soo, eine neue woche, ein neues kapitel~viel spaß mit
Kapitel 23
Gefangen
3.7.2009- 4.7.2009
Lee öffnet das linke Auge. Es schmerzt, doch er kann es aushalten. Seine Sicht ist ein wenig verschwommen, als er auch das zweite Auge öffnet, sieht er, dass er in einem engen, dunklen Raum liegt, der sich ruckelnd bewegt. ‚Ein Laster oder sowas.‘, schlussfolgert er. Wie lange ist er bewusstlos gewesen? Außer ihm befindet sich nichts hier, auch keine anderen Gefangenen. ‚Konnten Tai und Hagane fliehen? Wo bringen die mich hin?‘, fragt der Blonde sich. Er weiß nicht, wie viel Zeit vergeht, in einer Art Dämmerzustand döst Lee vor sich hin. Seine Hände und Füße sind gefesselt, was ihm nicht viel Bewegungsfreiheit lässt. Der Lastwagen hält kurz an, fährt wenige Momente später weiter. Das Geräusch des Motors hallt auf einmal auf eine merkwürdige Weise wider, Lee glaubt, dass sie in einen Innenhof gefahren sind. Seine Vermutung bestätigt sich, als der Motor nun zur Gänze erstirbt, Schritte nähern sich dem Wagen. Die Heckklappe geht auf. Hände packen seine Fußknöchel und ziehen ihn grob ins Freie. Bevor er seine Umgebung sondieren kann, wird ihm eine Sonnenbrille aufgesetzt, dessen Gläser mit schwarzer Plakatfarbe oder so etwas bemalt wurden. Er sieht nichts mehr. Es ist relativ kühl, es muss also bereits Nacht sein. Seine und die Schritte seines Entführers sind die einzigen Geräusche, die an seine Ohren dringen, dann geht zischend eine Tür vor ihm auf. Lee stößt mit dem Fuß gegen eine Schwelle, dahinter ist es wärmer als draußen, und von den Rändern der Brille her kommt nun ein schwacher Lichtschein. „Nehmt mir mal diese bescheuerte Brille ab.“, verlangt er, als Antwort stößt ihm nur jemand das Knie in den Rücken. „Ah. Gastfreundlich, wie ich sehe.“ – „Du solltest nicht so vorlaut sein, Kleiner.“, eine dumpfe Männerstimme weist ihn zurecht. Lee lächelt nur. „Ich bin nicht vorlaut. Sowas habe ich seit Jahren nicht nötig. Wer seid ihr, dass ihr euch anmaßt, mich gefangen nehmen zu wollen?“ – „Ich glaube, das weißt du genau.“, diesmal antwortet wieder die Frau mit Marias Stimme. Der Blonde schweigt. „Also die Feiglinge von Team Galaktik.“, meint er dann, und wartet auf den nächsten Hieb, um herausfinden zu können, wo sich sein Gegner befindet. ‚Verdammt. Wäre mein Gehör doch so gut wie das von Maria, sie kriegt immer durch bloßes Hinhören genau heraus, wo sich ihre Feinde befinden!‘, flucht er innerlich. Doch es kommt kein Schlag, nur leises Lachen. Spöttisch kanzelt die Frau ihn ab. „Feiglinge? Sind wir Feiglinge, weil wir herausgefunden haben, wo deine Freundin dich treffen wollte, und einen Hinterhalt vorbereiteten?“, irgendwo links, denkt Lee. Dann spannt er die Muskeln an und führt einen waagerechten Tritt in dieselbe Richtung aus. Es ist kurz still, er spürt jedoch keinen Widerstand. ‚Daneben.‘. „Wow, nicht so ungeduldig, Schatzi.“, flötet die Frau, Lee platzt beinahe der Kragen. ‚Sie klingt exakt wie Maria! Wieso hat sie diese Stimme?!‘, fragt er sich. Dann wird er weiter gestoßen. „Du musst diese Grünhaarige sein.“, murmelt er. „Ganz recht. Mein Name ist Commander Venus.“, er spürt, wie sie ihm eine Hand ans Kinn legt und es leicht anhebt. „Wir werden sicher gute Freunde, oder?“ – „Kannst du vergessen.“, ächzt er. Ihre Berührung macht ihn nahezu krank. Niemand außer Maria darf diese Stimme haben.
„Dich kriegen wir schon noch klein. So, viel Spaß.“, Lee verflucht sich selbst, sie haben ihn abgelenkt, sodass er nicht auf seine Schritte achten konnte. Als sie ihm die Brille abnehmen, ist er in einer Art Hotelzimmer gefangen, es gibt keine Fenster, die fensterlose Tür ist aus extrem dickem Metall gefertigt, und die Einrichtung besteht aus einem großen, weiß bezogenen Bett und mehreren Kommoden. „So, du kriegst ab und zu was zu essen, wenn du uns in einem Verhör brauchbare Informationen verschafft hast. Gehab dich wohl.“, sagt Venus, dann herrscht Ruhe. Zitternd vor Wut bleibt Lee eine Weile mitten im Raum stehen. Dann tritt er ins angrenzende Badezimmer herüber und wäscht sich das Blut ab. Die Platzwunde schmerzt tierisch, ist aber nicht so schlimm, dass er es nicht aushalten könnte. „Für wen halten die sich?“, er hat nicht gefragt, wo Hagane und Tai sind, das hätten sie ihm sowieso nicht verraten. Schritt eins: einen klaren Kopf bekommen, das ist wichtiger als irgendwelche Fluchtversuche. Also setzt er sich aufs Bett und schließt die Augen. Doch seine Gedanken schweifen ab, immer wieder muss er an Maria denken. Ein unbekanntes Kontingent an Zeit später klopft es an der Tür. Sie öffnet sich, blitzschnell springt Lee genau in den toten Winkel, sodass niemand, der von draußen reinkommt, ihn auf den ersten Blick sehen kann. Dann will er sich mit ganzem Gewicht gegen die offene Tür werfen, doch er kann sich nicht mehr rühren. „Gut so. Halt ihn fest, Kadabra.“. ‚Schon wieder diese Venus!‘, durchfährt es ihn. Gelassen tritt sie ein und beugt sich vor, damit sie ihn ansehen kann. „Na, wie fühlt sich das an? Sei am besten ganz brav, okay?“ – „Wie du willst.“, sie gibt ihrem Pokémon einen Wink, woraufhin es den Löffel kurt dreht. Lees Beine bewegen sich von selbst, er ist gezwungen, sich neben der Grünhaarigen auf dem Bett nieder zu lassen. „So, ich frage mich, ob Rocky jetzt endlich aufgibt.“ – „Wieso sollte sie?“ – „Weil wir ihren stärksten Trainer gefangen haben. Da wärt ihr nicht drauf gekommen, dass es uns gelingt, diesen Code aus der Zeitung zu knacken, was?“, verächtlich wirft sie Lee eine Ausgabe auf den Schoß, er erkennt Maria sofort. Sein Herz setzt für einige Schläge aus. Sie trägt eine Sonnenbrille, ein merkwürdiges Tattoo und steht vor der Fassade des ehemaligen Polizei-Hauptquartiers. „Botschaft?“, fragt er, Venus streicht sich durchs Haar. „Tu doch nicht so. Die drei Punkte sollen die Seen darstellen, und die obere Ecke vom D zeigt genau auf Ewigenau, wenn man es auf die Karte projiziert.“, leise beginnt Lee, zu lachen. „Ich bin beeindruckt. Ihr habt eure Köpfchen angestrengt und seid- wie immer- zum falschen Schluss gelangt. Sie wollte mich nie in Ewigenau treffen.“ – „Lüg mich nicht an, mein Liebling.“, flüstert Venus, erneut setzt Lees Herz aus. ‚Die Stimme.‘. „Ja, ich weiß, dass ich dich an sie erinnere. Schließlich hat sie das in Weideburg gründlich ausgenutzt. Schockierend, nicht wahr?“ – „Sei still.“ – „Aber, aber. Lee, wir werden sicher gute Freunde.“, wiederholt sie, dabei eine etwas höhere Stimmlage anschlagend, die er ebenfalls zu gut von Maria kennt. „Ich sagte, sei still, oder du bereust es. Du hast nicht das Recht, ihre Stimme zu benutzen.“, knurrt der Eisbrecher. Venus erhebt sich. „Oh, wenn du dich da mal nicht täuschst. ICH habe die Fäden in der Hand, du wartest hier bloß, bis wir mit den Verhören anfangen.“ – „Du glaubst wirklich, ich sei der Stärkste aus Rockys Team.“ – „Keine falsche Bescheidenheit, bitte. Von jedem deiner kleinen Freunde haben wir eine Menge Daten gesammelt, und eine Skala erstellt, die eure Gefährlichkeit einstuft. Du stehst ganz oben.“ – „Daten. So ein Scheiß. Ich habe die meisten Turniere gewonnen, mehr nicht. Wenn Maria hier auftaucht, habt ihr ein echtes Problem.“ – „Du bist sicher, dass sie kommt, oder?“, Lee lächelt grimmig. „Darauf kannst du wetten. Und dann retten dich nicht mal mehr sämtliche bekannten Götter der alten Mythologie.“, Venus beugt sich zu ihm herunter. „Was ist, wenn wir sie schon haben? Wenn sie in diesem Moment in der Zelle direkt neben dir liegt? Ganz allein? Hm? Was machst du dann?“ – „Du solltest dir mal selber zuhören. Träum weiter. Das Mädchen kriegt ihr nicht. Sie ist lange nicht so nachlässig wie ich. Um sie einzufangen, braucht ihr eine sehr viel bessere Idee, als so einen kleinen Hinterhalt.“ – „Hilf mir, Schatz… ich fühle mich so einsam…“, haucht Venus, und Lee spürt, wie sein Hass für sie ins Unermessliche wächst. „Das wirst du büßen.“, doch sie lacht nur und macht sich auf den Weg zur Tür. „Wir sprechen uns nachher noch. Bis dahin genieß deine Zeit hier. Schlaf schön.“, mit einem letzten, hämischen Blick schließt sie die Tür hinter sich, welche mit einem entmutigend heftigem Geräusch einrastet. Das Kadabra teleportiert sich aus dem Raum, und der Trainer ist wieder allein.
Seufzend lässt er sich aufs Bett sinken. Mit einem Blick hat er erkannt, dass er ohne Hilfe wohl hier nicht rauskommt, es sei denn, bei den Besuchen macht irgendwer einen dummen Fehler. Bis dahin bleibt ihm aber nichts anderes übrig, als zu warten und sich auszuruhen. Lee schließt die Augen. ‚Du musst ruhig werden, damit du dir was ausdenken kannst. Die hat nur Marias Stimme, mehr nicht.‘, sagt er sich. Es dauert nicht lange, dann hat er exakt Marias Bild vor Augen. Ihr braunes, bis über die Schultern fallendes Haar, die dunkelblauen Augen, der sanft geschwungene Mund, ihre schmale Nase, die weiche, gebräunte Haut und ihren typischen, nachdenklich-amüsierten Gesichtsausdruck. Beinahe kommt es so vor, als wäre sie bei ihm, würde ihren langen, perfekten Körper an ihn schmiegen. Verdammt, wie er sie vermisst! Er hat sie noch nie gefragt, wo der Rosenduft in ihrem Badezimmer herkommt, fällt ihm ein. Das würde er nachholen, sobald sie wieder bei ihm wäre. ‚Was denkst du nur für dummes Zeug. Ist doch im Grunde egal, wo der herkommt.‘, belächelt Lee sich selbst. Er ist sich sicher, dass sie genau so empfindet. Wahrscheinlich ist sie in diesem Moment schon auf dem Weg, um ihn zu suchen. Langsam driftet Lee in eine Traumwelt hinüber.
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‚Komisch. Wo bin ich?‘, der Blonde findet sich an einem glasklaren See wieder, mitten auf einer gigantischen Wiese. Er trägt außer einem weiten, weißen Mantel nichts am Leib, eine leichte Brise spielt mit seinem Haar. Lee merkt, dass seine Wunde verschwunden ist. ‚Das ist doch der See, an dem ich letztes Jahr mit Maria war. Das muss ein Traum sein.‘, nachdem er das gedacht hat, kräuselt sich die Oberfläche des Sees leicht. Ein leises Rascheln hinter ihm lässt ihn herumfahren. Maria steht vor ihm, sie trägt einen schwarzen Kimono, ihre Haare wehen leicht im Wind. Lee macht einen hastigen Schritt auf sie zu, doch sie nimmt ihre typische Kampfhaltung ein: Einen Arm vorgestreckt, die Handfläche auf ihn gerichtet, den anderen Arm winkelt sie an, ballt die Faust. Dabei geht sie seitlich leicht in die Knie. „Maria!“ – „Lee.“, ihre Stimme klingt wie ein Glockenspiel, zugleich nah und doch weit entfernt. „Wie hast du mich gefunden?“ – „Habe ich nicht.“ – „Das…“, er stockt, sieht sich kurz um. „Das ist ein Traum, habe ich Recht?“. Sie nickt nur stumm, weicht dabei einen Schritt zurück. Lee schließt kurz die Augen. „Warum bin ich hier?“ – „Weil du hier sein willst.“ – „Ich will zu dir. Aber du lässt mich nicht. Ich verstehe das nicht.“ – „Du hast doch gesagt, es sei nur ein Traum.“, lächelnd legt sie den Kopf schief, einige Strähnen fallen ihr ins Gesicht. „Das weiß ich auch. Team Galaktik hat mich, und ich bin eingeschlafen.“ – „Aber wenn du mich jetzt umarmst, wachst du nur umso enttäuschter auf.“ – „Das weißt du nicht. Vielleicht kann ich mich dann besser mit der Situation abfinden.“ – „Wir wissen beide, wie du tickst. Ich fühle genauso. Das hier ist nicht echt.“ – „Warum willst du kämpfen?“ – „Damit du zur Besinnung kommst. Du hast die letzten Stunden nur an mich gedacht, das weiß ich genauso gut wie du. Du musst anfangen, über deine Situation nachzudenken. Die mögen zwar im Kampf schwächer sein als du, aber momentan sind sie im Vorteil. Sie können dich verhören. Sie können dich foltern. Sie können dich sogar töten, wenn sie es wollen. Und das könnte ich mir nie verzeihen.“, auf ihre Worte hin seufzt Lee schwer. „Du hast wie immer Recht. Aber ich komme aus diesem verdammten Zimmer nicht raus.“. Lee nimmt seine Kampfhaltung ein, springt dann mit aller Kraft auf Maria zu. Im letzten Moment weicht sie aus, packt sein Bein, dreht sich damit einmal um die eigene Achse und wirft ihn in den See. Sie bleibt am Ufer stehen, bis er wieder an Land geschwommen kommt. Sie kämpfen eine Weile miteinander, ein Beobachter könnte meinen, sie studieren einen Tanz ein. „Das Wasser fühlt sich aber verdammt echt an.“ – „Wasser ist immer Wasser. Flüssig, durchsichtig, es spendet Leben und kann es wieder nehmen.“, antwortet sie, und richtet dann beide Arme auf den See. Als sie sie hochnimmt, folgt eine gigantische Wasserblase ihren Bewegungen, schimmernd hängt sie über Lees Kopf. Er springt ab, landet einen Schritt hinter ihr, zielt auf ihre Kniekehlen und tritt zu. Doch sie ist zu schnell, bringt sich mit einem Rückwärtssalto in Sicherheit, und lässt das Wasser gefrieren. Pfeile aus Eis rasen auf den Blonden zu.
„Was ist los mit dir? So zimperlich bist du normalerweise nicht.“, merkt sie an, als Lee sich vor den Pfeilen rettet. Blitzschnell zieht er zwei davon aus dem Gras, schleudert sie in Marias Richtung, und springt hinterher. Sie reißt reflexartig die Arme hoch, die Pfeile verflüssigen sich, doch sie hat unwillkürlich die Augen zugekniffen, und Lee nutzt ihre Unachtsamkeit. Er packt ihre Schulter, doch bevor er den Angriff fortsetzen kann, hat sie sich seinem Griff entwunden und fegt ihm mit einem Tritt die Beine unter dem Körper weg. Im Fall umklammert Lee ihre Hand, reißt sie mit sich, und rollt sich ab. Bevor sie aufschlägt, stützt sie die Hand auf den Boden und katapultiert sich ebenfalls wieder in die Senkrechte. Lächelnd streicht sie über seine Brust. „Genau richtig. Nutze die vermeintlichen Stärken des Gegners zu deinem Vorteil, schlage zu, wenn er es nicht erwartet. So kannst du siegen, auch, wenn alles verloren scheint.“ – „Das hättest du mir auch einfach sagen können.“ – „Aber das ist ein Traum. Dein Traum. Du wolltest den leichten Weg von vornherein nicht, und das finde ich gut so.“ – „Ich wünschte, ich könnte einfach hier bei dir bleiben, bis das Ganze vorbei ist.“, antwortet er. Maria schüttelt den Kopf. „Das geht leider nicht. Schon bald wachst du auf, aber ich verspreche dir, wir finden dich.“ – „Wir? Wer ist noch bei dir?“ – „Lucia. Ich habe sie in Herzhofen getroffen. Schon morgen treffen wir in Ewigenau ein.“ – „Nein. Nicht!“, er ist bestürzt. Sie würde direkt in Venus´ Falle laufen. „Venus hat deine Nachricht falsch interpretiert. Nur deswegen hat sie den Hinterhalt gelegt. Die warten auf dich!“, ihre Augen verdunkeln sich. „Umso besser. Sie werden es büßen, was sie uns angetan haben.“ – „Begreifst du es nicht? Das sind nicht nur ein paar kleine Fische!“, die Sorge um sie frisst ihn schier auf, er darf nicht zulassen, dass Maria ihnen auch noch in die Falle geht. „Was du mir hier sagst, spielt sowieso keine Rolle. Es ist nur ein Traum.“, sie schaut auf den See hinaus. „Ich muss gehen.“ – „Nein.“, Lee will es nicht wahrhaben. „Es hat so real gewirkt…“ – „Ich sollte dir mitteilen, worauf es jetzt ankommt, und das habe ich geschafft.“, ohne einen Laut erhebt sie sich. Er packt ihren Arm und hält sie zurück. „Bleib hier. Bitte.“ – „Die Zeit läuft ab.“ – „Es ist ein Traum, oder nicht? Wie kann die Zeit ablaufen?“ – „Du kannst schon jetzt kaum mehr loslassen. Wenn ich länger bleibe, wirst du mich umso stärker dabehalten wollen.“, mit traurigem Blick sieht sie auf ihn herunter. Dann schließt Maria die Augen und setzt sich neben den Trainer. „Na schön. Ich will es schließlich auch.“, flüstert sie. „Nur ein Kuss. Dann werde ich mich damit abfinden.“ – „In der nächsten Nacht wirst du mich sowieso wieder rufen. Was bringt dir denn ein Traumkuss?“, fragt sie lächelnd. Lee lächelt zurück. „Werden wir nicht herausfinden, wenn wir es nicht versuchen, meinst du nicht auch?“ – „Du kriegst immer, was du willst, habe ich Recht?“ – „Das weißt du doch am besten.“, auf seine Worte hin lacht sie. Er wendet ihr den Kopf zu, erstarrt in der Bewegung. Sie trägt den Kimono nicht mehr, sondern einen ihm bisher unbekannten, schwarzen Bikini, der sich vorteilhaft ihren weiblichen Rundungen anpasst. „Huch!“, entfährt es ihm. „Was „Huch!“? Gefällt er dir?“ – „Den kenn ich noch gar nicht. Äh…klar, wem sollte sowas nicht gefallen?“ – „Dann bin ich beruhigt.“, langsam lässt sie sich zurücksinken und hebt eine Braue. „Stehe zu Diensten.“ – „Das kann doch kein Traum sein, es sei denn…“ – „Es sei denn, du hast ein richtig, RICHTIG…“, mit jedem Wort kommt sie ihm ein Stück näher. „…fantasievolles Unterbewusstsein. Du musst wissen, Träume entstehen, weil…“ – „Ich weiß, wie Träume entstehen. Aber wieso hast du etwas an, was ich noch nie zuvor gesehen habe?“, sie scheint einige Momente nachzudenken.
„Ich hätte da eine Erklärung, aber darauf musst du selbst kommen.“, ihr Mund befindet sich nur Zentimeter von seinem entfernt. Doch kurz, bevor sie ihn erreicht hat, löst sich Maria in Luft auf, der See und die Wiese verschwinden ebenfalls, Lee fällt in ein schwarzes Nichts.
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Bevor er die Augen öffnet, weiß er, wo er sich befindet. Fluchend erhebt er sich und sieht sich um, dabei fällt ihm auf, dass seine Pokébälle nicht hier sind. ‚Wahrscheinlich haben sie die irgendwo versteckt, damit ich nicht so leicht abhauen kann.‘, sagt er zu sich selbst. Dann geht er in sich und versucht, in sich hinein zu horchen. Auf einen Fehler warten, die gegnerischen Schwächen ausnutzen oder gar ihre Stärken zu den seinen machen. ‚Danke, Maria.‘, nach diesen Gedanken setzt er sich im Schneidersitz aufs Bett, legt die Hände zusammen und atmet tief aus.
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4.7.2009
Kraterberg
Es ist Nacht. Die Gegend ist still, sehr still. Nur der Wind pfeift zwischen den Felsspalten und Berggipfeln umher. An einem der vielen Kliffs ist ein kleines Zelt aufgebaut, es steht gefährlich nah am Abhang. Im Inneren haben sich zwei junge Frauen eng aneinander gekuschelt, um keine Erfrierungen zu riskieren. Maria erhebt sich, blickt einen Moment auf Lucia herunter, und deckt sie dann zu. Anschließend kriecht sie leise aus dem Zelt, kneift kurz ob des Windes die Augen zusammen und starrt in die Nacht hinaus. ‚Es war nur ein Traum. Du kannst ihn erst küssen, wenn du ihn befreit hast.‘. Aber es war so real gewesen! Als würden sie wirklich mit einander reden. Die Sonne geht langsam auf, und Braunhaarige sieht ins Tal hinunter, wo irgendwo in den tiefen Wäldern Ewigenau liegt. Der Schatten des Kraterbergs zieht sich noch viele Kilometer tief ins Land hinein. „Maria?“, ihre Freundin ist aufgewacht und kommt verschlafen ans Licht des anbrechenden Tages. „Guten Morgen.“, antwortet die Angesprochene leise. „Morgen. Hast du gut geschlafen?“ – „Ja, habe ich. Und du?“, sie sehen sich in die Augen, die Blauhaarige lächelt. „Ich auch.“ – „Mein Traum…Lee kam darin vor. Er hat gesagt, Team Galaktik wartet in Ewigenau auf uns.“, Lucia überlegt kurz. „Sollten wir dann einen anderen Weg gehen?“ – „Nein. Ich bringe uns da schon rein. Hagane wartet auf uns.“ – „Und du bist sicher, dass du mich begleiten willst?“ – „Klar doch. Ich lasse meine kleine Schwester doch nicht alleine gegen die Bösen kämpfen!“, scherzt sie. Maria blinzelt, doch sie lächelt nicht. „Ich bin aber älter als du.“ – „Das ist ja der Scherz daran.“, die Koordinatorin rutscht ein wenig vor, sodass die beiden jetzt nebeneinander an der Klippe sitzen. Ihre Schenkel berühren sich. „Im Traum habe ich ihm gesagt, er soll nicht überstürzen und sich darauf konzentrieren, wie er aus seiner Lage das Beste machen kann. Das sollten wir auch tun.“ – „Training, meinst du?“ – „Auch. Ich habe diese Fähigkeiten nicht umsonst. Es ist bestimmt nicht leicht, aber ich kann sie verbessern. Du hast gesehen, wie ich dich vor dem Sturz gerettet habe, ich kann sogar Menschen manipulieren. Wenn ich das perfektioniert habe…“, ihr Blick verdunkelt sich unmerklich. Lucia lehnt sich an sie, um Maria Trost zu spenden. „…dann hält mich niemand mehr auf.“. ‚Und ich kann Lee ohne Probleme retten.‘, fügt sie in Gedanken hinzu. „Dich werde ich auch beschützen.“, verspricht sie. „Du hast Lee im Traum gesprochen?“ – „Ja. Das war sowas von komisch…beinahe, als wäre das wirklich er. Verstehst du? So einen realen Traum hatte ich noch nie.“ – „Denkst du, er hat auch von dir geträumt?“, fragt Lucia leise.
„Da bin ich sogar fast sicher.“ – „Das ist wirklich romantisch, weißt du das? Ein Paar, das getrennt ist…im Traum vereint…himmlisch!“, seufzt sie. Maria zieht eine Braue hoch. „Noch romantischer wärs, wenn wir zusammen sein würden.“, woraufhin Lucia in gespielter Überraschung die Augen aufreißt. „Also wirklich! Woran denkst du gerade?“ – „Nichts.“, ein leichtes Lächeln umspielt die Lippen der hochgewachsenen Brünetten. Lucia merkt, dass sie dabei ist, wieder aufzutauen.
„Sag schon. Vor mir brauchst du nun wirklich keine Geheimnisse zu haben.“ – „Könnte ich auch gar nicht. Also, ich habe an etwas wirklich, WIRKLICH Romantisches gedacht.“ – „Was man bevorzugt nachts tut?“ – „So in etwa.“, nun stößt die Koordinatorin Maria mit dem Ellbogen in die Rippen. „Hey, du bist ja eine richtige Draufgängerin geworden! Erzähl, wie wars?“, doch ihre Freundin errötet. „Ich glaube nicht, dass man sowas ausgiebig…“ – „Warum nicht? Ist doch nichts dabei!“ – „Die Details erspar ich dir. Aber…“, sie beugt sich zu Lucia herüber und flüstert ihr etwas ins Ohr. Die Augen der Blauhaarigen weiten sich, sie wird nun ebenfalls rot. Geschockt sieht sie Maria an. „Nein! Du hast…?“ – „Doch, wenn ichs dir sage! Pass auf…“, sie flüstert weiter, und als sie geendet hat, starrt sie mit rotem Gesicht auf ihre Beine. „Ihr seid ja…“ – „Bitte, es ist mir nicht peinlich, darüber nachzudenken oder mir so etwas zu wünschen. Aber darüber geredet habe ich noch mit niemandem.“ – „Macht er sich denn gut?“, will Lucia wissen. „Ja. Lee ist…wirklich geduldig. Ich habe ihn angebettelt und gefleht. Es war…“ – „Unglaublich.“, hilft die Blauhaarige aus. Maria nickt. „Ja. Mehr als das.“ – „Danke, dass du es mir erzählt hast. Ich weiß, wie verschlossen du normalerweise bist.“, ihre Hände suchen und finden sich, gemeinsam sehen die beiden den Berg hinunter. „Machst du in Einall eigentlich deine Wettbewerbe weiter?“ – „Vermutlich, ja. Das ist eine Herausforderung, die ich mir nicht entgehen lassen will. In Einall gibt es so viele neue Pokémon zu entdecken.“ – „Sieht aus, als würden wir uns nach diesem Abenteuer erneut trennen.“ – „Beim letzten Mal hat uns das auch nicht umgebracht. Aber diese Abenteuer mit dir sind wahnsinnig schön, Maria.“, der Braunhaarigen fehlen scheinbar die Worte, sie klemmt die Unterlippe zwischen die Zähne und presst den Mund zusammen. „Ich will niemanden verlieren. Nicht dich, nicht Lee. Ich muss stärker werden.“ – „Ich hoffe, du verlierst dabei deine Menschlichkeit nicht. Es ist nichts Falsches, Schwäche zu zeigen. Es ist auch nicht falsch, die Kontrolle zu verlieren, wenn dich die Trauer übermannt. Aber es ist wichtig, wieder aufzustehen, verstehst du? Sie haben ihn, ja, aber wir sind auf dem Weg, ihn zu befreien. Wir schaffen das.“ – „Hoffentlich geht es den anderen gut.“, flüstert sie. Auf einmal hebt Lucia die freie Hand, ballt sie zur Faust und schlägt Maria sanft gegen die Stirn. „Aua!“ – „Hey. Schau mich an!“, verlangt sie. Verdutzt gehorcht ihre Freundin. „Du sorgst dich um alle Trainer aus Rockys Team. Klar. Aber findest du nicht, dass du Vertrauen in sie haben solltest? Das sind alles keine Anfänger. Du kannst nicht von dir erwarten, sie alle zu beschützen! Wir kümmern uns zuerst um Lee, danach sehen wir weiter.“, eine Weile lang schweigen sie, Maria nimmt mit einem Mal wahr, dass die Blauhaarige sehr viel weiser geworden ist, als sie allein in Sinnoh umherreiste. ‚Sie ist wirklich gewachsen.‘, fährt es ihr durch den Kopf. ‚Und sie hat Recht.‘. Endlich lächelt sie wieder, es ist, als würde ein finsterer Schleier von Maria abfallen. Die Sonne bricht zwischen den Berggipfeln hervor und fällt auf die beiden Mädchen, die mit dem Rücken zu ihr sitzen. „Ich wüsste nicht, was ich ohne dich tun sollte.“, Maria hebt die Hand, die Lucia hält, und küsst den Handrücken ihrer Freundin leicht. „Wahrscheinlich wäre ich vor Rachsucht einfach da rein gestürmt. Auf diese Gedanken hätte ich selbst kommen müssen. Zusammen sind wir unschlagbar.“, ihre Freundin legt den Kopf schief und scheint zufrieden mit dem, was sie sieht. „Das ist die Maria, die ich kenne! Willkommen zurück.“, strahlt sie. Die letzten Stunden waren eisig gewesen, größtenteils hatte Maria mit dem Ausarbeiten von Racheplänen zugebracht, oder mit Fantasien davon, was sie ihren Feinden antun würde. ‚Wahrscheinlich wende ich einiges davon noch an. Aber ich kann wieder klar denken.‘.
Wenig später haben die beiden einen kleinen Campingkocher aufgebaut und machen sich Frühstück. Ringsum sind ihre Teams mit ihrem Essen beschäftigt; Zorro, Marias Galagladi, sitzt, wie üblich, ein wenig abseits. Garados und Milotic teilen sich ihr Mahl, genauso wie die beiden Plinfas, die sich hervorragend verstehen. Togekiss, Mamutel und Pachirisu sitzen ebenfalls beieinander, Haspiror allerdings scheint keinen Hunger zu haben. „Was ist mit deinem Haspiror?“, will Maria wissen, als es das merkwürdige Verhalten bemerkt. „Oh, es hat Liebeskummer. Sein Pikaschatzi verweilt weit weg in der Einall-Region.“, flüstert Lucia, woraufhin die Braunhaarige dem kleinen Wesen einen bedauernden Blick zuwirft. „Sie kommen sicher wieder zusammen.“ – „Klaro!“, lacht die Koordinatorin. Maria lässt sich wieder an der Klippe nieder und lässt ihre nackten Beine herunterbaumeln. Kalt ist ihr nicht, obwohl sie nur die Hotpants trägt. „Wie ist denn diese Hagane so?“, will Lucia dann wissen. „Naja, wie eine kleine Schwester halt, sie war anfangs immer darauf bedacht, Situationen, in denen Lee ihr etwas Gutes tat, auszunutzen. Sie haben sich wohl ewig nicht gesehen, darum ist das verständlich, denke ich. Aber im Laufe unserer Reise ist auch sie größer geworden, wir kommen mittlerweile sogar relativ gut aus.“ – „Und…“, Lucia wirft Maria einen kurzen Blick zu. „…deine Eltern? Du hast sie noch nie erwähnt, das ist mir schon öfters aufgefallen.“ – „Irgendwann fragst du danach, das habe ich gewusst.“, antwortet sie leise. Dann lehnt sie sich zurück und stützt sich mit den Händen auf dem Fels ab. Langsam stößt sie den Atem aus und schaut Lucia an. „Ich weiß nicht, wo genau ich herkomme. In meiner frühesten Erinnerung spiele ich Verstecken mit irgendjemandem, ich weiß, dass der- oder diejenige gut ist, aber ich habe ein gutes Gefühl, dass ich dieses Mal gewinne. Wir spielen auf einer großen Wiese, vielleicht ist das unser Garten. Überall stehen Büsche herum, aber ich sehe das Haus nicht. Ich kann mich nicht mal mehr daran erinnern, wo das war.“, sie zieht die Beine an, umschlingt sie mit den Armen und legt das Kinn auf ihre Knie. „An meine Eltern kann ich mich gar nicht erinnern. Mit der Zeit sind ihre Gesichter genauso verblasst wie alles andere auch. Irgendwann, als ich schon ein wenig größer war, bin ich auf der Straße aufgewacht, und habe das Kämpfen gelernt. Ein kleines Mädchen, ganz allein, soll auf der Straße überleben? Ich dachte erst, das sei unmöglich, aber ich habe es auf die harte Tour durchgehalten.“ – „Das muss wirklich schlimm für dich gewesen sein.“ – „Es geht. Ich war stolz auf mich, stolzer, als es vielleicht angebracht war, und bin so arrogant geworden, wie man nur irgendwie sein kann.“. Sie verschweigt, dass ihre Arroganz durch ein Schlüsselereignis in ihrem 15. Lebensjahr komplett ausgelöscht wurde, ihr Wesen hatte sich damals ins genaue Gegenteil verkehrt. Die entstandene Schüchternheit konnte erst durch Lucias Hilfe bezwungen werden. „Vermisst du deine Eltern?“, Lucias Stimme ist leise, als würde sie mit zu lautem Sprechen Marias Gefühle verletzen. Doch Maria schüttelt den Kopf. „Ich weiß es nicht. Wie kann man etwas vermissen, was man nie wirklich gekannt hat? Klar, ich habe keinen sicheren Hafen, in den ich mich ab und zu zurückziehen kann, aber Lees Gegenwart ist mehr als ausreichend. Er ist meine Familie.“ – „Denkst du, sie leben noch irgendwo, und warten auf dich?“ – „Ich weiß es nicht. Und selbst, wenn es so ist, ich glaube nicht, dass sie mich erkennen oder gar wieder aufnehmen würden.“ – „Sie müssen doch heißen, wie du, oder? Hast du mal im Telefonbuch nachgeschaut?“, Maria schüttelt den Kopf. „Nein. Maria Jou ist ein Name, den ich mir selbst gegeben habe. Jou, das Spiel, um über die Erfahrungen auf der Straße hinwegzukommen. Maria, die Geliebte…weil ich mir das so oft gewünscht habe.“, den letzten Teil sagt sie beinahe flüsternd. „Wenn das nicht dein richtiger Name ist, kannst du im Telefonbuch nicht nachschauen, das stimmt.“ – „Macht nichts. Ich bin all die Jahre ohne sie ausgekommen.“, die Braunhaarige verzieht die Lippen zu einem Lächeln, um Lucia zu zeigen, dass es gut so ist, wie es ist.
Mit einem geschmeidigen Sprung ist Maria auf den Beinen und sieht sich um. Ihre Partner sind mit dem Essen fertig, ihre Blicke richten sich auf die Braunhaarige. „Gut. Ich würde sagen, wir beginnen mit dem Abstieg. Seid ihr soweit?“ – „Also, wir sind allzeit bereit.“, sagt Lucia, die ihre Pokémon soeben- bis auf Plinfa- in ihre Bälle zurückruft. Maria tut es ihr gleich, doch nach dem ersten Schritt schon packt Lucia sie am Handgelenk. „Stimmt was nicht?“, die Koordinatorin antwortet nicht sofort, sie scheint erst ein wenig Mut anzusammeln. „Ich…ach, nicht so wichtig.“, sie lässt Maria los und schaut auf ihre Füße. „Was ist denn?“ – „Gar nichts! Hahaha! Wir können los!“, doch dem nervösen Gelächter entnimmt Maria, dass doch irgendwas sein muss. „Sag schon. Du brauchst auch vor mir keine Geheimnisse zu haben.“, wieder breitet sich Schweigen zwischen den beiden aus wie ein dünner Vorhang, dann fasst Lucia einen Entschluss. „Wenn du…diese Wasserkontrolle auf Menschen anwenden willst, musst du ein starkes Gefühl haben, oder?“ – „Ja, ich habe es in letzter Zeit ab und zu mal wieder versucht, es aber nicht mehr geschafft.“ – „Wenn du…üben willst oder so, ich stelle mich gern bereit.“, Maria verneint. „Auf keinen Fall. Ich werde dir nicht die Kontrolle über deinen Körper nehmen, nur, um darin besser zu werden. Ich will dich nicht manipulieren.“ – „Du manipulierst mich nicht, wenn ich einverstanden bin.“ – „Aber es erscheint mir falsch.“ – „Wenn es dich stärker macht, sehe ich da kein Problem. Lass es dir durch den Kopf gehen, ja?“ – „Mach ich.“. ‚Wieso eigentlich nicht? Sie hat sich sogar bereit erklärt! Das wäre die Chance, deine Fähigkeiten weiter auszubauen.‘, fährt es der Brünetten durch den Kopf.
Langsam richtet sie die rechte Hand auf Lucia, welche kurz schluckt und sich bereit macht. Dann breitet sie die Arme aus. Maria versucht, ihre Gefühle aus der letzten Nacht wieder aufleben zu lassen, den Zorn, die Verzweiflung, die Trauer. Mühelos gelingt es ihr, mit einem Mal spürt sie, wie eine mentale Verbindung zu Lucias Körper hergestellt wird. Eine Träne läuft ihr die Wange herunter. Sie ballt die Faust. Ihre Freundin zittert ein wenig, ihre Arme fallen schlaff herunter. „Au, nicht so fest!“, ächzt sie, woraufhin Maria die Finger wieder spreizt. „Es tut weh?“ – „Ja, wenn du zudrückst, verkrampft sich mein Inneres.“, erschrocken lässt Maria die Verbindung fahren, tritt zu ihr hin und legt ihr eine Hand auf den Bauch. Lucia atmet schwer. „Das wollte ich nicht! Es tut mir leid.“ – „Nein, schon gut, du brauchst Übung.“, entschlossen stellt sich die Blauhaarige wieder so hin wie zuvor. Ihr Plinfa sieht zu, scheint nicht sicher zu sein, was es davon halten soll. „Ich passe auf.“, verspricht Maria, nimmt diesmal beide Hände, um die Kontrolle besser im Griff zu haben. ‚Ich könnte es mir nicht verzeihen, wenn ich ihr was tue. Vorsichtig jetzt!‘. Als sie beide Hände nach oben nimmt, hebt Lucia ihre Arme ebenfalls. Das Heben des Zeigefingers zum Beispiel führt dazu, dass Lucia eine Hand hochnimmt. „Das ist relativ leicht, wie eine Art Puppenspiel.“, murmelt Maria, bewegt testweise nacheinander alle Finger und probiert verschiedene Kombinationen aus. Dann fällt ihr ein, dass die Hilfestellung ihrer Hände nur dabei hilft, die Energie zu fokussieren, die Bewegungen an sich bewirken jedoch nicht, dass sich Lucia anders bewegt.
„Warte.“, Maria steht einige Momente lang nur still am Abhang des Berges, als sie die Augen öffnet, merkt Lucia, dass sie nun sogar richtig weint. „Maria?“ – „Schon gut.“, die Stimme der Trainerin ist kaum hörbar, sie verschränkt die Arme vor der Brust und scheint sich heftig zu konzentrieren. Lucia fühlt ein Kribbeln überall, dann sieht sie, wie sich ihre Hände heben. Ihr Körper fühlt sich an, als würde sie etwas nach oben ziehen. „Was…“, ihre Füße lösen sich vom Boden. Sie schwebt! „Unglaublich!“, ruft sie, dabei sieht sie, dass Maria immer mehr Tränen über die Wangen laufen. ‚Sie muss wahnsinnig starke Gefühle haben, um das hier aufrecht zu erhalten.‘, fällt es Lucia ein. Mitleid überkommt sie. „Bereit?“ – „Für was?“ – „Für einen kleinen Test.“, antwortet Maria leise. Sie nimmt beide Arme nach vorn, ballt die Fäuste und spreizt Zeige- und Mittelfinger, sowie den Daumen ab. Ein Schluchzer schüttelt sie, dann senkt sie die linke Hand, während sie die Finger der rechten alle abspreizt. ‚Was ist das? Diese Kraft…‘, denkt Lucia, ihre Beine fangen an, zu brennen. Dann geht alles ganz schnell. Sie geht tief in die Hocke, kommt kurz auf dem Boden auf, ihre Beine werden durchgedrückt und sie fliegt durch die Luft. ‚Was hat Maria da entfesselt?!‘. Nach einer Flugrolle in 10 Metern Höhe rast sie mit den Füßen zuerst wieder auf den Boden zu, die Arme ausgestreckt, um die Balance zu halten. Doch bevor sie aufschlägt, verlangsamt sich ihr Fall, sanft berührt sie die Erde. Maria wischt sich über Wangen und Augen, Lucia sieht, dass sich zu den Füßen der Braunhaarigen eine kleine Pfütze gesammelt hat. „Das ist unbeschreiblich!“, doch sie ist begeistert und fällt Maria um den Hals. „Es war, als könnte ich fliegen!“ – „Kannst du auch, wenn ich mich konzentriere. Im Kampf passiert dir nichts, ich schwöre es dir.“ – „Du bist echt der Wahnsinn, Maria!“, schwach lächelnd verneigt sich Maria vor ihr. „Ich tue, was immer ich tun muss.“ – „Wie hast du das eben gemacht? Ich dachte, du brauchst deinen ganzen Körper, um die Kontrolle zu wirken.“ – „Dachte ich auch.“, die beiden machen sich auf den Weg, Maria schaut in die Wolken, die von der Morgensonne in den schönsten Farben angemalt werden. „Aber je stärker die Gefühle sind, die ich heraufbeschwöre, umso leichter geht das, auch ohne meine Hände.“ – „Interessant. Und die Gefühle, die du wegen Lee hast, sind stark genug, um…mir fällt grad kein Beispiel ein, aber auf jeden Fall irre stark.“ – „Stark genug, um das zu tun.“, Maria richtet wie beiläufig eine Hand auf Lucias Beine, sie japst nach Luft. „Was hast du getan? Das Gefühl hatte ich eben schon!“ – „Spring.“, antwortet ihre Freundin gelassen. Als Lucia gehorcht, ist sie im ersten Moment geschockt und überrascht. Als wäre die Schwerkraft ein Witz, katapultiert sie sich meterhoch in die Luft, balanciert sich aus, und landet einen Schritt vor Maria. „Ich kann auch deine Muskeln stärken. Früher ging das nur bei mir.“, das Brennen verschwindet. ‚Jetzt müssten ihre Muskeln wieder normal funktionieren. Die Stärkung fordert bei zu langem Gebrauch ihren Tribut, und das will ich ihr nicht zumuten.‘, überlegt Maria. „Jetzt bin ich motiviert! Auf nach Ewigenau!“, jubelt das Mädchen mit den blauen Haaren. „Die sollen uns kennen lernen.“.
und wie immer freue ich mich auf kommentare, verbesserungen, anregungen und sowas alles, man sieht sich :D
mfg
Kori