Was gäbe es für einen besseren Tag, um diesen Thread zu eröffnen, als einen Karfreitag? Der Tag, der so schön zeigt, wie weit Theorie und Praxis auseinander liegen.
In Deutschland gibt es keine Staatskirche - zumindest laut unserer Verfassung - was soviel heißt, dass Staat und Kirche getrennt sind. Das heißt, zumindest in der Theorie, dass Religion und Glaube keinen praktischen Einfluss auf Gesetzesgebung und Politik haben sollten und allgemeine Religionsfreiheit herrschen.
Je nach Auslegung könnte es auch heißen, dass Religion komplett aus staatlichen Belangen herausgelassen - was zum Beispiel auch Schulen und dergleichen betreffen würde.
Was es auf jeden Fall jedoch normal umfasst, ist, dass alles, was direkt mit Religion zu tun hat, nicht mit Staatsgeldern finanziert werden sollte und generell Staats- und Kirchengelder getrennt zu handeln sind. Es kann durchaus sein, dass eine Kirche dank Denkmalsschutz auf Staatskosten rennoviert wird - aber das sollte zumindest in der Theorie die Grenze sein.
Das erste, was den meisten hier nun einfallen wird, ist ein Stichwort: "Ich soll ja aber Kirchensteuer zahlen!"
Und das ist korrekt: Obwohl wir in Deutschland keine Staatskirche haben, wird über einen Gesetzlichen Erlass ein Steuersatz eingezogen, der an die Kirchen geht. Doch das ist, anders als viele zu glauben meinen, gar nicht einmal so kritisch, da die Kirchensteuer keinen Glauben bevorzugt, da alle Religionen, die als solche in Deutschland anerkannt sind und eintragbar sind, von ihren Mitgliedern einen Steuersatz einziehen können - so dass in Deutschland zum Beispiel auch Juden und Muslime Kirchensteuern zahlen.
Da gibt es in Deutschland weitaus problematischere Dinge, wo sich zeigt, dass Staat und Kirche nicht getrennt sind.
Das beste Beispiel sind Kirchenmänner, die zu guten Teilen von Steuergeldern bezahlt werden. Und nein, nicht von der Kirchensteuer, sondern von neutralen Steuergeldern. So zahlt der deutsche Staat an die Bischöfe und andere Männer der Kirche Deutschlands gesamt jährlich mehrere Hundert Millionen Euro. Erzbischöfe verdienen mehr Geld auf Staatliche Kosten, als die höchsten Politiker der Länder. Ebenso zahlt der deutsche Staat für Baumaßnahmen an Kirchen, für die Ausbildung von Pastoren und auch kirchliche Medien werden zu guten Teilen aus Staatskassen bezahlt.
Und das ist ein Privileg, dass andere Religionen in Deutschland nicht haben.
Auch zeigt sich eine Bevorteilung an Schulen und Krankenhäusern. Es gibt denke ich in jeder Gegend (jedenfalls im ehemaligen Westdeutschland) Schulen und Kirchen unter kirchlicher Trägerschaft. Nicht nur, dass die sogenannten Konfessionsschulen sogar eine prozentualen Mindestdurchsatz an Schülern ihrer eigenen Konfession haben und sowohl Schulen, als auch zum Beispiel Krankenhäuser ihre Mitarbeiter dann meistens nach Konfession aussuchen und damit Menschen anderer Religionen offen diskriminieren - und das auch dürfen, da sie unter "kirchlicher Trägerschaft" sind. Nein, das wirklich lustige daran ist: Auch diese Einrichtungen werden zu 70 bis 100% auf Staatskosten finanziert, was Zuschüssen angeht.
Sprich: Auch die Konfessionsschule, die sich entschlossen hat, NUR Christliche, ja, vielleicht sogar nur Katholische Schüler aufzunehmen wird vom Staat finanziert.
Aber es geht noch weiter.
In jenen medizinischen Einrichtungen unter kirchlicher Trägerschaft, die auf Staatskosten unterhalten werden, ist es zum Beispiel Ärzten auch erlaubt aufgrund ihres Glaubens das Ausstellen von Rezepten für "Die Pille danach", ja, sogar die Untersuchung unter bestimmten Umständen zu verweigern, während die Kirchenlobby auch dafür sorgt, dass das Medikament nicht Rezeptfrei wird.
Und dabei fange ich gar nicht erst von so Dingen wie den Religionsunterricht in Deutschland an oder mit der Diskriminierung von Homosexuellen, die zu großen Teilen ebenfalls mit Glauben begründet wird.
Kurz gesagt: In der Praxis ist es nicht weit her mit Religion, Staat und Trennung. Und das obwohl mittlerweile ein guter Teil der deutschen Bevölkerung atheistisch ist und weniger als 20% tatsächlich wirklich 100%ig gläubige Christen, die noch wirklich der Kirche und all den dazugehörigen Dingen Folgen, sind.
Und auch in vielen anderen Ländern, die theoretisch Staat und Kirche trennen, sieht es nicht anders aus. Auch in Österreich werden diverse Kirchenmänner und kirchliche Einrichtungen vom Staat finanziert, auch in Frankreich und Großbritannien wird bei der Gesetzessprechung und in der Politik oft mit Religion argumentiert und von Italien fangen wir lieber nicht an.
Der heutige Tag zeigt es wieder: Tanzverbot. Bestimmte Einrichtungen müssen schließen. Bestimmte Filme dürfen nicht gezeigt werden. In einigen Bundesländern ist sogar gesetzlich vorgeschrieben was und was nicht in Restaurants und Cafés serviert werden darf.
Weil Karfreitag - für den sich kaum ein Deutscher noch interessiert. Aber wen störts, wenn die paar wirklich gläubigen Christen glücklich sind?
Wie findet ihr das?
Habt ihr überhaupt gewusst, wie viel Geld jährlich vom Staat an die Kirche fließt?
Was haltet ihr von religiöser Diskriminierung in Schulen oder bestimmten Einrichtungen?
Hat die Kirche in Deutschland zu viele Freiheiten?
Wenn ihr nicht aus Deutschland seid: Wisst ihr, wie es in eurem Land aussieht?
Und was haltet ihr von anderen Ländern, wie den USA, wo es in einigen Staaten erlaubt ist, dass Menschen anderer Ethnien oder Sexualitäten mit religiöser Begründung diskriminiert werden und wo tatsächlich auch Medien und dergleichen noch immer stark durch Religion beeinflusst werden?