So, denn. Ich hätte auch nochmal einen Prolog, den sich einer vielleicht angucken sollte. Schonmal Danke im Vorraus =D
Ich beobachtete die Pralinenschachtel auf dem Tischchen vor mir. Es war eine ganz gewöhnliche Verpackung für die schrecklich schmeckenden Süßigkeiten, die aber außer dem kulinarischen Fehltritt auch nichts Sonderbares aufzuweisen hatten. Eine einfache Pralinenschachtel mit dem vor Einfallsreichtum übersprudelnden Titel “Danke“ auf der Vorderseite und, oh Wunder, Pralinen im Innenraum. Wie langweilig. Warum interessierte mich das überhaupt? Da konnte ich mich doch genauso gut vorstellen…
Ich bin Serafin Lefaux, der unglaublich süße Sänger, Schwarm aller Mädchen, grünhaariger Super-Boy, ihr dürft euch einen Titel aussuchen. Um es kurz zu fassen, ich bin das Nonplusultra der Musikbranche und dazu noch äußerst gutaussehend… beziehungsweise, ich bin das Nonplusultra der Musikbranche, weil ich so gutaussehend bin. Zwar sind auch meine Gesangskünste nicht zu verachten, aber die meisten meiner zahllosen Verehrerinnen kaufen meine Alben wohl doch eher aufgrund meiner extrem niedlichen Rehaugen. Oder weil ich im Allgemeinen toll bin, da bin ich flexibel.
Aber nun genug von mir und zurück zu meinem Aufenthaltsort (der übringens überhaupt nicht meinem Niveau entsprach!). Ich saß in einem weichen Sessel, dessen Tannengrün mit dem hellen Grün meiner wunderschönen Haare konkurrierte, um schlussendlich doch zu verlieren. Gegen mich war ein Kampf sowieso prinzipiell hoffnungslos, denn schließlich gewann ich immer. Ich war dazu geboren worden, um zu gewinnen. Meine blasse, feine Hand hielt ein Glas mit Wasser, während ich mir mit der Anderen durch ebenbenanntes Haar fuhr. Die Mädchen liebten diese Geste, nun gut sie vergötterten kategorisch alles, was ich tat, aber das mochten sie besonders. Vermutlich, weil ich so noch verführerischer als ohnehin schon aussah. Das wusste ich, weil mir gegenüber ein Spiegel hing und mich in all meiner Schönheit wiedergab. Ein Wunder, dass das überhaupt möglich war, aber mit Quantenphysik war inzwischen alles möglich… oder war es doch Atomkraft? Egal, wer interessierte sich schon für Wissenschaft, es gab ja Wichtigeres als das.
Zum Beispiel, dass „Danke“ sich zu dem Zeitpunkt an dem ich mein Wasserglas – das Getränk hatte ich übrigens gebraucht, um den schrecklichen Geschmack dieses Etwas (ich weigere mich, es Schokolade zu nennen) von der Zunge zu waschen. Wer war überhaupt auf die hirnrissige Idee gekommen, diese Billigkonfitüre zu kaufen? Eine Erinnerung verriet mir, dass ich selbst es gewesen war. Aber mein Manager hatte diesen Dreck bezahlt. Ich ermahnte mich daran, ihn bei nächster Gelegenheit zu feuern – auf ebenjenem abgestellt hatte, wie von Zauberhand anfing sich zu bewegen und über den Tisch zu schleifen. Ich zog überrascht eine Augenbraue hoch. Das war doch schon interessanter.
Langsam wie auf Schnecken abgestellt glitt die Schachtel, die meines Interesses eigentlich gar nicht würdig war, über die weiße und wie mir nun auffiel extrem hässliche Tischdecke (wo hatte man die bloß her? Die sah aus, wie aus dem Container für alte Stofffetzen geklaut…), ohne dass ich erkennen konnte, welcher Trick hinter diesem Phänomen steckte. Magie? Telekinese? Oder vielleicht doch…
Wie ein Schlag traf mich die Erkenntnis (das ist vielleicht etwas sehr dramatisiert. Es war eher so wie Gähner, aber was tut man nicht alles für Spannungsaufbau…), endlich war mir bewusst wer hinter diesen merkwürdigen Vorkommnissen steckte. Nun wusste ich welches böse Verbrechergenie dieses Schauspiel inszeniert hatte, um an „Danke“ zu kommen. Es gab nur einen, der so gerissen und verbissen, so hinterlistig und gewitzt agierte, der so dreist war, dass er diesen Verbrechensakt sogar vor meinen Augen auszuführen wagte. Aber er hatte einen essentiellen Fehler begangen.
Ich stand auf, schnell wie der Blitz, so kraft- und machtvoll wie es meiner unglaublichen Persönlichkeit gebührte, doch meine Aktionen kamen zu spät! Ich konnte, trotz des großen Aufgebots meiner Kräfte nicht verhindern, dass er seine gierigen Intentionen in die Tat umsetzte. Die Pralinenschachtel bewegte sich rasant auf die Kante des Tisches zu, mit einer weiten Geste versuchte ich, heldenhaft wie es meinem Charakter entsprach, zu retten, was noch zu retten war. Vergebens!
Mit einem Ruck überquerte „Danke“ die Kante des Tisches und fiel. Wäre dies ein Film (vermutlich ein drittklassiger C-Movie, hätte ich nicht mitgespielt), wäre die Schachtel wohl tragisch in Zeitlupe hinuntergestürzt, voller Anmut im Fall. Das Wasserglas wäre in tausend kleine, kristalline Stücke zersprungen, die sich glitzernd ihren Weg ein meine wunderschönen, blassgrünen Augen bahnen würden, sodass ich erblinden und niemals meinen Traum erfüllen könnte, Pianist zu werden, während meine unglaublich hübsche Schwester mit einer Gehirnerschütterung ins Krankenhaus kommen würde, um dann an Amnesie leidend meinen bösen Klon zu heiraten, der aber von einem mutigen Schuhputzer… Moment, ich habe mich verhaspelt.
Auf jeden Fall war das nicht der Sachverhalt. Es war ein dumpfes Geräusch, sowie ein Schmerzensschrei, welcher garantiert nicht menschlichen Ursprungs war, zu hören und das Wasser befeuchtete den Teppich, der wie so oft schon anfangen würde schlimmer zu schimmeln, als dieser komische, französische Käse es je hätte tun können. Ich rannte um den Tisch herum und erblickte den Übeltäter. Eine nasse, blaue Fellkugel, die sich den Kopf mit den zwei dreieckigen Ohren hielt und mich schuldbewusst ansah, offenbar hatte das Glas ihren Kopf getroffen. Jenes lag vor den Füßen des Mampfaxos, denn ein solches war es, zusammen mit der nassen Pralinenschachtel, an der, wie ich jetzt erst feststellte, ein Draht befestigt war. So hatte der Missetäter wohl das Essen zu sich geholt.
„Oh, Mozart…“, seufzte ich und warf ihm einen strengen Blick zu, „…das ist nun schon die dritte Hotelsuite, die du aufgrund deiner Fresssucht in dieser Woche dreckig gemacht hast… und wir haben heute ist erst Dienstag!“