Selbstmord darf nicht ohne Weiteres toleriert werden, doch man darf Selbstmörder auch nicht alleinschuldig daran sehen.
Vergleicht man die Suizidraten verschiedener Länder, so erkennt man grobe Unterschiede, so ist sie in Russland fast dreimal höher als beispielsweise in Schweden. Sucht man jetzt nach den Gründen dafür, mag man vielleicht zu dem Schluss kommen, dass das Leben in Russland einfach schlechter ist. Das halte ich für einen Trugschluss, denn andere Möglichkeiten werden außen vorgelassen, so ist der Selbstmord in der westlichen Welt vielleicht einfach verpönter und wird hier deswegen nicht so häufig praktiziert. Ich bin kein Soziologe und habe auch keine Daten, um irgendetwas zu untermauern, deswegen werde ich das Ganze mal eher im generellen Maßstab halten.
Ich denke, es ist im Interesse eine Gesellschaft, eine möglichst geringe Selbstmordquote zu haben. Die Selbstmorde sind das Symptom einer kaputten Gesellschaft, doch das Nichtvorhandensein hoher Selbstmordzahlen spricht nicht für eine glückliche Gesellschaft. Was ich damit sagen will ist zunächst folgendes: Gegen Selbstmörder vorzugehen, sie egoistisch und feige zu nennen, im allgemeinen eine ethische Grundsätze aufzustellen, die Selbstmorde verpönen, macht die Gesellschaft nicht besser. Es mag zwar helfen, die Rate zu verringern (wobei mir das angesichts einiger derer, die hier im Verlaufe der Zeit in diesen Thread gepostet haben fraglich erscheint, denn jemanden fertigzumachen und mit Hass zu überschütten, der kurz vorm Selbstmord steht und das hier liest, wird ihn wohl kaum von seinem Vorhaben abbringen), besser macht das die Gesellschaft jedoch nicht, da die Probleme nach wie vor da sind und nur totgeschwiegen werden.
Was viel eher hilft, als diesen Leuten feindselig zu begegnen, wie es hier und auch außerhalb dieses Threads oft geschieht (bezeichnend hierfür ist alleine die Tatsache, dass in den USA Leute für einen Selbstmordversuch zum Tode verurteilt werden können), ist ihnen zu helfen, beispielsweise durch Seelsorge oder ähnliches, wie es heutzutage ya auch in recht großem Umfang geschieht. Ich bin zwar der Meinung, dass auch das lediglich eine Symptombehandlung darstellt, diese ist jedoch besser als bloße Hasstiraden zu schimpfen. Man sollte sich stets darüber im Klaren sein, dass ein Mensch auch dann Probleme haben kann, um die man sich kümmern muss, wenn er keinen Selbstmord begeht. Kommt dann doch jemand mal mit seinem Vorhaben durch und begeht einen Suizid, so schadet er damit seiner ganzen ehemaligen Umgebung, aber er hält den Menschen auch einen Spiegel vor und sagt ihnen somit ins Gesicht: "Du hast es nicht bemerkt, du hast versagt".
Niemand will sich in einer solchen Situation befinden, und ich glaube, das trägt auch dazu bei, dass derart häufig gegen Selbstmord gewettert wird. Denn, wenn wir ehrlich sind, schafft ein Selbstmord immer mehr Probleme, als er löst. Deswegen ist es gerechtfertigt und richtig, gegen Selbstmorde vorzugehen, auch mal mit etwas schärferen Worten. Allerdings darf man hierbei nie in eine unreflektierte Anti-Haltung abrutschen, denn die hilft nicht weiter. Damit meine ich nicht, dass man ab und zu für Selbstmord sein sollte, ich empfinde diese "Lösung" als grundsätzlich falsch. Man muss das Ganze eben nur von Fall zu Fall unterschiedlich bewerten, um auf individuelle Bedürfnisse eingehen zu können. Durchaus gibt es Menschen, die einen Selbstmord ankündigen oder durchführen, um Mitleid zu erregen. In diesem Fall muss man den Menschen dann eben auch mal Mitleid schenken.
Zusammengefasst: Selbstmord löst keine Probleme. Selbstmorde zu verhindern, indem man sie moralisch oder gar juristisch verbietet, löst auch nicht die Probleme der Betroffenen. Beide Ansätze dienen nur zur Flucht, der einzelne flieht vor Problemen, die sein persönliches Leben betreffen und die Gesellschaft versucht, die Probleme aus ihrem Sichtfeld zu schaffen, da sich die Zahlen der Selbstmörder und auch Selbstmörder im Bekanntenkreis schlechter totschweigen lassen, als die Schwierigkeitden dieser Menschen, während sie noch leben.
Wie soll man dieser Problematik also begegnen? Zunächst mal finde ich es, auch wenn das vielleicht nicht den Eindruck gemacht hat, durchaus richtig, wenn man Selbstmorde moralisch verbietet, denn wie gesagt, Selbstmorde dadurch zu verhindern, dass man die Betroffenen toleranter gegenüber Leid macht, löst ihre eigenen Probleme nicht, doch die durch einen Selbstmord erst entstehenden Probleme werden schon gelöst, da sie ya auch überhaupt gar nicht erst auftreten würden. Hier kommt es logischerweise darauf an, wie ein Selbstmord verhindert wird. Ich rede jetzt davon, dass ein Mensch keinen Selbstmord begeht, weil er daran gehindert wird, ohne dass auf ihn besonders eingegangen wird. Sowas geschieht imho leider recht häufig.
Anstelle an ihrer Ethik gegenüber Selbstmördern, sollte die Gesellschaft lieber daran arbeiten, dass Selbstmorde gar nicht mehr nötig werden - das geht vor allem politisch, indem man Maßnahmen für Sozialgerechtigkeit einführt, die Familien stärkt und die Bildung verbessert. Da das hier aber kein Politik-Thread ist, werde ich das nicht weiter ausführen an dieser Stelle.
Meiner Meinung nach gibt es kein Problem, das nur durch einen Selbstmord gelöst werden kann, abgesehen von wirklich harten medizinischen Ausnahmefällen, wie beispielsweise von Vinum benannt - hier muss man dann aber ein anderes Thema besprechen, nämlich das der Sterbehilfe, um das es hier aber nicht geht. Viel eher geht es hier um den "typischen" Selbstmörder, der diese Maßnahme vornimmt, weil er aus psychischen und nicht aus physischen Gründen oder körperlichen Krankheiten in die Lage versetzt wird, diese Ausflucht ergreifen zu wollen. Ist dies nicht der Fall, bedeutet es, dass die Lage, in der sich der Betroffene sieht, aufgrund seiner persönlichen Natur als ausweglos eingeschätzt wird und nicht, weil sie es tatsächlich ist. Für jeden Menschen haben bestimmte Dinge einen anderen Stellenwert, deswegen nimmt es den einen auch mehr mit als den anderen, wenn er oder sie sich in einer schwierigen Lage befindet. Ich möchte hier nicht zu sehr ins Detail gehen, da man an dieser Stelle in diesem Thread schon genug dazu gelesen hat. Lediglich möchte ich mich auf die Seite derer stellen, die behaupten, ein Selbstmord sei zu keiner Zeit die einzige Lösung und niemals die vorzuziehende.
Und bevor mir jetzt vorgeworfen wird, dass ich keine Ahnung habe, wie es ist, in einer solchen Situation zu sein, wie ich es leider in diesem Thread schon öfter lesen musste, will ich nur anmerken, dass man mit solchen Vorwürfen wirklich außerordentlich vorsichtig sein sollte, nicht nur deswegen, weil man da wirklich tief ins Fettnäpfchen treten kann, sondern vor allem, weil es der Diskussion überhaupt nicht hilft. Denn dann impliziert man, dass man der Meinung ist, nur Leute, die schon einmal Selbstmordgedanken gehabt haben, hätten das Recht, sich kritisch über Selbstmord zu äußern, und außerdem führt das dann zu einer dieser abscheulichen Formen von Wettstreiten, in denen Menschen mit einander debattieren, wer denn nun im Leben mehr Leid erlebt hat und sich dann völlig fehl am Platze in einem Sieg sonnen. Glaubt mir. Es gibt genügend Menschen, auch in eurem direkten Umfeld, die diesen "Wettstreit" gegen euch gewinnen würden. Ya, auch dann wenn ihr gerade gedacht habt "Nein, das glaube ich nicht."
Das ist eben einfach keine sinnvolle Basis für eine vernünftige Diskussion. Anstelle anderen vorzuwerfen, dass sie zu glücklich sind, sollte man lieber konkrete Beispiele nennen von Menschen, die sich in einer scheinbar unlösbaren Situation befinden/befanden, und dann gemeinsam mit der Gegenseite mögliche Lösungsansätze erörtern. Das bringt in jedem Fall mehr als ein kindisches "du hast ya keine Ahnung, wie man sich fühlt". Ich würde fast sagen, ein Großteil der Leute, die dieses Thema überhaupt erst öffnen, wissen relativ genau, wie man sich da fühlt.
Noch ein paar Worte zu denen, die Selbstmorde verteidigen:
So etwas kann die Zahl der Selbstmorde erhöhen, da sie sich dadurch in ihrem Vorhaben bestätigt fühlen und somit auch die Hemmschwelle einer Person sinkt, es in die Tat umzusetzen. Das finde ich, gelinde gesagt, scheiße. Auch wenn ich sagte, Selbstmorde moralisch zu verbieten löst die Probleme der Betroffenen nicht, so löst es die Probleme noch viel weniger, sie zu unterstützen.