fangen, auch wenn diese sofort schmolzen. Er mochte es, sie beim Schneemannbauen und bei ihren Schneeballschlachten zu beobachten, doch er konnte nicht umher immer diesen bitteren Geschmack dabei auf seiner Zunge zu spüren.
    Niemand konnte ihn sehen. Er konnte Schneebälle werfen, Schneemänner bauen und mit seinem Wind die Schlitten an Fahrt gewinnen lassen, doch niemand sah ihn dabei. Er war wirklich vollkommen unsichtbar – weil niemand an ihn glaubte.
    Ja, er hatte Geschichten gehört. Geschichten, in denen jemand wie er vorkam. Ein Vater Frost, von denen sie in Russland erzählten. Doch es waren bloß Märchen. Märchen, die selbst für Kinder nur eine geringe Bedeutung hatten. Auch von einem Jokul Frosti hatte er gehört, doch auch dieser war kaum mehr als eine halb vergessene Legende.
    Wie konnte er überhaupt jemanden dazu bringen, an ihn zu glauben, wenn doch niemand auch nur seinen Namen kannte?
    Doch diese Gedanken ließ Jack sich nicht anmerken, wenn er Kindern Schneespaß gönnte und Erwachsene die Winterkälte verfluchen ließ.
    „Es schneit! Es schneit!“, jubelten zwei junge Mädchen und rannten hinaus, kaum hatten ihnen ihre Mütter ihre groben Wintermäntel übergezogen. Eines der beiden hatte nicht einmal an ihre Handschuhe gedacht, ehe sie losgelaufen war.
    Auch andere Kinder des Dorfes liefen in den Schnee heraus, auch wenn einige Eltern protestierten.
    „Du wolltest mir doch mit dem Feuerholz helfen, Archie!“
    „Bleib drin, Mary-Anne, du erkältest dich noch.“
    Doch wenn die Eltern nicht selbst kamen um ihre Kinder zurück ins Haus zu holen, waren alle Rufe vergeblich, sobald die Kinder die Schneeflocken sahen.
    Zufrieden betrachtete Jack die Kinder, die nun versuchten seine Schneeflocken zu fangen oder versuchten das Eis in einer Pferdetränke zu brechen. Noch reichte die dünne Schneedecke nicht für Schneebälle oder anderes, doch auch das würde sich spätestens am nächsten Tag geändert haben.
    „Jetzt pass doch auf, Gus“, meinte ein bereits etwas älteres Mädchen, als ein Junge, der vielleicht ihr kleinerer Bruder war, auf einer gefrorenen Pfütze ausrutschte.
    „Nichts passiert“, grinste der Junge ihr entgegen und sah gleich wieder aufgeregt den Schneeflocken entgegen. „Wenn es schneit kommt der Nikolaus bald! Nicht wahr, Lis?“
    Seine Schwester schüttelte den Kopf. „So ein Blödsinn. Bis Weihnachten ist es noch lang. Und wenn du nicht brav bist...“ Sie brach ab, denn ihr Bruder hatte einige andere Kinder seines Alters gesehen und lief nun zu ihnen hinüber.
    Die Lippen zu einem Schmollmund verzogen nickte Jack, der auf einem der mit groben Tafeln bedeckten Dächer. „Bis Weihnachten ist es noch ewig“, meinte er empört. „Und der Weihnachtsmann bringt nur einmal im Jahr Geschenke!“ Er ließ sich nach hinten fallen und rutschte das Dach hinunter, ehe er sich vom eisigen Nordwind fangen ließ und empor gen Himmel flog.
    Was war eigentlich so toll an Weihnachten oder St. North? Ein paar Geschenke einmal im Jahr... Als ob daran etwas besonderes war!


    Doch unabhängig davon, wenn Jack den ersten Schnee brachte – ja, selbst wenn er sich schon im September dazu entschloss – so redeten vielerorts die Kinder schon von Weihnachten und dem Nikolaus. Eine Gelegenheit die Eltern, Tanten und Großeltern nutzten um sie zu ermahnen, brav und artig zu sein.
    Und kaum wäre Weihnachten vorbei, würden sie vom Osterhasen reden...
    Auch in den nächsten Tagen ließ Jack es in einigen Regionen Russlands, in Frankreich und Britannien, in Schweden, Norwegen und auch in Kanada, sowie im Norden der eigentlich noch recht neuen vereinigten Staaten von Amerika schneien und sah ab und an, wenn ihm danach war, den Kindern beim Spielen zu.
    Manchmal blieb er dort, auf einem Dach oder im Geäst eines Baumes, bis die Eltern ihre Kinder zum Essen hineinriefen und es langsam dunkel wurde.
    Und während langsam ein halbvoller Mond am Himmel erschien, lehnte sich Jack gegen den Stamm eines Baumes und sah zu dem silbrig glitzernden Himmelskörper hinauf.
    Wie beinahe jede Nacht sah er zum Himmel hinauf, sah zum Mond und fragte ihn, warum er hier war. Denn er war sich sicher, dass der Mond – oder besser gesagt der Mann im Mond – die Antwort wusste. Ja, er war sich sogar ziemlich sicher, dass er überhaupt wegen ihm hier war. Doch warum? Er wartete schon so lang, so viele Jahre schon, und hatte nie eine Antwort bekommen. Nur eins hatte der Mann im Mond ihm gesagt: Dass sein Name Jack Frost sei.
    Jack hätte nicht sagen können, wie viel Zeit verging, während er zum Mond hinaufblickte, zumal Zeit für ihn keine all zu große Rolle spielte, doch es war letzten Endes eine besorgte Stimme, die ihn aus diesen Gedanken riss.
    „Jerry? Jeremiah?“ Es war die Stimme einer Frau, die einsam durch das nächtliche Dorf halte.
    Nun hörte Jack einen jungen Mann: „Wo steckt der Bengel schon wieder?“
    Die Stimmen kamen von einem der größeren Häuser, vor dem Jack, nun, da er sich umsah, zwei Gestalten mit einer Laterne sehen konnte.
    „Jeremiah!“, rief die Frau, offenbar eine Magd, erneut, ehe sie sich dem Mann zuwandte. „Ich habe ihn seit dem Mittagessen nicht mehr gesehen.“
    Leise fluchte der Mann. „Schon wieder...“
    Für einen Moment schwiegen sie beide, doch dann griff die etwas rundliche Magd das Tuch um ihren Kopf, dass bis über ihre Schultern fiel, enger. „Es wird kalt werden, heute Nacht. Wenn er noch lange da draußen bleibt, holt er sich den Tod.“ Sie warf dem jungen Mann neben sich, der vielleicht gerade zwanzig Winter alt war, einen Blick zu. „Wir sollten ihn suchen gehen.“
    Der Mann jedoch legte ihr eine Hand auf die Schulter. Schweigend schüttelte er den Kopf. „Warten wir noch etwas“, sagte er dann. „Bevor wir uns selbst in die Kälte begeben...“
    „Aber, junger Herr“, wollte die Frau protestieren, doch der Blick ließ ihn verstummen.
    Jack schwebte zu ihnen hinüber und sah durch die Fenster in das Haus hinein. Er konnte ein Wohnzimmer sehen, in dem das Feuer in einem Kamin hell loderte und zusammen mit einigen Kerzen Licht spendete. In diesem saßen zwei weitere Mägde, die beide mit Näharbeiten beschäftigt waren, so wie zwei Burschen, von denen einer etwas in der Nähe des Feuers schnitzte. Auch sie schienen für die Herren dieses Hauses zu arbeiten, doch konnte Jack niemanden, bis auf den jungen Mann, der nun mit der dritten Magd wieder hinein kam, und ein junges Mädchen, dass neben dem Kamin las, erkennen, der zur Herrenfamilie gehörte.
    Das Mädchen sah nun von ihrem Buch aus. „Ist Jerry schon wieder draußen geblieben?“, fragte sie in besorgtem Ton.
    Der junge Mann nickte nur schweigend.
    Daraufhin drückte das Mädchen ihre Lippen zusammen und sah zu ihm auf. „Darf ich ihn suchen gehen, Zach?“
    Der Mann zog seine Augenbrauen zusammen. „Natürlich nicht. Du gehörst langsam ins Bett.“
    „Aber ich weiß glaub ich, wo er ist“, meinte das Mädchen, deren braune Locken von einer Schleife zurück gehalten wurden, zurückhaltend.
    „Dann sag es mir und ich werde ihn holen“, erwiderte der Mann.
    Das Mädchen wich ihrem Blick aus, während nun alle fünf Bediensteten zu ihnen sahen.
    „Was ist los, Maggy?“, fragte nun die Magd und sah sie besorgt an.
    Heftig schüttelte das Mädchen den Kopf. „Ich darf es nicht sagen.“
    Die Erwachsenen tauschten vielsagende Blicke und Jack, der noch immer vor dem teilweise beschlagenem Fenster stand, fragte sich, worum es ging.
    Er fragte sich, wo die Eltern der Kinder waren, denn er ging davon aus, dass der junge Mann wohl eher der ältere Bruder des Mädchens war, das er auf vielleicht elf oder zwölf Jahre schätzte. Doch das Haus schien kein einfaches Bauernhaus zu sein, vielleicht arbeitete der Vater anderswo oder hatte noch andere Häuser. So etwas schien es nicht selten zu geben.
    Schließlich wandte er sich ab. Letzten Endes ging es ihn nichts an. Er schüttelte den Kopf und schwebte in die Luft empor, hörte den Wind in seinen Ohren rauschen. Doch gerade, als er einige Meter über den Bäumen schwebte, die das kleine Dorf umgaben, fiel sein Blick auf etwas anderes.
    Da waren Spuren im Schnee, die vom Dorf hinweg und zum Wald hin führten, der zur westlichen Seite des Dorfes lag. Und ohne genau zu wissen, warum er es tat, folgte er diesen Spuren und flog schließlich tiefer, als sie in den Wald hinein führten, der zwar groß, am Rand jedoch licht genug war, als dass genug Schnee lag, in denen weiterhin Spuren zu sehen blieben.
    Die Gegend war Hügelig und auch im Wald hob und senkte sich der Boden, fiel an einigen Stellen sogar für zehn, elf Fuß steil genug ab, dass dort weder Bäume noch Büsche wuchsen.
    Die Spuren, die die von recht kleinen Stiefeln und die eines Schlittens waren, führten an eine dieser Stellen, an der ein besonders großer und alter Baum stand, dessen kahle Äste beinahe skelettartig in den Nachthimmel ragten.
    Der Schlitten, dessen Spuren Jack gefolgt war, war an einen Ast gebunden. Es war ein schöner, flacher Schlitten aus Holz, wie man sie aus Europa hinüber gebracht hatte. Doch auch die Fußspuren fanden ihr Ende an diesem Baum.
    Jack brauchte nicht lang, um ihren Besitzer zu finden, da die Gestalt des Kindes gut im Licht des Mondes zu erkennen war. Die blasse Haut des Jungen schimmerte weiß, während er auf einem der breiteren Äste weiter oben im Baum saß, die Beine an sich gezogen, und den Blick gen Himmel gerichtet.
    Wie Jack zuvor sah der Junge zum Mond, ganz so, als wartete auch er darauf, dass er ihm eine Frage beantwortete. Doch wie auch Jack, schien er vergeblich zu warten.
    Der Junge war nicht viel älter, als das Mädchen in dem Haus – Maggy – allerhöchstens dreizehn und in seinen Augen spiegelte sich Einsamkeit.
    Vorsichtig landete Jack am Ende des Asts und ging in die Hocke. „Du bist Jerry, oder?“
    Auf seine Frage bekam er keine Antwort. Natürlich nicht, denn auch dieser Junge konnte ihn nicht sehen. Er glaubte nicht an ihn und hatte wahrscheinlich nicht einmal von ihm gehört. Ja, er war wahrscheinlich sogar bald aus dem Alter aus, an dem er an North oder den Osterhasen glaubte und würde vielleicht schon bald seinen letzten Milchzahn verlieren.
    Wie das Mädchen, das wahrscheinlich seine Schwester war, hatte der Junge braunes Haar, von denen jedoch nur wenig unter der dicken Fellmütze, die er trug, hervorlugte. Einzelne beinahe komplett verblasste Sommersprossen waren auf seinen Wangen zu erkennen. Er trug einen dicken umhangartigen Mantel und dicke Winterkleidung, die nicht annährend so fein wirkte, wie die Kleidung seiner Schwester, was nicht zuletzt an der dicken Dreckschicht lag, die Hose und Stiefel verkrustet hatte.
    Jack seufzte und setzte sich hin. Er ließ seine Beine vom Ast baumeln und sah zu dem Jungen hinüber. Auch wenn dieser ihn nicht hören konnte, sprach er schließlich weiter: „Weißt du, deine Familie sucht nach dir. Ich würde langsam zurückgehen, sonst bekommst du noch Ärger. Außerdem wird es noch kälter werden, heute Nacht, weißt du?“
    Der Junge ließ ein schweres Seufzen hören, wobei ein dichter Schwaden kondensierten Atems von seinem Mund aufstieg. Er wandte den Blick vom Himmel ab und sah in die Richtung des Dorfes hinüber. Noch einmal seufzte er und ließ seine Beine schließlich zu beiden Seiten des Baums hinabgleiten. Offenbar bemerkte er nun endlich, dass es spät wurde.
    Er streckte sich und machte sich daran, den Baum hinab zu klettern.
    „Du wirst vernünftig, nicht?“, meinte Jack und schwebte neben Jeremiah.
    Der Junge schien vom langen Sitzen steif zu sein und rutschte mehrfach beinahe auf den teilweise mit einer dünnen Eisschicht überzogenen Ästen aus.
    Jedes mal streckte Jack reflexartig seine Arme aus, um den Jungen zu fangen, nur um jedes Mal aufs neue zu merken, wie seine Finger einfach durch diesen hindurchglitten. Er konnte ihn nicht einmal berühren.
    Gerade als der Junge nur noch etwas mehr als fünf Fuß vom Boden entfernt war, hörte Jack etwas in nicht all zu großer Ferne, dass ihn aufschrecken ließ. Es war ein tiefes Knurren.
    Auch der Junge schien etwas gehört zu haben, schien dies jedoch nicht genau einordnen zu können. Zwar sah er sich kurz um, jedoch kletterte er dann weiter.
    Jack hingegen schwebte etwas hinauf, um zu sehen, woher der Laut gekommen war. Sie waren noch am Rande des Waldes und da der Winter erst wenige Tage andauerte zweifelte er, dass in dieser Gegend Wölfe waren, da sich diese meist von Dörfern fernhielten. Doch gerade als er einige Fuß über den Baumgipfeln begann sich umzusehen, lenkte ein kurzer Aufschrei seinen Blick wieder zu dem Jungen, der nun unfreiwillig den kurzen Hang am Ende des Berges herunter schlitterte.
    Offenbar war er nun doch gestürzt.
    Obwohl er genau wusste, dass er nicht das geringste tun konnte, flog Jack zu dem Jungen hinunter, der sich gerade wieder aufrappelte. Da griff er auf einmal erschrocken an seinen Kragen, ehe er sich beinahe panisch umsah.
    Für einen Moment sah Jack den Jungen fragend an, ehe ihm etwas dunkles, dass zu Wurzel des Baumes im Schnee lag, auffiel.
    Er hob es auf und sah es an. Es war ein Medaillon, in dem ein seltsames Bild von dunklen Blumen zu sehen war. Er wusste nicht, was es darstellen sollte, doch es schien dem Jungen wichtig zu sein, weshalb er es nur zwei Fuß von Jeremiah entfernt in den Schnee fallen ließ. Zwar war die Kette, an die es wahrscheinlich gehörte, gerissen, doch dafür würde sich wahrscheinlich ein Ersatz auftreiben lassen.
    Die steifen in Handschuhe gehüllten Hände des Jungen fanden schließlich den harten Gegenstand und schlossen sich fest um ihn.
    Jerry hob das Medaillon auf und sah es erleichtert an, ehe sich jedoch wieder derselbe ernste Ausdruck auf seine Züge lehnte, mit dem er zuvor den Mond angesehen hatte. Er drückte es an seine Brust. „Mama“, flüsterte er leise und schloss für einen Moment die Augen, ehe er es in die Tasche seiner Weste gleiten ließ und sicher ging, dass es nicht hinaus fallen konnte.
    Da begriff Jack langsam, dass offenbar die Mutter der Familie gestorben war. Hatte der Junge den Mond danach gefragt? Hatte er ihn gefragt, warum dies geschehen war?
    Doch gerade als Jerry sich aufrichtete, konnten sie beide ein neues Knurren hören und dieses Mal war es viel näher.
    Jack sah zu den Bäumen am unteren Ende des kleinen Abhangs und erkannte nun eine Bewegung im Schatten.
    Er schwebte vor den Jungen, dessen Blick nun auch ängstlich zu den Bäumen glitt, und erkannte nun einen Bären, der auf sie zukam.
    Vorsichtig streckte Jack die Hand aus. „Hey. Hey, mein großer. Was machst du denn hier? Solltest du nicht schlafen?“ Normal reagierten Tiere auf ihn, konnten ihn sehen – wahrscheinlich, weil sie ihre Umgebung gänzlich anders wahrnahmen, als die Menschen.
    Tatsächlich schien ihn der Bär zu sehen, doch alles, was er hören ließ, war ein weiteres, warnendes Knurren, während er die Zähne bläkte und erst zu Jack und dann wieder zu Jeremiah sah, der auf allen Vieren rückwärts versuchte von dem wilden Tier fort zu kommen.
    Sicher hatte man ihn gewarnt, dass Bären gefährlich waren, wenn man in ihr Gebiet eindrang. Sie fraßen Menschen vielleicht nicht, doch das hinderte sie nicht daran sie zu töten.
    Nun richtete sich der Bär auf und ließ ein noch bedrohlicheres Brüllen hören, was jedoch wenig brachte, da der Junge immer wieder am glatten und recht steilen Hang abrutschte, und es nicht – vor allem nicht in seiner Panik – schaffte, wieder zum Baum hinauf zu klettern.
    Jetzt hatte Jack beide Hände vor sich gestreckt, wobei er in einer seinen Stab hielt. „Zurück, zurück, Großer“, sagte er besänftigend. „Sei ruhig.“ Doch der Bär schien nicht im geringsten daran zu denken, ruhig zu werden.
    Erneut brüllte er und ließ ließ sich dann wieder auf alle Viere fallen.
    Nun erhob Jack seine Stimme. „Zurück“, rief er und ein starker, eisiger Wind kam auf und blies dem Bären ins Gesicht.
    Dieser schien verwirrt, weigerte sich jedoch noch immer, zurück zu weichen.
    Da fegte eine noch stärkere Böe über sie hinweg und der Schnee zu Füßen des Bären gefror gänzlich. Noch ehe das Wildtier wusste, wie ihm geschah, wurde es vom Wind über das glatte Eis zurück gedrängt, so dass es auf einmal gar nicht mehr so angriffslustig wirkte.
    Der Bär ließ ein Wimmern hören und wandte sich dann vorsichtig ab.
    „Geh wieder schlafen, hörst du?“, rief Jack ihm hinterher und fragte sich, ob sie ihn wohl aus Versehen aufgeweckt hatten. Dann drehte er sich zu Jeremiah um, der ungläubig auf die glatte Eisfläche vor ihm sah.
    „Wahnsinn...“, murmelte er. Dabei schien er nicht ganz zu wissen, was er denken oder fühlen sollte, bis er schließlich die Stirn runzelte. „Was war das?“
    Jack seufzte leise. „Das war ich“, antwortete er, sich dessen bewusst, dass er genau so gut mit dem Baum hätte sprechen können. Er wirbelte seinen Stab durch die Luft. „Und dich bringe ich jetzt nach Hause, bevor du dich noch weiter in Gefahr bringst.“ Mit diesen Worten schwebte er zum Baum hinauf und löste das Seil des Schlittens, um diesen den Berg gleiten zu lassen.
    Eine weitere Windböe beförderte Jeremiah, der gerade erst aufstand und so gar nicht wusste, wie ihm geschah, auf den Schlitten hinauf, der sogleich Pfad aufnahm.
    Der Boden unter den Kufen des Schlitten vereiste, während der Wind dafür sorgte, dass er genug Fahrt aufnahm.
    Dem Jungen blieb nichts anderes übrig, als sich so gut es ging festzuhalten. Und auch, wenn er zuvor wahrscheinlich einige Zeit gebraucht hatte, um den Baum zu erreichen, so sausten Bäume und Winterlandschaft auf dem Rückweg nur so an ihm vorbei, während Jack über ihm flog und den Schlitten mithilfe des Windes lenkte.
    Nach nur kurzer Zeit schlitterte das Holzgefährt auf den Platz in der Mitte des Dorfes, wo Jack das Eis verschwinden ließ, so dass der Schlitten schnell zum Halten kam.
    Jeremiah blieb auf diesem sitzen und starrte noch für einige Momente in die Luft vor ihm. „Das...“, stotterte er und überlegte. Er sah sich um, fast so, als würde er etwas suchen, stand dann schließlich auf, um mehr zu erkennen. Sein Blick wanderte zur Eisspur, die sie hinterlassen hatten, und er runzelte die Stirn. „Wie...“
    Genau in dem Moment öffnete sich die Tür zum nicht allzu weit entferntem Haus seiner Familie und der junge Mann, den das Mädchen vorher Zach genannt hatte, kam mit der Laterne in der Hand hinaus. „Jeremiah?“, rief er in die Nacht und erkannte den Jungen.
    Dieser schluckte. „Zacherias?“, fragte er kleinlaut.
    „Was glaubst du, was du so lange da draußen machst?“, schimpfte sein älterer Bruder nun auf einmal. „Du holst dir doch den Tod!“
    „Ich weiß...“, murmelte der Junge, nahm die Kordel an seinem Schlitten und ging mit dieser in der Hand auf die offene Tür zu.
    „Jetzt beeil dich“, drängte ihn der Ältere ungehalten. „Wie siehst du überhaupt aus?“ Er sah an der schmutzigen Kleidung hinab. „Damit wir uns verstehen: Du bleibst in den nächsten Tagen drinnen und hilft Dorothy beim Haushalt.“ Nun, wo der Junge in seiner Reichweite war, griff er ihn beim Handgelenk und zog ihn zum Haus.
    Jack folgte ihnen und beobachtete sie erneut durch das Fenster, während er vor diesem schwebte.
    „Oh, Jerry“, rief das Mädchen aus, das offenbar doch noch nicht im Bett war und umarmte ihren Bruder ungeachtet dessen, dass sie so ihr eigenes Kleid mit Schmutz bedreckte.
    „Wir haben uns Sorgen gemacht“, meinte die Magd und bückte sich, um ihm den Mantel abzunehmen. „Du solltest wirklich damit aufhören.“
    „Ich weiß“, murmelte Jeremiah nur, dessen Gesicht Jack nicht sehen konnte.
    Auf diese vielleicht etwas unerwartete Einsicht hin, schwiegen die Erwachsenen im Raum nur und wechselten einige Blicke.
    „Du solltest dich waschen und dann ins Bett“, meinte Zach schließlich ernst, ehe er zu dem Mädchen sah. „Und du auch.“ Er seufzte. „Ich habe eurem Vater doch versprochen auf euch aufzupassen, bis er wiederkommt...“
    „Es tut mir leid, Zach“, murmelte der Junge nun mit gesenktem Kopf, während die Magd ihm die Mütze abgenommen hatte und durch sein Haar strich.
    Der junge Mann, dessen Haar ebenso braun war, wie das seiner Geschwister, sah den Jungen für eine kurze Weile an. „Los, ab ins Bett“, sagte er dann sanft und ohne ein weiteres Wort verschwanden die beiden Kinder zusammen mit der Magd aus dem Zimmer, während der Mann sich seufzend auf einen Stuhl sinken ließ.
    Jack sah noch einen Moment zu ihm, ehe er am Haus empor schwebte und dann auf dem Dach landete. Erneut sah er zum Mond und stellte ihm wieder dieselbe Frage: Wer war er? Wer war Jack Frost? Und was war seine Aufgabe in dieser Welt?
    Mit gesenkten Schultern schwebte er schließlich gen Himmel und stellte noch eine Frage, dieses Mal jedoch nicht an den Mann im Mond: Wie war es wohl, wenn man wusste, dass es jemanden gab, der auf einen wartete und sich Sorgen machte? Wie war es wohl vermisst zu werden?
    Würde jemals irgendjemand Jack Frost vermissen, wenn der Winter früher oder später doch auch ohne ihn kam?


  • Da nun fast Weihnachten ist und ich Weihnachten selbst nicht online sein werde, wollte ich nichts desto trotz eine kleine Weihnachtsgeschichte hier online stellen ;)
    Morgen kommt noch eine Kleinigkeit... Hihi.
    Bei der heutigen Geschichte handelt sich um eine Weihnachtsgeschichte zu Madoka Magica. Wie meist, wenn ich zu der Serie schreibe, habe ich in der ersten Person Präsens geschrieben, angelehnt an die japanischen Homura-Novells. Lasst euch davon nicht irritieren.
    Ich freue mich natürlich wie immer über Feedback.


    Serie: Puella Magi Madoka Magica
    Charaktere: Homura, Kyoko & Madoka
    Genre: Drama, Fluff
    Entstanden: Anfang Dezember 2012


    Handlung:
    Nun sind bereits einige Monate vergangen, seitdem Madokas neue Weltordnung in Kraft getreten ist.
    Es ist Weihnachten und Homura fühlt sich so allein wie schon lang nicht mehr, seit sie ihre beste Freundin gerettet und dabei doch verloren hat. Und ohne zu beachten, dass sie nicht die einzige einsame Seele ist, die zu diesem Weihnachtsfest durch die Stadt irrt, beginnt sie sich zu fragen, ob sie Madoka wiedersehen würde, wenn sich ihr Seelenstein endgültig schwarz färbt...




    Glitzernd und glänzend wie ein Meer aus Sternen liegt die Stadt unter mir, während ich auf dem Dach von einem der vielen Hochhäuser stehe.
    Die Luft ist kalt und wäre es nicht für die Hitze, die die Stadt selbst ausstrahlt, so würde es wahrscheinlich bald schneien. Es ist bereits Dezember, Weihnachten, und ich kann kaum glauben, dass es bereits Monate her ist, seit wir uns gesehen haben.
    Die Zeit vergeht auch in dieser neuen Welt, die du für uns erschaffen hast, Madoka. Und es vergeht kein Tag, an dem ich mich nicht frage, was aus dir geworden ist. Bist du einsam? Kennst du nun als Göttin noch so etwas wie Einsamkeit?
    Zumindest ich kann sagen, dass ich mich einsam fühle, seit du nicht mehr da bist und sich niemand wirklich an dich erinnert.
    Manchmal wünsche ich mir, dass ich mich nicht mehr an dich erinnern könnte. Vielleicht würde ich mich dann nicht mehr so fühlen, als würde ein wichtiger Teil von mir fehlen, als gäbe es ein klaffendes Loch in meinem Herzen.
    „Was machst du noch hier draußen, Akemi-san?“, höre ich die Stimme von Kyoko hinter mir und drehe mich zu ihr um.
    „Ich halte Ausschau nach Dämonen“, erwidere ich leise.
    Mit vor der Brust verschränkten Armen kommt das rothaarige Mädchen auf mich zu. „Willst du nicht nach Hause? Es ist immerhin Weihnachten?“
    Ich erwidere nichts, sehe mich stattdessen nur wieder zu der Stadt um, doch kann ich keinen Dämon entdecken.
    „Wollen wir vielleicht zusammen in ein Café gehen?“, fragt Kyoko nun freundlich, wodurch ich gezwungen bin, sie wieder anzusehen. Ein sanftes Lächeln liegt auf ihren Lippen und ich weiß, dass sie, auch wenn sie es wie ein widerwilliges Angebot klingen lässt, sich wohl genau dies wünschen würde.
    Mein Herz wird mir schwer. Ich weiß, dass auch sie einsam ist, doch ich kann mich nicht dazu bringen. „Nein...“, sage ich leise. „Du hast Recht. Ich gehe wohl besser nach Hause.“ Ich drehe mich zur Stadt um. „Es tut mir leid, Kyoko. Ich möchte nur... Ich möchte allein sein“, entschuldige ich mich leise bei ihr, ehe ich mich in die tiefe Fallen lasse.
    Die kühle Winterluft rauscht an meinem Gesicht vorbei, während der Boden immer näher kommt. Dann breite ich meine unsichtbaren Flügel auf, um meinen Sturz abzufangen, und lande sanft in der halb verlassenen Straße.
    Ich sehe mich um, versuche somit sicher zu gehen, dass mich niemand gesehen hat, ehe ich mich tatsächlich auf den Weg zur Wohnung mache, die ich mir eigentlich mit meiner Mutter teile.
    Auf meinem Weg lässt es sich nicht vermeiden, dass ich durch eine, der vielen Einkaufsstraßen unserer Metropole komme, wo jedes Schaufenster und jede Straßenlaterne weihnachtlich geschmückt ist. Ich habe noch nie Weihnachten gefeiert, davon abgesehen, dass mir im Krankenhaus meist Weihnachtskarten gebracht wurden. Doch letzten Endes war Weihnachten ein Fest für Verliebte oder etwas, das man vielleicht mit seinen Freunden feierte. Doch da ich ich nie wirklich verliebt gewesen bin und auch nie viele wirkliche Freunde hatte, war es wohl kein Fest für mich.
    Tatsächlich sehe ich auch heute fast nur Menschen, die mit ihren Freunden, ihrer Familie oder einem Geliebten durch die Straßen gehen.
    Für einen Moment frage ich mich, ob ich sie beneide. Doch wonach sollte ich mich sehnen? Ich genieße die Einsamkeit, oder etwa nicht? Letzten Endes war ich schon immer allein gewesen, denn beide meine Eltern haben schon als ich ein Kind war viel gearbeitet.
    Außerdem sind die meisten Jungen und Mädchen, die im selben Alter sind, wie ich, zu laut für meinen Geschmack. Zumal es all diese Dinge gibt, an die ich mich erinnere. All die Erinnerungen daran, wie ich versucht habe, dich zu retten.
    Und jetzt? Ich frage mich, ob ich dich wirklich gerettet hab. Hast nicht viel mehr du mich gerettet? Wovor? Ich kann es nicht beantworten...
    Und ich kann mit niemanden, außer Kyubey, darüber reden. Kyubey, der dich in jener Welt soweit getrieben hat und der auch in dieser Welt zu Emotionen nicht fähig ist.
    Nein, ich bin lieber einsam, denn ich ertrage die Gesellschaft anderer Jugendlicher genau so wenig, wie die Gesellschaft meiner fast immer arbeitenden Mutter. Ich genoss nichts so sehr wie die Stille. Selbst die anderen Mädchen, wie Kyoko und Mami würden das nicht verstehen.
    Unwillkürlich bleibe ich nun stehen, da ich einen großen Platz, ganz in der Nähe der Straße unserer Wohnung erreicht habe. Hier steht einer der vielen, durch die Stadt verteilten großen Weihnachtsbäume. Die große Tanne, die eigentlich aus mehreren kleineren zusammen gesteckt ist, ist über und über mit verschiedenfarbigen Lichtern und Kugeln geschmückt. Glitzernde Girlanden aus Lametta hängen an ihr, während sie über und über mit Kunstschnee bestäubt ist.
    Ich sehe an ihr hinauf, ohne sie wirklich zu sehen.
    Mein Herz klopft schmerzhaft in meiner Brust. Ich weiß nicht wieso oder wieso gerade jetzt, doch die Erkenntnis, dich für immer verloren zu haben, kommt über mich, wie eine Welle.
    Vielleicht ist es, weil mich die leuchtenden Lichter an den Seelenstein in meiner Tasche erinnern. Es war mein Wunsch gewesen, dich zu retten, deine Verzweiflung und deinen Tod zu verhindern. Das war der Wunsch, für den ich Kyubey meine Seele verkaufte und letzten Endes wurde er mir erfüllt, oder?
    So oft, seit ich dich das letzte Mal gesehen habe, habe ich mich eins gefragt: Habe ich dich wirklich gerettet? Und jedes Mal, wenn ich diese Frage mir stelle, so schließt sich eine andere ihr an. Dann frage ich mich, was wirklich die Natur meines Wunsches gewesen war. Wollte ich dich um deiner Willen retten oder war der Wunsch einer viel egoistischeren Natur? War er der Tatsache entsprungen, dass du die erste wirkliche Freundin, die ich je gehabt habe, gewesen bist? War es vielleicht gewesen, weil ich diese Einsamkeit, die nun so allgegenwärtig ist, gefürchtet habe?
    Ich weiß, dass diese Fragen an der Energie in meinem Seelenstein zehren und ich sterbe, wenn ich ihnen nachgebe. Doch ist dies wirklich so schlimm? Würde mich jemand vermissen? Und dann drängt sich eine andere Frage in mein Bewusstsein: Wenn mein Seelenstein zerspringt, werde ich dich dann ein letztes Mal wiedersehen? Wirst du es sein, die mir mein Leben nimmt?
    In diese Gedanken versunken merke ich nicht einmal, wie ich schwach werde. Ich merke nicht, dass Tränen meine Augen füllen, während ich noch immer an dem Baum hinaufsehe. Heiß laufen sie über meine Wangen und lassen das Bild vor meinen Augen noch weiter verschwimmen.
    Da höre ich eine Stimme. „Homura-chan!“
    Halluziniere ich schon? Oder ist es wirklich so weit? Sterbe ich?
    „Homura-chan!“ Es ist deine Stimme, die nun erneut erklingt und mich aufsehen lässt. Es blendet mich ein Licht, heller noch als die vielen kleinen Lampen an dem großen Weihnachtsbaum.
    Ich schaue unwillkürlich auf und sehe... Dich! Madoka. Du schwebst vor mir in der Luft, umgeben von einem hellen Licht.
    „Ma-do-ka...“, flüstere ich leise und bemerke nun die Tränen in meinen Augen. Schnell wische ich mir mit dem Handrücken über das Gesicht, als du jedoch sanft nach meiner Hand greift.
    „Weine nicht, Homura-chan“, klingt deine Stimme sanft in meinen Ohren.
    Ich sehe in deine glänzenden Augen, in dein Gesicht und bin für einen Moment sprachlos.
    Wellig fallen deine nun langen, rötlichen Haare über deine Schulter und das Kleid, das du trägst, scheint von einem reinen Weiß und schimmert doch, wenn ich es nicht genau ansehe, in allen möglichen Farben. Du siehst so vollkommen anders aus, als das Mädchen, das ich einst, vor so langer Zeit, an meinem wirklichen ersten Tag an der neuen Schule getroffen habe. Und doch besteht kein Zweifel daran, dass du es bist.
    „Madoka“, flüstere ich erneut mit heiserer Stimme und sehe dich an, „bist du endlich gekommen um mich zu holen?“
    Doch du schüttelst nur den Kopf und lächelst mich sanft an. „Nein“, sagst du leise, „und ich hoffe, dass ich das niemals muss...“ Du nimmst meine Hand nun zwischen die deinen und ich werde von einer unbeschreiblichen Wärme durchflutet.
    Noch immer fließen Tränen über meine Wangen. „Warum bist du dann hier? Träume ich nur?“
    Du antwortest mir nicht sofort, schenkst mir dann jedoch jenes strahlende Lächeln, das ich so oft auf dem Gesicht des einfachen Mädchens Madoka gesehen habe. „Ich wollte dir fröhliche Weihnachten wünschen, Homura-chan!“
    Darauf kann ich nichts erwidern. Während ich sprachlos bin haftet mein Blick an dir, bis du zum Himmel aufschaust.
    „Ich muss wieder gehen, Homura-chan“, flüsterst du mir zu. „Doch versprich mir eins.“
    Stumm nicke ich dir zu.
    „Versprich mir stark zu sein“, sagst du. „Gib dich nicht der Einsamkeit hin. Ein so lieber Mensch wie du, hat es nicht verdient allein zu sein.“
    „Aber Madoka...“, beginne ich, aber du siehst mich nur ernst an.
    „Versprich es mir!“
    Ich zögere. Doch dann nicke ich leicht. „Ich werde es versuchen...“
    Du scheinst damit zufrieden zu sein und lächelst mich wieder ein, ehe du dich langsam von mir entfernst. „Gut.“
    Meine Hand gleitet aus deiner und ich unterdrücke den Reflex noch einmal nach dir zu greifen, dich aufzuhalten.
    „Weine nicht mehr“, klingt deine Stimme in meinen Ohren, während du langsam eins mit dem Licht wirst. „Du hast meinetwegen schon genug Tränen vergossen...“ Diese letzten Worte sind nur noch ein leichtes Flüstern, die vom Wind davongeweht werden. Du bist verschwunden.
    Unverwandt sehe ich auf den Fleck, an dem du verschwunden bist. „Madoka...“, flüstere ich. „Madoka...“ Immer und immer wieder. Ein Schluchzen dringt aus meiner Kehle hervor und weitere Tränen rinnen über meine Wangen.
    Ich weiß nicht was ich fühlen soll. War all das nur eine Halluzination? Habe ich es mir nur eingebildet? Oder bist du wirklich zu mir gekommen, wie ein Engel in der Weihnachtsnacht?
    Deine Worte klingen in meinem Geist wieder. „Weine nicht mehr.“
    Einige Male atme ich tief durch, um mich zu beruhigen. Ich weiß, dass mich einige der anderen Menschen hier verstohlen ansehen. Schließlich wische ich mir mit dem Handrücken über die Augen, um wieder klar zu sehen.
    Die Lichter funkeln und glitzern in dem Weihnachtsbaum, wie Feenlichter in einem Märchen.
    Noch immer frage ich mich, ob ich mir das gerade eingebildet habe, ob es nur mein eigenes Herz war, das zu mir gesprochen hat. Und doch weiß ich, dass es dein Wunsch wäre. Ich weiß, dass du mich nicht alleine sehen wolltest.
    Ich wende mich von dem feierlich geschmückten Baum ab und wende mich der Straße zu, aus der ich gekommen bin. Vielleicht finde ich Kyoko, wenn ich nun nach ihr suche. Kyoko, die wahrscheinlich genau so einsam ist wie ich...



  • Wie schon angekündigt gibt es heute noch eine Geschichte ;) Und zwar eine praktisch antike.
    Ich habe mir gedacht, da Weihnachten ist und meine erste Kurzgeschichte (zumindest die erste, die ich online veröffentlicht habe) eine Weihnachtsgeschichte war, kann ich diese hier auch einmal reinstellen. Ich warne vor: Die Geschichte ist acht Jahre alt. Also stilistisch und auch von der Rechtschreibung her alles andere als aktuell. Nichts desto trotz hänge ich ein wenig dran. Auch wenn ich partout nicht weiß, wie ich damals auf Kafka gekommen bin. Ich habe damals zwar ziemlich viel von Kafka gelesen... Aber wie der Name in die Geschichte gekommen ist... Keine Ahnung.
    Nun ja, wie dem auch sei.
    Ich habe für die Geschichte übrigens nie einen spezifischen Handlungszeitpunkt festgelegt. Aber ich denke man kann sagen, dass sie irgendwann zwischen 1880 und 1950 spielt.


    Serie: Eigene Serie/Original
    Genre: Kurzgeschichte, Kunsterzählung
    Entstanden: Dezember 2004 (2005 erstmals online gestellt)


    Handlung:
    Ein Obdachloser lebt in einen kleinen Dorf, in dem alle davon überzeugt sind, dass sie alles schlechte, was ihnen passiert, ihm zu verdanken haben. Niemand kennt seinen wirklichen Namen, doch sie alle nennen ihn Kafka.



    Sie nannten ihn Kafka. Ratte nannten sie ihn; Ratte, Streuner, Ungeziefer. So nannten sie ihn.
    Sein dunkles Haar war von grauen Strähnen durchzogen, dabei sah er nicht älter aus als 20.
    Er ist Jude, schimpften sie.
    Keiner wusste ob Kafka wirklich sein Name war.
    Seine Mutter war eine Hure, empörten sich die Frauen.
    Sein Vater ein reicher Jude, ein Tunichtsgut, flichteten die Männer ihnen bei.
    Er sprach nie.
    Verschwinde, riefen sie, wenn er auf dem Kirchenplatz erschien.
    Sie fragte sich manchmal ob er stumm war.
    Wenn er nicht ging warfen sie Steine nach ihm.
    Nein, sprechen tat er nie.
    So ein Gesindel in unserem Dorf, schimpfte ihr Vater oft.
    Er hatte kein Zuhause.
    Er ist sicher krank im Kopf, sagte ihre Mutter.
    Er klaute zu Essen, nie mehr als er brauchte.
    Ein Dieb, ein Dieb, schrien die Marktweiber wenn sie ihn sahen.
    Er ist ein Sohn des Teufels, prädigte der Pfarrer des Sonntags.
    Die Raben kamen zu ihm geflogen.
    Er redet mit ihnen, munkelten die Mädchen in ihrer Klasse.
    Die alte, schwarze, einäugige Katze des toten Bäckers folgte ihm immer.
    Er ist ein Hexer, flüsterte ihre Tante nach der Messe.
    Abends traf man ihn oft auf der Straße.
    Geh Abends nie allein raus, sonst nimmt er dich mit, drohte ihr Bruder.
    Sie hatte ihn einmal getroffen, Abends.
    Aber seine Augen sind so freundlich, sagte sie dann.
    Er ist der Teufel selbst, die Ratte, riefen sie dann empört.
    Und sie schwieg.
    Wer hat Angst vorm schwarzen Mann, wer hat Angst vor Kafka, riefen die Jugen ihrer Klasse.
    Wenn er sie das spielen sah, schwieg er.
    Wieso kommt keine Katze, die die Ratte frisst, fragte ihre Großmutter.
    Er ging den Menschen aus dem Weg.
    Wieso hasst ihr ihn, erwiderte sie dann.
    Aber zur Last viel er doch eigentlich niemanden.
    Er ist ein Jude, riefen dann alle.
    Nachts schlief er oft im Straßengraben.
    Die Juden haben Jesus ans Kruez genagelt, erklärte ihr Großvater.
    Einmal war er krank und lag auf der Straße.
    Wieso verreckt er nicht einfach, sagten sie im Pfarrheim nach der Sonntagsmesse.
    Helfen tat ihm keiner.
    Der Streuner ist nur ein Schandfleck für unser Dorf, sagte der Lehrer.
    Dann schlief er des Winters in der Scheune.
    Er bringt Unglück über meinen Hof, schrie der Bauer entsetzt.
    Man warf ihn raus.
    Sie sah ihm nur mitleidig nach, als er im Winternebel verschwand.
    Hoffentlich erfriert er, sprachen die Leute.
    Hoffentlich nicht, dachte sie.
    Als sie ihn damals getroffen hatte, lächelte er.
    Er ist nicht böse, ganz bestimmt nicht, flüsterte sie abends zu ihrer Freundin.
    Seine Augen waren immer freundlich und ein kleines bischen traurig.
    Er ist Kafka, die Ratte, narütlich ist er böse, antwortete diese.
    Dann sprachen sie nicht mehr über ihn.
    Hoffentlich ist er bis Weihnachten verschwunden, flüsterte ihre Mutter eines Abends.
    Doch der Advent kam und die Ratte war noch da.
    Können wir nicht wenigstens in der heiligen Zeit ruhe haben, fragte die Frau des Bürgermeisters beim Gemeindetreff.
    Dann kam der heilige Abend und er war noch da.
    Mach nicht die Tür auf, es könnte Kafka sein, ermahnte ihre Mutter bevor die Familie zur Kirche ging.
    Sie war krank, so dass sie nicht mit in die Messe konnte.
    Gott erlöse uns von allem Unheil, beteten sie in der Kirche.
    Ihr Unheil war der Jude, Kafka.
    Gott schütze uns, predigte der Pfarrer.
    Es war so dunkel, dachte sie zu hause.
    Und mach, Herr, dass Kafka nicht meine Tochter holt, betete ihre Mutter.
    Sie ging ins Wohnzimmer.
    Wird Kafka in die Hölle kommen, fragte ihre Freundin ihre Mutter.
    Die Kerzen vom Adventskranz würden schön brennen.
    Ganz bestimmt, mein Liebes, antwortete diese.
    Sie holte die Zündhölzer und entfachtete sie.
    Bald wird man ihn holen, flüsterte man, nach der Kirche.
    Plötzlich brannte der ganze Tisch.
    Es brennt, es brennt, schrie die Haushälterin des Pfarrers als sie aus der Kirche traten.
    Dann hatten die Flammen sie eingeschloßen.
    Das ist unser Haus, rief ihr Bruder.
    Mama, flüsterte sie und kauerte sich zusammen.
    Meine Tochter ist noch zu Haus, weinte ihre Mutter.
    Alle rannten zum Haus.
    Rette sie doch jemand, rief ihr Bruder.
    Keiner bewegte sich.
    Wieso straft uns Gott so, fragte ihr Vater verzweifelt.
    Die Flammen waren ganz nah bei ihr.
    Tu doch einer was, schrie der Bauer.
    Auf einmal stand er hinter ihnen.
    Kafka hat das Haus angesteckt, schrien die Frauen.
    Des Saum ihres Kleides fing Feuer.
    Sei verflucht Kafka, fluchten alle.
    Er schwieg und ging auf das Feuer zu.
    Er ist ein Hexer, ein Hexer, riefen die Mädchen.
    Dann war er im Feuer verschwunden.
    Soll er verbrennen, als Strafe für seine Sünden, sagte der Pfarrer.
    Jemand hob sie hoch.
    Aber meine Tochter, flüsterte ihre Mutter und brach zusammen.
    Sie hatte ihre Augen geschloßen, doch sie merkte, wie es kühler wurde.
    Was macht er da, flüsterten einige überrascht.
    Er gab sie ihrem Vater und ging.
    Er... Er hat sie gerettet, flüsterte ihr Bruder.
    Das Haus brannter vollkommen ab.
    Mein Liebling, flüsterte ihre Mutter als sie sie hochhob.
    Doch er war in der Dunkelheit verschwunden.
    Kafka, Kafka hat sie gerettet, berichteten die Fraun am nächsten Tag.
    Sie wohnten vorerst bei ihren Großeltern.
    Aber hat sich keiner bei ihm bedankt, fragte ihr Cousin aus der Stadt.
    Sie war nur leicht verletzt.
    Er ist nicht mehr da, antwortete man bedrückt.
    Sie sah ihn dort nie wieder.
    Kafka, die Ratte, das Ungeziefet, wie sie ihn nannten, Kafka, der Streuner, Kafka... Der Weihnachtsengel.
    Sie nannten ihn Kafka.

  • Ich wünsche euch ein frohes neues Jahr!


    Wie gesagt: Ich habe eine breite Sammlung an One-Shots. Daher hier eine weitere Geschichte, dieses Mal zu Digimon Tamers. Speziell zu einem meiner Lieblingscharaktere: Shuichon!


    Serie: Digimon Tamers
    Genre: Action, Gen
    Entstanden: Mai 2010


    Handlung:Tokyo, Juli 2004 - Ein heißer Sommer, eine ausgefallene Klimaanlage und nicht zuletzt eine unruhige kleine Schwester sorgen dafür, dass Jenrya Takato und Ruki zur Tanabatafeier am Meiji Schrein begleitet.
    Aber auch im Sommer ist man weder vor plötzlichen Regenschauern, noch vor wilden Digimon sicher.




    The bamboo leaves rustle, rustle,
    shaking away in the eaves.
    The stars go twinkle, twinkle;
    Gold and silver grains of sand.


    „Jian-nii-san, das Eis tropft!“, warnte Shuichon auf dem Boden liegend ihren müden Bruder.
    „Moumantai“, erwiderte das nicht minder müdere Terriermon, das schläfrig auf der Rückenlehne des Sofas lag.
    Etwas unbeholfen leckte sich der Junge die Milchcreme von den Fingern, ehe er nach einem Taschentuch griff, um sie sich abzuputzen. Letzten Endes half auch das ohnehin sehr schnell auftauende Eis nicht gegen die Hitze, die in der Wohnung des Mehrfamilienhauses herrschte. Die Klimaanlage war am Vortag ausgefallen und noch immer nicht repariert.
    Während Rinchei ohnehin auswärts studierte, war Jaarin zu einer Freundin, in deren Wohnung die Klimaanlage noch ihren Dienst tat, geflohen, während Mayumi, ihre Mutter, bei einem Klassentreffen war und Janyuu, wie auch an Samstagen nicht selten, auf der Arbeit.
    So waren von der sechsköpfigen Familie nur die beiden Jüngsten zusammen mit ihren beiden langohrigen Digimon zurückgeblieben.
    „Es ist heiß“, beschwerte sich Terriermon und versuchte sich auf dem begrenzten Platz umzudrehen. „So heiß!“
    „Moumantai“, erwiderte Lopmon, das auf dem Seitenpolster des Sessels saß.
    „Hey!“ Das hellere der beiden Digimon rief empört auf, schien aber zu müde oder zu faul, um einen Streit anzufangen.
    Irgendein Kinderanime flackerte bunt über den Fernsehbildschirm, ohne wirkliche Beachtung zu finden.
    Es war Juli und schon seit vier Tagen wurde es scheinbar immer wärmer. Die Luft war schwül und die Hoffnung auf ein baldiges Gewitter hatte sich ausgebreitet. Nur kam dieses Gewitter nicht. Jedenfalls bis jetzt noch nicht.
    In den Schulen war das Arbeitstempo auf ein Minimum heruntergekommen, denn selbst in den meist klimatisierten Klassenräumen herrschte eine allgemeine Müdigkeit.
    Für eine Weile herrschte müdes Schweigen in dem heißen Wohnzimmer, ehe Shuichon die Augen aufschlug.
    „Jian-nii-san“, begann sie wieder. „Mir ist langweilig!“
    „Dann geh raus…“, seufzte ihr großer Bruder nur.
    „Komm mit!“, nörgelte sie.
    „Dazu ist es zu heiß!“, erwiderte Terriermon verschlafen und das Mädchen zog einen Schmollmund.
    Bevor sie jedoch anfangen konnte, mit ihrem Bruder oder einem der Digimon darum zu streiten, ob jemand und wer sie begleiten würde, klingelte das Telefon, das an der Wand im Esszimmer montiert war.
    Als sich weder ihr Bruder, noch die Digimon rührten, sprang die Zehnjährige auf und rannte in das anliegende Zimmer. „Ja, bei Familie Lee“, flötete sie ins Telefon.
    „Shuichon?“, fragte Takatos Stimme vom anderen Ende der Leitung.
    „Ja“, erwiderte sie fröhlich.
    „Kann ich Jian sprechen?“
    Sie sah durch die türlose Öffnung in der Wand zu ihrem halbschlafenden Bruder und schüttelte den Kopf, auch denn das Takato schlecht sehen konnte. „Sieht nicht so aus“, kommentierte sie daher.
    „Ähm…“ Scheinbar hatte sie Takato etwas aus dem Konzept gebracht. „Naja“, fing er sich schließlich wieder. „Kannst du ihn dann von mir fragen, ob er…ob ihr heute Abend mitkommen wollt? Heute Abend ist am Meiji Schrein eine Tanabatafeier. Und ich dachte mir…“
    Weiter kam er nicht, ehe Shuichon ihn schon unterbrach. „Klar, kommen wir!“
    „Du hast ihn noch nicht gefragt…“, stellte Takato fest.
    „Wir kommen!“, erwiderte das Mädchen nur überzeugt und legte auf.
    Von dem lauten Aufruf geweckt, regte sich Jenrya etwas und sah seine Schwester nur voller Misstrauen an. „Wohin kommen wir mit?“


    Der Abend näherte sich und der Himmel hatte sich schon leicht ins rötliche verfärbt, als Jenrya zusammen mit seiner kleinen Schwester am Yoyogipark, in dem der Schrein lag, ausstieg.
    Shuichon trug einen rosafarbenen Yukata mit rotem Muster und hatte ihren Bruder ebenfalls dazu gebracht, ein Hakamagewandt zu tragen, wenngleich nicht unbedingt zu dessen Begeisterung. Die beiden langohrigen Digimon hingen derweil müde auf seinen Schultern, immer noch nicht ganz begeistert von der Idee, herauszugehen.
    An der Station wartete Takato bereits, ebenfalls in Hakama, und damit offenbar wesentlich glücklicher, als Jenrya.
    „Was ist mit Guilmon?“, fragte Jenrya.
    „Ich hab gedacht, dass es bei so vielen Leuten etwas auffällig wäre, wenn es mitkommt.“ Der japanische Junge lachte trocken. „Es würde wahrscheinlich nur eine Panik auslösen.“
    „Wahrscheinlich“, erwiderte Jenrya und lachte bei der Vorstellung, wie Guilmon wohl nicht einmal verstehen würde, wieso sich die Leute fürchteten.
    „Moumantai“, meinte Terriermon und sah zu Takato hinüber.
    Nun war es an Shuichon, sich einzumischen. „Was ist mit den anderen?“
    „Ähm, Ruki wird wohl noch kommen“, antwortete Takato. „Aber ich fürchte, keiner vom Rest. Hirokazu will die Wohnung nicht verlassen, Kenta ist erkältet und bei dem Wetter sind viele Menschen in der Bar von Juris Eltern und sie muss ihrem Vater helfen.“
    „Dann warten wir noch auf Ruki-nee-chan?“, fragte das Mädchen, doch der kleinere der beiden Jungen schüttelte den Kopf. „Sie sagte, sie trifft uns am Schrein.“
    „Wunderbar“, meinte Shuichon, offenbar wild darauf, zum Schrein zu gehen und marschierte bald darauf den beiden Jungen voraus in den Park.
    Da es der vorletzte Tag und ein Samstag war, an dem Tanabata gefeiert wurde, und der Meiji Schrein der größte in Tokyo war, waren sie bei weitem nicht allein. Takatos Befürchtung, dass Guilmon eine Panik verursachen könnte, war auch nicht unbegründet, denn viele der Leute hier waren jung und genau in dem Alter, in dem viele Mädchen erst kreischten, ehe sie sich das Monster genau ansahen. Die meisten Frauen waren in Yukatas gekleidet, wenngleich nur wenige Jungen und Männer traditionelles Gewandt trugen.
    Insofern stachen die beiden dreizehnjährigen etwas heraus, jedoch nicht genug, um die Aufmerksamkeit auf die beiden vermeidlichen Plüschtiere mit langen Ohren zu lenken.
    Sasa no ha sara-sara“, summte Shuichon vor sich hin, während sie vor den Jungen die wenigen Treppenstufen zum Torii des Schreins hinauftänzelte.
    „Pass besser auf“, rügte Jenrya sie halbherzig, als sie beinahe das Gleichgewicht verlor, doch sie sah ihn nur genervt an.
    „Keine Sorge, ich bin kein kleines Kind mehr“, murmelte sie und mit einem Seufzen ließ er es dabei bewenden.
    Es dauerte nicht lang, ehe sie Ruki fanden, die an einer kleinen Bude, die nicht weit abseits des eigentlichen Tempelgeländes Andenken verkaufte. Nicht unverständlich waren die Jungen überrascht, sie ebenfalls in einem Kimono zu sehen, doch allein der Blick der beiden reichte, um sie aufstöhnen zu lassen.
    „Meine Mutter“, grummelte sie nur. „Kein Wort darüber!“
    Doch Takato konnte nicht anders als zu kichern.
    „Sei ruhig verdammt!“, fuhr Ruki ihn an, auch wenn ihr wahrscheinlich selbst klar war, dass dies es nicht besser machen würde. Immerhin kannten sie sich schon seit drei Jahren.


    Wie so oft musste Jenrya feststellen, dass die Zeit oft schneller verging, als man annahm.
    Die ersten, schon einige Tage sehnsüchtig erwarteten Regentropfen fielen, als die vier Tamer bereits mehr als eine Stunde in Yoyogipark waren, und mit ihnen war auch ein entfernter Donner zu hören.
    Doch so sehr der Regen und die damit verbundene Abkühlung ersehnt worden war, so unwillkommen war er nun den meisten Leuten im Park. Einige Frauen quietschten und schnell flüchteten die meisten Besucher zurück zur Bahnstation oder den Nebengebäuden des Schreins.
    Lopmon zeigte sich als äußerst nützlich, breitete es seine Ohren über Shuichon aus, um sie vor dem Regen zu schützen, während Terriermon nur grummelte und versuchte, sich in Jenryas Kleidung in Sicherheit zu bringen.
    Es herrschte einen Moment lang Ruhe, ehe Takato meinte: „Vielleicht sollten wir gehen.“ Er sah dem Strom der Menschen nach. „Wenn ihr wollt, könnt ihr noch zu mir kommen. Wir haben sicher noch Kuchenreste.“
    „Ich würde sagen, dass wir erst einmal schauen sollten, dass wir ins Trockene kommen, ehe wir uns weitere Gedanken machen“, erwiderte Jenrya, woraufhin Shuichon nur das Gesicht verzog, offenbar ahnend, dass er eigentlich nach Hause wollte.
    So machten sie sich auf den Weg zurück zum Schreingelände, um von dort aus zu der Station zu gehen. Doch gerade, als sie südliche Tor, durch das sie auch gekommen waren, passieren wollen, stieg genau in der Mitte des Platzes vor dem Schrein eine Lichtsäule in die Höhe.
    Auch ohne dass Takato Guilmon dabei hatte, geschah nun das Absehbare. Kreischen, Quietschen und eine Menge laufender Menschen, während sich der Nebel aus digitalen Proteinen, wie Yamaki sie nannte, um die Säule herum ausbreitete.
    „Ein Digimon!“, rief Shuichon etwas begeisterter, als es zur Situation passte, aus.
    „Verdammt“, murmelte Takato, seinen Partner nun missend.
    Renamon erschien neben Ruki und das Mädchen sah Jenrya herausfordernd an. Er nickte.
    „Takato, kannst du Shuichon zur Bahnstation bringen?“, fragte er.
    Der andere Junge zögerte, denn besser als ihr großer Bruder es wollte, wusste er, dass sich Shuichon bei weitem nicht einfach fortschicken lassen würde. Um genau zu sein fragte er sich, warum Jenrya es überhaupt noch versuchen wollte.
    Denn noch bevor er selbst antworten konnte, ballte das Mädchen die Fäuste und sah ihren Bruder trotzig an. „Ich werde nicht gehen.“
    „Aber Shuichon“, begann ihr Bruder, aber sowohl Takato als auch Ruki wussten, dass er mit einem „Aber Shuichon“ nicht viel bei ihr erreichen würde.
    „Ich bin kein kleines Kind mehr“, fuhr sie ihn an. „Ich kann auf mich selbst aufpassen.“
    „Aber“, setzte Jenrya noch einmal an, doch bevor er weiterreden konnte, stürmte das Mädchen schon an ihm vorbei in den Nebel hinein.
    „Shuichon!“ Jenrya seufzte, dann setzte er ihr, ohne auf die anderen zu warten, hinterher.
    So lange sich die Digimon in einer Digital Zone befanden, waren sie noch nicht wirklich gefährlich. Sie mussten genügend Materie sammeln, ehe sie die Zone verlassen konnten, weshalb sie im Umkehrschluss außerhalb des Nebels keinen Schaden anrichten konnten.
    Wieso musste Shuichon nur immer so dickköpfig sein?
    Er brauchte einen Moment, sich an das seltsame Licht in der Zone zu gewöhnen, nachdem es im Park draußen bereits ziemlich finster gewesen war. Er sah Shuichon und Lopmon, doch von dem Digimon, das sich materialisierte, konnte er nichts sehen, bis Terriermon aufschrie.
    „Petit Twister!“, rief es und sprang von seinem Kopf, um etwas links oben von ihm zu attackieren. Einen Moment später wurde es jedoch bereits zurückgeworfen und landete hart auf dem Boden.
    „Terriermon!“ Er lief die wenigen Schritt zu ihm hinüber.
    Shuichon war geistesgegenwärtiger. „Card Slash!“, rief sie und holte eine Karte aus dem Ärmel ihres Yukata hervor. „Chou Shinka – PlugIn S!“
    „Lopmon – Shinka! Wendimon!“
    „Sei vorsichtig!“ Das Mädchen hatte bereits andere Karten in der Hand, wartete jedoch, ehe es diese benutzte.
    Nun kamen auch Ruki, Renamon und Takato zu ihnen gerannt. Während Takato ohne seinen Partner etwas hilflos aussah, schaute sich Ruki nur einmal um, sah zu Jenrya, dann zu Renamon, welches offenbar im Gegensatz zu Wendimon den Gegner sehen konnte.
    „Es ist schnell“, stellte es fest und Ruki wandte sich an Jenrya.
    „Alles in Ordnung?“
    Der Junge sah zu seinem Partner hinab, der sich schon wieder halbwegs aufgerappelt hatte. „Moumantai“, meinte das Digimon. „Du machst dir einfach zu viele Sorgen.“
    Mit einem Seufzen nickte er Ruki zu.
    „Renamon!“ – „Terriermon!“ Die Digimon nickten.
    „Card Slash! Cou Shinka – PlugIn S!“
    „Terriermo – Shinka! Galgomon!“
    „Renamon – Shinka! Kyuubimon!“
    Die Digimon bildeten einen Kreis, Rücken an Rücken, wenn man von Rücken sprechen konnte. Trotzdem sahen sich Galgomon und Wendimon selbst noch verwirrt um, hatten offenbar Probleme, dem Gegner mit dem Blick zu folgen.
    „Jetzt“, knurrte Kyuubimon auf einmal und ehe die Tamer überhaupt sahen, was geschah, zuckte ein Blitz zwischen ihren drei Partnern hindurch und als sie die Augen wieder öffneten, rang Wendimon mit einem Digimon, das in etwa die Größe des Fuchsdigimon hatte. Es hatte einen grünen Panzer auf seinen Rücken, seltsame Flügel und ein rotes Horn, auf dem ebenfalls mit einem jadegrünen Helm bestückten Kopf.
    Es knurrte, während Ruki auf ihr D-Arc sah.
    „Tyilinmon“, las sie vor. „Level Perfect.“ Sie zögerte für einen Moment.
    „Wendimon!“, rief Shuichon, während der Gegner ihres Partners diesen immer weiter zurückdrängte, sodass es kurz davor war, das Gleichgewicht zu verlieren. „Card Slash! Strength Plug-In W!“ Mit entschlossenem Blick sah das Mädchen zu ihrem Partner herüber, der sich nun wieder fing.
    Es schaffte es, Tyilinmon soweit zurückzudrängen, dass es es am Horn packen und fortschleudern konnte, doch so schnell war das Digimon, das ein Level über Wendimon war, nicht besiegt.
    Noch wütender knurrend kam es auf die Hufen und fixierte seinen Blick auf das Biestmenschendigimon. Seine Flügel leuchteten auf und im nächsten Moment fanden sich die Tamer und ihre Digimon von beinahe vierzig Ebenbildern Tyilinmons umgeben, die sich alle gleichzeitig auf die nächste Attacke vorzubereiten schienen.
    „Ruki!“, rief Jenrya aus und das Mädchen nickte.
    Sie wussten beide, welche Karte ihnen in dieser Situation am besten helfen würde, sodass sie nahezu gleichzeitig die Karten durch ihr Digivice zogen.
    „Card Slash! Highspeed Plug-In H!“
    „Gatling Arm!“, rief Galgomon und begann auf die Ebenbilder zu feuern, während Kyuubimon sich in einem blauen Drachen aus Feuer verwandelte und so durch die Tyilinmon Schattenbilder flog.
    „Koenryu!“
    Die Doppelgänger verschwanden nach und nach, hatten sie keine Verteidigung, sondern waren Illusionen, die bei irgendeiner Berührung verblasten. Doch als sich auch das letzte Bild verblasst war, war von ihrem Gegner selbst nichts mehr zu sehen.
    Alle vier Tamer sahen sich um.
    „Wo ist es?“, fragte Takato und drehte sich um.
    Jenrya sah zum Rand der nebeligen Zone. „Hat es die Zone schon verlassen?“, fragte er, denn Perfects brauchten oft, obwohl ihre Datenmenge größer als die von Childs oder Adults war, weniger Zeit, um sich komplett zu materialisieren.
    „Dann hätte sich die Zone schon aufgelöst“, meinte Galgomon, das zusammen mit Kyuubimon und Wendimon einmal mehr Formation annahm, damit sie sich besser verteidigen konnten.
    Die Sekunden zogen sich zäh dahin, wie immer, wenn man auf etwas wartete, und es schien beinahe, als wäre das Digimon tatsächlich verschwunden. Dann jedoch war es Shuichon, die aufschrie.
    „Vorsicht!“
    Im selben Moment sprang Wendimon auf die Gruppe der Tamer zu und ehe die älteren drei überhaupt verstanden, was passiert war, drückte das große Adult ihren Gegner auf den Boden.
    „Galgomon!“, rief Jenrya aus und sein Partner eilte Wendimon zur Hilfe.
    „Dum Dum Upper!“, rief es und schlug mit seinen Armen auf Tyilinmon ein.
    Schließlich holte Wendimon mit seiner zweiten Klaue aus. „Club Arm!“ Mit diesem Ausruf ließ es die Faust auf den Gegner herabsausen und löste diesen schließlich in Datenpartikel auf.


    „Es ist schon spät“, murmelte Takato mit Blick auf sein Handy.
    Noch immer stand er zusammen mit Jenrya und Shuichon im Yoyogipark, darauf wartend, dass Galgomon und Wendimon ihre Energie aufgebraucht hatten und zu Terriermon und Lopmon zurückdigitierten.
    „Du kannst schon gehen, deine Eltern machen sich wahrscheinlich schon Sorgen“, erwiderte Jenrya ruhig. „Außerdem…“ Er zögerte kurz. „Könntest du Shuichon mitnehmen?“
    „Sicher“, erwiderte der andere Junge, doch Shuichon verzog das Gesicht.
    „Wieso?“, grummelte sie. „Ich werde auf Wendimon warten. Es ist mein Partner. Außerdem kann ich problemlos allein nach Hause fahren. Ich brauch doch keinen Babysitter.“ Damit warf sie Takato, der eigentlich ja nichts für das Verhalten ihres Bruders konnte, einen bösen Blick zu, woraufhin dieser entschuldigend zu Jenrya sah.
    „Da ist was Wahres dran.“
    „Aber Shuichon, ich meine doch nur…“, setzte ihr Bruder wieder an, doch sie verschränkte mit abschätzigem und zugleich schmollendem Blick die Arme vor der Brust.
    „Du meinst, dass ich nicht selbst auf mich aufpassen kann“, fauchte sie, ließ im nächsten Moment aber die Arme sinken. „Aber…“, begann sie dann leiser. „Aber ich bin fast genau so lange Tamer wie ihr. Ich bin so alt wie ihr, als ihr angefangen habt gegen die Wilden zu kämpfen. So alt wie ihr, als ihr in die Digiwelt gegangen war. Lopmon und ich…“ Sie schluckte. „Lopmon und ich können vielleicht nicht auf das Ultimate Level digitieren. Aber ich bin…“ Nun wurde ihre Stimme wieder trotziger. „Ich bin ein genau so guter Tamer wie du!“
    Und als würde es auf ihre Worte reagieren, digitierte in dem Moment Wendimon zu Lopmon zurück und landete auf der Schulter seines Partners. „Shuichon…“, flüsterte das Digimon leise und breitete seine Ohren zum Schutz vor dem Regen über seinem Partner aus.
    „Lopmon und ich passen schon aufeinander auf“, flüsterte sie und in ihrer Stimme schwangen sowohl Wut, als auch Tränen mit. „Wir brauchen sonst niemanden, der immer auf uns aufpasst. Sieh das endlich ein!“ Damit drehte sie sich auf dem Absatz um und marschierte in Richtung der Station davon, woraufhin sich ein unangenehmes Schweigen zwischen den drei verbliebenen Tamern ausbreitete.
    „Weißt du, Jenrya“, meinte Ruki schließlich. „Deine Schwester hat Recht. Sie ist kein kleines Kind mehr.“


    Etwas später stand der Junge noch immer am Tempel, während seine beiden Freunde bereits gegangen waren, denn es dauerte, bis sich Galgomon zurückentwickelte. Schließlich jedoch kam Terriermon zwischen den Büschen heraus und gesellte sich zu ihm.
    Auch wenn das Gewitter und mit ihm der Regen langsam nachließen, war Jenryas Kleidung durchnässt und er starrte mit ausdruckslosem Blick auf den wolkigen Himmel.
    „Glaubst du auch, dass ich überreagiere?“, fragte er schließlich.
    Das Digimon sah ihn an. „Moumantai“, murmelte es und zögerte etwas. „Aber ich denke auch, dass du sie nicht mehr beschützen musst. Sie kommt allein klar. Jaarin und Rinchei bevormunden dich schon lange nicht mehr.“
    Der Junge seufzte. Es stimmte, dass Jaarin und Rinchei ihn eigentlich nie bevormundet hatten. Jaarin war ohnehin mehr das Mädchen, das sich einzig für ihre Freunde, ihre Clique interessierte und hatte ihn schon früher immer wie ein nerviges kleines Anhängsel behandelt, wenn sie mal auf ihn hatte aufpassen müssen. Und Rinchei war ohnehin immer der stille Einzelgänger gewesen. Zwar nett zu seinen Geschwistern, aber auch nicht übermäßig fürsorglich.
    Doch genau deswegen hatte er sich für Shuichon verantwortlich gefühlt. Weil es weder Jaarin noch Rinchei taten.
    Und als sie damals in die Digiwelt gekommen war…
    „Schau“, meinte Terriermon, während er langsam über den Vorhof des Schreins und an dem aufgestellten Bambus vorbei lief, auf einmal und zeigte auf einen rosanen Tanzaku, der an einem der dünnen Bambusäste hing.
    „Das ist Shuichons“, fügte sein Partner hinzu, auch wenn er es selbst erkannte.
    Der Regen hatte die Schrift verwischt, doch er konnte sie noch genügend erkennen.
    Mein Wunsch ist es, ein guter Partner für Lopmon zu sein.
    „Shuichon“, flüsterte er leise.
    „Du solltest sie auch einmal kämpfen lassen“, meinte Terriermon. „Sonst wird sie nie das Gefühl haben, stark zu sein. Sie ist ein guter Tamer, Jian.“
    „Ich weiß“, murmelte der Junge. „Ich will doch nur auch ein guter großer Bruder sein…“ Für einen Moment hielt er inne, seufzte dann aber. „Wir sollten nach Hause gehen.“

  • Ich muss schon sagen... Ich bin etwas traurig, dass niemand etwas schreibt... ;(
    Wie dem auch sei... Dieses mal eine wirkliche Kurzgeschichte mit Fandom-Bezug.


    Serie: Fluch der Karibik
    Genre: Gen, Kurzgeschichte
    Entstanden: März 2010


    Handlung: Jack sucht schon lange nach einem Weg die Unsterblichkeit zu erlangen. Doch nachdem er vom Quell der ewigen Jugend getrunken hat, muss er feststellen, dass Unsterblichkeit in jeder Form einen Fluch mit sich zieht... Denn die Welt verändert sich.


    Anmerkung: Diese Geschichte ignoriert den vierten Film, der zu dem Zeitpunkt, als sie geschrieben wurde, noch gar nicht erschienen war.





    Der unsterbliche Captain Jack Sparrow.
    Das klang wirklich gut. Unsterblichkeit war das letzte Stadium der Freiheit. Selbst frei vom Tod. Ewige Jugend. Ja, das wäre wirklich interessant.
    Aber es gestaltete sich trotz Sao Fengs Seekarte schwieriger als gedacht, die Weltmeere in einer Nussschale zu durchkreuzen. Doch es war der Zufall, der ihn rettete, nun, zumindest mutete es so an, als das Flaggschiff der Piratenkönigin ihn auf einer Felsgruppe fand.
    Nun, sie konnte nicht zehn Jahre am selben Fleck verbringen, außerdem war sie noch immer eine Piratin, sagte sie.
    Doch sie wusste genau so gut wie Jack, dass sie dieselbe Freiheit brauchte, wie er.
    Vielleicht dauerte es deswegen so lange, bis er von Wills Kind erfuhr, dass in Sao Fengs Palast großgezogen wurde. Es war nicht möglich, die Freiheit zu waren und ein Kind großzuziehen.
    Und so suchten sie zusammen nach dem Quell, auch wenn sie dies unterschied.
    „Bist du dir sicher, dass du das willst, Jack?“, fragte sie. „Unsterblichkeit. Ewiges Leben? Die Zeiten ändern sich, weißt du?“
    Doch er verzog nur das Gesicht.
    Letzten Endes fanden sie den Quell – Unsterblichkeit.
    Der unsterbliche Captain Jack Sparrow.
    Das einzige, dass für sein vollkommenes Glück fehlen sollte, was sein Schiff. Aber in welchen Gewässern die Pearl nun segelte, das wussten wahrscheinlich nur die Götter und es war schon wieder einige Jahre her, dass er das letzte Mal einen Gott gesehen hatte.
    So vergingen zehn Jahre. Für einen Tag sahen sie Will. Dann segelten sie weiter.
    Und die Zeit verging.
    Elisabeth alterte, im Gegensatz zum Rest der Crew. Denn sie hatte sich geweigert, vom Quell zu trinken. Jack verstand sie nicht, aber er hatte die Frauen nie verstanden. Es war ihr Schiff, es waren ihre Regeln. Sollte sie nur machen, was sie wollte. Wenn sie starb hätte er vielleicht wieder ein eigenes Schiff.
    Weitere zehn Jahre. Ihr Sohn kam in die Crew. Sein Name war William, so wie der seines Vaters und Großvaters.
    Auch er sehnte sich nach der Unsterblichkeit, jedoch aus anderen Gründen als Jack. Er sehnte sich nach unendlichem Wissen. Doch die Piratenkönigin weigerte sich, noch einmal zur Quelle zu segeln.
    Stattdessen nahmen sie Sao Fengs Karte und suchten andere Schätze. In der Karibik, im indischen Ozean. Es gab so viele Schätze zu heben. Abenteuer zu erleben.
    Und die Zeiten änderten sich.
    Es brach das Zeitalter der Revolutionen an. Peru, Haiti, Amerika, Frankreich.
    Wohin man auch kam, die Menschen kämpften, sie revolutionierten, sie wollten die Dinge verändern. Sie kämpften für Freiheit, Unabhängigkeit. Jacks Ideale.
    Könige starben, neue Könige kamen an die Macht. Auch die Piratenkönigin fand ihren Tod.
    Noch immer konnte Jack ihre Dummheit nicht verstehen. Was hatte sie sich in der Sterblichkeit erhofft? Wollte sie ihren Vater wiedersehen? Oder meinte sie, so bei Will bleiben zu können?
    Erneut fuhren sie zur Quelle. Jung William wollte auch die Unsterblichkeit. Doch wollte er kein Pirat sein. Er wollte forschen.
    Und so fiel das Schiff tatsächlich an Jack.
    Aber es war nicht dieses Schiff, was er wollte. Es war die Pearl.
    Doch diese hatte er in den vergangenen Jahren nicht mehr gesehen. Was tat Barbossa nur?
    Alpträume verfolgten Jack. Alpträume, dass sein geliebtes Schiff schon längst von Algen überwachsen auf dem Boden irgendeines Meeres lag. Alpträume, dass es schon lang an die Marine gefallen war.
    War Barbossa nicht schon tot?
    An Land setzten sich die Revolutionen fort.
    Die Zeiten änderten sich tatsächlich. Es gab neue Waffen, neue Technik, neue Schiffe.
    Man fuhr nun mit Dampf auf See, wie auf Land. Die Segelschiffe waren überholt. Fuhr man mit Dampf, so musste man nicht warten, bis eine gute Briese wehte.
    Jack jedoch konnte an diesen Schiffen nichts finden. Sie waren laut, sie machten Dreck und man musste immer genug Kohle an Bord haben. Nein, diese Art zu reisen war nichts für den guten, alten Captain Jack.
    Weiter suchte er Schätze. In der Karibik, im indischen Ozean. Doch was er wirklich suchte, fand er nicht.
    Seine Pearl.
    Er fuhr sogar zum kaspischen Meer, zur See, über die Barbossa herrschte, aber weder von seinem ehemaligen ersten Maat, noch von seinem Schiff fand er eine Spur.
    Die Crew wurde gelangweilt.
    Was brachten all die Schätze, wenn sie doch mit jedem Tag der verging weniger wert wurden? Es gab leichtere Wege um an Geld zu kommen. Das Zeitalter der Piraten war vorbei. Sicher, es gab sie noch, doch alles war anders, als zu vor.
    Die neuen Piraten, sie gingen anders ans Werk, wie die Piraten zuvor.
    Der Brethren Court und der Codex, davon sprach keiner mehr. Auch Tortuga bestand nur noch aus Ruinen.
    Und auch Jack musste einsehen, dass sie selbst schon am Ende eines schnell vergessenen Zeitalters gelebt hatten.
    Die Zeiten änderten sich.
    Jack hatte keine Crew mehr und ein Schiff, das schon lange veraltert war.
    In Europa brach ein Krieg aus, an dem sich bald auch Amerika beteiligte. Die Meere waren nicht sicher. Kein Teil der Welt war das mehr. Selbst den Himmel hatten die Menschen nun schon erobert.
    Und so kam es, dass Jack, nun wieder in einer Nussschale landeinwärts segelte. Wenn er schon auf der See keine Freiheit mehr fand, vielleicht fand er hier noch seine Ruhe. Seine Ruhe für die Ewigkeit. Denn zumindest hier, in Südamerika, im Dschungel gab es noch Stellen, wo von den Revolutionen und Veränderungen der Welt nichts zu merken war. Hier herrschten noch andere Zeiten und Sitten.
    Doch nun nach mehr als hundert Jahren der Suche, sah er wieder die schwarzen Segel. Am Rand eines Sees, umgeben vom Urwald, stand sein Schiff.
    Sicher hatte er es schon in einem besseren Zustand gesehen, denn die Planken waren löchrig und die Segel würden nun sicher keine Fahrt mehr zulassen. Aber schon beim ersten Blick war er sich sicher, dass es die Pearl war.
    Und sie war nicht unbemannt.
    „Barbossa!“ Sein Lächeln war nicht ganz ehrlich. Nur seine Überraschung war echt.
    Dies konnte man wahrscheinlich auch, über den anderen Piraten und seine Crew sagen. „Captain Jack.“ Dabei triefte das ‚Captain’ nur so vor Ironie.
    „Wie kann es sein, dass du noch hier bist?“ Jack machte eine weitläufige Geste, wurde sich dann aber dem Rest der Crew gewahr. „Ihr noch hier seid...?“
    „Es gibt mehr als einen Weg zur Unsterblichkeit, Jack“, grollte der alte Pirat nur. „Aber es gibt keinen ohne Fluch.“
    „Aye“, kam es von der Crew.
    Noch vor hundert Jahren hätte Jack dies bestritten, doch nun sagte er nichts – denn Recht geben wollte er Barbossa noch nicht. „Die Zeiten ändern sich“, meinte er und griff nach einer Flasche auf dem Tisch der Kapitänskajüte, nur um mit bedauerndem Blick deren Leerheit festzustellen.
    „Aye“, erwiderte erneut die Crew.
    Eine Pause.
    „Und nun, Jack Sparrow?“, fragte schließlich der andere der beiden Piratenlords.
    Jack hob eine Augenbraue. „Nun sind wir hier, zwei Unsterbliche, in einem epischen Kampf bis zum Tag des letzten Gerichts und Klang der jüngsten Posaunen?“ Er fingerte an seinem schon lange nicht mehr genutzten Säbel. „Du hast mein Schiff geklaut“, stellte er dann mit nüchternem Ton fest.
    Auch Barbossa hob eine Augenbraue. „Dein Schiff?“
    Manche Dinge änderten sich nicht.

  • Hallo Alaiya. (:


    Ich dachte mir, ich widme mich mal deinem Thread, in dem du hier so fleißig deine Werke veröffentlichst, aber leider nicht so viel Feedback bekommst. Zwar kenne ich mich mit den Fandoms über die du schreibst – von Pokémon abgesehen – nicht so aus, aber ich hatte deinen Thread schon im Auge. ;D Mir kamen nur die Updates bisher bissl zu schnell. (Vielleicht ging es ja noch mehr Kommentatoren so, manchmal braucht's etwas mehr Zeit, bis man sich persönlich sich freischaufeln kann, um zu kommentieren. ^^)
    Ich kümmere mich jetzt einfach mal um dein gerade neues Werk hier, weil ich da zumindest den ersten Film gesehen habe – außerdem ist meine Freundin von Fluch der Karibik total begeistert. ^^


    Die Zeiten ändern sich
    Okay, wie gesagt, von Fluch der Karibik habe ich persönlich keinen Plan und kenne nur den ersten Teil im Groben – wahrscheinlich eine Bildungslücke *hüstl* - trotzdem kann ich sagen, dass ich die KG verstanden habe und auch nicht sonderlich viele Probleme mit dem Verständnis. Zwar hatte ich nicht jeden leibhaftig vor Augen, aber ich glaube, das lässt sich verschmerzen. (:

    Zitat

    Vielleicht dauerte es deswegen so lange, bis er von Wills Kind erfuhr, dass in Sao Fengs Palast großgezogen wurde.

    Müsste hier nur mit einem s geschrieben werden, weil es sich auf das Kind – also welches – bezieht. ^^

    Zitat

    Es war nicht möglich, die Freiheit zu wahren und gleichzeitig ein Kind großzuziehen.

    Also ich glaube, es müsste wahren mit h heißen, von bewahren, ansonsten müsste es ja „in Freiheit zu sein“ heißen. Außerdem bin ich über den Satz irgendwie vom Sinn her gestolpert und fand ihn mit dem Wort „gleichzeitig“ logischer. ^^“


    Was mir gleich zu anfang gefiel, war der Einstieg. Der erste Satz war unvermittelt und obwohl ihn Jack Sparrow – pardon Captain Jack Sparrow, Verzeihung – nicht direkt ausgesprochen hatte, so wusste man doch nach dem zweiten Satz sofort, dass er ihn gedacht hatte. Ja, man merkt gleich, dass ihm die Vorstellung der Unsterblichkeit sehr gefiel und wie interessant er diese Erfahrung fand. Gut, mit der Seekarte von der gesprochen wurde, sowie dem Namen „Sao Feng“ konnte ich jetzt nichts anfangen, aber du hast gleich danach erklärt, dass Jack sie wohl besitzt und den Zusammenhang mit der ewigen Jugend ist klar geworden. Der arme Captain, ist auf eine Nussschale angewiesen … jedenfalls scheint es zuerst so, aber die Piratenkönigin nahm ihn an Bord. (Auch hier, keine Ahnung, wer das genau ist, aber das hat mich jetzt nicht gestört. ^^) Du baust hier noch ein paar kleine Details ein, wie etwa das Kind von Will – okay, den kenne ich noch, auch wenn mir seine Rolle in der Story gerade unbekannt ist, lol – was einem auch eine gewisse zeitliche Einordnung möglich macht – jedenfalls in der Form, wie viel Zeit vergangen ist. Macht es jetzt auch für jemanden wie mich, der wenig Ahnung hat gut verständlich und außerdem sind solche Sideinfos immer sehr interessant. Jack und die Piratenkönigin suchen also nun gemeinsam nach dem Quell der ewigen Jugend, aber trotzdem unterschied sie diese Suche auch gleichzeitig. Die Ziele der Piratenkönigin sind nicht ganz klar, außer vielleicht reine Abenteuerlust und sie fragt Jack eindringlich, ob er die Unsterblichkeit wirklich will. Denn die Zeiten ändern sich, das hat sie bereits richtig festgestellt. Immerhin dauerte das Piratenzeitalter – in der Form, wie es der Film beschreibt – ja auch nicht ewig, aber Jack war das wohl bis dahin noch recht egal. Sie suchten die Quelle und fanden sie schließlich. Sehr geschickt, hast du hier den Satz vom Anfang – den Wunsch den er zuerst hatte – jetzt zu einer Tatsache gemacht. Ein schönes sprachliches Mittel, keine Ahnung, ob es dafür eine offizielle Bezeichnung außer „Wiederholung“ gibt, aber egal, es ist der gleiche Satz, den man jetzt aber aus einem anderen Blickwinkel sehen kann. Sehr geschickt. (:
    Natürlich ist Jack aber jetzt nicht „happy ever after“, weil ihm zu seinem Glück ja noch etwas fehlt: sein Schiff. Ja, das war ja schon im ersten Teil so ein Ziel, das Zurückerlangen der Black Pearl, die hier nur als „Pearl“ abgekürzt wird. Einerseits wohl, weil jeder Fan des Fandoms weiß, was die Pearl ist, andererseits, aber auch, weil die Story das Augenmerk auf Jack legt und er ja legitim den Namen seines Schiffes abkürzen kann. ;)
    Zehn Jahre vergingen? Wow, das ist ziemlich viel Zeit – interessant fand ich den kleinen Zusatz, dass sie für einen Tag Will sahen, im Gegensatz zu den zehn Jahren, ja nur ein Augenblick, der aber nicht besonders wichtig erscheint, obwohl er hier extra erwähnt wird. Aber wahrscheinlich kenne ich das Fandom zu wenig, um das zu verstehen. ^^“
    Elisabeth … der Name sagt mir was, scheint der Name der Piratenkönigin zu sein. (Ah, langsam werden mir die Zusammenhänge klar, so ein wenig zumindest. ^^) Interessant, dass sie nicht von dem Quell getrunken hat, immerhin ist ewiges Leben ja doch etwas erstrebenswertes. Andererseits kann ich sie verstehen, wenn von den Menschen, die einem wichtig sind, niemand ewig lebt, ist es wohl recht frustrierend.
    Und wieder vergingen zehn Jahre und der junge William kam an Bord, der ebenfalls die Unsterblichkeit suchte, aber die Piratenkönigin weigerte sich zu ihren Lebzeiten und sie verwendeten die Karte lieber für das Bergen von Schätzen und das Erleben von Abenteuern. Jack wollte das ewige Leben rein aus Interesse, jedenfalls habe ich das so verstanden, während der junge William es für das Sammeln von unendlichem Wissen möchte. Ein recht gutes Ziel, wie ich finde, auch wenn ich nicht glaube, dass man jedes Geheimnis ergründen kann, selbst wenn man ewig lebt. ^^ Aber gut, die Zeiten änderten sich und die ersten Revolutionen brachen an in der westlichen Welt – auf dem amerikanischen Kontinent und in Europa. Die Regenten starben und neue wurden auf den Thron gesetzt und in dem Zusammenhang erwähnst du auch, dass die Piratenkönigin schließlich starb. Jack konnte gar nicht verstehen, warum sie so dumm gewesen war, nicht von dem Quell zu trinken und es werden ein paar Fragen aufgeworfen, auf die der Leser eine Antwort sucht. Interessantes Mittel an der Stelle, sodass sogar ich, als Noob anfange zu überlegen, welchen Grund es wohl für die Piratenkönigin gegeben hat. Aber ich denke, es hat wirklich damit zu tun, dass die Personen, die ihr wichtig sind, nicht unsterblich waren und sie nicht am Ende alleine sein wollte. Jack hatte nun wieder ein Schiff – nur leider war es nicht seine Pearl und er segelte erneut zur Quelle, damit auch der junge William seine Unsterblichkeit erhielt und forschen konnte. Die Sorge um sein Schiff geht sogar so weit, dass er Angst hat, es wäre bereits auf dem Grund des Meeres. Barbossa … der Name sagt mir etwas, ich glaube, ich habe sogar ein Gesicht vor Augen. War doch Jacks Erzfeind, weil er ihm sein Schiff gestohlen hat, nicht? Obwohl … war die Pearl wirklich Jacks Schiff oder betrachtete er sie nur als solches? Da bin ich jetzt überfragt, aber gut, die Suche trieb ihn auf jeden Fall an, während sich die Zeiten änderten, die Segelschiffe abgelöst wurden – ein Trend, der Jack nicht gefiel – und er suchte weiter nach Schätzen. Fand aber nicht seine Pearl. Die Zeiten veränderten sich immer weiter, das Zeitalter der Piraten endete und du streifst sogar den ersten Weltkrieg, was bedeutet, dass wir schon sehr weit weg von den Hochzeiten der Piraten waren, wie man sie kennt. Sicherlich, Piraten in dem Sinne gab es noch, aber du sprichst von einem Codex und einem Court – ein Gericht? - die vergessen werden, weil sich die Zeiten änderten. Und manche Dinge werden da abgelöst aufgrund neuer Ansichten und Weltanschauungen. Und Jack merkt, dass er bereits am Ende eines Zeitalters gelebt hat. Faszinierend, wie du hier die Weltgeschichte weiter erzählst – ich meine, einerseits komplett logisch, aber ich glaube, die wenigsten hätten das in der Form gemacht, wie du hier. Das gefällt mir sehr, weil man so merkt, dass Jack zwar ewig lebt, aber nicht mit der Zeit geht, weil er sich nicht anpasst.
    Und wieder ist er in einer Nussschale landeinwärts – möchte sich irgendwo im Dschungel zurückziehen.
    Doch da sieht er sie wieder: seine Pearl. Und sie ist nicht verlassen, sondern immer noch bemannt.
    Das verwundert einen doch, dass die alle noch leben, aber Barbossa sagt ja, dass es mehr als einen Weg zur Unsterblichkeit gibt, auch wenn ich mir sehr sicher bin, dass Jack lieber gewesen wäre, wenn die Pearl verlassen wäre. Aber das wäre zu einfach gewesen. ;D
    Also das Ende ist wirklich genial. Zuerst redet Jack noch so hochtrabend von jüngstem Gericht, um dann einfach nur noch zu sagen „Du hast mein Schiff geklaut.“ , was Barbossa natürlich in Frage stellt, dass es sein Schiff ist. Was dann kommt, weiß man nicht, aber ich denke, da beide unsterblich sind, kommt jetzt erstmal ein Kampf mit dem Säbel. ^^ Denn auch wenn sich die Zeiten ändern, manche Dinge ändern sich nicht, wie der letzte Satz so schön sagt.


    War sehr schön zu lesen, allerdings. Trotz meines Unwissens in dem Fandom, hatte ich mit dem Verständnis keine Probleme, im Gegenteil, ich war sogar richtig gefangen von den Wörtern. ^^ Du hast hier einen sehr schönen Schreibstil, der zwar mir etwas skizzenhaft vorkommt, weil du hauptsächlich von Ereignissen sprichst, die nicht mal großartig ausgeschmückt werden, aber das passt finde ich hier gut. Allein schon deshalb, weil der Fokus so stark auf Jack Sparrow liegt – pardon Captain Jack Sparrow, ich lern's noch. ^^ - und ich persönlich finde, dass das zu seiner Art einfach passt. (:
    Hat mir gefallen und ich bin schon gespannt, was wir noch alles hier zu lesen bekommen.
    Werde bestimmt noch mal vorbeischauen. ^^


    - Cynda

  • [tabmenu][tab=Neue Geschichte - Über Hexen]Serie: Ojamajo DoReMi
    Genre: Drama, Gen
    Entstanden: Juli 2012


    Handlung: Ein Mädchen, das um ein verstorbenes Haustier trauert, findet trost bei ihrer Großmutter, die ihr Geschichten über eine Welt voller Magie erzählt...
    [tab=@Cynda]Hey Cynda :D Ich habe mich sehr über deinen Kommentar gefreut - besonders da hier bisher wenige Leute etwas geschrieben haben.
    Umso mehr freue ich mich natürlich auch, dass dir die Geschichte gefallen hat - und das sogar ohne Fandom-Kenntnisse.
    Um die paar Fragen aufzuklären, die durch die fehlende Fandom Kenntnis aufkamen: Will ist der Schmied, der von Bloom gespielt wird, und Elizabeth, aka Liz, ist dessen Geliebte, die Tochter des Governeurs, die sie im ersten Teil "retten" und die von Keira Knightley gespielt wird.
    Der "Court" ist der Brethren Court. Diesen gab es geschichtlich wirklich, wenn auch anders, als im FdK-Universum dargestellt. Dort ist er der internationale Piratenrat, in dem die Piratenlords tagen. Elizabeth wird später zum Piratenlord und in Folge dann auch von Jack zur Piratenkönigin gewählt. Sie zeugt dann etwas später auch noch einen Sohn mit Will, der widerum zu Davy Jones "Erben" und Captain der Flying Dutchman wird, weshalb er nur alle zehn Jahre für einen Tag an Land kommen kann.
    Und ja Barbossa war Jacks "Erzfeind"... Wobei sie, das sei vielleicht dazu gesagt, mehr eine Art Hassliebe zueinander empfinden. Sie sind jeweils wohl der Mensch, den der jeweils andere am meisten Respektiert und sind ein wunderbares Team... Aber aufgrund gewisser Umstände geraten sie doch immer wieder aneinander... Einer dieser Umstände war, dass Barbossa lange Zeit kein Schiff hatte und nicht widerstehen konnte, als er die Pearl, die mit ein paar Zaubern ausgestattet ist, sah... ;) Das "jüngste Gericht" war übrigens eine Referenz auf den Kampf der beiden im ersten Teil, wo beide durch den Fluch unsterblich sind und Barbossa fragt: "So now what, Jack? Here we are, two immortals locked in an endless battle till Judgement Day and trumpet sound?" und Jack antwortet: "Or you could give up!" (Und ja, ich kenne die Filme ziemlich auswendig)


    Der Stil ist in der Geschichte mit Absicht so Skizzenhaft gehalten, da es ja zum einen nur eine Kurzgeschichte ist, zum anderen dieser sehr knappe, schnelle Stil den schnellen Verlauf der Zeit - schnell, für diejenigen, die unsterblich sind - verdeutlichen soll. Ich hoffe, dass dies zumindest etwas durchkommt :D


    Die beiden Rechtschreibfehler sollte ich dann mal korrigieren xD


    Was den schnellen Rhytmus angeht, so liegt es ja vorrangig daran, dass ich zu verschiedenen Fandoms schreibe und der Hintergedanke ist, dass eben auch möglichst viele verschiedene Geschmäcker angesprochen werden ;)


    Jedenfalls danke für deinen Kommentar :D
    [/tabmenu]



    Ein trister Nebel hatte sich über die Stadt gelegt. Dabei hatte es am Morgen erst geregnet.
    Es wurde langsam kühl und auch die Blätter die rot und braun an den Bäumen hingen oder bereits hinabgefallen waren zeigten deutlich, dass es Herbst wurde.
    Trotzdem fand die alte Frau ihre Enkelin ohne Jacke auf der Veranda des im altjapanischem Stil gebauten Hauses.
    Die siebenjährige mit dem rotblonden Haar hatte sich zusammengekauert. Die Beine hatte sie an den Körper heran gezogen, die Arme fest darum gelegt und das Gesicht gegen die Knie gepresst.
    „Fami-chan“, meinte die alte Frau sanft, „Willst du nicht reinkommen?“
    Das Mädchen schüttelte nur leicht den Kopf, ohne aufzusehen.
    „Ich mach dir auch Pudding, wenn du willst“, versuchte die Frau das Kind weiter zu locken.
    Erneutes Kopfschütteln, dann ein Laut, der sich eindeutig als Schluchzen identifizieren ließ.
    Mit einem Seufzen kniete sich die Frau neben das kleine Mädchen und tätschelte ihren Rücken. „Ist ja gut“, flüsterte sie. „Ist ja gut.“
    Es dauerte etwas, ehe das Mädchen reagierte. Dann, auf einmal, fing sie an lautstark zu weinen und schmiegte sich an den dunklen Kimono ihrer Großmutter, welche die Arme um sie legte und ihren Rücken streichelte.
    „Baa-chan“, jammerte das Kind. „Baa-chan...“
    „Ist ja gut“, wiederholte die alte Frau.
    Sie hatte gewusst, dass Fami kommen würde, nachdem ihre Schwiegertochter sie angerufen hatte und ihr von Mikki, der Katze des Mädchens, erzählt hatte.
    „Ich will Mikki wiederhaben“, schluchzte Fami in den Schoß ihrer Großmutter. „Ich will sie wiederhaben.“
    „Das ist nicht möglich“, antwortete diese sanft. Sie konnte die Gefühle ihrer Enkelin verstehen, auch wenn sie nie ein Haustier gehabt hatte.
    „Aber wieso nicht?“ Es sprach reiner Trotz aus der Stimme des Kindes, dass eigentlich selbst die Antwort kannte.
    Deswegen antwortete die alte Frau auch nicht, sondern strich weiter über den Rücken und durch das Haar des Mädchens, bis dieses etwas weniger schluchzte und sich langsam beruhigte.
    Nach einer Weile streichelte die alte Frau, deren graues Haar locker zurückgebunden war, dem Mädchen erneut über den Kopf. „Lass uns reingehen“, meinte sie erneut. „Ich mache dir einen Pudding.“
    Noch immer verweint sah die siebenjährige auf, nickte dann aber und richtete sich langsam und steif auf, woraufhin ihre Großmutter sie anlächelte.
    Schweigend folgte das Kind ihr ins Wohnzimmer, wo es sich schlapp an den niedrigen Tisch setzte und den Kopf auf ihre Arme legte, während die alte Dame die Schiebetür zur Veranda schloss und das Licht anschaltete.
    Besorgt sah sie zu Fami, ging dann jedoch in die Küche, um wie versprochen den Pudding zu kochen.
    Während sie damit beschäftigt war fielen die Augen ihrer Enkelin, die Ziellos über die klassische Einrichtung des Wohnzimmers schweiften auf das Bücherregal.
    Fami zögerte, stand dann jedoch auf und ging langsam zum Regal hinüber, um ein altes, abgegriffenes Buch dort heraus zu ziehen. Sie kannte das Buch, denn ihre Großmutter hatte es ihr früher oft vorgelesen.
    Mit dem Buch in der Hand ging sie zum Tisch zurück. Sie schlug das Buch auf, ehe sie sich wieder genau so wie vorher an den Tisch setzte, wobei sie den Kopf nur wenig mehr aufrichtete, um auf die Seiten des teilweise illustrierten Buches sehen zu können.
    Noch immer liefen einzelne Tränen über ihre Wangen.
    „Hier, siehst du, Fami-chan“, meinte ihre Großmutter, als sie mit Pudding auf einem Teller hineinkam. „Du solltest ihn aber abküh...“ Sie hielt inne, als sie das Buch sah und lächelte. „Was hast du denn da?“
    „Du hast mir doch früher einmal aus dem Buch vorgelesen“, flüsterte das Mädchen, dessen Stimme noch immer brüchig war.
    „Ja, habe ich“, erwiderte die Großmutter, während sie das Tablett auf den Tisch stellte.
    Wortlos schob Fami ihr das Buch zu und zog dann den Pudding zu sich hin.
    Gedankenverloren fuhr die alte Frau über den Einband des Buches und lächelte. Über Hexen, war dort gerade noch zu lesen, da die Schrift schon lange ausgeblasst war. Sie öffnete das Buch, dessen alte Seiten an einigen Stellen sogar eingerissen waren.
    Da bemerkte sie den Blick ihrer Enkelin und schenkte auch dieser ein weiteres Lächeln. Sie räusperte sich, ehe sie anfing zu lesen. „Wie man eine Hexe erkennt“, begann sie.
    „Hexen haben rote Augen. Alle Hexen tragen Handschuhe. Alle Hexen hassen Kinder...“ Sie brach ab und seufzte. „Das stimmt so auch nicht...“
    „Hmm?“ Fami legte den Kopf schief.
    „Viele Hexen mögen Kinder“, erwiderte ihre Großmutter. „Nicht unbedingt Menschenkinder, aber es gibt doch auch Hexenkinder...“
    „Hexenkinder?“, unterbrach das Mädchen, dessen Stimme sich etwas festigte.
    „Ja, natürlich.“ Das Lächeln auf dem Gesicht der alten Frau wurde breiter. „Es muss ja auch immer wieder neue Hexen geben, nicht?“
    Fami dachte nach. „Stimmt“, gab sie dann zu.
    Ihre Großmutter seufzte und für einen Moment war ein wenig Traurigkeit in ihren Augen zu erkennen. „Weißt du, Hexenkinder werden aus Blumen geboren.“
    Das Kind sah sie ungläubig an. „Aus Blumen?“
    „Ja, aus Blumen“, bestätigte die Alte.
    „Haben sie dann keine Eltern?“, fragte Fami.
    „Sie haben Mütter“, lautete die Antwort. „Sie bekommen eine Hexe zugeteilt, die sie großzieht.“
    Ungläubig sah das Kind sie an.
    „Aber das würde doch jemand merken“, meinte es schließlich, doch seine Großmutter schüttelte sanft den Kopf.
    „Nein“, erwiderte sie. „Hexen leben nicht in dieser Welt. Sie haben ihre eigene Welt und nur wenige von ihnen begeben sich unter Menschen.“ Sie strich über den Einband des Buches. „Es gibt nämlich nur wenige Tore zwischen den beiden Welten. Und man kann sie nur in Nächten benutzen, in denen der Mond lächelt.“
    „Ich hab den Mond aber nie lächeln sehen.“ Mit einem Seufzen wandte sich das Kind nun ihrem Pudding zu und stocherte mit ihrem Löffeln darin herum.
    Für eine kurze Weile, sah ihre Großmutter ihr dabei zu und bemerkte, dass das Mädchen, das durch ihre Geschichte zuvor abgelenkt gewesen war, nun wieder bedrückt wurde. Eine einzelne Träne rollte nun wieder über die runde Wange des Kindes, das den Pudding nur ansah, anstatt ihn zu essen.
    „Was ist, Fami-chan?“, fragte sie daher.
    Das Kind seufzte. „Es ist doch nur eine Geschichte“, flüsterte es. „Wenn es Hexen wirklich gäbe... Wenn ich eine Hexe wäre, dann könnte ich Mikki zurückholen!“
    „Nein, das könntest du nicht“, antwortete die alte Frau bestimmt.
    „Aber wieso nicht?“ Erneut war Trotz in der Stimme Famis zu hören, als diese ihre Großmutter ansah.
    „Es ist verboten.“ Die faltige Hand fuhr in einer beruhigenden Geste wieder über den Kopf des Mädchens. „Es ist verboten Wunden mit Magie zu heilen oder gar Tote wiederzubeleben. Wenn man es versucht, wird man krank oder vielleicht stirbt man sogar selbst...“
    Wieder füllten sich die hellen Augen mit Tränen. „Aber wieso?“, wiederholte sich die Frage.
    Die alte Dame sah das Mädchen mit weisem Blick an. „Fami-chan“, meinte sie. „Weißt du noch, wie du geweint hast, als du den Anhänger verloren hast, den Vater dir geschenkt hat?“
    Fami nickte.
    „Warum hast du geweint?“
    Das Kind überlegte etwas. „Weil er mein Schatz war. Und er war mir wertvoll.“
    „Richtig“, erwiderte ihre Großmutter. „Und was machst du seither mit deinen Schätzen?“
    „Ich passe besonders auf sie auf?“ Die Antwort war mehr wie eine Frage formuliert, doch die Reaktion der alten Frau war ein lobendes Nicken.
    „Aber was wäre, würdest du jeden Schatz, egal ob du ihn verlierst oder kaputt machst wieder herzaubern könntest?“
    Fami überlegte für eine Weile schweigend. „Ich würde weniger drauf achten...“
    „Eben“, antwortete ihre Großmutter. „Wenn wir etwas jeder Zeit wiederbeschaffen können, auch wenn es kaputt geht oder wir es verlieren, dann verliert es für uns an Wert, wird ersetzbar. Und stell dir vor, wie es wäre, wenn die Menschen, die wir lieben auf einmal ersetzbar würden...“ Sie sah zu dem Schrein ihres verstorbenen Mannes, der in einer Ecke des Zimmers aufgestellt war.
    Bedrückt sah das Kind auf seine Hände. „Aber Mikki...“
    „Auch wenn du eine Hexe wärst, würde Mikki sicher nicht wollen, dass du krank wirst oder gar dein eigenes Leben opferst, um sie wieder zu holen...“
    Nun nickte Fami.
    Sie schwieg und nahm schließlich einen Löffel des Puddings in den Mund. „Danke, Doremi-baa-chan“, flüsterte sie dann, ehe sie still den Pudding weiterlöffelte, wobei sie sichtbar noch immer mit den Tränen kämpfte.
    Doremi lächelte. „Du bist ein gutes Kind, Fami-chan.“
    Draußen begann es wieder zu regnen, während das Kind die Süßspeise aß. Sie konnten hören, wie er auf das Dach prasselte, während der Wind die Bäume, die das Haus umgaben, schüttelte.
    „Sag mal, Baa-chan“, begann Fami schließlich leise, als sie den Pudding aufgegessen hatte. „Woher weißt du so viel über Hexen?“
    Doremi lachte kurz. „Weißt du, deine Großmutter mag vielleicht nicht so aussehen, aber früher als sie nur wenig älter war als du, da war deine Großmutter selbst eine Hexe.“

  • Hallöchen Alaiya,
    ich bin gerade durch Zufall in dein kleines Topic hier im Kurzgeschichten-/ Gedichtebreich aufmerksam geworden und dachte mir spontan einfach mal, dass ich dir ein kleines Feedback dalasse. Ich hoffe, du freust dich darüber und ich kann dir vielleicht auch weiterhelfen. Irgendwie schade, dass du selten Feedback bekommst aber lass dich dadurch nicht entmutigen! :>
    Ich habe mich jetzt auch spontan für dein neustes Werk entschieden, weil das Lied was ich gerade höre, irgendwie dazu gepasst hat. Nun denn, auf gehts!


    Über Hexen
    Irgendwie mag ich den Titel. Er wirkt schlicht und einfach, kann aber dennoch eine Menge aussagen, wenn man sich mal drauf einlässt. Es erinnert mich sofort daran, dass man etwas erzählt bekommt, immerhin lässt das Wörtchen 'über' darauf auch schließen. Man liest es ja auch öfters, ich zumindest und kann daher auch nur sagen, dass mir die Art von Titel wirklich gefällt. Ich mache mir sowieso immer gerne einige Gedanken über Kapitelnamen oder, wie in diesem Fall, Werktitel. Irgendwie gibt es mMn ziemlich Wenige, die das tun; sie lesen meist den Namen, denken sich "Ah, ok" und springen gleich zum Geschehen über, ohne auch nur noch einmal daran zu denken, was der eigentliche Titel aussagt. Denn, seien wir mal ehrlich, wenn man mal einen Moment darüber nachdenken würde, dann würde man auch schon allerhand in Erfahrung bringen, was mit dem Kapitel/ Werk in Verbindung steht. Hm, ich schweife ab, verzei ^^' Also, ich mag diesen Titel, denn auf der einen Seite könnte man davon ausgehen, dass eben nur eine Geschichte erzählt wird, so, wie du es kurz in der Beschreibung stehen hast, auf der anderen Seite kann man aber vielleicht auch vermuten, dass es mehr als nur eine Geschichte ist und damit etwas Reales sein kann. Diesen kleinen Wiederspruch von Realität und Geschichten mag ich. Wirkt sehr tiefgründig mMn.
    Nun gut, auch wenn ich den Anime nicht kenne, aus dem du die handelnden Personen entnommen hast, so wirkt die Geschichte insgesamt dennoch sehr gut. Ich hatte das Gefühl für einen Moment genau dort zu sein oder aber wirklichen einen kleinen, inneren Film (Anime) zu sehen, der die beschriebene Situation beschreibt. Das kann ich an der Stelle wirklich nur loben. Desweiteren gefällt es mir auch, wie real du es darstellst: damit meine ich, dass die Handlung in Japan (?) spielt und auch die Namen der Charaktere und die Umgebung, sowie Kleidung angepasst sind. Das kann natürlich auch daran liegen, dass es aus einem Anime entsprungen ist und es für dich somit auch gar keine andere Möglichkeit gegeben hat, als es genau so darzustellen. Ich finde es dennochs lobenswert, denn wenn ich daran denke, dass auf soetwas manchmal in keinster Weise geachtet wird, sträuben sich mir doch glatt die Nackenhaare. Ich finde, wenn man etwas (be)schreibt, was eigentlich schon existiert, dann sollte man sich wenigstens an die Normen bzw. bekannten Dinge halten und nicht was vollkommen Anderes daraus machen. Aber ich schätze dich da eh etwas anders ein, weswegen es mich nicht weiter verwundert, dass du eben genau auf soetwas achtest. :3
    Die Handlung der Geschichte mag ich im Übrigen auch. Du stellst die Siebenjährige eigentlich so dar, wie man es auch erwartet. Diese trotzig-traurige Art ist niedlich und auch irgendwie Mitleids erregend, sodass man die Kleine einfach nur in die Arme schließen und trösten möchte. Auch wenn du eher weniger auf das Aussehen der Charaktere eingehst, kann man sich doch ein Bild von ihnen machen. Ich musste an ein eigentlich lebensfrohes, kleines Mädchen denken, was man nur schwer unter Kontrolle hat und an eine alte, weise Dame, die einem immer dann hilft, wenn man nicht damit rechnet. Jedoch ist die Kleine in Anbetracht der Tatsache, dass ihre Katze gestorben ist, sehr traurig und hat eigentlich keine Lust irgendwas zu machen. Ich konnte mich richtig gut in Fami hineinversetzten, denn als ich selbst mal so klein war (ja, man stelle sich mal klein-Kräme vor!), habe ich auch eines meiner geliebten Haustiere verloren. Daher finde ich es auch gut, wie du allgemein die Situation beschrieben hast. Eine Siebenjährige würde wohl so reagieren, wie du schriebst, jedenfalls in meiner Welt.
    Mir sagt es auch zu, wie du die Lehre in deiner Kurzgeschichte verpackst. Das Etwas an Bedeutung verlieren würde, wenn es für uns zu jeder Zeit ersetzbar wäre, hach. Ich liebe diese Tiefgründigkeit irgendwie, weißt du das? Du lässt Fami auch von allein darauf kommen, was die alte Frau auch weise macht. Immerhin sagt man ja Weisheit unter anderem nach, dass man den Gegenüber immer von selbst auf eine Antwort kommen lässt, ohne explizit eine Meinung o.Ä. zu äußern. Natürlich gibt es auch noch andere Dinge in der Hinsicht, die dazu zählen, aber ich denke, du weißt, was ich damit meine.
    Das Ende gefällt mir auch sehr. Es kommt eigentlich völlig unerwartet, dass Doremi das sagt. Immerhin geht man ja eigentlich davon aus, dass sie ihrer Enkelin nur eine Geschichte erzählt hat. Das meinte ich im Übrigen auch am Anfang mit dem, was ich zu deinem Titel sagte. Irgendwie lenkt das die Kurzgeschichte in eine völlig andere Richtung. An der Stelle müsste man nun vielleicht den Anime kennen, um Weiteres dazu zu sagen. Für mich ist es nämlich einfach nur ein herrlich offenes Ende, zu dem ich mir ein paar Gedanken machen kann.


    Also, dafür dass das Werk nun 3 bzw 4 Jahre alt ist, wirkt es doch schon recht professionell. Ich meine damit, dass ich selten eine Kurzgeschichte lesen, bei der Vieles zu gut aufeinander abgestimmt ist - die Lehre, die Erzählung von den Hexen und das Ende. Da muss ich wirklich noch mal mein Lob an der Stelle aussprechen!
    Was mich nur ein wenig verwundert hat, ist die Tatsache, dass Fami mit ihren jungen Jahren doch schon recht schnell auf die Gedanken von Doremi kommt, vorallem der Satz, dass sie "weniger darauf achten" würde ist mir in der Hinsicht aufgefallen. Aber das ist kein wirklicher Kritikpunkt, wenn du mich fragst. Es ist mir nur aufgefallen und es kam mir etwas komisch vor, aber papperlapapp.
    Alles in allem hat mir deine Kurzgeschichte wirklich sehr gut gefallen und ich hoffe, du hast noch weitere, so tiefgründige, Werke. Ich würde mich jedenfalls darüber freuen! :>


    So, das wars an der Stelle auch erst mal von mir. Ich hoffe, du hast dich über mein kleines Feedback gefreut.
    ~ Kräme

  • Hallo Alaiya. (:


    Ich dachte mir, ich schau mal wieder bei dir vorbei und schnappe mir eine deiner Geschichten als kleine Lektüre für zwischendurch.
    Ich dachte mir – obwohl ich von Digimon grundsätzlich gar keine Ahnung habe – lese ich mal „Warten“. Wahrscheinlich, weil es gerade zu dem passt, was ich um kurz nach 13 Uhr jetzt tue: warten. (Genauer gesagt auf Arbeit warten, lol.)


    Warten
    Erstmal der Titel, bevor ich zum Rest komme. „Warten“ ist eines dieser Wörter, dem man in meinen Augen sofort anhört, was es aussagen soll. Warten hat im Deutschen aber einen etwas anderen Klang, es klingt bisschen härter und „strenger“ als das englische Wort „Waiting“, das ich irgendwie als sanfter und ruhiger empfinde. Beide haben – jedenfalls für mich – diese schöne Erwartungshaltung gemein, die das Wort ausdrückt. Wenn man auf etwas wartet ist diese Haltung einfach dabei. Egal ob man weiß, worauf man wartet oder nicht. Denn während man wartet, kann doch so einiges passieren, ob gewollt oder nicht, ist wieder die andere Frage. (Ach ja, Warten … warten auf den Bus, warten auf die S-Bahn, warten auf die U-Bahn, warten auf den Mittag, warten auf den Feierabend. XD Meine Güte, warte ich viel.)


    Ach, das ist aber eine süße Geschichte, hat so etwas Bittersüßes an sich und das gefällt mir hier sehr gut. Zwar hat deine Zusammenfassung am Anfang schon so etwas andeuten lassen, aber der Text stellt das noch mal deutlicher heraus – so wie es ja auch sein sollte.
    Gleich zu Anfang muss ich gestehen, dass ich die Charaktere nicht vor Augen hatte und hier – am ArbeitsPC – auch nicht die Möglichkeit Recherchen anzustellen. Aber das ist auch nicht so schlimm, vielleicht hole ich es später nach. ^^
    Zuerst mal der Stil, bevor ich zu dem Inhalt komme, der mir hier gut gefällt. Du hast hier sehr „einfach“ erzählt und auch der ganze Ablauf war ziemlich geradlinig, was ich jetzt vielleicht gerade aufgrund meines fehlenden Wissens sehr angenehm fand. Deine Sprache war einfach gehalten und hat mich vom Stil her an eine Kindergeschichte oder eine Fabel erinnert. Nicht besonderes ausschweifende Beschreibungen, die Dinge werden beim Namen genannt und die Satzkonstruktionen sind einfach. Könnte man jetzt als „leichte“ Kost ansehen, muss aber sagen, dass ich das nicht so sehe. Ich fand's hier aufgrund der jungen Charaktere – obwohl ich gestehen muss, dass ich keine Ahnung habe, welche Stufe jetzt Floramon hat – einfach passend.
    Man merkte aber schon, dass gewisses Wissen vorausgesetzt wurde, mit dem ich persönlich jetzt nichts anfangen konnte, was ich aber nicht negativ ankreiden möchte. (Als könnte der Autor etwas für das fehlende Wissen seiner Leser. ^^)


    Wie gesagt, der Inhalt war sehr geradlinig: Floramon macht einen Spaziergang und entdeckt dabei die Gruppe von Babydigimon, die warten. Ja, auf was?, ist jetzt die Frage und da ist man genauso ratlos wie Floramon, weil die kleinen Kerle sich kindlich naiv ausdrücken. So würde ich es jetzt beschreiben, Kinder gehen ja auch oft davon aus, dass das, was sie sagen, von jedem genauso verstanden wird, wie sie es sich denken, dabei vergessen sie natürlich – aufgrund der fehlenden Erfahrung – das niemand Gedanken lesen kann und schon gar nicht die kindliche Logik auf Anhieb verstehen. Fand ich hier aber einfach niedlich, wie sie so beharrlich „warteten“ und Floramon dabei total im Dunkeln tappen ließen, worauf. Dabei hat es sogar einfache Fragen gestellt, die man nur mit Ja oder Nein hätte beantworten müssen. Man merkte schon, für die Kleinen war das, was sie taten „normal“, während Floramon nichts verstand.
    Und wie Kinder eben so sind, artikulieren sie sich auch nicht so deutlich, weswegen man auch nicht sofort herausfindet, wie das Schweigen nun zu verstehen ist. Zuerst hatte ich es nämlich auch für ein naives oder geheimnisvolles Schweigen gehalten – wie bei einem Ritual, gerade aufgrund des Eis kam mir der Gedanke -, dabei ist es tatsächlich traurig. Eigentlich warten sie nämlich gar nicht darauf, dass das Ei schlüpft, sondern auf ihre Partner. (Gut, das Floramon geduldig ist, manch anderer Charakter wäre vielleicht schon leicht genervt ausgeflippt. Ich selbst finde es ab und an sehr nervenaufreibend den Leuten die Infos aus der Nase ziehen zu müssen, obwohl ich gestehen muss, dass ich das selbst manchmal tue und nur häppchenweise mein Gegenüber mit Infos füttere.)
    Die Partner sind natürlich die Menschen und hier muss ich sagen, gefällt mir das Konzept von Digimon in einigen Teilen besser, als das von Pokémon – auch wenn es hier auf die Sichtweise ankommt, beides hat so seine Vor- und Nachteile. Bei Digimon gefällt mir dieses „Monster + Mensch = Team“ Konzept. Und gerade die Art, wie das passiert, gefällt mir einfach sehr. Bei Pokémon ist es ja umgekehrt. Hier wählt nicht das Monster den Menschen, sondern der Mensch das Monster. Kann man jetzt sehen wie man will, ich mag beide Konzepte auf ihre Art, empfand das Konzept von Digimon aber immer als … emotionaler. Keine Ahnung warum, vielleicht wegen der Sache mit den zwei Welten, die ja bei Pokémon überhaupt nicht vorhanden ist.
    Dass die Menschen aber nicht wollen, ist natürlich traurig für diese kleine Gruppe von jungen Digimon. Immerhin freuen sie sich ja auf ihre Partner und die Zeit, die sie verbringen werden und da bekommt man als Leser sofort den Eindruck vom „bösen, selbstsüchtigen Menschen“. Ich muss gestehen, den hatte ich auch und dann habe ich nachgedacht und obwohl ich jetzt keinen Grund wirklich ausformulieren kann, gibt es bestimmt eine ganze Menge Gründe, warum Menschen wohl nicht in die Digiwelt wollen und warum sie nicht zu ihren Partnern gehen.
    Floramon kann sich das natürlich nicht vorstellen. Aus dessen Sicht sind alle Menschen von Grund auf gut, ja wahrscheinlich denkt es sogar, dass sie begierig auf ihre Partner sind. Als Floramon diesen Gedanken fasst, werden wohl einige Ereignisse aus der Vergangenheit zusammengefasst, die den Heldenmut der Menschen in der Digiwelt herausstellen. Hier kann ich jetzt nicht viel dazu sagen, da mir da das Wissen fehlt, außer, dass es an der Stelle natürlich super gepasst hat, um Floramons Ansicht den Menschen gegenüber dem Leser deutlich zu machen und näher zu bringen. Zuerst werden nur die guten Taten aufgezählt, aber am Ende findet man einen Fleck in der schneeweißen Weste des menschlichen Rufes. Obwohl gesagt wird, dass Floramon die Geschichte auch nur aus Erzählungen kennt, so soll doch ein Mensch die schwarzen Türme erbaut haben. (Wie gesagt, keine Ahnung, was die bewirkt haben, aber die Kombination aus „schwarz“ - Unheil, Dunkel – und „Turm“ - groß, mächtig, schwer einzunehmen – lässt darauf schließen, dass es keine schönen Bauwerke waren. ^^)
    Dadurch, dass Floramon nun nachgedacht hat, scheint sich seine Meinung über Menschen etwas geändert zu haben, jedenfalls scheint es sie nicht mehr ganz so „gut“ anzusehen, wie zuvor. Aber näher wird auf diesen Sichtwechsel nicht eingegangen, weil die Story ja noch einen kleinen Höhepunkt braucht. (Sicherlich hätte man es auch ausklingen lassen können, ohne Höhepunkt, aber ich finde, den hast du hier gut gesetzt.)
    Das Digiei bekommt nämlich Risse und schließlich erblickt ein Botamon das Licht der digitalen Welt. (Das Kleine stelle ich mir mit den aus dem Mund fliegenden Seifenblasen sehr niedlich vor. X3)
    Die Sternschnuppe war also ein Digivice, somit wartet nun auch Botamon, wie die anderen Babydigimon, auf seinen Partner. Die Hoffnung ist natürlich da, dass vielleicht dessen Partner den Weg in die Digiwelt findet. Doch in Anbetracht der bereits „wartenden“ Digimon ist der Funke sehr klein, trotzdem ist er da und gibt der Geschichte dieses Bittersüße von dem ich anfangs gesprochen habe. Sehr schön ist hier einfach der Abschlusssatz von Floramon, der genau das ausdrückt, was der Leser sich auch denkt.


    Die Digimon werden also weiter warten, aber für mich hat das Warten bald ein Ende. Wir haben nämlich jetzt fast zwei und um zwei kommt meine Arbeit – voraussichtlich – an. ^^
    Und für dich hat das Warten auf einen weiteren Kommi auch ein Ende. ;)


    Bis demnächst!
    - Cynda

  • [tabmenu][tab=Neue Geschichte]Serie: Digimon Tamers (/Alpha Generation)
    Genre: Action, Gen
    Entstanden: Juli 2010


    Handlung: Shinjuku, 2006 - Es regnet und einmal wieder erscheint ein wildes Digimon in Tokyo.
    Jedoch bleibt es nicht lange unbemerkt und drei Jugendliche folgen dem Lichtstrahl zur Digital Zone.
    Die jüngste der drei hat bereits einen Partner, während die anderen beiden nicht einmal etwas von den Digimon in der realen Welt wissen...


    Anmerkungen: Dieser One-Shot ist ein Special, bzw. eine Art Promo zu meinem Fanfiction-Hauptprojekt Digimon Alpha Generation (und allem, was da noch so mit hinzu gehört). Als solches sollte es ohne Vorkenntnis von Serie oder Fanfic verständlich sein ;)
    Wie bei Alpha Generation habe ich nun hierbei die Digimon-Profile unten angehängt ;)

    [tab=Allgemeines]Falls sich jemand gewundert hat, warum man hier so lang nichts mehr von mir hörte: Ich hatte jetzt Klausuren und habe die gesamten letzten Wochen mit Lernen verbracht ;) Daher hatte ich nicht die Ruhe hier etwas neues zu schreiben.


    Daher schon einmal die allgemeine Entschuldigung an Cynda und Kräme, dass sie so lange auf eine Antwort warten mussten @.@ Gomen!
    [tab=@Kräme]Erst einmal natürlich: Riesiges Dankeschön für deinen Kommentar!


    Ich muss mich an dieser Stelle als erstes einmal entschuldigen. Ich habe vergessen das Datum bei der Geschichte zu ändern. "Über Hexen" ist zwar auch eine Juli-Geschichte (wieso schreibe ich in den Juni-Juli-Monaten so viele One-Shots?) aber sie ist von 2012 und ist als Kurzschlussreaktion zum Thema "Schreib mal was zu Doremi!!!" entstanden, als ich mich mit Freunden darüber unterhalten habe, warum so lange schon keine neuen Fanfics mehr zu Doremi im deutschen Fandom geschrieben wurden. Daher diese Geschichte, auch als eine einmal etwas andere Interpretation des Themas.


    Die handelnden Personen sind übrigens ein Charakter aus einer OVA-Folge und Doremi als Großmutter. Das ist auch die "etwas andere Interpretation". Ich wollte einmal etwas schrieben, wobei ein Animecharakter schon ALT ist. :P


    Ich habe mich auch relativ drum bemüht die Charaktere ihrem Alter entsprechend darzustellen (also speziell Fami). Das, was du kritisierst, also dass Fami sehr schnell drauf kommt, stimmt natürlich schon irgendwie, wobei es ohne so etwas zu sehr zu einem Monolog, anstelle eines Dialogs geworden wäre, fürchte ich.


    Ich freue mich auf jeden Fall, dass die die Geschichte so gut gefallen hat.


    Wobei ich nicht garantieren kann, dass ich immer "tiefgründiges" Schreibe ;) Ab und an - wie auch heute - muss auch mal einfach ein wenig Action und pure Unterhaltung her. :P
    [tab=@Cynda]Auch an dich ein großes Dankeschön, Cynda :3
    Es freut mich sehr, dass die Geschichten generell doch ganz gut ankommen - und noch mehr freue ich mich, dass hier Leute Geschichten lesen, die nicht unbedingt ihrem eigenen Fandom entsprechen. Denn ja, da ist ja das Problem, dass ich dahingehend doch quer durch die Bank schreibe (wenngleich Digimon natürlich dennoch dominiert :P)


    Was das Beschreiben der Digimon angeht, so kann ich hier nur wiederholen, was ich schon sagte: Für Digimon-Fans kann es schnell nervig werden, wenn die Digimon ausführlich beschrieben werden. Dazu kommt natürlich, dass es schwer ist sie in so einer Geschichte vergleichend zu beschreiben, da die Perspektive von Floramon... Nun, Floramon wird nicht denken "Das Upamon sieht ja aus, wie ein felliger Ball mit Flügeln", sondern eben einfach "Nun, Upamon sieht aus wie ein Upamon." Wenn du verstehst, was ich meine.
    Da ist es dann doch immer schwer den Kompromiss zu finden.
    Wobei hier natürlich eben auch die Länge eine Rolle spielt.


    Inhaltlich hatte ich hierzu ja schon etwas gesagt... Das Konzept der Geschichte kommt daher, dass ich es einfach im Epilog der zweiten Staffel, wo es heißt "Jeder Mensch hat einen Digimonpartner" so seltsam finde, dass überhaupt jeder Mensch einen Digimonpartner haben will. Ich mein... Vom mangelnden Interesse und soziopathischen Fällen einmal abgesehen... Digimon Fressen eine Menge und das kostet Geld... Und die Sicherheit...
    Und so kam mir der Gedanke: Nun, was ist eben, wenn der Mensch zwar einen Partner hat, diesen aber als solchen nicht annimmt? Dann sitzt der Partner allein in der Digitalen Welt und macht das, was die Partner der ersten Kinder in Digimon Adventure theoretisch wohl auch über 3000 bis 5000 Jahre hinweg gemacht haben: Warten.
    Auch wenn es sicher traurig ist...
    Floramon repräsentiert dabei zu gewissen Teilen die Leute, die an diesen Epilog und die dazugehörige Utopie glauben wollen...


    Jedenfalls: Danke noch einmal :3[/tabmenu]



    Wie ein nie enden wollender Trommelwirbel prasselten die Regentropfen gegen das Fenster der Nachhilfeschule, während einer der Jungen in dem kleinen Klassenraum gelangweilt hinausstarrte.
    Einmal wieder fragte er sich, was er hier überhaupt tat. Wofür brauchte er denn schon Englisch? Und warum konnte er nicht zumindest eine interessantere Nachhilfeschule besuchen, anstatt eine langweilige, altmodische, wie diese? Hier wartete er nur darauf, dass der Unterricht endlich vorbei war. Lernen tat er sicher nichts!
    Und draußen regnete es...
    Der Name des Jungen war Yuki Denrei. Er war fünfzehn Jahre alt und hatte einen rötlichen Stich in seinem ansonsten braunen Haar. Und er war sich sicher, dass er mit seinem Abend hätte etwas Besseres anfangen können. Doch stattdessen saß er hier und schrieb englische Konjugationen von der Tafel ab, weil sein Vater dies für nötig hielt, hatte er es doch nur auf eine Standartschule geschafft.
    Dabei wäre er viel lieber in Shibuya gewesen – trotz des Regens. Es gab neue Karten, es gab andere, gegen die er spielen konnte, es gab Interessanteres als englische Verben.
    Sein Blick wanderte vom Fenster zur Uhr, die neben der Tafel hing und anzeigte, dass es weitere sieben Minuten zu überstehen galt, ehe er sich auf den Weg nach Hause oder nach Shibuya machen konnte.
    Erneut starrte er desinteressiert aus dem Fenster, auf die Straße hinab, an deren Rand sich von bunten Schirmen bedeckte Massen langsam fortbewegten.
    Dann jedoch zog etwas anderes seinen Blick auf sich.
    Erst wusste er nicht, was es war. Irgendetwas hatte ihn von der Straße aufblicken lassen, irgendetwas neben dem gegenüberliegenden Hochhaus. Wie er schließlich erkannte war das, wasas seinen Blick auf sich gezogen hatte, nicht direkt neben dem Gebäude, sondern in einiger Entfernung dahinter.
    Es war eine Säule – eine Säule aus Licht, die von irgendwo aus dem Gebäudedschungel zum Himmel hinaufstieg.
    Und irgendwie hatte er das Gefühl so etwas schon einmal gesehen zu haben...
    Er sah erneut auf die Uhr: Noch weitere fünf Minuten.


    „Shuichon“, flüsterte ein vermeintliches Plüschtier mit langen schokoladenbraunen Ohren und drei Hörnern auf der Stirn, das auf der Schulter eines offenbar chinesischstämmigen Mädchens saß, und zeigte zum Himmel hinauf.
    Das Mädchen, offenbar nicht älter, als elf oder zwölf, und einer der wenigen Passanten ohne Schirm, folgte dem Wink und sah, wie sein Partner, die Lichtsäule, die die Ankunft eines wilden Digimon in dieser Welt ankündigte.
    Ein verspieltes Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Mädchens aus. „Sieht aus, als wäre es mal wieder Zeit auf Jagd zu gehen!“ Damit setzte sie sich auch schon laufend in Bewegung, auf eine Seitengasse ausweichend, um dem Strom der Menschen zu entgehen.
    „Willst du nicht deinen Bruder anrufen?“, fragte das langohrige Wesen auf der Schulter des Mädchens, welches offenbar Shuichon hieß, vorsichtig, woraufhin sie nur eine Schnute zog.
    „Wieso sollte ich? Damit kommen wir schon allein klar!“
    Das Wesen seufzte nur. „Ich hoffe nur, dass du dieses Mal weißt, was du tust. Noch einmal so ein Chaos wie vor zwei Wochen...“ Ein weiteres Seufzen folgte.
    „Quatsch“, erwiderte Shuichon. „Wir kommen damit schon klar! Moumantai, Lopmon.“
    „Ja, Moumantai“, echote das Wesen. „Moumantai.“
    Nach diesen Worten beschleunigte das Mädchen schon seinen Schritt und rannte in die Richtung der Lichtsäule davon.


    Auch ein weiterer Junge sah den Strahl am Himmel, während er vor der Ichigaya Station stand und gedankenverloren in den Bewölkten Himmel starrte. Dieser Junge wirkte noch etwas jünger, als Denrei, jedoch war zumindest sein Blick nicht mehr der eines Kindes.
    Der Name diesen Jungens war Makuta Shoji, wie man, wenn man genauer hinsah, an der Tasche unter seinem Arm, genauer, an einem kleinen Schild, welche am Riemen der Tasche hing. Shoji hatte schwarzes Haar und trug noch immer seine Schuluniform, obwohl der Unterricht bereits vor guten vier Stunden geendet hatte. Jedoch war er nach der Schule noch am Grab seines Bruders gewesen, dass nicht weit von seiner Schule, der Azabu Highschool, entfernt war und hatte danach keine Lust verspürt, nach Hause zu fahren, obwohl seine Mutter sicher schon auf ihn wartete.
    Nun stand er hier, direkt am durch das Viertel führenden Kanal und starrte auf die Säule aus Licht. Sofort schossen ihm einige Fragen durch den Kopf, war es doch nicht das erste Mal, dass er so ein Licht sah.
    Vor fünf Jahren, in dem Jahr, in dem auch sein Bruder gestorben war, hatte man solche Säulen öfter in Tokyo gesehen, ehe sie Ende des Jahres verschwunden waren, ehe schließlich, ein knappes Jahr darauf, das Phänomen zwar wieder vorkam, jedoch wesentlich seltener war als zuvor.
    Sein Bruder, Kenji, hatte damals mit seinen Freunden einige Ideen gehabt, womit diese Säulen in Verbindung zu bringen seien, eine absonderlicher als die andere. Denn in jenem Jahr waren diese Lichtsäulen nicht das einzige seltsame Phänomen gewesen, dass in Tokyo gesichtet wurde.
    Kenji war davon überzeugt gewesen, dass die Digimon, die in der Region aufgetaucht waren, obwohl sie alle nur für eine Fantasie, ein Spiel, gehalten hattet, mit diesen Säulen zu tun hatten und mehr als einmal war er losgerannt, wenn eine Lichtsäule am Himmel zu sehen war.
    Ob Shoji daran glaubte? Er wusste es nicht.
    Trotz allem was in diesem Jahr geschehen war und letzten Endes vom Tod seines Bruders überschattet worden war, glaubte ein Teil von ihm noch immer nicht an die Existenz dieser Monster.
    Doch das hielt sein Herz nicht davon ab aufgeregt zu schlagen und ehe er sich überhaupt klar war, was er tat, rannte er los, über die Brücke des Kanals und so schnell er konnte in die Richtung des Lichtes.


    Derweil war das Mädchen, Shuichon, mit dem seltsamen Wesen auf der Schulter, das selbst ein Digimon war und auf den Namen Lopmon hörte, der Lichtsäule um einiges näher gekommen. Und sie konnte froh sein, dass durch den Regen weniger Menschen unterwegs waren, als normal, und dadurch die Seitengasse, in der sie lief, vollkommen ausgestorben war, denn sonst hätte sie im nächsten Moment einige Leute erschreckt.
    Aus der rechten Tasche ihres gelben Regenmantels zog sie ein weißes Gerät heraus, das an einem rosanen Band befestigt war, während sie aus der anderen Tasche eine Spielkarte des Digimon-Kartenspiels hervorholte. Im nächsten Moment zog sie ohne zu zögern die Karte durch den Schlitz am Rand des Gerätes. „Card Slash!“, rief sie dabei. „Shou Shinka – PlugIn S!“
    Währenddessen war das Wesen – Lopmon – von ihrer Schulter gesprungen und wurde nun von einer Kugel aus Licht umgeben. „Lopmon – Shinka!“, war seine Stimme aus der Kugel heraus zu hören. „Wendimon!“
    Im nächsten Moment lief anstelle des kleinen langohrigen Teddybären ein großes, affenartiges Wesen mit beeschem Fell und Armen, die zu den klauenartigen Händen hin immer breiter wurden.
    Mit einer dieser Klauen hob das Wesen nun Shuichon hoch, setzte sie auf seine Schulter, ehe es mit halsbrecherischer Geschwindigkeit in die Richtung des Lichtes davonsprintete. Die wenigen Menschen, die es zwischen den Häusern sahen, beachtete es nicht.
    Die Häuser flogen an ihnen vorbei und in weniger als zwei Minuten hatten sie die Stelle schließlich erreicht, an der der Lichtstrahl auf einen Parkplatz hinter einem Bürogebäude traf. Hier war es nun unmöglich den Blicken der Menschen zu entgegen, da eine der größeren Straßen direkt neben dem Gebäude herführte, doch die meisten Menschen schenkten eher dem seltsam dichten Nebel Beachtung, in dem das Mädchen und ihr Monster nun verschwanden.
    Doch noch während sie sich in der seltsam schimmernden Umgebung umsahen, die sich unter dem Nebel, der die Digital Zone begrenzte, umsahen, sprang ihnen etwas entgegen. Dieses Etwas war etwa eineinhalb Meter groß, gelb und grün gefärbt und hatte, soviel wie sie erkennen konnten, die Gestalt eines Frosches. Im nächsten Moment jedoch, war dieser äußerst flinke Frosch bereits außerhalb des Nebels verschwunden und ein Kreischen verriet, dass er bereits auf die ersten Menschen getroffen war.


    Denrei lief immer schneller, obwohl er schon lange keine Puste mehr hatte. Aber er hatte dieses Gefühl… Dieses Gefühl, dass er unbedingt wissen musste, woher dieses Licht kam – als wäre dies wichtig für ihn.
    Kurz bleib er stehen, um sich erneut nach dem seltsamen Lichtstrahl umzuschauen, gerade noch rechtzeitig um zu sehen, dass der Strahl vom Himmel aus hinabschrumpfte und schließlich zwischen den Häusern verschwand.
    Was war passiert?
    Für einen Moment zögerte der Fünfzehnjährige, doch dann rannte er wieder los, bemüht sich zu erinnern, wo man die Lichtsäule sehen konnte, ehe sie verschwunden war.
    Seine T-Shirtärmel klebten bereits an seinem Körper und sein viel zu langer Pony auf seiner Stirn. Zwar hielt seine dunkle Weste, die er über dem T-Shirt trug, einen guten Teil des Regens von ihm ab, doch reichte dies kaum, so dass er sich bereits wie ein Schwamm fühlte.
    Er hätte einen Regenschirm nutzen können, doch hätte dieser das Laufen erschwert und die Kapuze seiner Weste war schon lange von seinem Kopf geweht worden.
    Vielleicht sollte er einfach aufgeben, überlegte er, aber etwas hielt ihn davon ab.
    Es war wichtig. Es musste wichtig sein.
    Für ihn? Da war er noch immer nicht sicher, aber er wusste irgendwie, dass dies mehr war, als ein Wetterphänomen. Und das Gefühl, dass er so eine Säule bereits gesehen hatte, ließ ihn noch immer nicht los.
    Er versuchte sich zu erinnern, wann es gewesen war.
    Ach, wieso hatte er ausgerechnet heute Nachhilfeschule haben müssen?! Ja, sicher, vielleicht hätte er die Säule ansonsten nie gesehen, aber dann wäre es ihm zumindest egal gewesen. So rannte er und rannte er in der Hoffnung das Geheimnis zu lösen. Wenn er doch nur früher hätte gehen können.
    Vielleicht war es jetzt schon zu spät.
    Warum war ihm dies so wichtig?


    Der andere Junge, dessen Haare ebenfalls ungewöhnlich lang waren, aber ordentlicher lagen, als die Denreis, rannte ebenfalls dem Licht entgegen und war diesem, obwohl er von größerer Entfernung aus losgelaufen war, mittlerweile schon näher als dieser.
    Shoji übte schon seid vier Jahren Karate und obwohl es bei dem Kampfsport viel mehr auf Geduld, innere Ruhe und Geschick ankam, hatte er dafür auch seine Ausdauer und Kraft trainiert. Deshalb fiel ihm das Rennen nicht so schwer, wie manch anderem und er bewegte sich trotz seines Regenschirms, den er schützend vor sich hielt, während sein Lauf etwas gebückt war, recht schnell vorwärts.
    Doch auch er sah, aus näherer Nähe, wie der Lichtstrahl verschwand. Im Gegensatz zu Denrei konnte er aber auch die Kuppel aus Nebel erahnen, denn diese ragte zwischen den recht flachen kleineren Bürogebäuden auf.
    Einen Weg direkt zu dem Platz zu kommen, fand er jedoch nicht.
    Dafür fegte, als er sein Tempo gerade verlangsamte, ein gelber Schatten an ihm vorbei, der vorher von einem der Gebäude gesprungen zu sein schien und nun in einer Gasse auf dieser Seite der breiten Straße verschwand.
    Während er dem Schatten etwas unschlüssig hinterherstarrte, unwissend, ob er nun folgen sollte oder nicht, stürzte ein weiteres Wesen auf die Straße, auf dessen Schulter ein rothaariges Mädchen saß. Einige Autos bremsten abrupt, als das Wesen, aus dessen gespenstischem Gesicht die zwei Knopfaugen, die es hatte, hervorstachen, lossprintete und ebenfalls in der Gasse verschwand.
    Einige weitere Sekunden starrte der total übertölpelte Junge dem Wesen hinterher, weiterhin unschlüssig. Dann nickte er jedoch, obwohl niemand da war, auf den er mit diesem Nicken hätte reagieren können, und lief dem Wesen hinterher.


    Erneut hatte Shuichon eine Karte in der Hand, auch wenn man es kaum für möglich gehalten hätte, dass sie diese erneut durch das Gerät in ihrer Hand würde ziehen können, ohne von ihrem Monster zu fallen. Doch dieses hob eine seiner Pranken und hielt sie fest.
    „Card Slash!“, rief sie erneut. „High Speed – PlugIn B!“
    Im nächsten Moment wurden die Bewegungen des Monsters noch schneller als zuvor und für das menschliche Auge nahezu unsichtbar sprintete es los und holte rasch auf.
    Das andere Monster nahm derweil keine Rücksicht auf die Menschen und hüpfte direkt in eine kleinere Straße, in der einige Läden und damit verbunden auch Menschen waren. Erneut waren Schreie zu hören. Teilweise von erschrockenen Frauen, teilweise von Leuten, die dem Wesen auswichen und so auf dem nassen Boden fielen.
    Jedoch hatte auch der Partner des Mädchens keine beruhigende Wirkung auf die Menschen. Im Gegenteil. Als dieser durch die Masse der Menschen sprintete wurden die Schreie noch lauter und noch mehr Menschen mussten ausweichen, da es im Gegensatz zu dem anderen Monster nicht sprang, sondern durch die Menge lief.
    Ein zu Boden gefallener Schirm brach in der Mitte durch, als der große Affe versehentlich drauf trat, während das Mädchen auf seiner Schulter sich angestrengt umsah.
    „Wendimon!“, rief es auf einmal und zeigte auf eine weitere Seitengasse und ohne zu Fragen bog ihr skurriles Reittier in diese ab, weiterhin übermenschlich schnell.
    Wie sich herausstellte, machte diese Gasse einen leichten Bogen und traf dann erneut auf eine breitere, glücklicher Weise jedoch kaum befahrene Straße und tatsächlich erschien hier fast gleichzeitig mit ihnen das gelbliche Wesen.
    Ohne zu Zögern sprang das zu dem Mädchen gehörende Wesen – offenbar Wendimon – los, packte das andere und warf es auf das abgesperrte Gelände einer anliegenden Baustelle, ehe es sich selbst über deren Zaun schwang und auf dem leeren Platz landete.
    „Frogmon“, las Shuichon von dem Gerät in ihrer Hand ab, während sie sich zu Boden gleiten ließ. „Armorlevel.“ Dann grinste sie. „Das sollte kein Problem sein!“, meinte sie verschmitzt.


    Eigentlich hatte Denrei gedacht, er würde den Platz niemals finden, an dem die seltsame Lichtsäule aufgetroffen war, doch dann sah er etwas Seltsames. Mitten durch den Regen hüpfte ein gelber Schimmer.
    Erkennen, was es genau war, konnte er nicht, aber irgendwie wusste er, dass dieses – was auch immer es war – mit dem Lichtstrahl zu tun hatte, weshalb er, ohne zu überlegen, seine Richtung änderte und hinter dem seltsamen Wesen hinterherlief.
    Dieses bog von der kleinen Einkaufsstraße nun auf eine der weniger befahrenen Verkehrsstraßen ab. Doch gerade als der atemlose Denrei diese erreicht hatte, schoss ein weiteres Wesen aus einer Gasse und nahm den gelben Frosch – zumindest schien es Denrei in diesem Moment, als wäre es ein Frosch – und warf diesen auf ein Baustellengelände, wo es hinter den Planen der Absperrungszäune verstand.
    „Das…“, murmelte Denrei und fragte sich, ob er sich das nur eingebildet hatte.
    Das gelbe Wesen hatte wie ein Frogmon ausgesehen. Ein Digimon.
    Aber wie konnte das sein? Ein richtiges Digimon?
    Digimon konnten unmöglich real sein. Sie existierten in Spielen, Anime und Manga, aber nicht real. Das konnte nicht sein? Oder etwa schon…?


    Mittlerweile hatte auch Shoji Probleme mit den seltsamen Wesen Schritt zu halten und wahrscheinlich hätte er sie verloren, wären die beiden nicht in eine Einkaufsstraße abgebogen, wo die Spur der erschrockenen Menschen es ihm einfacher machte, ihnen zu folgen.
    Noch immer fragte er sich, was das für seltsame Monster waren, auch wenn er glaubte, dass er das eine, das von dem Mädchen begleitet worden war, schon einmal gesehen hatte. Über das andere konnte er kaum etwas sagen, hatte er es doch nur verschwommen gesehen. Aber er fragte sich gleichzeitig, wie überhaupt solche Wesen existieren konnten. Was waren sie? Und wo kamen sie her?
    Er sah, wie das größere der beiden, das Wesen mit dem Mädchen, in eine Seitengasse abbog und überlegte kurz ihm zu folgen. Doch das gelbe Monster folgte weiterhin dieser Straße und so folgte er diesem, auch wenn einige der ohnehin erschrockenen Menschen ihm misstrauische Blicke zuwarfen.
    Nun bog das gelbe Wesen auf die nächste Straße ab. Dort würden weniger Menschen sein und wenn er nicht aufpasste würde er sie verlieren.
    Konnte ihm dies eigentlich nicht egal sein?
    Er wusste es nicht, aber er hatte das Gefühl, dass dem nicht so sei.
    Ein entgegenkommender Windstoß wehte ihm seinen Schirm aus der Hand, doch er drehte sich nicht um, um diesen zurück zu holen, sondern lief weiter auf die Straße zu.
    Gerade noch sah er, wie das andere Wesen auf diese sprang, sich das gelbe Wesen schnappte und auf ein abgesperrtes Baustellengelände warf und selbst dorthin verschwand. Auf der anderen Seite der Straße.
    Atemlos blieb er stehen und überlegte, was er tun sollte, als sein Blick auf einen anderen Jungen fiel, der ebenfalls außer Atem zu sein schien, während sein rötliches Haar an seinem Kopf klebte, und der scheinbar auch das Geschehen verfolgt hatte.
    Dieser schien seinen Blick zu spüren und sah ihn ebenfalls an. Für einige Sekunden sahen sich die beiden an, doch dann wandte sich der andere Junge ab und lief über die Straße, wobei ein Autofahrer gerade noch im letzten Moment die Bremse durchdrücken konnte und so vermied, den Jungen anzufahren.
    War er denn vollkommen verrückt?
    Noch einmal wanderte Shojis Blick zu dem Baustellengelände, an dem der andere Junge nun angekommen war, doch dann seufzte er und wandte sich ab. Selbst wenn er ihm folgte, wie hoch standen seine Chancen, dass er erfuhr, was es mit den Monstern auf sich hatte.
    Seine Eltern machten sich sicher Sorgen.
    Mit diesem Gedanken hob er seinen Schirm auf, sah ein letztes Mal zu dem Gelände zurück und machte sich nachdenklich auf den Weg nach Hause.


    Derweil stand Wendimon nun dem gelben Frosch, der laut dem Gerät in Shuichons Hand den passenden Namen Frogmon trug, gegenüber, darauf gefasst, dass dieser erneut versuchte wegzulaufen.
    Und tatsächlich sprang das Frogmon einen Moment später in die Luft und versuchte über den von der Straße entfernten Zaun in die nächste Gasse zu fliehen, doch dieses Mal war Wendimon schnell genug, packte seinen Gegner am Froschschenkel und warf ihn wieder zurück auf den lehmigen Platz.
    Mit einem Quaken rollte sich das gelbe Monster wieder auf dem Bauch und beäugte Wendimon nun offenbar wütend. Dann sprang es erneut, jedoch ohne fliehen zu wollen. Aus der Luft schleuderte es einige scheinbar aus Blättern bestehenden Wurfsterne in Richtung des wesentlich größeren Wendimon.
    Dieses setzte jedoch nur seine Arme auf den Boden ab und heulte aus dieser hockenden Position. Jedoch war dies kein normales Geheul, denn der Schall alleine reichte, um das Frogmon aus der Luft zu holen und erneut unsanft im Dreck landen zu lassen.
    „Ich sagte ja, dass wir es allein schaffen“, meinte das Mädchen grinsend, doch diese kleine Unachtsamkeit nutzte das kleinere Monster aus, um nun doch über den nächsten Zaun zu entkommen.
    „Shuichon…“, murmelte Wendimon neben ihr entgeistert, ehe es dem Frosch nachsetzte.


    Denrei lief am Zaun entlang, nach einem Durchgang oder zumindest einem Loch in der Plane suchend, durch dass er den offenbar vor sich gehenden Kampf verfolgen konnte.
    Noch immer fragte er sich, ob er sich das nicht nur eingebildet hatte. Waren das wirkliche, echte, reale Digimon? Wenn das wirklich Digimon waren, konnte er dann vielleicht ein richtiger Tamer werden?
    Während er noch nach einem Durchlass suchte, sprang auf einmal das eine der beiden Wesen über den Zaun. Es blieb kurz stehen, sah sich um und hopste dann in Richtung der nächsten kleineren Gasse davon.
    Soweit Denrei es sagen konnte, immerhin waren alle Bilder die er kannte gezeichnet, war das Wesen wirklich ein Frogmon. Es hatte dieselbe Form, denselben roten Maschinenrucksack und wie die Bilder auf den Karten ein Blatt als Sichtschutz. Es war tatsächlich real. Ein reales Digimon!
    „Hey!“, rief Denrei, ohne zu überlegen, und tatsächlich drehte sich das Frogmon um.
    Doch ehe der Junge verstand was geschah, schwirrten auch schon drei weitere Blätterwurfsterne auf ihn zu.
    „Was…“, schoss es ihm durch den Kopf, ohne dass ihm bewusst wurde, dass er dieses Wort auch aussprach.
    Aber bevor die Wurfsterne ihn treffen und vielleicht sogar töten konnten, sprang das andere Wesen, das er zuvor gesehen hatte, ebenfalls über den Zaun, stürmte auf das Frogmon zu und zerquetschte es mit einem Armschlag, wodurch dieses sich wortwörtlich auflöste.
    „Was…“, stotterte Denrei noch einmal, während er merkte, dass seine Beine ihm nachzugeben drohten.
    Doch das andere Wesen, offenbar ebenfalls ein Digimon – wenn er nicht irrte ein seltsam gefärbtes Wendimon – sah sich jedoch nicht einmal nach ihm um, ehe es in dieselbe Gasse verschwand, in die zuvor das Frogmon hatte fliehen wollen.


    ★ ★ ★


    Der Regen hatte etwas nachgelassen, als Denrei erschöpft und pitschenass an der nächsten Straßenbahn-Station ankam. Zwar war es nicht weit von hier zu der Wohnung, in der er zusammen mit seinem Vater wohnte, aber aktuell zweifelte er daran mehr als hundert Meter laufen zu können. Zudem war er froh, dass er für eine Weile dem Regen entkam.
    Mittlerweile zweifelte er beinahe daran, dass das was er vor vielleicht zwanzig Minuten gesehen hatte, real gewesen war. Begann er vielleicht langsam zu halluzinieren? Sein Vater würde wahrscheinlich sagen, dass er jetzt schon ganz in seiner Welt versunken war und dringend einen Psychiater besuchen sollte.
    Er seufzte.
    Als würde er seinem Vater davon erzählen. Er würde ohnehin schon Ärger bekommen, wenn sein Vater sah, in welchem nass-dreckigen Zustand er nach Hause kam. Aber wenn er Glück hatte, war sein Vater noch nicht zuhause. Dann würde er duschen und seine Sachen waschen können, ohne viel zu erklären.
    Zumindest wärmte die wenngleich selbst etwas feuchte Kapuze etwas, auch wenn sie seine Haare nicht mehr trocknete. Er hätte nicht geglaubt, wie kalt so ein Sommertag sein konnte, wenn man komplett nasse Kleidung trug.
    Im Moment wirkte ein warmes Bad wirklich verlockend.
    Doch gerade als er darüber nachdachte, kam ein rothaariges Mädchen, kaum älter als zwölf oder dreizehn, an ihm vorbei, das warum auch immer seinen Blick auf sich zog. Erst bei genauerem Hinsehen, erkannte er etwas in ihren Armen. Sie hatte ein Lopmon an ihre Brust gedrückt, dessen lange Ohren über ihre Arme hingen.
    „Ein Plüschtier“, murmelte er.
    Natürlich war es ein Plüschtier. Wie konnte es auch ein reales Lopmon sein.
    „Ich bin kein Plüschtier“, hörte er eine Stimme, nicht sicher, ob er sich diese vielleicht einbildete.
    „Psst“, zischte das Mädchen und beschleunigte seinen Schritt.
    Er schüttelte den Kopf. Vielleicht wurde er wirklich verrückt.


    Müde saß Shoji am Abend an seinem Schreibtisch, den Blick auf sein Englischbuch gerichtet, aus dem er eigentlich gerade Vokabeln lernte.
    Er wusste noch immer nicht, wie er das, was er heute gesehen hatte, einordnen sollte. War es überhaupt echt gewesen?
    Wenn er nun darüber nachdachte, kam ihm das alles eher wie ein bunter, sehr verrückter Traum vor.
    Schließlich wandte er sich ganz von seinem Buch und den Vokabeln ab und sah auf ein älteres Foto, das im Regal neben seinem Schreibtisch stand. Es zeigte seinen Zwillingsbruder und ihn an ihrem Geburtstag vor fünf Jahren – den letzten Geburtstag, den sie zusammen gefeiert hatten.
    Und etwas an diesem Bild zog seinen Blick auf sich.
    Es war nicht sein Bruder, dessen Grab er heute besucht hatte, sondern die Geschenke, die hinter ihnen auf dem Küchentisch lagen. Zu den Geschenken seines Bruders gehörten unter anderem einige Karten.
    Mit einem Mal war er auf den Beinen und ging zu seinem Kleiderschrank an der anderen Seite des kleinen Raumes hinüber, öffnete ihn und holte einen kleinen Schuhkarton aus einem Fach oben im Schrank heraus.
    In diesem Karton waren die Karten, die seinem Bruder gehört hatten. Digimonkarten.
    Er leerte den Inhalt der kleinen Schachtel auf dem Boden aus und durchstöberte eine Karte, ehe er fand, wonach er suchte. Deswegen war ihm das Monster mit dem Mädchen so bekannt vorgekommen.
    In der Hand hielt er eine Karte, auf deren Rand in Katakana Uindimon stand. Wendimon.
    Zwar hatte das Wesen, auf dem das Mädchen geritten war eine andere Farbe gehabt, aber je länger er darüber nachdachte und je länger er das Bild betrachtete, desto mehr Ähnlichkeiten fand er zwischen dem Wesen, das er heute gesehen hatte, und dem Bild auf der Karte.
    Sein Bruder und dessen Freunde hatten immer gespielt Digimon Tamer zu sein. War das Mädchen vielleicht so ein Tamer gewesen?
    Doch dann schüttelte er den Kopf. So ein Unsinn. Digitale Monster. Wie könnten solche Wesen wirklich existieren?
    Aber trotzdem fragte eine Stimme in seinem Kopf, was es denn dann war, das er heute gesehen hatte.


    „Du hättest ruhig sein sollen“, murmelte Shuichon zum zehnten Mal an das kleine vermeintliche Plüschtier gewandt, das auf ihrem Bett saß. Sie trug mittlerweile einen Pyjama und ihre Haare lagen offen und nass über ihre Schultern, da sie gerade erst gebadet hatte.
    „Ach, hast du das Gesicht des Jungen gesehen?“, erwiderte Lopmon. „Er hält sich ohnehin für verrückt.“
    „Umso mehr hättest du ruhig sein sollen“, erwiderte das Mädchen. „Der arme Junge.“
    „Moumantai.“ Das Digimon ließ sich auf den Rücken fallen und rollte sich ein wenig auf ihrem Bett herum.
    Das Mädchen kicherte. „Du bist noch immer nicht Terriermon.“
    „Na und?“ Lopmon sah sie an. „Moumantai. Man sollte sich nicht mehr Gedanken machen, als nötig.“
    „Das solltest du dem Jungen sagen.“ Damit legte das Mädchen zu dem langohrigen Wesen ins Bett. Sie seufzte. „Aber pass auf, dass Jian-nii davon nichts erfährt.“
    „Sicher“, erwiderte ihr Partner und legte einen kleinen Finger auf die Schnauze. „Psst!“







  • Auf anfrage hin, stelle ich mal die LoveSetsu Geschichte auch rein ;)


    Serie: Fresh Pretty Cure
    Genre: Shojo-Ai, Drama
    Entstanden: Februar 2013


    Handlung: Es sind drei Jahre vergangen, seit Moebius besiegt wurde und Love, Inori, Miki und Setsuna wieder ein friedliches Leben führen können. Zusammen mit Westar und Soular ist es nun an Setsuna den Bewohnern von Labyrinth die Bedeutung von Glück und Liebe beizubringen und die zerstörte Welt wieder aufzubauen. Doch in letzter Zeit verbringt sie wieder mehr Zeit in der Menschenwelt, da es hier etwas gibt, wovon sie sich nicht trennen will.



    [Blockierte Grafik: http://img.photobucket.com/albums/v481/kaen_kazui/Sternenhimmel_zpsd5e497d7.png]



    Mein Herz schlägt schneller, jedes Mal wenn ich dich ansehe. Es fällt mir schwer zu atmen, wenn ich mit dir zusammen bin.
    Ich fühle mich so lebendig und doch so taub.
    Doch du wirst nie verstehen, was du für mich bedeutest. Du hast mich gerettet, hast mir eine zweite Chance gegeben, und dennoch weiß ich, dass du es für jeden anderen dasselbe getan hättest.
    Denn so bist du. Hilfsbereit. Bereit alles für andere aufs Spiel zu setzen.
    Doch so sehr ich mich auch daran erinnere... Mein Herz hört einfach nicht auf zu schlagen.


    Es war nur ein kurzer Moment der Schwäche, doch es war passiert, ehe sie zu Besinnung kam. Es fühlte sich an, wie ein leichter elektrischer Schock, ein angenehmes Kribbeln, das ihren Körper durchfuhr, gefolgt von einer dunklen Schwere, als sie sich dessen bewusst wurde, was sie gerade tat.
    Schnell löste sie ihre Lippen von denen ihrer besten Freundin und richtete sich auf. Hektisch atmend sah sie auf das andere Mädchen hinab, das noch immer ruhig und friedlich auf dem Futon neben ihr schlief.
    Ungläubig strich sie sich über die eigenen Lippen. Was hatte sie nur getan? Nein, die eigentliche Frage sollte sein, wieso sie es getan hatte!
    „Love“, seufzte sie schwer und rückte ein wenig von dem anderen Mädchen fort.
    Dieses drehte sich nun im Schlaf auf die Seite. „Setsuna... Setsu...“, nuschelte es im Schlaf, als hätte es die Stimme der anderen gehört.
    Diese zog die Beine an sich heran und legte das Gesicht in ihre Hände. Es wurde mit jedem Mal schlimmer, das sie in diese Welt zurückkehrte. Das Herzklopfen, wenn sie Love sah, das seltsame Gefühl im Bauch und diese furchtbare Unsicherheit.
    Sie hatte es doch gewusst. Sie hätte nicht mit hierher kommen dürfen, so verlockend es auch war. Vielleicht war es ein Fehler, überhaupt immer wieder in diese Welt zurückzukehren. Jedes Mal wenn sie herkam, jedes Mal, wenn sie sich wieder verabschieden musste, wurde das Stechen in ihrem Herzen schlimmer.
    Am Anfang hatte sie gedacht, dass es Heimweh war. Denn auch wenn sie so viele Jahre ihres Lebens in Labyrinth verbracht hatte, dort sogar aufgewachsen war, so hatte sie dort doch nie eine Familie und lange Zeit nicht einmal Freunde gehabt. Immerhin war Freundschaft ein Fremdwort für sie gewesen, als sie noch Moebius diente. Und auch wenn sie nun Westar und Soular als ihre Freunde bezeichnete, so fehlte ihr ihre Familie, denn eine solche hatte sie, wenn auch nur für kurze Zeit, nur in dieser Welt gehabt.
    Und all das hatte sie ihr zu verdanken, Love. Dem Mädchen, das ihr Herz nicht nur von der Dunkelheit befreit hatte, sondern ihr auch gezeigt hatte, was Freundschaft bedeutete und wie es war, eine Familie zu haben.
    Ja, zuerst hatte sie gedacht, dass dieses Gefühl nur daher kam, nur aus dieser tiefen Freundschaft resultierte und vielleicht war es auch einmal so gewesen, doch was sie nun empfand, war mit keinem Gefühl zu vergleichen, dass sie für irgendjemand anderen hegte.
    Sie schüttelte den Kopf und stand auf, wobei sie ihren Yukata glatt strich. Vorsichtig, um weder Love, noch eins der anderen Mädchen zu wecken, ging sie zur Papiertür des Zimmers und schob diese vorsichtig auf, um auf den Balkon hinaustreten zu können.
    Miki hatte sie und die anderen zwei Mädchen eingeladen, da ihre Mutter ihnen hatte umsonst besorgen können. Sie waren in einer kleinen Pension, im Norden von Honshu. Offenbar war die Pension für seinen Onsen bekannt, dem teilweise eine heilende und verjüngende Wirkung zugesprochen wurde. Offenbar war einer der jetzigen Betreiber mit Mikis Mutter befreundet.
    Doch nun waren sie hier, schliefen in einem Raum und sie war Love so nah, wie schon lange nicht mehr.
    Sie schloss die Tür hinter sich und sah zum sternenklaren Himmel hinauf.
    Da es Spätsommer und der Herbst nicht mehr fern war, wurden die Nächte langsam kühler, so dass Setsuna etwas fröstelte, als sie sich an das hölzerner Geländer lehnte, den Blick weiter gen Himmel gewandt.
    Hier, fernab von den Lichtern der Stadt, leuchteten die Sterne noch heller, als sie sie in Erinnerung gehabt hätte. Der Anblick war gewaltig und ließ sie sich umso unbedeutender und kleiner vorkommen, während sie in Gedanken versunken hinaufsah.
    Die Wahrheit war, dass sie es nicht ertragen konnte, dieser Welt zu lange fern zu bleiben. Denn es war nicht nur Love, der ihre Sehnsucht galt, sondern auch der einfachen Menschen hier, die schon immer gewusst hatten, wie man fröhlich war, und nicht erst lernen mussten, Glück zu verstehen. Es war auch Loves Familie, ihre Freunde und Kaoru, dessen Donuts einfach unnachahmlich waren.
    Sie wollte, dass Labyrinth auch einmal ein Ort sein würde, an dem die Leute ohne Anleitung glücklich sein konnten – doch selbst wenn es soweit sein sollte, glaubte sie kaum, dass sie dieser Welt lange fernbleiben könnte.


    „Stimmt irgendetwas nicht, Setsuna?“, fragte Inori besorgt und drehte sich zu ihr um.
    Wie so oft war es Loves Idee gewesen, dass sie ein wenig in den naheliegenden Wald gingen, um die Gegend zu erkunden, und die anderen Mädchen hatten zugestimmt. So war es Love, die nun fröhlich vor sich hinsummte, während sie über den Waldweg voran schritt, auf dem schon einzelne bunte Blätter lagen.
    Setsuna, die sich unbewusst hatte hinter den anderen zurückfallen lassen, schüttelte den Kopf. „Nein, es ist alles in Ordnung“, log sie.
    Inoris Blick wurde noch besorgter. „Du siehst müde aus. Geht es dir nicht gut?“
    Doch das andere Mädchen schüttelte den Kopf. „Es geht schon. Ich habe letzte Nacht nur nicht gut geschlafen.“ Dabei waren diese Worte jedoch stark untertrieben, da sie beinahe die gesamte Nacht kein Auge zugetan hatte.
    „Dann solltest du dich etwas ausruhen“, meinte Inori und sah dabei in die Richtung zurück, aus der sie gekommen waren. Offenbar dachte sie darüber nach mit ihr zusammen zur Pension zurück zu kehren, doch Setsuna winkte schnell ab.
    „Es geht schon“, wiederholte sie. „Ich kann mich später noch etwas ausruhen.“ Damit beschleunigte sie ihren Schritt, um wieder zu Miki und Love aufzuschließen, die ihren Vorsprung nun vergrößert hatten.
    Mit einem noch immer besorgtem Blick folgte Inori ihr.
    Der Pfad gewann schnell an Steigung, so dass Setsuna bald merkte, dass es sie einige Anstrengung kostete, mit den anderen mitzuhalten. Ihr war schwindelig und sie konnte nicht sagen, ob an ihrem Schlafmangel lag oder daran, dass es ihr langsam schwer fiel zu atmen. Doch auch dies war letzten Endes offenbar eine Folge dessen, dass sie kaum geschlafen hatte, denn normal hatte sie eine bessere Ausdauer.
    Sie blinzelte, als das Bild vor ihren Augen kurz verschwamm und übersah dabei eine Wurzel, die bis auf den Weg gewachsen war.
    „Setsuna!“, hörte sie eine besorgte Stimme, noch ehe ihr selbst ganz bewusst wurde, dass sie gestürzt war.
    „Setsuna?“ Inori klang besorgt, doch es war Love, die zurückgelaufen war und nun bereits neben ihr kniete, die Hände auf ihre Schultern gelegt.
    „Setsuna?“, fragte sie mit aufgebrachter und gleichzeitig besorgter Stimme. „Setsuna! Ist alles in Ordnung?“
    Setsuna blinzelte und sah ihre Freundin an, nur um erneut diesen mittlerweile vertrauten Stich in ihrer Brust zu verspüren. Schnell senkte sie den Blick. „Es geht schon. Ich bin nur gestolpert.“ Hastig versuchte sie aufzustehen, wäre jedoch beinahe erneut umgeknickt, hätte Miki, die nun ebenfalls bei ihnen war, sie nicht gestützt.
    „Hast du dich verletzt?“, fragte sie.
    Erneut versuchte Setsuna selbst zu stehen, doch ohne Erfolg. Ein Schmerz fuhr durch ihr Bein und ließ sie zusammenzucken, was auch die anderen Mädchen merkten.
    „Es ist etwas an deinem Fuß“, stellte Inori fest. „Setz' dich wieder.“
    Schon wollte das andere Mädchen widersprechen, aber bevor sie auch nur dazu kam, hatten Love und Miki sie wieder auf den Boden gedrückt. „Es ist schon nichts“, protestierte sie, in der Hoffnung der Situation zu entkommen.
    Sie wollte nicht, dass sich die anderen – besonders Love – Sorgen um sie machten; schon gar nicht wegen so einer Kleinigkeit! Außerdem... Sie spürte die Wärme von Loves Händen durch den recht dünnen Stoff ihres Pullovers hindurch.
    Inori ließ sich derweil nicht irritieren und tastete ihre Knöchel ab. Als Setsuna zusammenzuckte, als das Mädchen ihr linkes Fußgelenk berührte, zögerte es nicht, ihr den linken Schuh und den dazugehörigen Socken auszuziehen.
    Tatsächlich war Setsunas Knöchel gerötet und schien anzuschwellen, noch während Inori ihn betastete.
    „Ich fürchte, du hast dir den Fuß verstaucht“, meinte sie schließlich. „Wir sollten dich zurück zur Pension bringen.“
    „Es geht schon“, versuchte Setsuna noch einmal die anderen eines besseren zu überzeugen, doch nun sah Inori sie mit eisernem Blick an.
    „Du musst den Fuß hochlegen und ihn kühlen! Sonst wird es nur schlimmer.“
    Daraufhin seufzte Setsuna nur.
    „Bukki hat Recht“, meinte auch Miki. „Wenn du den Fuß nicht schonst, wird es nur noch schlimmer.“
    „Ist ja gut“, murmelte das dunkelhaarige Mädchen und ließ sich von Miki stützen, als sie aufstand.
    „Du solltest vernünftig sein“, ermahnte das für eine Japanerin großgewachsene Jungmodel sie, warf ihr dabei aber einen mitleidigen Blick zu.
    „Ich weiß.“ Setsuna seufzte erneut, als sie merkte, wie sich Love ihren linken Arm über die Schulter legte. „Was machst du?“
    „Ich stütze dich“, meinte Love, als sei es selbstverständlich – natürlich war es für sie selbstverständlich. „Du kannst so kaum laufen.“
    Wieder spürte Setsuna, wie ihr Herzschlag sich beschleunigte, bis ihr erneut schwindelig wurde und sie zu schwanken begann.
    „Alles in Ordnung, Setsuna?“ Die Stimme ihrer Freundin klang nun noch besorgter als zuvor, doch sie traute sich nicht zu ihr zu sehen.
    „Es geht schon“, flüsterte sie nur.
    „Sie ist müde“, erklärte Inori vorsichtig. „Sie hat letzte Nacht kaum geschlafen.“
    Nun schien Love überrascht. „Ist das wahr?“
    Ohne sie anzusehen oder etwas zu sagen nickte Setsuna nur.
    „Du hättest doch nur etwas sagen müssen“, meinte Miki, woraufhin das andere Mädchen den Blick nur noch weiter senkte.
    „Ich weiß“, murmelte sie. „Es tut mir leid.“
    Doch Love winkte die Entschuldigung ab. „Jetzt können wir nichts mehr daran machen. Wir bringen dich jetzt zur Pension zurück. Da kannst du dich ausruhen.“


    Rötliches Licht drang in das Zimmer, als die Sonne draußen unterging.
    Setsuna lag auf ihren Futon und hatte einen Arm auf ihr Gesicht gelegt, um ihre Augen ein wenig vor dem Licht zu schützen. Inori hatte ihren Fuß verbunden, nachdem sie zur Pension zurück gekommen waren und sie sich gewaschen hatte. Seitdem lag sie hier, nun wieder in einen Yukata gekleidet.
    Sie hatte tatsächlich für wenige Stunden Schlaf gefunden, doch irgendetwas hatte sie wieder aufgeweckt. Seither lag sie hier, sah zur Decke hinauf und versuchte erneut zu schlafen, was ihr jedoch nicht wirklich gelang.
    Für eine Weile hatte sie überlegt zu den anderen hinunter zu gehen, hatte den Gedanken jedoch schnell verworfen. Wenn sie bei ihnen – bei Love – war, fand sie keine Ruhe. Wieso schaffte sie es nicht ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen?
    Sie würde es dem anderen Mädchen nie gestehen können. Es wäre anmaßend zu glauben, dass dieses ihre Gefühle, über die sie sich nicht einmal selbst ganz im Klaren war, erwidern könnte, und nur das Wissen darum würde Love bedrücken. Doch was sollte sie sonst tun? Wieso konnte sie diese Gefühle nicht verdrängen?
    Es wäre so viel leichter...
    Sie wusste, dass Hayate, dass Westar seinerseits Gefühle für sie hatte. Er war nicht sehr gut darin diese zu verbergen.
    Ein weiterer Grund, warum sie herkam: Um ihm aus dem Weg zu gehen, da sie selbst nicht wusste, wie sie ihm sagen konnte, dass sie diese Gefühle nicht erwiderte... Dass sie jemand anderen liebte, der wiederum ihre Gefühle sicher nie auf dieselbe Art erwidern könnte.
    Da riss ein Klopfen an der Tür sie aus ihren Gedanken. Einen Moment später wurde die Tür ein Stück aufgeschoben.
    „Bist du wach, Setsuna?“, hörte sie Inoris Stimme flüstern.
    „Bukki?“, fragte sie und richtete sich auf.
    Nun wurde die Tür ganz aufgeschoben und das kleine, braunhaarige Mädchen, dass ebenfalls einen Kimono trug, kam mit einem Tablett in den Raum. „Ich wollte dir Abendessen bringen.“
    Setsuna sah zu dem Tablett. „Danke, das ist nett.“ Dabei drängte sich ihr jedoch die Frage auf, warum Inori selbst ihr das Essen brachte, da es in dieser Pension auch Bedienstete für solche Aufgabe gab.
    „Hast du schlafen können?“, fragte Inori nun, während sie zu ihr herüberkam. Sei stellte das Tablett ab und machte die Lampe an der Decke des Zimmers an.
    Die andere nickte leicht. „Etwas.“ Damit nahm sie das Tablett entgegen und stellte es mit etwas Abstand zu ihrem Futon auf den Boden. Auf ihm fand sie gleich zwei Suppenschüsseln, Reis und Fisch.
    Das Mädchen lächelte sie an. „Dann ist gut.“
    Setsuna sah zu ihrer Freundin hinüber, ehe sie sich selbst zu einem schwachen Lächeln bringen konnte. „Ja.“ Da sie nicht wusste, was sie weiter sagen sollte, legte sie kurz die Hände ineinander. „Ittadakimasu.“ Damit begann sie zu essen, was nicht ganz so einfach war, da die Beine unter dem Tablett nur kurz waren und sie sich aufgrund des Verstauchten Beines nicht knien konnte.
    Inori sagte nichts, sondern sah ihr nur zu, während sie zu Essen begann.
    Erst als die Suppe ihre Lippen berührte, merkte sie, dass sie tatsächlich hungrig war. Immerhin hatte sie seit dem Frühstück nichts mehr gegessen. Trotzdem beherrschte sie sich, nicht zu schlingen, da sie immerhin nicht allein war.
    Doch während sie aß merkte sie, dass Inoris Blick noch immer auf ihr ruhte. Zuerst versuchte sie es zu ignorieren, doch irgendwann konnte sie nicht anders und wandte sich dem Mädchen zu. „Willst du nicht wieder zu den anderen heruntergehen?“
    Nun war es Inori, die seufzte, aber lächelnd den Kopf schüttelte. „Eigentlich wollte ich mit dir reden.“
    Setsuna stellte die Reisschale auf das Tablett. „Mit mir reden?“
    „Ja“, erwiderte ihre Freundin und schwieg kurz. „Du bist seltsam in letzter Zeit.“ Sie zögerte weiterhin. „Es tut mir leid, wenn ich unhöflich klinge. Aber... Es ist nicht nur heute. Auch gestern und... Die letzten Male, dass du hierher gekommen bist.“
    Daraufhin schwieg Setsuna nur, da sie erneut nicht wusste, was sie ihr sagen sollte.
    „Irgendetwas stimmt nicht“, schloss Inori nur. „Und es ist nichts in Labyrinth?“
    Unwillkürlich schüttelte Setsuna den Kopf. „Nein.“
    Nun schwieg das andere Mädchen wieder, sah sie nur an. „Ich nehme an, du willst nicht darüber reden.“
    „Es ist nicht wegen dir, Bukki.“
    Dieses Mal schüttelte Inori abwehrend den Kopf. „Das weiß ich, Setsuna. Aber du sollst wissen, dass du mit mir reden kannst. Genau so, wie du mit Love oder Miki reden kannst. Wir machen uns Sorgen um dich.“
    Setsuna sah sie an, bis sie ihren Blick nicht mehr ertragen konnte. „Ich weiß. Es tut mir leid.“
    Nun wieder lächelnd nickte Inori nur und stand auf. „Es muss dir nicht leid tun.“ Sie zögerte für einen Moment. „Ich gehe wieder zu den anderen. Du kannst das Tablett einfach vor die Tür stellen, wenn du fertig bist.“
    „In Ordnung.“
    Damit ging Inori zur Tür und öffnete diese erneut. Dann hielt sie für einen Moment inne. „Du kannst nie wissen, wie andere fühlen, wenn du mit ihnen nicht darüber sprichst, weißt du?“
    „Was?“ Beinahe erschrocken sah Setsuna sie an, doch Inori lächelte sie nur wieder an.
    „Nichts, nichts“, meinte sie leichthin. „Es war nur ein Gedanke... Bis später. Du solltest nach dem Essen noch etwas versuchen zu schlafen.“
    Gedankenverloren sah Setsuna auf die Tür, auch nachdem diese sich bereits hinter Inori geschlossen hatte. Wusste das Mädchen, was sie fühlte? War sie wirklich genau so schlecht wie Westar darin, ihre Gefühle zu verbergen?
    Wenn ja... Vielleicht war es das beste, wenn sie erst einmal nach Labyrinth zurückkehrte.


    Doch auch der nächste Tag verging, ohne dass sie sich dazu bringen konnte, zurück zu kehren, auch wenn sie hin und hergerissen war. Immer wieder suchte sie die Einsamkeit und mehr als einmal hatte sie das Linkrun in der Hand. Doch etwas hielt sie zurück, ohne dass sie sich sicher war, was es genau war.
    Den Gedanken, dass Inori und auch Miki etwas ahnten, wurde sie nicht los. Zwar sprachen sie beide nicht mehr darauf an, aber auch kleine Gesten, wie die Tatsache, dass die beiden ihre Futons auf die Seiten Setsunas legten, bevor Love einen der Plätze einnehmen konnte, ließen Setsuna sich immer wieder fragen, wie viel die beiden wussten.
    Sie war froh, dass ihr verletzter Fuß ihr eine Ausrede gab, sich zurück zu ziehen – auch am dritten Tag, den sie in der Pension verbrachten. Zwar schlug Love vor, dass sie den Tag über nur Karten spielen könnten, doch nachdem Setsuna abwinkte, schafften Miki und Inori es das Mädchen zu einer weiteren Wanderung zu überreden.
    Doch all das änderte nicht, dass Setsunas Herz immer schwerer zu werden schien.
    Und langsam glaube sie zu verstehen, woran es lag: In dieser Umgebung war es anders, als wenn sie in Yotsuba waren. Dort waren sie von so vielen Dingen umgeben, die für Setsuna in der Zeit, die sie dort verbracht hatte, normal geworden waren. Es war nicht nur die Stadt selbst, sondern auch Loves Familie, Reika, ihre alten Klassenkameraden und Kaoru. Ja, ab und an kamen auch Tarte, Azuhina und Chiffon sie dort besuchen und es gab so viel, was sie ablenkte.
    Doch hier war niemand von ihren anderen Freunden da. Es waren nur sie vier. Es war ruhig und sie war auf eine Art Love näher, als sie es in Yotsuba sein konnte, da sich niemand anderes zwischen sie drängte.
    Aber auch das änderte nichts daran, dass sie ihr nicht sagen konnte, wie sie fühlte. Denn sie wusste, sie war sich sicher, dass sie für Love nichts weiter, als ihre beste Freundin war – eine Art Schwester vielleicht, aber nicht mehr. Auf keinen Fall wollte Setsuna, dass sich Love ihr gegenüber genau so schlecht fühlte, wie sie sich gegenüber Westar fühlte.
    Dann – und auch das wusste sie – dann würde Love sie nicht mehr so anlächeln, wie sie es bisher immer getan hatte: Ehrlich. Unbefangen.
    Seufzend sah sie auf das Linkrun in dessen Hülle sich die Sterne spiegelten.
    Es war ihre letzte Nacht hier und tatsächlich freute sie sich, am nächsten Tag nach Labyrinth zurückkehren zu können. Sie hoffte, dass die Anspannung dort verschwinden würde.
    Die anderen Mädchen waren noch im Onsen, den sie selbst nicht nutzen konnte. Denn auch wenn der Quelle heilende Fähigkeiten zugeschrieben wurden, so war das heiße Wasser nicht gut für einen verstauchten Fuß, weshalb sie sich auch in den letzten Tagen nur gewaschen, nie aber gebadet hatte.
    So stand sie nun auf dem Platz vor der Pension, um etwas Luft zu schnappen. Noch immer trug sie den weiten roten Pullover, den sie den gesamten Tag über getragen hatte, und eine etwas längere Hose.
    Der Himmel war auch in dieser Nacht vollkommen klar und die Sterne funkelten deutlich auf dem dunklen Hintergrund. Selbst den Nebel der Milchstraße konnte man von hier aus schwach erkennen, und auf seltsame Art und Weise fand Setsuna diesen Anblick beruhigend.
    Der Mond war nur eine dünne Sichel, die nur wenig Licht spendete, doch empfand sie ihn ebenfalls als tröstlich.
    Auch jetzt gab es wenig Sterne in ihrer Heimatwelt – Labyrinth, in der es noch immer wenige Orte gab, die noch natürlich wirkten, selbst wenn die Städte nun nicht mehr so trostlos wirkten, wie sie es einst gewesen waren.
    „Wow, man sieht wirklich viele Sterne hier draußen!“, hörte sie einen begeisterten Ausruf hinter sich und schreckte zusammen.
    „Love?“, fragte sie, als sie sich umdrehte.
    Tatsächlich stand ihre beste Freundin dort mit noch immer feuchten Haaren und in ihren Yukata gekleidet, wobei ihre Füße nur in einem Paar Sandalen steckten.
    „Du solltest reingehen“, meinte Setsuna schnell. „Du erkältest dich noch!“
    „Ach was“, entgegnete Love und winkte ab. „Ich wollte nur nach dir sehen, Setsuna.“ Für einen Moment schwieg sie und sah das andere Mädchen nur mit einem unergründlichen Blick an. „Stimmt irgendetwas nicht?“
    Hastig schüttelte Setsuna den Kopf. „Nein, es ist alles in Ordnung. Nun, mein Fuß tut noch immer etwas weh, aber das wird sicher wieder. Mach dir keine Sorgen.“
    „Gut“, meinte Love langsam, schien jedoch nicht wirklich erleichtert. Sie zögerte, als wäre sie sich nicht sicher, was sie sagen sollte. „Eigentlich...“, begann sie schließlich in einem für sie untypischen, beinahe unsicheren Tonfall. „Ich meine eigentlich etwas anderes.“ Bevor Setsuna ihrem Blick ausweichen konnte, sah sie ihr in die Augen. „Habe ich etwas getan, dass dich sauer gemacht hat? Habe ich dich irgendwie verletzt? Wenn ja tut es mir leid, Setsuna.“
    Überrascht verharrte der Blick des anderen Mädchen an ihr. „Was? Nein, natürlich nicht... Wieso...?“
    Love zögerte für einen Moment. „Du bist so seltsam in letzter Zeit. Ich... Ich habe das Gefühl, dass du mir aus dem Weg gehst.“ Nach diesen Worten zwang sie sich offenbar zu einem Lächeln und kratzte sich am Hinterkopf. „Aber wahrscheinlich bilde ich mir das nur ein!“
    Setsunas Herz wurde noch schwerer, als sie in die Augen der anderen sah.
    Sie hatte nie gewollt, dass sich Love wegen ihr sorgte, sogar sich selbst Vorwürfe machte. Aber was hätte sie anders machen können? „Es tut mir leid“, hauchte sie.
    „Was? Das muss es doch nicht“, antworte Love. „Setsuna, du kannst nichts dafür, wenn ich Geister sehe.“ Sie lachte gezwungen. „Es... Ach, ich bilde mir nur Sachen ein. Vielleicht ist es, weil wir uns nicht mehr jeden Tag sehen...“ Damit wandte sie sich wieder der aus traditionell gebauten Pension zu. „Kommst du mit rein?“
    „Love...“, brachte Setsuna den Namen ihrer Freundin gequält hervor, woraufhin sich diese umdrehte und sie mit fragendem Blick ansah.
    „Ja?“
    Innerlich verfluchte sich Setsuna. Sie wusste noch immer nicht, was sie sagen sollten, wusste nicht, was das richtige war. Sie wollte nicht, dass sich Love weiter unnötig um sie sorgte, doch wollte sie auch nicht egoistisch sein. „Ich...“, begann sie unsicher. „Der Grund warum ich...“ Sie schüttelte den Kopf. „Du bildest dir nichts ein. Ich habe deine Nähe tatsächlich gemieden.“
    Loves Augen weiteten sich. „Aber warum denn? Magst du mich etwa nicht mehr?“ Bei dieser Frage zitterte ihre Stimme auf einmal.
    Setsuna spürte Tränen in ihren Augen brennen und bemühte sich, diese zu schlucken. Wieder schüttelte sie den Kopf. „Nein“, flüsterte sie, „das ist es nicht. Im Gegenteil. Ich... Ich...“ Nun flossen ihr doch Tränen über die Wangen. „Es tut mir leid, Love, aber ich... Ich mag dich.“ Doch als sie merkte, wie die andere bereits zu einer Erwiderung ansetzte, korrigierte sie sich: „Nein, das ist es nicht. Ich...“ Ihre Stimme war kaum mehr als ein Hauchen. „Ich liebe dich...“
    Auf diese Worte reagierte Love nicht. Sie stand einfach nur da und starrte sie an. „Setsu... na...“, keuchte sie leise.
    „Es tut mir leid“, flüsterte Setsuna und wandte sich ab. „Ich wollte dich damit nie belasten...“ Sie seufzte. „Es tut mir wirklich leid.“ Während sie sprach machte sie einige Schritte, entfernte sich weiter von Love. Ihre Hand war fest um das rote Linkrun geschlossen.
    Da löste sich Love aus ihrer Starre. „Wo willst du hin?“
    Doch Setsuna antwortete nicht, sondern streckte das handliche Gerät nur vor sich aus.
    Mit einem roten Blitz erschien Akarun und schwebte nun vor seiner Partnerin, wobei es diese erwartungsvoll ansah.
    Bevor Setsuna jedoch nach dem kleinen Feenschlüssel greifen konnte, spürte sie, wie sich eine Hand um die ihre legte.
    „Warte, Setsuna!“, rief Love aus und riss sie herum. „Warte...“ Ihre Stimme klang unsicher und auch ihr Blick schien nicht so fest, wie er es sonst war. „Setsuna, ich...“, setzte sie an, brach dann aber ab und fiel dem anderen Mädchen stattdessen um den Hals.
    Überrascht stand dieses dort, das Linkrun noch immer in der Hand. Ihr Herz schien fast zu zerspringen. „Love...“
    Die Angesprochene schüttelte nur den Kopf. „Sag nichts“, flüsterte sie. „Bleib... Bleib einfach nur.“ Sie drückte sich noch enger an ihre Freundin. „Bleib bei mir“, flehte sie dann mit gedämpfter Stimme.
    Und da verstand Setsuna, verstand, wie unnötig ihre Sorgen gewesen waren. Während ein leichter Windhauch über sie hinwegwehte, legte sie endlich ihrerseits die Arme um ihre Freundin und schloss die Augen. „Love...“
    Sie kam in diese Welt, weil sie hier gelernt hatte, was Glück bedeutet. Doch Glück und Freundschaft waren nicht das einzige gefunden, was sie hier gefunden hatte. Hier, in dieser Welt, die so anders war, als ihre Heimat gab es noch etwas anderes. Etwas, das ihr mehr bedeutete, als alles andere: Der Mensch, den sie liebte.

  • Hallo Alaiya,


    da du mich ja damals auf diese Serie gebracht hast und ich oft lese, dass du gerne Kommentare hättest, habe ich mir deine neueste Geschichte mal durchgelesen und versuche einen halbwegs anständigen Kommentar abzugeben :).


    Also, wow, Setsuna tut mir zu Beginn der Geschichte wirklich Leid. Es ist immer schwer, wenn man verliebt ist und die Person einen nicht zurück liebt, aber wenn es dann noch die beste Freundin ist, der man so nah ist, aber der man eben nicht auf diese Art und Weise nah sein kann... Auch wenn ich noch nie wirklich verleibt war, kann ich mit ihr mitfühlen, es muss hart für sie sein und das bringst du auch ziemlich gut zum Ausdruck... :/
    Ich mein, allein der "Monolog" und der Kuss am Anfang zeigen doch recht deutlich, wie verschossen Setsuna ist, aber wer kann es ihr verübeln. Love hat so viel für sie getan, sie hat ihr das Leben gerettet und ihr ein neues Leben geschenkt, was du in deiner Geschichte ziemlich gut mit einbaust. Vor allem die Zweifel, die Setsuna hat, denn eigentlich könnte man sich nach solchen Aktionen, die Love gebracht hat, schon etwas sicherer sein, dass der Gegenpart einen liebt, aber wie du eben sagst: Love ist einfach so, sie würde es für jeden tun... Na ja, nicht für jeden, wie sich am Ende rausstellt ;).
    Schön finde ich es auch, dass die Charaktere IC sind, und nicht so übertrieben OoC (also, so weit ich das beurteilen kann, denn ich habe die Serie nie zu Ende gesehen).
    Gab es Hints, oder irgendetwas Offizielles, dass Soular Setsuna liebt? Denn, wie gesagt, ich habe nicht alles, wenn nicht, verstehe ich nicht wirklich, warum du es eingebracht hast, aber ja, es ist deine Geschichte. Zudem hätte ich eigentlich gedacht, dass die PreCures, nach dem sie ihre "Mission" erfüllt haben, ihre PreCure-Kräfte abgeben müssen, aber es scheint ja nicht so zu sein, denn sonst könnte Setsuna ja nicht switchen.
    Schön finde ich es auch, dass es nicht nur um die Liebe zwischen Love und Setsuna geht, sondern du auch andere Aspekte mit einfließen lässt. Allein schon die Freundschaft zwischen den Cures wird super gut deutlich, dadurch, dass sich die anderen beiden versuchen um Setsuna zu kümmern. Ich vermute ja stark, dass Love ihre Gefühle für Setsuna vor den anderen beiden gestanden hat und sie vermuten, dass Setsuna gemerkt hat, dass Love sie liebt, aber diese Gefühle nicht erwieder und sie sich deshalb von Love entfernt. Deswegen versuchen sie auch zu vermeiden, dass Setsuna und Love nebeneinander schlafen. Jedoch würde das bedeuten, dass sie vom Kuss nichts gemerkt hat (wie Love wohl reagieren wird, wenn sie das erfährt). Es wäre bestimmt witzig gewesen, wenn Love aufgewacht wäre und Setsuna dann versucht hätte sich rauszureden, aber diese witzige, ,wenn ich mir sie so vorstelle, Situation hätte wohl nicht in so eine düstere, na ja, vielleicht eher traurigere Geschichte nicht gepasst.
    Andersherum, dass sie gemerkt haben, dass Setsuna auf Love steht, kann ich mir das irgendwie nicht vorstellen, denn die anderen drei Cures hätten bestimmt über diese Vermutung gesprochen und es wäre ans Licht gekommen, dass beide Gefühle für einander hegen und die anderen beiden hätten versucht die beiden eher zu verkuppeln, als sie zu trennen.
    Zudem erwähnst du auch immer wieder Labyrinth und wie anders es dort doch ist und das diese Welt im Vergleich dazu ziemlich toll ist.
    Der Schluss ist wirklich rührend, denn ich hätte wirklich gedacht, dass Setsuna jetzt einfach verschwindet, weil sie es nicht aushält, bevor sie Love ihre Liebe gestehen kann. Zudem hätte ich am ende noch so etwas wie einen Kuss erwartet, aber diese letzte Satz ist einfach nur knuffig, da er perfekt zusammenfasst, was Setsuna alles in der realen Welt gelernt und gefunden hat.


    Ich hoffe de Kommentar hat die geholfen oder dich gefreut und ich werde versuchen die anderen Geschichten auch noch zu kommentieren, wenn ich Zeit dafür finde.
    Sei nicht sauer, wenn das vielleicht etwas länger dauert.
    Lg, Fyn :)

  • [tabmenu][tab=Neue Geschichte]Serie: Original
    Genre: Shojo-Ai, Drama, Mystery, Science Fiction
    Entstanden: August 2012


    Handlung: Kyoto im Sommer des Jahres 20XX
    Obwohl sie noch jung ist, gilt Haruka als altmodisch, denn ihre Liebe gehört echten Büchern, wie man sie heute nur in Antiquariaten bekommen kann.
    Regelmäßig flieht sie am Wochenende aus der Stadt und sucht ihre Ruhe unter den Bäumen am Rand eines zerstörten Stadtteils.
    Dabei stößt sie durch einen Zufall auf ein Geheimnis, um das nur wenige wissen: Versteckte Erinnerungsstücke - Nachrichten aus der Vergangenheit.
    Auch trifft sie so auf Aiko, ein junges Genie, das um einige andere Orte weiß, an denen man dergleichen Schätze finden kann.


    Anmerkungen: Dieser One-Shot ist eventuell eine Art Prolog zu einer längeren Reihe, die in einer Zukunft voller Augmented Reality spielen soll :)
    Daher würde ich mich freuen, wenn ihr mir Rückmeldung gebt, was ihr davon haltet :)

    [tab=@Fyn]Entschuldige bitte, dass ich dir erst so spät antworte. Ich habe im Moment unglaublich viel um die Ohren :(


    Freut mich natürlich wirklich, dass die die Geschichte gefallen hat. Ich liebe dieses Pairing einfach und mag es mit ihm was knuffig-fluffiges zu Schreiben :P
    Um deine Frage zu beantworten: Ja, es ist in der Serie später recht deutlich, dass Soular was von Setsuna will, bzw. in sie verliebt ist. Rein daher schafft die Serie, wenngleich sehr spät praktisch noch für alle Mädchen Love Intrests. Daisuke für Love, Soular für Setsuna, Westar für Miki und natürlich diesen komischen Schnösel für Buki. Darauf pfeife ich alles in allem aber :P Love und Setsuna gehören zusammen... xD


    Übrigens haben die beiden anderen laut meinem Gedankengang beim Schreiben nicht genau mitbekommen, was denn nun los war. Ich denke mir, Miki hat es eventuell geahnt, aber mehr auch nicht. Sie haben generell nur gemerkt, dass irgendwas zwischen Love und Setsuna nicht stimmte und haben daher versucht dies allgemein auszubügeln :)[/tabmenu]



    Mit einem Seufzen blätterte Haruka die Seite ihres Buches um und sah kurz auf.
    Rötliches Licht fiel auf den Wald am Rande Kyotos hinab, wo sie sich an eine Mauer gelehnt niedergelassen hatte und schon seit einer Weile las. Die Sonne ging bereits unter und bald würde sie nicht mehr genug Licht haben.
    Erneut seufzend streckte sie sich. Sie sah in Richtung des Flusses, hinter dem in geringer Entfernung die Hochhäuser der Metropole standen, und strich sich eine Strähne ihres glatten, schwarzen Haares aus dem Gesicht.
    Sie sollte sich eigentlich auf den Rückweg machen, immerhin wurde davor gewarnt, sich als Mädchen oder junge Frau allein draußen aufzuhalten, doch vermisste sie die Unruhe der Stadt nicht im Geringsten.
    Mit einem Tippen gegen den Rahmen fuhr sie ihre Brille wieder hoch. Laut der Uhr, die nun oben rechts in ihrem Blickfeld erschien, war es kurz vor halb sieben. Ein wenig konnte sie noch hier draußen bleiben. Zumindest bis es zu dunkel zum Lesen wurde.
    Und so wandte sie sich wieder ihrem Buch zu. Es war die übersetzte Fassung eines alten Klassikers. „Alice vom geheimnisvollen Land“ oder, wie der Originaltitel lautete, „Alice in Wonderland“. Sie hatte das illustrierte und gebundene Buch vor einer Woche in einem Antiquariat in Hagashiyama gefunden. Der Einband war etwas abgegriffen, doch genau das war es, was sie an solchen alten Büchern mochte.
    So blieb sie noch eine Weile sitzen wo sie war, bis es dank dem Zwielicht der Dämmerung zu anstrengend wurde, zu lesen.
    Nachdem sie das Buch zugeklappt hatte, blieb sie noch einen Moment sitzen und sah zum Himmel hinauf, der im Westen noch immer rötlich verfärbt war. Allerdings würde der Himmel nicht ganz dunkel werden, sondern nur ein etwas dunkleres Blau als am Tag annehmen, da er vom Licht der Stadt erhellt wurde.
    Sie stand auf und steckte das Buch in ihren Rucksack, ehe sie zu ihrem Fahrrad hinüberging. Dieses schiebend, machte sie sich auf den Weg zur Brücke.
    Sie fürchtete, dass auch hier irgendwann wieder neue Häuser gebaut werden würden, wie es schon weiter im Norden der Stadt vor einigen Jahren geschehen war. Dann würde man die Ruinen der von dem Erdbeben vor 34 Jahren zerstörten Häuser entsorgen und Teile des Waldes weiter roden, um neuen Platz zu schaffen.
    Als sie auf der Togetsukyo stand, sah sie sich noch einmal zum Wald des Arashiyama um, in dem noch einige Tempel und Schreine erhalten geblieben waren. Er sah nun, wo es langsam dunkel wurde, irgendwie bedrohlich aus und doch war es verlockend, ihn weiter erkunden zu gehen.
    Sie blinzelte. Für einen Moment hatte sie geglaubt, eine Gestalt zwischen den Bäumen gesehen zu haben, doch als sie nun genauer hinsah, war was auch immer sie gemeint hatte zu sehen verschwunden.
    Hatte sie es sich nur eingebildet?
    Doch da sah sie ein Leuchten zwischen den Bäumen. Jedoch war es kein gleichmäßiges Leuchten, wie das einer LED, sondern flackerte, beinahe wie Feuer. Dabei war es doch verboten, im Wald offenes Feuer mit sich zu führen.
    Aber vielleicht war es einer der Mönche aus einem der Tempel. Diese galten in der Stadt als etwas eigenbrötlerisch.
    Nichtsdestotrotz spürte sie den Drang, dem Ganzen auf den Grund zu gehen, zu schauen was dort so seltsam leuchtete.
    Sie zögerte für einen Moment. Doch dann wandte sie sich zur Stadt. Es war schon spät und sie musste noch einkaufen, wenn sie etwas zu Abend essen wollte, da ihr Kühlschrank am Morgen beinahe leer gewesen war.
    Wahrscheinlich war es nur ein Mönch.
    Mit diesem Gedanken schob sie ihr Fahrrad weiter über die alte Brücke, ohne zu bemerken dass ein Paar Augen sie vom Ufer des Flusses aus beobachteten.


    Mit einer Tüte in der Hand erreichte Haruka beinahe eine Dreiviertelstunde später ihr Apartment, das im siebten Stock eines der Studentenwohnheime im Ukyo-Distrikt gelegen war. Gerade, als sie ihren Schlüssel aus der Tasche fischte, um die altmodische Tür zu öffnen, verkündigte ein Piepen in ihrem Ohr und ein blinkendes Symbol am rechten Rand ihres Blickfeldes, dass ihre Mutter sie gerade anrief.
    Sie seufzte. „Abheben“, sagte sie, woraufhin ein kurzes Tuten ertönte, ehe sie die Stimme ihrer Mutter hörte.
    „Hallo, Liebes.“
    „Hallo, Mum“, meinte sie, während sie die Tür aufschob und in ihr Apartment trat, das aus nur einem Zimmer und einem sehr kleinen Bad bestand.
    „Geht es dir gut?“, erkundigte sich ihre Mutter standardgemäß, während sie selbst die Tüte auf die Arbeitsfläche der kleinen Einbauküche rechts von der Eingangstür ablegte.
    „Ja, natürlich, Mum.“ Sie bemühte sich gar nicht, freundlich zu klingen. „Es ist alles bestens. Was gibt es denn?“ Während sie sprach, schloss sie die Tür und zog sich ihre Schuhe aus.
    „Nichts, nichts“, erwiderte ihre Mutter. „Nichts Besonderes zumindest. Ich wollte nur hören, ob es dir gut geht.“
    „Ja, alles bestens“, wiederholte Haruka. Damit schnippte sie mit den Fingern und machte so das Licht im Wohnteil des Zimmers an – eine der wenigen Modernitäten der Wohnung, auch wenn sie solche wenig misste.
    „Na ja“, fuhr ihre Mutter fort. „Und ich wollte fragen, ob du nicht zum Abendessen rüber kommen willst. Shin hat seine Freundin auch eingeladen. Du warst lange nicht mehr hier.“
    Die junge Frau stöhnte. „Nein danke, Mum.“ Natürlich wollte ihre Mutter sie einladen, weshalb sollte sie sonst anrufen?
    „Bist du dir sicher, Liebes?“ Ihre Mutter klang besorgt und enttäuscht. „Du hast doch sicher seit Wochen nichts Vernünftiges mehr gegessen.“
    „Mum, dafür hat die Universität eine Mensa“, grummelte Haruka.
    Bei diesen Worten gab ihre Mutter, die den aggressiven Tonfall sicherlich hörte, auf. „Wie du meinst, Liebes. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend. Ach ja, und ich soll dich von Yoichi grüßen.“
    „Ja, ja“, meinte die junge Frau. „Schönen Abend.“ Damit berührte sie den Träger ihrer Brille, um aufzulegen.
    Erneut seufzend fragte sie sich, wann ihre Mutter es endlich aufgeben würde. Sie hatte einfach keine Lust, unnötig viel Zeit mit ihrer Familie zu verbringen und dies wussten eigentlich alle sehr genau. Und doch gab es Fumiyama Mayuri nicht auf, ihre Tochter in das Familienleben einbinden zu wollen.
    Mit einem Ruck erhob sich Haruka und schaltete den Flachbildfernseher an der der Küche gegenüberliegenden Wand ein, ehe sie den Wasserkocher auf der Arbeitsfläche nahm, befüllte und auf achtzig Grad einstellte.
    Während sich das Wasser erhitzte, kramte die junge Studentin eine Instantsuppe aus der Einkaufstüte hervor. Als der Wasserkocher einen kurzen Piepston von sich gab, füllte sie die Plastiktasse auf und schnappte sich ein Paar Stäbchen aus der Schublade, um sich so vor den Fernseher zu setzen. Die Nachrichten würden bald anfangen.
    Natürlich hatte ihre Mutter Recht: Sie ernährte sich vorrangig von Instantprodukten, da sie selten Lust hatte, zu kochen und die Schulmensa ihr sowohl zu voll, als auch zu überteuert war. Doch waren diese Nudelsuppen bei weitem nicht so ungesund, wie ihre Mutter immer tat.
    Außerdem aß sie am liebsten allein.
    Die Zeit verging, während sie vor dem Fernseher saß und – nachdem sie die Nachrichten gesehen hatte – halbherzig eine Dokumentation über ein Naturreservat in Australien verfolgte.
    Dabei verwunderte es sie nicht wirklich, dass irgendwann gegen halb zehn an ihrer Wohnungstür geklingelt wurde. Noch bevor sie aufmachte wusste sie, dass es ihr Bruder Shin war, der zusammen mit seiner Freundin Izumi und einem Thermoisolationsbehälter auf der Balustrade des Stockwerkes stand.
    „Ja, ich weiß, Mum hat dich vorbei geschickt, um mir Essen zu bringen“, bluffte sie, als sie die Tür aufmachte.
    „Das ist nicht sehr freundlich, Haruka-san“, meinte Izumi und verschränkte ihre Arme.
    Haruka sah die siebzehnjährige mit den blondgefärbten Haaren und dem knappen weißen Kleid nur an und zog die Augenbrauen hoch. „Ich weiß.“
    „Mum macht sich wirklich Sorgen um dich“, versuchte Shin es nun unbeeindruckt.
    „Ich weiß“, antwortete seine Schwester und nahm ihm den Behälter aus der Hand. „Danke fürs Vorbeibringen.“
    „Ich wünsche dir noch einen schönen Abend, O-nee“, meinte Shin.
    Haruka zögerte. „Ja, euch auch.“ Damit schloss sie die Tür wieder.
    „Warum ist sie immer so unfreundlich?“, hörte sie Izumis Stimme nur einen Augenblick später durch die geschlossene Tür. „Hockt sie hier immer allein rum.“
    „Ja.“ Die Stimme ihres Bruders war ruhig.
    „Kein Wunder, dass sie keinen Freund hat“, grummelte die Oberschülerin.
    „Sie will auch keinen“, antwortete Shin. „Lass uns gehen.“
    Damit entfernten sich die Schritte und waren schnell verstummt, während Haruka im Inneren ihres Apartments seufzend auf den Behälter in ihrer Hand sah.
    Thermoisolationsbehälter. Was für ein unnötig kompliziertes Wort.


    Rätselnd spähte Haruka durch das Dickicht des Waldes und fragte sich immer mehr, ob das, was sie am Tag zuvor gesehen hatte, wirklich ein Mönch gewesen war. Umso mehr sie in den Wald sah, desto unmöglicher erschien es ihr, hier zu laufen. Es gab keinen Pfad durch das Unterholz und die meisten der Mönche waren alt. Sicher würden sie sich einen anderen Weg suchen, wenn sie in den Wald gingen.
    Doch im Moment sah sie nichts. Keine Leuchten – natürlich nicht, immerhin war der Nachmittag erst angebrochen.
    Sie schüttelte den Kopf und fragte sich, warum sie sich solche Gedanken darüber machte. Vielleicht, weil sie sich Dinge gerne erklärte. Sie wusste am liebsten genau, was um sie herum passierte und hasste es, sich einer Sache nicht komplett sicher zu sein.
    Vielleicht hatte sie es sich auch nur eingebildet oder es war eine Art Reflektion gewesen.
    Mit diesem Gedanken lehnte sie ihr altes, rotes Fahrrad gegen einen der Bäume und holte eine Decke aus ihrem Rucksack, die sie an die Stelle legte, wo sie auch den Tag vorher gelesen hatte.
    Außer ihr war weit und breit kein Mensch auf dieser Seite des Flusses zu sehen, da es den meisten zu heiß war, um das Haus zu verlassen. Immerhin hatte der August gerade erst begonnen und die schwüle Hitze ließ – wenn überhaupt – erst nach Einbruch der Dunkelheit etwas nach, sodass die meisten Leute sich auch am Wochenende lieber in den klimatisierten Häusern aufhielten.
    Haruka erinnerte sich daran, wie sie früher, als sie noch jünger waren, zu ihrer mittlerweile verstorbenen Großmutter nach Kyushu gefahren waren, deren Haus nicht einmal über so eine Klimaanlage verfügte.
    Sie selbst störte die Hitze nicht. Im Gegenteil. Sie genoss den Sommer, speziell nachdem die Regenzeit gerade vorbei war.
    So versank sie wieder in einem Buch. Eine ältere Mystery-Geschichte.
    Wie so oft bemerkte sie nicht, wie die Zeit verging und die Sonne weiter über den Himmel wanderte.
    Selbst die Gestalt, die sich ihr vom Weg aus näherte, bemerkte sie nicht, ehe diese die Stimme erhob.
    „Ist das ein richtiges Buch?“
    Erschrocken sah Haruka auf. Sie erkannte erst, als sie in die wirkliche Welt zurückgefunden hatte, dass ein Mädchen nur wenige Meter von ihr entfernt stand.
    Das Mädchen in einem hellen, mit Blumenmuster bedruckten Kleid, dessen Gesicht kindlich und ein wenig rundlich wirkte, hatte seine Cyberbrille in ihr Haar hochgeklappt und sah auf das Buch in Harukas Händen.
    „Ja“, antwortete Haruka schließlich.
    „Wow.“ Die Stimme des Mädchens klang anerkennend. „Ich habe lange niemanden mehr mit einem Buch gesehen.“
    Für einen Moment schwieg Haruka. Es war selten, dass sie hier jemand ansprach. „Ja, das stimmt...“ Tatsächlich lasen beinahe alle Menschen digitale Versionen von Büchern. Selbst im Studium nutzten sie fast nur digitale Bücher. Immerhin hatten diese weder Gewicht, noch nahmen sie unnötigen Platz in der Wohnung weg.
    Das Mädchen lächelte. Es war ein breites Lächeln, das wie ihr gesamtes Auftreten sehr kindlich und unschuldig wirkte. „Darf ich es sehen?“
    Haruka zögerte etwas. „Wenn du mir sagst, wie du heißt“, meinte sie dann.
    „Aiko“, antwortete das Mädchen freudig. „Hamasaki Aiko.“
    „Fumiyama Haruka“, erwiderte Haruka und erntete damit einen verwirrten Blick.
    „Mein Name.“
    „Ach so.“ Das andere Mädchen lächelte verlegen.
    Mit einem Schulterzucken reichte die Ältere ihr nun das Buch, das dünn gebunden war und sehr mitgenommen aussah. Der Umschlag war so abgegriffen, dass man den Titel kaum noch lesen konnte.
    Aiko schlug es auf. „1Q84?“, las sie den Titel vor.
    „Vor hundert Jahren war es recht beliebt“, meinte Haruka. „Natürlich kein wirklicher Klassiker. Aber der Autor war damals sehr berühmt, glaube ich.“
    „Hmm...“ Aiko sah auf die erste Seite. „Son...“
    „Murakami“, meinte die ältere.
    „Ah...“ Das Mädchen blätterte weiter und begann offenbar das erste Kapitel zu lesen, wobei sie sich geistesabwesend immer wieder eine Strähne ihres relativ kurzen, hellbraunen Haares hinter das linke Ohr strich.
    Haruka runzelte die Stirn. Es war das erste Mal seit langem, dass sich jemand für eins ihrer Bücher interessierte. Was ihr allerdings viel seltsamer erschien, war, dass sich das Mädchen einfach neben sie gesetzt hatte und nun einfach las, was weder höflich war, noch dem Verhalten entsprach, was sie normal von einer Mittel- oder Oberschülerin erwartete.
    Außerdem hatte sie das Gefühl den Namen des Mädchens schon einmal gehört zu haben.
    Während Aiko einfach las, schweifte Harukas Blick irgendwann wieder zum Wald, der die kleine Wiese hinter der Promenade umgab. Noch immer kein Leuchten – natürlich nicht, denn noch immer schien die Sonne auf sie hinab.
    Leise seufzend lehnte sie sich gegen die kühle alte Mauer und beobachtete Aiko aus den Augenwinkeln, während ihre Augen über die Seiten huschten. Sie trug ihre Brille hochgeklappt im Haar, hatte diese offenbar wirklich ausgeschaltet.
    Nach einer Weile sah das Mädchen auf und bemerkte, dass sie beobachtet wurde. „Oh, entschuldige bitte.“ Sie schlug das Buch zu und reichte es Haruka zurück. „Es ist nur... Ich habe wirklich lange kein echtes Buch mehr gesehen.“
    „Kein Problem“, log die Ältere. Irgendwie fühlte sie sich mit der Situation überfordert und sie wusste nicht einmal wieso. Normal gab sie ihre Bücher nicht einmal aus der Hand.
    „Wieso kaufst du richtige Bücher?“, fragte das jüngere Mädchen nun.
    Haruka merkte, wie sie etwas errötete. „Ich mag es einfach“, murmelte sie und wandte den Blick ab, „das Gefühl der Seiten... Es ist einfach etwas anderes als die digitalen Bücher.“
    „Das stimmt...“ Aikos Stimme klang verträumt.
    Sie schwiegen und Haruka bemerkte, wie ihr Blick wieder zu den hohen, teilweise mit Moos bewachsenen Bäumen glitt und die schattigen Lücken zwischen ihnen absuchte.
    „Du musst bis heute Abend warten“, riss die Stimme des Mädchens sie aus ihren Gedanken.
    Verwirrt sah sie es an.
    „Du musst bis heute Abend warten, um sie zu sehen“, wiederholte Aiko.
    „Was?“
    Das Mädchen lachte leise. „Du hast gestern die Flamme gesehen, nicht?“, meinte sie.
    „Ja...“ Der Blick der Studentin wurde misstrauisch. „Aber woher weißt du das?“
    Verlegen sah Aiko sie an. „Entschuldige. Ich hab dich gestern Abend vom Flussufer aus gesehen.“
    Haruka zog ihre Augenbrauen zusammen. „Bist du deswegen hier?“
    „Entschuldige“, murmelte das Mädchen. „Ich wollte eigentlich nur schauen, ob du wieder hier bist. Es kommen so selten Leute im Sommer hierher.“
    „Dann hast du mir nachspioniert?“, fragte Haruka und merkte dabei, dass ihre Stimme wütend klang.
    Der Blick des jungen Mädchens wurde bedrückt. „Entschuldige bitte. Ich wollte dich nicht verärgern... Ich war nur neugierig.“ Sie schwieg kurz und sah auf die karierte Decke, auf der sie saßen, hinab. „Außerdem habe ich gehofft...“ Mitten im Satz verstummte sie.
    „Was hast du gehofft?“
    Aus den Augenwinkeln sah Aiko sie an. „Na ja, dass ich nicht die einzige bin...“
    Die einzige, die... Was?, wollte Haruka fragen, schwieg aber, von sich selbst überrascht. Kurz sah sie zu dem Mädchen, das ihren Blick noch immer verlegen abgewandt hatte, und dann erneut zu den Bäumen hinüber.
    „Was ist es, was ich gestern gesehen habe?“, fragte sie dann.
    „Ich kann es dir zeigen“, antwortete Aiko. „Später“, fügte sie nach einer kurzen Pause dann hinzu. „Wir müssen warten, bis es dunkel wird.“
    Haruka wollte protestieren, doch das Mädchen lächelte sie nur geheimnisvoll an.
    „Okay“, murmelte sie schließlich und öffnete ihr Buch. „Dann warten wir halt.“


    Nach einer Weile war Haruka erneut in dem Buch über zwei verschiedene Welten versunken. Es spielte zu einer Zeit, die so lange vergangen war, dass sie es sich kaum vorstellen konnte. Immer wieder wanderte ihr Blick zu dem Mädchen, das sich nun einfach auf die Decke gelegt hatte, die Arme hinter dem Kopf um diesen zu stützen.
    Aiko hatte die Augen geschlossen und immer wieder fragte Haruka sich, ob sie schlief.
    Die Sonne wanderte weiter über den Himmel, ohne dass jemand anderes hier vorbei kam. Natürlich nicht.
    Dann, schließlich, versank die Sonne hinter den Bergen im Westen und auf einmal öffnete Aiko ihre Augen.
    „Jetzt komm“, meinte sie und sprang auf.
    „Was...?“, setzte Haruka an, als das jüngere Mädchen sie an ihrem Arm zog.
    „Komm“, drängte sie und setzte mit einer Bewegung ihre Cyberbrille auf. „Und schalt deine Brille ein.“
    „Aber meine Sachen...“, begann die ältere.
    „Die stiehlt schon keiner. Komm.“
    Äußerst widerwillig kam Haruka auf die Beine und folgte dem Mädchen, das nun voraus lief, unsicher – ihr Buch noch immer in der Hand.
    Sie schaltete die Brille an, während Aiko sie zu einer Stelle am Rand des Waldes weiter im Norden führte. Hier gab es einen breiten Weg, der früher vielleicht sogar einmal eine Straße gewesen, nun aber überwuchert war.
    „Was ist es denn nun?“, fragte Haruka, doch da nahm sie selbst wieder das Leuchten in der Dunkelheit zwischen den Bäumen wahr. Sie verengte die Augen zu Schlitzen, um besser sehen zu können, und meinte schließlich eine einsame Flamme zu erkennen.
    Doch es erschien eine weitere, dann eine dritte.
    „Was sind sie?“ Haruka sah zu dem Mädchen neben sich.
    „Hito-dama“, antwortete dieses und grinste. „Zumindest scheinen sie wie welche zu sein.“
    Dabei blieb es jedoch nicht. Auf einmal lief eine kleine, glatzköpfige Gestalt in traditioneller Kleidung von rechts über den Weg. Kurz bevor sie den linken Wegesrand erreichte, sah sie sich zu ihnen um und Haruka musste einen Schrei unterdrücken, als sie erkannte, dass diese Gestalt nur ein großes Auge in der Mitte seines Gesichts hatte.
    Die Gestalt machte eine Geste, die wie kichern wirkte, verschwand dann aber im Gebüsch.
    „Hitotsume-koto?“, flüsterte Haruka schließlich.
    Überrascht sah Aiko sie an. „Ah, du kennst die alten Mythen doch?“
    Geistesabwesend nickte Haruka. „Aber...“ Sie wusste nicht wirklich, was sie sagen sollte.
    Daraufhin nahm das Mädchen sie bei der Hand und führte sie den Weg entlang.
    Zu verwirrt lief sie einfach mit, ohne darüber nachzudenken.
    Auf der verwitterten Straße gesellten sich bald andere Gestalten zu ihnen. Manche Figuren erkannte sie aus alten Illustrationen zu Mythen und Märchen. Eine Gruppe Ippon-datara, zwei Nekomata, die einander lautlos anfauchten und dann voraus liefen, die gruselige Gestalt von – so vermutete Haruka zumindest – einer Yama Uba... Auch eine Gruppe Tengu flog über sie hinweg.
    Doch es waren nicht nur mythologische Gestalten, die nach und nach – teilweise wie aus dem Nichts – auf der Straße erschienen und neben ihnen herliefen. Teilweise waren es normale Menschen, alt wie jung, die erschienen. Manche trugen traditionelle Gewänder, manche die einfache Kleidung, die Haruka meinte dem frühen zwanzigsten Jahrhundert zuordnen zu können, andere beinahe moderne Anzüge.
    „Was sind sie?“, fragte sie leise, erhielt aber nicht direkt eine Antwort.
    Sie erreichten das Ende der Straße. Hier stand ein Gebäude, ein großer Schrein, wie Haruka erkannte, der vom Licht eines großen Feuers erhellt wurde. Einige der Gestalten verschwanden, als sie sich dem Licht näherten, während andere aus der Dunkelheit des Waldes hinzu kamen.
    „Nimm deine Brille ab“, meinte Aiko auf einmal.
    Haruka sah das Mädchen an, dessen Gesicht einen verträumt glückseligen Ausdruck trug. „Wieso?“
    „Mach einfach.“
    Mit einen Schulterzucken tat die junge Studentin, wie ihr geheißen und nahm die Brille ab.
    Auf einmal waren die seltsamen Gestalten, wie auch das große Feuer verschwunden. Sie standen der Dunkelheit des Waldes vor der schon lang eingefallenen Ruine eines Schreins, der schon seit mindestens einem Jahrzehnt nicht mehr genutzt worden war und dessen Mauern teils eingefallen, teils von Moos und Ranken überwuchert waren.
    Sprachlos setzte sie die Brille wieder auf, nur um so wieder vor einem hell erleuchteten und gar nicht eingefallenen Schrein zu stehen, umgeben von vielen seltsamen Gestalten.
    „Ich weiß nicht, was sie sind“, beantwortete Aiko nun die vorher gestellte Frage. „Ich habe verschiedene Theorien gelesen. Manche sagen, sie seien Geister, die im System gefangen seien.“
    „Geister?“, flüsterte Haruka und sah sich um, musterte die verschiedenen Menschen und Wesen, die sich hier versammelt hatten. Einige Menschen hatten sich an das Feuer gesetzt, während andere am Schrein standen und beteten. Die Gruppe Tengu, die sie schon vorher gesehen hatte, flog zwischen den Bäumen umher.
    „Ja“, antwortete Aiko, wobei sie dem Blick ihrer Begleiterin folgte. „Ich glaube aber, dass sie Erinnerungen sind.“
    „Erinnerungen?“ Haruka fühlte sich wie ein Papagei, der die Worte anderer echote, doch wusste sie zu all dem nicht mehr zu sagen.
    „Erinnerungen“, wiederholte das Mädchen nun selbst. Eine Windböe wehte einige ihrer Haare in ihr Gesicht. „Erinnerung, die jemand in dieser Domain gespeichert hat, damit sie nicht ganz vergessen werden.“
    „Im Wald?“, flüsterte Haruka.
    „Es gibt sie nicht nur hier“, antwortete Aiko daraufhin. „Du hast sicher auch schon andere gesehen.“
    Die Studentin sah zu ihrer Begleiterin. „Andere?“
    „Die wenigsten sind so auffällig, wie diese. Aber es gibt sie in der ganzen Stadt. Menschen, Tiere, die nur in der Cyberwelt existieren. Aber die meisten bemerken es nicht, weil sie die Brillen nicht abnehmen.“
    Auf diese Worte hin schwieg Haruka. Sie überlegte, welche der Menschen, die sie am Tag sah, ohne mit ihnen zu reden, tatsächlich derartige Geister waren. Wie viele dieser Gestalten hatte sie vielleicht schon gesehen. Hatte sie schon mit welchen geredet ohne es zu wissen?
    Doch bei diesem Gedanken fiel ihr etwas auf.
    Obwohl um sie herum reges Treiben herrschte, so hörte sie doch nichts, außer den normalen Geräuschen des Waldes.
    „Sie sind stumm“, murmelte sie.
    „Ja“, bestätigte Aiko. „Es sind reine Bilder.“
    Erneut verstummte Haruka, während sie die Gestalten weiter beobachtete. Sie dachte an Alice und deren Reise ins Wunderland und glaubte zu verstehen, wie diese sich gefühlt haben musste. Es war, als wäre sie selbst in einer fremden Welt; in einem Traum so bizarr, dass sie sich nicht sicher war, ob es nicht doch ein Alptraum war.
    Doch Angst hatte sie nicht.
    Als eine der menschlichen Gestalten sich näherte, streckte sie ihre Hand aus, die wie erwartet einfach durch den jungen Mann, der einen einfachen Anzug trug, hindurch glitt.
    Dieser ging ein Stück weiter, drehte sich zu ihr um und lächelte. Dann aber zuckte er mit den Schultern, ehe er seinen Weg fortsetzte.
    „Aber sie bemerken uns?“, stellte sie dann, halb fragend, fest.
    „Ja“, antwortete Aiko. „Sie scheinen zu wissen, dass wir hier sind.“ Sie schwieg kurz. „Es gibt mehrere Orte wie diesen in der Stadt. Wo es so viele von ihnen gibt. Gerade hier in Arashiyama gibt es viele. Aber auch in Kita, zwischen den Denkmälern.“
    Als Haruka nichts erwiderte, lächelte das Mädchen, dessen Gesicht im Schein des digitalen Feuers schimmerte, sie an. „Ich kann sie dir zeigen, wenn du willst.“
    Langsam nickte die Studentin. „Ja...“ Mehr brachte sie im Moment nicht hervor.


    Licht fiel durch das Fenster auf Harukas Futon, blendete sie.
    Sie lag schon seit einer Weile wach, konnte sich aber, da es Sonntag war, nicht dazu motivieren, aufzustehen.
    Nun bewegte sie murrend die Hand zu ihrer Brille, die neben dem Futon lag, setzte diese auf und schaltete sie ein. Sofort erschien die Uhrzeit in ihrem Blickfeld, wie auch eine kurze Wettervorhersage für den Tag, die nach einer Minute verschwand.
    Es war bereits kurz vor elf.
    Noch immer dachte sie an die seltsamen Ereignisse des vergangenen Tages, dachte an Aiko und an die seltsamen Gestalten.
    Erinnerungen, die nicht vergessen werden sollten...
    Wenn das stimmte, fragte sie sich, wer sie in das System einprogrammiert hatte.
    Doch während sie darüber nachdachte, fiel ihr noch etwas anderes ein.
    „Explorer öffnen“, sagte sie leise, aber deutlich, woraufhin sich ein Dialogfenster in der Luft vor ihr auftat. Natürlich war dieses nicht wirklich dort, sondern war nur eine mithilfe der Brille erzeugte Illusion.
    Trotzdem konnte sie ebenso eine Tastatur erzeugen, indem sie die Hände hob, was von den Sensoren der Brille selbst erkannt wurde.
    „Hamasaki Aiko“, gab sie in eine Suchmaschine ein.
    Denn irgendwo hatte sie den Namen schon einmal gehört, dessen war sie sich sicher.
    Glücklicher Weise war es recht klar, mit welchen Zeichen der Name geschrieben wurde, so dass sie direkt beim ersten Versuch die richtige Variante nutzte, denn sie sah Bilder des Mädchens, das ihr gestern Gesellschaft geleistet hatte, in den Vorschauen für die gefundenen Artikel.
    Junges Programmiergenie, Mittelschülerin gewinnt Informatikpreis und Tochter tritt in die Fußstapfen der Legende lauteten einige der Überschriften.
    Nun erinnerte Haruka sich.
    Aiko war jenes Wunderkind, das nicht nur eine Lösung auf das Präzessionsproblem der Brillen gefunden hatte, sondern auch ein Programm zur Domainüberwachung und -sicherheit geschrieben hatte und mit diesem vor zwei Jahren den Informatikpreis von Osaka gewonnen hatte. Außerdem war sie die Tochter von Professor Hamasaki Juichi, der an der technischen Universität in Bunkyo, Tokyo lehrte und als Koryphäe seines Faches galt.
    Was machte so ein Wunderkind und vermutlicher Programmiernerd draußen in der Natur? Rechnete man nicht eigentlich damit, dass solche Personen ihren gesamten Tag in einem abgedunkelten Zimmer vor Holobildschirmen verbrachten?
    Sie schüttelte den Kopf.
    Dann startete sie eine neue Suchanfrage. „System Geister“, tippte sie ein, da ihr keine bessere Beschreibung für das gestern gesehene einfiel.
    Tatsächlich fielen die ersten Ergebnisse ungenau aus und hatten nichts mit dem gestern beobachteten Phänomen zu tun.
    Schließlich jedoch stieß sie auf verschiedene Einträge in Message-Boards, die genau das beschrieben, was sie gesehen hatte.
    Harukas Augen flogen über die Zeichen, in der Hoffnung etwas neues zu erfahren, fanden jedoch nicht viel mehr, als Aiko ihr am Tag zuvor erzählt hatte. Niemand schien genau zu wissen, worum es sich bei diesem Phänomen handelte, auch wenn die Theorien weit reichten.
    Wie Aiko ihr bereits erzählt hatte, glaubten viele, dass es Geister waren, während andere die Theorie der Erinnerungen teilten. Manche redeten auch davon, dass es ein Programm in den Brillen gab, das unterbewusste Vorstellungen in Bilder umwandelte, woraufhin jedoch die Frage gestellt wurde, warum mehrere dasselbe sahen.
    Jedenfalls schien es solche Erscheinungen nicht nur in Kyoto, sondern auch in vielen anderen Städten, teilweise auch Dörfern, zu geben. Jedoch fand sie keine Einträge darüber, ob es diese auch außerhalb Japans gab.
    Nach kurzem Zögern schloss sie die Fenster, die sich vor ihr geöffnet hatten, mit einer Handbewegung und stand auf.
    Sie trug über Nacht nur ein weißes T-Shirt und eine Unterhose, verstand nicht, wieso manche Leute extra Geld für Nachtwäsche ausgaben.
    Wie jeden Morgen befüllte sie als erstes den Wasserkocher, schaltete diesen ein und ging dann auf die Toilette.
    Gerade als sie sich das Gesicht wusch und dafür ihre Brille abgesetzt, aber nicht ausgeschaltet hatte, gab diese einen kaum hörbaren Signalton von sich und ein Symbol erschien am rechten Rand, der ineinander übergehenden Gläser.
    Überrascht stellte Haruka fest, dass es sich um eine Email handelte und setzte die Brille, nachdem sie ihr Gesicht abgetrocknet hatte, wieder auf.
    Mit einer Handbewegung öffnete sie die Mail.
    Hallo Fumiyama-san, las sie.
    Ich hoffe ich störe dich nicht. Ich wollte dich fragen, ob du noch so einen Ort sehen willst. Wenn, schreib mir. Wir können uns heute Nachmittag um vier an Togetsukyo treffen. Ich würde mich sehr freuen.
    Hamasaki Aiko

    Die erste Frage, die Haruka durch den Kopf schoss war, warum das Mädchen ihre Emailadresse hatte. Doch dann erinnerte sie sich daran, dass diese zum einen über das Studentenverzeichnis der Universität einsehbar war, zum anderen daran, dass das Mädchen ein Computergenie war und sicher auch andere Möglichkeiten kannte, die Kontaktdaten anderer Leute herauszufinden.
    Sie las mehrfach über die geschriebenen Worte, während sie das heiße Wasser in eine Tasse füllte und Teepulver hinzufügte.
    Schließlich zuckte sie aber mit den Schultern.
    Sehr gern. Haruka, antwortete sie einfach, ehe sie den Fernseher einschaltete und sich mit ihrem Tee davor setzte.


    Als sie am Nachmittag an der Brücke, die als eines der wenigen Bauwerke in der Gegend noch regelmäßig restauriert wurde, ankam, wartete Aiko bereits auf sie.
    Anders als am Tag zuvor trug das Mädchen ihre Haare dieses Mal zu einem Zopf gebunden und trug eine kurze, dunkelgrüne Hose zusammen mit einem hellen, ärmellosen Shirt anstatt des Kleides.
    Sie lächelte sie an. „Du bist wirklich gekommen.“
    „Natürlich“, antwortete Haruka, die selbst einen knielangen Rock und ein ebenso ärmelloses, aber grünes Shirt trug.
    Verlegen sah Aiko sie an. „Entschuldige bitte.“
    „Woher hast du meine Emailadresse?“, fragte die junge Frau nun.
    Das Mädchen zuckte nur mit den Schultern. „Ich hab nach deinem Namen gesucht und hab ihn über das Universitätsverzeichnis gefunden.“
    Beinahe war Haruka überrascht, dass sie doch den einfachsten, offensichtlichsten Weg genutzt hatte.
    „Lass uns gehen“, meinte Aiko nun.
    „Wohin?“
    „Zu dem Ort, den ich dir zeigen will“, antwortete das Mädchen und zwinkerte ihr zu.
    Die Ältere seufzte. „Okay. Dann zeig mir den Weg.“
    Aiko nickte und ging voraus.
    Es war beinahe ungewohnt für Haruka, ihr Fahrrad nicht bei sich zu haben, wenn sie sich außerhalb der eigentlichen Stadt aufhielt. Aber heute war sie mit der U-Bahn in die Nähe des Flusses gefahren und den Rest des Weges gelaufen, da sie angenommen hatte, dass es unpraktisch sein würde, das Rad dabei zu haben.
    „Du studierst klassische Literatur?“, fragte Aiko, während sie der Promenade am Ufer entlang folgten.
    „Ja.“ Natürlich stand auch dies im Verzeichnis der Universität.
    „Deswegen deine Liebe zu alten Büchern?“ Das Mädchen lächelte sie an.
    Für einige Sekunden dachte Haruka darüber nach. „Na ja, ich würde eher sagen, dass ich es wegen der Liebe studiere.“ Sie schwieg kurz. „Außerdem verwenden wir auch an der Universität nur noch Digitalformate.“
    „Natürlich“, murmelte Aiko und wirkte etwas enttäuscht. „Ist auch praktischer... Aber irgendwie schade.“
    „Einer unserer Professoren sagt, es ginge am Ende ja doch nur um den Inhalt“, erklärte die Studentin.
    Daraufhin erwiderte Aiko nichts, sondern ging einfach schweigend weiter, den Blick nun auf das glänzende Wasser des Flusses gerichtet.
    „Und du?“, setzte Haruka an, als ihr die Stille zu drückend wurde. „Du bist ein Genie, habe ich gelesen.“
    Nun war es die jüngere, die etwas brauchte, bis sie antwortete. „Ja, das sagen sie.“ Sie hatte den Blick gesenkt. „Dabei...“ Mit einem Kopfschütteln unterbrach sie sich selbst. „Es ist eigentlich nicht so schwer... Das Programmieren...“ Bei diesen Worten lächelte sie matt und wenig überzeugend.
    Aus den Augenwinkeln sah Haruka sie an. War es nicht etwas, worauf man stolz sein konnte, wenn man in so jungen Jahren bereits einen begehrten Preis gewonnen hatte?
    „Du bist in der zweiten Klasse der Oberstufe, oder?“, fragte sie weiter.
    „Ja“, erwiderte das andere Mädchen.
    „Wieso kommst du hierher?“
    „Du meinst zum Wald?“ Aiko blieb stehen und sah sie an, woraufhin Haruka nickte.
    „Na ja“, begann die jüngere. „In der Stadt ist es immer so laut... Niemand lässt mich in Ruhe...“ Leise seufzte sie. „Und meine Mutter...“ Sie brach den Satz ab. „Darüber sollte ich mit dir nicht reden...“ Damit setzte sie ihren Weg fort und Haruka schwieg.
    Zumindest war sie nicht die einzige, die von ihrer Mutter genervt wurde. Allerdings schien das Mädchen nicht darüber reden zu wollen, weswegen sie auch nicht weiter fragte.
    „Da wären wir“, meinte Aiko schließlich und zeigte auf die Brücke, die sie erreicht hatten.
    Es war eine ältere Autobrücke, die – wie auch die dorthinführende Straße - offenbar länger nicht mehr genutzt worden war. Gras und andere Pflanzen wuchsen aus dem Asphalt heraus und eine hölzerne Schranke, an der ein verwittertes Warnschild hing, versperrte den Weg.
    „Ich bin mir recht sicher, dass wir hier nicht lang sollen“, murmelte Haruka.
    „Aber das, was ich dir zeigen will, ist auf der anderen Seite“, antwortete Aiko und duckte sich unter der Schranke hinweg. „Ich war schon öfter hier. Es sind zwar Ruinen, aber es ist sicher. Vertrau mir.“
    Ich kenne dich gerade einmal einen Tag, wollte Haruka sagen, schwieg aber und folgte ihr schließlich nach einigem Überlegen.
    Die Brücke führte zum alten Arashiyama-Viertel, das von einem schweren Erdbeben vor 34 Jahren zerstört worden war. Haruka wusste nicht genau, warum es nicht wieder aufgebaut worden war, wie die anderen damals zerstörten Teile. Zwar hatte sie gelesen, dass man damals irgendwelche gefährlichen Baustoffe zwischen den Trümmern vermutete, doch wusste sie, dass dies mittlerweile widerlegt war.
    Trotzdem hatte sie ein mulmiges Gefühl, als sie dem jüngeren Mädchen über die Brücke folgte.
    Von der Überführung aus konnte sie die Ruinen kaum sehen, da diese von einer Mauer am Flussrand verdeckt wurden. Erst, als sie die Brücke überquert hatten, sahen sie das weite Feld, das ehemals ein Stadtviertel gewesen war.
    Tatsächlich waren nicht alle Häuser eingestürzt, sondern standen noch – zumindest teilweise.
    Bei einigen fehlten Teile der Dächer und auch einige Wände waren an manchen Stellen eingestürzt. Manche Häuser schienen jedoch komplett unbeschädigt, während von anderen nur die Grundrisse zu erkennen waren.
    Die meisten der Häuser waren einstöckig gewesen und teilweise noch in einem altmodischen Stil, der mit runden Fenstern und teilweise geschwungenen Dächern an Pagoden erinnerte.
    Mittlerweile wuchsen Gras und andere Pflanzen zwischen den Gebäuden. Kleine Bäume streckten sich teilweise aus Ruinen hervor, während die ehemaligen Grünflächen des Stadtteils komplett verwuchert waren.
    „Komm“, meinte Aiko.
    Erst jetzt bemerkte Haruka, dass sie stehen geblieben war. Sie nickte.
    „Ich dachte, wir wären da“, stellte sie dann fest.
    „Noch nicht ganz“, erwiderte das andere Mädchen und übernahm wieder die Führung.
    So gingen sie weiter durch die Ruinen, während die Sonne müde auf den ansonsten menschenleeren Stadtteil hinab fiel.
    Aiko führte Haruka weiter nach Westen, wo einige Treppen zu einer Art Plattform hinab führten, von der aus sie das Ruinenfeld überblicken konnten und auch in der Ferne die Hochhäuser der modernen Stadt sehen konnten, die durch eine Mauer von den Ruinen abgetrennt waren.
    „Warum es wohl niemand wieder aufgebaut hat...?“, murmelte Haruka.
    „Ich habe gehört, dass der Stadtteil von einer Privatperson gekauft wurde“, meinte Aiko. „Aber das ist nur ein Gerücht“, fügte sie hinzu, als die Ältere sie fragend ansah. „Ich weiß es nicht wirklich.“ Sie lehnte sich vorsichtig gegen die alte Brüstung am Rande der Plattform, die offenbar noch stabil genug war, sodass sie die Belastung aushielt. „Jetzt müssen wir warten.“
    „Erscheinen diese Geister alle nur, wenn es dunkel ist?“, fragte Haruka.
    „Die meisten“, antwortete Aiko. „Aber ich weiß auch nicht warum.“ Sie lächelte. „Mir ist das Ganze selbst auch ein Rätsel.“
    „Hmm...“ Mit einem Gefühl von Wehmut sah die Ältere über die Ruinen hinweg und versuchte, sich vorzustellen, wie all dies vor dem Erdbeben ausgesehen hatte. Es war schade, dass es nur noch so wenig alte Häuser in der Stadt gab. Dabei war diese früher einmal für ihre Denkmäler, alten Tempel und Paläste bekannt gewesen, war sie doch einmal – vor langer Zeit – die Hauptstadt Japans gewesen.
    Zwar standen einige der Gebäude noch immer – wie der alte Palast, der goldene Pavillon und einige andere auch – doch waren viele irgendwann dem Wandel der Zeit zum Opfer gefallen.
    „Möchtest du Tee?“, riss Aikos Stimme sie aus ihren Gedanken.
    Das Mädchen hielt ihr eine Thermoskanne und eine Kunststofftasse entgegen. „Warme Getränke sind bei der Hitze eigentlich besser bekömmlich, weißt du?“
    Zögerlich nahm Haruka die Tasse entgegen und ließ sich einschenken.
    Als sich Aiko an den Rand der Plattform setzte, tat sie es ihr gleich und ließ die Beine hinabbaumeln.
    „Du wirst wahrscheinlich Informatik studieren, oder?“, versuchte sie nach einer Weile der Stille ein Gespräch anzufangen.
    Aiko sah auf ihren eigenen Becher Tee. „Ich weiß es ehrlich gesagt nicht.“
    „Du bekommst sicher ein Stipendium“, murmelte Haruka.
    Die Jüngere seufzte. „Das sicher...“ Sie schien eine Weile mit sich darüber zu hadern, was sie sagen sollte. „Wenn es nach meinem Vater ginge, würde ich jetzt schon studieren.“
    „Dein Vater ist ziemlich berühmt, oder?“, fragte die Ältere, die von den Sachen, die sie am Morgen gelesen hatte, bisher nur am Rande etwas mitbekommen hatte, da sie sich, auch wenn sie die Cyberbrillen und viele der Programme nutzte, nie wirklich mit diesen Dingen auseinander gesetzt hatte.
    Leicht nickte das Mädchen. „Ja, kann man so sagen.“ Nach diesen Worten schwieg sie wieder.
    „Wenn er in Tokyo arbeitet, siehst du ihn wahrscheinlich selten.“ Haruka sah zu ihr hinüber.
    Nun sah auch Aiko sie an. „Meine Eltern sind geschieden.“
    „Tut mir leid“, murmelte die junge Frau und wandte den Blick ab.
    Ja, sie war sicher nicht die einzige, die Probleme in der Familie hatte. Wahrscheinlich hatte sogar jeder junge Mensch, egal ob er noch zu Hause lebte oder, wie sie, alleine wohnte, etwas, worüber er sich beschweren konnte, wenn es um seine Eltern ging. Beinahe fühlte sie sich schlecht, dass sie sich oftmals so sehr über ihre Mutter aufregte.
    „Weißt du“, begann sie schließlich halblaut. „Meine Mutter hat sich auch von meinem Vater scheiden lassen, als ich noch sehr jung war... Ich hab meinen Vater danach nie wieder gesehen und meine Mutter ist mit einem anderen Mann zusammen gezogen. Mein jüngerer Bruder ist sein Sohn.“
    Nun war es an Aiko, sie anzusehen. „Oh...“, brachte diese nur hervor.
    „Ich mag Keigo, ihren Freund, nicht“, fuhr Haruka fort. „Aber sie möchte immer so tun, als seien wir eine große, glückliche Familie.“ Sie nahm einen Schluck des Tees. „Außerdem gefällt es ihr nicht, dass ich studiere.“ Dabei wusste sie nicht einmal, wieso sie all das erzählte. Normal redete sie ungern über diese Dinge, über sich selbst. Aber irgendwie fühlte sie sich, als sei sie es dem anderen Mädchen schuldig. Vielleicht weil sie selbst so viele Fragen stellte. Vielleicht auch, weil sie bisher gar nichts erzählt hatte.
    Die Blicke der beiden Mädchen trafen sich für einen Moment, auch wenn keine der beiden etwas sagte.
    Schließlich lächelte Haruka. „Aber was soll's. Ich lebe deswegen allein.“
    Aiko sah wieder auf den Becher in ihrer Hand. „Ich...“, begann sie, schüttelte dann aber den Kopf und nippte an ihrem Tee.
    Für einen Moment wartete die Ältere noch darauf, dass der Satz fortgeführt wurde, doch als dies nicht geschah wandte sie sich wieder der Stadt zu.
    Nun schwiegen sie, während die Sonne hinter ihnen immer weiter unterging und langsam hinter den Bergen verschwand, wobei sich der Himmel im Osten bereits verfärbte.
    Dann, vollkommen unvorbereitet für Haruka, begann es. Es waren einzelne Lichter, die im Ruinenfeld unter ihnen angingen, als würden wieder Menschen in den längst verlassenen Häusern wohnen, die nach und nach wieder in ihrem ursprünglichen Zustand erschienen. Dann erschienen Schatten auf den Straßen zwischen ihnen, die langsam zu richtigen Gestalten wurden.
    Wie auch im Wald am Vortag, waren es viele verschiedene Gestalten. Manche trugen altmodische Kleidung, andere fast moderne. Viele schienen normale Menschen zu sein, doch auch hier waren manche Wesen aus Fabeln zu sehen und Haruka war sich nicht einmal ihrer Namen sicher.
    „Schau“, hörte sie die Stimme des anderen Mädchens neben sich und hob ihren Blick.
    Aiko zeigte auf den Himmel, von wo sich eine hell leuchtende Gestalt hinabschlängelte.
    „Ein Drache“, erkannte Haruka, doch die andere schüttelte den Kopf.
    „Seiryuu.“


    Es war Donnerstag und der Universitätsalltag kam Haruka zäher vor, als sonst.
    Sie hatten heute neben „Europäischer Literatur zwischen 1950 und 2050“ „japanische Kulturgeschichte“ und einfachen Englischunterricht gehabt. Nun saß sie ausnahmsweise tatsächlich in der Mensa und sah auf ihren Teller hinab. Donnerstag war Currytag, wie sie hatte feststellen dürfen, und während sie lustlos auf dem zu trockenen Hähnchenfleisch in zu milder Currysoße herumkaute, musste sie feststellen, dass ihr die Variante aus dem Supermarkt wahrscheinlich besser geschmeckt hätte.
    „Fumiyama-san?“, drang eine Stimme in ihr Bewusstsein, als Genta, einer der anderen Literaturstudenten mit einem Tablett neben ihr stand.
    Aus ihren Gedanken gerissen sah sie auf. „Ja?“
    „Ist der Platz neben dir noch frei?“ Er zeigte auf den runden, am Boden fest montierten Hocker neben ihr.
    Für einen Moment verwirrt sah sie auf den Plastikstuhl und dann zu ihm. „Ja, ja, natürlich.“
    Er nickte dankend und setzte sich neben sie. „Du wirkst etwas abwesend“, stellte er dann fest.
    Ein Stück Hühnerfleisch durch die Soße hin- und herschiebend stellte sie fest, dass er - natürlich - recht hatte. „Hmm“, machte sie. „Ja, wahrscheinlich.“
    „Ist irgendwas passiert?“, fragte er.
    Sie musterte den etwas schlaksigen jungen Mann, der ein Hemd über seinem Shirt trug. Es war selten, dass jemand versuchte, mit ihr über private Dinge zu reden. Wahrscheinlich, weil ohnehin bekannt war, dass man dahingehend von ihr selten eine Antwort bekam.
    Wenngleich niemand sie bewusst mied, so wussten ihre Studienkollegen, dass sie eine Einzelgängerin war und respektierten sie - davon einmal abgesehen, dass nur zwanzig Prozent der Studenten in ihrem Semester weiblich waren und die Geschlechtergruppen meist unter sich blieben, wenn es gerade keine Feiern gab.
    „Nein“, beantwortete sie seine Frage knapp. „Eigentlich nicht. Ich hatte nur ein... Sehr interessantes Wochenende.“ Sie seufzte leise.
    Für einen Moment sah er sie an. „Du wirkst wie jemand, der Liebeskummer hat. Hast du jemanden kennen gelernt?“
    Schockiert blickte sie ihn an. „Nein. Nein. Nein!“ Sie wiederholte das Wort mehrfach, was er mit einem matten Lächeln bedachte.
    „Natürlich nicht“, antwortete er, als sei dies selbstverständlich. Er wandte sich seinem Teller zu, auf dem sich klassisches Curry mit Reis befand.
    Während er die ersten paar Löffel aß, herrschte Schweigen und Haruka ging wieder dazu über, die Reste des Fleisches über ihren Teller zu schieben.
    „Es schmeckt wirklich nach nichts, was?“, meinte Genta mit Blick auf ihren nur halbleeren Teller.
    „Ja“, erwiderte sie und verzog den Mund. Dann stand sie auf einmal auf. „Tut mir leid, Ishida-kun. Mir ist gerade etwas eingefallen, das ich noch in der Bibliothek nachschauen wollte. Bis später.“ Damit nahm sie ihr Tablett.
    „Bis später“, konnte der junge Mann nur verdattert sagen, ehe sie ihr Tablett schon zur Abgabe brachte und dann aus dem Speisesaal der Mensa verschwand, wohl wissend, dass ihr Verhalten unfreundlich war.
    Die Bibliothek der Universität enthielt natürlich keine Bücher. Viel mehr war es eine Domain, die von mehreren Räumen aus für registrierte Studenten zugänglich war und über die sie diverse Artikel und literarische Werke - von Romanen, über Sachbücher, hin zu normalen Lexika - aufrufen konnten. Sie hätte diese tatsächlich auch von der Mensa aus aufrufen können, doch galt es generell als furchtbar unhöflich in dieser für sich zu lesen, speziell während man noch aß. Als unhöflicher sogar, als jemanden einfach stehen zu lassen.
    In einem der Arbeitsräume, die vorrangig für Bibliotheksrecherche genutzt wurden, setzte sie sich an einen der Tische.
    Der kahle, zierdelose Raum war im Moment vollkommen leer, so dass sie sich ungestört ans Fenster setzen konnte.
    Sie befand sich im siebzehnten Stockwerk des Nordgebäudes der neuen Universität für Kulturwissenschaften, Linguistik und Philosophie, welche in zwei miteinander verbundenen und äußerlich rundlich wirkenden Hochhäusern untergebracht war. Das Nordgebäude, das sich eigentlich im Nordwesten vom Südgebäude befand, hatte gesamt 26 Etagen, sein größerer Bruder 32, womit die Gebäude jedoch bei weitem nicht die höchsten der Stadt waren.
    Von hier aus konnte Haruka nur auf die vor Hitze flimmernde Straße hinabsehen, da das wenige Grüngelände der Universität sich auf der anderen Seite des Gebäudes befand.
    Seufzend schüttelte sie den Kopf, als ihr die Worte Gentas einfielen. Was sie faszinierte, waren die verborgenen Geheimnisse, die Dinge, die schon fast vergessen waren - all das fesselte ihre Gedanken. Natürlich hatte sie auch einige Male an Aiko gedacht, doch immerhin war diese nicht nur ein junges Genie, sondern auch die erste, die ihre Vorliebe für echte, physische Bücher nicht als „seltsam“ betitelte.
    Mit einem erneuten unbewussten Kopfschütteln, strich sie ihre Haare zurück und rief das Verzeichnis der Bibliothek auf.
    Nachdem sich die Suchmaske geöffnete hatte, suchte sie nach Bildbänden über die Geschichte der Stadt, speziell Arashiyama.
    Es dauerte nur einen Moment, ehe ihr 124 Ergebnisse allein in japanischer Sprache angezeigt wurden - Bücher, Bildsammlungen, teilweise auch Videos, die vielleicht falsch getagt waren.
    Nicht wenige der Ergebnisse behandelten das Erdbeben, das den Stadtteil zerstört hatte, doch was Haruka suchte, waren Bilder und Informationen dazu, wie Arashiyama, wie Kyoto davor einmal ausgesehen hatte. Vor dem Erdbeben und bevor man, um mehr Raum zu schaffen, viele der einfachen ein- oder zweistöckigen Häuser abgerissen hatte.
    Sie wiederholte und verfeinerte ihre Suchanfrage, bis sie schließlich fand wonach sie suchte.
    Da sie erst um halb drei ihre nächste Vorlesung hatte, blieb ihr Zeit, so dass sie bald vollkommen in ihre Ergebnisse versunken war. Beinahe hätte sie sogar ihre Vorlesung in Sprachgeschichte vergessen, hätte nicht eine eingehende Email das Video, das sie sich nun anschaute, unterbrochen.
    Sie lächelte.
    Die Email war von Aiko.
    Hallo Fumiyama-san,
    Ich weiß, du bist wahrscheinlich heute noch länger an der Universität, aber ich wollte dich trotzdem fragen, ob du heute Abend vielleicht Zeit hättest. Es gibt etwas, das ich dir nur heute zeigen kann. Wenn du willst, triff mich um sechs vor dem Ginkaku-ji.
    Ich würde mich sehr freuen.
    Aiko

    Etwas, das sie ihr nur heute zeigen konnte? Haruka runzelte die Stirn. Trotzdem antwortete sie, ohne groß darüber nachzudenken.
    Gern.


    Es war viertel vor fünf, als die Philologieübung vorbei war und Haruka in den Aufzug der Universität stieg. Mit einem Blick auf die Uhr entschied sie sich, dass es sich nicht lohnte, zu ihrem Apartment zu fahren, wenn sie in nur etwas mehr als einer Stunde beim silbernen Pavillon im Osten der Stadt sein wollte. Außerdem fuhr sie von hier aus nur wenige Minuten mit der U-Bahn dorthin.
    So machte sie einen Abstecher in den Supermarkt, der sich im zweiten Geschoss des Südgebäudes befand, um sich etwas zu trinken und ein wenig Gebäck zu kaufen, ehe sie mit dem Aufzug zur U-Bahnstation fuhr.
    Natürlich waren die Wagons überfüllt, doch fand Haruka einen Platz im dritten Zug in Richtung des Sakyo-Distrikts.
    Hier, rund um die beiden berühmten Pavillons, die damals nur dank Hilfe der vereinten Nationen wieder aufgebaut worden waren, gab es noch einige kleine Häuser, die im alten Stil gebaut waren. Keine Hochhäuser, keine modernen Designerhäuser. Einfache Häuser, großteils wahrscheinlich ohne viel Isolierung und ohne Klimaanlage, so wie sie es von ihrer Großmutter kannte.
    Da hier viele der alten Gebäude noch standen, war dieser Teil ganz am Rand der Stadt ein Touristenmagnet, weshalb sie sich sicher war, dass er, anders als manche der einzeln gestreuten Denkmäler der Stadt, auch noch lange erhalten bleiben würde.
    Sie hatte gelesen, dass es früher ein Kulturerbe in der ehemaligen Kaiserstadt gab, doch viele der damals geschützten Gebäude standen heute nicht mehr. Größtenteils, weil sie verschiedenen Katastrophen zum Opfer gefallen und danach nie wieder aufgebaut worden waren. Manches – so schien es – war jedoch einfach „verloren“ gegangen.
    Zwischendurch sah sie besorgt zum Himmel, an dem von Süden her immer mehr Wolken in ihre Richtung trieben, die nach Regen aussahen. Sie ärgerte sich, dass sie keinen Schirm mitgebracht hatte. Dafür hätte sie jedoch nach Hause gehen müssen.
    Es war kurz vor sechs, als Haruka in der Ferne die winkende Gestalt Aikos erkannte, die nun auf sie zugelaufen kam. „Fumiyama-san!“
    Trotz der schwülen Hitze trug Aiko eine lange Hose, auch wenn sie weiterhin ein T-Shirt trug. Zudem hatte sie eine Umhängetasche unter dem Arm.
    „Bin ich zu spät?“, fragte sie, obwohl sie sicherlich selbst die Uhrzeit in einer Ecke ihres Blickfeldes erkennen konnte und damit sah, dass sie eigentlich sogar einige Minuten zu früh war.
    „Nein, ich bin nur direkt von der Universität aus hergekommen“, antwortete Haruka.
    „Das hättest du nicht müssen“, meinte die Jüngere schnell.
    „Ich fand es praktischer.“ Haruka lächelte sie an. „Mach dir deswegen keine Gedanken.“
    Aiko zögerte und schürzte die Lippen. „Okay.“ Sie verschnaufte etwas, da sie das letzte Stück der Strecke hergelaufen war.
    Schließlich machte die Studentin ihrer Neugierde Luft: „Was kannst du mir nur heute zeigen?“
    Zwinkernd grinste Aiko sie an. „Ich dachte, du wärst selbst schon drauf gekommen.“
    Haruka runzelte die Stirn.
    „Welches Datum haben wir heute?“, half Aiko ihr nach.
    „Wir haben den 16. August...“ Die Ältere überlegte weiter. Da fiel ihr ein, dass einige ihrer Kommilitonen heute selbst auf ein Fest hatten gehen wollen. „Hat es mit O-Bon zu tun?“
    „Bingo“, antwortete das Mädchen. Sie bedeutete ihr – erneut – zu folgen und ging in Richtung des hier nicht zuletzt durch die Wolken bereits dunkel werdenden Ostens.
    Haruka folgte ihr. Sie wusste, dass die Häuser, die hier am Berghang gebaut waren, relative Neubauten waren und ehemals die Stadtgrenze hinter den Gärten der Tempelanlagen verlief. Doch nun drängten sich bis zu einem guten Viertel der Höhe des Berges die Häuser auch hier eng aneinander, auch wenn es nur einfache Häuser mit ein oder zwei Stockwerken waren.
    Zielsicher führte Aiko sie zum Rand des Viertels. Hier tat sich hinter dem Wohnviertel eine weite Fläche auf, die im Osten von einem Wald begrenzt wurde. Nur schwach zeichnete sich zwischen dem Gras etwas ab, was früher wohl einmal ein Weg gewesen war, doch die beiden Mädchen folgten diesem nicht.
    Stattdessen liefen sie an der Mauer, die die Grundstücke Richtung Osten begrenzte entlang.
    Nun wurde es schnell dunkler. Die Sonne war bereits hinter den Wolkenkratzern im Westen verschwunden und die Wolkendecke über ihnen zog sich immer weiter zu.
    Seufzend sah Haruka auf. „Wir werden wahrscheinlich nass werden.“
    „Na und?“, erwiderte Aiko. „Wir sind doch nicht aus Zucker.“
    Die junge Frau seufzte, folgte ihr aber weiter den Pfad entlang.
    Da erkannte sie in der Ferne einige andere Gestalten, welche auch von Aiko entdeckt wurden.
    „Ich habe dir ja gesagt, dass wir nicht die einzigen sind, die davon wissen. Und das hier geschieht nur einmal im Jahr“, erklärte sie. „Komm. Sonst sind wir zu spät.“
    Seufzend folgte Haruka ihr.
    Nachdem sie dem Verlauf der Mauer für eine Weile gefolgt waren, bogen sie rechts nach Osten ab und liefen nun eine Art Trampelpfad den Berg hinauf entlang.
    Sie waren nicht die einzigen, die diesem Pfad folgten. Die drei Gestalten, die Haruka bereits zuvor gesehen hatte, lief ein Stück vor ihnen und als sie sich in Richtung der Stadt, in der mittlerweile die Lichter angingen, drehte, sah sie auch hinter ihnen eine Gruppe aus fünf offenbar ebenfalls jungen Leuten.
    Obwohl es nun dunkel war, sahen sie auch als sie den Wald betraten keine im System der Cyberbrillen eingeschlossenen Illusionen und langsam begann sich Haruka zu fragen, wo sie eigentlich hingingen. Sie folgten nun einem Weg am Rande des Waldes. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie beinahe schon eine dreiviertel Stunde liefen.
    „Es ist so ruhig“, murmelte sie, als sie sich an das Video erinnerte, das sie in der Bibliothek gefunden hatte.
    Aiko drehte sich mit fragendem Blick zu ihr herum.
    Für einen Moment blieben sie beide stehen und lauschten. Bis auf ein leises Knacken von Ästen, die vereinzelten Rufe verschiedener Vögel und das Summen einzelner Insekten war wenig zu hören. Wahrscheinlich versteckten sich die meisten so nah an der Stadt lebenden Tiere vor den Menschen.
    „Es ist beruhigend“, meinte Aiko schließlich.
    Haruka schüttelte den Kopf. „Das meine nicht...“ Sie suchte nach einem Weg es auszudrücken. „Früher war es nachts allgemein lauter... Nicht in den Städten, sondern die Insekten.“
    „Du meinst die Grillen und Zikaden“, antwortete das jüngere Mädchen, als sie weiterliefen. „Meine Großmutter hat immer davon geredet.“
    „Ja, meine Großmutter auch“, erwiderte Haruka. „Sie hat sich gleichzeitig darüber beschwert, wie laut es damals war, aber auch darüber, wie leise es heute ist.“
    „Ich habe noch nie eine Zikade gehört“, murmelte Aiko. „Jedenfalls keine echte.“
    Die Studentin dachte etwas nach. „Selbst als ich klein war, gab es kaum noch welche.“
    „Ja...“
    Nach diesen Worten schwiegen sie wieder, während sie weiter liefen.
    Sie erreichten schließlich eine Stelle, an der sich die Waldgrenze noch weiter bergauf wandte, sodass sie auf einen freien Platz zuliefen.
    Mittlerweile waren sie weit genug von der Stadt entfernt, dass es zwar nicht komplett dunkel war, es jedoch schwer genug wurde, etwas zu erkennen.
    „Was machen wir hier?“, fragte Haruka schließlich, als sie nun stehen blieben und sie erkannte, dass offenbar auch die anderen, die sie vorher gesehen hatte, wie noch einige mehr, sich hier auf der Wiese versammelt hatten.
    „Es dauert noch ein wenig“, antwortete Aiko. „Wir sind etwas früh.“ Sie lächelte und legte ihre Tasche auf dem Boden ab, ehe sie begann, in dieser zu kramen.
    Noch bevor die Ältere fragen konnte, was sie vorhatte, holte die Schülerin eine Decke aus der Tasche und breitete diese unter einem der Bäume aus, um sich drauf zu setzen.
    Als es ihr bedeutet wurde, setzte sich Haruka daneben, wenn auch vorsichtig, da sie auch im Dunkeln nicht zu viel zeigen wollte und nur einen knielangen Rock trug. Schließlich überkreuzte sie die Beine so gut es möglich war.
    Wieder einmal herrschte etwas angespanntes Schweigen zwischen ihnen, bis dieses von Aiko gebrochen wurde.
    „Glaubst du, dass es früher besser war?“
    Haruka sah auf. „Was meinst du?“
    „Na ja, früher...“ Das Mädchen, das die Haare auch heute zu einem Zopf gebunden trug, sah sie nicht an. „Als es noch Zikaden gab und das Arashiyama-Viertel noch stand. Als man noch richtige Bücher hergestellt hat und es keine Cyberbrillen gab.“
    Schweigend sah Haruka auf den dunklen Hang vor ihnen, auf denen die anderen, die hergekommen waren, in kleinen Gruppen beieinander standen oder saßen.
    „Ich weiß es nicht“, antwortete schließlich. „Ich meine, es ist schade... Es ist schade, dass es keine richtigen Bücher mehr gibt. Und einige der Häuser, die sie nicht wieder aufgebaut haben, waren sicher eindrucksvoll. Ich hätte auch gerne einmal die Zikaden gehört. Aber es gab damals sicher andere Probleme. Ich meine, denk an den medizinischen Fortschritt der letzten Jahre.“ Für einen Moment schwieg sie. „Vielleicht war es damals schöner... Besser... Aber ich weiß es nicht. Wie auch?“
    Aiko antwortete nicht sofort. Sie hatte ihre Beine an ihren Körper herangezogen und legte nun ihr Kinn auf ihren Knien ab.
    Eine angenehm kühle Brise wehte über sie hinweg, brachte aber auch den Geruch von Regen mit sich.
    Mit einem Seufzen registrierte Haruka einige Momente später, wie einzelne schwere Tropfen hinab fielen, auch wenn sie unter dem Baum zumindest vorerst trocken blieben.
    „Weißt du“, begann schließlich Aiko. „Ich würde gerne mehr sehen von der Welt.“ Sie seufzte schwer. „Nach der Schule würde ich gern ein anderes Land sehen. Reisen. Etwas anderes sehen als Kyoto und Tokyo.“ Ihr Blick wanderte auf das noch dunkle Feld. „Ich weiß noch nicht, ob ich danach Informatik oder Computertechnik studieren will. Vielleicht mag ich auch etwas ganz anderes machen. Aber nur weil es mein Vater will...“ Erneut seufzte sie. „Meine Mutter will allein deswegen nicht, dass ich studiere.“
    Vorsichtig sah Haruka zu ihr hinüber. „Streiten deine Eltern noch immer?“
    Aiko nickte. „Jedes Mal wenn sie sich sehen. Dabei sind sie schon so lange geschieden.“ Für einen Moment glaubte Haruka, sie würde weinen, doch keine Tränen zeigten sich auf dem Gesicht des Mädchens.
    Langsam wurde der Regen stärker, doch brachte es offenbar niemanden dazu, den Ort zu verlassen. Einige der anderen Menschen, die hierher gekommen waren, hatten Regenschirme. Andere nutzten Blusen, Jacken oder Taschen um sich etwas vor dem Regen zu schützen.
    „Manchmal frage ich mich, ob sie sich je geliebt haben“, murmelte Aiko.
    Für einen Moment zögerte Haruka, legte dann jedoch ihren linken Arm um die Schultern des Mädchens, das sie daraufhin kurz ansah.
    „Weißt du“, fuhr diese leise fort. „Es ist nicht so, dass ich es nicht mag, das Programmieren. Mein Vater hat es mir beigebracht und ich habe es eigentlich immer gemocht. Nur ist es manchmal so eintönig... Und...“ Sie unterbrach sich kurz, offenbar unsicher, ob sie fortfahren sollte. „Seit ich diesen Preis bekommen habe, halten mich alle für ein Genie und manche in meiner Klasse trauen sich scheinbar kaum, mit mir zu reden. Nur meine Mutter ist nicht begeistert. Und mein Vater versucht mich seitdem die ganze Zeit für irgendwelche Projekte zu begeistern.“ Noch einmal ließ sie ein leises Seufzen hören. „Ich glaub, du bist die erste Person seit langem, die halbwegs normal mit mir redet, Fumiyama-san.“
    Haruka lächelte sie matt an. Erst jetzt merkte sie, dass das Mädchen wirklich einsam war. Irgendwie hatte sie immer angenommen, dass eigentlich jeder mit einem jungen Genie befreundet sein wollte – selbst wenn es keine echte Freundschaft wäre. Dass es kaum jemanden gab, der mit ihr reden würde – daran hatte sie gar nicht gedacht.
    Dabei war sie eigentlich ein nettes Mädchen.
    „Du kannst mich einfach Haruka nennen“, meinte sie.
    Das Gesicht der Schülerin hellte sich etwas auf. „Danke“, murmelte sie. Dann sah sie auf einmal auf. „Es ist beinahe soweit.“
    Haruka ließ ihren Arm sinken.
    Mit einem Schwung stand Aiko auf und bot ihr die Hand an, um ihr aufzuhelfen. Als sie beide standen wandten sie sich, wie auch alle anderen, Richtung Norden, wo auf einmal einige Gestalten wie aus dem Nichts erschienen. Die Gestalten erinnerten mehr als jene, die sie am Wochenende gesehen hatten, an Geister; wirkten durchsichtig und etwas farblos, während man ihre Gesichter kaum erkennen konnte. Sie waren in kurze Sommerkimonos gekleidet und trugen jeweils eine Fackel.
    Sie positionierten sich an bestimmten Stellen am Hang und auf einmal wurde auch Haruka klar, was es war und warum sie es nur heute sehen konnte. Sie hatte davon gelesen. Gozan no Okuribi war eine kyotoeigene Tradition zum O-Bon-Fest, bei der verschiedene Zeichen aus Feuer an den Berghängen, die die Stadt umgaben angezündet wurden. Doch da die Stellen, wo einst die Feuer angezündet wurden, mittlerweile größtenteils bebaut waren und durch die vielen Hochhäuser, die Feuer ohnehin nicht mehr so weit sichtbar waren, wie es einst der Fall war, fand das Fest auf diese Art schon länger nicht mehr statt.
    Die Fackeln zündeten die Feuer an, die das „Dai“-Zeichen bildeten. Ungeachtet des Regens wurde die Nacht von den Flammen erleuchtet.
    Haruka erschrak beinahe etwas, als sie spürte, wie sich Aikos Hand um die ihre legte, reagierte aber nicht darauf.
    Nass klebten ihre Haare und auch ihr Shirt mittlerweile an ihrem Körper, als einige richtung Norden sahen.
    Dort erschien nun das nächste Zeichen, auch wenn die Stelle, an der es einst angezündet wurde, eigentlich nicht einmal mehr von hieraus sichtbar gewesen sein sollte. Doch im Moment schien es, als sei die leuchtende moderne Stadt ganz verschwunden.
    Erinnerungen...
    Ob es früher einmal nachts wirklich so dunkel gewesen war?
    Ohne dass sie darüber nachdachte, sah sie Aiko von der Seite an, woraufhin diese ihren Blick erwiderte.
    Sie lächelte.
    Auf einmal musste Haruka wieder daran denken, was Genta gesagt hatte, wusste dabei aber nicht einmal wieso. Sie merkte, dass sie etwas errötete, und versuchte den Gedanken zu verdrängen. Wäre Genta nicht gewesen, würde sie nicht daran denken, oder?
    „Hamasaki-san“, begann sie, nur um etwas zu sagen.
    Da streckte sich Aiko auf einmal und im nächsten Moment spürte sie, wenn auch nur für den Bruchteil einer Sekunde, ihre Lippen auf den ihren.
    Beide sahen sich verlegen an.
    „Du kannst mich Aiko nennen“, murmelte die Jüngere dann und lächelte.

  • Ich habe gerade "Schon lange verloren" gelesen. Mir hat die Geschichte sehr gut gefallen! Ich wollte gar nicht mit dem Lesen aufhören. Besonders gut fand ich die Sprünge in die Vergangenheit, die sich wie ein roter Faden durch die Kurzgeschichte zogen. Mir ist aufgefallen, dass du teilweise ein paar Rechtschreibfehler gemacht hast und manchmal auch in den Zeiten gewechselt bist. Darauf kannst du vielleicht noch achten. Ansonsten finde ich die Geschichte sehr schön. =)

  • [tabmenu][tab=Neue Geschichte]Serie: Digimon Adventure/02
    Genre: Gen
    Entstanden: Juli 2013


    Handlung: Odaiba, Tokyo - 1. August 2013
    Es ist vierzehn Jahre her, dass Taichi und die anderen in die digitale Welt kamen. Wie jedes Jahr treffen sie sich auch dieses Jahr am 1.8. in Odaiba, um von dort aus in die digitale Welt aufzubrechen. Dabei denken sie darüber nach, was ihnen ihre Abenteuer bedeuten.



    Anmerkungen: Dieser One-Shot ist eine kleine Geschichte zum Odaiba Memorial Day ;D
    [tab=@Yuki]Vielen Dank, für deinen lieben Kommentar :) Freut mich, dass dir die Geschichte gefallen hat![/tabmenu]



    Vierzehn Jahre... Es ist heute vierzehn Jahre her, dass Taichi, Onii-san, die anderen und ich unser Abenteuer begannen. Wie wären hätte sich unser Leben ohne die Digimon entwickelt? Ein merkwürdiger Gedanke.... Vierzehn Jahre... Seltsam, es fühlt sich nicht wie vierzehn Jahre an.


    Einzelne Streifen des blauen Himmels waren zwischen den Wolken über Tokyo zu erkennen, als ein junger Mann mit dem hier untypischen blonden Haar aus der Odaiba-Kaihinkoen-Bahnstation in der Nähe des Aquacity Parks gelaufen kam. Auf seinem Kopf saß ein orangenes Digimon, dessen Ohren an Fledermausflügel erinnerten und schlackerten, während der junge Mann weiterlief.
    „Takeru!“, rief eine jemand nach ihm, was ihn dazu brachte sich im Laufen umzudrehen und sich umzusehen, bis er die junge Frau zwischen einigen Bäumen vor der Station erkannte.
    Ihr Haar – lang und braun – fiel offen über ihre Schultern. Ihre Arme waren um eine weiße, katzenhafte Gestalt geschlungen.
    „Hikari! Tailmon!“, begrüßte Patamon – das Digimon auf dem Kopf des Mannes – die beiden zuerst und flatterte zu ihnen hinüber.
    „Ich habe dich gar nicht gesehen“, meinte Takeru entschuldigend und sah die junge Frau verlegen an.
    Die weiße Katze – Tailmon – sah zu seinem Gesicht auf. „Du bist ganz schön spät dran.“
    „Ja.“ Er grinste entschuldigend.
    Hikari seufzte. „Mal wieder...“ Dann sah sie auf ihre Armbanduhr. „Komm. Die anderen warten sicherlich schon.“


    Vor vierzehn Jahren tauchte Nii-san auf einmal wieder auf, obwohl er eigentlich im Sommercamp sein sollte. Er hatte Koromon dabei und konnte auf einmal auch die Digimon sehen. Damals kehrte er in die digitale Welt zurück, doch es vergingen nur wenige Stunden, bis er wieder daheim war. Es war jedoch erst am nächsten Tag, dass das Abenteuer für mich begann.


    Die beiden machten sich durch den Park in Richtung der Odaiba Mansion, wo sie sich mit einem Teil ihrer Freunde treffen wollten. Dabei beschleunigten sich ihre Schritte schnell, als sich die Wolken am Himmel langsam zusammenzogen und es ganz danach aussah, als würde es bald anfangen zu regnen.
    Der Strand, der zu ihrer linken Seite am Rand des Parks lag, war beinahe komplett leer, obwohl es ein warmer Augusttag war.
    „Wo ist eigentlich Taichi?“, fragte Takeru.
    Hikari zuckte mit den Schultern. „Er muss erst von der Arbeit loskommen“, erwiderte sie. „Er meinte heute morgen, er kommt wahrscheinlich später.“
    „Kann man wohl nichts machen“, antwortete ihr Begleiter.
    Sie verließen den Park, als sie die großen Apartmentkomplexe zwischen den Bäumen hindurch zu ihrer Rechten erkennen konnten. Als sie die Straße überqueren wollten, sahen sie ein weiteres bekanntes Gesicht.
    „Hikari! Takeru!“, rief ein Junge von vielleicht achtzehn oder neunzehn Jahren, der an der Ampel auf der gegenüberliegenden Seite der Straße stand, während an seiner Seite ein Digimon saß, dass an eine Mischung aus Echse und Gürteltier erinnerte.
    „Können wir uns beeilen, Iori?“, fragte es. „Ich will endlich Bento essen.“


    Vor elf Jahren hat mein Abenteuer begonnen, als ich mit Daisuke und Miyako ebenfalls auserwählt wurde. Manchmal frage ich mich, wie mein Leben verlaufen wäre, hätte ich nicht damals – vor vierzehn Jahren – in dem Flugzeug gesessen. Wäre ich dennoch auserwählt worden?


    Gerade als die drei Auserwählten und ihre Digimonpartner sich nun gemeinsam auf den Weg zu dem breiten Apartmentkomplex machten, in dem Koushiro noch immer mit seinen Eltern lebte, fielen die ersten Regentropfen, was dafür sorgte, dass sich die Schritte der drei beschleunigten und Tailmon sich aus den Armen seines Partners befreite, um bereits voraus ins Trockene zu laufen.
    In der Eingangshalle des Wohnhauses trafen sie schließlich auch auf zwei andere Freunde und ihre Digimonpartner. Ein ebenfalls blonder Mann, der eine Lederjacke trug und eine Frau mit rötlichem Haar, die einen Picknickkorb unter ihrem Arm trug.
    „Onii-san!“, begrüßte Takeru seinen Bruder. „Sora!“ Er sah die beiden an. „Habt ihr auf uns gewartet?“
    „Ich habe mir gedacht, dass du bald kommst“, antwortete Yamato und streifte mit der Hand durch das gegelte Haar seines kleinen Bruders. „Mal wieder etwas spät.“
    „Hey, lass das!“, empörte sich der jüngere und strich sich schnell durchs Haar, um die Frisur zu richten, was dafür sorgte, dass die beiden Frauen kicherten.
    „Nun, sie sind zumindest halbwegs pünktlich“, meinte Sora.
    „Wir sollten zu Koushiro hochgehen“, fügte Gabumon hinzu.
    Piyomon nickte. „Ja, die anderen warten sicherlich schon auf uns.“
    Takeru seufzte, nachdem er mit seinen Haaren so zufrieden war, wie er ohne Spiegel sein konnte. „Ja“, meinte er schließlich. „Lass uns gehen.“


    Bis wir damals in die digitale Welt kamen, hatte ich keine Freunde, da ich mich die meiste Zeit von anderen fern gehalten habe. Ich habe nicht geglaubt, mit jemanden befreundet sein zu können. Erst durch Gabumon, aber auch Taichi und die anderen habe ich wieder gelernt, was Freundschaft bedeutet.


    Als wir das erste Mal in die digitale Welt kamen, habe ich mich seltsam gefühlt. Ich hatte keine Angst, nein, ich habe mich das erste Mal frei gefühlt. Damals habe ich meiner Mutter viele Vorwürfe gemacht, ohne zu verstehen, das manche Fehler bei mir lagen. Was würde ich heute machen, wenn ich Piyomon nie getroffen hätte?


    Piyomons Vermutung war allerdings mehr als falsch. Tatsächlich waren die meisten ihrer Freunde noch auf dem Weg nach Odaiba. Nicht zuletzt Jyou, der über die Fußgängerunterführung der Rainbow Bridge lief und schnell seine Entscheidung die letzte Station zu laufen, um ein wenig frische Luft zu schnappen, bereute.
    „Hör auf so zu rennen“, jammerte Gomamon, das in seiner Sporttasche saß, die wild hin und herschlingerte.
    „Ich habe aber keine Lust vollkommen durchnässt zu sein, bis ich ankomme!“, erwiderte Jyou und verlangsamte seinen Schritt nicht.
    „Was hast du denn gegen ein wenig Wasser?“, erwiderte das Digimon verständnislos. „Und wieso schwimmen wir nicht? Das wäre immerhin schneller!“
    „Weil wir dafür von der Brücke springen müssten?“ Der Junge blieb stehen, als er einen überdachten Teil der Brücke erreichte, um zu verschnaufen. Schließlich ließ er ein langgezogenes Seufzen hören. „Ich hätte einen Regenschirm mitnehmen sollen.“
    Das Digimon kicherte. „Du hättest den Wetterbericht lesen sollen.“


    Wäre ich nicht in die digitale Welt gekommen, hätte ich vielleicht nie erkannt, was ich von meinem Leben selbst erwarte. Ohne die digitale Welt, hätte ich vielleicht nie den Mut gefunden, für meine eigenen Wünsche einzustehen. Und ohne Gomamon hätte ich wohl einen sehr guten Freund in meinem Leben vermisst.


    Ein anderer junger Mann, dessen Haar genau so schwarz war, wie das Jyous, hatte zumindest einen Regenschirm, während er in der Nähe der Hinode-Station wartete. Sein Digimonpartner – eine grüne Raupe – lag um seinen Hals, während der Mann auf seine Armbanduhr sah und dann sein Handy aus der Tasche nahm.
    „Daisuke ist mal wieder zu spät“, murmelte er.
    „Sag bloß, dass dich das überrascht“, antwortete sein Digimonpartner – Wormmon.
    „Ich hoffe, die anderen warten nicht auf uns“, seufzte er. Immerhin würden sie – selbst wenn Daisuke kam – noch sicher eine Viertelstunde oder mehr brauchen, um nach Odaiba zu kommen. Selbst wenn sie mit der U-Bahn zur Halbinsel fahren würden, bräuchten sie zumindest zehn Minuten, um die Wohnung der Izumis zu erreichen. „Ich schreibe ihnen besser eine Email.“
    „Mach das, Ken-chan!“, antwortete sein Digimonpartner und sah in den Regen, der nun in Strömen vom Himmel fiel.
    Der Junge schrieb eine kurze Nachricht an Koushiro, ehe er wieder in den Regen hinaussah.


    Bis heute frage ich mich, wieso ich auserwählt wurde. Ich habe von den Ereignissen vor vierzehn Jahren nichts mitbekommen und dennoch bekam ich das Digivice und traf Wormmon, als ich im Sommer vor dreizehn Jahren zusammen mit Ryou in die digitale Welt kam. Wieso? Doch diese Frage können wohl selbst die anderen kaum für sich beantworten...


    Mit einem quietschen kamen einige Autos zum Stehen, als ein recht großes Digimon, das selbst an eine Mischung aus blauem Reptil und Wolf erinnerte, über die Straße rannte.
    „Tut mir leid! Tut mir leid! Ich hab‘s eilig!“, rief der junge Mann auf dem Rücken des Digimon, während dieses in eine Seitengasse einbog und sie, als sie diese verließen, schließlich den Hafen zu ihrer linken erkennen konnten.
    Das rotbraune Haar des jungen Mannes lag nass an seinem Kopf, wie auch sein beiges T-Shirt ziemlich durchnässt war, was ihn jedoch weniger zu stören schien, als die Tatsache, dass er spät dran war.
    „Ich denke immer noch, wir hätten mit der U-Bahn fahren sollen, Daisuke“, bemerkte Lighdramon und drehte kurz den Kopf, um seinen Partner anzusehen.
    „Ach was“, erwiderte dieser. „Stell dich nicht so an. Ein wenig Regen macht mir doch nichts aus.“
    „Sagst du jetzt“, grummelte das Digimon. „Aber wenn du dich erst erkältet hast...“
    „Jetzt labere nicht, lauf lieber!“, antwortete Daisuke. „Ken wartet schon auf uns!“ Dabei verfluchte er innerlich ihren Trainer, der heute das Training einmal wieder überzogen hatte.
    Schließlich sah er Ken in der ferne am Rand der Straße stehen. Schon als dieser die Schritte des Digimon hörte, sah er auf. „Daisuke, endlich“, begann er, sah ihn aber entgeistert an, als er das ‚Transportmittel‘ seines Freundes sah. „Wir fahren mit der U-Bahn“, stellte er klar.
    „Aber...“, setzte Daisuke an, als er zu Boden fiel, da Lighdramon, das Ken offenbar zustimmte, zu V-mon zurückdigiterte.


    Vor vierzehn Jahren sind Taichi und die anderen zum ersten Mal in die digitale Welt gekommen. Und wenn sie nicht in die digitale Welt gekommen wären, wären wir wahrscheinlich auch nicht dahin gekommen. Ich bin auf jeden Fall froh, auserwählt worden zu sein und zusammen mit V-mon, Ken, Hikari-chan und den anderen all diese Abenteuer erlebt zu haben.


    Auf Takeru und die anderen, die ihn begleiteten, warteten tatsächlich nur drei andere Auserwählte in der Wohnung der Izumis, von denen einer natürlich Koushiro war. Es war jedoch nicht dieser, der sie an der Tür in Empfang nahm, sondern Noriko, eine junge Frau im selben Alter wie Takeru und Hikari, der ein rotes Digimon folgte.
    „Ah, endlich kommen andere“, meinte sie, als sie die Gruppe sah. „Ich hoffe ihr seid nicht in den Regen geraten.“
    „Wir haben es gerade noch reingeschafft“, antwortete Tailmon, wobei seine Stimme verriet, dass es darüber mehr als froh war.
    Noriko kicherte leise. „Du bist wirklich eine Katze, Tailmon-chan.“
    Das Digimon sah sie an, mit einem Blick, der deutlich sagte, dass es sich nicht sicher war, ob man nun einen Witz auf seine Kosten gemacht hatte, oder ob die Aussage positiv gemeint war.
    „Sind die anderen schon da?“, fragte Yamato.
    Noriko schüttelte den Kopf. „Nein, außer mir ist nur Shuu-san da.“


    Ich war bereits zehn, als ich das erste Mal ein Digimon sah. Ich habe die Kinder beneidet, die mit diesen Wesen befreundet waren, ohne es zu bemerken. Sie schienen so frei. Vielleicht war ich deshalb so anfällig für die dunkle Saat, als Oikawa-san mit mir sprach? Ich habe erst später bemerkt, dass man nicht auserwählt sein muss, um frei zu sein.


    „Sind die anderen endlich da?“, erklang die unverkennbare Stimme Tentomons aus dem Zimmer Koushiros.
    „Nun, zumindest ein paar von uns!“, antwortete Iori.
    So machten sie sich auf den Weg in das Zimmer des jungen Informatikers, das nun, wo sie erwachsen waren, bereits jetzt erstaunlich voll wirkte.
    „Ich habe eine Email von Ken bekommen, dass er und Daisuke sich verspäten“, erklärte Koushiro, nachdem er die anderen begrüßt hatte. „Was ist mit Taichi?“ Dabei sah er zu Hikari.
    „Er kommt später nach“, winkte sie schnell ab.
    Darüber, dass Jyou zu spät war, wunderte sich niemand. Immerhin konnten sie sich kaum an eine Zeit erinnern, wo Jyou nicht ständig mit Lernen oder seiner Arbeit beschäftigt gewesen war und darüber andere Dinge entweder vergessen oder aufgeschoben hatte.
    Kaum jedoch, dass sich auf den Boden oder Koushiros Bett gesetzt hatten, klingelte es erneut an der Tür.
    „Ich gehe“, meinte Shuu schnell und auch Kamemon, sein Partner, sprang schnell auf. „Es könnte Nii-chan sein!“
    Diese Vermutung bewahrheite sich jedoch nicht, als sie eine überschwängliche Frauenstimme hörten, die auch Yamato ein Seufzen entlockte. „Shuu-chan!“
    „Ähm, Jun...“, meinte eine andere Stimme vorsichtig.
    „Lass mich“, antwortete die überschwängliche Stimme daraufhin.
    Schritte waren auf dem Holzboden im Flur zu hören. „Yahoo!“, rief eine junge, gänzlich rothaarige Frau, als sie die angelehnte Tür schwungvoll aufriss. „Wir sind auch da!“
    Dabei hoben die zwei Frauen und die drei Digimon in ihrer Begleitung nur verlegen die Hand zum Gruß.


    Yosh! Ich weiß, dass ich mich eigentlich geehrt fühlen kann, von den anderen eingeladen zu sein, immerhin wurde Chizu, Mo und ich erst vor zehn Jahren auserwählt und gehören nicht so ganz dazu. Wobei es einem schon zu denken gibt, das mein nichtsnutziger kleiner Bruder vor mir auserwählt wurde!


    Eine Viertelstunde später waren schließlich auch Jyou, Daisuke und Ken, auf die sie dennoch gewartet hatten, eingetroffen. Da sie nicht wussten, wann Taichi kommen würde, machten sie sich so schließlich auf den Weg. Sie hoben ihre Digivices und es war – der noch immer vollkommen durchnässte – Daisuke, der rief: „Digital Gate Open!“
    So fanden sie sich nur einen gefühlten Augenblick später in der digitalen Welt wieder, in der vom schlechten Wetter Tokyos nichts zu merken wahr.
    Sie standen am Ufer des Sees auf File Island, wo – kaum das sie angekommen waren – ein Ruf zu ihnen hinüberschallte.
    „V-mon!“, rief ein langohriges Digimon und schwebte durch die Luft zu ihnen hinüber, um auf dem Kopf von Daisukes Partner zu landen.
    „Hey, Terriermon!“
    „Hallo, alle zusammen!“, schallte schon der nächste Ruf zu ihnen hinüber, als ein blonder, amerikanischer Mann zu ihnen hinüberkam, ein weiteres – nicht minder langohriges – Digimon tragend.


    It‘s kinda funny, isn‘t it? Für mich ist es bereits achtzehn Jahre her, dass ich Terriermon und Lopmon kennen gelernt habe. Sie waren für den größten Teil meines Lebens bei mir. Damals verstand ich weder, was ein Digimon ist, noch was es bedeutet auserwählt zu sein. Terriermon und Lopmon kamen zur selben Zeit zu mir, wie Hikari und ihr Bruder das erste Mal ein Digimon trafen – und ich frage mich bis heute, was damals geschehen ist.


    „Hey, Wallace!“, begrüßte Daisuke den Amerikaner, der mindestens einen halben Kopf größer war, als einer der anderen.
    „Wo sind Miyako und Mimi?“, fragte Hikari.
    Doch noch bevor Wallace antworten konnte, ertönte ein „Bingo!“ aus dem Gebüsch des Schilderwaldes, in dem der See gelegen war.
    Nach einem Rascheln kamen zwei weitere Digimon in Begleitung von zwei Frauen hinaus, die beide gefärbte Haare hatten. Während Mimi, die – obgleich älter – etwas kleiner war als Miyako, nur rosane Strähnen trug, hatte sich Miyako die Haare gänzlich rot gefärbt.
    „Wir sind ja schon da! Wir sind ja schon da!“, meinte Palmon.
    „Wir waren schon vor euch hier“, fügte Mimi hinzu. „Aber weil wir euch den Vortritt mit diesem Portal gelassen haben, mussten wir weiter laufen.“
    „Beschwert euch nicht“, grummelte Daisuke, dessen Kleidung dank der Besonderheit der digitalen Welt hier nun wieder trocken war. „Ein wenig Bewegung schadet euch nicht.“
    Wallace lachte. „Ach, Daisuke. Ein Charmeur wie eh und je.“
    Daisuke grummelte. „Idiot!“
    Derweil schüttelte Miyako nur den Kopf und sah Hikari an. „Er wird nie Erwachsen, oder?“
    Die anderen lachten.


    Es ist seltsam daran zu denken, dass es bereits vierzehn Jahre her ist, dass wir das erste Mal hier waren. Damals war ich wohl die einzige, die unbedingt nach Hause wollte. Immerhin erschien mir hier alles so fremd. Doch heute bin ich froh all die Abenteuer erlebt und all die Digimon in der digitalen Welt getroffen zu haben.


    Bingo! Als ich das erste mal in die digitale Welt gekommen bin, konnte ich es kaum glauben. Dabei war es nicht nur, dass eine andere Welt existierte, sondern dass ich von all den Ereignissen in 1999 nichts mitbekommen habe. Doch dann wiederum... Ich habe damals noch nicht wie die anderen in Odaiba gelebt.


    „Jetzt mach schon, Taichi!“, jammerte Agumon, als der Nachmittag voranschritt, und drängte seinen Partner in dessen Apartment. „Wir sind ohnehin schon spät dran.“
    „Ich mach ja schon, ich mach ja schon“, lachte der Mann und nahm sich ein Handtuch, um sein krauses Haar trocken zu rubbeln.
    „Wieso musstest du auch noch arbeiten?“, seufzte Agumon, das schon seit einer Weile sehr hibbelig war.
    Sein Partner verschränkte die Arme. „Es ist ja nicht meine Schuld, dass ich nicht frei bekommen habe.“
    „Wie auch immer“, grummelte das orangegelbe Digimon.
    So nahm sein Partner schließlich eine Tasche, in die er einige Snacks eingepackt hatte, und startete seinen Laptop. Dann nahm er sein Digivice und hielt es vor den Bildschirm, wo sich automatisch ein neues Programm öffnete. „Digital Gate Open!“, rief er und spürte nur einen Augenblick später den warmen Wind der digitalen Welt auf seiner Haut.
    Hier war der Himmel nicht wolkenverhangen, sondern hellblau und strahlend, und eine milde Brise wehte durch den dichten Dschungel, der sie umgab.
    „Lass uns gehen, Agumon“, meinte Taichi und setzte sich in Bewegung, um den See im Wald der Schilder zu erreichen, wo die anderen sicher schon weit mit ihrem Picknick voran geschritten waren.
    Doch es war gut zu sehen, dass es hier im Moment friedlich war. Keine bösen Digimon und keine Menschen mit schlechten Absichten waren zu sehen, so dass der dichte Urwald, in dem Blumen so hoch wuchsen, wie Taichi selbst, beinahe schon paradiesisch wirkte.
    Er hörte Lachen in nicht all zu großer Ferne und kam schließlich zum Ufer des Sees, in dessen Mitte er die anderen erkannte, denen sogar einige alte Freunde, wie Orgemon und Andromon Gesellschaft leisteten.
    „Taichi!“, erkannte ihn Daisuke zuerst und winkte ihm zu, ehe auch die anderen dem Blick folgten und ihn entdeckten.
    „Hey, alle zusammen!“, rief er hinüber und winkte ihnen zu. Er lächelte.


    Als ich vor vierzehn Jahren ins Sommercamp fuhr, ahnte ich nicht, was für ein Abenteuer für mich beginnen sollte. In dieser Welt – in der digitalen Welt – haben wir so viel erlebt. Freude. Leid. Gefahren. Aber auch Momente der Freundschaft. Die digitale Welt ist ein Teil von uns geworden und auch ein Teil von unserer Welt. Ich bin dankbar dafür, dass ich auserwählt wurde, dass ich Agumon treffen durfte. Ich bin dankbar für meine Freunde und die Abenteuer, die ich hier erlebt habe. Ich bin froh, hierher gekommen zu sein.