This Insane Unicorn Inside

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  • Vorwort & Einleitung.



    Hallo und Herzlich Willkommen in meiner kleinen Kurzgeschichten- und Gedichtesammlung. Ich freue mich, dass Du Deinen Weg hierhin gefunden hast, und über ein kleines Feedback, sei es nun über einen Kommentar oder einen kurzen Gästebucheintrag, würde ich mich selbstverständlich ebenfalls freuen. ♥
    -_Insgesamt ist über meine Geschichten und Gedichte zu sagen, dass sie oftmals aus einem Impuls heraus geschrieben wurden, was besonders auf letztere – also meine Gedichte – zutrifft. Ein einzelner Gedanke, eine Situation oder einfach nur der Wille, genau in diesem Moment etwas zu schreiben, reicht häufig schon aus, dass die Inspiration mich überkommt, aber auch Lieder, ganz gleich ob instrumental oder mit Gesang, inspirieren mich. An sich bin ich also nicht anders als jeder Schreiberling auch, vielleicht bis auf die Tatsache, dass meine Gedichte oft innerhalb von wenigen Minuten fertig sind, nachdem ich die Idee zu ihnen hatte. Mag merkwürdig klingen, ist es auch irgendwie, aber ändern kann ich es nicht.
    -_Jedenfalls werdet Ihr in dieser Sammlung verschiedene Werke von mir vorfinden, von denen manche sehr neu und andere wiederum ein paar Jahre älter sind. Ihnen allen gemein ist jedoch, dass sie mir – bis auf einige sehr wenige Ausnahmen – sehr ans Herz gewachsen sind und ich viele von ihnen auch heute noch gerne lese. Ganz zu schweigen davon, dass ich vor allem bei meinen Gedichten immer wieder neue Interpretationsansätze finde.



    Zu dem Titel dieser Sammlung.



    Wie unschwer zu erkennen, lautet der Titel dieser Kurzgeschichten- und Gedichtesammlung This Insane Unicorn Inside. Dies hat unter anderem den Grund, dass ich seit jeher den Film Das Letzte Einhorn und Einhörner generell mag, aber auch, dass ich die Bedeutung von diesen Wesen interessant finde. So sind Einhörner ein Symbol des Guten, der Unsterblichkeit und der Reinheit. Und auch Gedanken, Ideen und die Inspiration sind meiner Meinung nach etwas Unsterbliches, denn zumindest ich habe noch nie die Idee zu einer Geschichte oder zu einem Gedicht vergessen. Desweiteren hat auch jede Idee etwas Reines und ist sozusagen ein unbeschriebenes Blatt, bis man sie schließlich zu etwas anderem formt, ganz gleich, was dieses nun sein mag, und da jede weitere Inspiration einen bereichert und einem Erfahrungen schenkt, sind sie zweifellos auch etwas Gutes, was zumindest ich nie wieder missen möchte.
    -_Warum aber nun This INSANE Unicorn Inside? Nun, laut meinem Wörterbuch bedeutet insane so viel wie wahnsinnig und geisteskrank, aber auch wahnwitzig und unsinnig. Und gerade dies ist es doch, was eine jede niedergeschriebene Geschichte und ein jedes niedergeschriebenes Gedicht ist: etwas Wahnsinninges, Wahnwitziges, das nicht immer einen Sinn ergeben muss und oftmals auch nicht gerade normal erscheint. Oder wie man so schön sagt: Ist nicht jeder ein bisschen verrückt, und braucht man diese Verrücktheit nicht auch ein Stück weit, um glücklich zu sein? (Und im Übrigen bin ich nach wie vor der Ansicht, dass ein jeder von uns solch ein kleines verrücktes Einhorn in seinem Inneren hat – Schmetterlinge im Bauch und den inneren Schweinehund hat man ja immerhin auch das eine oder andere Mal. :D)



    Über mich & das Schreiben.


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    Ich kann mich an keine Zeit erinnern, da ich Wörter, Geschichten, das Schreiben und die Ausgeburten meiner Phantasie nicht geliebt habe. Von frühester Kindheit an war ich fasziniert von Buchstaben und was man mit ihnen ausdrücken kann. Meine Mutter brachte mir, noch bevor ich in die Schule kam, lesen und schreiben bei, und ich habe es geliebt, Schilder, Buchtitel und alles, was mir sonst noch in die Quere kam, vorzulesen. In ein kleines Notizbüchlein kritzelte ich wie wild Buchstaben und Zahlen hinein und sah – so seltsam das auch klingen mag – einen Sinn hinter dem Geschriebenen. Ich erschuf mir meine eigene kleine Welt aus unverständlichen Wörtern, die nur ich begreifen konnte.
    -_In der Grundschulzeit dann kam das richtige Schreiben: von einzelnen Buchstaben über einzelne Wörter und ganze Sätze bis hin zu eigenen kleinen Geschichten in der dritten, vierten Klasse. Wir bekamen ein Buch, in welchem wir Tagebuch führen, Bilder malen oder Kurzgeschichten zu vorgegebenen Themen schreiben sollten, und auch wenn mein Schreibstil damals verständlicherweise nicht sonderlich gut war, lese ich mir auch heute noch gerne durch, wie das alles damals angefangen hat. x3
    -_Die folgenden und ersten vier Jahre auf der weiterführenden Schule schließlich waren im Kontrast zur Grundschule relativ ereignislos und ich habe wenig bis gar nichts geschrieben; stattdessen waren sie geprägt von langen Ausflügen mit meiner damals besten Freundin, bei denen wir uns immer neue Geschichten ausdachten, die wir dann nachspielten und durchlebten. Zu jener Zeit entdeckte ich auch meine große Liebe zu Büchern (und zu Animes btw x3), und zu Beginn der neunten Klasse kehrte dann schließlich auch meine Lust zum Schreiben zurück, die bis heute angehalten hat.
    -_Ganz gleich, ob nun Kurzgeschichten oder Gedichte, Drabbles oder Gedanken über lange Fortsetzungsgeschichten, ich habe immer wieder neue Ideen und meine Phantasie schläft gefühlt nie. Wirklich alles vermag mich zu inspirieren, und auch wenn ich bei inzwischen knapp fünfzig Geschichten angelangt bin, die in ihren Ordnern auf meinem Laptop, in Notzibüchern oder schlicht und ergreifend in meinem Kopf darauf warten, zum Leben erweckt zu werden, finde ich immer wieder neue Inspiration. Das Schreiben und das Ausdenken eigener Welten ist mein Leben, und ohne die Gedanken zu meinen Geschichten und Gedichten wäre ich nicht ich selbst und mein Leben farblos und grau.

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    Neu hinzugekommene Werke sind mit [Blockierte Grafik: http://www11.pic-upload.de/22.12.14/j2texauvkgpc.png] gekennzeichnet. Ein Klicken auf den Titel führt zum jeweiligen Beitrag der Kurzgeschichte oder des Gedichtes.

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    Startpost
    This Insane Unicorn Inside
    von mir


    1
    Was machst Du, wenn die Stadt schläft?
    von Christina Stürmer


    2
    Lied des Mondes
    von Peter Maffay


    3
    Nothing I have ever known
    von Bryan Adams


    4
    Zeitlupe
    von Christina Stürmer


    5
    Circus Monster
    von Vocaloid [Megurine Luka]


    6
    Nemo
    von Nightwish

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    Alle Bilder, die ich in diesem Topic verwende, stammen von The-Starhorse auf deviantART.com. Ich habe sie lediglich bearbeitet und zugeschnitten.

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    ---

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  • 1



    Wenn alles still steht, wenn das letzte Licht erlischt,
    Wer fragt Dich, wie es Dir geht und wie es um Dich steht,
    Und wer fragt sich, wo Du bist?
    Du sitzt auf Deinem Platz, er hat dich irgendwie gefunden
    Und alles ging so rasch.



    Dann wollen wir doch sogleich einmal mit einer kleinen Kurzgeschichte beginnen, die da den Titel ›Fest des Friedens‹ trägt; ein Text, der im Rahmen des neunten Wettbewerbes der Saison '12 entstanden ist, in welchem man ein Pokémonfestival beschreiben sollte. Und wenngleich dies erst meine dritte Wettbewerbsteilnahme überhaupt war (wobei die ersten zwei beide aus dem Jahr 2010 stammen), habe ich es doch irgendwie geschafft, mit meiner Abgabe auf den ersten Platz zu kommen. Das ist mir heute zwar noch immer ein wenig suspekt, zumal der Text doch so einige Fehler aufzuweisen hat beziehungsweise mancherlei Dinge schlicht und ergreifend fehlen (unter anderem die Beschreibungen von Gerüchen), aber dennoch habe ich mich natürlich gefreut, und ich bin auch noch immer ein kleines bisschen stolz. ~
    -_Übrigens kann man bei dieser Kurzgeschichte schon meine Vorliebe für die japanischen Namen von Orten und Pokémon erkennen, die in den letzten anderthalb Jahren stetig zugenommen hat. Von den französischen Anführungszeichen ganz zu schweigen. o:




    Fest des Friedens.



    [font='Tahoma']»Siehst Du das, Reine?«
    -_Die Stimme der brünetten Trainerin war lediglich ein Hauchen, das durch die Luft schwang und ihrem Staunen insofern Ausdruck verlieh, als dass es im bunten Treiben um sie herum nunmehr klang wie ein Flüstern. Ein Flüstern, das so schnell im Stimmengewirr solch vieler verschiedener Leute versank, dass sich das Mädchen kaum sicher war, die Worte tatsächlich ausgesprochen zu haben. Ihr treues Pokémon aber hatte die an es gerichtete Frage sehr wohl gehört und stieß, ob nun als Bestätigung dieser oder als eigene Überraschung, einen sanften, schnurrenden Laut der Entzückung aus. Oh ja, es sah es sehr wohl – das ›Fest des Friedens‹.


    Raimon City war vom Wüstenresort aus kaum wiederzuerkennen gewesen. Es hatte direkt vor ihnen gelegen, umschmeichelt von der langsam dem Horizont entgegen sinkenden Sonne, und doch eine derartige Helligkeit ausgestrahlt, dass es wahrscheinlich noch weithin sichtbar war, ja, vielleicht sogar bis hin nach Hodomoe City. Überall konnte man Quellen des Lichts erkennen, ob es nun leuchtende Lampions waren oder das Glühen feuriger Fackeln, und selbst einige Feuerwerkskörper hatten die Trainerin und ihr Pokémon aus der Ferne erkennen können. Alles in allem ein überragender Anblick.
    -_Bis zu diesem Moment hatten Touko und ihr Lepardas Reine nicht vorgehabt, der Stadt des Sports und der Musik noch an diesem Abend einen Besuch abzustatten – doch das Schauspiel, welches sich ihnen geboten hatte, hatte sie dazu veranlasst, ihren Plan zu ändern. Ihr eigentliches Ziel war zwar die Erforschung des Alten Palaste gewesen, aber in Anbetracht eines solchen Spektakels waren sich beide auch ohne Worte einig gewesen, eine Ausnahme zu machen. Das hatten sie sich einfach aus der Nähe betrachten müssen.


    Und hier standen sie nun – inmitten so vieler Menschen und Pokémon – und ließen das Treiben auf sich wirken, während sie die Geschehnisse des Festes in sich aufnahmen: Da gab es feuerspuckende Männer, die zusammen mit ihren unbekannten Pokémon aus weit entfernten Regionen stammten und nun auf einem großen Platz inmitten der Stadt ihre Fertigkeiten in der Kunst des Feuers bewiesen; ballonverkaufende Jungen und Mädchen in langen Gewändern bahnten sich Wege durch die vielen Männer, Frauen und Pokémon und boten ihnen allen mit einem breiten Lächeln auf dem Gesicht ihre Ware an, die, bunt hinter ihnen in der Luft hängend, die Form verschiedenster Pokémon hatte – da gab es blaue Ballons, die mit dem Antlitz des Wasserwesens Mijumaru bezeichnet waren, ebenso wie rote, die die Form eines Baoppu hatten. Einer hatte die grasbewachsenen Muster der Jalorda eingefangen, ein anderer wiederum die Irrungen des Traumdunstes von den Mushama, und ein letzter schließlich zog die gänzliche Aufmerksamkeit Toukos auf sich und entlockte ihr einen freudigen Aufschrei. Sofort war sie bei dem Mädchen, welchen ebenjenen Ballon feilbot, angelangt, und schon nach wenigen Sekunden war sie stolze Besitzerin eines in der Luft schwebenden, auf sie herabblickenden Lepardas-Gesichtes, was ihrer Partnerin Reine einen amüsierten Laut entlockte.
    -_Inzwischen war die Sonne zur Gänze hinter dem Horizont entschwunden, was das Leuchten der lebendigen Stadt vor dem dunklen Firmament noch deutlicher von der Schwärze der Nacht abhob. Nun konnte man auch das Feuerwerk in seiner ganzen Pracht bewundern, wie jede einzelne Rakete ihren Weg vom festen Erdboden in den losgelösten Himmel fand und über den Köpfen der Menschen und Pokémon mit einem glockenklaren Ton zerschellte, um hierauf bunte Bilder in die Dunkelheit zu malen. Rote, blaue, grüne und gelbe Funken stoben, Farbklecksern auf einer schwarzen Leinwand gleich, über die Kämme des zunehmenden Windes, der, wie Wellen das Meer, die Luft durchpflügte und klingelnde Stabspiele zum Ertönen brachte. Der Duft von Zuckerwatte wurde durch die Menge der Besucher getragen, und aus der Ferne hörte man das helle Lachen einiger Kinder, ebenso wie verschiedenste Melodien, manche fremdländisch und exotisch, andere wiederum fast bekannt und vertraut, das Gewirr der Stimmen durchdringen.
    -_Touko wandte ihren Kopf in die Richtung, in welcher sie ihren Lieblingsplatz dieser Stadt vermutete, und bedeutete Reine, ihr zu folgen. Leicht war es nicht, durch das dichte Gedränge der Leute und ihrer Partner zu gelangen, ohne auf deren Füße, Pfoten, Klauen und Hände zu treten, aber schließlich hatten sie es bis zum östlichen Rande der Stadt geschafft und sahen sich nun einem noch viel größeren und zugleich kleinerem Schauspiel gegenüber, als es das Treiben inmitten der Stadt, vor dem Bahnhof, den Stadien und dem Musiktheater, gewesen war: Leuchtende Lampions, ebendiese, welche sie aus der Finsternis des Wüstenresorts hatten ausmachen können, wiesen ihnen den fast gänzlich leeren Weg zu der Arena des Models Kamilla und noch daran vorbei, bis hin zu dem einzigen Ort, der aus unerfindlichen Gründen nicht einmal von verliebten Pärchen besucht war – dem Riesenrad, dessen rot-weiße Gondeln behängt waren von Lichterketten und eine eigene Art der Festlichkeit ausstrahlten. Einzelne Stände fanden sich vor dem Eingang dieser Attraktion, und als Touko und Reine nähertraten, sahen sie sich einer gewaltigen Auswahl verschiedenster Köstlichkeiten gegenüber, die von Schmalzgebäck mit Puderzucker bis hin zu gebrannten Mandeln reichten. Neben Herzkonfekten und Lavakeksen ließen sich selbst Knurspe und Pokériegel, Naschwerk aus weit entfernten Regionen, zwischen den Tütchen und Beutelchen finden, und ohne auch nur ein Zeichen der Zustimmung zu erbeten, hielt Touko ihrer Partnerin wenig später eine kleine Box der köstlichsten Backwerke hin, während sie sich selbst genüsslich eine vollends perfekte Mandel in den Mund schob – absolut himmlisch. Dieser Meinung war anscheinend auch Reine, denn noch ehe sie das erste Stück eines violett gefärbten Pokériegels gänzlich hatte hinunterschlucken können, bildete sich auf ihrem Gesicht ein glückliches Lächeln, das ihre Mundwinkel umspielte und ihre Augen zum Strahlen brachte. Touko kicherte ob des wie verzaubert aussehenden Antlitzes der Lepardas und konnte nicht umhin, ihre Hand sanft durch das Fell ihrer Partnerin gleiten zu lassen.
    -_»Weißt Du, warum man es das ›Fest des Friedens‹ nennt?«
    -_Eine Stimme, seltsam fremd und vertraut zugleich, wie die Melodien, die kurze Zeit zuvor durch Raimon City geklungen waren, ertönte hinter der jungen Trainerin und ließ sie ihre Hand über dem Kopf Reines innehalten. Ihr Herz machte einen seltsamen Satz, doch war es nicht ein Gefühl der Freude, das sie durchlief und ihren Puls beschleunigte – es war Wut, die sie in einer einzigen flüssigen Bewegung herumfahren und das Pokémon an ihrer Seite ihre scharfen Krallen ausfahren ließ, während das Fest um sie herum beständig weiterverlief, als wäre nichts geschehen.
    -_»Es heißt, dass die Brüder, dessen gespaltene Seelen die Drachen Reshiram und Zekrom hervorgebracht haben, sich nach langer Zeit genau hier wiedertrafen.«
    -_Der junge Trainer vor ihnen sprach ungerührt weiter, eine Hand in der Hosentasche, die andere um das silberne Band eines goldenen Luftballons geschlossen, der über ihm in der Luft hüpfte, was einen seltsamen Kontrast zu den Taten bot, die er und sein Vater der Welt schon angetan hatten. Touko war außer sich vor Zorn und kurz davor, ihre Partnerin auf diesen niederträchtigen Menschen, dessen bloße Anwesenheit dieses Fest zerstörte, loszulassen – aber seine Worte ließen sie keine ihrer rachegetränkten Gedanken verwirklichen, sondern sie vielmehr gespannt aufhorchen. Und während hinter ihnen, über dem erleuchteten Riesenrad, ein weiteres Feuerwerk die dunkle Nacht erhellte, fuhr der grünhaarige Junge weiter fort mit seiner Erzählung.
    -_»Sie haben auf ihren Wegen viele Orte der Region bereist und fast ihren Streit darnieder gelegt, doch als sie sich erblickten, war es, als wäre nie ein Jahr zwischen ihnen vergangen, und so gingen sie erneut aufeinander los.«
    -_Der Trainer seufzte laut auf und schüttelte bedauernd den Kopf, dann wies er mit einem Nicken auf das Riesenrad hinter ihm und lächelte verschwörerisch.
    -_»Es war eine junge Frau, die den Zwist der beiden stoppte und sie ermahnte, sich noch ein weiteres Leid anzutun. Sie hatte wie alle anderen auch von der Legende der zwei Brüder und ihrer Drachen gehört und war sich durchaus im Klaren darüber, dass es mehr Feindseligkeiten zwischen diesen beiden Männern gab, als sie sich je vorstellen konnte – dennoch trat sie dazwischen, von der festen Überzeugung beseelt, dass ein jeder Streit irgendwann einmal sein Ende finden müsste.«
    -_Wie von selbst bewegten sich die Schritte der beiden Trainer und Reine, die beschützend stets einen Schritt vor Touko einherschritt, auf diesen einen Ort zu, an dem sie sich vor so langer Zeit schon einmal begegnet waren. Der grünhaarige Junge half, dort angelangt, Touko in eine der Gondeln und setzte sich ebenfalls dazu, bevor er auch der Lepardas gebot, sich zu ihnen zu setzen. Kurze Zeit später fuhren sie auch schon gen Himmel, und dort vermochten sie erst die wahre Schönheit dieses Feuerwerkes auszumachen, dessen Pracht und Herrlichkeit über ihnen einen bunten Teppich durch den Himmel webte.
    -_»Und als die beiden Brüder die junge Frau anhörten, verstanden sie, auch wenn sie nicht in der Lage waren, sich jemals gänzlich zu vergeben. Aber sie versprachen, sich zu zügeln und zumindest in dieser Stadt ihren Streit beiseite zu legen.«
    -_Er lächelte Touko sanft und bittend an und hielt ihr seine ausgestreckte, leicht gewölbte Hand hin.
    -_»Und so«, flüsterte er, als sie seine Hand ergriff, nun ihrerseits lächelnd und sanftmütig, während unter ihnen die lebendige Stadt pulsierte und leuchtete und erfüllt war von den verschiedensten Menschen und Pokémon, »so entstand das ›Fest des Friedens‹.«


  • 2



    Ich bin die Uhr der Welt, bin wie ein Ring,
    Der Monate zum Jahr zusammenhält.
    Ich dreh mich nicht und stehe doch nicht still,
    Ich sehe nicht, was ich nicht sehen will.


    Sou, hier kommt dann auch schon auf Wunsch eines gewissen Users der zweite Beitrag, der dieses Mal aus zwei Gedichten besteht. Das erste, Mondnacht, ist hierbei knapp anderthalb Jahre alt und entstand im Deutschunterricht, als wir gerade das Thema Naturlyrik und Antwortgedichte hatten. Zur Veranschaulichung beider Themen hatte unser Deutschlehrer dazu zwei Gedichte ausgesucht: zum einen ›Mondnacht‹ von Joseph von Eichendorff und zum anderen ein Antwortgedicht auf dieses, bei dem ich sowohl Titel als auch Autor inzwischen erfolgreich verdrängt habe. Womit wir auch gleich zum Entstehungsgrund von meinem Gedicht ›Mondnacht‹ kommen, denn ich war mit besagtem Antwortgedicht dermaßen unzufrieden, dass ich kurzerhand entschloss, mein eigenes zu schreiben. Die Entstehung hat dabei (wie immer) natürlich nicht besonders lange gedauert, und insgesamt ist dieses einer meiner liebsten Werke sowie mein (meiner Meinung nach) bestes Sonett. Das zweite Gedicht dieses Beitrages schließlich ist, im Gegensatz zu ›Mondnacht‹ ein klein wenig älter, so um die zwei Jahre. Es entstand, gemeinsam mit etwa einem dutzend anderen, ebenfalls sehr kurzen Gedichten, innerhalb eines Tages, an welchem ich emotional sowohl aufgewühlt als auch verwirrt war; und da ich stets merkwürdige interessante Gedichte zu produzieren scheine, sobald ich emotional überfordert bin, ist es nicht verwunderlich, dass auch dieses ein klein wenig ... komisch ist.




    Mondnacht.



    Wo stille Wasser wiegen
    Das Licht der Einsamkeit
    Und stumme Seelen fliegen
    In der Unendlichkeit.


    Wo dunkle Schatten singen
    Am blauen Himmelszelt
    Und Klagelieder klingen
    Weit durch die ganze Welt.


    Dort scheint der Mond so fern;
    Und doch die Einsamkeit
    Will nur dem Licht gehören.


    In der Unendlichkeit,
    Da scheint der Mond so fern:
    Fort bis in alle –.




    Totes Leben.



    Spiegel an der Wand,
    Splitterblut, Verzerrung;
    Totes Leben erlischt
    Doch nicht so schnell.


  • Huhu, liebe Alyson,


    Ich bin eben über dein Topic gestolpert und konnte nicht wiederstehen, mich durchzulesen. Kurz gesagt: ein riesiges Lob an dich, normalerweise bin ich so im Stress, dass ich alles zurückstelle. Aber hier verweile ich dann doch und möchte dir gern kurz mein Feedback dalassen. Vorab möchte ich zwei Dinge anmerken, die mir immer sehr wichtig sind und von denen es besser ist, wenn du es weisst:


    1. Meine Kritik ist nie persönlich zu nehmen, so hart sie eventuell klingt.
    2. Ich kann dir speziell bei Gedichten kein korrektes Feedback geben, und auch wenn ich dem Fanfiction-Komitee angehöre, bin ich darin nicht die Beste. Wenn du einfach meine objektive Meinung anstelle von professionellem Feedback (zu Gedichten) haben willst, dann hole ich das gerne nach. Korrigieren kann ich sie dir nicht, das ist mein Schwachpunkt und zu dem stehe ich auch. Wenn du da jemanden brauchst, der dir tatsächlich weiterhilft, dann wende dich an jemanden von meinen Kollegen. Danke :3


    Dein Startpost ist meiner Ansicht nach eine Nomination für den besten Startpost seit Langem wert (und das sagt ein alter Fanfiction-Hase. Lass dir das Kompliment ruhig auf der Zunge zergehen). Du hast dir hier wirklich sehr schön Mühe geben und es geschafft, alles sowohl kunstvoll als auch strukturiert darzustellen. So schön übersichtlich ist das natürlich zuerst mal ein Augenschmaus und dann hast du auch noch an alles Nötige gedacht. Ich bin begeistert und kann dir leider fürs erste nichts ankreiden- toll gemacht. Das einzige, wirklich einzige, was mich kurz irritiert hat, ist die teilweise helle Schriftfarbe, die nicht in jedem BB-Stil gut lesbar ist. Falls du magst, kannst/könntest du in Zukunft deinen Post in allen Stils testen, damit auch jeder alles lesen kann. Mit deinem Titel für deine Sammlung hast du mich, als Riesenfan des Films natürlich eh sofort in der Tasche gehabt. Du bist mir symphatisch, haha :3


    Jetzt aber zum Wesentlichen, deine Kurzgeschichte, die ich mir gerne vornehmen würde.
    Fest des Friedens klingt ja schon mal sehr angenehm. Aber ich sags gleich: ich bin mir nicht mehr sicher, ob ich sie bereits einmal bewertet habe, daher lese ich sie einfach mit frischen Augen und werde dir dann meine objektive Meinung dazu sagen.


    Ich werde dir jetzt eine Stelle zitieren, die ich als sehr gutes Beispiel empfinde, wo man Details platzieren kann und wo es zuviel/zu wenig ist.

    Raimon City war vom Wüstenresort aus kaum wiederzuerkennen gewesen. Es hatte direkt vor ihnen gelegen, umschmeichelt von der langsam dem Horizont entgegen sinkenden Sonne, und doch eine derartige Helligkeit ausgestrahlt, dass es wahrscheinlich noch weithin sichtbar war, ja, vielleicht sogar bis hin nach Hodomoe City. Überall konnte man Quellen des Lichts erkennen, ob es nun leuchtende Lampions waren oder das Glühen feuriger Fackeln, und selbst einige Feuerwerkskörper hatten die Trainerin und ihr Pokémon aus der Ferne erkennen können. Alles in allem ein überragender Anblick.


    Was ich hier, als Beschreib der Stadt, vorallendingen lese, ist die Anwesenheit von Licht, Fackeln, das Licht der Sonne und "weitere Quellen des Lichts". Es sind Umschreibungen, um den Text zu schönen und die Stadt zu beschreiben, aber einen guten Eindruck bekomme ich trotzdem nicht. Als Hobbyautor ist es nie einfach, abzuwägen: Wann sind Details gut und wann ziehe ich etwas unnötig in die Länge? Ich hätte mir mehr einen Einblick in die Architektur-wenn man das so sagen kann-gewünscht, mehr Detail in der Art, wie vielleicht die Häuser gebaut sind, vielleicht einen Hinweis auf die Grösse der Stadt, die "Form" oder auch die Farben, die sie ausmachen. Ich weiss nicht, ob du erkennst, was ich meine, und warum dieses Zitat so treffend ist. Du machst das oft: Du schmückst aus-sehr gut sogar!- aber hier kann man gut erkennen, dass Detail nicht immer gleich Detail ist.
    Weiter unten gehst du zwar sehr intensiv drauf ein, was genau bei diesem Stadtfest vor sich geht, du ratterst aber Beispiele runter, ohne groß Abstände zu lassen, ohne Interaktion (nicht besonders viel) mit dem Hauptcharakter im Getummel selbst und lässt generell ohne Zeilenumbrüche wenig "Luft zum Atmen" beim Lesen deines Textes. Versteh mich auf keinen Fall falsch: das ist ist Luxusmeckern, du schreibst wirklich erstaunlich gut. Nicht nur, weil du weisst, wie man seinen Text flüssig und leicht hält, du hast auch, meiner Ansicht nach, einen erstaunlichen Wortschatz und weisst auch auf Abweschlung zu achten. Achte aber auch auf meine erwähnten Punkte:
    -Manchmal tut ein Unterbruch im Beschreibungsfluss ganz gut
    -Weniger ist manchmal mehr, auch Details betreffend
    -Auf alle Details eingehen (Gerüche, Farben, Charaktereigenarten als Beispiele) ist wichtig, aber nicht die Anzahl sondern das gezielte Einsetzen davon machts aus


    Aber wie gesagt: mich wundert nicht, dass du mit dieser tollen Abgabe gewonnen hast. Für eine Kurzgeschichte reicht mir das allemal, ich sehe den Anfang, die Mitte und das (schon irgendwie offene) Ende. Was mir fehlt ist die Moral, wenn man das so nennen kann. Muss natürlich nicht rein (und eventuell hast du dich seither auch gesteigert und weisst, diese Dinge anders einzusetzen) aber was diesen Text betrifft, hätte ich auch gern was "draus gelernt" und das habe ich nicht (ausser, dass du ein Talent bist.) Was du aber definitiv gut kannst, ist das Hineinversetzen in den Ort (weshalb du sicherlich auch gewonnen hast, denn die Stimmung kommt gut rüber, und das war ja die Aufgabe). Für die zukünftigen Kgs würde ich mich freuen, wenn du den ein oder anderen Punkt vielleicht umsetzen magst.
    Wenn du Fragen zu meiner Kritik hast, damit nicht einverstanden bist, wie auch immer, schreib mich einfach an. Keine falsche Schüchternheit, ich unterhalte mich immer gern ^^


    Ich hoffe, mein Gefasel hat dir jetzt ansatzweise weitergeholfen und ich würde mich freuen, bald was von dir zu lesen! (Kann ich eine Benachrichtigung in mein Gästebuch haben?)
    Liebe Grüße
    [Blockierte Grafik: http://img-icon.lisisoft.com/img/8/5/33758-16-owl-icon.png]

  • Huhu Alyson!


    In letzter Zeit haben wir uns ja etwas kennengelernt und da mir aufgefallen ist, dass du dir ein neues Einzelwerk-Topic zugelegt hast und es noch immer unkommentiert ist [edit: das Kommi habe ich angefangen zu schreiben, bevor Lauriel kommentiert hat], habe ich mir gedacht, ich schreibe etwas dazu, besonders wenn in Zeiten wie jetzt plötzlich alle total verrückt nach dem Kommentieren sind [/verstecktersarkasmus]. Dass ich selbst dringend ein Topic brauche, ist ein anderes Thema, jedenfalls motivierst du mich damit. :D


    Die Gestaltung deines Topics sagt mir sehr zu, die Idee mit dem Einhorn gefällt mir ganz gut und der Name ist auch ein guter Einfall, einfach weil es ein bisschen das "Schreiben aus Affekt" auf ganz eigene Weise umschreibt, aber mich interessieren im Grunde sowieso nur deine Werke, also los geht's:


    Fest des Friedens


    Ich freue mich immer wenn Autoren auf Stilmittel zurückgreifen, egal ob das jetzt Absicht oder nicht war: eine Alliteration als Titel zu wählen spricht schonmal für Klasse und auch sonst kann ich den Titel nur beführworten. Fest und Frieden sind zwei Wörter, die für eine ganz klare Richtung der folgenden Geschichte sprechen, nämlich eine positive, in der sich das Glück sowohl in überschwänglicher Freude als auch in andächtigem Gedenken an irgendeinen Zusammenhalt äußert. Ein Mängel am Titel wäre allerhöchstens, dass er einzig und allein den Vorgang an sich beschreibt und keinen weiteren Ausblick auf die Umstände der Fühlenden gibt, aber da ein Titel genauso als Scheinwerfer fungieren und einen gewissen Aspekt des Textes in den Mittelpunkt schieben kann, sehe ich da nicht weiter Erläuterungsbedarf. Ein Titel, der weder abgehoben, noch zu bescheiden ist - eben eine schlichte Schönheit.


    Obwohl ich nicht von Anfang an dieser Meinung war, gefällt mir der erste Absatz inzwischen ganz gut und ich respektiere und bewundere auch die spezielle Art, wie du die Weichen alle in Richtung "Fest des Friedens" stellst, scheinbar liegt dir sehr viel daran, dass der Leser sich wirklich absolut in die Szenerie einfühlen kann und die Protagonistin wirkt so, als wäre sie nur ein Medium um uns die Eindrücke des Feiertags nahezubringen. Selbst in diesem einen der ersten Absätze, in dem eine sichtbare Handlung noch am ehesten aus dem Geschriebenen hervorgeht, wächst innerlich die Freude auf das angekündigte Festival und man wartet darauf, mehr zu hören. Nochmals aufgegriffen: der erste Absatz endet mit dem generellen Titel, was wirklich ausgesprochen untypisch ist, aber da man letzten Endes doch gut erkennen kann, dass diese Wiederholung beabsichtigt war, offenbart sich auch der Effekt davon und dieser ist, dass man sich auf ein Weiteres auf das Fest konzentriert bevor der Umbruch in die Handlung geschieht.


    Die nachfolgenden Absätze sind als Rückblenden ordentlich abgetrennt und zeigen mir eigentlich ziemlich genau, wie man Rückblenden am besten gestaltet und wie nicht. Absatz No. I gibt uns nämlich die ersehnte erweiterte Beschreibung der Feierlichkeiten, die dazu noch eine bessere optische Perspektive haben, denn Touko befindet sich zu dem Zeitpunkt noch nicht im Geschehen, sondern davor und somit erhält man auch einmal das Gesamtbild des "Fest des Friedens" mit dem Licht als Meer und nicht nur einzelnen Tropfen, genau wie man auch von Stadtbezirken sprechen kann, die sich von anderen unterscheiden, zum Beispiel das Feuerwerk, das sie nur aus der Ferne sehen konnte. Im Gegensatz zu Raimon City hat sich mir nicht sofort erschlossen, was Hodomoe City ist, auch wenn es sich logisch gesehen nur um Marea handeln kann, was sich mittlerweile auch schon bestätigt hat. Somit war es einfach nur herrlich, diesen ersten Teil der Rückblende zu lesen, auch, weil sich hier noch einmal dein talent offenbart, mit vergleichsweise wenig Worten so eine aussagekräftige Stimmung aufzubauen.
    Im Gegensatz dazu war der darauf folgende Absatz nicht ganz so einwandfrei:

    Bis zu diesem Moment hatten Touko und ihr Lepardas Reine nicht vorgehabt, der Stadt des Sports und der Musik noch an diesem Abend einen Besuch abzustatten – doch das Schauspiel, welches sich ihnen geboten hatte, hatte sie dazu veranlasst, ihren Plan zu ändern. Ihr eigentliches Ziel war zwar die Erforschung des Alten Palaste gewesen, aber in Anbetracht eines solchen Spektakels waren sich beide auch ohne Worte einig gewesen, eine Ausnahme zu machen. Das hatten sie sich einfach aus der Nähe betrachten müssen.

    Bei den makierten zwei Sätzen sagst du im Grunde zweimal hintereinander dasselbe aus, was in Rückblenden, die ja an sich stets sehr chronologisch gehalten sind, zu einem etwas verwirrenden Wortbild führen kann. Mit unterschiedlichen Satzbauarten wäre dieser winzige Schönheitsfehler aber restlos behoben. Dass Touko extra für Rayono ihre Expedition unterbricht, scheint vielleicht irrelevant, aber es ist nur noch ein weiterer Hinweis darauf, was für eine Anziehungskraft die Veranstaltung hat und letzten Endes ist es auch nur förderlich für die Atmosphäre, das Fest des Friedens mit einer solchen effektiven Wirkung auf alle Menschen und Pokémon darzustellen.


    Ich merke, desto mehr Worte ich über die ersten Absätze verliere, desto weniger bleibt mir über den weiteren Verlauf des Festivals zu sagen. Niveau und Atmosphäre verbleiben an gleicher Stelle und du fügst in diesem Abschnitt zwei nette Ideen ein, nämlich die mit den Feuerspuckern und die Geschichte mit den Ballons. Letztere ist eine schön gestaltete, weiche Überleitung, um den nahenden Umbruch nicht ganz so drastisch wirken zu lassen, da du Touko und Reine mit dem Kauf der Ballons etwas in den Vordergrund gerückt hast und im weiteren Verlauf der Geschichte, gegen Ende, ja nur noch von zwischenmenschlichen Beziehungen erzählt wird.
    Der darauffolgende Abschnitt hat mir mit Abstand am besten gefallen und ich habe unglaublichen Respekt davor, wie gut du es geschafft hast, einem Feuerwerk das nötige Leben einzuhauchen. In Verbindung mit den Feuerspuckern aus dem zuvorgehenden Abschnitt habe ich die hier eingebundenen Funken als Vervollständigung zur Gegenüberstellung "Feuer - Blitz" verstanden, somit eine versteckte Metapher auf die "Reshiram - Zekrom"-Kombination interpretiert. Ist jetzt nur meine persönliche Auffassung und eigentlich total unwichtig, aber es ist ja nur positiv, wenn man es in einem Werk Verstecktes zu entdecken gibt.^^
    Der allerletzte Abschnitt vor der Handlung hat zwar nicht ganz so das spektakulärste Thema abbekommen - Essen - , aber gerade deswegen ist es auch so schön zu sehen, wie du mit solchem Stoff arbeitest. Der Satzbau wird immer gewagter, aber nie zu überspannt, weswegen es auch schon absolute Kunst ist, was du mit dem Syntax machst. Langsam aber sicher reißt du die nächste Ebene der Kurzgeschichte an und der Blickwinkel nähert sich immer mehr der Protagonistin und ihrem Umfeld, denn im Weiteren spielen ja sowohl Reine, als auch das Riesenrad eine nicht zu unterschätzende Rolle.


    Den endgültigen Umbruch hast du dann allerdings mit allen Mitteln eingeleitet: Freude wird zu Wut, Umgebung wird durch ein Gefühlsgewitter ersetzt und aus dem Takt, der Touko allgegenwärtig durch das Fest begleitet, wird eine Erstarrung ihrerseits. Der Leser wird mit seinen Fragen und Vermutungen vollkommen alleingelassen bis die Stimme weiter spricht.

    «Es heißt, dass die Brüder, dessen gespaltene Seelen die Drachen Reshiram und Zekrom hervorgebracht haben, sich nach langer Zeit genau hier wiedertrafen.»

    Hier müsste deren stehen.
    Hier, wo es ja die Aufgabe zu erfüllen gilt, den Leser darüber aufzuklären, was genau in Touko diesen Zorn erzeugt, und das ist dir an dieser Stelle meiner Meinung nach nicht vollständig gelungen. Die Wut wirkt leer, blind und unbegründet und die Gefühle wurden nur sehr blass nachgefahren, weshalb man sich ernsthaft fragt, was genau N jetzt falsch gemacht hat. Ich hätte eigentlich erwartet, dass es darauf eine fundiertere Antwort gibt, aber du lässt diese sogar noch etwas im Raum stehen. Noch dazu kommt mir Natural etwas zu selbstbewusst vor, es war letzten Endes also nicht der wirkliche Canon den wir hier zu Gesicht bekommen haben. Ehrlich gesagt hab ich N gar nicht wiedererkannt und an dieser Stelle hatte ich kurz Angst, es fällt jetzt alles in eine standardisierte Romanze ab, aber da dann im Zusammenhang dann doch eher die Legende, die Natural erzählt, hervortritt, muss man sich da zum Glück auch nicht länger Sorgen machen. Das charakteristische Kopfschütteln fällt allerdings trotzdem auf und allein dadurch wird schon ein wenig ersichtlich, dass es im Endeffekt nicht allein um die Entstehung des Fests geht, sondern auch den Parallelen zu der aktuellen Situation mit Team Plasma und ihrem ehemaligen König. Auch der Konflikt schien ja unlösbar und wurde letzten Endes auch durch nichts anderes als Differenzen in der Abstufung von Wunsch und Wirklichkeit ausgelöst.
    Das Riesenrad ist ja in der gesamten Handlung ein absolut wichtiges Element und es eignet sich hervorragend für einen Text, auch weil es bisher nur so selten ernsthaft aufgegriffen wurde. Auch hier eine sehr schöne Beschreibung des Feuerwerks übrigens.
    Der letzte Abschnitt ist ein unglaublich guter Einfall, denn er schließt noch einmal den Kreis zum Titel und dem ersten Absatz und bleibt ordnungsgemäß offen. Klar, es ist absolut fragwürdig, wie sich Toukos Wut so schnell in Sanftmut wandeln kann, aber wenn du den Beginn einer Lovestory andeuten willst, finde ich das okay, weil es auch nur zu dem Image des Festes passt, was wäre denn eine bessere Möglichkeit um Frieden zu schließen? Trotzdem wäre es schön gewesen, wenn man gerade bei einem so abrupten Gefühlswandel ein bisschen mehr erfahren würde, was genau Touko eigentlich überzeugt hat. Das hätte angesichts deiner unglaublich ausführlichen Schilderung des Festes auch keinen Abbruch getan und wenn man schon so ein bisschen Handlung miteinbringen will (war ja beim letzten Pokémonfestival-Wetti eher selten), dann hätte ich diese auch lieber ganz verstanden, so lang ist der Text ja auch nicht, dass es ermüdend werden könnte.^^
    Mit Ns Abschlusssatz hast du aber dann schließlich diese überzeugende Geschichte brillant zu einem Ende hingeführt, man sieht es nur selten, dass der letzte Satz so sehr passt und er spricht auch nochmals für das positive Resümee, dass man hier ziehen kann. Sogar eine Moral hast du eingebaut, und zwar dass Frieden durch Vergebung entsteht, sowohl im Fall der zwei Brüder, als auch im Plasma-Konflikt, symbolisiert durch das Treffen von Touko und Natural.


    Viel lässt sich zusammenfassend nicht noch einmal erwähnen. Ich mag die Kurzgeschichte total, sie hat genau meinen Geschmack getroffen und mich wundert es auch kein bisschen, dass du damit den ersten Platz in dem Wetti gemacht hast. Es ist zwar etwas seltsam, deinem vor-einem-Jahr-Ich Feedback zu geben, aber wenn hier schon mal eine einsame Kurzgeschichte steht, kann man diese ja auch ruhig kommentieren. Entscheide selbst, was noch hilfreich ist. :D
    Das Japanisch hat mich übrigens derbe verwirrt vielleicht sollte man das Vorwort auch zuerst lesen .___. , aber das ist ja nur die persönliche Note und so wie ich es verstanden habe auch nur spezifisch für die Geschichte.



    Mondnacht


    Das Gedicht ist Standard im Deutschunterricht, glaube ich. :D
    Wir haben das Gedicht von Joseph von Eichendorff auch kurz behandelt und interpretiert, aber so eine coole Aufgabe hatten wir auch wieder nicht. Was soll ich sagen? Das Ergebnis ist vom Ausdruck her toll geworden, es wirkt nur leider etwas weniger wie ein Antwortgedicht, da es ja mit der ursprünglichen "Mondnacht" nur die Tageszeit und das Empfinden von Sehnsucht gemein hat. Der Mond, der ja im Original in Verbindung mit der Erde gebracht wird, wird hier mit dem Licht gepaart, einer absolut untypischen Kombination, die meine Interesse genau deswegen geweckt hat.
    Ein Sonett hätte ich persönlich jetzt gar nicht erwartet, aber du hast die Atmosphäre von von Eichendorffs Gedicht wirklich richtig gut transportiert und das vom Original abgeänderte Schema lässt dir nochmals zusätzliche Freiheiten. - Klar, vielleicht hat das auch dazu geführt, dass du teilweise ein bisschen weit von der Grundthematik abgewichen bist, aber lieber höre ich aus dem Gedicht Alyson heraus als eine einfache Kopie von Joseph von Eichendorff.


    Wo stille Wasser wiegen
    Das Licht der Einsamkeit
    Und stumme Seelen fliegen
    In der Unendlichkeit.


    "Wo stille Wasser wiegen", scheinbar hast du es wirklich mit den Alliterationen zu Beginn. :D
    Sofort wird hier klar, dass du einen ruhigeren Ton anschlagen willst. Wasser kann sowohl für Ruhe, als auch für Dynamik stehen, aber in Verbindung mit "still" wird einem sofort klar, wie es gemeint ist. Das "wiegen" verunsichert hierbei wieder etwas, da ein Wiegen sowohl eine Welle als auch ein Kräuseln sein kann. Passend, um dem Leser das Gedicht erst nach und nach zu eröffnen und somit eine gewisse Spannung im Kopf des Publikums zu erzeugen.
    Mit dem Licht der Einsamkeit ist wohl der Mond gemeint, der ja einsam über dem Wasser steht und im Zentrum des Gedichts steht. Dass der Name nicht sofort genannt wird, gefällt mir sehr gut, denn es würde dem ersten Vers nur den Effekt nehmen, wenn man sofort anfängt, den Mond zu besingen. Noch dazu war der Einstieg bisher ja stufenweise und da fügt sich so eine verschleierte Botschaft ganz gut ein.
    In der nächsten Zeile wird von "stummen Seelen" geredet, die ja bereits in der Vorlage "Mondnacht" zum Gespräch kamen, dort allerdings als eigentlicher Ursprung der Mondmetapher, während sie hier eine nur sehr kleine Rolle zugeteilt bekommen. Den genauen Part, den sie hier spielen, wird nicht vollkommen ersichtlich, du hast die fliegenden Seelen also mehr oder weniger aus deinem Werk gebannt. Mir soll es recht sein, ich mag den letzten Vers vom Original am wenigsten, dennoch wirkt die dritte Zeile etwas fehl am Platz.
    Die in der vierten Zeile genannte Unendlichkeit wird ja noch im weiteren Verlauf zu einem wichtigen Element werden, welches dein Antwortgedicht grundlegend von dem eigentlichen unterscheidet, deswegen spielt es auch so eine große Rolle. Die Unendlichkeit macht die Sehnsucht noch mal stärker und unerträglicher, weswegen sie auch gut geeignet ist. Man redet nicht nur von einem Gewässer oder einem Feld, sondern von der Unendlichkeit, was die beiden Standorte des lyrischen Paares logischerweise miteinschließt. So hältst du die genauen Umstände noch dazu verschleiert und lässt den Vers mit einigen Unklarheiten enden. Genial :)


    Wo dunkle Schatten singen
    Am blauen Himmelszelt
    Und Klagelieder klingen
    Weit durch die ganze Welt.


    Die Schatten habe ich jetzt als die Trennung verstanden, da sie ja beschreiben, wie der Mond nie an das, was er am meisten will, heranreichen kann, auch wenn sein Licht noch so weit reicht. Der Gesang wird ja in Zeile drei noch einmal aufgegriffen und somit könnte man es wirklich als einen buchstäblichen "Abgesang" auf den Mond verstehen, da es ihm ja bisher zunehmend schlechter in deinem Gedicht geht.
    Blaues Himmelszelt, hu? Ich könnte das jetzt eigentlich ja auch mitinterpretieren, ab er es sieht momentan irgendwie ... falsch aus, den Himmel am Tag mit einer Mondnacht in Verbindung zu bringen, oder war das Absicht?
    Die Klagelieder habe ich ja schon angesprochen. Sie könnten das Flehen vom Mond sein, dass sich dann mit dem negativen Eindruck der Schatten vermischt. Da es sich bei beidem um Musik handelt, wird das natürlich leicht in Verbindung gebracht.
    In der letzten Zeile des zweiten Verses wird ersichtlich, dass du jetzt eher in die Betrachtungsweise des Irdischen gewechselt bist, da du von einer Welt und nicht mehr der Unendlichkeit sprichst und hiermit nochmal einen entscheidenden Hinweis darauf gibst, dass die ersten zwei Verse parallel gehalten sind und so eine stärkere Verbindung zueinander aufweisen als die anderen, was sich natürlich besonders bei einem Sonett anbietet.


    Dort scheint der Mond so fern;
    Und doch die Einsamkeit
    Will nur dem Licht gehören.


    Gut, jetzt hast du den Mond schließlich auch beim Namen genannt und sprichst das Problem direkt an. Es gefällt mir gut, dass du es quasi so ein bisschen unwichtiger formst, damit es nicht den ersten beiden Versen im Weg steht, die ja wirklich grandios waren.
    Die Nennung der Einsamkeit ist wohl auch eindeutig, denn daraus besteht ja eigentlich dein ganzes Gedicht. Sie wird dem Mond nochmals zur Betonung als Widersacher entgegengestellt, der die Rolle des Konflikts übernimmt.
    Die dritte Zeile ist mir auch jetzt irgendwie noch nicht so ganz klar geworden, ich verstehe nicht ganz, worauf sich jetzt das Verb bezieht. Sollte die Einsamkeit gemeint sein, klingt es ein bisschen seltsam, da ja die Einsamkeit schlecht von dem Licht besessen werden kann, bei dem Mond hingegen schon eher, aber auch das passt im aktuellen Zustand nicht ganz so gut und außerdem wären dem dann wiederum die Satzzeichen im Weg, besser gesagt das eine Semikolon am Ende der ersten Zeile. Wie auch immer. Jedenfalls spricht aus Zeile drei noch einmal die Sehnsucht, somit hast du hier noch einmal schön zusammengefasst vor dem großen Finale.


    In der Unendlichkeit,
    Da scheint der Mond so fern:
    Fort bis in alle –.


    Gut, Zeile eins ist noch einmal ein einfacher Bogen zum Beginn und gleichzeitig eine Erinnerung daran, wo es sich abspielt.
    Die zweite verstehe ich selbst nicht ganz. Du hast ja gerade das schon geschrieben und verwendest es noch einmal in anderer Position und mit anderem semantischen Sinn, was ich ehrlich gesagt schade finde. Der gewünschte Effekt hat mich persönlich nicht so ganz getroffen und somit wirkt der letzte Vers allgemein etwas... ideenlos, da ja nur Altes wieder neu verwendet und verbunden wird.
    Und für Zeile drei habe ich leider gar keine Erklärung. Warum ist da der Strich? Zeit? Ewigkeit? Was kommt in diese Lücke? :D
    Ich lasse mal die Bewertung davon, weil unter den wenigen verbliebenen Wörtern keines mit ausreichend Aussagekraft ist.


    Ein unglaublich tolles Sonett, das mich wirklich fasziniert hat und ich kann absolut nachvollziehen, dass du darauf stolz bist. Die Worte sind klasse gewählt und noch besser verwendet, das Anordnungsschema der verschiedenen Elemente, die dieses Gedicht ausmachen ist etwas verspielt geworden und sehr, schön flüssig zu lesen, bis auf den kleinen Mängel, dass du regelmäßig Wörter mit der Endung "-keit" aneinanderreimst und das auf Dauer dem Klang schon schadet. Den letzten Vers verstehe ich schlicht und einfach nicht und ich bin etwas verunsichert was die Beurteilung davon anbelangt, deswegen will ich auch gar nicht weiter darauf eingehen. Den Jambus hast du perfekt und ausnahmslos eingehalten, also bleibt nicht mehr viel zum Meckern.



    Totes Leben


    Erst einmal muss ich dir recht geben: das Gedicht ist merkwürdig interessant, deswegen ist es auch sehr schwer, darüber viel Worte zu verlieren.


    Spiegel an der Wand,

    Ein Spiegel hat ja rein symbolisch gesehen nur den Zweck, das wiederzugeben, was vor ihm steht. Deswegen habe ich eigentlich erwartet, dass jetzt ein eher persönliches Werk folgt, dass ein wenig von der Selbstbetrachtung handelt. Dass die erste Zeile so unspektakulär im Vergleich zu den anderen geraten ist, ist ein weiterer Pluspunkt, weil es dem Gedicht schonmal eine einzigartige Note zu Beginn gibt.


    Splitterblut, Verzerrung;

    Splitterblut? Hier merkt man, dass irgendetwas an diesem Gedicht nicht stimmt. Am ehesten auf diesen Begriff könnte ich mir noch Splitter vorstellen, die einen schneiden und bluten lassen, aber in dem Fall wäre der Begriff etwas weithergeholt. Trotzdem hat das Wort als Ausgleich zum fehlenden Sinn eine ganz nette Atomsphäre, die einem etwas auf drohende Art vermittelt. Die Verzerrung hat vermutlich etwas mit dem Spiegel zu tun und symbolisiert vielleicht auch, dass man immer anders aufgefasst wird, wie man eigentlich selbst ist. Auch wenn das noch weit nicht so drastisch wie der Rest der Zeile ist, ist ja "Verzerrung" ein Begriff, der negative Gefühle vermittelt.


    Totes Leben erlischt

    Eigentlich habe ich ja gehofft, dass der Begriff, der ja auch der Name des ganzen Werks ist, noch zufriedenstellend erläutert wird, aber er wird leider etwas verloren so stehen gelassen und man bekommt letzten Endes keinen Aufschluss darüber, wie man sich "Totes Leben" vorzustellen hat, da es ja im Grunde nach etwas Unmöglichem klingt. Ich für meinen Teil denke, dass die Rede von einem Leben ist, das sich schon längst als "tot", also sinn- und freudlos, erwiesen hat, das jetzt kurz davor ist, endgültig und buchstäblich zu Ende zu gehen.


    Doch nicht so schnell.

    Irgendwie verwirrst du mich mit deinen letzten Zeilen immer. :D
    Ich kann mir nicht ganz vorstellen, dass ein totes Leben noch lebenswert ist, deswegen ist es ja eigentlich etwas Negatives, quasi im Leben festzusitzen und nicht sofort zu erlischen. Andererseits könnte man in der Position auch denken, dass es ein "Hoffnungsmacher" ist, was aber in dem Zusammenhang auch wieder komisch wäre. Jedenfalls endet das Werk mit einem großen Rätsel, was nicht zwingend ein Fehler ist.


    Von den drei Werken, die ich in diesem Topic bisher lesen durfte, gefällt mir dieses ehrlich gesagt am wenigsten, tut mir leid. Ich hätte mir etwas mehr Transparenz gewünscht und vielleicht ein gefestigteres Gefühl, das du vermittelst. Trotzdem ist es gut, wenn du hier so "Affektaufschriebe" veröffentlichst, da diese, richtig gelesen, ja bekanntlich viel über die Person aussagen sollen. War wirklich mal eine nette Abwechslung, aber nicht wirklich mein Fall.



    Weiter so, würde ich sagen. Du bist wirklich ein unglaubliches Talent und ich könnte mir das Topic wirklich gut im Profi-Bereich vorstellen.^^
    Benachrichtigen brauchst du mich nicht, ich bekomme es mit wenn du etwas Neues veröffentlichst.


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    3



    Right now I feel,
    Like a leaf on a breeze.
    Who knows where it's blowin'?
    And who knows
    Where I'm goin'...


    Sodale, neues Jahr, neues Update; dieses Mal mit meinen Abgaben zum Saisonfinale 2013, welches nur gute Erinnerungen bei mir hinterlassen hat, haha. Wir hatten eine Menge Spaß, es blieb spannend bis zum Schluss (bis auf dass von vornerein feststand, dass Cáithlyn das ganze gewinnen würde und das zu Recht :D), und an dieser Stelle darf sich jeder von euch nochmal angesprochen und geknuddelt fühlen. Es war eine tolle Zeit mit euch. Man sieht sich in der neuen Saison wieder. x3
    -_Und da ich sonst nichts mehr zu sagen habe, will ich gleich mal mit den Re-Kommis für euch, Lauriel und Galahad, starten und euch beiden danken für eure Kommentare. Besonders was die Kurzgeschichte anbelangt habt mir ihr unglaublich helfen können (zumal sich mein Schreibstil seitdem kaum geändert hat, denke ich), und ich werde eure Ratschläge auf jeden Fall beherzigen. (:



    [tabmenu][tab=Vorwort]

    Sodale, hier sind sie also, meine Abgaben vom Saisonfinale 2013; es war mein erstes Saisonfinale überhaupt (und auch die erste Saison, in der ich mich tatsächlich öfters mal an Wettbewerben beteiligt habe *hust*), und insofern bin ich mit dem vierten Platz, den ich letzten Endes erreicht habe, doch sehr zufrieden. Wobei diese gute Platzierung lediglich auf eine einzige Runde zurückzuführen ist, ohne die ich wahrscheinlich auf dem letzten Platz gelandet wäre, und zwar die dritte: Märchen. Und wer es eventuell noch nicht mitbekommen haben sollte durch Posts meinerseits bei der Siegerehrung oder sonst wo: Ich mag meine Abgabe nicht. Um nicht zu sagen: Ich. Hasse. Diesen. Text. Okay, der hat mir in besagter letzter Runde den ersten Platz eingebracht, und das sogar mit einem ziemlich großen Vorsprung ... Allerdings kann ich bis heute keinen Grund dafür erkennen, warum diese Abgabe mir auch nur einen einzigen Punkt eingebracht hat, und umso gespannter bin ich natürlich nun auf Kommentare zu diesem Text. :'D
    -_Zu den anderen Werken sei noch gesagt, dass mir das Gedicht am besten gefällt und es schon sehr früh fertig war (kurz nach Bekanntgabe der Themen der einzelnen Runden, um genau zu sein *hust*), während ich meine Abgabe der ersten Runde irgendwie ... ich-weiß-nicht finde. Ich mag das Ende, aber ansonsten habe ich dazu keine Meinung, haha.


    /edit Wie mir einfach mal nicht aufgefallen ist, dass ich vergessen habe zu schreiben, was eigentlich in welcher Runde gefordert wurde, haha. :'D
    Runde 1 Kurzgeschichte zu selbst gewählten Lyrics.
    Runde 2 Gedicht über das Schreiben.
    Runde 3 Eigenes Märchen.



    [tab=Runde 1]


    Schicksal, Hoffnung, Wunsch und Traum.




    Meine Schritte werden langsamer, als die rot geziegelten Dächer langsam über den herbstlichen Baumwipfeln Gestalt annehmen. Unter meinen Füßen knirscht das trockene, verwelkte Laub, und während ich stehen bleibe, zögernd, unschlüssig, fühlt es sich an, als wäre es stattdessen Glas, das unter meinem Gewicht zersplittert. Oder aber die Scherben eines zerbrochenen Herzens.
    -_Kleoparda tritt neben mich und ihr Schnurren erfüllt die Stille um uns herum. Beinahe ist mir, als könnte ich bereits den Geruch von Holzfeuern in der kalten Novemberluft erahnen, und tatsächlich meine, ich in der Ferne, dort, wo Avenitia über den Wipfeln der silbern glänzenden Bäume im Licht des untergehenden Mondes erstrahlt, den ersten Rauch aus Schornsteinen aufsteigen zu sehen. Ein gleichsam vertrauter wie beunruhigender Anblick: Vertraut, weil er mich an meine Kindheit erinnert, an all die Jahre, die ich in diesem kleinen Ort verbracht habe, und an die Herbsttage, an denen ich zusammen mit Bell und Lotta durch das bunte Laub getobt bin. Beunruhigend, weil ich inzwischen so vieles verloren habe.
    -_Weiße Wölkchen steigen auf, wo mein Atem an die kalte Luft trifft; unter meinen Füßen knirscht das tote Blattwerk, als ich mein Gewicht verlagere. Für einen Moment bin ich hin- und hergerissen zwischen dem Verlangen, endlich wieder nach Hause zu kommen, und dem Wunsch, ganz weit weg von hier zu sein, um der Versuchung nicht zu erliegen; der Versuchung, mich in die schützenden Arme der alten Erinnerungen zu stürzen, in der Hoffnung, die neuen damit überdecken zu können. Und dem Sog des Vergessens, der mich unweigerlich erfassen würde, sobald ich erst einmal über die Schwelle Avenitias getreten wäre.
    -_Was ist es, das mich inne halten lässt, hier, einen knappen Kilometer von meiner mir so vertrauten Heimat entfernt, inmitten all des Laubes, das golden und silbern schimmert? Weswegen fällt es mir so schwer, auch nur einen weiteren Schritt zu wagen? Warum zögere ich?
    -_Die Fragen schwirren durch meinen Kopf, lassen meine Gedanken rasen und meinen Herzschlag sich beschleunigen. Sorgsam verborgene Bilder der Geschehnisse, die vor gerade einmal zwei Wochen stattgefunden haben, steigen langsam empor, befreien sich aus dem Käfig, in den ich sie gezwängt habe, in der stillen Hoffnung, mich nie wieder mit ihnen beschäftigen zu müssen. Ein törichter Wunsch, wenn man bedenkt, dass es Augenblicke und Menschen gibt, die man niemals vergessen kann.
    -_Wieder spüre ich dieses mir inzwischen so vertraute Ziehen in der Brust, jenes Gefühl wie von tausenden von Schmetterlingen, die in meinem Bauch aufsteigen. Ist es nicht seltsam, zugleich Trauer und Freude zu verspüren? Wie kann es sein, dass der Wunsch nach Tränen und der, wie ein kleines Kind Luftsprünge auszuführen, nebeneinander existieren können, im selben Moment, im gleichen Atemzug? Und wie soll man etwas beschreiben, das man nie zuvor gekannt hat?


    Lotta, Bell und ich waren seit unserer Kindheit befreundet; Sandkastenfreunde, wenn man es so bezeichnen will. Wir haben stets alles gemeinsam unternommen, sind gemeinsam zur Schule gegangen und haben gemeinsam Zukunftspläne geschmiedet. Im Alter von zehn Jahren stand für uns fest, dass wir eines Tages gemeinsam auf Reisen gehen wollen. Und tatsächlich sollten wir sechs Jahre später die Möglichkeit bekommen, im Auftrag von Professor Esche und an der Seite treuer Pokémon durch Einall reisen zu dürfen: Ein Kindheitstraum wurde wahr.
    -_Aber aus allen Kindern werden irgendwann Jugendliche, und mit dem Erwachsenwerden kommen auch die Zweifel. Sind die Ideale, die man nur wenige Jahre zuvor noch angestrebt hat, noch immer realistisch? Haben die Wünsche und Hoffnungen, einst im naiven Feuer der Kindheit geschmiedet, auch im wahren Leben eine Chance? Oder müssen sie weichen im Angesicht der Wirklichkeit, in dem Augenblick, wo man das erste Mal erkennt, wie grausam diese Welt sein kann?
    -_Zweifel plagen irgendwann einen jeden Menschen, und so war es auch bei mir nicht anders. Mit der Erfüllung unseres Kindheitstraumes, dem Beginn unserer Reise vor weit mehr als einem Jahr, kamen auch mir Zweifel, inwieweit unser Versprechen von einst Bestand haben würde. Zwar ist es heutzutage nichts Ungewöhnliches mehr, nach dem Abschluss der Mittelschule zusammen mit einem Pokémon und einigen Freunden auf Reisen zu gehen, doch wechseln ebenso viele Jugendliche sofort auf die Oberschule über wie jene, die ein Jahr lang fern der Heimat und Familie ihr Dasein fristen wollen. Wie also kann man sich sicher sein, dass dieses Leben das richtige für einen ist?
    -_Tage und Wochen vergingen, in denen diese Zweifel an meinem Herzen nagten, und oft lag ich nachts noch viele Stunden lang wach und grübelte über den Sinn meines Vorhabens. Dann aber erreichten wir Stratos City, und auch wenn wir uns bislang in Bezug auf Kämpfe zurückgehalten hatten, wollten wir doch erst unsere Partner besser kennenlernen, so beschlossen wir doch nun, das erste Mal gegen einen Arenaleiter anzutreten. Und während Lotta und Bell noch zögerten, welcher von uns dreien als erstes die Herausforderung annehmen würde, da befiel mich ein eigenartiges Gefühl, vom Kopf bis in die Zehenspitzen; ein Prickeln, wunderbarer als Freude und stärker als Angst. Ich meldete mich freiwillig, forderte gemeinsam mit meinem Floink den Arenaleiter heraus – und gewann.
    -_Noch heute verspüre ich, wenn ich an diesen ersten großen Kampf zurückdenke, Herzklopfen, vermischt mit Euphorie und dem Vertrauen in die Fähigkeiten des eigenen Pokémon. Dieses eine Gefecht hat mir die verheißungsvolle Seite meines neuen Lebens gezeigt und zugleich die Zweifel in meinem Inneren verkümmern lassen. In diesem Moment, wo das Matrifol von Artie, dem Arenaleiter von Stratos City, zu Boden ging, da wusste ich, dass ich mich auf dem richtigen Weg befand; und diese Erkenntnis wuchs mit jeder weiteren Herausforderung, jedem weiteren Kampf. Selbst Niederlagen beflügelten mich eher als dass sie mich deprimierten, und für lange Zeit war das Gefühl der Pokémon an meiner Seite, wie sie mit mir kämpfen und die Welt erkunden, das schönste überhaupt.


    Kleoparda stößt ein kleines Miauen aus und reißt mich aus meinen Gedanken. Für einen Moment habe ich Schwierigkeiten, mich zurechtzufinden, und einen Atemzug lang fühle ich mich anderthalb Jahre zurückversetzt, wie damals, als unsere Reise begann. Dann aber bemerke ich das welke Herbstlaub zu meinen Füßen, den leichten Schimmer aus Frost, der sich über die Gräser gelegt hat, und den kalten Wind, der die bunten Blätter von den Bäumen reißt. Der Mond geht bereits am Horizont unter, und so wie damals die Reise gerade erst begann, erfüllt von den Gerüchen des Frühlings und der Wärme des nahenden Sommers, so endet sie nun, begleitet nur vom Absterben der Welt in Vorbereitung auf den eisigen Winter.
    -_Ich beuge mich hinab und strecke eine Hand aus, und sogleich ist Kleoparda dort, schmiegt sich an mein Handgelenk und schnurrt, sobald ich ihr den Nacken kraule. Für sie hat es höchstwahrscheinlich so ausgesehen, als würde ich, einer steinernen Statue gleich, einfach dort stehen bleiben, wo sich meine Schritte verloren haben, starr und unbewegt. Dass sich meine Gedanken jedoch im Kreise drehen und in vergangen Zeiten schwelgen, ganz im Gegensatz zu meiner erstarrten, leblosen Haltung, konnte sie nicht wissen, und während ich das Katzenpokémon weiterhin streichle und ihm meine Aufmerksamkeit zuteilwerden lasse, schleicht sich ein wehmütiges Lächeln auf meine Lippen. Manchmal bereue ich so vieles von dem, was ich getan habe.
    -_Inzwischen ist der Tag ganz nah, und wenngleich Avenitia noch immer nur knapp einen Kilometer entfernt ist, gelingt es mir doch nicht, diese kurze Distanz zu überbrücken. Wie könnte ich auch so tun, als wäre nichts geschehen, als könnte ich einfach nach Hause zurückkehren, der Welt die Tür vor der Nase zuschlagen und für immer vergessen, was ich so sehr vergessen will? Wie könnte ich mit einer solchen Lüge leben? Denn die Wahrheit ist, dass so vieles geschah in dieser Zeit, die ich gemeinsam mit Lotta und Bell verbracht habe. Wir reisten zusammen durch Einall, gingen gemeinsam durch dick und dünn und halfen mit vereinten Kräften dabei, Team Plasma, jenes Verbrechersyndikat, das den Menschen ihre Pokémon ausreden und die Welt beherrschen wollte, zu bekämpfen. Unser Wunsch, ausgesprochen vor so vielen Jahren, ging in Erfüllung, und auf unserem Weg durch Einall begegneten wir vielen anderen Menschen, die einst den gleichen Traum hatten wie wir und ihn nun verwirklichten. Wir übernachteten das erste Mal unter freiem Himmel, während um uns herum die Pokémon ihre nächtlichen Runden zogen, und wir erblickten zum ersten Mal die Schönheit so vieler Orte, die einmalig sind auf dieser Welt. Lotta fing ihr erstes Pokémon, während Bell und ich gerade ein Mittagsschläfen hielten, Bell versuchte sich das erste Mal und ziemlich erfolgreich am Angeln – und ich? Nun, ich verliebte mich zum ersten Mal.


    Es war ein ähnlicher Tag wie der heutige, herbstlich und kalt, die Luft erfüllt von den Gerüchen der leuchtenden Jahreszeit. Ich erwachte morgens als erster, inmitten einer Wiese hoher Gräser, auf der wir unsere Zelte aufgeschlagen hatten. Einen Moment lang war ich orientierungslos, wusste nicht, weswegen ich hier draußen lag und nicht in meinem Zelt; doch da entdeckte ich die wärmende Decke, die über mir ausgebreitet war, und spürte das daunenbewehrte Kissen unter meinem Kopf. Bilder und Eindrücke der vergangenen Nacht stürmten auf mich ein, und ich erinnerte mich wieder daran, noch lange mit Lotta geredet zu haben, bevor ich augenscheinlich eingeschlafen war. Anscheinend hatte Lotta mir daraufhin Decke und Kissen aus meinem Zelt geholt und mich schlafen gelassen; eine Erkenntnis, die mich seltsam rührte und berührte. Ich richtete mich von meinem Lager auf und blickte lange auf das inzwischen verloschene Feuer, meine Gedanken irgendwo zwischen diesem Augenblick und letzter Nacht, mein Herz hin- und hergerissen zwischen Vernunft und jenem zarten Gefühl, welches ich zuvor noch nie gefühlt hatte.
    -_An diesem Morgen musste ich mir eingestehen, dass ich etwas für Lotta empfand. Bereits zuvor hatte ich zwar Ahnungen gehabt, war mir doch schon seit längerem aufgefallen, dass ich öfter und lieber das Gespräch mit ihr suchte, als es jemals zuvor der Fall gewesen war, aber in diesen frühen Morgenstunden musste ich einsehen, was sich bereits seit Wochen angedeutet hatte. Und auch wenn mich diese Erkenntnis aufwühlte, ebenso wie es das seltsam liebevolle Verhalten Lottas in der vorigen Nacht getan hatte, so nahm ich das ganze doch mit einer erstaunlichen Gelassenheit hin; fast so, als würde mir die Einsicht meiner Gefühle eine ungeahnte Stärke geben. In diesem Augenblick, wo ich mir vor Augen hielt, dass ich mich tatsächlich in Lotta verliebt hatte, fühlte es sich richtig an, und selbst der Vernunft gelang es nicht, etwas daran zu ändern.
    -_In den darauffolgenden Tagen ging ich wie auf Wolken, war ungewöhnlich gut aufgelegt und seltsam gesprächig. Meine Schritte waren federnd, mein Gang unbeirrt, und ich ertrug selbst die Niederlage gegen die Arenaleiterin von Panaero City mit einer Gelassenheit, die mich im Nachhinein selbst verwundert. Nichts konnte meine Freude schmälern in diesen Tagen des Glücks, und auch wenn ich es nicht wagte, Lotta meine Gefühle zu gestehen, so war ich doch mit mir und der Welt im reinen.
    -_Zumindest bis zu dem Tag, an dem Lotta spurlos verschwand. Jenem Morgen, der unser Leben auf ewig verändern sollte.


    Tränen benetzen meine trockenen Wangen und der beständig zunehmende Wind fährt mir unsanft durch das dunkle Haar, während ich an jenen Augenblick zurückdenke, in welchem ich voller Schrecken erwachte, schreckensbleich und von Angst gebeutelt. Furcht schnürte mir das Herz zu, und noch ehe ich aus meinem eigenen Zelt heraus und zu dem der Mädchen gegangen war, wusste ich bereits, was geschehen war. Vorsehung oder einfach nur Verlustängste, die zufälligerweise an ebendiesem Morgen zuschlagen hatten? Ich weiß es bis heute nicht; ich weiß nur, dass ich es noch immer bereue, nicht eher auf Lotta zugegangen zu sein, um ihr von meinen Gefühlen zu berichten. Vielleicht hätte sie dann einen Grund gehabt, um zu bleiben. Vielleicht wäre sie dann nicht aufgebrochen, während wir schliefen, um es alleine mit Team Plasma aufzunehmen. Vielleicht wäre unsere Welt dann noch ein klein bisschen länger heil und perfekt gewesen, anstatt in einem Meer aus Scherben zu zerbrechen, als wir erfuhren, dass es einen gewaltigen Kampf unterhalb der Pokémon-Liga gegeben hatte; einen Kampf, der die gesamte Liga zerstört und nur noch Trümmer aus Schutt und aus Asche zurückgelassen hatte, in denen es unmöglich war, auch nur einen einzigen Menschen zu finden.
    -_Noch immer verfolgen mich diese Bilder, der Anblick der marmornen Säulen, die, umgeknickt wie tote Bäume im schweren Sturmwind, spielzeuggleich den einstigen Thronsaal des versteckten Schlosses unter der Pokémon-Liga füllten. Die Gerüche nach altem Gestein, Zerstörung und Blut hingen noch immer schwer in der Luft, als Bell und ich gemeinsam zum Platz der endgültigen Zerschlagung Team Plasmas reisten, um nach derjenigen zu suchen, die uns zurückließ, um die Welt ein wenig besser zu machen. Und während wir durch die Trümmer schritten und überall nach einem Lebenszeichen von ihr suchten, stellte ich mir die Frage: Wäre sie geblieben, wenn sie von meinen Gefühlen gewusst hätte?
    -_Die Sonne geht auf und ich weiß, dass ich nun eine Entscheidung treffen muss. Ganz gleich, wie sehr ich es auch hinauszögern möchte, schlussendlich muss ich wählen: Gehe ich nach Avenitia, dessen warmen, lockenden Schein ich bereits von hier ausmachen kann; oder kehre ich zurück in die weite Welt, mache ich mich auf die Suche nach dem einen Mädchen, das meinem Leben einen weiteren Sinn gegeben hat?
    -_Der Horizont erstrahlt in rotem Glanz und entscheide mich. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, nicht, ob dieses Gefühl in meinem Inneren, dass Lotta noch immer lebt, irgendwo dort draußen, mich vielleicht doch trügt; aber ich werde alles daran setzen, sie zu suchen, alles, um sie noch ein letztes Mal zu sehen.
    -_Unter meinen Füßen knirscht das trockene Laub, als ich mich in Bewegung setze. Ich werfe einen letzten Blick auf Avenitia, die rot gezielten Dächer, die über den Baumwipfeln aufsteigen. Dann gehe ich nach Norden, die Sonne ein strahlender Stern, der mir den Weg leuchtet, während der kühle Wind meine Tränen trocknet und das tote Blattwerk spielerisch umher weht.


    Mein Blick wandert rastlos über die Baumwipfel, die im Licht der aufgehenden Sonne rot und golden zu leuchten beginnen. Kalt weht der Wind von Osten und in der Luft liegt bereits jener verräterisch klare Hauch, der den nahen Winter prophezeit. In diesem Augenblick aber ist noch Herbst, die Jahreszeit, in der das Blattwerk als raschelndes Laub von den Bäumen fällt und alle Pflanzen verdorren. Die Zeit des Todes und des Endes.
    -_Aber ich will nicht, dass es zu Ende geht. Nicht so.
    -_Für einen kurzen Moment, vielleicht nur einen Wimpernschlag, meine ich, in der Ferne etwas zu erkennen; eine Gestalt vielleicht, schemenhaft, in der Begleitung einer anderen, kleineren. Einen Atemzug lang schlägt mein Herz schneller und Hoffnung macht sich in mir breit. Dann aber ist der Augenblick auch schon wieder vorüber und der Wind frischt auf. Grob zerrt er an den letzten trockenen Blättern der Bäume, reißt sie fort und trägt sie von dannen, weit weg von ihrer Heimat. Und von mir.
    -_Manchmal frage ich mich, was ich sagen soll, wenn ich ihn wiedersehe. Wie soll ich erklären, was mich dazu angetrieben hat, damals zu gehen und ihn zurückzulassen?
    -_Mein Blick wandert rastlos umher.
    -_Wie soll man etwas beschreiben, das man nie zuvor gekannt hat?



    [tab=Runde 2]


    Nur ein Kuss.



    Gedanken, die schweifen, und fern ist der Geist,
    Wo eben noch Fülle war, ist nun verwaist:
    Ein rastloser Ort, von der Leere gespeist.
    Gedanken, die schweifen – dein Herz, das verreist.


    Und vor deinen Augen ist ein leerer Ort.
    Ein Wunsch und ein Wille, die Leere ist fort:
    Hellgoldene Gräser, die wachsen nun dort,
    Der Himmel ist silbern und gläsern dein Wort.


    Dein Wort, das erklingt, schließlich sie, die erscheint,
    Frei in dieser Welt und doch an sie geleint.
    Der bleierne Himmel, der über euch greint;
    Dein Herz voller Glück, doch dein Auge, das weint.


    Und vor deinen Augen das Blatt aus Papier,
    Ein Schwung mit der Feder und schon sind sie hier:
    Der Himmel, die Gräser, sie kommen zu dir,
    Doch das, was noch fehlt, ja, das hab‘ ich von ihr
    Genommen.


    Der Musen Kuss war es, der hat dich gelenkt,
    Die Sehnsucht, die war es, was er dir geschenkt:
    Das Glück und die Hoffnung, die alles ertränkt.
    Und doch ist es sie, an der noch dein Herz hängt.


    Die Tinte der Feder, sie färbt nun das Blatt,
    Sie schreibet auf das, was dein Geist erdacht hat.
    Und während du schreibst, ja, da wird dein Herz matt:
    Du hast dieses sinnlose Leben so satt.


    Die Tinte der Feder, sie färbt das Blatt rot;
    Im Geiste und Herzen kommt alles ins Lot.
    Und während du schreibst, da vergisst du die Not;
    Du schreibst und du schreibst und du schreibst –
    Und dann bist du tot.


    Nun ist es vollbracht, ich schau auf das Gedicht,
    Ich lese die Zeilen, erkenn mein Gesicht.
    Ich koste dein Leiden, ich fühl den Genuss,
    Den Segen, das Glück und den Fluch, den Verdruss:
    Ich sehe die Auswirkung von meinem Kuss.



    [tab=Runde 3]


    Das Mädchen mit den silbernen Haaren.



    Her die Schere, schnipp und schnapp,
    Schwupp, schon sind die Haare ab.
    Schnippe-schnapp und schon gescheh‘n:
    So kann dich keine Hexe seh‘n.


    Es war einmal in einem fernen Land, da lebten eine Mutter und ihre Tochter in einer kleinen Hütte am Rande eines großen Gebirges. Fernab von jedem Dorf und jeder Stadt war diese Behausung, und Mutter und Tochter führten hier ein ärmliches, aber glückliches Leben. Zusammen bestellten sie das kleine Feld vor ihrer Hütte, zusammen hüteten sie das Vieh, das die Mutter einst in einer Stadt erworben hatte. Im Sommer sangen sie fröhliche Lieder von fernen Ländern, im Winter begingen sie das Weihnachtsfest. Vollkommen war ihr Glück und vollkommen ihr stilles Paradies.
    -_Der Tochter Name war Amelie und sie war eine Schönheit sondergleichen. Nicht nur hatte die frische Bergesluft ihren Teil dazu beigetragen, dass Amelies Haut von jeher hell und ihre Augen klar waren, sie verfügte außerdem auch über silbernes Haar von solch irisierender Intensität, dass es einem jeden, der sie erblickte, wie das Erstrahlen der nächtlichen Sterne anmutete. Alt und jung, arm und reich kamen zu jener Zeit vor ihrem Leben am Rande des Gebirges, abgeschnitten vom Rest der Welt, um diese herrliche Pracht zu bewundern, und wenngleich erst neugeboren, ward Amelie doch schnell im ganzen Lande bekannt.
    -_Eines Tages kam jedoch auch eine Hexe zum Elternhause Amelies und verlangte das Kind im Tausche gegen unermesslichen Reichtum und große Macht. Amelies Mutter aber war nicht gewillt, diesem Angebote zuzustimmen, und aus Angst vor der Rache der alten Frau schnitt sie ihrer Tochter die silbernen Haare ab und floh mit ihr in jene ferne Berghütte, in welcher sie für viele Jahre lang verweilen sollten.
    -_Doch dann, an jenem Tage, da sich Amelies Geburtstag zum fünfzehnten Mal jähren sollte, trug es sich zu, dass ein Fremder die in den Ausläufern des Gebirges liegende Hütte aufsuchte. Es war ein Prinz aus fernen Landen, der seit langer Zeit schon unter einem grauenvollen Fluche litt, den einst eine Hexe über ihn verhängt hatte. Allerlei Wunderliches an Wissen hatte er seitdem zusammengetragen, um einen Weg zu finden, dem Fluche zu entgehen, und schließlich ward er jenen Schriften habhaft geworden, laut denen ein Mädchen mit silbernen Haaren ihm zur Hilfe würde eilen können. So hatte er sich auf die lange Reise gemacht, jenes Mädchen zu suchen, und so trat er in die Hütte Amelies und ihrer Mutter ein, ohne das Wissen, sein Ziel genau hier gefunden zu haben.
    -_»Was ist es, das Ihr auf Eurer Reise zu finden hofft, mein Herr?«, fragte die Mutter gerade, als Amelie, verkleidet als Knabe und mit einer Mütze auf dem Haupte, die Kammer betrat, in welcher der Reisende zu Tisch gebeten worden war. Dies Schauspiel der Verkleidung hatte Amelie schon oft begehen müssen, und niemals ward ihre Tarnung durchschaut und sie als dem weiblichen Geschlechte angehörig erkannt worden. Sobald jedoch der Blick des Mädchens das erste Mal den des Prinzen traf, da bemerkte sie, wie Verwirrung in ihm aufstieg, gefolgt von einem schelmischen, wissenden Blick, fast so, als würde er ihre Verkleidung durchschauen können.
    -_»Ich bin auf der Suche nach einem Mädchen mit silbernen Haaren«, beantwortete er schließlich nach einem Augenblicke die ihm gestellte Frage, und sowohl Mutter als auch Tochter erstarrten ob der Schwere dieser Worte. Wie nur hatte er von ihrem Geheimnis und von ihrem Verstecke erfahren können, denn dass er hier war und auf der Suche nach ihr, nach Amelie, konnte doch keinerlei Zufall sein. Sie konnten ja nicht ahnen, dass der reisende Prinz nichts von der Wahrheit, die dort vor ihm lag, zu wissen vermochte, und während die Mutter ein weniger heikles Thema zum Gespräche einzuleiten versuchte, pochte in Amelie bereits die Panik, zusätzlich geschürt noch durch jenen Blick, den der fremde junge Mann ihr zugeworfen hatte. Schauermäre, die ihr einst die Mutter erzählt hatte, darüber, wie ein jeder sie würde ausnutzen wollen, um an ihr silbernes Haar zu gelangen, kamen ihr in den Sinn, und noch ehe der Augenblick der vermeintlichen Erkenntnis gänzlich verflogen war, da rannte Amelie bereits von dannen, fast so, als ginge es um mehr als nur ihr Leben.
    -_Lange Zeit rannte Amelie so fort, getrieben von ihren eigenen Ängsten, und als schließlich die Nacht hereinbrach und die Welt in tiefe Schwärze getaucht wurde, da war sie fern ihrer Heimat und fern jeglicher Orte, die sie kannte. Einige wenige Ansammlungen hölzerner Häuser hatten ihren Weg der Flucht gesäumt, doch stets hatte sie sich gehütet, diesen zu nahe zu kommen, und war stattdessen immer tiefer in die Wälder gelaufen. Weiter und weiter hatten ihre Füße sie getragen, und noch bevor der Mond über ihrem Kopfe den Himmel erklomm, da ward Amelie schließlich an einer kleinen Hütte angelangt, die ihrer eigenen nicht unähnlich war. Von ebenso unscheinbarem Aussehens wie ihr eigenes Heim vermochte ihr Antlitz es sogleich, Amelies Vertrauen zu gewinnen, und ohne weitere Überlegungen beschloss sie, einzutreten und nach einer Schlafstatt für die Nacht zu bitten.
    -_»Ist hier jemand?«, fragte sie leise, indem sie die hölzerne Türe öffnete, wohl in dem Wissen, dass inzwischen tiefste Nacht herrschte, und in dem widersprüchlichen Versuch, niemanden aus seinem Schlafe zu reißen. Umso erstaunter war sie, als vor ihr ein altes Weib erschien, von gedrungener Gestalt und mit faltigem, warzigem Gesicht, in dem die Augen dunkel funkelten. Forschend sah diese Amelie an, in der Hand eine flackernde Kerze auf einem kleinen Teller, und schließlich leuchtete Wohlwollen in ihrem Blicke auf.
    -_»Komm schon rein, junges Ding«, murmelte sie und wandte sich um, ehe sie noch einen kurzen Blick über ihre gekrümmte Schulter warf. »Ich habe ein Zimmer, in dem du diese Nacht verbringen kannst.« Mit diesen Worten schritt sie von dannen, und wenngleich Amelie einen Augenblick lang Misstrauen überkam, verwarf sie dieses doch sofort wieder, zu heimelig und vertraut schien ihr diese Hütte. Sie folgte der Alten über den Flur und ergötzte sich an den kleinen Dingen, die sie an ihr eigenes Heim denken ließen, fast so, als wäre dies Haus als Abbild ihres eigenen geschaffen worden. Dies ließ sie jegliche Furcht vergessen, und als sie der greisen Frau eine Treppe hinab in den Keller folgte, an dessen Ende sich eine kleine Kammer befand, war es bereits zu spät. Schneller, als es einer Alten hätte gelingen sollen, war diese an die Seite Amelies geeilt und hatte sie ohne große Mühen in das Kämmerchen gezerrt und gestoßen. Schon war die Türe geschlossen, schon der Schlüssel gedreht und Amelie gefangen.
    -_»Ich weiß, wer du bist, kleines Mädchen«, sagte das alte Weib und griente durch das vergitterte Türenfenster. Im flackernden Licht der Kerze erschien ihr Gesicht mit einmal Mal hässlich und böse, und als sie sprach, war ihre Stimme gehässig und rau. »Du bist das Mädchen mit den silbernen Haaren. Welch Ironie, dass du schlussendlich den Weg zu mir gefunden hast, nachdem deine Mutter doch so viele Jahre lang versucht hat, dich vor mir zu verstecken.« Und mit diesen Worten und keckerndem Gelächter verschwand sie und nahm das Licht mit sich fort.


    ---


    Mein lieber Mond, erscheine hier,
    Erscheine und berichte mir,
    Sag, hast du einen Trost für mich,
    Sprich, lieber Mond, ich bitte dich.


    Amelies Lippen formten wieder und wieder jene Worte, die sie seit ihrer Ankunft im Haus der Hexe jede Nacht an den Himmel gerichtet hatte. Anfangs voller Verzweiflung und Furcht, so waren diese Verse nun vielmehr das letzte Mittel, sie die Hoffnung nicht verlieren zu lassen. Nichts war ihr geblieben außer der kargen Kammer, in welcher sie tagein, tagaus zu verweilen hatte, und der Blick in den Himmel durch das kleine Fenster, das ihr in den immer kalten und sternenklaren Nächten den Mond zeigte. Schnell war die große hellweiße Scheibe schließlich zu ihrem einzigen Verbündeten geworden, und so manches Mal war es Amelie fast so, als würde er tatsächlich zu ihr sprechen und ihr antworten. Wie es auch in dieser Nacht nicht anders sein sollte:


    Mein liebes Kind, so weine nicht,
    Ich sag‘ dir, ich vergess dich nicht,
    Die Rettung ist schon nicht mehr weit,
    Geduld‘ dich nur noch kurze Zeit.


    So schienen die Worte des Mondes zu jener späten Stunde und schürten in Amelie wieder die Hoffnung, dass in Bälde jemand kommen und sie aus den Klauen des alten Weibes befreien würde. Diese indes hatte, wie sie Amelie selbst eines Abends berichtete, große Pläne vor mit dem jungen Mädchen, und oftmals murmelte sie sonderbare Sprüche, die nicht selten von silbernem Haare handelten, die man im Feuer versengen, in Wasser tränken oder gar in der Erde vergraben sollte. In jenen Augenblicken war Amelie wie erstarrt vor Furcht, hegte sie doch keinerlei Zweifel daran, dass es der Hexe daran gelegen war, mit ihren bereits geschwind nachwachsenden Locken allerlei dunkle Zauber zu wirken. Und so flehte sie jede Nacht erneut den Mond an, ihr Trost zu spenden und sie zu erretten, und mal schien er zu antworten und dann wieder stumm zu bleiben. Viele lange Wochen und Monate zogen so in die Lande und ein jeder Tag wirkte unverändert auf Amelie und so auch jede Nacht. Eines stillen Abends jedoch, als der Mond bereits voll und weiß am Himmel aufzusteigen begann, trug es sich schließlich zu, dass ein Geräusch wie das Zerbersten eines ganzen Berges aus den Wäldern zu hören war, und die Hexe eilte hinaus in die dunklen Schatten der Bäume, um nach dem Rechten zu sehen. Amelie jedoch verblieb wie stets in ihrer zugesperrten Kammer und suchte das Gespräch mit dem Mond:


    Mein lieber Mond, erscheine hier,
    Erscheine und berichte mir,
    Sag, hast du einen Trost für mich,
    Sprich, lieber Mond, ich bitte dich.


    Und der Mond schien zu antworten:


    Mein liebes Kind, so weine nicht,
    Ich sagte, ich vergess dich nicht,
    Die Rettung, sie ist endlich hier,
    Sie hat gefunden nun zu dir.


    In ebendiesem Momente erklang ein grauenerregendes Heulen, und noch ehe es zur Gänze verklungen war, da erschien bereits ein düstrer Schemen zwischen den ausladenden Schatten des Waldes und trat beständig auf die kleine Hütte zu. Amelie indes spürte, wie die Furcht sie zu übermannen drohte, und als das Wesen, von tierischer Gestalt und mit schmutzigem Felle bewehrt, doch auf zwei Beinen aufrecht gehend, schließlich das Heim der Hexe betrat, da war ihr, als wäre ihr Leben nun zu einem Ende gekommen. Umso mächtiger war dann jedoch ihr Erstaunen, als sich die hölzerne Tür ihrer Kammer mit einem langgezogenen Knirschen öffnete und sie in die Augen jener wolfsähnlichen Kreatur blickte, die ihr erschreckend bekannt waren. Hatte sie ebendieses Funkeln nicht schon einmal gesehen, damals, bevor sie von daheim fortgelaufen war? Die Worte, die sie nun ganz klar vom Monde zu vernehmen mochte, bestätigten ihre Vorahnung:


    Mein liebes Kind, so fürcht‘ dich nicht
    Und blick dem Wesen ins Gesicht,
    Dem Wesen, das du einst geseh‘n
    Als Mann dir gegenübersteh‘n.


    Und wenngleich noch immer die Angst sie zu überwältigen drohte, gedachte sie des schrecklichen Scheusales vor ihr, so konnte sie doch des Mondes Äußerung nicht verdrängen, weswegen sie schließlich einen Schritt in Richtung des Wesens wagte und fragend in seine Augen blickte.
    -_»Seid Ihr nicht«, begann sie zu sprechen, in der Hoffnung, die Kreatur würde sie verstehen, »jener junge Mann, welcher dereinst auf der Suche nach einem Mädchen mit silbernen Haaren durch die Lande reiste und Rast machte in einer Hütte am Rande des Gebirges?«
    -_Ein unmenschliches Grinsen zog sich über die Fratze des Scheusales, doch zugleich vermochte Amelie darunter das erfreute Lächeln eines Menschen zu erkennen. Mit den geflüsterten Worten des Mondes in ihrem Herzen schwand ihre Furcht vor diesem Wesen nach und nach, und schließlich hatte sie genügend Mut zurückerlangt, um einen weiteren Schritt zu wagen und direkt vor die Kreatur zu treten. Mit äußerster Vorsicht hob sie ihre Hand und legte sie auf die klauenbewehrte Tatze der Bestie, und wo in den vergangenen Wochen und Monaten der Wunsch nach Freiheit in Amelie geherrscht hatte, war es nun der Wunsch nach Erlösung für diese Kreatur. Im Stillen flehte sie den Mond an, diesen Bann, der über den jungen Mann verhängt worden war, zu brechen, und nach schier endlosen Momenten des bangen Wartens, da antwortete der Mond mit sanfter, wohlwollender Stimme:


    Mein liebes Kind, dein Wunsch gewährt,
    Doch nicht umsonst sei sie genährt,
    Die Wirkung kostet dich dein Haar,
    Nie wieder wird’s, was einstmals war.


    Amelies Herz erstarrte für einen Augenblick lang in Entsetzen, doch dann gewann das Gewissen die Oberhand, dass dieses Wesen, wenngleich von grauenerregendem Äußeren, ihr die Freiheit geschenkt hatte. Und sollte es tatsächlich jener junge Mann sein, der sie und ihre Mutter aufgesucht hatte, in der Hoffnung, einst ein Mädchen mit silbernen Haaren zu finden, dann wäre vielleicht dies genau die rechte Art, ihm ihren Dank auszusprechen. Denn aus welchem Grunde sollte jemand seine Heimat verlassen und einem Märchen nachjagen, wenn nicht, um einen finsteren Fluch oder ähnliches Unheil zu bannen?
    -_So stimmte Amelie schließlich dem Handel mit dem Monde zu, und noch ehe sie zu blinzeln vermochte, da ward aus der Kreatur vor ihr bereits der junge Mann und Prinz von einstmals, der sie dankbar ansah und ihr sogleich berichtete, dass vor vielen Jahren eine Hexe ihn verflucht hatte, auf ewig mit dem Gang des Mondes seine Gestalt zu wandeln. In der Hoffnung, Erlösung zu finden, hatte er sich seitdem auf Reisen begeben und jegliche Mythen untersucht, bis er schließlich vom Monde höchstpersönlich heimgesucht wurde. Dieser hatte ihm noch in der gleichen Nacht, da Amelie von daheim fortgerannt und der alten Hexe in die Fänge geraten war, von ihrem traurigen Schicksal berichtet, und er hatte sich sogleich aufgemacht, sie zu erretten, ohne zu wissen, dass sie das gesuchte Mädchen war. Eine Verkettung von Zufällen, die zweifelsohne zu ihrer beider Freiheit geführt hatte.


    ---


    Noch in der gleichen Nacht machten sich Amelie und der Prinz schließlich auf den Weg zu ihrem Heim, und als sie dort ankamen, da fielen Mutter und Tochter sich glücklich in die Arme. Viele Stunden lang lachten und weinten sie über das vergangene Abenteuer, und die Mutter erzählte die ganze Geschichte ihres ärmliches Daseins in dieser Hütte, davon, wie eine Hexe sie kurz nach Amelies Geburt dazu gebracht hatte, ihre Heimat aufzugeben, um ihrer Tochter Sicherheit zu schenken. Nun jedoch, wo Amelies Haar durch das Gewähren ihres Wunsches nicht mehr länger silbern, sondern anstelle dessen flachsblond schimmerte, hatten sie nichts mehr zu befürchten. Und so reisten sie alle gemeinsam in das Königreich des jungen Mannes, wo Amelie und er heirateten und glücklich wurden. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute.


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  • Hey Alyson. :) Da ich gesehen habe, dass du dir einen Kommentar zu eines deiner Werke wünscht, dachte ich mir dir einen zu schreiben, da ich sowieso mal vorhatte dir einen zu hinterlassen, nahm ich mir einfach deinen Wunsch als Anlass diesen zu machen. Erwähnenswert wäre wohl, dir noch zusagen, dass sich meine Meinung stark von derer unterscheiden kann, die deine Texte in einem Wettbewerb bewertet haben bzw. ebne in diesem Rahmen entsprechend. (Wird irgendwann noch zu meinem Stadtarttext, so viele Wettbewerbstexte wie hier gepostet werden.) Deswegen lasse dich bitte nicht davon irritieren, es ist lediglich nur meine Ansicht.


    Das Mädchen mit den silbernen Haaren
    Da ich allgemein ein großer Fan von Märchen bin und du auch meintest, du seist gespannt wie dieser Text bei den anderen ankommt, dachte ich mir, dass ich mir diesen einfach mal vornehme. Der Titel an sich macht einen schon neugierig und es haftet bereits etwas märchenhaftes an ihn. Finde ich persönlich sehr schön, da ich wie erwähnt, Märchen liebe und generell auch deine Sprache diesem Schema ein Stück weit angepasst hast. Wobei ich überhaupt nicht nachvollziehen kann warum du diesen Text hasst. Aber naja jeder betrachtet sein eigenes Geschriebenes immer anders. x)
    Du beginnst mit einem sehr klassischen Einstieg für ein Märchen, sowie du auch das Ende gehalten hast, wobei das aber nicht negativ zu werten ist, da es eben auch sehr typisch für ein Märchen ist und du auch diesen Kern eines solchen, meiner Meinung nach, gut in deinem Text mit eingebunden hast. Ebenfalls die Sprache, bei der ich schon erwähnt habe, das diese auch sehr altertümlich gehalten wurde, was insgesamt zu dem Bild einer solchen Geschichte passt. Dein Stil allgemein ist sehr flüssig gehalten und auch detailreich und abwechslungsreich, was ich selber sehr mag, von daher hast du mich bereits nach einige Sätzen in den Bann deiner Geschichte gezogen. ^^ Ebenfalls sehr typisch für ein Märchen finde ich, dass sehr viele Zufälle zu Beginn sich ereignen, die miteinander verknüpft sind; dass eine Hexe erscheint und diese Mutter und Tochter heimsucht, der Prinz,(ich weiß nicht ob das in deinem Text auch so konkret erwähnt wird, daher sag mir bitte, wenn ich falsch liege) welcher wahrscheinlich auch von jener verflucht wurde und nur mithilfe eines Mädchens mit silbernen Haaren von diesem befreit wird. Noch dazu das er diese, unwissend darüber, zufällig findet und deren Jungenverkleidung durchschaut und dass als Amelie aus Angst flüchtet und quasi in die Arme der Hexe hineinrennt, welche es nur Recht ist. Mir ist auch aufgefallen, dass du auch anfangs wenige Informationen dem Leser gegeben hast, um welche Art von Fluch es sich wohl handelt usw., aber umso überraschte war ich, als du jenes Element mit dem Mond näher thematisiert hast, was auch gut eingesetzt wurde. Bzw. die Verbindung eben zu diesem Mond, dass es einerseits für das Märchen als eine Art Symbol der Hoffnung ist und für den Prinzen bedeutet, dass er sich in ein Monster verwandelt (oder auch in so etwas wie ein Werwolf, zumindest hat es eine große Anspielung darauf, dass sich jene Wesen auch bekanntlich bei (Voll-)Mond verwandeln). Vielleicht etwas zu durchschaubar am Ende, aber dennoch hast du anfangs wenig darüber berichtet, erst später kamen auch ebenfalls die wahren (wenn auch mehr offensichtlichen) Absichten der Hexe heraus, wobei ich finde, dass du diese vielleicht mehr zu Beginn herausstechen solltest, eben diese Rolle, die sie später einnimmt. Mir schien es eher so, als würde sie es mehr hinnehmen, dass die Mutter mit ihrer Tochter, einfach die Flucht ergreift, ohne aber diese Gefahr die von der Hexe ausgeht, nicht noch einmal näher erläuterst. Zumindest ist das aber nur meine Ansicht zu diesem, eine wirklich große Tragweite für das spätere Geschehen hatte es nicht, lediglich nur ein Merkmal das mir ins Auge gestochen ist.
    Des weiteren mochte ich allgemein noch deine kleinen Ausschmückungen mit diesen kurzen Strophen eines Gedichtes, die du noch mit einbezogen hast, die auch zu der richtigen Stelle erwähnt wurden, als kleine Konversationen, die in Märchen sowieso eher selten auftauchen und dort, die Handlung mehr von Bedeutung ist. Alles in allem ist es ein schönes Märchen, wo du diese Sache mit dem silbernen Haaren in Szene gesetzt hast, noch dazu den Mond als Erlöser all dessen, was mir selber sehr zusagt. Selber hätte es mir aber noch gefallen, wenn du vielleicht die einzelnen Charaktere noch etwas mehr beschrieben hättest, nicht nur im Bezug auf das Aussehen (wo bei dem Prinzen zum Beispiel, ich selber kann mich nicht an eine Beschreibung seines äußeren erinnern, kann aber auch sein das ich etwas übersehen habe), sondern auch mehr auf die Gefühle des einzelnen, wobei es hinsichtlich eines Märchens dann doch eher zu viel wäre, war aber nur mein Gedanke hierzu bzw. eine kleine Anmerkung am Rande. Allgemein mochte ich aber diese Geschichte sehr und ich kann noch immer nicht begreifen wieso du sie nicht magst. D:
    Noch einmal zum Ende: Die Idee das sie eben ihre Haare später aufgeben muss, ist zwar ein Opfer an sich und auch etwas durchschaubar hinausgelaufen, dennoch aber mochte es irgendwie gerade deswegen.
    Du hast aber insgesamt die wesentlichen Merkmale eines Märchens gut zur Geltung gebracht, wie eben die Trennung von Gut und Böse.


    -In eben_diesem Momente erklang ein grauenerregendes Heulen, und noch ehe es zur Gänze verklungen war, da erschien bereits ein düstrer Schemen zwischen den ausladenden Schatten des Waldes und trat beständig auf die kleine Hütte zu.


    ~Dunames

  • Huhu Alyson *wink*


    Hatte irgendwie gerade mal Lust darauf, hier zu kommentieren (muss an dem Design liegen, gib mir was von deinem Gestaltungstalent ab D= Nur könntest du die Links noch einfärben, ich hab den Schwarz-Style, da sieht das Gelb so unschön nicht harmonierend aus), und mir das letzte noch unkommentierte Gedicht geschnappt, da ich mit KGs weniger anfangen kann, zumindest beim Kommentieren. ^^" Und ich kommentiere während des Lesens, also verzeih kleinere (oder größere *hust*) Fails meinerseits, sollten sie vorkommen. x)


    Nur ein Kuss


    Himmel, das ist aber lang. Ich bin eher Freund von kurzen Gedichten, aber das heißt ja noch gar nichts. :3 Abgesehen davon habe ich eine Abneigung gegen das deutsche Wort "Kuss", aber das ist einfach nur eine Random-Sache meinerseits und soll die Kritik in keinster Weise beeinflussen xD
    Vom Titel her kann ich mir noch wenig drunter vorstellen, außer vielleicht den Kuss der Muse. Was jedenfalls zum Thema passen würde.


    Zitat

    Gedanken, die schweifen, und fern ist der Geist,
    Wo eben noch Fülle war, ist nun verwaist:
    Ein rastloser Ort, von der Leere gespeist.
    Gedanken, die schweifen – dein Herz, das verreist.


    Warte, "wo eben noch Fülle war, ist nun verwaist" ist irgendwie eine komische Formulierung. Ich schätze mal, du meinst irgendwas in die Richtung "Der Ort wo eben noch Fülle war", aber so geht das meines Wissens nach nicht. ^^"
    Ansonsten gefällt mir die Strophe sehr gut, weil sie das Gefühl beim Schreiben oder generell beim kreativ Sein sehr gut beschreibt, und ich denke mal, du meinst es so, dass man quasi aus der Realität, die man noch bis eben aufgefüllt hat, weggeht? So ganz plump formuliert? x) Ja, also, ich mag es gern. Hat auch einen sehr schönen Klang, die Strophe, und die Wortwiederholung bei Vers 1 und 4 gefällt mir auch. Vers 3 fällt mit der Silbenanzahl ein wenig aus der Reihe, aber nicht negativ auf.


    Zitat

    Und vor deinen Augen ist ein leerer Ort.
    Ein Wunsch und ein Wille, die Leere ist fort:
    Hellgoldene Gräser, die wachsen nun dort,
    Der Himmel ist silbern und gläsern dein Wort.


    Oh, wie mir grad erst aufgefallen ist, dass das Reimschema AAAA BBBB usw ist, das ist mir Strophe 1 irgendwie untergegangen. xD Der erste Vers gefällt mir hier nicht so, weil die Betonung zwar nicht unbedingt unnatürlich klingt, aber auch nicht natürlich, dass "ein" betont wird, wirft mich ein wenig aus der Bahn gerade, auch, wenn das definitiv so machbar ist.
    Warte, jetzt muss ich grad mal meine eigene Definition von der Leere überdenken, der Rest ist inhaltlich wie klanglich stimmig, Beschreibungen hast du drauf, nur die Leere verwirrt mich gerade. Bis gerade eben war ich der Meinung, dass die Leere erst kommt, wieso sollte sie jetzt gehen? Oder verstehe ich das einfach falsch? ^^"


    Zitat

    Dein Wort, das erklingt, schließlich sie, die erscheint,
    Frei in dieser Welt und doch an sie geleint.
    Der bleierne Himmel, der über euch greint;
    Dein Herz voller Glück, doch dein Auge, das weint.


    Hier wieder selbiges Problem wie in Strophe 2, diesmal im zweiten Vers, die Betonung auf "in" ist irgendwie komisch. Greint? Das Wort hab ich ja noch nie gehört x) Aber offenbar gibt es das, immerhin streicht es mir Chrome nicht als Fehler an.
    Sie? Die... Muse? Denke ich? ._. Und warum weint das Auge? Die ganzen negativen Bilder, die mit "bleiern" und "weinen" erzeugt werden, habe ich so nicht erwartet. Dass die Muse (ich gehe jetzt einfach mal davon aus, dass sie es ist, weil sonst ergibt das Pronomen wenig Sinn) an die Welt der Kreativität gekettet ist, ist nur verständlich. Und das Wort ist ein... Einfall? Oder sowas? =O


    Zitat

    Und vor deinen Augen das Blatt aus Papier,
    Ein Schwung mit der Feder und schon sind sie hier:
    Der Himmel, die Gräser, sie kommen zu dir,
    Doch das, was noch fehlt, ja, das hab‘ ich von ihr
    Genommen.


    Das "Genommen" will nicht wirklich in den sprachlichen Gesamtzusammenhang passen. Ansonsten sprachlich schön ^-^
    Oh, das ist so schön beschrieben x3 Und es ist auch wirklich wahr. Ansonsten... Habe ich zu dieser Strophe mal absolut gar nichts zu sagen. ._.


    Zitat

    Der Musen Kuss war es, der hat dich gelenkt,
    Die Sehnsucht, die war es, was er dir geschenkt:
    Das Glück und die Hoffnung, die alles ertränkt.
    Und doch ist es sie, an der noch dein Herz hängt.


    Hm, sprachlich gefällt mir das hier nicht so, tut mir leid ^^" Der erste Vers will irgendwie vom Metrum her nicht zum Rest passen und der letzte Vers klingt auch metrisch etwas komisch, mit der Betonung auf "noch", und das kann man nicht mal wirklich umstellen, weils dann genau das selbe Problem gibt. ;A;
    ICH HATTE RECHT
    Äh. Sorry. Wo jetzt auf einmal die Hoffnung herkommt, ist mir ehrlich gesagt ein wenig schleierhaft, allerdings ergibt jetzt auch endlich der Titel einen Sinn und ich lag mit meiner Vermutung ganz am Anfang sogar richtig, hehe. Also, hängt das Herz an der Sehnsucht? Oder an Hoffnung? Oder an der Muse? Irgendwie will das für mich gerade keinen Sinn ergeben, das liegt aber wahrscheinlich an mir und einer Sperre, die ich gerade im Kopf hab oder so. ._.


    Zitat

    Die Tinte der Feder, sie färbt nun das Blatt,
    Sie schreibet auf das, was dein Geist erdacht hat.
    Und während du schreibst, ja, da wird dein Herz matt:
    Du hast dieses sinnlose Leben so satt.


    Argh, "dein Geist erdacht hat" passt metrisch nicht ^^"
    Warte, was, wird das jetzt zu Suizid? D= Dramatische Wendung. Hatte ich jetzt nicht unbedingt erwartet. Mal schauen, wie es weitergeht.


    Zitat

    Die Tinte der Feder, sie färbt das Blatt rot;
    Im Geiste und Herzen kommt alles ins Lot.
    Und während du schreibst, da vergisst du die Not;
    Du schreibst und du schreibst und du schreibst –
    Und dann bist du tot.


    Hier haben wir ja wieder einen Bruch, dass wir fünf Verse haben statt vier, aber das verleiht dem Ganzen eine Endgültigkeit, weshalb ich das lieber mag als das "genommen" ein paar Strophen vorher. Metrisch ist diesmal alles in Ordnung o/
    Okay, innerhalb eines Gedichtes haben wir uns von schönen Traumwelten und dem Kuss der Muse zum Tod gewandt, was... Man nicht alle Tage sieht. Jetzt ergeben aber die ganzen negativen Bilder von vorher Sinn, geschickt eingewoben hast du das, Respekt. Ich frage mich gerade, ob der Tod metaphorisch zu sehen ist oder wirklich so eintritt. Wobei ich mir jetzt auch grad nicht vorstellen kann, für was der Tod stehen sollte.


    Zitat

    Nun ist es vollbracht, ich schau auf das Gedicht,
    Ich lese die Zeilen, erkenn mein Gesicht.
    Ich koste dein Leiden, ich fühl den Genuss,
    Den Segen, das Glück und den Fluch, den Verdruss:
    Ich sehe die Auswirkung von meinem Kuss.


    Hm, ich würde in Vers 1 "Nun ist es vollbracht, ich schau auf's Gedicht" sagen, dann wäre es von der Silbenanzahl passender zum Rest. Der Dativ in Vers 5 gefällt mir nicht so, und du hast jetzt irgendwie mehr oder weniger random das Reimschema gewechselt, was mich allerdings weniger stört, da sich das Gedicht ja auch ziemlich gedreht hat, da sind Ausbrüche aus der normalen Form gar nicht mal schlecht.
    Und jetzt ist dem lyrischen Ich wohl klar geworden, was es angerichtet hat damit, dass es geschrieben hat, und... Erkennt sich selbst im Gedicht wieder? Nehme ich jetzt einfach mal an. Schön, dass du das Gedicht wirklich mit dem Ende des, naja, im Gedicht angesprochenen Gedichtes beendet hast, das rundet das Ganze noch schön ab. Und die Auswirkung ist dann wohl der Tod, schätze ich. Ob es nun der metaphorische oder wirkliche ist. Argh. ._.


    Insgesamt hat mir das Gedicht wirklich gefallen (obwohl ich so oft am Metrum gemeckert hab, sorry ;A;), obwohl einige Fragen offen geblieben sind. Du hast die Gefühle beim Schreiben wirklich schön eingefangen und ich bin allgemein von deinen Beschreibungen relativ begeistert, haha, wie du es schaffst, in einem Gedicht so eine irgendwie bildliche Sprache einzubringen, ist mir ein Rätsel, aber das ist positiv gemeint, keine Sorge. =D Ich werde hier definitiv noch öfter reinschauen, weiter so, warst nicht umsonst im Saisonfinale. Benachrichtigungsliste, bitte, per GB wär schön :3


    Nija ~

  • 4



    Ich will dich in Zeitlupe sehen,
    Damit dieser Moment nicht vergeht.
    Ich will dich in Zeitlupe sehen,
    Damit dieser Moment nicht vergeht –
    Damit es nicht aufhört.


    Himmel, schon drei Monate sind vergangen seit meinem letzten Update hier. D: Die Zeit fliegt dermaßen, da komme ich ja gar nicht hinterher. (Ich werde alt. ._____.) Umso wichtiger, dass ich mich jetzt ins Zeug lege und am besten jeden Monat ein kleines Update mache, statt immer solche großen, wie euch auch dieses Mal eines bevorsteht. ^__^" Zum einen möchte ich euch heute nämlich zwei zusammenhängende Gedichte aus dem Herbst 2012 präsentieren, aber auch ein Drabble, welches Anfang diesen Jahres entstanden ist. (Oh, und ich habe btw das Design dieses Topics überarbeitet. :D) Die Gedichte stammen übrigens aus einem Projekt mit meinem damaligen Musikkurs, wo ich eigentlich die Aufgabe hatte, ein paar Werke herauszusuchen, die sich mit unserem Thema, dem Zusammentreffen zweier Kulturen, beschäftigen; da ich aber keine passenden finden konnte, habe ich selbst welche geschrieben ... Was zur Folge hatte, dass zu diesen dann unser eigenes Musikstück komponiert wurde und ich letzten Endes in Köln beim Deutschlandfunk ein kleines Interview geben durfte. >__< Und das, obwohl die nicht einmal besonders gut sind, haha. Viel Spaß beim Auseinandernehmen. x3[/size]





    Die Welt.



    Zwei Wege sich kreuzend
    Und dann wieder trennend.
    Hell flackert die Furcht,
    Verglühend, verbrennend –
    Was neu ist, ist Böse?
    Was alt ist, das Gut?
    So schür'n die Kulturen
    Des Argwohns ewige Glut.
    Doch was, wenn eines Tages
    Dein Spiegelbild und doch
    Nicht dein Gesicht
    Dir sagt: »So verschieden
    Sind wir nicht.«



    Schachbrettwelt.



    Lichterschauer, Schattenspiel,
    Sind grün und blau, sind blau und rot;
    Sah nur, wie sie zu Glas zerfiel,
    Die Welt mit ihrem Farbenspiel,
    Entrissen uns vom Tod.


    Weiß und Schwarz und Schlecht und Gut,
    Die Welt zerstört in blinder Wut
    Das Leben, doch aus der Asche Glut
    Wird Weiß zu Schwarz und Schlecht zu Gut.


    Schattenspiel und Lichtermeer,
    Sind hell und dunkel, kurz und weit;
    Und unsere Herzen werden schwer,
    Bestehen durch das Farbenmeer
    Fort bis in alle Zeit.


    Gut und Schlecht und Schwarz und Weiß
    Und letztlich dann, verbrennend heiß,
    Am Ende, schließend sich der Kreis,
    Wird Gut zu Schlecht und Schwarz zu Weiß.



    [align=center]Aviophobie.



    »Ich glaube nicht, dass ich das schaffen werde«, sagt das Kind mit zittriger Stimme. Unter ihm breitet sich die ganze Welt aus und der Nordwind drängt in seinem Rücken. »Meine Flügel sind noch viel zu schwach.« Ein Blick aus weit aufgerissenen dunklen Augen. »Ich werde abstürzen.«
    -_Die Mutter schaut lächelnd herab. »Du wirst nicht abstürzen«, sagt sie leise. »Denn der Himmel ist dein Freund und wird dich niemals fallen lassen.« Sie entfaltet ihre prachtvollen Schwingen und fliegt davon.
    -_Das Kind zögert, bangt mit schnellem Herzschlag. Dann breitet es seine eigenen Flügel aus und lässt sich fallen.
    -_Sternschnuppen gehen hernieder.

  • 5



    Time is dead and gone
    Show must go on
    It's time for our act
    They all scream at me
    They can not see



    Und hier kommt auch schon das nächste Update, das um einiges größer ausgefallen ist, als es eigentlich sein sollte, haha. Grund dafür ist jener ... Auswuchs von Text, der sich in dem Spoiler finden lässt und noch nicht einmal einen Titel hat; und bevor ihr den aufklappt und das ganze lest, sollte ich euch vielleicht vorwarnen, da es sich hier um ein doch irgendwie recht deprimierendes Werk handelt. Vielleicht gibt es einige, die das nicht so sehen, aber ich wollte es zumindest angesprochen haben; einfach weil ich hier versucht habe (und die Betonung liegt auf versucht), das Thema »Depression« ein wenig zu umreißen, was mir btw miserabel gelungen ist. Habt also viel Spaß beim Auseinandernehmen dieser literarischen Katastrophe.
    -_Bei dem zweiten Text, der zugleich den größten Teil dieses Updates ausmacht, handelt es sich schließlich um eine Art Prolog zu einem meiner Low Fantasy-Werke, genauer zu meinem ersten überhaupt. Infolgedessen ist der Schreibstil noch sehr einfach gehalten, einfach weil das ganze schon ein paar Jährchen auf dem Buckel hat; im Gegensatz zu manch anderen Werken, die noch aus jener Zeit stammen, finde ich ihn allerdings beinahe schon akzeptabel. So oder so wünsche ich euch aber auch hier viel Spaß beim Auseinandernehmen (und beim Finden von Rechtschreibfehlern, ich habe den Text nämlich nicht noch einmal durchgelesen, aus Angst, dann alles umschreiben zu wollen, haha).




    Ataxia



    Die Elemente müssen stets im Einklang gehalten werden; deshalb wurden schon früh in der Zeitrechnung Wächter entsandt, Wesen, welche anders waren als die Menschen. Sie führten erbitterte Kriege, wenn die Welt aus dem Gleichgewicht kam.
    -_Eines Tages jedoch merkten die Himmelsgötter, dass es nicht reichte, waren die mächtigen Kreaturen alleine und auf sich gestellt. Viel zu oft bekämpften sie sich selbst, nicht imstande, ihre elementare und somit instinktive Kraft, zu unterdrücken.
    -_Der hohe Rat der Götter fasste letztendlich einen Entschluss: Die Elementarwesen sollten aus der Welt verbannt werde, solange, bis wieder einmal Krieg und Zwist herrschen würde. Sollte dieser Tag kommen, würden die Elementare erneut gerufen, allerdings nicht in ihrer wahren Gestalt.
    -_Um ihre Kräfte besser kontrollieren und so die Welt besser schützen zu können, würde jedes Wesen eines Elementes an einen sterblichen und vergänglichen Körper gebunden werden. So sollte der Friede der Welt für immer gewahrt sein und die Elemente wurden in eine Höhle gesperrt, in welcher man glaubte, dass sie nie gefunden werden könnten, bis in alle Zeit.
    -_Aber manchmal geht das Schicksal seine eigenen Wege …


    I. Ära

    Irgendwo, in einer tiefen Höhle der Nordlande, erschallte ein Echo, welches das ganze unterirdische Tunnelsystem auszufüllen schien. Es war ein Brüllen, welches dieses widerschallende Geräusch erzeugte, ein Brüllen, welches allerdings nicht von einem Tier kam.
    -_Bedrohlich senkte sich ein dichter Wolkenschleier über den Himmel und verdunkelte die ganze Welt. Die Vögel hörten auf zu zwitschern und die Waldestiere versteckten sich in ihren Unterschlüpfen, mit dem hoffenden Wunsch, sicher vor der unbekannten, aber überall spürbaren Macht zu sein.
    -_Ein Donnern ertönte vom Himmel aus und wie auf einen Befehl hin fing es an zu regnen. Laut prasselte das Wasser auf die Welt nieder, so als wolle es alles unter sich begraben, was sich ihm in den Weg stellte. Die Blätter der hohen Bäume bogen sich unter dem schweren Druck, den die Masse auslöste und manche von ihnen wurden von dem einsetzenden Wind hinfort gerissen.
    -_Das Grollen des tosenden Donners wurde lauter und die Wesen der Welt sahen Blitze über den dunklen Wolkenhimmel schießen. Die Tiere verbargen die Augen, da sie wussten, was geschehen würde; die Menschen hingegen staunten wie kleine Kinder über das Unheil, was dort heraufzog.
    -_Wie von Geisterhand schien das Unwetter sich von selbst zu entwickeln und während alle Wesen sich aus reinem Instinkt versteckt hielten, drängte der Mensch diesen beiseite und trat aus dem Haus und tanzte im Regen vor lauter Übermut.
    -_Das Unwetter hielt nicht lange an und schnell hatte sich wieder das normale Leben eingestellt: Die Menschen verrichteten ihre Arbeit wie eh und je, bestellten die Felder oder jagten nach Tieren. Dass dieses jedoch immer seltener gesehen wurden, fiel nur den wenigsten auf und denjenigen, die es bemerkten, hörte niemand zu.
    -_Und so waren die Menschen ihr eigener Untergang. Hätten sie auf die Natur geachtet, auf die welkenden Pflanzen, die sterbenden Fische und verschwundenen Waldtiere, so hätten sie ihr Schicksal und ihren fast eintretenden Untergang kommen sehen. Doch sie waren töricht, und so hörten sie erst von der lebensgefährlichen Gefahr, als diese direkt vor ihren Mauern Einzug gehalten hatte.


    Ein großes Wesen, so riesig und gigantisch, dass es alle Schlösser und Burgen, alle Bäume und Berge überragte, trat aus der Höhle und kostete das erste Mal das warme Sonnenlicht. In der Ferne zwitscherte ein Vogel, verstummte aber sofort, als es das Monster sah, welches im Licht der scheinenden Sonne badete. Noch nie hatte das Wesen so etwas verspürt und eine gewisse Leichtigkeit überkam es, als es sich die Welt anschaute: Grüne Wiesen mit saftigem Gras und weichem Moos, große sowie kleine Seen, deren Oberfläche durch den sanften Wind gekräuselt wurden. Und doch, etwas störte das gigantische Wesen, als es über die weiten Ebenen und Berge der Welt schaute: Zweibeinige nackte Tiere, weder mit natürlichem Fell bekleidet noch mit Schuppen geschmückt, wandelten überall und vollbrachten ihr Unheil. Lediglich das Fell auf ihren Köpfen ließ darauf schließen, dass sie Tiere sein könnten, doch ihre Taten sprachen unwiderruflich dagegen.
    -_Das Monster schaute in einen weit entfernten Wald, wo ebendiese Wesen damit beschäftigt waren, ein harmloses und mutterloses Reh zu jagen. Zorn stieg in ihm auf, gemischt mit Trauer, als einer der Zweibeiner einen langen spitzen Stab warf und das junge Tier durchbohrte, sodass es schreiend und hilflos zu Boden fiel. Das Wesen wandte sich nach links, wo es ebenfalls diese »Tiere« sah, welche auf einer ebenen und nicht bewachsenen Fläche Feuer entzündeten und damit den naheliegenden Wald abbrannten. Das hilferufende, gequälte Schreien drang bis zu dem Monster vor, welches immer noch im Eingang seiner Höhle stand, und ließen es erzittern. Es wollte nicht glauben, was in der Welt vor ihm geschah, es konnte es nicht glauben. Seine dunklen Augen verengten sich zu Schlitzen, als es letztendlich einen Plan fasste, welcher, gestärkt durch die Schreie und gequälten Seelen, langsam in ihm Gestalt annahm: Es würde dafür sorgen, dass diese unbarmherzigen Wesen, diese Bestien, welcher schlimmer waren als alle Monster, auslöschen und die Welt wieder in ihren alten Zustand zurückführen. Alles würde wieder werden wie vorher, und die bösartigen, vernichtenden Zweibeiner endgültig aus der Welt getilgt werden.
    -_Das große Wesen brüllte zufrieden und begann, mit seinem Plan zu beginnen …


    Langsam ging die Sonne über den Wiesen und Feldern auf und die Menschen begannen ihr Tagewerk. Viele gingen gut gelaunt auf ihre Felder, um die Ernte zu pflegen, und andere öffneten ihre Läden und stellten ihre Waren aus. Es versprach, ein ruhiger und stiller Sonntag zu werden.
    -_Ein markerschütterndes Brüllen ertönte und ließ die Erde erzittern. Erschrocken flohen die Tiere aus den Wäldern in die Städte und Dörfer, und von dort aus immer weiter, um der Ursache des Brüllens zu entkommen.
    -_Die Menschen hoben ihre Köpfe, verwirrt wegen des störenden Lautes, begannen dann aber wieder ihre gewohnte Arbeit. Nichts sollte sie stören bei ihren Sonntagsspaziergängen, bei ihrer Verrichtung der üblichen Dinge. Sie pfiffen weiter ihre Lieder und freuten sich des Lebens und nur wenige von ihnen spürten die Vorzeichen und verschwanden rechtzeitig. Und diese Menschen sollten diejenigen sein, die das Fortbestehen ihrer Art sicherten.


    Alles schien in einem vernichtenden Flammenmeer unterzugehen, Wälder und Wiesen verbrannten erbarmungslos. Der Himmel füllte sich mit Rauch und kein einziger Strahl der Sonne schaffte es, sich durch die verhüllende Decke des Todes zu quälen. Die Welt erlebte ein Armageddon wie noch nie zuvor.
    -_Inmitten zerstörter Häuser und schreiender Menschen stand ein schwarzes Wesen, welches schattenhaft und gigantisch war. Seine feuerroten Augen blitzten, als es einen erneuten Feuerschwall über die Erde schickte. Wie in einem Rausch zerstörte es alles, was lebte, und vergaß dabei seine eigenen Ziele. Das Schreien der unschuldigen Tiere, welche ebenso ums Leben kamen wie die Menschen, drang schon längst nicht mehr an sein Ohr, so berauscht war es von seiner Macht.
    -_Alle Welt soll sehen, was ich vollbringen kann!, schrie es und seine Gedanken hallten in den Köpfen der noch lebenden Wesen wieder. Mein Name ist Chaos, Herrscher über die Welt, über das Leben und den Tod!
    -_Erneut brüllte das Wesen und ein weiterer Feuerhagel ging auf die Welt nieder.


    Ein kleines Mädchen kämpfte sich durch die Trümmer des zerstörten Dorfes. Leise schluchzend murmelte es den Namen seiner Katze und drehte jeden Stein auf seine andere Seite, um diese zu finden.
    -_»Koko«, wimmerte sie und ignorierte das Chaos, welches das Dorf erfüllte. Alles, was sie wollte, war ihre Katze zu finden und zu verschwinden.
    -_Klägliches Miauen drang in die Ohren des Mädchens und ließen es herumfahren. Und da stand sie vor ihr, klein und schwarz, die verloren geglaubte Katze.
    -_»Koko!«, erfreut lief das Mädchen zu der Katze und schloss diese in ihre Arme, »ich dachte schon, das Feuer hätte dich ...«
    -_Sie konnte nicht weitersprechen, denn ein Schluchzen schüttelte sie. Und so kniete sie auf den Trümmern, ihre Katze in der Hand um bemerkte das Wesen nicht, welches sich langsam über sie beugte. Erst das leise Fauchen Kokos holte sie aus ihrer Trance zurück und ließ sie aufschauen. Eine mehrere Meter lange Klaue befand sich direkt über ihr und drohte, sie unter sich zu begraben.
    -_Nicht imstande, sich zu bewegen, schaute das Mädchen ihrem Tod direkt ins Gesicht, und doch galt ihr letzter Gedanke nur einem Wesen: Koko.
    -_Die schwarze Pranke hielt nur wenige Zentimeter vor dem Mädchen inne und zog sich zurück, sodass es sehen konnte, wer es bedroht hatte. Ein rotes Auge beugte sich zu ihr herunter und beäugte sie fragend.
    -_Warum denkst du an dieses Tier?
    -_Die Frage schallte in ihren Gedanken wider und ließen das kleine Mädchen schlucken.
    -_»Koko ist mein ein und alles, ich könnte nichts anderes tun, als im Angesicht des Todes an sie zu denken. Denn stirbt einer von uns, wird der andere mit in den Tod folgen.«
    -_Die Stimme des Mädchens war klar und kühl, sie zitterte kaum und der Wind ließ ihre weißblonden Haare herum wehen.
    -_Wie geläutert starrte das Monster, welches sich selbst Chaos nannte, auf sie hinab, es konnte nicht glauben, was es eben gehört hatte. Unmerklich knirschten die Steine unter ihm, als es sich weiter hinab beugte.
    -_Sag mir, kleines Mädchen, wie ist dein Name?
    -_Sanft hörte sich seine Stimme nun an und das Mädchen erkannte die plötzliche Reue in seinen Worten. Also beschloss sie, ihm eine Antwort zu geben.
    -_»Mein Name ist Lachesis.«
    -_Das schwarze Wesen nickte und nahm sie zärtlich auf ihre Schulter. Sie wehrte sich nicht und wusste auf eine wundersame Weise, welche Aufgabe ihr bevor stand.
    -_Noch bevor das letzte Feuer erloschen war, waren Chaos und Lachesis verschwunden.


    [font='Georgia, Times New Roman, Times, serif']II. Ära

    Langsam zogen die schwarzen Wolken über den Himmel, träge und unheilbringend, so als warteten sie auf den richtigen Moment. Auch die Tiere warteten und wie die Großeltern ihrer Eltern, welche noch in der ersten Ära lebten, versteckten sie sich in ihren Wäldern, als sie spürten, dass das Unheil erneut heraufziehen würde. Nicht imstande etwas dagegen zu unternehmen, fassten sie den Plan, zu warten, wie ihre Vorfahren es gemacht hatten.
    -_Der mittlerweile eingesetzte Regen durchnässte die Welt und hinterließ ein trauriges Gefühl der Melancholie. Die Menschen schienen dies ebenfalls zu spüren, saßen sie doch in ihren Hütten und schauten, die Nasen an die Fenster gepresst, hinaus in das alles überschwemmende Nass. Kleine Kinder spielten in den Höfen und auf den Straßen und bespritzten sich mit dem Wasser, welches in dieser Jahreszeit, im Sommer, eine willkommene Gelegenheit war, die Natur sie selbst sein zu lassen und sich stattdessen um die Sanierungen im eigenen Haus zu kümmern.


    Chaos flog mit den Wolken über das Land und verspürte eine Freiheit wie lange nicht mehr. Viel zu oft hatte Lachesis sein Schicksal beeinflusst, und an diesem regnerischen und mystischen Tag hatte er es endlich geschafft, ihren Zaubern zu entkommen. Er war frei!
    -_Ein Donnergrollen ertönte und das schattenhafte Wesen brüllte mit diesem um die Wette, so als wollte er es mit den Naturgewalten aufnehmen. Die Tiere waren längst in ihren Unterschlüpfen verschwunden und wie so oft war die Welt still und friedlich.
    -_Warum nut hatte Lachesis ihn so lange gefangen gehalten? Die Welt war perfekt, warum also hatte sie ihm den Zutritt zu einer friedlichen Welt versperrt?
    -_Schon lange erinnerte Chaos sich nicht mehr an das, was geschehen war, an das, was die Menschen getan hatten. So flog er über die Lande, vollkommen im Einklang mit sich und der Welt, als er mit einem Mal Geschrei vernahm.
    -_Es war das Schreien kleiner Seelen, zu schwach, um sich zu wehren, welches an seine Ohren drang. Das Geräusch kam unverkennbar von Meer und es dauerte nicht lange, da hatte Chaos die Ursache des gequälten Lärmes herausgefunden:
    -_Das gesamte Meer, alle Ozeane, waren mit seltsamen Bauten gespickt, welche sich langsam und gemächlich davon bewegten. Wie kleine Walnussschalen sahen diese Holzdinger aus und Chaos war kurz davor, sie mit einem mächtigen Windessturm an ihr Ziel zu befördern. Da erkannte er die zweibeinigen, nackten Wesen, welche eilig und geschäftig wie Biene auf den Schalen herumliefen.
    -_Ein jedes dieser Wesen trug seltsame Laken und viele von ihnen hielten gewaltige Netze, so als wollten sie ganze Bestien damit einfangen. Chaos betrachtete diese merkwürdigen Netze genauer und mit einem Mal wusste er, von wo die seltsamen Schreie gekommen waren, und alles fiel ihm wieder ein.


    Strauchelnd stolperte die kleine Halbelfe durch den Wald. Fest hielt sie einen braunen Teddybären umklammert und achtete nicht auf die Schimpfe, welche die junge Frau, welche hinter ihr ging, laut äußerte, sobald sie ein weiteres Mal gestolpert war. Sie achtete nur auf die Vögel, auf das Zwitschern, das immer leiser wurde, bis es schließlich ganz verschwunden war, und fragte sich, was in der Welt um sie herum wohl passieren würde. Es musste etwas schreckliches sein, wenn sogar die Vögel nicht mehr darüber redeten und auch keines der Waldtiere zeigte sich vor ihnen. Erneut fiel die kleine Elfe über eine Baumwurzel und konnte gerade noch von der jungen Frau vor mehreren Schnittwunden gerettet werden.
    -_»Könnt Ihr nicht ein einziges Mal aufpassen, wohin Ihr Eure Füße setzt?«, fragte sie gereizt, doch ihre Augen waren warm und freundlich.
    -_Dennoch zuckte die Halbelfe bei den scharfen Worten zusammen, drückte den braunen Bären noch fester an sich und senkte den Blick. Unsanft zerrte der aufkommende Wind an ihren Haaren und ihrem weißen Kleidchen und schwarze Wolken türmten sich am Horizont auf, welcher in der Ferne über dem Meer zu schweben schien.
    -_Die junge Frau zog unmerklich ihr Schwert und stellte sich vor die kleine Elfe. Sie spürte, dass eine Zeit der Veränderung bevorstand, doch würde sie alles tut, um Ihre Majestät, die letzte der bekannten Elfen, vor allen Gefahren beschützen.


    Das Feuer wütete und zerstörte die kleinen Schiffe, welche wie Walnussschalen untergingen. Zufrieden erhob Chaos seinen Kopf gen Himmel und ein schreckliches Brüllen erklang aus seinem Körper. Nichts und niemand, nicht einmal die Götter selbst, könnten ihn aufhalten. Er selbst war der alleinige Herrscher über die Welt und es würde nicht mehr lange dauern, dann würde sie von diesen Bestien, die sich Menschen nannten, befreit sein.
    -_Ein Aufblitzen ließ Chaos herumfahren. War dort, in dem kleinen unscheinbaren Wald, nicht gerade eine Lichtreflektion gewesen? Er schloss seine Augen und seine Sinne tasteten nach Leben, wie schwarze Tentakeln zogen sie unsichtbar über das Land hinweg und gaben Chaos ein Weltbild, welches ihn noch mehr erschütterte: Sie waren überall! So auch in dem Wald, aus welchem die Reflektion kam und es dauerte nicht lange, da schwebte er schon als schwarze Energieverdichtung über zwei Menschenmädchen.


    Voller Angst schaute die junge Frau gen Himmel und direkt in zwei glühend rote Punkte, welche in einer großen schwarzen Wolke zu schweben schienen. Und doch veränderte sie nicht ihre Position, sie stand noch immer schützend vor der kleinen Halbelfe, welche ebenfalls angsterfüllt, aber zugleich respektvoll in die roten Augen des Monsters starrte. Wie aus Reflex umklammerte sie ihren Teddybären fester und betete zu den Göttern, das Monster möge sie verschonen.
    -_Die Götter werden dir nicht helfen, kleine Halbelfe, hörte sie eine Stimme in ihren Gedanken sagen, eine Stimme, welche sie erzittern ließ. Und doch, da war auch etwas anderes. Sie schaute erneut in die Augen des schwarzen Wesens, doch verspürte sie nun keine Angst mehr, sondern das Gefühl, einer unglaublichen Macht gegenüberzustehen. Einer Macht, welche zu groß war, um nur einem einzelnen Wesen zu gehören.
    -_Ihre Augen blitzten auf und Chaos schaute die kleine Elfe zuerst fragend, dann aber wissend an.
    -_Du gefällst mir, kleines Wesen der Wälder, sagte er anerkennend und schmunzelte innerlich, verrate mir doch deinen Namen und den deiner Gefährtin.
    -_Die Augen der Halbelfe blitzten erneut auf, als sie sah, dass das Schattenwesen auf diesen alten Trick hineingefallen war. Doch sie nickte nur, bevor sie mit ruhiger und glockenheller Stimme antwortete:
    -_»Mein Name ist Klotho. Und das hier ist Atropos, meine Leibwächterin.«
    -_Diese wirbelte herum und starrte die Elfe fassungslos an, sagte aber nichts. Sie wusste, dass es ihr nicht gestattet war, zu widersprechen, auch wenn das Gefühl der Veränderung nun stärker denn je war.
    -_Chaos nickte zustimmend, aber fast unmerklich, und seine Augen verdunkelten sich für einen Moment. Schon konnte er Lachesis spüren, er wusste, dass sie gekommen war, sie zu holen. Aber das sollte ihm nur recht sein. Er hatte bereits einen neuen Plan gefasst, einen Plan, der brillanter und zerstörerischer sein würde als jemals zuvor.
    -_Vorsichtig hob er Klotho und Atropos auf seine Schulter und verschwand, wie mehrere hundert Jahre zuvor mit Lachesis, zusammen mit ihnen, bevor das letzte Feuer erloschen war.


    Und so kam es, dass die Elemente erneut verschlossen und die drei Mädchen Lachesis, Klotho und Atropos zu Wächterinnen des Schicksals ernannt wurden. Sie wachten fortan über Chaos, jeder auf seine Art: So gebot Lachesis über die elementaren Kräfte an sich und hatte die Aufgabe, diese, wenn die Zeit gekommen war, an ihre neuen Besitzer zu übergeben.
    -_Atropos hingegen war diejenige, die direkten Kontakt zu den Himmelsgöttern hatte. So wurde sie schnell in den hohen Rat aufgenommen und durfte, da sie die älteste war, frei in das Himmelsreich ein- und ausgehen, wie es ihr beliebte.
    -_Klotho schließlich hatte die Aufgabe, über Geist und Seele des Chaos zu wachen. Dies war die schwierigste Aufgabe von allen, doch die Götter des Himmels erkannten von Anfang an ihren starken Willen und ihren Mut, und so gewährten sie Klotho die Aufgabe, durch welche sie das Schicksal der ganzen Welt in ihren Händen hielt.
    -_Doch eines Nachts sollte die Zukunft der gesamten Welt durch die Machtgier eines einzelnen Wesens in die Waagschale geworfen werden ...


  • Hey, mein Kleiner (:
    Ich hatte ein Versprechen gegeben, und ich halte meine Versprechen immer. Auch, wenn ich noch unter solcher Kommilustlosigkeit leide - wie jetzt. Außerdem hält mich das erfolgreich davon ab, wieder einen OS zuschreiben, der mich eh nur derimiert. Deswegen tue ich etwas Sinnvolles^^
    Ich werde nicht beim SP anfangen oder einem deiner älteren Uploads. Nein, ich nehme mir dein Neustes vor. Weil es mich anspricht (:
    Verzeih, dass ich mir nicht auch noch dein anderes Werk vornehme... aber ich wüsste nicht, was ich dazu sagen könnte. ES gefällt mir, sogar sehr... Ich werde mal schauen, ob ich dir nicht ein kürzeres Kommi per Mail geben kann. Oder mündlich bei unserem nächsten Treffen (;


    Ohne Titel


    Kein Titel, was ich etwas ungewöhnlich finde. Titel fallen einem immer ein, beim eigentlichen Geschreibsel ist es dann häufig anders x3 Aber egal. Ohne Titel kann ja auch der Titel sein... OK, sorry, ich philosophiere wieder rum.
    Dein Schreibstil ist wieder unglaublich, diesmal sehr tiefgründig und auch emotional. Ja, richtig gelesen. Du sagtest ja bereits zu mir, du könnest Gefühle nicht wirklich gut rüberbringen. Dieses Werk hier beweist das Gegenteil. Die Depressivität deiner Protagonistin ist greifbar, auch, wenn du die eigentlichen Gründe für ihre Krankheit nie in den Mund (Pardon, in die Finger) nimmst. Die Bedauerlichkeit, mit der Madeleine ihren Sprung bezeichnet, ist gut umrissen und klar erfasst. Da braucht es auch keine Genauigkeit, die ich sonst bei Gefühlen immer bevorzuge. Denn du hast es geschafft, all dies in wenigen Sätzen zu benennen und für den Leser eindringlich zu gestalten. Auch ihre spätere Einsicht ist nicht unerwartet. Du hast sie ja in jedem Absatz eingebracht.
    Es ist ein kurzer Text, aber deine Beschreibungen lässt du nie zu kurz kommen. Wieder waren unglaublich schöne und poetische Absätze dabei. Jedoch hat einer es mir besonders angetan.


    Schuldbewusst sah sie auf und begegnete seinem forschenden Blick, seinen dunklen, das Sternenzelt über ihnen reflektierenden Augen.


    Ich weiß kaum, warum es mir gerade dieser Satz so angetan hat. Vielleicht der Vergleich mit dem Sternenzelt, welchen die Augen relflektieren. Und weil hier von einem Sternenzelt die Rede ist, ein paar Wörter zuvor jedoch das Wort "dunkel" aufftaucht. Ein komplettes Gegenteil. Und du verpackst beide in einem Satt. Toll. Liebe es <3
    Angenehm im Lesefluss fand ich auch die Absätze, da man nach jedem immer etwas verarbeiten musste. Ich konnte sie gut zum Verschnaufen und Nachdenken gebrauchen^-^ Zudem haben sie den Text optisch länger gemacht.
    Was mich verblüfft, ist, mit wieviel Poesie du dich dem Thema annäherst. Bei Depressionen habe ich immer eine leichte Eintönigkeit im Kopf, die dann auch meist in den Werken auftaucht. Ganz im Gegensatz zu dir. Es ist regelrecht erfrischend, diese KG hier zulesen. Dein Inhalt ist knapp zusammenfassbar. Aber dass ist gut, denn es hätte hier nur geschadet, die KG zu überladen mit nutzlosen Vergleichen oder Metaphern. Auch deine Prota ist ein "typischer" Fall - vom Leben müde geworden und melanchoisch. Jedoch gibt sie nicht auf, sondern kämpft weiter. Bei allen anderen Werken hätte ich mit einem Selbstmord der Prota rechnen können. Umso schöner, dass du es nicht getan hast.


    Denn hier möchte ich einmal, am letzten Punkt, etwas loswerden: Die Krankheit ist ein Auf und Ab. Es kann mit Selbstmord enden, aber muss es nicht. Wenn man stark ist und das Leben liebt, dann kämpft man weiter. Und die Krankheit ist nicht heilbar; sie schlummert immer in einem, auch, wenn sie nicht zum Vorschein kommt. Manchmal kommt sie jahrelang nicht. Aber sie kann kommen, immer, überall. Und gerade dass macht sie so gefährlich.
    Du hast all dies wundervoll in deiner KG eingebaut. Auch der alltägliche Kampf mit der Krankheit, die man ausfechtet, jeden Tag aufs Neue.
    Aber es ist das Leben wert.


    Ein wundervolles Werk, Kleiner.
    Dies hier ist bisher mein LIeblingswerk von dir, einfach, weil ich finde, dass du Depressionen wahrheitsgetreu verarbeitet hast. Danke dafür, dass ich das lesen durfe!
    Ich hab dich lieb, dein Eric

    So this is me
    In dieser Rüstung, viel zu schwer
    Ihr wollt einen Helden, doch
    Meine Stärke überschätzt ihr


  • [Blockierte Grafik: http://s1.directupload.net/images/140111/o84kpc2r.png]


    6



    Oh, how I wish for soothing rain
    Oh, how I wish to dream again
    Once and for all and all for once
    Nemo my name for evermore
    Name for evermore


    ... Was zur Hölle, warum sind das schon wieder fast drei Monate?! Da passt man einmal kurz nicht auf und sofort vergeht fast ein Vierteljahr, ohne dass man es mitbekommt; beziehungsweise, mitbekommen habe ich es schon, nur ist es irgendwie recht zügig an mir vorbeigezogen. Also, so richtig zügig. o:
    -_Wie auch immer, die Hauptsache ist, dass ich mich hier mal wieder blicken lasse; und zwar mit einem Update im Schlepptau, das schon lange geplant war (genauer: seit fast drei Monaten), das ich aber bislang aufgrund meines sich momentan viel zu schnell vergehenden Lebens immer vergessen habe, haha. Dabei ist es noch nicht einmal ein besonderes Update, sondern lediglich die Auflistung meiner bisherigen Wettbewerbsbeiträge, genauer der Abgaben von den Wettbewerben #01 bis #10. Yay, dafür haben sich die zweieinhalb Monate Wartezeit doch gelohnt! ... Nicht. Aber egal, Update ist Update, und auf einige der folgenden Geschichten und Gedichte bin ich sogar tatsächlich ein bisschen stolz. Insofern wünsche ich euch viel Spaß beim Lesen und Auseinandernehmen meiner Wettbewerbsbeiträge. x3 (Und danke an dieser Stelle noch einmal dir, Eric/Cassia/Süße, auch wenn wir dein Kommi ja schon zusammen auseinander genommen haben. Aber einfach weil ich es kann und du toll bist. <3)


    [tabmenu][tab=Vorwort]

    So, noch ein paar weitere Worte bezüglich der Abgaben beziehungsweise vielmehr das Topic betreffend: Und zwar werde ich, sofern sich mein Leben dazu herablassen sollte, sich in den nächsten ein, zwei Monaten eventuell mal wieder in Normalgeschwindigkeit fortzubewegen, ein bisschen was am Aufbau des Topics ändern. Beziehungsweise werde ich mal schauen, ob ich zu jedem meiner Werke ein paar Worte schreibe, wie es entstanden ist und warum; einfach der Vollständigkeit halber und weil ich selbst so etwas immer sehr interessant zu lesen finde, haha. Ihr könnt mir ja vielleicht kurz eure Meinung dazu sagen, wenn ihr wollt. x3
    -_Desweiteren nehme ich mit diesem Update die selbstgepixelten Werktitel wieder aus dem Startpost, weil sich die irgendwie nicht so wirklich mit der neuen Schriftgröße vertragen wollen, warum auch immer. Im Zuge dessen werde ich auch insgesamt die Schriftgröße aller Beiträge und Werke zurücksetzen, sodass dann alles in der Schriftgröße dieses Beitrages geschrieben ist (und wer mir jetzt sagen kann, wie oft das Wort Schriftgröße in diesem Absatz gefallen ist, bekommet einen Keks, haha).



    [tab=#01 – Drabble]


    Götterdämmerung.



    Der Kampf scheint kein Ende nehmen zu wollen und kann doch niemals gewonnen werden. Ein jeder Schwertstreich, ein jeder Hieb ist sinnlos und vergeudet. Die Feinde, von weit her gekommen, aber tief ins Innere getragen, sind wie aus Schatten gemacht und unverwundbar im Angesicht der eisernen Waffen. Die Feuer der Festung spiegeln sich auf ihren Rüstungen, ihre Gesichter jedoch liegen im Dunkeln. Sie sind das namenlose Grauen, geboren aus Asche und Finsternis, und sie werden alles vernichten ...
    -_Der neue Tag erwacht mit Blitz und Donner. Ich stehe vor den Trümmern meiner verlorenen Zukunft, schließe die Augen und weine bitterlich.



    [tab=#02 – Zukunftsvision]


    m a e v e.



    »Wach auf.«
    -_»Maeve, wach auf.«
    -_Ich schlage die Augen auf und erblicke eine graue, von dunklen Flecken übersäte Zimmerdecke. Meine Hände und Füße spüre ich nicht, so sehr ist die Temperatur über Nacht abgefallen, und ich brauche einen Moment, um mich aufzurichten und einen verwirrenden Traum abzuschütteln.
    -_Der Wecker zeigt 5:00 Uhr an und ich muss aufstehen, wenn ich nicht zu spät kommen will.
    -_»Wie ist das Wetter heute?«, frage ich, während ich vorsichtig meine Muskeln dehne und dabei mein Spiegelbild so gut es geht ignoriere. Ich möchte meine dürren Glieder nicht sehen, die eingefallenen Wangen und die dunklen Ringe unter den Augen.
    -_»Regen«, ertönt die Antwort, »wie immer.«
    -_Ich öffne den Wäscheschrank, auf der Suche nach der gleichen alten Uniform, die ich schon mein ganzes Leben lang trage. Grau und abgenutzt ist sie und ebenso voller Flecken wie das Zimmer, in dem ich schlafe. Der Stoff ist rau vom vielen Waschen und kratzig, und meine wunde Haut schreit empört auf, als ich mir Hose und Oberteil überstreife.
    -_»Wie kalt ist es heute?« Meine Schritte tragen mich aus dem Zimmer, während ich die Frage stelle, und aus der Küche schallt es: »Fünf Grad über null.« Ein Schauer kriecht über meinen Rücken. »Wie immer.«
    -_Bevor ich frühstücke, gehe ich in den Keller und sehe nach Glimmer. Sie ist meine Katze, und auch wenn sie schon lange taub und blind ist wie die Fenster in diesem Haus, liebe ich sie von Herzen. Mit ihrem grau getigerten Fell mag sie nicht allzu sehr auffallen vor der Kulisse meines grauen Lebens, doch möchte ich ihre Gesellschaft niemals missen.
    -_»Guten Morgen, Glimmer«, begrüße ich sie und bekomme ihr eigenartiges Schnurren als Antwort, das sie von Kindesbeinen an nie abgelegt hat. Wie eine stotternde Dampfmaschine klingt sie, wenn sie dieses Geräusch von sich gibt, und wie an jedem Tag gibt es mir auch heute ein Gefühl wie Liebe.
    -_Für ein paar Minuten versinke ich in meiner eigenen Welt, während ich Glimmer streichle, und mein Leben wird erfüllt mit Farben. Die grauen Wände scheinen eher himmelblau als schmutzig und grau, und vor meinen Augen entfaltet sich der Traum der letzten Nacht als beeindruckendes Panorama von dem, was sein könnte.


    Ein Sonnenuntergang ist es, den das Mädchen betrachtet, während es mit seiner Linken sanft über die weiche Rinde des Apfelbaumes streicht. Am fernen Horizont verglüht der Stern des Tages und färbt den Himmel in eine Symphonie aus Violett und Rot. Golden schimmert das Land unter ihrer zarten Berührung, und das Mädchen lächelt, als es mit der Hand nach einem Apfel greift und diesen federleicht von den Zweigen des Baumes trennt. Warm und schwer liegt er in ihrer Hand, und für einen Moment regiert so etwas wie Frieden die Welt.
    -_Die Sonne mag versinken und der Tage schwinden, die Zeit der Dunkelheit beginnen – aber das Mädchen hat keine Angst. Es hält die Hoffnung der Welt in seinen Händen.


    Die Erinnerung verklingt mit dem letzten Strahl der glühenden Himmelsscheibe und lässt mich zurück in der grauen Einsamkeit meiner eigenen Welt. Noch immer wandern meine Finger über das schmutzig drahtige Fell Glimmers, aber der Augenblick des Lebens ist vorüber und wird nicht wiederkehren.
    -_Ich stehe auf, werfe meiner Katze einen letzten Blick zu und gehe nach oben, um zu frühstücken. Mein Tag beginnt.


    »Wach auf. «
    -_»Maeve, wach auf.«
    -_Ich schlage die Augen auf und erblicke eine graue, von dunklen Flecken übersäte Zimmerdecke. Meine Hände und Füße spüre ich nicht, so sehr ist die Temperatur über Nacht abgefallen, und ich brauche einen Moment, um mich aufzurichten und einen verwirrenden Traum abzuschütteln.
    -_Einen Traum?
    -_Ich halte inne, erstarrt in der Bewegung, mich vom Bett zu erheben. Kurz blitzen Bilder vor meinem inneren Auge auf und ich erhasche den Blick auf einen Sonnenuntergang, den ich niemals gesehen habe. Wärme durchströmt meinen Körper und es kehren Erinnerungen zu mir zurück, die nicht mir gehören können.
    Der Wecker zeigt 5:00 Uhr an und ich muss aufstehen, wenn ich nicht zu spät kommen will.
    -_»Wie ist das Wetter heute?«, frage ich, während ich vorsichtig meine Muskeln dehne. Aus dem Spiegel blickt mir mein Ebenbild entgegen, mit dürren Gliedern, eingefallenen Wangen und dunklen Ringen unter den Augen. Schnell schaue ich woanders hin, betrachte die grauen Wände mit den dunklen Flecken, versuche mich nicht von der Neugierde verführen zu lassen.
    -_Wovor hast du Angst? Die Stimme ist plötzlich da, in meinem Kopf, und lässt mich zusammenzucken. Ihre direkte Frage irritiert mich, aber vor allem ist es die Stimme selbst, die mir Angst macht. Sie kommt mir bekannt vor. So seltsam bekannt.
    -_»Regen«, ertönt da die Antwort auf eine Frage aus längst vergangener Zeit. »Wie immer.«
    -_Ich schaue zum Wäscheschrank und in Gedanken suche ich bereits die gleiche alte Uniform, die ich schon mein ganzes Leben lang trage. Grau und abgenutzt wird sie sein und ebenso voller Flecken wie das Zimmer, in dem ich schlafe. Der Stoff wird rau sein vom vielen Waschen und sich kratzig anfühlen auf meiner wunden Haut.
    -_Mein Blick wandert zurück zum Spiegel, als ich die Vorstellung der Uniform auf meiner sterblichen Hülle nicht mehr ertragen kann, und meine Neugierde siegt. Ich betrachte mich selbst, erforsche mein Gesicht, betaste meine Wangen. Meine spröden Lippen verziehen sich zu einem ersten Lächeln. Ich bin schön.


    Ich verlasse das Haus und trete in den Regen aus Asche. Flockenweise fällt er vom Himmel herab, aus grauen Wolken eines grauen Tages. In der Ferne sehe ich die Stadt, umhüllt von schwarzem Rauch, ein Monstrum aus Eisen und Stahl. Schwer liegt ihre Herrschaft in der Luft und verpestet die Welt mit ihren ätzenden Atem.
    -_Mein Weg ist nicht weit und ich gehe zügig voran. Um mich herum liegen die Leichen einer zerstörten Vergangenheit, verbogene Bahngleise und Trümmer von Häusern. Niemand hat nach der Katastrophe daran gedacht, das Chaos zu beseitigen. Man konnte froh sein, wenn man überlebt hatte.
    -_Maeve. Ein schwüler Wind kommt auf und trägt mit sich den Gestank von Tod und Verwesung. Fast ist mir, als könnte ich etwas hören, eine Stimme, die meinen Namen ruft. Ein schmerzvolles Ziehen breitet sich in meiner Brust aus, und schnell konzentriere ich mich auf die dunkle Stadt vor mir. Ich neige oft zu Einbildungen.
    -_Nach kurzer Zeit bin ich fast an meinem Ziel angelangt. Groß und düster ragt das Gebäude in der Ferne auf und wartet auf meine Ankunft. Wie jeden Tag werde ich durch seine dunklen Türen eintreten und am Abend durch sie das Gebäude verlassen. Ich werde meine täglichen Arbeiten verrichten, wie es schon gestern der Fall war und wie es morgen der Fall sein wird und den Rest meines Lebens lang.
    -_Ist es das, was du willst? Die Stimme ist so plötzlich da wie zuvor und ich schrecke zusammen. Wieder kommt sie mir bekannt vor und ihre Frage verwirrt mich aufs Neue. Sie schwirrt durch meinen Kopf auf der Suche nach einer Antwort. Ich runzle die Stirn und gebe dem Drängen nach, überlege, ob es das ist, was ich will. Will ich jeden Tag das tun, was ich jetzt tue, und das immer und immer und immer wieder?
    -_Willst du das wirklich? Langsam schüttle ich den Kopf, noch immer in Gedanken versunken, während meine Schritte verebben und ich unschlüssig stehenbleibe. Über mir strahlt der graue Himmel seine Düsternis aus und lässt weiter Ascheflocken auf mein Haupt regnen.
    -_Ich hebe den Kopf, lasse die Schranken meines Geistes fallen, und mit einem Mal ist mir alles klar.
    -_»Ich werde frei sein«, sage ich zu niemand Bestimmten, und obwohl ich nicht weiß, wie sich lächeln anfühlt, strahle ich über das ganze Gesicht, bevor ich kehrtmache und davonlaufe.


    Ein Sonnenaufgang ist es, den das Mädchen betrachtet, während in der Ferne die Schwarze Stadt unheilvoll leuchtet. Das Herz des Mädchens aber ist tapfer und mutig ihr Geist. Am Horizont färben die ersten Sonnenstrahlen den Himmel in eine Kakophonie aus Grau und Rot und silbern schimmert das Land unter der Last vergangener Zeiten, das Mädchen aber lächelt, als es mit der Linken sanft über die weiche Rinde des ersten Apfelbaumes streicht. Warm pulsiert das neue Leben unter ihrer Hand, und in diesem Moment weiß das Mädchen, dass es das richtige tut.
    -_Die Sonne geht auf und ein neuer Tag wird geboren. Die Dunkelheit wird vergehen im Angesicht der Zeit.
    -_... Und das Mädchen?
    -_Das Mädchen wird weiterhin Hoffnung schenken – und irgendwann, eines fernen Tages, da wird die Welt in Licht und Farben getaucht sein.
    -_Und alles wird gut werden.


    »Wach auf.«
    -_»Maeve, wach auf.«
    -_Ich öffne die Augen und blicke in sein von den ersten Sonnenstrahlen des Tages erleuchtetes Gesicht. Ein Lächeln umspielt meine Lippen, als ich mich langsam aufrichte und meine Stirn an seine lege.
    -_»Es wird alles gut werden«, sage ich leise und spüre seinen warmen Atem auf meinen Lippen. Mein Blick wandert nach rechts, wo ich die Erwachsenen arbeiten und die Kinder spielen sehe. Eine Katze tollt mit ihnen herum, und für einen Moment denke ich, dass es Glimmer ist.
    -_»Ja«, sagt Adam leise, indem er meinem Blick folgt und meine Hand hält. »Es wird alles gut werden.«



    [tab=#03 – Sei ein Bösewicht!]


    So möge es denn enden in Feuer und Rauch.



    Team Magma Vorstand Jördis schaute mit einem siegessicheren Grinsen auf die Rote Kugel in ihrer Rechten, während sie mit der anderen Hand ihr Headset richtete und Verbindung zum Hauptquartier aufnahm.
    -_»Ich habe unser Schätzchen«, teilte sie triumphierend mit und warf einen letzten Blick auf die verängstigten Mienen des alten Ehepaares, welches diesen Gegenstand über so viele Jahre hinweg vor der Außenwelt versteckt gehalten hatte. Töricht waren sie gewesen, das Artefakt niemals einzusetzen, um so schon vor Jahrzehnten den Beginn einer neuen und besseren Welt einzuläuten; töricht und dumm.
    -_Jördis konnte sich ein Kichern nur schwer verkneifen, als sie dem Erfolg gedachte, den sie mit der Beschaffung der Roten Kugel ihrem Team einbringen würde. All die jahrelange Planung im Geheimen, all die versteckten Informationsbeschaffungen würden sich nun auszahlen. Sie, Team Magma Vorstand Jördis, oberste Spionin ihrer noblen Sache und Liebling ihres Anführers Marc, hielt ebenjenen Gegenstand in Händen, der die Welt verändern sollte.
    -_Herablassend streifte ihr Blick die knapp ein Dutzend Rüpel, mit denen sie gen Pyroberg aufgebrochen war, um das uralte Artefakt an sich zu bringen.
    -_»Sorgt dafür, dass niemand hiervon erfährt«, befahl sie mit schneidender Stimme und genoss das offensichtliche Gefühl des Unwohlseins, welches sie mit ihrem Tonfall bei ihren Untergebenen hervorrief. Sie alle wussten, wie leicht es war, sie zu verärgern, und mindestens die Hälfte von ihnen hatte bereits Bekanntschaft mit ihrer Strenge gemacht.
    -_»Ich kümmere mich derweil darum, das hier in Sicherheit zu bringen.« Und ohne einen letzten Blick an ihre Untergebenen zu verschwenden, hüllte Jördis die Rote Kugel in einen samtenen Beutel, berichtete dem Hauptquartier, dass sie sich nun auf den Weg machen würde, und verschwand schließlich im Nebel des Berges.
    -_Allgemeine Erleichterung machte sich breit.
    -_»Der will ich echt nicht unter die Augen treten, wenn sie mal schlechte Laune hat«, meinte ein Rüpel leise zum anderen, woraufhin dieser nickte. Sein Blick war auf die undurchdringliche Nebelwand gerichtet, durch welche ihr Vorstand eben verschwunden war, und er wartete ein noch paar Sekunden lang ab, bevor er aufatmete und seinem Kollegen freundschaftlich auf die Schulter klopfte.
    -_»Glaub mir, mit Jördis ist wirklich nicht zu spaßen«, bestätigte er die Worte des ersten Rüpels und warf ihm einen mitleidigen Blick zu. »Es tut mir ehrlich leid für dich, dass du ihr zugeteilt wurdest, wo du doch gerade erst ein paar Wochen bei uns bist.«
    -_Sein Gegenüber winkte ab und beobachtete die anderen Rüpel dabei, wie sie das Chaos der Zerstörung zu beseitigen versuchten. Für einen kurzen Augenblick überfiel ihn so etwas wie Reue, als er den verlassenen, von Nebelschwaden durchzogenen Friedhof betrachtete, und im Stillen bat er um Vergebung für das, was sie hier angerichtet hatten.
    -_»Es hätte schlimmer kommen können«, sagte er zu niemand Bestimmten, während sein Blick noch immer über die Grabsteine streifte, seine bernsteinfarbenen Augen in unsichtbare Ferne und längst vergangene Zeiten gerichtet. »Viel schlimmer.«


    -_Jördis hätte Freudensprünge aufführen können, wäre sie nicht eine professionelle Verbrecherin und zugleich Lieblingsvorstand ihres Anführers Marc gewesen, so erfüllt war sie von Euphorie und Glückseligkeit. Nicht nur hatte sie mit vollem Erfolg die Rote Kugel in das Hauptquartier Team Magmas bringen können und somit selbstverständlich all das Lob für sich beansprucht, waren ihre Untergebenen doch erst Stunden später nachgekommen – nun wurde ihr auch noch die Ehre zuteil, als einziger Vorstand der geschichtsschreibenden Erweckung Groudons beiwohnen zu dürfen! Sie fühlte sich wie im siebten Himmel.
    -_»Zerstörung wird über diese Welt kommen«, summte sie kichernd und ein schelmisches Grinsen umspielte ihre Lippen, während sie an der Seite ihres Anführers die unebenen, in den kargen Stein gehauenen Treppenstufen hinabging. Irgendwo dort unten, tief unter dem Schlotberg, verschleiert von Feuer und geschmolzenem Gestein, wartete das legendäre Pokémon der Kontinente auf sie: Groudon, jenes legendäre Wesen, welches dieses Land und alle anderen erschuf, nach einem erbitterten Kampf gegen seinen Feind Kyogre in tiefen Schlummer fiel und nun erneut erweckt werden sollte, um sein Werk aus grauer Vorzeit zu beenden.
    -_Jördis konnte ihr Glück kaum fassen. Hier war sie nun, zusammen mit Marc, dem großen Anführer des Team Magma, und erhielt die unvergleichliche Chance, den Beginn einer neuen, besseren Welt mitzuerleben. Wie viele Rüpel rauften sich derweil die Haare, während sie beide hier waren, tief im Inneren des Erdreichs, und wie viele verfluchten sie? Hatten einige von ihnen gar Angst oder Zweifel, was das noble Bestreben von Team Magma anbelangte? Oder sehnten sie sich so sehr nach der Erfüllung des großen Traumes von der Erweckung Groudons, dass sie inzwischen längst nach einem Weg suchten, ihnen zu folgen?
    -_»Wie schade, dass ihr keinen finden werdet.« Jördis kicherte belustigt und ergötzte sich an der Vorstellung, wie all diese dummen, einfältigen Handlanger genau in diesem Moment nach einem Zugang zu den geheimen und geheiligten Hallen suchten, in denen sie und ihr Anführer inzwischen wandelten. Wie lange würden sie wohl brauchen, um zu verstehen, dass es zwecklos war, nach einem Weg zu ihnen zu suchen?
    -_Wie lange würden sie brauchen, um zu realisieren, dass es niemals einen Weg gegeben hatte?


    »Ach, Marc«, säuselte Jördis nach einer Weile, die sie still nebeneinander einhergeschritten und immer tiefer in den Schlotberg vorgedrungen waren, »warum sagst du denn nichts?« Sie hielt einen Moment lang inne und betrachtete nachdenklich sein ebenmäßiges Profil. »Freust du dich etwa gar nicht?«
    -_Ein paar Herzschläge lang war es ruhig, und selbst das triste Gestein schien auf eine Antwort des großen Anführers vom Team Magma zu warten – dann brach Jördis in hysterisches Gekicher aus.
    -_»Oh, Marc, wenn du nur dein Gesicht sehen könntest!« Sie lachte und rang nach Luft, während sie ihren Blick nicht von seiner unbewegten Miene lösen konnte. »Der verängstigte Schimmer in deinen Augen und die Gewissheit, das Ende der Welt herbeizuführen, ohne etwas dagegen tun zu können …«
    -_Ein belustigtes Glucksen löste sich aus ihrer Kehle und es erforderte ihr einiges ab, nicht erneut laut aufzulachen.
    -_»Du bist so ein dummer Junge.«
    -_Ihre bernsteinfarbenen Augen glitzerten unter freudigen Tränen, während sie an Marcs Seite tiefer in den Schlotberg hinabstieg und geistesabwesend nach dem samtenen Beutel griff, in welchem sich die Rote Kugel befand.
    -_»Ihr seid alle so dumm gewesen«, flüsterte sie voller Abscheu und strich mit ihren Fingern über die warme Oberfläche des alten Artefakts, das unter ihrer Berührung zu glühen begann. Ihre Lippen verzogen sich zu einem verzerrten Grinsen.
    -_»So möge es denn enden in Feuer und Rauch!«, rief sie voller Inbrunst, und ihr Gelächter vermischte sich mit dem Geräusch der Flammen, die von ihrem Körper Besitz ergriffen und den Geist jenes Wesens befreiten, das für immer hatte schlummern sollen.



    [tab=#04 – Dialog (Lyric)]


    Geliebter Tag, Geliebte Nacht.



    »Sieh dort, der Reif, wie langsam er vergeht.
    Schau meine Macht, sie schwindet immer mehr.
    Ist es schon Zeit zu geh‘n? Mein Herz wird schwer.«
    – »Wir seh‘n uns wieder, wenn der Nordwind weht.«


    »Vergängliche Pracht:
    Der Tau schmilzt durch die Sonne,
    Zitternd sie erwacht.
    Mein Leben wird nun enden:
    So nah ist das Vergehen …«


    »Ich lausche dem Wind,
    Wie lieblich, voller Wonne
    Er dich zu mir bringt.
    Entfalte deine Schwingen,
    Lass mich den Abend sehen!


    … Wach auf, mein Herz, denn langsam stirbt das Licht.
    Und meine Zeit, sie geht vorüber nun.
    So will ich denn auf bald in Frieden ruh‘n
    Und träumen sanft …« ____________________
    ____________________ – »Halt ein, verlass mich nicht!


    Geliebter Tag, sag, seh‘n wir uns erneut,
    Sobald das Morgengrau‘n die Erde küsst,
    Das Leben gähnt zu Glockenklangs Geläut?


    Nie soll es enden,
    Der Abschied nicht geschehen –
    Das Blatt sich wenden!
    Nur mit dir bin ich die Nacht,
    Nicht mit Sternen oder Mond!«


    »… Die Worte klingen
    So hilflos, voller Flehen,
    Was soll es bringen?
    Wird es ändern, was wir sind?
    Ändern, was uns innewohnt?


    Geliebte Nacht, dass du niemals vergisst,
    Dass jenes stets am meisten uns erfreut,
    Was sterblich wie das Leben selber ist.«



    [tab=#05 – Kindheitshelden]


    Memento.



    Mein Blick wandert über die von Staub und Spinnenweben bedeckten Gegenstände. Seltsam entrückt und unwirklich wirken sie – der alte Kassettenrekorder, welcher früher neben meinem Bett stand, um mich mit Geschichten in den Schlaf zu wiegen; das alte Puppenhaus (ein Geschenk meiner Cousine), welchem ich, obwohl ich ein Mädchen bin, nur selten meine Aufmerksamkeit geschenkt habe; eine kleine blaue Kiste voller Legosteine, mit denen ich die meiste Zeit meiner Kindheit verbracht habe; und noch so viele andere Spielzeuge und Dinge, die in mir längst verschollene Erinnerungen wieder zum Leben erwecken.
    -_Ich lasse meinen Blick schweifen und bin einen Atemzug lang versucht, mich in der Vergangenheit zu verlieren. Wie verführerisch es wäre, sich einfach fallen zu lassen, dem Jetzt zu entfliehen, die Zukunft zu vergessen; nur für einen Augenblick die Augen zu schließen und die mir bevorstehenden Qualen durch die Bilder längst vergangener Zeiten zu ersetzen. Ein letztes Mal Kind zu sein, bevor …
    -_Meine Augen erhaschen einen Zipfel schwarzen Stoffes, und sogleich ist meine Sehnsucht mit einem Schlag dahin. Mit zitternden Händen schiebe ich die klebrigen Spinnenweben beiseite und wische den Staub von einer kleinen hölzernen Kiste, die, in dunklen Schatten verborgen, auf den ersten Blick nicht zu erkennen ist. Unscheinbar und simpel ist ihre Oberfläche und von vielen Jahren der Einsamkeit gezeichnet, finster ihr Innenleben.
    -_Langsam greife ich in die Kiste hinein und hoffe dies und jenes zugleich, bin hin und her gerissen zwischen freudiger Erwartung und nahender Verzweiflung. Was, wenn ich mich geirrt habe und der schwarze Zipfel, den ich zu sehen geglaubt habe, lediglich meiner Fantasie entsprungen oder gar Teil eines dreckigen Lumpens ist? Und was, wenn es das ist, was ich gesucht habe?
    -_Meine unausgesprochene Frage wird beantwortet, als meine kalten Finger sich um ein vertrautes Stück Stoff schließen. Vorsichtig, wie aus der Angst heraus, dass dies alles nur ein Traum ist, hebe ich meine Hand, atme einmal tief ein wappne mich vor dem, was mich erwartet.
    -_Ich hätte es niemals für möglich gehalten, dass Erinnerungen so schmerzhaft sein können.


    »Chesh, wo bist du?« Die Stimme des Kindes ist fordernd, fast schon gebieterisch, doch es schwingt ein liebevoller Unterton mit. Sanftes Sonnenlicht fällt auf eine sommergrüne Wiese, die, umgeben von dichtem Buschwerk und hohen Eichen, wie ein kleines Paradies anmutet. Ein gurgelndes Bächlein zieht sich schlängelnd durch die Szenerie, und in der Ferne zwitschern lautstark einige Vögel, während der Wind sanft durch die Blätter der Bäume und das kniehohe Gras streicht.
    -_In der Mitte der Lichtung steht ein Mädchen in jungen Jahren. Mit ihrem weizenblonden Haar, das ihr wie taufrischer Regen den Rücken hinab fällt, und dem sommerlich hellblauen Kleidchen sieht sie beinahe aus wie eine Prinzessin. Ihre blauen Augen blitzen vergnügt auf, als sie sich lachend im Kreise dreht und die Baumstämme um sie herum forschend mustert; ihre Stimme klingt wie die eines auf die Erde gekommenen Engels.
    -_»Ich weiß ganz genau, dass du hier irgendwo bist, Chesh!« Mit einem übermütigen Kichern stürzt das Mädchen auf eine besonders große Eiche zu, umrundet sie geschickt innerhalb eines Wimpernschlages und wirft sich schließlich kreischend auf ein kleines schwarzes Wesen, das inmitten eines Kreises aus Moos gebettet liegt. Keine Zeit verbleibt ihm, vor der darauf folgenden Umarmung zu fliehen, doch das Funkeln in seinen Augen vermittelt nicht den Eindruck, als ob es auch nur einen Gedanken an eine Flucht verschwenden würde; vielmehr scheint es froh darüber zu sein, dass es endlich gefunden wurde.
    -_»Ach, Chesh«, sagt das Mädchen tadelnd und drückt das Wesen fest an sich, »du hättest doch wissen müssen, dass ich dich sofort finde, wenn du dich dort versteckst.« Gedankenverloren streichelt sie das schwarze Fell und blickt gen Himmel, den Mund zu einem zufriedenen Lächeln geformt. Über ihr rauscht das Blattwerk der Bäume im Wind, zu ihren Füßen wächst Moos und Farn. Das Bächlein trällert seine plätschernde Melodie und der Duft der Blumen, die überall zwischen dem hohen Gras aufleuchten, erfüllt die Luft mit dem Geruch des Sommers.
    -_»Ach, Chesh«, sagt das Mädchen noch einmal und in ihren blauen Augen glitzern silberne Tränen. Vorsichtig macht es einige Schritte vorwärts, darauf bedacht, nicht über eine der heimtückischen Dornenstränge zu stolpern, welche die Lichtung von außen bedrängen. Noch vor einem Jahr hätte sie es niemals für möglich gehalten, dass einmal spitze Dornen ihr kleines Paradies heimsuchen würden; und nun muss sie mit Argwohn wählen, wohin sie ihre Füße setzt.
    -_»Was ist nur aus der Zeit geworden?« Eben noch so voller Lebensfreude, klingt die Stimme des Mädchens nun gebeutelt und zerbrechlich wie Glas, welches unter der Last von tausend weiteren Gläsern unausweichlich zu zerspringen droht. Ihre kleinen Kinderhände fassen das schwarze Wesen fester, heben es an und führen es vor ihr rundes Gesicht, in dessen lieblichen Zügen längst die Härte eines Erwachsenen zu erkennen ist. Dicke Tränen rollen die pausbäckigen Wangen hinab und finden sich an dem kleinen Kinn zusammen, um schwer gen Boden zu fallen, und leises Schluchzen erfüllt die friedliche Stille.
    -_»Ich bitte dich …«
    -_Die Hände versuchen verzweifelt, das kleine Wesen zu halten.
    _______________ »… Chesh …«
    -_Ein Aufheulen, gefolgt von mit Schmerz getränkten Schluchzern.
    __________________________ »… verlass mich nicht.«
    -_Und die hell lodernden Dornen zerstören das Paradies.


    Die Erinnerung endet ebenso plötzlich, wie sie über mich gekommen ist, und lässt mich zurück im trostlosen, kargen Jetzt. Beinahe ist mir, als könnte ich ebenjene Tränen auf meinen Wangen spüren, die auch dem Mädchen vom Kinn getropft sind; doch als ich meine freie Hand hebe und mein Gesicht betaste, spüre ich nichts. Nichts außer einer alles verschlingenden, niemals endenden Leere tief in meinem Inneren.
    -_Ich frage mich, wie es soweit hatte kommen können. Hatten Chesh und das Mädchen nicht einen Pakt geschlossen, auf immer und ewig füreinander da zu sein? Sind sie nicht Freunde gewesen, wie es sie nur einmal im Leben gibt und niemals sonst geben kann? Waren sie nicht glücklich?
    -_Der leere Dachboden schweigt und gibt keine Antwort. Die Gegenstände aus meiner Kindheit sind längst verschwunden: der Kassettenrekorder verschenkt, das Puppenhaus an das Kind meiner Cousine gegeben, die Kiste voller Legosteine auf dem Flohmarkt verkauft. Es gibt nichts, was mich noch an die Vergangenheit binden könnte, nichts, was meinem stillen Leiden ein Ende bereiten kann. Ich bin alleine, so wie ich es immer gewesen bin.
    -_Mein Blick wandert zu dem schwarzen Lumpen, den ich noch immer in der Hand halte, und mein Herz wird schwer.
    -_»Chesh?«
    -_Keine Antwort.
    -_»Chesh, bist du noch da?«
    -_Ein Schluchzen erfüllt den Raum. Die Schatten kommen aus ihren Ecken gekrochen, werden länger und verbinden sich zu einer unförmigen Silhouette. Drohend ragt sie über allem auf und verschlingt das schwache gedämpfte Licht mit ihrer Dunkelheit.
    -_»Es tut mir leid.«
    -_Ich greife mir an die Brust, dorthin, wo einst mein Herz gewesen ist, bevor es der Finsternis zum Opfer fiel. Tief in mir breitet sich die zerstörerische Leere wie hungriges Feuer aus, und aus meinem Mund kommen ungehörte Schluchzer, während meine Augen trockene Tränen vergießen.
    -_»Es tut mir so leid.«
    -_Ich schaue hinab auf das unförmige Stück Stoff, den letzten Rest, welcher mir von meiner Kindheit noch geblieben ist, schließe die Augen und lasse mich fallen.
    -_»Ich wünschte, ich hätte dich retten können.«


    Zeitungsartikel von Montag, dem 17. November 19xx

    Der verheerende Brand, welchem in der Nacht von Freitag auf Samstag mehrere Wohnhäuser in der Wonderton Laine zum Opfer fielen, forderte keine Todesopfer und nur wenig Verletzte; die meisten Anwohner waren ohne Kinder und zu der Zeit des Unglücks außer Haus. Die Ursache für den plötzlichen Ausbruch des Feuers ist noch immer ungeklärt, die Untersuchungen dauern an. Einziger Zeuge, dessen Aussage bereits zu Protokoll gegeben werden konnte, ist L. Pleasance, Ehemann der Schriftstellerin E. Pleasance, die ihrer gemeinsamen Tochter A. auf der Intensivstation beisteht.


    Tagebucheintrag vom 25. Dezember 19xx

    Mummy und Daddy haben mir eine schwarze Katze aus Stoff geschenkt. Sie soll mich trösten und mir helfen, wenn ich Angst habe oder die Albträume wiederkommen. Ihr Fell ist ganz weich und flauschig, so kuschelig und warm!
    -_Mummy sagt, dass ein Teil von Cheshs Seele in ihr ist. Ich müsse nur ganz fest dran glauben, dann würde Chesh mir auch vom Himmel aus beistehen, hat sie gesagt.
    -_Ich will Mummy so gerne glauben. Wenn sie recht hat, dann bin ich vielleicht nicht mehr so alleine. Vielleicht kommt Chesh dann ja wirklich zu mir zurück!
    -_Daddy hat verboten, über die Sache von damals zu sprechen. Er sagt, dass das nur Unglück bringt und ich glaube ihm. Daddy ist sehr klug.
    -_Ich werde die Stoffkatze Chesh nennen, denn Chesh ist ein schöner Name. Sie sieht auch so aus wie die echte Chesh, genauso süß und verspielt! Ich hoffe, dass wir gute Freunde werden.
    -_Vielleicht werde ich irgendwann vergessen haben, dass das Feuer meine Schuld war. Vielleicht wird Chesh mir dann verzeihen, dass ich sie nicht retten konnte.



    [tab=#06 – Nur der Tod ist sicher]


    Die Hoffnung stirbt zuletzt.



    Als die RMS Titanic am zehnten April im Jahre 1912 von South Hampton aus in See stach, konnte niemand ahnen, dass diese Jungfernfahrt zugleich auch die letzte für das bis dahin größte Schiff der Welt sein sollte. Die weit mehr als tausend Passagiere wussten nichts von dem Unheil, das sie nur vier Tage und einige Stunden später erwarten würde, und so waren ihre Gedanken erfüllt von Träumereien und naiven Hoffnungen – auf ein neues Leben abseits der tristen Gesellschaft Europas vielleicht, möglicherweise aber auch auf das baldige und frohe Wiedertreffen mit einer geliebten Person, die man so lange nicht mehr hatte sehen können. Was auch immer es war, das die Herzen der Menschen an Bord erfüllte, es war durchzogen von Wünschen jenseits des alltäglichen Lebens, jenseits all der Möglichkeiten, die sie bis zu diesem Tag an ihre Heimat gekettet hatten.
    -_Das Bild der aus dem Hafen auslaufenden RMS Titanic muss ein wahrlich imposantes gewesen sein: zu hunderten kamen die Menschen, um sich an dem Anblick des mehr als zweihundertfünfzig Meter langen und fast dreißig Meter breiten Passagierschiffes zu erfreuen und denjenigen zuzujubeln, welche sich auf die abenteuerliche Reise gen Amerika machten. Nur knapp zwei Dutzend gingen von Bord, als sie am Abend des gleichen Tages in Cherbourg ankerten, und noch weniger waren es am Mittag darauf in Queenstown – einen jeden dürstete es nach der verheißungsvollen Luft New Yorks, dem Ziel ihrer Fahrt quer über den Nordatlantik.
    -_Wer hätte schon wissen können, dass sich dieser Traum nur vierundachtzig Stunden später zu einem Nachtmahr wandeln sollte?


    Es war am späten Abend des vierzehnten Aprils 1912 um dreiundzwanzig Uhr und vierzig Minuten, dass das Unglück seinen Lauf nehmen sollte: Vom Ausguck erspäht, sollte ein gigantischer Eisberg von mehr als dreihunderttausend Tonnen den Untergang der RMS Titanic bringen. Mit einer Geschwindigkeit von einundzwanzig Knoten kollidierte das größte Schiff der Welt mit dem Giganten aus dem fernen Norden – und siebenhundert Besatzungsmitglieder sowie achthundert Passagiere verloren ihr Leben in den Wirren der Evakuierung und den kalten Wellen des Nordatlantiks.
    -_Und die Hoffnung auf ein neues Leben im fernen Amerika starb mit ihnen.


    Ich starre wie erstarrt auf das spiegelnde Wasser, das sich zu meinen Füßen sammelt, und ein eisiger Schauer rinnt mir den Rücken hinab. Angst macht sich in mir breit, gepaart mit der tiefen, unumstößlichen Gewissheit, dass diese Nacht meine letzte sein wird. Alles ist verloren.
    -_Eine einzelne verirrte Träne schleicht sich aus meinem Augenwinkel und zerspringt, noch ehe sie den Boden erreicht. Ist es das frostige Feuer des Atlantikwassers, das mich erzittern und mich glauben lässt, jeden Moment zu erfrieren? Ist es die Furcht vor dem, was kommen wird, die mich davon abhält, mich zu bewegen?
    -_Egal, wie sehr ich es mir auch wünsche, ich kann und werde nicht vom Fleck weichen; und nach einem kurzen Blick auf die andere Seite des Raumes und das klapperige Bett, welches sich dort in die dunkle Ecke schmiegt, weiß ich auch, warum. Die Erinnerung an das, was mich hierher getrieben hat, flammt in meinem Inneren auf wie flackerndes Kaminfeuer nach Jahren der Einsamkeit, und als die nächste Träne meine Wange hinab rinnt, gefriert sie nicht in der eisigen Luft, sondern ertrinkt langsam in der kühle Wasserlache zu meinen Füßen.
    -_Ein Husten lässt mich aufschrecken, und meine Augen sehen, wie sich ein großes Bündel auf dem zerbrechlichen Bette windet.
    -_»Ich weiß, dass du da bist«, sagt eine leise Stimme, die, gezeichnet von Jahren der trauten Geselligkeit, heiser und verbraucht klingt. Wie schmirgelndes Pergament bewegt sie sich über meine Haut und lässt in mir die Bilder längst vergangener Zeiten aufblitzen: unendlich viele, gemeinsam erlebte Feiertage, Unmengen an Familienfesten in großer Gesellschaft, die Geburten ihrer unzählbaren Kinder.
    -_Es ist das Leben, welches vor mir in den Decken liegt, und es ist ihr Atem, der von Minute zu Minute schwächer wird. Ihr Äußeres wäre, im Licht des Tages betrachtet, ebenso strahlend wie abstoßend, ihre Worte jedoch klingen brüchig und ausgezehrt, weder rein noch finster. Sie verkörpert Licht und Dunkelheit zugleich – in diesem Augenblicke aber ist sie nur eine alte Frau, gebeutelt von dem Schicksal der Welt und gebrochen von dem, was in diesem Augenblicke geschieht.
    -_»Ihr könnt mich sehen?«, frage ich nach einer schier endlos langen Zeit der Stille, in welcher nur ihr rasselnder Atem den Raum zwischen uns füllte, während das Wasser sekündlich an Höhe gewann. Inzwischen bedeckt es bereits meine Knöchel, und ich weiß, dass es mich vollends verschlingen wird, wenn ich nicht schnell von hier verschwinde; doch ist es mir unmöglich, ohne sie – ohne das Leben – zu gehen.
    -_Als Antwort auf meine Frage vernehme ich staubtrockenes Kichern, welches mehr wie das verbissene Bellen halbverhungerter Wüstenhunde klingt als wie das glockenhelle und zugleich rauchige Lachen, das ich sonst von ihr gewohnt bin. Es ist befremdlich für meine Ohren, dieser Laut lederner Schlangenhaut, die über heißen Stein schabt, und unwillkürlich schweifen meine Gedanken gen Heimat, wo das Gras grün und vollgesogen vom nächtlichen Sommerregen ist und mit dem frühen Morgenwind tanzt, während in der Ferne die Sonne zu neuem Leben erwacht und alle Tiere und Menschen mit ihr.
    -_»Wie sollte ich dich nicht sehen können?« Die Worte der alten Frau klingen bitter, nahezu zornig, und sie zerschmettern das Bild in meinem Kopf mit stählernen Fäusten. Unwillkürlich schaue ich auf, suche das dunkle Bündel auf dem klapperigen Bett – und blicke direkt in die sternenglanzhellen Seelenspiegel des Lebens.
    -_Mein Atem stockt für einen Wimpernschlag und mein Herz beginnt zu rasen. So ausgedörrt und knochig ihre Stimme auch klingen mag, die Augen des Lebens reflektieren ihre Schönheit, ihre Macht und ihre Alterslosigkeit. Gefangen im Körper einer Greisin, betrachtet mich ihre geistige Existenz mit unverhohlener Neugierde, mit wachem Verstand und klarem Blick. Ihre Iris, gleißend hell und von den Farben des Regenbogens überschwemmt, leuchten wie der nächtliche Himmel über meiner Heimat – und es ist in diesem Moment, dass ich das wahre Ausmaß all dessen hier erkenne und verstehe, dass ich sie nicht gehen lassen kann.
    -_Eine weitere Träne verirrt sich über meine von salzigen Spuren gezeichnete Wange, und ich hebe die Hand, um sie aufzufangen und zu betrachten. Golden und funkelnd wie das verborgene Metall, welches die Menschen seit Urzeiten jagen, liegt sie da und hinterlässt auf meinem Handrücken einen kleinen Schimmer ihrer eigenen kurzlebigen Hoffnung.
    -_»Das Schiff wird untergehen«, sagt das Leben, während ich noch in der Betrachtung meiner Träne vertieft bin und meine Gedanken zwischen hier und dort verweilen – zwischen diesem Ort des Unheils und meiner eigenen, längst verlorenen Heimat.
    -_»Viele Menschen werden in dieser Nacht ihre ewige Ruhe in den Tiefen des Meeres finden.« Ich hebe den Kopf, begegne ihrem Blick und erzittere aufgrund der Endgültigkeit in ihren Worten und der Akzeptanz in ihren Augen.
    -_»Du und ich, wir beide sind hier, weil uns die Träume und Wünsche der Menschen magisch angezogen haben. Wie die Motten zum Licht, so sind wir auf dieses Schiff gekommen, in uns den Glauben und die Gewissheit, dass diese Reise nicht nur die Menschheit, sondern auch uns selbst verändern wird.«
    -_Ein bedauerndes Lächeln umspielt die aufgesprungenen Lippen des Lebens, und im Kontrast dazu spüre ich das eisige Wasser, wie es sich an meinen unbedeckten Knien in kleinen Wellen bricht, ein Abbild dessen, was ein Vogel wohl sehen würde, wenn er in diesem Moment dieses Schiff überfliegen würde.
    Tränen stehen in meinen Augen und ich versuche nicht länger, sie zurückzuhalten.
    -_»Du kannst nicht gehen«, bringe ich stattdessen unter Qualen hervor, während das Wasser um mich herum weiter steigt und die Gleichgültigkeit in den Worten des Lebens meine Seele vor Schmerz aufschreien lässt. »Du kannst uns, all diese Mensch und mich, nicht alleine lassen.«
    -_Ein verzweifeltes Schluchzen löst sich aus meiner Kehle und füllt den Raum, der nun bereits zur Hälfte mit dem todbringenden Lebensquell des Meeres gefüllt ist. Ich fühle, wie meine Kräfte mit jeder weiteren Sekunde, die vergeht, schwinden, und zum ersten Mal in meinem Leben macht sich ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit in mir breit.
    -_»Wir brauchen doch Hoffnung.«
    -_Ein gleißender Blitz erhellt die Luft um mich herum sowie das Wasser, das an meine Kehle schwappt, und in diesem Moment erhasche ich einen Blick auf das Leben in all ihrer Pracht, wunderschön und finster, strahlend und tragisch zugleich. Ihre Augen, Abbilder des Sternenhimmels, schauen traurig auf mich hinab, und ihre Hand streift mütterlich meine Wange.
    -_»Du müsstest es doch besser wissen, kleiner Funken.« Ihre Stimme, eben noch alt und brüchig wie die einer Greisin, klingt nun hell und klar, voller Erinnerungen und Wünsche auf eine neue Zeit, einen neuen Anfang – ein neues Leben.
    -_Wir werden niemals wirklich vergehen. Wir sind endlos wie das Universum selbst, wie alles, was existiert.« Ihre Lippen verziehen sich zu einem letzten Lächeln. »Und wie alles, das ist, müssen auch wir es von Zeit zu Zeit akzeptieren, loszulassen.«
    -_Ein endgültiges Mal streift ihr Blick den meinen und einen Atemzug lang ist zwischen uns die Ewigkeit – dann schließt das Leben ihre Augen und vergeht im Angesicht des sinkenden Schiffes.


    Und ich? Ich begleite die letzten Menschen hinüber, bevor auch ich zur Ruhe komme.
    -_Ich bin die Hoffnung – und die Hoffnung stirbt zuletzt.



    [tab=#07 – Original Character]


    Onigoroshi: Dämonenjägerin.



    Mit einem unnatürlichen Fauchen stürzte sich die wolkengraue Puppe auf ebenjene junge Frau, welche vor nicht mehr als fünf Sekunden versucht hatte, den bösen Geist zu exorzieren – ohne Erfolg, wie die hasserfüllte Attacke des Dämons bezeugte. Von rasendem Zorn geleitet, riss das besessene Wesen sein Maul unnatürlich weit auf und bombardierte die Frau, welche es gewagt hatte, seine Ruhe zu stören, mit Kugeln reinster Höllenexistenz. Diese allerdings hatte nur auf das alles verzehrende, blaue Irrlicht gewartet, und in dem Augenblicke, da der Geist erneut eine der lodernden Sphären nach ihr schicken wollte, preschte sie voran, an dem Dämon vorbei, und versiegelte seine Bewegungen, indem sie einen Bannsticker auf seinem Rücken fixierte.
    -_»Das nächste Mal könntest du mich ruhig vorwarnen«, sagte sie, an einen Jungen gerichtet, der das Spektakel aus sicherer Entfernung – genauer: der Zimmerecke, versteckt hinter einem Bücherregal, aus dem zur besseren Sicht einige Wälzer entfernt waren – beobachtet hatte. »Dann würde ich hierfür nicht ganz so lange benötigen.« Der Junge grinste verlegen und sie verdrehte die Augen. Wie war sie nur wieder in diese Situation gelangt?


    Der Tag – ein vierzehnter Januar im Jahre 2096 – hatte so schön angefangen. Izanami Houshin, ihres Zeichens Dämonenjägerin, letzte Überlebende ihres Clans der Houshin und jüngste Vertreterin der Geister exorzierenden Zunft seit der großen Katastrophe von vor über hundert Jahren, war mit der Gewissheit aus ihren Träumen erwacht, dass dieser Tag ein ganz besonderer werden würde. Noch bevor ihr Blick in den Spiegel fiel, wusste sie bereits, dass sie erneut umwerfend aussah, mit ihren rückenlangen silberblonden Haaren, den gletscherblauen Augen, der so unschuldig wirkenden Körpergröße von einem Meter und siebenundfünfzig Zentimetern und –
    -_»Was zur Hölle?!« Ungläubig betrachtete Izanami das Vogelnest, welches sich über Nacht in ihren Haaren gebildet hatte und von dem sie nicht wusste, wie es dorthin hatte gelangen können. Die dunklen Ringe unter ihren Augen bestätigten allerdings ihren langsam aufkeimenden Verdacht, dass sie wieder einmal unruhig geschlafen und vermutlich allerlei unnütze Träume gehabt hatte. Wie schon viel zu oft in letzter Zeit.
    -_»Wenn ich mich denn wenigstens an meine Träume erinnern könnte«, knurrte sie genervt, mit flinken Händen das Chaos ihrer Haare entwirrend, während sie unruhig vor dem Spiel auf und ab ging. Tatsächlich fragte sie sich schon seit langem, weswegen ihr keiner ihrer nächtlichen Ausflüge in das Traumreich im Gedächtnis blieb, zumal ihr dies als kleines Kind stets möglich gewesen war. Was war es also, das ihr die Fähigkeit nahm, sich nach dem Aufwachen an die Träume der vergangenen Nacht zu erinnern?
    -_Vor allem aber quälte sie die Frage, was das überhaupt für Nachtmahre sein konnten, die zur Folge hatten, dass sie sich am Morgen in einem solch desolaten Zustand wiederfand.
    -_»Ach, ist ja auch egal.« Mit einem resignierten Seufzen verbannte Izanami die unliebsamen Gedanken in die hinterste Ecke ihres Geistes, um sich – nachdem sie das Vogelnest in ihren Haaren letzten Endes doch noch hatte bezwingen können – stattdessen jenen Dingen zu widmen, für die sie eine Erklärung hatte. Wie zum Beispiel den Nebulak, welche seit dem vergangenen Abend ein paar Häuser weiter für Unruhe sorgten und die Anwohner dort in Angst und Schrecken versetzten. Aufgewühlt und voller Furcht waren sie zu ihr, der berühmten Dämonenjägerin und Exorzistin Izanami Houshin gekommen, und sie hatte versprochen, sich gleich am Tage darauf um die Geistererscheinung zu kümmern.
    -_Einen letzten Blick warf sie auf den zerknitterten Kalender und die Speisekammer, in der ein leckerer Schokoladenkuchen nur auf sie zu warten schien; dann griff Izanami nach einem kleinen Stoffbeutel, deren Inhalt zur Austreibung der Nebulak reichen sollte, und verließ kopfschüttelnd das Haus.
    -_»Ein ganz besonderer Tag«, murmelte sie, während sie ein letztes Mal ihr noch immer widerspenstiges Haar betastete, »dass ich nicht lache!«


    Der Dämon in Form einer harmlosen Puppe nutzte den Augenblick der Unachtsamkeit, dem Izanami sich hingab, um den Jungen scherzhaft zu rügen, und entledigte sich mithilfe des ihm zuvor noch zum Verhängnis gewordenen Irrlichtes. Schmerzhaft löste sich der bannende Gebetsstreifen von dem, was wohl als seine Haut bezeichnet werden könnte, und das besessene Wesen fauchte ärgerlich über die Probleme, die ihm diese Frau eingebracht hatte. Dafür – und für die Tatsache, dass sie so ekelerregend von sich selbst überzeugt schien – sollte sie büßen!
    -_Sich nach den Schatten in den finsteren Zimmerecken ausbreitend, bereitete der Geist seine finale Attacke vor, nicht ahnend, dass Izanami – die nicht zu Unrecht den Titel der jüngsten Exorzistin seit der großen Katastrophe trug – nur auf seinen Angriff wartete. Während sie dem Jungen Vorbehalte gemacht hatte, war ihre Konzentration immer wieder kurz zu der besessenen Puppe geschweift, und so hatte sie natürlich gesehen, wie es sich von ihrem Bannsticker hatte lösen können. Zunächst voller Erstaunen, dass es dem Dämon gelungen war, sich ihrer Macht zu widersetzen, hatte sich rasch die endgültige Gewissheit herauskristallisiert, dass die Götter an diesem Tage wohl alles taten, um sie, Izanami Houshin, zu peinigen.
    -_»Happy Birthday«, murmelte sie mit einem Seufzen, bevor sie herumfuhr, einen weiteren ihrer Gebetsstreifen zückte und die Finte des Shuppet in einer einzigen fließenden Bewegung verhinderte. Ein weiterer Handgriff, eine geflüsterte Bannformel, ein letzter Blick an die hölzerne Decke und durch diese hindurch geradewegs in die Gefilde der Götter – und das Geistpokémon wand sich unter den Einwirkungen des exorzierenden Papieres und der austreibenden Worte wie unter grauenvoller Pein.
    -_»Heute ist echt nicht mein Tag.« Izanami dachte einen Moment lang sehnsüchtig an den süßen, schokoladenen Geburtstagskuchen in ihrem Küchenschrank, dann schüttelte sie diesen Gedanken energisch ab und wandte sich ein letztes und endgültiges Mal an den Dämon.
    -_»Irgendwie tut es mir ja fast schon leid, dass du meine ganze schlechte Laune abbekommst«, sagte sie mit einem Schulterzucken und trat auf das Shuppet zu, dessen wachsamen Augen jede einzelne ihrer Bewegungen sorgsam beobachten. Einen Atemzug lang schien so etwas wie Furcht in ihnen zu liegen, als Izanami ihre Gebetsperlen hervorholte, um mit diesen den Geist ein für alle Mal zum Teufel zu jagen – und als die junge Frau dies sah, den Bruchteil einer Sekunde lang zögerte und schließlich ihren Fehler erkannte, war es bereits zu spät.


    »Königin!« Die dämonische Puppe zuckte unter dem herrisch klingenden Tonfall zusammen und schaute schuldbewusst zu einer jungen Frau von gerade einmal achtzehn Jahren auf, die streng auf das Geistpokémon hinab starrte. Frostig blau wie kühlstes Eis blitzten ihre Augen, als sie den Blick des Shuppet erwiderte, der zwischen reuevoll und schelmisch zu changieren schien, und wenngleich viel zu spät, so versuchte es doch, die verräterische Schokoladencreme aus seinem Mundwinkel verschwinden zu lassen – ohne Erfolg.
    -_»Sag mir nicht«, begann Izanami, die Stimme weiter erhebend und anklagend mit einem Finger auf das Geisterwesen vor ihr zeigend, »dass du es gewagt hast, meinen Geburtstagskuchen zu essen!«
    -_Ohne Zweifel war dies eine rhetorische Frage, stand doch bereits fest – nicht zuletzt durch die zu spät entfernten Überreste der schokoladenen Umhüllung des Gebäckstückes –, wer sich an dem mit viel Liebe zubereiteten Backwerk gütlich getan hatte. Das Königin genannte Shuppet wagte es dennoch, ohne auch nur einen Anflug von Reue zu zeigen, den Kopf zu schütteln und zugleich einen vagen Blick gen Speisezimmerfenster zu werfen.
    -_Ich habe ja noch versucht, den Tunichtgut aufzuhalten, schienen ihre so unschuldig dreinblickenden Augen sagen zu wollen, und für einen Moment erlag der Dämon der widersinnigen Hoffnung, ihre Partnerin doch noch überlistet zu haben.
    -_»Hältst du mich ernsthaft für so bescheuert?« Die Stimme Izanamis überschlug sich beinahe, während sie, vor Wut schnaubend, auf die Geisterpuppe zutrat, und bereits einen ihrer unheilvollen Bannsticker zückte. Bedrohlich ragte das Menschenmädchen trotz ihrer doch eher geringen Körpergröße vor dem Shuppet auf, und auch wenn ihr Haar wie so oft wild in alle Richtungen abstand – die Träume, welche sie seit nunmehr zwei Jahren heimsuchten, brachten sie inzwischen fast jede Nacht um ihren Schlaf –, wusste der Dämon namens Königin, dass mit ihr nicht zu spaßen war.
    -_Aber sonst wäre es ja auch irgendwie langweilig. Der plötzlich aufkommende Gedanke durchzuckte das besessene Wesen wie ein Blitzschlag, und für einen Moment schienen Zeit und Raum zu verharren. Ungläubig ließ es sich das Gedachte noch einmal durch den Kopf gehen und auf der Zunge zergehen, bevor wohlig warme Erkenntnis sich in seinem Inneren breitmachte.
    -_Wer hätte gedacht, dass du trotz deiner selbstverliebten Art so etwas wie Sympathie in mir wecken könntest, dachte das Shuppet bei sich und erinnerte sich an ihre erste Begegnung, die der momentanen Situation nicht unähnlich war. Genau ein Jahr war bereits seit jenem schicksalshaften Tage vergangen, und auch wenn sie nie genauer über ihre Beziehung zueinander nachgedacht hatte, musste sich Königin nun eingestehen, dass ihr dieses vorlaute Menschenmädchen mit der Fähigkeit, Geister auszutreiben und Dämonen zu exorzieren, inzwischen längst ans Herz gewachsen war.
    -_Ein brennendes Ziehen riss das Geistpokémon aus seinen melancholischen Gedanken, und verwirrt betrachtete es einige Sekunden lang den Gebetsstreifen, der quer über seinem Angesicht prangte, bevor es seinen Mund zu einer frohlockenden Fratze verzerrte.
    -_»Machst du dich etwa gerade über mich lustig?«, fauchte Izanami erbost, doch unter ihrer Maske der Empörung blitzten die gletscherblauen Augen belustigt auf. Flink griffen ihre Hände nach dem Shuppet, das auf den liebevoll gegebenen Namen Königin hörte, und schlossen es in eine warme, herzliche Umarmung.



    [tab=#08 – Sonett]


    Schmetterlingsmorgenrot.



    Der Flügel, der über das Blumenmeer streicht,
    Die Schwinge, die leise den Himmel durchzieht:
    So viel, was das Auge am Boden nicht sieht,
    So vieles, für das doch die Zeit niemals reicht.


    Der Herzschlag des Wesens, das alles vereint,
    Der Hunger des Monsters, das über ihm droht;
    Die Sonne am Horizont färbt den Tag rot,
    Das Meer dunkler Blumen – ans Schweigen geleint.


    Der letzte Schlag klingt und auf zieht sie, die Nacht,
    Das Leben, es flattert umher durch das Tal;
    Der Mond wird zur Sonne, erstrahlt voller Pracht.


    Die Flügel, sie zittern noch ein letztes Mal,
    Dann ruhen sie, während das Morgengrau‘n lacht
    Und zeigt der einst Streifenden raumloser Zahl.



    [tab=#09 – Innerer Monolog]


    In Gedanken bei dir.



    In Gedanken werde ich immer bei dir sein; denn du warst mein bester Freund, mein größter Rivale und mein engster Vertrauter. Gemeinsam gingen wir durch dick und dünn, und auch wenn du jetzt nicht mehr da bist, werde ich die Erinnerung an dich doch auf ewig hüten wie einen Schatz. Dein Pokéball wird einst verblassen, die beiden zerbrochenen Hälften auf ewig voneinander getrennt; unser Band aber wird bestehen bleiben, so wie es immer bestand.
    -_In Gedanken werde ich immer bei dir sein; denn du hast mir gezeigt, was Leben ist.


    Ich erinnere mich noch sehr gut an unsere erste Begegnung: Es war ein sonniger Sommermorgen und doch war der Himmel noch ein wenig verklärt vom dunstigen Nebel des frühen Tages. Zusammen mit meinem Igelavar hatte ich mich gerade auf den Weg gemacht, um von Teak City aus nach Oliviana zu reisen, während meine Gedanken schon längst in der Hafenstadt weilten und bei dem Kampf, den ich gegen die dortige Arenaleiterin zu gewinnen gedachte. Die erwachende Morgensonne färbte die Szenerie in ein unwirkliches, von goldenen Strahlen durchzogenes Rot, und noch heute kann ich den Geschmack von Freiheit auf meiner Zunge wahrnehmen, wenn ich an jene Stunden zurückdenke.
    -_Es war in diesem Atemzug der vollkommenen Harmonie, dass ich mich, kaum hatten wir Teak City verlassen, einer inneren Eingebung folgend umwendete und meinen Blick das wolkenfreie, hellblaue Firmament absuchen ließ. Heute kann ich nicht mehr mit Gewissheit sagen, was es war, das meine Aufmerksamkeit so plötzlich geweckt hatte; in jenem Moment aber muss es von solch einer Intensität gewesen sein, dass ich instinktiv wusste, worauf ich mein Augenmerk zu richten hatte.
    -_Der Wimpernschlag, in welchem ich dein bunt schillerndes Gefieder zum ersten Mal in meinem Leben sah, wird mir auf ewig im Gedächtnis bleiben.


    Mein Blick fällt auf die längst verblasste Feder, die du mir einst vermacht hast, als Zeichen unserer ewigen Freundschaft. Inzwischen ist längst alle Farbe aus ihr gewichen und die Zeit hat ein trostloses, beinahe schon ernüchterndes Grau zurückgelassen. Dahin sind jenes verführerische Gold und jenes lebendige Rot, welches dein Federkleid stets so wunderschön haben sein lassen; verschwunden sind die Akzente von Grün und Silber, über die ich früher so gerne meine Hand habe streichen lassen.
    -_Ich frage mich, ob du irgendwann, eines fernen Tages, vielleicht wiedergeboren wirst und in einer besseren, friedlicheren Welt leben kannst. Die Erkenntnis, dich verloren zu haben, schmerzt jeden Morgen aufs Neue; aber die Gewissheit, dass du nicht länger in diesen Zeiten des Verrates und des Hasses ausharren musst, gibt mir ein wenig von meiner damaligen Freude zurück.
    -_Der Glaube an ein Leben ohne Menschen, die dich aufgrund deiner Seltenheit und deines besonderen Federkleides jagen und bezwingen wollen, gibt mir die Hoffnung, die es benötigt, einen jeden Tag erneut zu überstehen; und seitdem sie an der Macht sind, brauche ich jeden einzelnen Lichtstrahl, um nicht dem Wahnsinn zu verfallen.


    Der Tag, an dem sie die Macht in Johto an sich rissen; der Tag, an dem du für immer von mir gehen solltest; der Tag, an dem das Leben beinahe seinen Sinn verlor; werde ich diese dunklen Stunden jemals vergessen können? Werde ich das Leid vergessen können, das sie über Johto brachten, den Tod und die Zerstörung, die mit ihrem Herrschaftsanspruch einhergingen?
    -_Wenn ich die Augen schließe, sehe ich noch immer die schwarzen Rauchschwaden, die wie böse Geistererscheinungen über Teak City hingen, unfähig, sich im angehaltenen Atem der Welt und der plötzlich einsetzenden Stille zu verflüchtigten. Kein Windhauch verwehte die Boten der Dunkelheit und des Verderbens, noch durchbrach auch nur ein einziger Laut die Disharmonie der Ruhe, die sich wie ein Schleier über die Stadt gelegt hatte.
    -_Der Augenblick, da wieder Bewegung in die Welt kam, war jener, da ich deine Schreie hörte. Mit deinem Kampfesgebrüll kehrte das Leben zurück und erlöste uns von der Regungslosigkeit, die sie über uns gebracht hatten. Ehe ich wusste, wie mir geschah, war ich bereits mit Tornupto an meiner Seite auf dem Weg zum Zinnturm, in meinem Herzen die Hoffnung, sie aufhalten zu können, während in meinem Kopf die brennende Vorahnung pochte, zu spät zu kommen.


    Hätte ich das Schicksal abändern können, wenn ich früher in Teak City gewesen wäre? Hätte es etwas genutzt, wäre ich nicht vor Angst und Schrecken erstarrt gewesen, kaum dass ich die Rauchschwaden erblickte? Was wäre geschehen, wenn ich dich nicht alleine gelassen hätte? Diese Fragen stelle ich mir immer und immer wieder; und wenngleich ich weiß, dass ich niemals auch nur eine Antwort auf sie erhalten werde, rotieren meine Gedanken weiter, lassen nicht ab von der Vorstellung dessen, was hätte sein können, wäre meine Entscheidung damals anders ausgefallen.
    -_In Gedanken werde ich immer bei dir sein; und vielleicht werden wir uns beide eines Tages erneut treffen, in einer neuen Zeit, in einer besseren Welt. Vielleicht wird es mir dann möglich sein, meinen Fehler zu bereinigen und dich um Vergebung zu bitten, dafür, dass ich dich verraten habe.
    -_... Denn ich war diejenige, die dich fing und die damit deinen Tod besiegelte. Hätte mein Pokéball an jenem verhängnisvollen Tag nicht deine Schläfe berührt, mit der Absicht, dich vor alldem zu retten, dann hättest du dich auch nicht vor mich geworfen, als sie mich attackierten.
    -_Du konntest ja nicht wissen, dass ich es nur tat, weil sie mir versprochen haben, dich dann am Leben zu lassen.



    [tab=#10 – Haiku]


    Winteratem, Sommerblut.



    Der fallende Schnee
    Bedeckt sanft meine Wangen
    Und ich atme aus.


    Die leere Kälte
    Zehrt mich von innen auf und
    Raubt mir den Atem.


    Ewiger Winter
    Umschließt mein Herz, erstickt es:
    Die Wärme ist fort.


    Ein Licht, das erstrahlt:
    Dort, in tiefster Dunkelheit
    Weist es mir den Weg.


    Eine Stimme lacht,
    Sie entreißt mich der Kälte
    Und lässt mich leben.


    Der Sommer kehrt heim
    Und mit ihm die Gewissheit,
    Nun bei dir zu sein.



    [/tabmenu]

  • Hallo Alan,


    nach dem recht umfangreichen Wettbewerbsupdate letztens dachte ich mir, jetzt einmal random eine Geschichte herauszupicken, einfach weil ich es kann und du damit leben musst, und diese zu kommentieren. Die Auswahl ist ja nicht gerade gering, aber ich habe mich dann schlussendlich für den Original Character entschieden. Lediglich war die Frage danach nur mehr: Sollte ich diesen Text nach den Wettbewerbsregeln kritisieren oder eher nach dem Kurzgeschichtenformat? Letztendlich fiel die Wahl auf zweiteres, da eine neue Kurzgeschichte ohnehin einen neuen "Original Character" verlangt.


    Onigoroshi also, Dämonenjägerin. Endlich einmal jemand, der japanische Titel auch anständig zu übersetzen weiß - ja, das ist ein großes Lob. Im Grunde hilft es dadurch jedem Leser einmal zu wissen, was denn dieses Wort heißt und worauf die ganze Sache hinauszielen wird. Auch der Klang und die knappe Wortwahl wissen zu gefallen.
    Du fackelst auch nicht lange mit Erklärungen herum, sondern wirfst uns sofort ins Geschehen, indem Izanami gerade dabei ist, einen Geist zu exorzieren. Wobei ich hier schon einmal sagen muss, dass mir ihr Name bekannt vorkommt, aber in der Hinsicht kann ich mich auch täuschen. Die Szene wirkt durch verschiedene Aktionen auf beiden Seiten sehr lebendig und dynamisch, als könnte sich nun jederzeit etwas ändern. Die Frage, die sich mir bis zum Schluss gestellt hat, war dieser Junge, der offenbar nur für einen kurzen Auftritt zu haben war. Vermutlich, weil er sie gerufen hat und nicht weglaufen, sondern sich lieber verstecken und zusehen wollte. Nichtsdestotrotz hat er Probleme verursacht - genau das Richtige also für einen guten Start in den Tag. Mir gefiel überhaupt der Wechsel zu Izanamis Morgen und allgemein ihrer Vorstellung, da du hier klugerweise kurz und bündig aufgezählt hast, wer sie ist, wie sie aussieht und was sie ausmacht. Du wirfst auch einige interessante Dinge ein, über die man gerne mehr erfahren würde. Was war diese Katastrophe von vor hundert Jahren und warum kann sich Izanami nicht an ihre Träume erinnern? Letzteres wird einen bestimmten Grund haben und da war dann leider auch die Wortbegrenzung im Weg, um dies weiter zu erläutern. Für die Charaktervorstellung sehr interessant und es macht Lust und Laune auf mehr; solltest du je einmal eine Fortsetzung schreiben wollen, was ich mir sehr wünschen würde, wäre ich dabei. Nebenbei erwähnt wundert mich das Zukunftsszenario, das eigentlich mehr wie japanisches Mittelalter mit dem Wortlaut der Moderne gemischt ist. So wirkt es zumindest, aber auch das wird sicher seinen Grund so haben.
    Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass mir Izanami durch ihre Eigenkommentare sehr sympathisch ist? Sie lockern die ansonsten angespannte Situation gut auf und wirken befreiend, sodass man zwischendurch Zeit für einen Schmunzler hat, jedoch nicht zu stark vom Kampfgeschehen ablenken. Dieses ist, wie bereits in der Einleitung, sehr intensiv, nach wie vor, und setzt du so weiters auch sehr spannend um. Hier erwähnst du nun auch endlich, warum es für sie eigentlich ein besonderer Tag hätte werden sollen: Geburtstag. Im Grunde hast du dich beim Schreiben der Geschichte also darauf gestützt, dass sich irgendwo noch ein Kuchen befindet, den sie gerne essen möchte. Oder eher hätte wollen, denn dieses Shuppet hat ihn vorher verdrückt und hier beginnen die Merkwürdigkeiten. Wie kam es gerade auf diesen Kuchen und wie wusste Izanami, dass es der Täter war? Noch besser, Shuppet hat sogar einen Namen, noch dazu einen Deutschen (warum keinen Japanischen, wenn es die Szenerie doch zulässt?), also kennen sich die beiden offensichtlich und auch hier stellt sich mir die Frage, warum dann die ganze Szene überhaupt so abgelaufen ist, wie sie war. Es wirkt gestellt, nur damit es am Ende zur Umarmung kommt. Diese ist, auf die Beziehung der beiden betrachtet, sehr ungewöhnlich, jedoch möchte sich hier kein befriedigendes Gefühl einstellen. So gesehen ist das eigentlich mein einziger Kritikpunkt an dich, dass die Geschichte in diesem letzten Absatz abbaut und plötzlich abstrus wird, sodass man ihr kaum mehr folgen kann. Ich führe das jetzt einmal auf die Wortbegrenzung zurück, da man sich für Wettbewerbe leider etwas kürzer halten muss, aber insgesamt hast du eine gute Geschichte mit einem tollen Hauptcharakter geschrieben, bei der sogar ein anfangs noch feindlicher Support-Charakter eine kurze Beleuchtung bekam. Und rein auf den Wettbewerb bezogen hast du den Charakter auch wirklich gut dargestellt.
    Eine kleine Anmerkung noch, da es mir aufgefallen ist: "Geistpokémon" schreibt man mit Bindestrich auseinander und Pokémon dann groß, also "Geist-Pokémon". Das gilt im Übrigen auch für alle anderen Typen, falls du dir das für die Zukunft merken möchtest und sind neben einem Wort, das ich noch nicht kannte (=changieren, mittlerweile kenne ich die Bedeutung), mehr oder weniger Peanuts. Deine Rechtschreibung ist einwandfrei und bedarf eigentlich keinerlei weiterer Erwähnung. Gut so.


    Von daher beende ich hier diesen Kommentar und hoffe, dass dir meine Kritik hilfreich ist. Vielleicht liest man sich bald wieder.


    ~Rusalka