Dass "Beschreibungen" nicht immer in epischen Texten aufzufinden sind, hat vermutlich unter anderem damit zu tun, dass Visualität, also z.B. sowohl Räume als auch Figuren betreffend, in dem Medium nicht notwendig ist. Damit grenzen sich epische Texte von anderen narrativen (erzählenden) Medien wie dem Film und dem Comic ab. Dort ist der Künstler dazu gezwungen, Bilder zu vermitteln, und selbst wenn es ein Standbild ist: Visualität spielt immer eine Rolle.
Ich bin mir nicht sicher, ob es dies nicht schon zuvor gegeben hat, jedoch entwickelte sich dieser Fokus auf "Beschreibungen" auch im Impressionismus und in der Weimarer Republik durch das realistische Schreiben oder gar durch das "filmische/filmbezogene Schreiben". Da der Film damals ziemlich boomte, orientierten sich manche Autoren an ihrer Wahrnehmung im Kino oder an den Mitteln des Films wie der Montage von einzelnen Einstellungen. Und damit einher geht natürlich die Visualität. Das wurde den Autoren im Übrigen nicht angedichtet, sondern teilweise haben sie es selbst in Interviews, Nachworten oder durch die Aussage einer Figur signalisiert.
Was ich damit sagen möchte: Beschreibungen sind nicht notwendig. Man benötigt zum Erzählen nicht zwingend Visualität. Ich vermute allerdings, dass der heutige Maßstab, Beschreibungen zu "verlangen", unter anderem durch solche Medien wie der Film erzeugt oder zumindest verstärkt wurde. Ich schätze, dass sich die Literatur damit ein wenig mehr gegenüber diesen behaupten möchte. Wenn ich selbst die Wahl zwischen einem Film und einem Buch hätte, welche dieselbe Geschichte erzählen, würde ich auch zum Film greifen und nicht zum Buch, gerade wegen dieser Visualität (und noch dazu kommt die Musik als dritter Aspekt), aber das ist natürlich Geschmackssache.
Protagonisten muss man einfach selbst auch mögen
Denkst du, dass Patrick Süskind seinen Protagonisten in "Das Parfüm" mag? Das soll nur ein Beispiel sein; vielleicht ist es tatsächlich so, aber ich vermute, dass es genügend Autoren gibt, die ihre Protagonisten nicht mögen und dennoch gerne Geschichten mit oder über diese Figuren erzählen. Vielleicht meinst du auch statt "mögen" mehr "interessant oder erzählenswert finden". Das würde meiner Meinung nach wahrscheinlicher zutreffen. Ich würde z.B. unheimlich gern mal (unter anderem aus Gründen der Herausforderung) versuchen, aus der Sicht eines Mörders zu schreiben.