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Ahoy, me Mateys, und Willkommen zum vierten Wettbewerb der Saison. In diesem Thema habt ihr eine bestimmte Anzahl an Punkten zur Verfügung, die ihr den Texten im nächsten Beitrag geben könnt. Achtet jedoch darauf, dass ihr die Punkte, die euch zur Verfügung stehen, komplett ausschöpft. Votes, welche zu wenige oder zu viele Punkte enthalten, können leider nicht gezählt werden. Des Weiteren solltet ihr eure Punkte mindestens auf drei Texte verteilen, eure Wahl ausreichend begründen und natürlich nicht für eure eigenen Texte voten.
Es ist außerdem hilfreich, euch das "How to vote-Topic" anzusehen. Schreibt ihr in dieser Saison besonders viele Votes, habt ihr die Chance auf eine GEWALTIGE KISTE VOLLER GO- ... ähem, auf Medaillen. Weitere Informationen findet ihr hier: Informationen und Regeln zu den Wettbewerben.
Zitat von AufgabenstellungEs war einmal, in einer weit entfernten Galaxis ... Moment, so beginnt ein Märchen nicht? Wer sagt das? Märchen gelten als uralte Methode, Wissen und Erfahrungen zu vermitteln. Das Wort Märchen selbst leitet sich aus dem altdeutschen Wort maere ab, was einfach "Botschaft" bedeutet. In einer Welt ohne Internet und Telefon waren Märchen wichtige Kommunikationsmittel, die eine bestimmte Botschaft vermitteln sollten. Jetzt seid ihr dran: Schreibt ein Märchen, in der ihr im besten Fall eine noch heute wichtige Moral verpackt. Es ist euch freigestellt, ob ihr ein schon vorhandenes Märchen in die Pokémonwelt übertragt oder euch etwas völlig Neues ausdenkt. Ein Pokémonbezug ist dabei verpflichtend.
Ihr könnt 6 Punkte verteilen, maximal 3 an eine Abgabe.
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Achtet dabei darauf, bei der Schablone zwischen Doppelpunkt und ID/Punktzahl ein Leerzeichen zu machen, damit die Auswertung über den Voterechner ohne Probleme erfolgen kann. Wenn ihr nicht wissen solltet, wie ihr eure ID herausfindet, könnt ihr dies unter anderem hier nachlesen.
Der Vote läuft bis Sonntag, den 19.3.2017, um 23:59 Uhr.
Es waren einmal vor langer Zeit ein Herzog und seine Herzogin, die hatten eine Tochter von kaum einem Jahr. Sie liebten das Mädchen innig, doch ihr Körper war schwach und kränklich, und an jedem Tag, der verging, sickerte das Leben aus ihr heraus.
Verzweiflung ergriff die Eltern, denn so viele Heiler sie auch riefen, niemand konnte ihnen sagen, an was ihr kleines Mädchen litt, noch kannten sie eine Heilung. Sie riefen Pokémon herbei, doch nichts brachte Linderung. Die Hoffnung war bald versiegt, da hörte die Herzogin von ihrer Zofe eine alte Sage. Weit im Westen gäbe es einen See und in ihm eine Nymphe, die die Macht besaß, jeden Wunsch zu erfüllen. Doch vorsichtig solle man sein, denn kein Wunsch kam ohne eine Gegenleistung.
Die Sorge um ihr Kind wog schwerer als die Warnung der Zofe. Der Herzog und seine Frau ließen ihr Land zurück und zogen mit ihrer Tochter in den fernen Westen, auf der Suche nach der mystischen Nymphe. Über Tage, Wochen, Monate zogen sie durch die Wälder an der Küste, in denen der See versteckt sein sollte. Über Tage, Wochen, Monate wurde ihr Kind immer schwächer, bis es letztlich nicht einmal mehr genug Kraft hatte, um die Augen offen zu halten. Der Herzog und seine Herzogin waren außer sich vor Angst. Ihre kleine Tochter würde inmitten dieses Waldes sterben.
„So hilf uns doch jemand!“ , weinte die Herzogin. Da erschien zwischen dem Gebüsch eine junge, hübsche Frau.
„Folgt mir“, wies sie die Eltern an. Von Verzweiflung getrieben, taten sie, wie ihnen geheißen.
Sie schienen Stunden zu gehen, irgendwann lichtete sich das Dickicht des Waldes um sie herum und sie fanden sich an einem See wieder, den sie noch nie gesehen hatten.
Die junge Frau stand am Ufer des Gewässers. Als sie einen Fuß in das glasklare Wasser setzte, erhellte ein strahlendes Licht die Lichtung. Als es erlosch, schwebte ein kleines Wesen über dem Wasser. Sein weißer Körper war geschmückt mit gelben, stoffähnliche Auswüchsen. Auf seinem Kopf ragten drei gelbe Spitzen sternförmig heraus, an jedem von ihnen ein türkises Blatt.
„Sprecht euren Wunsch, und ich werde ihn erfüllen“, sprach die Nymphe. „Doch verlange ich eine Gegenleistung im selben Wert wie mein Geschenk an euch. Zwölf Jahre habt ihr Zeit. Vergehen zwölf Jahre und mein Geschenk bleibt ungesühnt, so werde ich es zurücknehmen, denn das Leben eurer Tochter sei bis dahin ein geliehenes.“
Ohne lange über dieses Angebot nachzudenken stimmten die Eltern zu. Sie legten ihre Tochter in das saphirblaue Wasser des Sees und die kleine Nymphe legte ihre Hände auf das Kind. Es schloss seine tiefschwarzen Augen, doch auf seinem Bauch öffnete sich ein drittes, so blau und klar wie der See. Einige bange Sekunden vergingen, dann öffnete das Kind seine Augen, nun im gleichen kristallklaren Blau gefärbt wie das der Nymphe, eine Erinnerung an die Schuld, die die Eltern begleichen sollten.
Jahre vergingen, in denen das Mädchen gesund und kräftig aufwuchs. Ihre Eltern lebten mit ihr an der Küste im Westen, in einer kleinen Hütte. Der Herzog hatte feinste Stoffe aus seinen Ländern bringen lassen, Gewürze aus Ländern hinter dem Meer, schönen Schmuck und seltene Juwelen, doch jedes Mal, wenn sie zum See zurückkehrten, um der Nymphe ihr Geschenk darzubringen, versank es im Wasser und war verloren.
„Der Wert meines Geschenks übersteigt das des euren um das Tausendfache“, sagte sie immer wieder. Mit den Jahren kehrte die Angst zurück, denn sie hatten alles gegeben, was sie als wertvoll betrachteten. Im zwölften Jahr gingen sie schließlich erneut auf die Suche.
Alleine in der Hütte am Meer wartete das Mädchen auf die Rückkehr ihrer Eltern. Doch erneut vergingen Tage, Wochen, Monate… Und die Tochter blieb alleine.
Und dennoch war sie niemals einsam. Seit sie denken konnte, tobte das Mädchen in den Wäldern, fütterte die Waumpel, spielte mit den Knospi, naschte vom Honig der Wadribis. Im Meer schwamm sie an der Seite von Finneon, und am Strand beobachtete sie, wie die Blasen der Corasonn im Licht der Abendsonne schimmerten. Sie lebte von den Beeren des Waldes und dem klaren Wasser des Sees.
Ja, sie führte ein gutes Leben, obwohl ihre Eltern nicht bei ihr waren und obwohl sie wusste, dass sie dieses Leben bald wieder zurückgeben müsste. Doch das Mädchen war dankbar für die Zeit, die man ihr gegeben hatte.
Und so tobte das Mädchen eines Tages erneut im Wald. Im tiefsten Dickicht spielte sie mit den Knospis, während Roselia und Roserade über sie wachten. Es schien ein ruhiger, friedlicher Tag zu sein, doch dann brachen drei Waumpel ängstlich quietschend durch das Gebüsch. Die Tochter folgte den Pokémon durch den Wald und schon bald fand sie im dunkelsten Teil ein gigantisches Spinnenetz, mit Strängen so dick wie Wollfäden. Im Netz hatte sich ein Papinella verfangen, das nichts anderes tun konnte, als ängstliche Rufe auszustoßen. Wenn niemand es frei machte, würde es schon bald verschlungen werden.
Das Mädchen versuchte, das Netz mit bloßen Händen zu zerreißen, doch die Stränge waren zu stark und zu klebrig. Die Tochter begann, den Boden zu untersuchen und bald fand sie einen Stein mit einer scharfen Kante. Schnell machte sie sich daran, das Papinella zu befreien. Beinahe war sie fertig, da hörte sie das Zischen des Ariados hinter ihr.
Aber als die Spinne aus dem Gebüsch brach, war seine Beute bereits im Gebüsch verschwunden und das Mädchen geflohen.
Ein anderes Mal tauchte sie zusammen mit den Finneon und Lumineon, sammelte Seeigel und Perlen vom Meeresgrund. Die Lumineon ließen zu, dass das Mädchen sich an ihnen festhielt und schwammen mit ihr durch den ganzen Ozean.
Sie sammelte gerade einige schöne Steine vom Meeresgrund, da bemerkte sie einen Schatten, der sich über sie legte. Als das Mädchen aufsah, stoben die Finneon und Lumineon auseinander, doch eines war nicht schnell genug. Ein grobes Netz senkte sich im Wasser und nahm das Lumineon gefangen. Eilig schwamm das Mädchen aufwärts, tastete sich am Netz entlang und irgendwann fand sie einen losen Knoten, an dem sie sich zu schaffen machte. Endlich bildete sich ein Loch im Netz, gerade groß genug für das Lumineon. Gemeinsam mit ihren Freunden sah sie zu, wie das leere Netz durch die Wasseroberfläche brach und sich der Schatten des Fischerbootes entfernte.
Ja, das Mädchen lebte sein Leben zum vollsten und sorgte sich nicht. Doch die Tage, Wochen und Monate vergingen und letztlich war der Tag gekommen, an dem das zwölfte Jahr vollendet war.
Am See erwartete die Nymphe das Mädchen schon. Ihre dunklen Augen schimmerten ruhig und unergründlich.
„Zwölf Jahre sind vergangen“, sprach das Pokémon. „Deine Eltern habe ihre Schuld nicht bezahlen können. Darum werde ich jetzt das zurücknehmen, was ich gegeben habe.“
Das Mädchen trat vor und stieg in das klare Wasser des Sees, bis ihr Körper bis zur Hüfte darin verschwand.
„Ich danke Euch, Nymphe des Sees“, sagte das Mädchen. „Dank Euch durfte ich leben. Das ist mehr, als ich mir habe wünschen können.“
Die Nymphe antwortete nicht. Als sie die Augen schloss, öffnete sich erneut das auf ihrem Bauch, im gleichen, strahlenden Blau wie vor zwölf Jahren. Das Wasser des Sees begann zu leuchten und das Mädchen spürte, wie all die Kraft und Energie aus ihr heraus sickerte.
„Jirachi, warte!“
Das Licht verblasste. Als das Mädchen sich umdrehte, schwamm hinter ihr im See ein Lumineon und direkt darüber schwebte ein Papinella.
„Lass ihr ihr Leben“, bat Papinella.
Für einen Augenblick schwieg Jirachi, die Seenymphe. Doch dann schüttelte es den Kopf.
„Niemals erfülle ich einen Wunsch ohne gleichwertige Gegenleistung. Ihre Eltern habe mir diese verwehrt. Also nehme ich, was mir gehört.“
„Was du willst, ist ein Leben, nicht wahr?“, fragte Lumineon.
Jirachi nickte: „Ein Leben kann nur mit einem Leben bezahlt werden.“
„Dann nimm unsere Leben.“
„Nein!“, stieß das Mädchen aus. Sie wollte nicht, dass ihre Freunde sich für sie opferten.
„Es ist schon in Ordnung“, sprach Lumineon. „In dem Moment, in dem du unser Leben rettetest, gehörte es dir.“
„Das ist nicht wahr“, gab das Mädchen zurück. „Euer Leben gehörte niemals mir. Ich habe es euch geschenkt!“
„Genug!“, stieß Jirachi aus. „Meine Entscheidung ist gefallen.“
Stille machte sich auf der Lichtung breit.
„Ihr werdet für das Leben dieses Mädchens zahlen“, sprach die Nymphe.
Bevor das Mädchen protestieren konnte, erstrahlte der See wieder in hellem Licht. Das Leben blieb in ihrem Körper, doch ihr wurde warm, unerträglich heiß.
Als das Licht wieder verschwunden war, lebten die beiden Pokémon noch immer, doch sie waren verändert. Papinellas Flügel hatten ihre Farbe verloren und Lumineons Schwanzflosse war verschwunden. Aus dem Mädchen jedoch war ein neues Wesen entstanden. Ein langer, schlangenartiger Körper, mit Schuppen in blau und rot und einem Fächer aus Flossen.
„Aus Teilen eures Lebens schuf ich neues“, sprach Jirachi. „Die Schuld ist nun beglichen. Aus einem geliehenen Leben wurde ein Geschenktes.“
Und so lebte das Mädchen fortan in Gestalt einer wunderschönen Wasserschlange, Seite an Seite mit ihren Freunden und durchschwamm alle Ozeane. Und wann immer ein Mensch in Seenot geriet, rettete sie ihm das Leben. Denn ein geliehenes Leben brachte nur eine Zeit lang Freude. Ein geschenktes Leben jedoch auf ewig.
Irgendwo in den tiefsten Tiefen des Ozeans lebte ein Garados. Nun war es nicht irgendein Garados, wie man sie doch gar nicht so selten in den Meeren antrifft. Stattdessen war es der unbestrittene Herrscher über alles, was im Salzwasser schwamm. So gesehen waren seine Untertanen genau in dem Moment nicht mehr seine Untertanen, in dem sie aus dem Wasser sprangen. Nur waren sie meistens nicht fähig, lange in der Luft oder gar an Land zu verbleiben und so mussten sie immer wieder zurück ins Wasser, wo sie dann aufs Neue Untertanen waren.
Dies ist allerdings nicht ein Märchen über dieses Garados. Das Garados hatte übrigens auch einen Sohn, der aber ein jämmerlicher Taugenichts war und nur sinnlos herumplatschte, ohne auch nur die entferntesten Mühen zu unternehmen, sich von einem Karpador zu einem Garados zu entwickeln. Das ist jedoch auch nicht von Belang, denn das Märchen handelt ebenfalls nicht von diesem Karpador. Es war nämlich sowieso irgendwann von seinem Vater aufgefre… an einen fernen Ort im Königreich geschickt worden, wo es sehr viele andere nichtsnutzige Karpador zum Spielen hatte und so glücklich war, wie man es sich nur vorstellen konnte. Und sollte es nicht gestorben sein, dann platscht es auch heute noch fröhlich und quicklebendig durch das Meer.
Jedenfalls, an einem Punkt des Ozeans, den man nur als elend und öde bezeichnen konnte und in dem die Tangfelder kaum noch einen Ertrag abzuwerfen vermochten, seit der grausame Herrscher der Meere sie in einem Wutanfall verwüstet hatte, da lebte ein winzig kleines Pokémon, das arm und fast dauerhaft traurig war. Es war absolut erbärmlich, noch viel erbärmlicher als das Karpador, von dem diese Geschichte nicht handelt.
Dieses kleine Pokémon hatte sehr unter dem Herrscher zu leiden: Er kümmerte sich nicht um die Schwachen und die Schützenswerten, für ihn galt nur das Recht des Stärkeren. Fast unnötig zu erwähnen, dass das arme kleine Pokémon bei dieser Rechtsordnung permanent von größeren Meeresbewohnern gejagt, gehänselt und gequält wurde – es grenzte an ein Wunder, dass es noch niemand gefre… an einen Ort mit anderen schwachen Pokémon und so weiter geschickt hatte.
Es war schließlich eines Tages, an dem das Meer noch viel finsterer schien als sonst, da das kleine Pokémon ein weiteres Mal vor einem großen Jäger fliehen musste: Mit schnellen und schlängelnden Bewegungen verfolgte ein riesiges Aalabyss das kleine und schutzlose Wesen, das panisch versuchte, zu entkommen, doch der Meeresräuber kam ihm unerbittlich immer näher und näher, riss bereits das Maul voller spitzer und messerscharfer Zähne auf, doch in letzter Sekunde erreichte seine Beute ein Korallenriff und versteckte sich ängstlich in einer Spalte. Es dauerte noch einige Zeit, bis sein Jäger schließlich die Suche aufgab und frustriert von dannen zog.
Und das kleine Pokémon weinte. Es wusste, dass es nicht ewig so weitergehen konnte, es ahnte, dass es nicht mehr lange würde durchhalten können und es verfluchte sich selbst und seine Schwäche dafür. Dicke Tränen rannen aus seinen Augen und vermischten sich mit dem Wasser des Ozeans, während es ziellos das Korallenriff umkreiste.
Plötzlich jedoch vernahm es eine leise Stimme, einem Flüstern nicht unähnlich, eine Stimme, die ihm seltsam vertraut vorkam.
„Ein Neuer … Ein Neuer …“
Verwundert sah sich das kleine Pokémon um und begriff sofort, warum die Stimme ihm so vertraut vorgekommen war: Sie gehörte einem anderen Wesen, das genau so aussah wie das kleine Pokémon, welches gerade noch um sein Leben geschwommen war – entsprechend klang sie genauso traurig und jämmerlich wie seine eigene Stimme. Nun kamen aus allen Spalten des Riffs noch mehr dieser verletzlich wirkenden Wesen geschwommen, allesamt ängstlich, elend und unsicher. Und das kleine Pokémon ahnte, dass es all diesen anderen so ergangen sein musste wie ihm, dass sie alle auf der Flucht waren vor den Großen und Starken.
„So viele gibt es von uns!“, rief es aus. „So viele, die leiden müssen! Oh, was für eine ungerechte Welt!“
Die anderen Pokémon stimmten in sein Wehklagen ein.
„Der wievielte bin ich denn nun schon?“, fragte das kleine Pokémon.
„Wir glauben, der zweihundertzweiundsechzigste“, antwortete eines der anderen Wesen.
„So viele“, sagte das Pokémon erneut. „So viele… Und nichts können wir ausrichten… Oder?“
Mit einem Mal war das Pokémon aufgeregt. Ihm war ein Gedanke gekommen, der ebenso brillant wie kühn wirkte, eine Idee, die alles ändern könnte.
„Hört mir zu!“, rief es aus. „Ihr alle, die ihr bisher nur gelitten habt und für eure Schwäche verachtet werdet! Wir werden nicht länger davonschwimmen! Wir werden uns nicht mehr zu Opfern machen lassen! Wir haben es ebenso wie alle Großen verdient, in Frieden und Freiheit zu leben, frei von den Fesseln der Tyrannei, in die man uns gelegt hat!“
Die anderen Pokémon horchten auf und lauschten gespannt.
„Wir sind schwach, das stimmt; mehr noch, wir sind erbärmlich. Aber wir haben einen entscheidenden und wichtigen Vorteil: Wir sind nicht allein. Wir sind von einer so großen Zahl, dass wir, wenn wir nur einig sind, mehr bewegen könnten als es jeder unserer Jäger alleine vermag. Ja, wir wären sogar stärker als der grausame Herrscher Garados. Unsere Macht liegt nicht in der Stärke des Einzelnen; sondern in der Kraft der Gemeinschaft!“
Die anderen Pokémon jubelten hoffnungsvoll, als sie diese Worte vernahmen, doch sogleich verstummten sie wieder.
„Aber was genau sollen wir tun?“, fragte eines von ihnen zaghaft. „Wie können wir uns diese Kraft zunutze machen?“
„Das werde ich euch sagen“, erwiderte das kleine Pokémon zufrieden. „Zunächst einmal schwimmst du“, es zeigte mit einer kleinen Flosse auf das Pokémon, welches gerade gesprochen hatte, „genau dorthin und du“, es zeigte auf ein anderes Pokémon, „begibst dich ein wenig über ihn und du…“
So vergingen noch zahlreiche Stunden einer äußerst langen und komplizierten Erklärung, während bereits die Nacht hereinbrach und es im Meer dunkel wurde.
Garados, der mächtige Herrscher des riesigen Ozeans, schwamm rastlos hin und her, auf der Suche nach irgendetwas oder irgendjemandem, das oder den er zerstören konnte. Es schien ihm wie gerufen zu kommen, als ein Tentoxa seinen Weg kreuzte. Doch bevor er damit beginnen konnte, diesem Pokémon auf brutale Art und Weise jeden Tentakel einzeln herauszu… zu streicheln, da setzte dieses zum Sprechen an.
„Oh grausamster aller Tyrannen“, verkündete es unterwürfig, „es wurde von vielen eurer Untertanen berichtet, dass eine mächtige und furchterregende Kreatur durch euer Königreich zieht, offenbar auf der Suche nach euch. Sie erscheint größer und stärker als alles, was je von einem Pokémon erblickt wurde.“
Der schreckliche Herrscher war verwirrt, schien es ihm doch nicht so, dass irgendemand seinen Untertanen mehr Angst einjagen konnte als er es schon tat. Und gleichzeitig empfand er angesichts dessen einen heftigen Zorn, denn niemandem stand es zu, die Pokémon des Meeres zu verängstigen, mit Ausnahme von ihm natürlich. So machte er sich gleich auf, den Eindringling zu suchen, in der festen Absicht, ihn zu vernichten.
Schließlich erblickte er eine Silhouette im trüben Wasser, die zunächst winzig erschien; doch bald merkte er, dass dies nur daran lag, dass sie noch so weit von ihm entfernt war. Je näher sie kam, desto größer und bedrohlicher erschien sie ihm. Bald starrte der angsterfüllte Herrscher auf ein gigantisches, weit aufgerissenes Maul und einen Körper, der überall Augen zu haben schien. So viele Augen, aus denen ein abgrundtiefer Hass funkelte, der dem grausamen Tyrannen eine eisige Kälte in die Glieder fahren ließ. Er wusste nicht, was diese Kreatur war und als sie sich ihm immer weiter näherte, erschien ihm das auch nicht weiter wichtig, ganz anders als die Flucht, die er sogleich antrat, um diesem schrecklichen Monster zu entkommen. Zum ersten Mal hatte das Garados das Gefühl, um sein Leben schwimmen zu müssen – und es gefiel ihm ganz und gar nicht. Dennoch floh es in aller Hast und versteckte sich an einem entlegenen Winkel des Ozeans, in dem es sich sicher wähnte vor dem unheimlichen Rivalen.
Das Monster hingegen schwamm weiter durch das einstige Königreich, doch, zur Verwunderung aller, griff es nie jemanden an, es sei denn, jemand hatte ein Unrecht gegenüber jemand Schwächerem begangen. Viele Pokémon erzitterten vor dieser großen und mächtigen Kreatur, doch es war nicht immer nur aus Angst, sondern auch aus aufrichtiger Ehrfurcht.
Eines Tages dann allerdings verschwand das große Wesen, das nun so lange die Rolle eines Königs der Meere erfüllt hatte; doch es ging fortan die Legende um, dass, wann immer ein kleines und schwaches Pokémon Hilfe benötigt, der Geist dieser Kreatur Hilfe versprechen wird – der Geist von Lusardin, dem zweihundertzweiundsechzigsten.
Es war einmal in einer fremden Region, die heute niemand mehr zu kennen vermag, ein kleines, vom wilden Wald beschütztes Dorf namens Snocity. Seitdem die Männer in einen unbekannten Krieg zogen, lebten dort nur noch eine Hand voll Kinder, ihre Mütter und ein Ältester, der schon vieles in seinem langen Dasein sah.
Eines Tages, als die Sonne bereits hoch am Horizont auf die raue Erdöberfläche strahlte, spielten wir Kinder wie fast immer auf dem Dorfplatz Verstecken, denn es gab hier sonst kaum etwas, das uns die Zeit raubte. Während ich in aller Ruhe bis einhundert zählte, verteilten sich die anderen. Es dauerte nicht lange, bis ich mit dem Zählen fertig war, sodass ich schnell Ronan, der sich hinter dem großen Hügel versteckte, fand. Somit stand zumindest jetzt schon fest, wer bei der nächsten Runde suchen durfte. Ich suchte weiter und sah, dass Sales blondes Haar über die schroffe Mauer, die die Stadt vom Wald abgrenzte, hervorschaute und dass sich gleich daneben Maba hinter einem alten Holzkarren versteckte. Einzig und allein von Multem war keine Spur. "Wo versteckt er sich bloß?", fragten wir uns. Ein flüchtiger Schatten ran im selben Moment Richtung Wald. "Was war das?", entgegnete Maba. "Ein Magnayen?", stotterte Ronan vor sich hin. "Nein, dafür war der Schatten viel zu klein… Lasst uns doch einfach schauen!", schlug ich vor. Wir zogen uns langsam zurück. "N-nach sehen? Du spinnst wohl, Maya!", ärgerte sich Sale über meinen Vorschlag. "Hast du Angst?", stichelte ich nach. "I-ich habe keine A-angst!", zickte das Mädchen herum. "Na schön, vielleicht ein kleines, ein ganz kleines bisschen.", sagte sie mit einem Schmunzeln, bei dem ihre schiefen Schneidezähne herausstachen. "Wusste ich es doch!"
Ein Rascheln kam aus einem Busch. "Vielleicht ist das Multem!" Ronan schlich sich langsam zum Geräusch hin. "Halt!", schrie Maba hinterher, "Vielleicht ist es auch ein Trombork, das dich entführen und in ein Paragoni verwandeln will!" "Ihr Angsthasen! Ich gehe jetzt zumindest in den Wald und suche Multem. Wenn jemand mit mir…", beendete ich den Satz, als ich bemerkte, dass die anderen bereits zu ihren Müttern rannten, "Irgendwie habe ich es schon geahnt, dass sie nicht den nötigen Mumm haben, den Wald ohne Erwachsene zu betreten." Entschlossen trat ich durch das große Stadttor und folgte den Trampelpfad in das Innere des Hains.
"Multem?!", schrie ich in der Hoffnung, meinen Freund zu finden. Ein Echo breitete sich in wenigen Sekunden aus. Plötzlich antwortete mir eine Stimme: "Hilfe!" Überrascht versuchte ich, herauszufinden, woher der Laut kam. "Multem? Bist du es?", fragte ich mich, als ich ein Gebüsch zur Seite schob und ein Pokémon, genauer gesagt ein Teddiursa, das sich in einer Falle verfangen hatte, sah. "E-ein Pokémon?" Ich betrachte es eine Weile, bis ich realisierte, dass es dringend Hilfe brauchte. Ich holte mein Taschenmesser hervor und schnitt das Seil durch. Dankend stürmte das Teddiursa auf mich zu und umarmte mich. "D-danke!", flüsterte es leise vor sich hin. Verwundert schaute ich es in die glänzenden Augen. "Moment einmal? Du kannst… sprechen?" Ich lehnte mich etwas nach vorne und sträubte mir den Kopf. "Natürlich kann ich das!" Plötzlich hörte ich ein lautes Stampfen, gefolgt von einem Baum, der einige Meter vor mir auf den Boden fiel. Eine Horde Taubsi flog verängstigt davon. "W-was war das?" Teddiursa umklammerte meine Hüfte. Ich zerrte es hinter einen dornigen Strauch und blickte auf. Ein wildgewordenes Ursaring wütete im Forst herum. "Kennst du dieses Pokémon?", fragte ich das Bärenpokémon. "Nein, ich kenne dieses Ursaring nicht. Was macht es wohl hier? Ich sollte einmal nachfragen." Es erhob sich von seinem Versteck und war kurz davor, es herzulocken. "Psst!", ermahnte ich es und zog es auf den Boden zurück, "Wir müssen ihr schleunigst verschwinden, bevor es uns entdeckt!" Ich dachte daran, dass sich Multem hier noch irgendwo war und hatte Angst, dass er auf das Pokémon treffen würde. Doch im Moment war es das Richtige, mich selber zu schützten, sodass ich darauf hoffte darauf, dass er im Falle, dass er tatsächlich im Wald ist, alleine zurechtkommen würde. "Komm!" Es nahm meine Hand und führte mich zu einer dunklen Höhle im Nirgendwo.
"Wo sind wir?" Vor dem Eingang war ein kleines Lagerfeuer, das noch etwas glühte. "Das ist mein Zuhause.", antwortete es. "Du wohnst hier? Alleine?", hakte ich nach. "Ja, alleine." Eine Träne strich seine Wange entlang. "Tut mir Leid." Im selben Moment erlisch die Glut. "Wir haben uns noch gar nicht vorgestellt. Ich heiße Maya. Und du?", versuchte ich, das Gespräch in eine andere Richtung zu lenken. "Ich heiße Snow - so wie der Schnee.", sagte Teddiursa mit einem Lächeln. "Du hast einen tollen Namen." Ich sah, wie es leicht errötete. "D-danke! Du aber auch!", schmeichelte mir der Bärenjunge. "Es wird bald Nacht. Wir sollten uns ausruhen, denkst du nicht?" Snow nahm einen Stock in die Hand und stach in der Asche herum. "Ja, schon, aber ich muss zurück Nachhause. Meine Mutter wird Sterben vor Sorge!" "Du willst alleine in der Nacht, während ein wildgewordenes Ursaring im Wald Amok läuft, Nachhause laufen?", hinterfragte Teddirusa meine Aussage. "Du hast Recht, es ist zu gefährlich." Ich lag mich auf den harten, kalten Boden hin und versuchte, an etwas anderes zu denken. Schließlich schlief ich ein.
"Wach auf! Wach auf!", weckte mich Teddiursa am nächsten Tag unzärtlich, "Es ist da! Es ist da!" "Wer ist da?", sagte ich im Halbschlaf. "Ursaring!" Schon bei dem Namen riss ich meine Augen auf und stellte mich rasch auf. "Wo!?" Plötzlich stürmte es direkt auf mich zu. Zum Glück konnte ich ihm noch rechtzeitig ausweichen, sodass es sich den Kopf an der harten Steinwand stieß. "Maya!", dröhnte es hinter mir. "Multem?" Ich erkannte seine charakteristische Stimme. Er lag seine Hand auf meine rechte Schulter und zog mich zu sich hinter ein Gebüsch. Ich holte Snow mit hinterher. "Wo warst du?", flüsterte ich ihm leise zu. "Jagen, aber das habe ich doch gesagt, oder?" An seinem Gesichtsausdruck erkannte ich, dass er lügte. "Reden Menschen immer so laut?! Seid ruhig!", ermahnte Teddiursa uns. "Was brummt es da vor sich hin?" Ahnungslos schaute er Snow an. "Du kannst ihn nicht verstehen?" "Psst!" Doch es war zu spät, denn Ursaring erholte sich rasch von dem Aufprall und nahm die Verfolung auf. "Wir sollten schleunigst hier weg!"
Wir rannten so schnell wir konnten in das Ungewisse. Selbst Teddiursa wusste nicht, vohin wir rannten, obwohl es im Wald geboren wurde und aufwuchs. Stets mit dem kalten Atem von Ursaring im Nacken landeten wir irgendwann vor dem großen Stadttor. "Oh-nein! Wir haben das Pokémon in unser Dorf gelockt!" Wir versuchten, die Dorfbewohner zu warnen, als uns der Älteste überraschte. "Auf die Sekunde genau, hehe.", scherzte er. Verwirrt schauten wir ihn an. "Was meint er damit?", fragte sich Snow. "Ältester, Ursaring…!" Im selben Moment sprang es direkt auf den Weisen, der seinen Stock zückte, zu. Er schlug ihn einmal kräftig auf den Boden und ließ die Bestie einfrieren. "W-wie?" Man erzählte sich vieles über den Alten, aber nie hätte ich daran gedacht, dass diese Geschichten stimmten. Doch nun wurde ich vom Gegenteil überzeugt. "Und nun, verschwinde wieder dahin, wo du hin gehörst!", sagte er mit einem kräftigen Klang in der Stimme und klopfte seinen Gehstock auf den Boden. Ursaring verschwand plötzlich.
"M-maya!", hörte ich Mutters Stimme auf mich zukommen, "Zum Glück ist dir nichts passiert!" Ich nahm sie fest in den Arm und wollte sie gar nicht mehr loslassen. Auch Multems Mutter stieß nun hinzu und wärmte ihren Sohn auf. "Nun wird es wohl Zeit, dass ich wieder in den Wald gehe…", redete Snow vor sich hin und unterdrückte dabei seine Tränen. Ich wendete mich von Mutter ab und ging zu ihm rüber. "Du kannst hierbleiben, wenn du willst." Plötzlich klopfte mir der Älteste auf den Rücken. "Wie ich sehe, hast du einen neuen Freund mitgebracht. Wenn du magst, kannst du mit diesem Pokéball fangen." Er überreichte mir eine seltsam-aussehende Kapsel. "Was sagst du dazu, Snow?" Seine Wangen wurden rot, bevor es sachte die Mitte des Balls berührte und ihn gesaugt wurde. "Ab nun sind wir beide eine Familie." Ich betrachte den Pokéball, wie er im Sonnenlicht schimmerte und wurf ihn in die Luft, um Snow, den Bärenjungen, bei uns zu begrüßen. Und so lebten Maya und ihr neuer Freund bis zu ihrem Lebensende glücklich beisammen und erlebten in der folgenden Zeit weitere aufregende Abenteuer als Team.
Es war einmal in einem kleinen Dörfchen am Rande eines magischen Waldes. Dort lebte ein junges Mädchen mit ihren Eltern und Großeltern. Sie wusste nicht, was jenseits der Grenzen ihres Bauernhofes lag, denn die Erwachsenen warnten sie jeden Tag vor den Gefahren dieses Ortes. Sie glaubte ihnen, hatten sie sie doch noch nie belogen. Sie wusste, dass sie zu Hause am sichersten war und dass sie dort bleiben sollte. Und sie wusste, dass ihre Zukunft dort gesichert war, denn ihre Großmutter sang ihr jeden Abend davon vor:
"Mit siebzehn Jahren, liebes Kind,
trifft dich der Liebe Pfeil geschwind,
und sieben Kinder soll'n es sein,
die dich und deinen Mann erfreu'n."
Die Jahre zogen dahin und das Mädchen wurde langsam zu einer wunderschönen Frau. Sie war nun schon sechzehn Jahre alt und sie wusste, was das bedeutete. Bald würde sie den Mann treffen, mit dem sie ihr restliches Leben verbringen konnte. Sie war gespannt darauf, wie er wohl sein würde.
Eines Tages, die Erwachsenen waren über Nacht fortgegangen, da hörte das Mädchen Lärm aus dem Wald kommen. Und auch, wenn all ihre Sinne ihr sagten, dass es gefährlich wäre, zog sie etwas nach draußen. Es war ihre Neugier, diese eine Chance, die sie hatte, zu nutzen. Sie schlich sich vom Hof, leise und vorsichtig, um niemanden zu wecken. Nervös, doch entschlossen schritt sie in den Wald hinein. Sie hörte die Rufe von Tieren, sie roch den Duft von Blumen und sie sah eine Vielfalt an Farben, die sie noch nie so erlebt hatte. Sie war überwältigt von der Schönheit dieses Ortes. Warum hatte man sie davor gewarnt?
Plötzlich hörte sie Gebrüll, da kam ein Wesen auf sie zugestürmt. Es war klein, kugelrund, sein Körper grün und dunkelbraun. "Pass auf!", hörte sie eine Stimme, als ein weiteres Wesen, ein Vogel in Grau und Orange, auf das runde Wesen zu flog und dieses mit Flammen aus seinem Schnabel verbrannte.
Eine Hand legte sich auf ihre Schulter und sie drehte sich erschrocken um. Vor ihr stand eine Frau mit schwarzen Haaren und ernstem Blick. "Du bist nicht gerade oft hier im Heckenwald, was?" Das Mädchen schüttelte den Kopf. "Komm erst einmal mit zu mir."
Die Fremde führte das Mädchen sicher durch den Wald zu einer kleinen Hütte. Die gesamte Einrichtung war aus dunklem Holz und durch das einzige Fenster kam um diese Tageszeit kaum noch Licht herein. Ein blassviolettes Wesen, das wie eine wandelnde Kerze aussah, hüpfte auf den Tisch und erhellte den Raum mit Licht.
"Was macht so ein junges Mädchen wie du nachts allein im Heckenwald? Hat man dich nicht vor den Pokémon gewarnt?", fragte die Frau.
"Pokémon?", fragte das Mädchen verwirrt. "Man hat mich schon gewarnt. Aber vor nichts Konkretem."
"Warum warst du dann im Wald?"
"Ich war neugierig", gab sie zu. "Aber sag, was sind diese Pokémon?"
"Das sind Wesen, die in dieser Gegend leben", sagte die Frau. "Sie können eine Art Elementarmagie einsetzen. Deswegen werden sie von den Menschen gefürchtet. Aber eigentlich sind sie friedlich."
Einen Moment lang herrschte Stille, als das Mädchen diese neuen Informationen verarbeitete. "Kannst du mich vor Sonnenaufgang zurück bringen?", fragte sie auf einmal. "Meine Eltern dürfen nicht merken, dass ich fort war."
"Natürlich", versicherte die Frau. "Aber über Nacht bleibst du." Das Mädchen nickte.
Am nächsten Morgen war es noch dunkel, als die beiden loszogen. Als sie beim Bauernhof ankamen, war das Mädchen erleichtert, da ihre Familie noch nicht zurück war. Sie drehte sich zu der Frau um, die sie gerettet und über Nacht so nett bei sich aufgenommen hatte.
"Ich danke dir vielmals. Ich will dich wieder sehen."
"Das wäre schön", antwortete die Frau. Dann kam sie einen Schritt näher und gab ihr einen zarten Kuss. Sie war zuerst verwirrt, doch sie gab sich dem Moment hin, denn es fühlte sich gut an.
Doch da vernahmen die beiden das Geräusch von Schritten und die Stimme der Mutter, die schimpfend und tadelnd immer näher kam. "Was will diese Wilde hier?", rief sie. "Lass mein Kind los, du Unmensch!"
"Das ist diese Pokémonfrau aus dem Wald!", schrie die Großmutter. "Soll sie dorthin zurück, wo sie herkam!"
Stumm und wortlos, mit Tränen in den Augen, kehrte die Frau langsam in den Wald zurück, um das Geschehen nur noch aus der Ferne zu beobachten. Das Mädchen wurde von den Erwachsenen fortlaufend angeschrien, hin und wieder drehte sie sich um, um nach der Frau im Wald zu sehen, nur, um von ihrer Großmutter gepackt und weiter angebrüllt zu werden. Vereinzelte Sätze konnte die Frau noch verstehen. "Das war nur ein Ausrutscher und soll einer bleiben." "Lass dich nicht zu solchen Perversitäten hinreißen." "Ab sofort werden wir dich durchgehend im Auge behalten." Dann sah sie, wie die Großmutter anfing, ein Lied zu singen:
"Mit siebzehn Jahren, liebes Kind,
trifft dich der Liebe Pfeil geschwind,
und sieben Kinder soll'n es sein,
die dich und deinen Mann erfreu'n.
Oh, armes Kind, du musst versteh'n,
darfst dieses Weib nie wieder seh'n."
Das Mädchen war nun wie verändert. Sie nickte und folgte in das Haus, ohne ein weiteres Mal zum Wald zu blicken. Traurig zog sich die Frau zurück. Sie wusste, dass es ein Fluch war, mit dem die Geliebte belegt wurde. Doch sie war entschlossen, ihn zu brechen.
Am Gipfel des Herdbergs lag der Zauberschrein. Dort wollte sie hin, um mit Fennexis, der mächtigsten Magierin des Landes, zu sprechen. Sie wüsste bestimmt eine Lösung.
Sie nahm sich Azumarill als Begleiter mit, da sie wusste, dass sie auf viele Feuer-Pokémon treffen würde, und ging los. Die Pokémon waren aber wie gewohnt allesamt sehr friedlich und die paar aggressiven Ponita und Leufeo, die sie traf, ließen sich allein durch den Anblick des starken Azumarill einschüchtern. Nahe des Gipfels jedoch stand plötzlich ein mächtiges Glurak vor ihr. Das wilde Pokémon spie Feuer und Flammen auf sie, sodass sie gezwungen war, sich zu wehren. "Setz Nassschweif ein, Azumarill!", befahl sie ihrem Begleiter, der sich sofort mit Wasser umgab und dem Gegner mit einem mächtigen Hieb schwer zusetzte. Das Glurak sah nun ein, dass es nicht gewinnen konnte, und flog davon.
Die Frau schritt weiter voran und erreichte nun endlich den Zauberschrein, ein einst prunkvolles, doch inzwischen in sich zusammengebrochenes Gebäude. Sie bat ihr Pokémon, auf sie zu warten, da sie dies alleine regeln wollte.
"Fennexis, seid Ihr da?", fragte sie hinein und sah sogleich zwei Augen aufblitzen. Das fuchsartige Wesen trat langsam aus seiner Behausung heraus.
"Was ist Euer Wunsch?", fragte es.
"Durch einen bösen Fluch wurde mir die Liebste entrissen. Ich suche nach einer Möglichkeit, ihre Liebe neu zu entfachen", erklärte die Frau.
"Ich kann Euch tatsächlich helfen", sprach Fennexis und wirbelte mit ihrem Stock Feuer in der Luft herum, bis ein Gegenstand zu sehen war. "Das hier ist ein magischer Keks. Wenn Ihr bei Eurer Liebsten seid, brecht ihn in der Mitte durch und esst ihn gemeinsam. Bevor Ihr den Keks esst, müsst Ihr ihr jedoch sagen, dass diese Mahlzeit die Macht hat, Leben zu verändern. Danach muss sie Euch einen Kuss geben. Dies muss freiwillig geschehen, sonst wirkt der Zauber nicht."
Die Frau war überwältigt, doch sie versuchte, sich alles zu merken. "Ich habe Euch zum Dank ein paar Gaben aus meiner Heimat mitgebracht." Mit diesen Worten legte sie einige Früchte aus dem Heckenwald vor den Füßen der Magierin nieder.
Zügig begab sie sich nun zurück zu dem Bauernhof, wo das Mädchen wohnte. Sie wartete, bis es Nacht wurde und hielt das Fenster, hinter dem sie sie vermutete, stets im Auge. Sie war verzweifelt, sie wusste nicht, wie sie die Geliebte dazu bringen sollte, zu ihr zu kommen. Doch in diesem Moment öffnete sich das Fenster und sie sah das liebliche Gesicht des Mädchens sehnsüchtig in die Ferne schauen.
"Hey! Hier unten!", zischte sie. Das Mädchen schien sie nicht zu erkennen. "Ich habe hier etwas für dich! Komm zu mir!"
Das Mädchen kam tatsächlich zu ihr herunter. "Was hast du für mich?", fragte sie.
Die Frau nahm den magischen Keks und brach ihn in der Mitte durch. Dann sprach sie:
"Einen Keks will ich dir geben,
einen Keks für unser Leben,
einen Keks, um Recht zu sprechen,
einen Keks, den Fluch zu brechen."
Das Mädchen verstand nicht, doch sie nahm die Gabe freudig an.
"Ich möchte dich noch um etwas bitten. Bitte, küss mich."
"Warum sollte ich das tun? Ich will mir das aufsparen, bis ich den Mann meines Lebens finde", antwortete das Mädchen.
"Du wirst es verstehen. Bitte, nur ein einziger Kuss", flehte die Frau.
"Na gut, es wird uns schon keiner sehen", sagte das Mädchen und erfüllte den Wunsch. In diesem Moment erinnerte sie sich an alles, was geschehen war. Und sie verstand, dass ihre Eltern es nicht gut mit ihr meinten.
"Komm mit zu mir", sprach die Frau. "Wir können in meiner Hütte wohnen. Ich werde dich behandeln wie eine Prinzessin."
Das Mädchen nickte. Sie wollte nicht mehr bei einer Familie wohnen, die sie nicht für das akzeptierte, was sie war.
Und so zogen sie gemeinsam in den Wald und sie lebten glücklich bis an ihr Lebensende.
Nach: 'Die Sterntaler' von den Brüdern Grimm
Es war einmal, in einem tiefen Wald, ein Pokémon namens Roselia. Ihre Eltern, sowohl ihren Vater Reptain als auch ihre Mutter Roserade, hatte sie verloren. Sie wurden bei einem Angriff einiger Feuerpokémon, die für ihre Trainer gekämpft hatten, getötet. Seitdem lebte sie alleine und war sehr arm. Außer die Blätter, die ihren Körper bedeckten, die Äste, die ihre Arme stärkten und die Blumen, in einem unendlichen Farbspektrum ihre Hände umschließend, besaß sie nichts mehr. Und obwohl sie so ein gutes junges Pokémon war, immer freundlich und gutmütig zu allen Lebewesen, musste Roselia jeden Tag auf die Suche nach Beeren gehen, um zu überleben.
Und so ereignete es sich eines regnerischen Herbstnachmittags, dass Roselia einige Sinelbeeren auf einem Feld abseits des Waldes, einen halben Tagesmarsch einen Fluss entlang entfernt, fand. In ihrer Freunde begrenzt von der Angst, ausgeraubt zu werden, machte sich Roselia auf, um die gefundenen Beeren zurück in den Wald zu bringen und sie dort zu essen.
Kaum hatte sie den Flusslauf wieder erreicht, hörte sie aus dem Dickicht ein Zirpeise summen. Sie bemerkte, wie kränklich das Summen des Pokémon klang, und obwohl sie auch Angst verspürte, denn sie war ein sehr schwaches Pokémon, überwand sie sich dem Zirpeise zu helfen. Und das Zirpeise fragte: „Oh wunderschöne Roselia, gib‘ mir bitte etwas zu essen. Ich bin so hungrig.“
Roselia zögerte nicht und gab dem alten Zirpeise ihre Sinelbeeren.
Sie lief weiter, und mit der Dämmerung näherte sich ihr ein kleines, sehr junges Trasla. Und da die Sonne schon am Untergehen war, sagte das Trasla: „Roselia, ihr friere so sehr! Gib mir bitte deine Blumen.“
So gab Roselia ihr ihre Blumen und hüllte sie in die bunte Blütenpracht und lächelte, denn sie hatte dem kleinen Trasla helfen können. Und nur kurze Zeit später, schließlich war nun die Sonne untergegangen, begegnete sie einem Azurill, und das Azurill fror noch bitterlicher als das Trasla. Und so gab Roselia dem Trasla ihre Blätter und schämte sich ihres beinahe nackten Körpers; doch war sie auch glücklich, denn sie hatte dem Azurill helfen können.
Wenig später erreichte sie endlich den Waldrand und nach einigen Schritten durch die Dunkelheit hörte sie ein beständiges Brummen. Roselia blickte sich verwundert um, als plötzlich ein Wommel auftauchte, und es summte: „Roselia, ich muss mein Nest bauen, aber ich finde keine Äste mehr. Gib mir deine Äste, sonst muss ich heute Nacht frieren!“
Und Roselia gab dem Wommel die Äste, denn in der tiefsten Dunkelheit konnte man ihre Nacktheit nun auch nicht mehr sehen. Mit einigen netten Worten entfernte sie sich vom Nest des Wommel und lief weiter.
Nun fror sie, und sie hungerte. Und sie hatte sich verlaufen, plötzlich stand sie wieder am Waldrand. Enttäuscht trat sie auf das offene Feld hinaus und richtete ihren Blick gen Himmel. Verzweiflung lag in ihren bunt leuchtenden Augen. Just in diesem Moment, in dem sie im tiefsten Tal stand und nichts mehr hatte, blitze es am Himmel auf. Erschrocken verdeckte sich Roselia die Augen. Und als sie ihre Hand wieder senkte, traute sie ihren Augen nicht. Der Himmel leuchtete in gelblich, fast weiß wirkenden, Tönen und flackerte und brannte. Und vom Himmel hinab regnete es Steine. Roselia lief, ohne zu überlegen, weiter hinaus auf das Feld und hob einen Arm. Ein Stein, er wirkte etwas milchig, grünlich, jedoch besaß er einen grell leuchtenden, gelben Kern, sank genau auf ihre Hand hinab und just im Moment der Berührung leuchtete Roselias Körper auf. Doch er leuchtete nicht einfach nur gelb, er nahm die Farben von hundert Regenbögen an. Die Strahlen erstrecken sich über mehrere Meter und wechselten von rot, zu grün, zu gelb, zu blau, zu lila und wieder zu rot. Plötzlich begannen die Farben sich zu verschmelzen und vereinten sich zu einem einzigen weiß, das sich genau um Roselias Körper herum sammelte. Dann blitze es erneut auf und das Licht war wieder weg. Umgeben von glitzerndem Staub, letzten Lichtfunken und einem Meer anderer Seite, die auf das Feld geregnet waren, offenbarte sich die Gestalt eines der schönsten Wesen, was ein Auge je gesehen haben kann. Auf einem leuchtend grünen Körper saß ein Kopf, auf dem sich eine wunderschöne, grell leuchtende, weiße Hortensie befand. Übertrumpft wurde der Anblick dieser edlen Blüten nur durch die bunten, regenbogenartigen Sträuße von abertausend verschiedenen Blumen an ihren Händen.
Und so war Roselia zu Roserade geworden. So war sie mächtig und stark geworden, und konnte jeden Tag genug Essen für alle sammeln und lebte ein glückliches Leben.
„Gehe hin, verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben“ – Markus 10, 21
Vor dreitausendfünfhundert Jahren erreichten die ersten Menschen die Insel, die heute als Akala bekannt ist, gelegen im Nordosten der Alola-Region. Heutzutage ist Akala bekannt für den berühmten Dome Royale, die Ohana-Farm, das luxuriöse Hanohano-Resort – und die Gufa, die dort jeden Morgen am Strand liegen.
Doch so interessant all diese Sehenswürdigkeiten sein mögen, noch viel spannender ist die Geschichte der Insel, auf der sie stehen. Denn als die Erde noch jung war, zauberhaft und geheimnisvoll, da wandelte ein Mädchen durch die verschlungenen Wälder und über die uralten Hügel, ein …
„Hey! Halt den Rand, ich bin ja schon fertig! Hast du eine Ahnung, wie schwer es ist, Beeren zu sammeln, wenn unter jedem zweiten Haufen ein Krabbox sitzt?!“
Ein wenig Geduld, bitte. Ich war gerade dabei, dich vorzustellen.
„Dazu brauch ich doch keine blöde Erzählerin!“
Aber ...
Nichts da. Wenn Waireo spricht, bist du still.
So. Das Mädchen, welches das Plappermaul da oben erwähnt hat, bin ich. Mein Name ist Waireo, und ich war das erste Mädchen, das je über Akalas Berge gewandert ist. Wir – mein Stamm – wir waren Seefahrer. Navigation und Schiffbau lagen uns im Blut, und das war der Grund dafür, wieso wir Akala entdeckten.
Über mein Leben vor meinem vierzehnten Sommer gibt es nicht besonders viel zu erzählen. Ich weiß noch, dass wir auf einer zu kleinen Insel lebten, und ich erinnere mich daran, dass einer unserer Fischer, der sich viel weiter aufs Meer hinausgewagt hatte als je zuvor, eine neue Insel gefunden hatte.
Wir reisten auf unseren Booten über das Meer und fanden eine neue Heimat. Die Morgenröte lag über dem Ozean, als die Insel nach langer Reise in Sicht kam, und darum nannten wir sie Akala. Es gab Beeren, Früchte, Kokosnüsse – alles war im Überfluss vorhanden, und wir mussten die Schätze der Insel mit niemandem teilen außer uns selbst.
Mutter hatte mir alles beigebracht, was ich wissen musste, um die mir zugewiesene Rolle in unserem Stamm zu spielen. Kochen, Feldarbeit, Nahrungssuche in den Bergen, diese Dinge eben, aber in der neuen Heimat war ich vor allem eines: eine Entdeckerin. Sogar die Tochter des Häuptlings war mit uns auf den Feldern, kletterte hinauf zu den Kokosnüssen und streifte mit uns durch den Dschungel. Falls du es genau wissen willst: Ihr Name war Lele, und sie war meine beste Freundin.
Lele und ich sahen es als unsere Aufgabe an, neue Mittel und Wege zu finden, wie wir unserem aufblühenden Stamm helfen konnten. Darum war es wohl kein Wunder, dass wir beschlossen, das bekannte Gebiet zu verlassen und uns im Inselinneren umzusehen. Wir erkundeten die Seen im Westen, den Feuer spuckenden Berg im Osten, die Strände und Klippen im Norden. Keiner kannte unser Zuhause besser als wir.
Doch dann, zehn-und-einen Monde nach unserer Ankunft, als wir den Berg im Süden erkundeten, verschwand Lele. Drei Krieger machten sich auf den Weg, um sie zu finden, doch auch sie kehrten nicht wieder.
Der Berg wurde tapu. Tapu sind verbotene Orte, Orte, die niemand betreten darf. Mein Stamm trauerte zu Ehren der ersten Toten seit der Besiedlung Akalas, aber ich weigerte mich, meine Freundin einfach so aufzugeben.
Ich packte nur das Wichtigste ein. Ein kleines Messer, eine Hand voll Beeren, ein selbst geflochtenes Seil, und auch einige Heilkräuter landeten in meinem Lederbeutel. Niemand bemerkte mich, als ich bei Anbruch des neuen Tages davonschlich.
Du musst selbst einmal durch die tiefgrünen Wälder von Akala laufen, um zu begreifen, wie wunderschön meine neue Heimat war. In den schwingenden Ästen und in den dunklen Schatten wohnten die magischen Wesen, mit denen wir im Einklang lebten, und sie beobachteten jeden meiner Schritte. Ich wanderte durch die Wälder, durchschwamm die Seen, und überwand den Pass, der zum Berg führte. Ich suchte Tag und Nacht. Ich rief nach den Verlorenen, und ich hoffte, vielleicht morgen oder übermorgen oder am Tag danach etwas zu finden.
Doch stattdessen fand irgendetwas mich. Ich legte mich eines Abends zwischen zwei großen Palmen am Fuße des Berges zur Ruhe, und als ich aufwachte, meinte ich, ein Mädchen lachen zu hören.
„Wer ist da?“ Ich wollte auf die Füße springen, aber ich konnte nicht. Ich war zu einem Wesen des Wassers geworden, ausgestattet mit einer Flosse, wo einst meine Beine gewesen waren, und auch meine Hände hatten sich in Flossen verwandelt. Mein vorher braunes Haar schimmerte nun in der Farbe der Wellen vor mir.
Außer mir war niemand dort, und ich spürte, dass ich das Wasser brauchte, obwohl ich Luft atmen konnte. Also robbte ich über den Strand und tauchte ein in die blauen Fluten, wo mich eine völlig neue Welt erwartete. Alles war so weit, so kühl und erfrischend. Jeden Tag schwamm ich ein Stück weiter hinaus in den Ozean, und ich fragte andere magische Wesen, deren Sprache ich nun verstehen konnte, ob sie meine Freundin gesehen hätten.
„Lele? Nie gehört!“, sagte ein vorbei schwimmendes Finneon, das ich in einem Korallenriff fand. Wenig später unterhielt ich mich mit zwei Corasonn, die mir aber auch nicht helfen konnten. So ging es mehrere Tage lang. Ich sprach mit jedem einzelnen Meeresbewohner, der mir über den Weg schwamm, doch niemand wusste etwas.
Und dann begegnete mir dieser impertinente Lusardin-Schwarm.
„Was? Du bist eigentlich ein Mensch, der verzaubert wurde? Willst du uns veralbern?“, rief der Schwarm im Chor.
„Nein! Ich heiße Waireo, und ich gehöre zum Stamm der Seefahrer!“
„Klar, Schätzchen!“ Eines der Lusardin löste sich ein Stückchen weit aus der Formation und machte eine Fassrolle. „Und ich bin eigentlich ein Garados! Fürchte mich!“
„Das ist nicht lustig!“
„Doch, ziemlich!“ Das Lusardin lachte, und sein Schwarm fiel mit ein. Glaub mir, es ist kein schönes Gefühl, gleichzeitig von hundert kleinen Versagern ausgelacht zu werden, die ich einzeln zum Frühstück verspeist hätte.
Mir platzte der Kragen.
„Ach, lasst mich doch in Ruhe!“, schrie ich, und der Schwarm wurde von einer Druckwelle aus Wasser getroffen, die aus meinem Maul gekommen war.
„Achtung! Sie ist auf Kriegsfuß!“
„Rette mich, wer kann!“
„Schwimmt um euer Leben!“
Die Lusardin stoben auseinander und ließen mich allein über dem Korallenriff zurück. Ich starrte ihnen perplex hinterher, konnte nicht begreifen, was für eine Macht ich da entfesselt hatte. Ich erkannte meine Stimme kaum wieder. Sie war so viel klarer und stärker als vorher, und sie klang wie plätscherndes Wasser.
Von diesem Moment an verschloss ich meinen Mund. Ich fürchtete meine Stimme, weil ich die magischen Wesen nicht verletzen wollte, und schwamm weiter. Tag um Tag, Nacht um Nacht, immerzu Ausschau haltend nach Lele. Je länger ich stumm blieb, umso größer wurde der Drang, meine Stimme erneut erklingen zu lassen. Ich wollte nach Hause zurück, doch ich wusste, dass mich niemand erkennen würde, und so blieb ich dem Meer verhaftet.
Und irgendwann hörte ich den Gesang.
Es war, als würde das Wasser selbst eine Melodie singen, kraftvoll, wunderbar und furchteinflößend zugleich. Die Musik zog mich wie magisch an. Ich folgte ihr und fand Wesen, die genauso aussahen wie ich. Es waren Dutzende. Sie schwammen mit eleganten Bewegungen durch den Ozean und sangen dabei ihr Lied, und ich war überwältigt von der Schönheit und Grazie dieser Geschöpfe.
Die Angst vor meiner Stimme verschwand auf der Stelle. Wie konnte etwas so Schönes nur Furcht in mir auslösen? Beinahe schämte ich mich vor mir selbst, und ich war nur noch vom Wunsch beseelt, auch so zu singen wie die Primarene.
Sie lehrten mich den Gesang ihres Volkes. Sie waren abhängig von ihrer Stimme. Sie jagten mit ihr. Sie erzählten Geschichten mit ihr. Sie konnten sogar das Wasser mit ihren Stimmen kontrollieren. Ich lernte so viel über ihre Kultur, indem ich einfach ihren Gesängen lauschte, und nach kurzer Zeit wusste ich sogar mehr über die Primarene als über mein eigenes Volk.
Wir ließen immer einen Teil unserer Identität zurück, wenn wir von einer Insel fort segelten. Das wurde mir erst wirklich klar, als ich den Albtraum hatte. In diesem Traum wurde Akala von einer gewaltigen Feuersbrunst zerstört. Ich sah meinen Stamm, der wieder über das Meer fuhr, ohne Wissen davon, wer sie wirklich waren.
„Wir müssen singen“, schrie ich, und dann erwachte ich am Strand. Ich spürte die feinen Sandkörner unter mir, ich spürte meine Füße, die zurückgekehrt waren, und meine Hände. Und ich sah das magische Wesen, das vor mir schwebte. Seine Haut war dunkel wie meine. Es saß in einer gewaltigen Kokosnuss, die in der Farbe der Morgenröte leuchtete.
„Sei gegrüßt, Waireo“, summte das Wesen.
„Lele? Bist du das?“, flüsterte ich, und Lele nickte.
„Hat dir deine Zeit im Meer gefallen?“
„Du warst das? Du hast mich verwandelt?“
Sie nickte erneut. „Ich musste deinen Horizont erweitern. Eine andere Idee hatte ich nicht. Tut mir leid.“
„Aber meine Stimme“, sagte ich.
„Es ist die Stimme des Meeres. Behalte sie. Als Geschenk von mir.“
Ich starrte Lele einige Momente lang an. Schließlich beugte ich vor ihr den Kopf.
„Hab Dank. Ich werde sie nach bestem Gewissen einsetzen.“
Dieses Versprechen hielt ich. Ich benutzte die Plätscherstimme, um meinem Stamm das Lied des Meeres beizubringen. Von jenem Tag an wurden unsere Traditionen, unser Wissen, und unsere Kultur mit Gesang überliefert – bis heute.
Nach: Die Schöne und das Biest
„Du wagst es, mir gegenüber respektlos zu sein? Elendes menschliches Wesen! Das hättest du nicht tun dürfen. Niemals solltet ihr Menschen vergessen, dass eure Macht im Vergleich zu unserer lächerlich gering ist. Aber du hast es nicht anders gewollt! Stammel hier keine Entschuldigung, dafür ist es längst zu spät, das hättest du dir vorher überlegen sollen! Doch keine Sorge, ich werde dir ein schönes neues Aussehen verleihen. Und vielleicht lehrt dich das ein paar Manieren, denn die wirst du brauchen.
Tairenar, Fokko, Mafoxy!“
Es war einmal vor langer Zeit in einem weit, weit entfernten Königreich. Heute ist dieses Land unter einem ganz anderen Namen bekannt, denn es gibt schon lange keine Könige mehr. Damals jedoch herrschte der siebenunddreißigste König eines alten Adelsgeschlechtes. Er hatte eine Tochter, sein einziges Kind, denn seine geliebte Gemahlin war bei der Geburt verstorben. Es hatte dreizehn Jahre gedauert, bis sich der König für eine neue Frau entschieden hatte und diese saß seitdem an seiner Seite. Und nach zwei Jahren gebar sie ihm einen Sohn.
Somit war die Thronfolge gesichert und der König kümmerte sich nicht mehr darum seine Tochter gut verheiratet zu wissen. Bis eines Tages ein Fennexis vor den königlichen Thron trat und vorgab von einem reichen Grafen gesandt worden zu sein, der tief in den Wäldern in einem Schloss lebte. Das Adelsgeschlecht, von dem die große Fähe sprach, war dem König unbekannt, aber seine Schatzkammer hatte sich in den letzten Jahren beinahe geleert und so wurde er hellhörig. Mit einem wissenden Grinsen bemerkte das Pokémon, dass der Graf nach einer Braut suchte, mit der er in dem herrlichen Schloss leben konnte. Der König war von der Vorstellung des Reichtums so geblendet, dass er das Ehepaar auch in Abwesenheit geehelicht hätte. Doch das Fennexis stoppte den übereifrigen Herrscher und ließ sich stattdessen eine Karte geben, auf der die Fähe die Lage des Schlosses einzeichnete. Und damit verabschiedete sie sich und als die Anwesenden sich interessiert über die Karte beugten, war das Fennexis bereits verschwunden.
Schon am nächsten Tag schickte der König seine achtzehnjährige Tochter zu dem Grafen. Sie protestierte nicht und gehorchte, hatte aber keinerlei Interesse daran einen Unbekannten zu heiraten. Je näher sie der Markierung auf der Karte kam, desto düsterer und unheimlicher wurde der Wald. Das Blattwerk der Bäume verflocht sich über ihr zu einem dichten Gewebe, sodass kaum mehr ein Sonnenstrahl den Boden erreichte und sie im stetigen Zwielicht auf ihrem Pampross ritt. Schließlich öffnete sich der Wald und vor einem hochaufragenden Berg stand ein altes Gemäuer. Es musste mal ein sehr schönes Anwesen gewesen sein, doch nun war es heruntergekommen. Efeu wucherte über das eiserne Eingangstor, wilder Wein bedeckte die Mauern und überall wuchs meterhohes Unkraut. Die Prinzessin konnte kaum glauben, was sie hier sah. War dies wirklich der richtige Weg gewesen? Verwirrt blickte sie noch einmal auf die Karte, aber die Markierung war direkt auf einem Fleck vor dem Berg. Dies musste das Schloss sein, von dem ihr Vater gesprochen hatte.
Sie ließ ihr Pferd im Garten, der schon seit einiger Zeit nicht mehr gepflegt wurde und hob den eisernen Türklopfer an. Das laute Pochen hallte durch das Anwesen und nach einiger Zeit, öffnete sich die schwere Tür mit einem Knarzen, jedoch nur einen schmalen Spalt.
„Wer bist du?“, fragte eine tiefe Stimme auf der anderen Seite der Tür.
„Prinzessin Elisabeth von Wittelstrom“, antwortete die Königstochter. „Mein Vater, der König von Wittelstrom, schickt mich, um den hier ansässigen Grafen kennenzulernen.“
„Und was versprichst du dir davon?“
„Nichts“, erwiderte Elisabeth frei heraus. „Mein Vater dagegen möchte mich mit ihm vermählen.“
„Also bist du nicht freiwillig hier“, schlussfolgerte die Stimme. „In diesem Fall, kannst du wieder gehen. Der Graf hat kein Interesse an einer arrangierten Heirat.“
„Das freut mich, denn ich ebensowenig“, entgegnete sie erleichtert und drehte sich zum Gehen um. Da hörte sie Geflüster aus dem Spalt dringen, so als ob mehrere Personen aufeinander einredeten. Doch was ging sie das an? Sie stieg die erste Stufe der Steintreppe hinunter, da hörte sie ein deutliches „Halt!“
„Dem Grafen ist es unmöglich einen Gast abzuweisen. Deshalb tritt bitte ein“, sprach die tiefe Stimme aus dem Spalt, doch die Einladung klang erzwungen. Elisabeth war neugierig genug, durch die nun geöffnete Tür in das Anwesen zu treten. Die Tür fiel knarzend hinter ihr ins Schloss und nachdem sich ihre Augen an das Zwielicht gewöhnt hatten, erkannte sie ein großes Tornupto neben sich. Vor Schreck erstarrte sie und konnte sich nicht rühren.
„Verzeih, Elisabeth, ich wollte dich nicht erschrecken. Mein Name ist Leopold von Tirn und Toxis.“
„Aber, Ihr seid ein Pokémon!“, entkam es Elisabeth. „Wie ist das nur möglich?!“
„Dies ist eine längere Geschichte, die ich dir gern erzähle. Es sei denn, du möchtest doch lieber wieder gehen.“
Aber Elisabeth wollte die Geschichte hören, denn sie wollte doch wissen, wer ihr da begegnet war. So erzählte Leopold von seinem Fehler vor zwei Jahren, als er im Schmerz um den Verlust seiner durch eine schwere Krankheit verstorbenen Eltern einen Gast an seiner Tür abgewiesen hatte. Zur Strafe hatte das Fennexis ihn und all seine Bediensteten in Pokémon verwandelt. Und sie wussten nicht, wie sie dies rückgängig machen konnten. Er hatte lang in der großen Bibliothek seines Hauses nachgeforscht, aber keinen Anhaltspunkt gefunden. Elisabeth hörte geduldig zu und erzählte schließlich, dass ein Fennexis ihren Vater auf dieses Schloss aufmerksam machte. Deshalb hatte der König seine Tochter hierhergeschickt.
Diese merkwürdige Gemeinsamkeit machte beide neugierig und da es über ihrer Unterhaltung Abend geworden war, entschloss sich Elisabeth über Nacht in dem Anwesen zu bleiben. Sie bekam ihr eigenes Zimmer und freien Zugang zu der riesigen Büchersammlung des Hauses. Aus einer Nacht wurden so mehrere Tage, in der sie schließlich alles erfuhr was in den letzten zwei Jahren geschehen war. In dieser Zeit freundete sie sich mit den Bewohnern des Anwesens an und erkannte auch in Leopold bald einen Freund.
Der König wiederum erhielt keinerlei Nachricht von seiner Tochter und setzte sich schließlich selbst in die Kutsche, um das Schloss zu besuchen. Dort angekommen war er schockiert von dem Zustand des Anwesens und befahl Elisabeth sofort mit ihm zu kommen. Er fühlte sich von dem Fennexis getäuscht und wollte diesen Vorfall so schnell wie möglich ungeschehen machen. Doch seine Tochter weigerte sich und warf ihm vor, von Anfang an nur den Reichtum im Kopf gehabt zu haben. Außerdem hatte sie beschlossen lieber in einem Schloss voller sprechender Pokémon zu leben, um vielleicht doch irgendwann den Zauber brechen zu können, als von ihrem Vater an den nächstbesten reichen Grafen verheiratet zu werden. Der König kochte vor Wut und befahl seinen Rittern die Prinzessin mitzunehmen. Die Männer kamen jedoch gar nicht an das Mädchen heran, denn Leopold stellte sich ihnen mutig in den Weg. Er wollte sie nicht verletzen, sondern nur erschrecken, doch auf Geheiß des Königs schwangen die Männer ihre Schwertern gegen das Pokémon. Leopold wich aus, versuchte sich unter den Hieben hindurch zu ducken und trat immer weiter zurück. Plötzlich erwischte ihn ein Schwerthieb in der Flanke und er fiel mit einem Schmerzensschrei auf den Kiesweg.
„Leo!“, rief Elisabeth erschrocken und rannte zu dem Tornupto.
„Verzeih mir“, keuchte er, „ich habe es nicht geschafft, dich zu schützen.“
Sie hob seinen Kopf auf ihren Schoß und strich ihm über das dunkelblaue Fell. Die verzauberten Diener des Grafen hatten den Tumult gehört und sich erschrocken und voll Angst an der großen Eingangstür gesammelt. Sie wussten nicht, wie sie ihrem Hausherrn in ihrer veränderten Gestalt helfen sollten.
Noch einmal befahl der König Elisabeth mit ihm zu kommen, doch sie weigerte sich erneut.
„Wie kannst du von mir verlangen meinen verletzten Freund hier einfach zurückzulassen!“, schrie sie ihm unter Tränen entgegen.
„Genau, wie kann Euer Hoheit dies nur verlangen“, mischte sich schließlich eine fremde Stimme ein und mitten unter ihnen stand das Fennexis. Sie schwang ihren flammenden Zauberstab und im nächsten Moment waren die Diener des Grafen wieder Menschen. Auch Leopolds Gestalt hatte sich verändert und beim Anblick des männlichen Kopfes in ihrem Schoß errötete Elisabeth unweigerlich.
„Und damit ist mein Zauber gebrochen, denn der verbitterte Graf und die verwöhnte Prinzessin haben gelernt was wahre Freundschaft bedeutet!“, verkündete die Fähe.
Sogleich erhob sich der Graf und hielt der Prinzessin die Hand hin, um ihr aufzuhelfen. Als sie sich gegenüberstanden gab er ihr einen Kuss auf die Hand, bevor er sich vor ihr verbeugte.
„Ich danke dir für deine Freundschaft!“
„Aber nicht doch“, erwiderte Elisabeth, „ich danke dir!“
Der König konnte seinen Augen kaum trauen und wollte bereits wieder den Mund öffnen, als die Fähe mit ihrem brennenden Zauberstab auf ihn zeigte.
„Oh nein, Euer Majestät, eure Rolle in diesem Stück verschwindet nun hinter der Bühne. Tairenar, Fokko, Mafoxy!“ Und im nächsten Augenblick standen der König und seine Ritter vor dem heimischen Schloss. Und all ihre Versuche erneut das Anwesen des Grafen zu erreichen sollten auf ewig erfolglos bleiben.
Und seitdem lebten Leopold und Elisabeth gemeinsam, heirateten schließlich und blieben glücklich bis ans Ende ihrer Tage.