Okay, hierbei handelt es sich um ein Thema, das mich in letzter Zeit mehr und mehr beschäftigt. Und zwar geht es um die moralische Verantwortung, die man als Autor möglicherweise hat, spezifisch um die Verantwortung für gewisse ungute Implikationen, die das eigene Werk möglicherweise haben kann. Wenn ich sage, es geht um moralische Verantwortung, dann heißt das natürlich, dass es mir nicht darum geht, ob ein Werk jetzt gut ist oder nicht. Ebenso geht es nicht – das möchte ich besonders betonen – um die rechtliche Dimension, also ob tatsächliche reale Institutionen jemanden zwingen sollten, auf eine bestimmte Art zu schreiben.
Der Ausgangspunkt, den ich für diese Diskussion erst einmal vorschlagen würde, ist die Begründung der moralischen Verantwortung eines Autors. Entscheidend scheint mir hier besonders der Aspekt zu sein, dass man in der Regel nicht nur für sich schreibt, sondern auch für andere Menschen, das heißt: Andere Menschen werden die Geschichte lesen. Und auch wenn ich nicht sagen würde, dass eine Geschichte die Menschen direkt radikal beeinflussen wird, so bleibt doch am Ende beim Leser vielleicht ein gewisser Eindruck zurück, der ungesunder Natur sein kann. Um ein extremes Beispiel zu geben: Stellt eine Geschichte einen geldgierigen Juden oder einen unzivilisierten und dummen Afrikaner dar, dann kann sich bei einem Leser, der das vielleicht nicht hinterfragt (zum Beispiel, weil es jetzt auch nicht so offensichtlich ist, wie es hier vielleicht klingt), zumindest unterbewusst ein negativer Eindruck von den jeweiligen Gruppen einstellen. Und das scheint mir ein Problem zu sein, dem ein Autor nach Möglichkeit Rechnung zu tragen haben sollte. Die Verantwortung, seine Geschichte auf gewisse Implikationen zu überprüfen, speist sich damit – so scheint es – letztlich aus der Reichweite des Autors: Ein kleiner BisaBoard-Nutzer wie ich, der nur eine Handvoll Menschen erreicht, muss vielleicht weniger aufpassen als ein Autor mit Millionenpublikum (auch wenn ich immer noch nicht frei von Verantwortung wäre).
Was nun notwendig erscheint, ist eine kritische Reflexion über das eigene Werk und das nicht nur in der Hinsicht, ob es gut geschrieben ist, sondern auch in der Hinsicht, welche Implikationen es möglicherweise hat, die ungut sind, einmal vorausgesetzt, dass nicht alles, was letztere erzeugt, auch schlechter Stil ist, sodass es beim Nachdenken darüber, ob das eigene Werk gut ist, auch ausgeschlossen werden würde.
Dem entgegen kann sich natürlich Widerstand regen; man mag vielleicht einwenden, dass so etwas einen Eingriff in die eigene Freiheit darstellt, dass man sich ja insbesondere von äußeren Gegebenheiten anleiten und beeinflussen lässt. Dem gegenüber kann aber wiederum zweierlei entgegnet werden: Erstens, dass man diesen Eingriff natürlich selbst und vollkommen freiwillig aus einer eigenen, selbstkritischen Einstellung heraus vornehmen würde und zweitens, dass man sich dadurch möglicherweise erst wirklich bewusst machen kann, wie man von außen beeinflusst wird – man könnte zum Beispiel hinterfragen, woher denn bestimmte eigene Vorstellungen von bestimmten Gruppen kommen und dann feststellen, dass man da selbst durch gesellschaftlich manifestierte Klischees beeinflusst wurde, von denen man sich erst durch dieses kritische Denken befreit. So gesehen muss es keine Einschränkung der eigenen Freiheit bedeuten, darüber nachzudenken.
Das wären soweit meine Gedanken zu dem Thema. Aber natürlich würde mich interessieren, was ihr dazu sagen würdet. Seht ihr eine derartige moralische Verantwortung bestehen (wenn ja, warum, wenn nein, warum nicht)?
Wenn ja, wie weit genau reicht die Verantwortung eines Autors? Darf man gelegentlich sozusagen eine kritische Leserschaft voraussetzen, die sich in keiner Weise beeinflussen lässt?
Sollte die Hinterfragung derartiger Implikationen ein Teil der Kritik an einem Werk sein oder sollte sich die Kritik nur darauf beziehen, ob das Werk selbst gut geschrieben ist?
Wie steht ihr zu Werken, die vielleicht hier und da zum Beispiel einen rassistischen oder sexistischen Unterton haben, der aber vielleicht nicht beabsichtigt war? Bzw. kennt ihr Beispiele für solche Fälle? Trägt der Autor dann eine gewisse Schuld oder nicht?
Sollte man sich vielleicht sogar umgekehrt bemühen, bisher schlecht oder wenig repräsentierte Bevölkerungsgruppen und Minderheiten in seine Geschichten einzubauen?
Wenn ihr weitere Fragen hinzufügen möchtet oder sonst Anmerkungen zu Dingen habt, die im Startpost stehen sollten, dann könnt ihr das natürlich auch gerne mitteilen.